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(Thema begonnen von: Jorun am 27. Juli 2005, 22:39 Uhr)

Titel: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 27. Juli 2005, 22:39 Uhr
Vor rund 21 Mondläufen, damals noch unter dem Namen Hexe von Blurraent, lief die Rabenschwinge in der Stadt der Silberbrücke vom Stapel. Zu jener Zeit bot sie einen wahrlich beeindruckenden Anblick, doch sind diese Zeiten mittlerweile leider längst vorbei, zumindest scheint es so. Heute wirkt der zweimastige Handelssegler mit einer Länge von rund 24 und einer Breite von knapp 8 Schritt, relativ geringem Tiefgang und einem recht schnittigen Kiel ziemlich heruntergekommen und wird von den meisten anderen Seeleuten eher mitleidsvoll belächelt. Dennoch sollte man sich vom Anblick der Rabenschwinge nicht allzu sehr täuschen lassen, denn trotz ihres schäbigen Aussehens ist sie ein recht schnelles und wendiges Schiff, das Fracht und Besatzung zügig über den Ildorel trägt.

Kapitän dieses einstmals sehr ansehnlichen Juwels, seiner nur 15 Mann starken Besatzung und der drei Schiffskatzen Dorle, Kat und Noeck ist ein alter, griesgrämiger Seebär namens Robert Myre, der aber nicht ganz so aussieht, wie sich die meisten Leute einen grimmigen Seemann üblicherweise vorstellen würden.
Robert Myre, in Talyra eigentlich nur als (Käpt'n) Krähenauge bekannt, ist groß und hager, sein kantiges Gesicht ist vom Alter gezeichnet und seine dunklen, fast vollkommen schwarzen Augen verleihen ihm einen stechenden Blick. Mit Hakenhand, Holzbein und Augenklappe kann er nicht aufwarten, wohl aber mit eindrucksvoll gestutztem Schnauzbart, hervorspringender Habichtnase und auf Hochglanz poliertem, sonnengebräuntem Kahlkopf. Die Rabenschwinge befindet sich mittlerweile seit rund 16 Mondläufen in seinem Besitz, nachdem er sein altes Schiff, die Nebelkrähe, unter äußerst unglücklichen Umständen verlor. Über die Ereignisse, die dazu führten, schweigt er sich jedoch beharrlich aus, sodass bereits seit etlichen Mondläufen die wildesten Gerüchte kursieren.

Was seine Kundschaft anbelangt, so ist Kapitän Robert Myre nicht sonderlich wählerisch. Solange der Kunde Myres Preis zahlen kann und einen halbwegs vertrauenswürdigen Eindruck macht, kann jeder der will mit ihm ins Geschäft kommen. Passagiere nimmt der Kapitän seltener an Bord, auch wenn dies möglich ist. Eine Fahrt auf der Rabenschwinge ist zwar schneller als mit einer der großen Handelsgaleeren, aber sicher nicht so bequem, zumal Passagiere im Regelfall gemeinsam mit der Schiffsbesatzung nächtigen müssen. Üblicherweise dient die Rabenschwinge eher als reiner Frachtsegler. Auch Post nimmt sie, falls gewünscht und gegen entsprechende Bezahlung, gerne mit. Die Rabenschwinge läuft vor allem Brioca sowie die großen Häfen am Südufer (Sûrmera, Amavirin und Ildala) an, aber auch alle übrigen Häfen an den Ufern des Ildorels werden von Robert Myre angesteuert, da er es sich wie gesagt derzeit nicht erlauben kann, großartig wählerisch zu sein.


Die »Rabenschwinge«

Haupt-/Großdeck

Das oberste, durchgehende Deck der Rabenschwinge wird nur im hinteren Bereich vom Achterkastell überdacht. Der offene Teil, die sogenannte Kuhl, beherbergt neben den beiden Masten ein Beiboot sowie die Ankerwinde. Eine Ladeluke, die mit einem hölzernen Gitterrost versehen ist, führt über eine schmale Stiege hinab zum Mannschaftsdeck. Mehrere eiserne Führungsringe, die am Rand der Luke angebracht sind, ermöglichen zudem ein besonders umsichtiges Absenken empfindlicher Fracht.

Achterdeck, Quartier der Rudergänger & Puppdeck
Vom offenen Teil des Achterdecks aus können die zwei Steuerleute der Rabenschwinge über Ruderpinnen das Back- beziehungsweise das Steuerbordruder bedienen. Während einer normalen Handelsreise sind die Ruder in der Regel festgezurrt und es besteht keine direkte Notwendigkeit, dass beide Steuermänner gleichzeitig anwesend sind. Die Stellung der Ruder wird für gewöhnlich nur dann korrigiert, wenn ein Kurswechsel notwenig wird.
Das Quartier der Rudergänger befindet sich direkt unter dem Puppdeck und bildet somit den geschlossenen Teil des Achterdecks. Das Innere des Quartiers beherbergt zwei winzige Kojen sowie die Seesäcke der Steuermänner. Die Raumdecke ist so niedrig, dass man nicht mehr aufrecht stehen kann. Normalerweise suchen die beiden Männer ihr Quartier daher nur zum Schlafen auf.
Das Puppdeck befindet sich direkt über dem Quartier der Rudergänger. Es ist recht klein und sehr schräg, sodass es einiger Übung bedarf darauf nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Takelung des hinteren Segels läuft auf dem hier zusammen, aus diesem Grund herrscht auf dem Puppdeck des Öfteren rege Betriebsamkeit.

Kapitänskajüte
Bei dem Raum unter dem Achterdeck handelt es sich um die Kapitänskajüte. Dies ist zwar das geräumigste Quartier an Bord der Rabenschwinge, doch ist es alles andere als komfortabel eingerichtet. Vor einem nach achtern gehenden Fenster steht ein massiver Kartentisch, auf dem nautische Instrumente, ein Magnetkompass sowie ein Fernrohr liegen, darüber hinaus birgt eine große verschlossene Schublade das Logbuch und sämtliche Seekarten. Eine schmale Koje dient Robert Myre als Nachtlager, seine wenigen, persönlichen Habseligkeiten bewahrt er in einer schweren, mit Metallbeschlägen versehenen Holztruhe auf, es gibt zwei einfache Stühle und eine versperrte Luke führt hinab in den sogenannten »Bauch« des Schiffes.

Mannschaftsdeck/Oberer Laderaum
Das Mannschaftsdeck, welches sich im oberen Laderaum der Rabenschwinge befindet, wird, seinem Namen zum Trotz, vor allem als Lagerraum für verderbliche Waren genutzt. Bei schlechtem Wetter spannt die Mannschaft hier ihre Hängematten auf. Bei günstigem, warmem und vor allem trockenem Wetter nächtigen die Männer jedoch lieber an Deck. Ihre wenige, persönliche Habe (Münzen, Kleidung usw.) verstauen die Männer in Seesäcken, die ihnen in der Regel auch als Kopfkissen dienen. Im hinteren Teil des Mannschaftsdecks befindet sich zudem ein abgetrennter Teil des Laderaums, der sich in Kombüse und »Bauch« aufteilt.

Kombüse, »Der Bauch« & Kabelgatt
Durch eine schmale Tür gelangt man vom hinteren Teil des Mannschaftsdecks aus in die Kombüse. An Seilen, die quer unter der Decke durch den ganzen Raum gespannt sind, baumeln Töpfe, Pfannen, Schöpfkellen und sonstige Küchenutensilien herab, sodass man aufpassen muss, dass man sich nicht daran stößt. In einem Wankschrank werden Geschirr, Besteck sowie einige Kräuter und Gewürze verwahrt. Ein paar Säcke und Fässer enthalten Bohnen, Salz und Pökelfleisch, sodass man sehr vorsichtig sein muss, dass man nicht aus Versehen über irgendetwas stolpert. Die Feuerstelle ist zwar mit Steinplatten ausgekleidet, kann aus Sicherheitsgründen aber nur bei sehr ruhigem Seegang genutzt werden. Einen richtigen Smutje gibt es an Bord der Rabenschwinge ohnehin nicht, weshalb alle Mannschaftsmitglieder in regelmäßigem Wechsel Kombüsendienst versehen müssen.
Der größere Teil des abgetrennten Laderaums, der sich direkt neben der Kombüse befindet, ist nur durch eine Luke in der Kapitänskajüte erreichbar. Besonders wertvolle Waren, die dem allgemeinen Zugriff entzogen bleiben sollen, werden hier aufbewahrt. Meistens lagert Robert Myre hier allerdings lediglich seinen persönlichen Bestand an Branntwein und Rum.
Der enge, kleine Raum im vorderen Teil des Mannschaftsdecks dient der Aufbewahrung von Trossen, Tauen und Werkzeug. Notfalls könnte hier auch ein unbotmäßiger Matrose oder ein Gefangener untergebracht werden, dies war allerdings, zumindest unter Myres Kommando, bisher noch nie notwendig.

Unterer Laderaum
Der eigentliche Frachtraum der Rabenschwinge. Hier können, selbstverständlich ordentlich vertäut, Kisten, Fässer und Ballen gelagert werden. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Bilge (= tiefste Stelle im Schiff) und somit auch zum Sickerwasser, welches sich zwischen den als Ballast dienenden Steinen sammelt, herrscht hier unten immer ein etwas unangenehmer Geruch, weshalb Lebensmittel grundsätzlich ein Deck höher gelagert werden müssen. Eine Pumpe zum Abpumpen des Bilgenwassers, was mindestens einmal täglich erfolgen muss, ist vorhanden.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 28. Juli 2005, 11:34 Uhr
« Der Grüne Aal

Nachdem Jorun den Grünen Aal verlassen und etwas frische Luft geschnappt hat, begibt sie sich einmal mehr im Hafen auf Arbeitssuche an Bord eines Schiffes. Wie schon in den Tagen zuvor hört sie sich um und erkundigt sich auf mehreren Schiffen, aber was die Männer ihr am vergangenen Abend erzählt haben stimmt, auf keinem der Schiffe lässt sich Arbeit für sie finden. Frustriert setzt sie sich auf die Kaimauer und starrt finster zu den Booten, Seglern, Kriegsschiffen und Galeeren hinüber. Niemand nimmt gegenwärtig großartig Notiz von ihr. Nur hin und wieder wird sie von dem einen oder anderen Hafenarbeiter gegrüßt und in ein kurzes Gespräch verwickelt. Auf diese Weise wird sie gewahr, wo Schiffe belanden oder entladen werden müssen und es ein paar Münzen für sie zu verdienen gibt. Ihre Stimmung wird durch diese Informationen allerdings nicht sonderlich gehoben. Jorun arbeitet gerne mit den Hafenarbeitern zusammen, viel lieber würde sie jedoch auf einem der Schiffe zur See fahren, anstatt weiterhin an den Hafen gebunden zu sein. Missmutig schaut sie zum Aal hinüber, dann bleibt ihr Blick einmal mehr an dem kleinen Segelboot hängen, welches nur ein paar Schritt vom Aal am Kai vertäut ist, die Seestern.

Ein alter, weißhaariger Seemann ist dort gerade dabei, ein letztes Fass zum Grünen Aal hinüberzuschaffen. Sein Anblick erinnert Jorun erneut an den vergangenen Abend und mit einem Mal erinnert sie sich an einen der beiden Steuermänner der Rabenschwinge. Wie hießt er noch gleich, überlegt sie. Hanke, wenn ich mich nicht vollkommen täusche, oder? Sie springt von der Kaimauer herab und klopft sich ein wenig Staub von der Hose. »Du suchst Arbeit auf einem Schiff. … Dann melde dich morgen mal auf der Rabenschwinge. Frag nach Robert Myre. Jedenfalls, wenn du dir nicht zu vornehm für uns bist. Uns fehlt derzeit ein Mann an Bord.« Noch sehr genau erinnert sie sich an diese Worte des reichlich grimmig dreinblickenden Mannes, aber auch an die Worte der übrigen Seemänner. »Vergiss es Junge, die Schwinge hat ihre besten Zeiten schon lange hinter sich gelassen, da ist nicht viel zu holen für dich.« Die Normanderin runzelt leicht die Stirn und überlegt kurz. Schließlich liegt ein sehr entschlossener Ausdruck auf ihrem Gesicht. Was habe ich schon großartig verlieren? Entweder habe ich Glück oder ich verdinge mich eben weiterhin als Hafenarbeiter, sagt sie sich.

Entschieden bricht sie auf. Als ihr der Hafenmeister über den Weg läuft, hält sie ihn kurzerhand an und erkundigt sich bei ihm, wo sie die Schwinge finden kann. Der Mann mustert sie überrascht, gibt ihr dann aber bereitwillig Auskunft. Die Rabenschwinge hat an einem der hinteren Kais im südlichen Teil des Hafens festgemacht, dicht bei einigen der hellen, schlanken Kriegsschiffe der Stadt. Ein etwas ungünstiger Liegeplatz, wie Jorun feststellt, da es beim Laden und Löschen von Fracht für die Hafenarbeiter teilweise recht ungünstige, weite Wege zurückzulegen gilt. Bald hat sie ihr Ziel erreicht und sieht sich suchend um. Sie studiert die zahlreichen Schiffsnamen, die meistens an den Bügen angebracht sind und es dauert nur einen Augenblick, bis sie gefunden hat, wonach sie sucht, die Rabenschwinge. Beim Anblick des Handelsseglers muss Jorun nun doch erst einmal schlucken. In der Tat versteht sie den Spott der Seeleute jetzt weitaus besser, als dies noch am Vorabend im Grünen Aal der Fall gewesen ist. Irgendwann einmal mag die Rabenschwinge ja vielleicht einen beeindruckenden Anblick geboten haben, doch diese Zeiten liegen offenkundig schon ein paar Mondläufe zurück. Nachdem sie den ersten Schrecken jedoch überstanden hat, schaut sie sich das Schiff etwas näher an.

Es wirkt wirklich ziemlich heruntergekommen. Die dunkle Farbe des Namenszuges, der auf beide Seiten des Buges aufgemalt ist, blättert munter ab, die Segeltücher sind, soweit man das vom Kai aus erkennen kann, in Ordnung, sehen aber reichlich grau und schmuddelig aus und auch sonst merkt man dem Schiff an, dass es schon einige Jährchen auf dem Buckel hat. Einen Moment lang ist Jorun versucht zu gehen und ihr Glück anders wo zu suchen. Die Rabenschwinge ist so gebaut, dass sie gewiss gute Fahrt macht und den klobigen, schwerfälligen Handelsgaleeren, die den Hafen dominieren, um einiges überlegen ist, dennoch ist sie sich nicht sicher, ob es wirklich klug ist, auf solch einem Schiff anzuheuern. Doch gerade als sie sich entscheidet, wieder zu verschwinden, taucht der Steuermann, den sie bereits als Hanke kennen gelernt hat, oben auf dem Großdeck der Rabenschwinge auf und tritt an die Reling heran. „Ahoi.“ Er hebt die Hand zum Gruß, als er sie unten am Kai stehen sieht. Ohne noch länger zu zögern erwidert die Normanderin seinen Gruß. Was soll’s. Es ist ein Schiff, was will ich mehr? Sie geht zu der Planke hinüber, über die man an Bord der Schwinge gelangt und ignoriert die kleine, spöttische Stimme, die in ihrem Hinterkopf zu einer ziemlich gehässigen Antwort ansetzt.

„Na, Bursche, hast du dich tatsächlich hergetraut?“ Hanke erwartet sie bereits, als sie das Deck betritt. Obwohl er, ebenso wie alle anderen Seeleute und Hafenarbeiter, die untereinander üblichen, zwanglosen Umgangsform pflegt, wirken seine Worte, aufgrund der Art, wie sie ausgesprochen werden und klingen, doch sehr förmlich, distanziert und vor allem wenig freundlich. Jorun kann es ihm nicht einmal wirklich verübeln, wenn sie sich überlegt, wie viel Spott und Hohn die Besatzung der Rabenschwinge vermutlich ständig ausgesetzt sein muss. „Ich suche Arbeit“, erklärt sie höflich. „Wo ist mir egal. Hauptsache auf einem Schiff. Und das hier ist schließlich ein Schiff, oder?“ Sie sieht den Steuermann respektvoll, aber geradeheraus an, Speichelleckerei ist ganz und gar nicht ihre Art. „Hm“, brummt der Steuermann und spart sich weitere Bemerkungen. „Komm, ich bringe dich am besten gleich zum Käpt’n“, meint er kurz angebunden und deutet hinüber zum Achterkastell, wo sich die Kapitänskajüte befindet. Zügigen Schrittes geht er voraus und Jorun folgt ihm schweigend. Die übrigen Männer an Bord beäugen sie kritisch, während sie ihrem jeweiligen Tagwerk nachgehen.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 30. Juli 2005, 12:28 Uhr
Am Achterkastell angelangt, pocht der Steuermann kraftvoll an die Tür der Kapitänskajüte. Ein ebenso lautes „Soll reinkommen!“ erklingt und Hanke öffnet die Tür. Jorun folgt ihm auch weiterhin, wobei sie kaum Gelegenheit hat sich näher auf der Rabenschwinge umzusehen. Die Männer auf dem Großdeck hat sie nur mit ein paar flüchtigen Blicken bedenken können, auch das Beiboot, hat sie kaum in Augenschein nehmen können, so schnell hat Hanke sie über Deck geführt. Nun schließt sich die Kajütentür hinter ihr und sie sieht sich dem Käpt’n der Schwinge gegenüber. Käpt’n Krähenauge wie sie sich bei seinem Anblick sogleich erinnert. Groß und hager steht über seinen Kartentisch gebeugt da. Als sein Steuermann mit Jorun den Raum betritt, richtet er sich auf und bedenkt die Normanderin mit einem solch durchdringenden Blick, dass sie sofort versteht, woher er den Namen, unter dem er im ganzen Hafen bekannt zu sein scheint, hat. Jorun hält den Kopf leicht geneigt, weicht dem Blick des Käpt’ns aber nicht aus, bis der Mann schließlich das Schweigen bricht. „Hm, dass ist also der Bursche von dem Ihr mir berichtet habt, Estren?“, wendet er sich mit barscher Stimme an seinen Steuermann, wobei Jorun sogleich die formelle Anrede auffällt, die keinen Zweifel daran lässt, WER auf der Rabenschwinge das Sagen hat.

Hanke Estren nickt. „Jawohl, Käpt’n Myre“, erklärt er respektvoll. Myre? Myre? irgendetwas kommt der Normanderin bei der Nennung des Namens bekannt vor, doch es dauert ein wenig, bis es ihr wieder einfällt. »Dann melde dich morgen mal auf der Rabenschwinge. Frag nach Robert Myre«, fallen ihr Hankes Worte schließlich wieder ein. Sie sieht den Kapitän an. Auf der Rabenschwinge also Robert Myre, nicht Krähenauge … gut zu wissen. Geduldig wartet sie ab, bis der Myre das Wort an sie wendet, doch zunächst verabschiedet dieser seinen Steuermann. Auch bei endgültigen Entscheidungen, was seine Mannschaft anbelangt, duldet Myre offenbar keine weitere Mitsprache oder Einmischung. Hanke Estren entfernt sich so achtungsvoll wie er sich bereits die ganze Zeit über gibt und Jorun versucht vergeblich an seinem Gesicht abzulesen, ob ihn die Anweisung des Kapitäns in irgendeiner Weise kränkt oder nicht. Normalerweise ist es immer gut zu wissen, wie das Verhältnis zwischen Kapitän und Steuermann, aber auch der übrigen Mannschaft ist. Nun ja, was willst du, Jorun?, sagt sie sich. Du bist gerade mal ein paar Minuten auf diesem Schiff, da kannst du unmöglich glauben, bereits nach so kurzer Zeit einschätzen zu können, wie Mannschaft und Kapitän miteinander umgehen.

Und, wie heißt du Bursche?“, abschätzend mustert Robert Myre Jorun von oben bis unten, die förmliche Art der Anrede ist also nicht für eine Unterredung mit der einfachen Schiffsbesatzung gedacht, wie Jorun feststellen muss. Sie begegnet dem Blick des Kapitäns und antwortet mit fester Stimme. „Jorun Ånderdalen, Käpt’n.“ „Eiriksson?“, entgegnet Myre und zieht eine Augenbraue steil in die Höhe, während er sich mit einer Hand über den glatten Hinterkopf fährt. Jorun nickt, schluckt und versucht sich nicht anmerken zu lassen, sie hat nicht erwartet, dass der Name ihres Vater einem Süßwassserschiffer der Herzlande ein Begriff ist. Augenblicklich beginnt ihr Herz etwas schneller zu schlagen, da sie fürchten muss, dass ihr Spiel auffliegt, noch bevor es richtig begonnen hat. Die nächsten Worte des Käpt’ns lassen sie jedoch wieder aufatmen. „Hm“, brummt Myre. „So, sooo, na ja, sicher kein sehr seltener Name da oben im Norden, was? Du bist doch aus Normand, Junge? Oder eher Ardun?“ Die junge Frau nickt unwillkürlich, offenbar hat Robert Myre entschieden, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein Spross des Seefahrers und Schiffbauers Eirik Ånderdalen ausgerechnet auf der Rabenschwinge nach Arbeit sucht. „Normand“, antwortet sie bestätigend, der harte Akzent ihrer Stimme hat ihre nordische Herkunft bisher immer recht schnell verraten.

„Und du suchst also Arbeit auf einem Schiff, Ånderdalen?“, hakt Robert Myre weiter nach. „Überhaupt schon mal zur See gefahren?“ Nur schwer kann Jorun ihren Unmut niederkämpfen und verhindern, dass sie lautstark gegen Myres Art der Behandlung protestiert. Stattdessen erklärt sie ruhig und sachlich wie möglich, was sie bisher alles gelernt hat und mit welcher Art von Schiffen sie bislang vertraut ist. Zwischen ihr und dem harschen, bestimmenden Mann entspinnt sich eine Unterredung, in deren Verlauf die Normanderin ihre Beherrschung nicht immer vollkommen aufrecht erhalten kann und schließlich ist sie fast sicher, dass sie die Aussicht auf der Rabenschwinge anzuheuern mit ein paar unüberlegten Bemerkungen vertan hat. Zu ihrer grenzenlosen Überraschung ist dies jedoch nicht der Fall. Myre mustert sie finster. „Also gut, hol dein Zeug und lass dir anschließend von Joris alles zeigen“, knurrt er. „Meine Mannschaft hat auf der Rabenschwinge zu nächtigen.“ Er nennt ihr noch ihren zu erwatenden Lohn, dann schickt er sie endlich fort. Als Jorun bereits in der Tür steht, ruft er sie allerdings noch einmal zurück. „Wenn du dein zeug verstaut und dir alles angesehen hast, dann melde dich unverzüglich bei Estren, verstanden, Ånderdalen?“, meint er. „Gibt da was, was gleich für erledigen kannst.“ Jorun nickt. „Aye, Käpt’n.“ Als Robert Myre keine weiteren Anstalten macht noch etwas zu sagen, verlässt sie die Kajüte und schließt die Tür hinter sich.    

Perlenhafen und Schiffslände »

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 10. Aug. 2005, 10:27 Uhr
« Perlenhafen und Schiffslände

Gut gelaunt läuft Jorun durch den Hafen zurück zur Rabenschwinge, mittlerweile ist allerhand Volk unterwegs und die Normanderin begegnet immer wieder dem einen oder anderen bekannten Gesicht. Die Hafenarbeiter und Seeleute, die sie nun halbwegs gut kennt, reagieren wie erwartet auf den Umstand, das Jorun auf der Schwinge angeheuert hat: Mitleidvoll lächelnd. Sie rufen ihr scherzhafte Worte nach und erteilen ihr noch den einen oder anderen wohlgemeinten ratschlage und lassen die junge Frau dann ihrer Wege ziehen. Jorun nimmt es gelassen hin, schließlich hatte sie bereits gewusst, dass es so oder so ähnlich laufen würde. Während sie weitergeht, kommt ihr zu Ohren, dass die Windkind, das Windschiff von Kapitän Galrin Ragnarsson, die Stadt angeblich in den frühen Morgenstunden verlassen hat. Die Normanderin runzelt etwas bedauernd die Stirn, sie hätte das Schiff gerne einmal gesehen, bevor es gen Norden aufbricht oder zumindest beobachtet, wie es von dannen segelt. Egal, lässt sich nicht ändern. Vielleicht siehe ich die Windkind ja, wenn sie wieder zurückkommt, sagt sie sich achselzuckend und betritt die Planke, die an Bord der Rabenschwinge führt.

An Deck angelangt lässt sie ihren Seesack von der Schulter rutschen und erkundigt sich nach einem gewissen Joris. Der kleine, rundliche, aber sehr wendige ältere Bootsmann ist rasch gefunden. Grinsend kommt er die Treppe vom Mannschaftsdeck herauf und nimmt Jorun prüfend in Augenschein. „So“, brummt er kritisch, „du sollst also den guten Stewen ersetzen, he? Der Käpt’n hat mich bereits informieren lassen. Na dann komm mal mit mein Junge.“  Joris ist eindeutig kein Mann, der nicht lange fackelt, sondern rasch handelt. Zu allererst zeigt er Jorun, wo die Mannschaft schläft und wo sie ihr Gepäck verstauen kann. „Schnapp dir hier einfach  ne Hängematte“, meint er und deutet achtlos umher, während er der Normanderin in allen Einzelheiten erläutert, was sie sieht. Nachdem sie ihren Seesack, ihren Mantel sowie ihren Stab verstaut hat, setzt der Bootsmann seine Führung fort und macht die junge Frau mit dem gesamten Schiff vertraut, abschließend macht er sie mit der restlichen Besatzung bekannt, sofern die Männer sich gerade an Bord befinden. Die Männer nehmen Jorun freundlich, aber nicht gerade herzlich in ihrer Mitte auf. Die junge Frau nimmt es gelassen. Mit der Zeit würde man sich rasch besser kennen lernen, an Bord eines Schiffes geht so etwas ja für gewöhnlich recht schnell, da man zwangsläufig sehr eng beisammen lebt.  

Nachdem Jorun alles gesehen hat, meldet sie sich, wie verlangt, unverzüglich bei Hanke Estren, um zu erfahren, von welcher Aufgabe Käpt’n vorhin gesprochen hat, als er meint, es gäbe etwas, was sie gleich erledigen könnte. Als sie Hanke Estren darauf anspricht, winkt dieser jedoch ab. „Komm erst einmal mit, essen“, erklärt er kurz angebunden. In der Tat ist es gerade Mittagszeit und Jorun spürt, dass sie ziemlichen Hunger hat, daher lässt sie sich nicht lange bitten. Einen Smutje gibt es auf der Rabenschwinge nicht, wie sie gleich darauf beim gemeinsamen Essen mit der übrigen Mannschaft erfährt, alle Männer sind aus diesem Grund in regelmäßigem Wechsel für den Dienst in der Kombüse eingeteilt, auch Jorun wird sogleich mit in den feststehenden Plan eingebunden. Nachdem sie ihr Mahl beendet haben, wird die Normanderin von Estren beiseite genommen. Er lässt sie nur kurz allein, um etwas zu holen und ist wenige Augenblicke später wieder zurück, bei sich hat er eine Schiffsglocke, die er ihr wortlos überreicht. Die junge Frau betrachtet sie prüfend. Es handelt sich um eine sogenannte Wandglocke (http://www.petit-edelbrock.de/images/bronze_halter.jpg). Ihr Klangkörper ist in einwandfreiem Zustand, wie Jorun sofort erkennen kann, aber die Halterung, mit der sie für gewöhnlich an ihrem Platz auf dem Schiff befestigt ist, ist angebrochen. Ein hässlicher, feiner, aber gut erkennbarer Riss ist deutlich sichtbar, bald würde die Halterung vollständig auseinander brechen.

„Der Käpt’n möchte, dass du in der Stadt einen Schmied findest, der das wieder in Ordnung bringen kann“, brummt Hanke Estren, wobei er auf die Metallhalterung deutet. Zu gerne würde Jorun fragen, wie es überhaupt zu diesem Riss gekommen ist, der Blick des Steuermanns lässt sie jedoch schweigen, stattdessen hört sie ihm weiter zu. Estren beschreibt ihr den Weg zu einer Schmiede und nennt den maximalen Preis, den Robert Myre bereit ist für die Instandsetzung der Glocke zu zahlen. „Verlangt er mehr, Handel den Mann runter oder lass das Geschäft platzen. In ein paar Tagen brechen wir nach Amavirin auf, dann suchen wir da eine Schmiede auf. Besser wäre es allerdings, wenn die Sache schon vorher aus der Welt wäre.“ „Aye.“ Jorun nickt. „Dann mache ich mich gleich auf den Weg“, erwidert sie, betrachtet die Glocke noch einmal kurz und verlässt schließlich das Schiff, nachdem Hanke Estren sich ebenfalls zum Gehen abgewandt hat. Die junge frau durchquert den Hafen in Richtung des Grünen Aals und begibt sich zum Marktplatz, wo die Schmiede zu finden ist, die der Steuermann ihr beschrieben hat.

Ilfsis – Die Elbenschmiede am Marktplatz »

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 23. Aug. 2005, 13:16 Uhr
« Ilfsis – Die Elbenschmiede am Marktplatz

Nachdem Jorun die Elbenschmiede am Marktplatz wieder verlassen hat, begibt sie sich sogleich auf direktem Weg zurück zur Rabenschwinge, um Käpt’n Myre darüber Bericht zu erstatten, wie sie mit dem Schmied Hisime vorerst verblieben ist. Als sie das Schiff jedoch erreicht, herrscht dort geordnetes Durcheinander. Die Männer laufen scheinbar wild hin und her und dennoch erledigen sie alle ihre Aufgaben auf wünschenswerte und effektivste Art und Weise. „Los, wo bleibst du denn?“, rufen ihr einige von ihnen ungeduldig zu. „Beeil dich. Beeil dich, es gibt einiges zu tun.“ Rasch stürzt Jorun an Bord und sieht sich um. Offenbar wird alles für einige baldige Abreise vorbereitet. Verdutzt schnappt sie sich den erstbesten Mann, den sie zu greifen bekommt. „Was ist den hier los?“, fragt sie. „Ich denke, es soll erst in ein paar Tagen nach Amarvirin gehen?“ Der Mann zuckt mit den Schultern. „Der Käpt’n hat seine Pläne geändert, wir brechen gleich morgen nach Blurraent auf“, brummt er kurz angebunden, macht sich los und hastet an seine Arbeit zurück. Während Jorun noch ein wenig überrascht dreinschauend dasteht, kommt Hanke Estren auf sie zu. „Los, steh hier nicht rum“, blafft der erste Steuermann sie an. „Erstatte dem Käpt’n gefälligst Bericht. Wird’s bald?“ Das barsche Verhalten des Mannes kommt etwas unerwartet und Jorun beeilt sich dem Befehl Folge zu leisten. Die Anspannung auf dem gesamten Schiff ist deutlich zu spüren und sie möchte sich am ersten Tag nicht unnötigen Ärger einhandeln. Als Neuling würde sie es in der nächsten Zeit ohnehin gewiss nicht leicht haben, soviel ist sicher. Derlei ist Jorun zwar gewohnt und sie kann mit Reibereien und harschen Worten umgehen, das bedeutet aber natürlich nicht, dass sie darauf aus ist, bewusst noch weiteren Ärger zu provozieren.

Daher eilt die junge Frau schnell zur Kapitänskajüte, klopft an und tritt ein, als sie von drinnen Myres Antwort vernimmt. „Nun, was hast du mir zu berichten, Ånderdalen?“, knurrt er, dabei nicht von seinem Kartentisch aufschauend auf welchem zahlreiche Pergamente verstreut herumliegen. Jorun bleibt dicht neben der Tür stehen. „Der Schmied meinte, es wäre das Beste eine vollkommen neue Halterung für die Glocke zu schmieden“, erklärt sie in ruhigem, sachlichem Tonfall. „Der Preis liegt noch in dem von Euch abgesteckten Rahmen und ist, so denke ich, auch noch weiter verhandelbar. In zwei Tagen kann die Halterung abgeholt werden.“ Nun blickt Myre doch auf und kratzt sich den blanken Hinterkopf. „So sooo, in zwei Tagen als, sagst du, Ånderdalen“, meint er und sieht die Normanderin geradeheraus an, ein Wort des Lobes oder der Anerkennung hat er nicht für sie. Stattdessen wendet sich wieder seinen Karten zu. „Nun, ich fürchte, er wird etwas länger warten müssen, bevor jemand die Halterung abholen kommt“, fährt er fort. „Du hast es mitbekommen?“ Jorun nickt. „Wir brechen morgen nach Blurraent auf?“, antwortet sie. Dieses Mal ist es Robert Myre der billigend nickt. „Gerade hat mich ein Rabenvogel mit einer Botschaft erreicht. Du weißt, was der Tanz Sils ist, Junge?“ Einmal mehr nickt Jorun zustimmend. „Gut, dann verstehen wir uns. Gute Geschäfte warten in Blurraent auf uns. … Und die haben wir auch bitter nötig. …“ Die letzten Worte spricht der Kapitän leise und mehr zu sich selbst, dennoch vernimmt Jorun sie genau. Scheint so, als wäre es um die Rabenschwinge wirklich nicht so gut bestellt, denkt sie im Stillen; laut erwidert sie: „Sonst noch was Käpt’n?“ Dieser sieht nicht noch einmal von seinen Karten auf. „Nein, geh. Mach dich nützlich. Estren wird dich schon zu beschäftigen wissen“, brummt der Kapitän. Damit ist die Normanderin entlassen. „Aye.“ Sie dreht sich um und verlässt ohne Umschweife die Kajüte.

Hanke Estren hat in der Tat einiges für sie zu tun und so ist Jorun den Rest des Tages über gut beschäftigt. Da sie neu ist, kommt es ihr zu, all die unliebsamen Aufgaben zu übernehmen, die sonst niemand an Bord erledigen mag, das Los aller Neulinge eben. Schicksalsergeben fügt sie sich und macht, was man ihr zu tun aufträgt. Der Abend kommt, die Männer essen gemeinsam und alle, außer den Wachhabenden begeben sich nach und nach zur Ruhe. Spät in der Nacht wird Jorun geweckt, gerade hat es wieder vier Glasen geschlagen. Da die Schiffsglocke derzeit jedoch in der Elbenschmiede ist, verkündet der Wachhabende derzeit das Vergehen der Stunden durch einen knappen Ruf. Wie dem auch sei, die Männer haben Jorun noch eine ganz besondere Aufgabe zugedacht: Die zweite Nachtwache – Hundewache. Verschlafen, aber ohne zu murren, tut die junge Frau, was man von ihr verlangt. Dennoch ist sie froh, als auch sie endlich vier Glasen verkünden kann und die Morgenwache ihren Dienst antreten muss. Müde verschwindet sie in ihre Hängematte und haut sich aufs Ohr. Viel Zeit zum schlafen bleibt ihr allerdings nicht mehr. Der Grund dafür weshalb die zweite Nachtwache so unbeliebt ist: Weder abends noch morgens ist ausreichend Zeit, um genügend Schlaf zu finden. So kommt es denn auch, dass die Normanderin schon bald wieder auf den Beinen ist, denn die Rabenschwinge ist eines der ersten Schiffe, welches an diesem Morgen den Hafen von Talyra verlässt. Dichte Nebelschwaden hängen noch über den Wassern des Ildorels, als die Mannschaft alles für die Überfahrt nach Blurraent klar macht und auf den offenen See hinaussegelt.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 26. Aug. 2005, 15:19 Uhr
Rund vier Tage dauert die Fahrt der Rabenschwinge bevor sie Blurraent schließlich unbeschadet erreicht. Die Winde sind ihnen nicht immer ganz wohl gesonnen, weshalb sie etwas länger benötigen, gleichwohl erreichen sie die Stadt der Silberbrücke recht schnell. Ihre erste Fahrt auf dem Schiff bereitet der jungen Normanderin große Freude. Zwar fehlen ihr die Nordwinde ihrer Heimatküste ein wenig, trotzdem genießt sie es endlich wieder Wind und Wellen um sich und kreischende Möwen am Himmel über sich zu haben. Rasch gewöhnt sie sich auf dem Schiff ein und ist sehr bald mit allem vertraut, was sie wissen muss. Auch gelingt es ihr, wie erwartet, sehr schnell Freundschaft mit der restlichen Besatzung zu schließen. Das enge Beisammenleben hat aber auch einen Nachteil: Die junge Frau muss ausgesprochen erfindungsreich sein, wenn es darum geht zu verbergen, dass sie in Wirklichkeit kein Mann, sondern eine Frau ist. Da die Rabenschwinge jedoch nicht das erste Schiff ist, auf dem Jorun angeheuert hat und sie zudem mit drei Brüdern aufgewachsen ist, fällt es ihr nicht übermäßig schwer ihr kleines Spielchen fortzusetzen. Zudem ist sie seit der Geschichte mit Novo noch vorsichtiger als zuvor und achtet peinlichst genau darauf, dass ihr solch ein dummer und vermeidbarer Fehler nicht noch einmal unterläuft.

Als die Rabenschwinge endlich Kurs auf das nordöstliche Ildorelufer nimmt und Jorun Blurraent, die Stadt der Silberbrücke, langsam am Horizont aufziehen lässt, hält sie unweigerlich den Atem für einen Augenblick an. Schon viel hat sie von der Stadt am Hügel on Saênyc, zwischen Hügel und Rhûneufer gelegen, gehört, sie selbst jedoch noch nie selber besucht, da es sie aus ihrer nordische Heimat bisher noch nie zuvor dorthin verschlagen hat. Viel Zeit zum träumen bleibt ihr allerdings nicht, da sich das Schiff leider nicht vollkommen von allein segelt und so eilt sie schon bald wieder an ihre Aufgaben zurück. Es ist bereits Mittag, als die Schwinge schließlich im Hafen der Stadt einläuft und dort an einem der Kais festmacht. Sogleich setzt die übliche Betriebsamkeit ein. Hafenarbeiter strömen herbei und helfen beim Löschen der Ladung. Viel gibt es für sie an Bord der Rabenschwinge jedoch nicht viel zu holen, da das Schiff von Robert Myre nur wenig Fracht mit sich führt. Murrend ziehen die Männer schon bald wieder ab. Der Kapitän erteilt noch ein paar letzte Anweisungen, auch Hanke Estren hat noch das eine oder andere anzukündigen, dann ist die Mannschaft entlassen, sofern sie nicht irgendwelchen Dienst an Bord zu versehen hat.  

Mehrere Tage lang, so Robert Myre, werden sie in Blurraent bleiben. „Lange genug, um ausreichend Waren einzukaufen“, so sein genauer Wortlaut. Und Waren bekommen sie in Blurraent wahrlich genug, denn immerhin ist die Stadt wohl die einflussreichste und wohlhabendste aller Städte im Nordosten Ildoriens. Robert Myre hat mehr als genug Arbeit für seine Männer und hält sie die ganze zeit über ziemlich auf trab, sodass es für Jorun kaum Gelegenheit etwas mehr von Blurraent zu sehen, dennoch nutzt sie jede denkbare Möglichkeit, um die Stadt zu erkunden. Bereitwillig nutzt sie jeden Landgang, wenn es darum geht irgendwelche Waren einzukaufen und versucht so viele Kontakte wie irgend möglich zu Händler, Hafenarbeitern, Seeleuten und anderem Volk zu knüpfen. Die Abende verbringt sie mit den Männern der Rabenschwinge immer in einem anderen Gasthaus der Stadt. Es wird gefeuert, getrunken, gelacht und gescherzt. Ihre Kameraden amüsiert es besonders, wie gut sie bei den Frauen ankommt, diese jedoch jedes Mal mehr oder weniger bestimmt abweist, was die Männer schon bald zu vielfachen Witzen anregt.

Jorun nimmt es gelassen, solange die Scherze freundschaftlich gemeint sind. Nur einmal gerät sie mit einem fremden Seemann unsanft aneinander, auch wenn sie lange Zeit versucht, den offenen Streit zu verhindern. Als die kleine Keilerei jedoch nicht mehr zu vermeiden ist, geht sie ihr auch nicht aus dem Weg. Recht schnell sind alle Unstimmigkeiten geklärt. Wer mit drei rauflustigen Brüdern klar gekommen ist, versteht sich durchzusetzen und der Unruhestifter zieht schließlich mit einem blauen Auge und einer blutig geschlagenen Nase davon. Die Stadtwache nimmt von der Reiberei Notiz, verteilt ein paar gut gemeinte Rüffel sieht aber ansonsten keinen weiteren Grund zum einschreiten. Der Seemann, der den Streit vom Zaun gebrochen hast, ist ihnen bereits ein Begriff. Bei der Rückkehr auf die Schwinge setzt es noch eine Standpauke vom Käpt’n, die allerdings ebenfalls mit einem milden Augenzwinkern endet. Die restliche Mannschaft zeigt sich noch etwas weniger zurückhaltend und so ist die junge Frau spätestens ab diesem Abend vollständig in die Besatzung mit aufgenommen.

„Bauch“ und Laderaum des Schiffes füllen sich indes mehr und mehr. Vor allem Schmiedeerzeugnisse finden den Weg an Bord. Waffen, vor allem Streitäxte und massige Hämmer, aber auch Schwerter und sonstige Klingen gelangen an Bord. Der Hauptteil der Ladung besteht allerdings aus Werkzeug und ähnlichen Dingen. Zudem übernimmt Myre von einem Händler Fracht sowie etwas Post, die es nach Talyra zu bringen gilt. Je näher der tag der Abreise rückt, umso besser gelaunt gibt sich der Kapitän. Ihm ist anzumerken, dass er mit dem Ergebnis dieser Fahrt bisher mehr als zufrieden ist und bei seiner Rückkehr nach Talyra auf guten Gewinn hofft, wozu er derzeit auch allen Grund hat.
Gegen Abend lässt sich der noch der Hafenmeister blicken. Der ältliche Mann und Myre stehen unten am Kai und unterhalten sich. Offenbar hat erst kürzlich ein Botenvöge die Stadt mit einer dringenden Nachricht erreicht. Ein oder zwei Reisende sind von Torhof unterwegs nach Blurraent und wollen von dort mit einem schnellen Schiff nach Talyra übersetzen. "Dachte da an dich", brummt der Hafenmeister, die beiden Männer kennen sich scheinbar recht gut. "Die Bezahlung ist gut, soviel steht schon einmal fest. Müsstest nur noch ein, zwei Tage warten." Robert Myre zieht eine Augenbraue steil in die Höhe und sieht seinen Freund kritisch an. Der klopft ihm leicht auf die schulter. "Glaub mir alter Freund, es lohnt sich." Der Kapitän der Rabenschwinge überlegt kurz. Schließlich nickt er knapp. "Gut meinetwegen. Aber ich hoffe für dich, dass du Recht hast."

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Maus am 03. Sept. 2005, 23:26 Uhr
<--- Windkind

Die Krise kommt pünktlich am dritten Tag ihrer Reise. Bis zu diesem Zusammenbruch hatte Novo sich alles in allem wacker geschlagen. Auch Maus fühlt sich erschöpft und gerädert von den Härten der Reise nach dem langen Stadtaufenthalt und der gemütlichen Fahrt auf dem Flugschiff, auch sie es nicht mehr gewohnt, den Tag im Sattel zu verbringen und ihr Körper sträubt sich gegen die ungewohnte Anstrengung. Aber sie erlaubt sich keine Schwäche, darf es nicht, denn wenn sie einmal anfängt, Nachsicht gegen sich selbst zu üben, kann sie ebenso aufhören mit dem was sie tut, was zum Teufel noch mal sie ist!. Dabei ist Maus an derartige Härten gewohnt – Novo ist es nicht! Und so sitzt er da vor ihr wie ein Häuflein Elend im Strassengraben und übt sich in Selbstmitleid. Sie presst die Kiefer zusammen Es tut mir leid Novo, aber wenn ich Dir das jetzt durchgehen lasse, wirst Du immer wieder so reagieren wenn ich dich an deine Grenzen führe – und das wird oft genug sein. Du bist mir von keinerlei Nutzen, wenn ich mich unentwegt um dein Wohlergehen sorgen muss. Entweder du lernst, dich zu beherrschen oder da ist kein Platz für Dich an meiner Seite – so einfach ist das!

„Novo – darf ich fragen, was das hier soll?“ beginnt sie ruhig. Der Junge antwortet nicht, sondern hält weiterhin seinen Kopf in den Händen vergraben, so als würde ihn nichts, was um ihn herum geschieht, etwas angehen. Maus steigt von ihrem Pferd, einem grobknochigen Grauen mit harten Maul und ebensolcher Gangart, und verzieht schmerzvoll das Gesicht, als ihre malträtierten Muskeln protestieren. Einen Augenblick ist ihr Blick weich und mitleidig, aber als sie zu sprechen beginnt ist der Tonfall hart, unnachgiebig „In Ordnung Novo, dann lass mich bitte an Deiner Weisheit teilhaben. Wie stellst Du Dir die Weiterreise vor – Hm? Wir binden die Pferde an den nächsten Baum und streifen dann frei und sorglos durch die Wälder, bis wir irgendwann einmal irgendwohin ankommen. Und dazwischen gibt es selbstverständlich immer reichlich Zeit für ausgedehnte Erholungspausen in gemütlichen Gaststuben, ein weiches Bett am Abend und reichhaltige Kost. So wünschst Du Dir das – nicht wahr?. Verzeihung Junge – so läuft das leider nicht. Ich habe – ganz im Gegensatz zu Dir! –Verpflichtungen und die verlangen nun mal, dass ich mich so schnell wie irgend möglich fortbewege und damit trifft das auch auf  Dich zu! Zumindest, solange du mich begleitest. Hast du schon vergessen, es war deine Entscheidung, bei mir zu bleiben also steh jetzt verdammt noch mal dazu oder sieh zu wie du ohne mich klarkommst. Ich habe weder Zeit noch Lust, deinem kindischen Verhalten noch länger zuzusehen. Verdammt Novo, ich weiß ziemlich genau, wie Du Dich fühlst aber du wirst eben lernen müssen, Dich zusammenzureißen. Wenn das hier das Schlimmste sein soll, was du in deinem Leben zu ertragen bereit bist – also dann verschwende ich wirklich nur meine Zeit mit dir.“ Maus sieht die vor Schrecken weit aufgerissenen Augen des Jungen und spürt fast körperlich sein Entsetzen über ihre erbarmungslosen Worte -  und fühlt sich dabei selber elend und wie das letzte Stück Dreck. „Also warum kommst du nicht zu mir und sagst – >Hör mal Kilara, ich habe Schmerzen da und hier, weißt du vielleicht etwas, was mir helfen könnte.< Oder meinenthalber – > Kilara, ich brauche jetzt eine kurze Pause, dann können wir bis zum Abend scharf reiten und die Zeit wieder aufholen.< Aber nein – du setzt dich einfach auf den nächsten Stein und bist bockig! Oh nein – nicht mit mir Junge! Oder setzt Du darauf, dass ich es nicht übers Herz bringe, Dich hier mutterseelenallein im Staub sitzen zu lassen und weiter zu ziehen – Also darauf würde ich an Deiner Stelle nicht wetten!“ Maus spürt den verletzten Blick des Jungen auf sich, spürt, wie seine Freundschaft, sein Vertrauen und seine jugendliche Begeisterung für sie schwindet und etwas Platz macht, das beinahe an Hass grenzt –sieht aber auch gleichzeitig die Kraft, die dadurch in ihm freigesetzt wird. Sie weiß jetzt, dass er weitermachen wird, und wenn auch nur, um sie zu beschämen, um es ihr zu zeigen. Was für ein Sieg denkt sie traurig, während Novo sein Pferd einfängt, aufsteigt und ihm die Fersen hart in die Flanken stößt.

In den nächsten Tagen wechselt der sonst so mitteilsame Junge kaum ein Wort mit ihr, hält sich von ihr fern während es hinter seinen Augen gärt und rumort. Auch wenn Maus seine wundgescheuerten Stellen versorgt, schweigt er eisern und mit schmerzverzerrter Miene. Eine Veränderung tritt erst in der zweiten Woche ihrer Reise ein. Maus sieht es an der Art und Weise, wie er zu Pferde sitzt, nicht länger nutzloser Ballast sondern aufrecht und mit einemmal Herr der Lage oder wie er umherblickt und zum ersten Mal seit ihrer Abreise der vorbeiziehenden Landschaft Aufmerksamkeit zollt. Als sie gegen Abend einen kleinen Hof auf einem waldumsäumten Hügel mitten im nichts erreichen, wo sie Quartier nehmen, lächelt er sie zum ersten Mal seit jenem verhängnisvollen dritten Reisetag wieder an und bricht sein Schweigen. Maus weiß, dass er ihr nie wieder so bedingungslos vertrauen wird wie an dem Tag, als er die Windkind verlies, um bei ihr bleiben zu können, aber sie akzeptiert es als notwendige Fortentwicklung ihrer Beziehung.

Nur wenige Tage später erreichen sie Blurraent und noch am gleichen Abend machen sie sich auf zum Hafen. Maus lächelt, als sie das Schiff sieht, das auf sie und ihren Begleiter gewartet hat. „Rabenschwinge“ liest sie den am Bug aufgemalten Namen.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Novo am 04. Sept. 2005, 16:03 Uhr
Zwei Wochen nachdem sie Torhof verlassen haben, erreichen Kilara und Novo Blurraent. Schon von weitem ist der Hügel zu sehen, an dessem Fuß die Stadt erbaut ist. Erst vor zwei Tagen hatte ein Barde im gleichen Gasthaus wie sie übernachtet und Novo hatte es in Kauf genommen in dieser Nacht nur wenig Schlaf zu bekommen, um sich die Geschichte der alten Zwergenfestung Saênyc anzuhören. Einst hatte diese hoch über der Stadt gethront und als der Junge den Hügel nun erblickt, kommen wieder die Bilder in seinen Sinn, die der Barde mit Worten gemalt hatte.

Der Anblick lässt das Herz des Jungen höher schlagen. Endlich hat ihre Reise zu einem Punkt geführt, der die ganzen Strapazen gelohnt hat. Eine richtige Stadt haben sie erreicht, von der in Geschichten erzählt wird.
Nachdem sie die westlichen Stadttore passiert haben, schaut sich Novo immer wieder nach allen Seiten um. Er läßt den Hengst, welcher ihm seit der letzten Rast dient, langsamer laufen, um den Anblick der fremden Straßen zu geniessen. Doch nicht nur das, auch das Gefühl auf dem Rücken eines Pferdes in die Stadt zu reiten und die Bewohner gelegentlich zu sich aufblicken zu sehen, ist angenehm. In Talyra war er es immmer selbst gewesen, der von dort unten zu Händlern oder Adligen hinaufgeblickt hatte.
Sie überqueren die prächtige Silberbrücke über den Rhûne und erreichen schliesslich das Gasthaus "Sils Trinkhorn". Kilara hat bereits ihr Gepäck abgeladen, als Novo das Haus ebenfalls erreicht. Er weiß, dass sie die Verzögerung ärgern wird, doch ist ihm das im Moment egal. Noch heute, hatte sie ihm gesagt, würden sie die Stadt wieder verlassen. So will er die wenige Zeit, die ihnen bleibt, so gut wie möglich nutzen, um sich Blurraent genauer anzuschauen. Schliesslich sind wir angekommen und ob wir etwas früher oder später auf das Schiff gehen, wird uns auch nicht schneller nach Talyra bringen. Er denkt an den Anfang der Reise zurück. und daran, wie sich, wie so oft in letzter Zeit, plötzlich alles geändert hatte.
Auf der Windkind und später in Torhof hatte er geglaubt jemanden gefunden zu haben, der ihn in Zukunft beschützen würde. Jemandem, dem er wichtig war, wenn er nur mutig genug war "Ja" zu sagen und mit ihr zu gehen.
Doch er hatte sich getäuscht. Sie hatte gesagt, dass sie ihn nicht im Stich lassen und auf ihn achtgeben würde, wenn er bei ihr bliebe. Er hatte geglaubt, dass das bedeutete, dass sie ihn an ihrer Seite haben wollte. Doch dem war nicht so. Ihr Angebot zählte nur, wenn er ihr folgte und sie würde nicht auf ihn warten, wenn er zurückblieb.

Novo hatte lange überlegen müssen, um sich alles klar zu machen und die Strapazen der Reise und seine immer wieder hochkochenden Gefühle hatten es nicht leichter gemacht. Im Moment jedoch liegt alles klar vor ihm. Am Anfang hatte ihn die Angst getrieben, alleine in der Wildnis zurückgelassen zu werden, doch nun war es etwas anderes. Kilara hatte ihm damals, bei ihrem ersten Treffen gesagt, dass er es bisher immer vermieden hatte, sich anzustrengen. Vielleicht stimmte das ja, doch in den letzten zwei Wochen war ihm keine andere Wahl geblieben, wenn er Talyra wiedersehen wollte.
Jetzt, nachdem sie Blurraent erreicht haben, ist es allerdings umso schöner alles überstanden zu haben. Er hat endlich eine Aufgabe und die heißt, nicht von Kilaras Seite zu weichen. Sie wird es ihm sicherlich nicht leicht machen, doch er würde es ihr ebenfalls so schwer wie möglich machen, ihm noch einmal zu sagen, dass sie nur ihre Zeit mit ihm verschwendet. Er würde sich anstrengen und erledigen, was sie ihm aufträgt und sie würde auf ihn acht geben. Ein einfacher Handel, nicht mehr und nicht weniger.

Die beiden Reisenden halten sich nicht lange in dem Gasthaus auf. Nachdem sie die Pferde abgegeben haben, nehmen sie lediglich noch ein kurzes Mahl ein, bevor sie sich zum Hafen begeben. Zahlreiche Schiffe liegen hier vor Anker und als sie daran vorbeigehen, fragt sich Novo, welches sie wohl nach Hause bringen würde.
Ausgerechnet einen der unahnsehlichsten Kähne am Kai scheint sich Kilara für ihre Überfahrt gewählt zu haben. Rabenschwinge kündet die abblätternde Farbe am Bug. Auch das schmutzige Leinen der Segel und das fleckige Holz zeigen deutlich, dass es sich bei dem Schiff nicht um die Windkind oder eine der prächtigen Handelsgaleeren handelt, an denen sie vorbeigekommen sind.
Doch dann erinnert es den Jungen an die Schiffe der Fischer im Hafen von Talyra, die  kaum anders aussehen. Es scheint eine Ewigkeit her, seit er sie das letzte Mal gesehen hat. Falsar und die anderen am Hafen kommen ihm plötzlich fremd vor, soviel ist in der letzten Zeit passiert.

Hinter Kilara betritt Novo das Deck der Rabenschwinge, sein Gepäck auf dem Rücken. "Warte hier, ich muss erst mit dem Kapitän sprechen", sagt sie zu ihm und verschwindet daraufhin in Richtung Heck. Novo läßt seinen Seesack auf den Boden fallen und schaut sich die Crew des Schiffes genauer an, die scheinbar alles für die Abreise fertig macht. Irgendwo unter den Seeleuten macht er plötzlich einen blonden Haarschopf mit blauen Strähnen aus, der ihm bekannt vorkommt. Für einen Moment ist er hinter einem der Masten verschwunden, doch dann sieht er die Person erneut. Jetzt ist er auch sicher, dass er es sich nur um seine Bekanntschaft vom Smaragdstrand handeln kann und so ruft er ihr erfreut zu: "Hey Jorun, was machst du denn hier?"

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 04. Sept. 2005, 18:18 Uhr
Die Tage bis zur Rückreise nach Talyra haben sich überraschend in die Länge gezogen, nachdem der Kapitän beschlossen hat, auf die Reisenden zu warten, die beim Hafenmeister per Botenvogel nach einem schnellen Schiff Richtung Talyra angefragt haben. Die Mannschaft der Rabenschwinge hat die neuerliche Verzögerung mit geteilter Meinung entgegen genommen. Einerseits bleibt den Männern so mehr Zeit in Blurraent und man kann sich ein paar notwendigen Reparaturarbeiten widmen, andererseits wird ihnen die Zeit allmählich doch recht lang.
Jeder der Männer geht daher sehr unterschiedlich mit der langen Wartezeit um.
Hanke und Iain, die beiden Steuermänner, gehen die Sache gelassen an und kümmern sich hauptsächlich um ihre Arbeit. Der Kapitän selber lässt sich nur selten blicken und widmet sich hauptsächlich seinen Seekarten und Geschäftsbüchern. Ramon folgt seinem üblichen Zeitvertreib, längst hat Jorun mitbekommen, dass der gut aussehende junge Mann wohl in jedem Hafen ein anderes Mädchen hat und somit der mit Abstand größte Weiberheld auf der Schwinge zu sein scheint. Das Dreiergespann, bestehend aus Talion, einem hoch gewachsenen Immerfroster und den beiden Südländern Faruq und Adisa, bleibt wie üblich meist unter sich. Die beiden Südländer stellen die einzigen beiden Besatzungsmitglieder dar mit denen Jorun sich anfangs ziemlich schwer tat und noch immer nicht sonderlich gut klar kommt. Die junge Frau hält sich daher eher an Joris, den rundlichen Bootsmann, Rikard und Manel, die Ferran Brüder sowie ihr Anhängsel Eoin und die beiden Tar-Zwillinge. Alles in allem besteht die Mannschaft unter Robert Myres Kommando aus einer recht eigenwilligen, bunt gemischten Truppe, bei deren Zusammenstellung sich der eine oder andere gewiss fragt, was ausgerechnet diese unterschiedlichen Männer und jungen Burschen miteinander verbindet.

So vergehen die Tage und schließlich lässt Robert Myre durch Hanke bekannt geben, dass alles notwendige für die Abreise vorbereitet werden soll. Man habe schließlich lange genug gewartet, am nächsten Morgen werde das Schiff auslaufen, gleichgültig ob mit oder ohne zahlende Passagiere. „Habe schließlich besseres zu tun, als auf ein paar Händler zu warten, die es in Torhof nicht mehr ausgehalten haben“, hatte Myre seinem ersten Steuermann mürrisch erklärt und grimmig auf die Karten auf seinem Tisch gestarrt. „In Talyra warten gute Geschäfte auf uns.“
Nachdem Hanke Estren alles veranlasst hat, hat auch Jorun sich gemeinsam mit dem Rest der Crew daran gemacht, die Anordnungen des Käpt’ns auszuführen. Nun ist es mittlerweile Abend geworden und ihre Arbeit ist fast getan, als sie plötzlich eine ziemlich bekannte Stimme vernimmt und sich überrascht umsieht. „Novo?“ Erstaunt geht sie zu dem Jungen hinüber. „Was treibst du in Blurraent?“ Fragend zieht sie eine Augenbraue hoch, dann grinst sie. „Was ich hier mache?“ Die Normanderin lacht. „Dumme Frage, dass siehst du doch, arbeiten. Aber was hat dich hier her verschlagen?“ Einen Moment lang überlegt sie, dann mustert sie den Jungen kritisch. „Bist du etwa einer der angekündigten Passagiere, die nach Talyra wollen? Mit wem bist du unterwegs?“ Gespannt wartet sie ab, was Novo ihr antworten wird. Auch Eoin kommt interessiert näher. Der schlaksige Rotschopf kann nur unwesentlich älter als Novo selber sein und seine Neugierde ist fast schon legendär zu nennen. „Aye, Novo“, grüßt er und streckt dem Angesprochenen eine schmutzige Hand entgegen. „Lange nicht gesehen. Du hier? Da muss Falsars Bötchen aber ziemlich weit vom Kurs abgekommen sein“, erklärt er frech, der sprichwörtliche Schalk sitzt ihm regelrecht auf der Schulter.

Unterdessen wird Novos Begleiterin, sie befindet sich gerade auf schnurgeradem Weg zum Achterkastell, von Iain, dem zweiten Steuermann der Rabenschwinge abgefangen. „Halt, gute Frau, wohin des Wegs?“, erkundigt er sich höflich, aber recht kühl. Der große, aschblonde Mann sieht die dunkelhaarige, zierliche Frau vor sich recht kritisch an, seine grünblauen Augen funkeln leicht auf. Wenn es um den diplomatischen Umgang mit zahlenden Passagieren geht, ist Hanke Estren für gewöhnlich die bessere Wahl. Bevor die Frau Iain jedoch antworten kann, fliegt die Tür der Kapitänskajüte mit voller Wucht auf und Myre höchstpersönlich kommt auf das Hauptdeck gestürmt. Die Verärgerung – Über was auch immer, ist ungewiss. – steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Als er seinen zweiten Steuermann und die Ardunerin bemerkt, setzt er jedoch sogleich seine geschäftstüchtigste Miene auf und marschiert zu den beiden hinüber. „Aye, werte Dame“, er nickt zum Gruß, verzichtet aber auf einen höflichen Handschlag, „was führt Euch an Bord der Rabenschwinge?“ Er dreht den Kopf leicht und wendet sich Iain zu. „Henly, was ist hier los?“, knurrt er. „Sieh zu, dass du mir Joris und Rikard ranschaffst!“ Der zweite Steuermann nickt bloß. „Aye, aye, Käpt’n.“ Er wendet sich ab und eilt rasch davon, um die beiden Gesuchten ausfindig zu machen. Der Kapitän richtet seine Aufmerksamkeit indes wieder voll und ganz auf Kilara. Er streicht sich mit einer Hand über den silbergrauen Schurbart. „Robert Myre. Und Ihr seid?“

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Maus am 04. Sept. 2005, 22:59 Uhr
Beim näheren Hinsehen entpuppt sich das Schiff mit dem stolzen Namen Rabenschwinge als ein ziemlich abgewrackter Kahn. Ich möchte mal wissen, was sich die örtlichen Kollegen dabei gedacht haben, mich auf so einem Seelenverkäufer abzuladen! denkt Maus missmutig, als sie eilig das Schiff in Richtung des Achterkastells durchquert. Sie hat ihr Ziel fast erreicht, als ein Mann in ihren Weg tritt und sie mit barscher Stimme nach dem Grund ihres Hierseins fragt. Zugegeben – die Frage und die Art wie sie vorgetragen wird, sind streng genommen nicht wirklich unhöflich – aber auf die eh schon gereizte Maus wirkt es wie eine Kampfansage. Sie hebt den Blick langsam zu dem aschblonden Mann, der über ihr aufragt und sie aus blitzenden Augen anblickt. Maus hat es gründlich satt, höflich zu sein; sie hat es satt auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen und sie hat es verdammt noch mal satt von irgendwelchen Kerlen herumgeschupst zu werden, die glauben, dass tun zu können, nur weil sie die ein oder andere Kopflänge größer sind als sie. Ihre eigenen Augen weiten sich leicht und die wirbelnden Eiskristalle darin gewinnen an Intensität. Sie will gerade den Mund öffnen und den ihrer Meinung nach unhöflichen Seemann auf ihre Höhe und weit darunter einkürzen als hinter dem Mann eine Tür aufgeht und eine verwegen aussehende Gestalt mit sonnengegerbter Haut, stahlgrauen Schnurrbart, Glatze und zorniger Miene herausstürmt, kurz stutzt und dann zu ihr herüberstakt , um sie mit aufgesetzt wirkender Verbindlichkeit ebenfalls zu fragen, was sie denn wohl wolle.

Der Kapitän dieses Schrottkahnes denkt sie Wie passend!. Für einen Moment knirscht das Achterkastell unter der Last einer wütenden Maus, eines wütenden Kapitäns und eines nunmehr verwirrten Steuermanns, dann setzt der Kapitän zu einer halbwegs höflichen Vorstellung an >Robert Myre. Und Ihr seid?< Maus erwidert fauchend „Jemand, der eigentlich hoffte, auf diesem Euren Schiff eine schnelle Überfahrt nach Talyra zu erleben und der ob des jämmerlichen Zustandes desselben jetzt eher fest damit rechnet, gleich hier im Hafen abzusaufen!“ Der Kapitän blinzelt erstaunt; solcherlei Ungeheuerlichkeiten auf seinem eigenen Schiff an den Kopf geworfen zu bekommen, ist er wahrlich nicht gewohnt. Maus lässt ihm indes keine Zeit, über das Gesagte nachzudenken. Im nächsten Augenblick spiegelt ihre Miene reizende Zerstreutheit wieder und sie erklärt mit süßer Stimme „Ich heiße Kilara und ich bin Euch ja so dankbar, dass Ihr auf mich und meinen Begleiter gewartet habt, Kapitän.“ und sie bietet ihren Arm dem nun vollends verwirrtem Mann an, der sie mit hilfloser Miene unterhakt während er immer noch zu entscheiden sucht, ob das was er zu hören glaubte tatsächlich aus dem Mund der jetzt so reizenden jungen Frau kam. „Und es soll wirklich nicht zu Eurem Schaden sein, aber dass sollten wir wohl eher in Eurer Kabine besprechen. Nicht wahr?“ fügt Maus schnurrend hinzu während sie nachlässig seinen Arm tätschelt. Als dann zwei Matrosen mit besorgter Miene zu Ihnen aufschließen wirft Maus Ihnen ihren Seesack zu und befiehlt mit herrischer Stimme „Bring das in meine Kabine!“ Sie wendet sich erneut an den Kapitän, der einen irgendwie geschlagenen Eindruck macht. „Ihr werdet doch irgendwo ein Plätzchen für mich haben, Oder Kapitän? Ich meine, Ihr wollt doch sicher nicht, dass ich im Mannschaftsraum schlafe!“ Sie zerrt den nun lammfrommen Mann weiter in die Richtung, in der sie die Kapitänskajüte vermutet „Stimmt es, dass wir Talyra mit diesem erstaunlichen Schiff in nur vier Tagen erreichen werden? Oh das wäre wirklich wundervoll!“ plaudert sie munter weiter.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Novo am 05. Sept. 2005, 17:47 Uhr
Novos Lächeln wird zu einem Grinsen, als er plötzlich neben Jorun auch noch Eoin entdeckt.
"Aye Eoin", grüßt er ihn. "Nein, Falsars Boot ist bestimmt noch immer in Talyra. Solltest du nicht auch dort sein? Du willst mir doch nicht erzählen, dass du hier auch arbeitest?" Das letzte Wort betont er besonders, als könnte er sich das überhaupt nicht vorstellen.

Zu Jorun gewandt fügt er hinzu: "Ich bin mit Kilara hier. Kann schon sein, dasswir eure Passagiere sind. Jedenfalls sagte sie, dass ein Schiff hier auf uns warten müsste."
Er blickt kurz zu dem Schiffsjungen und dann wieder zu der jungen Frau. Ich darf nicht vergessen, dass sie für alle anderen ein Mann sein will. Ich darf es nicht vergessen.
"Jedenfalls kann ich euch viel erzählen. Wir sind mit dem fliegenden Schiff unterwegs gewesen und waren in Torhof. Das war eigentlich nur ein Kaff, aber da waren mehr Händler als bei der Karawanserei in Talyra und bevor wir hierhergeritten sind, gab es dort noch ein richtig großes Fest."
Ihm fällt etwas ein."Die haben da so Witze erzählt." Er grinst und zwinkert den beiden kurz zu. "Zum Beispiel: Woran erkennt man, dass ein Normander nachdenkt?"
Gespannt schaut er in die Gesichter, ob sie die Lösung erraten können.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 05. Sept. 2005, 18:29 Uhr
Die beiden Ferran Brüder kommen gerade an der Kapitänskajüte vorüber, als Iain davon stürzt um nach Joris und Rikard zu suchen. Als die kleine, dunkelhaarige Frau Devi ihren Seesack zuwirft, fängt er das Gepäckstück überrascht auf. Noch mehr überraschen ihn jedoch die Worte der Frau. Verwirrt wendet er sich an seinen älteren Bruder. „Was für eine Kabine meint sie denn, Nolen?“, fragt er verblüfft. Der Ältere der beiden Ferran Brüder erwidert mit ernster Miene: „Vielleicht das Kabelgatt, klein genug dafür ist sie ja.“ Devi sieht ihn mit großen Augen an. „Wirklich?“, erkundigt er sich ungläubig. Spätestens bei diesem Anblick kann sein Bruder nicht mehr an sich halten und schüttelt sich vor Lachen. Als er sich wieder halbwegs beruhigt hat, klopft Nolen seinem kleinen Bruder freundschaftlich auf die Schulter. Devi zählt zwar schon knapp 19 Sommer, ist aber leider nicht der Hellste. Der Ältere grinst. „Bring den Seesack einfach runter und mach zwei zusätzliche Hängematten klar“, weist er den Jüngeren an, dieser nickt und geht davon. „Ach … und, Devi“, sein Bruder bleibt stehen und blickt noch einmal zu ihm zurück, „räum’ das Kabelgatt gleich noch ein wenig auf. Sicher ist sicher.“

Käpt’n Myre verschwindet indessen mit Kilara in seine Kajüte, um alle weiteren Einzelheiten zu klären. Die junge Frau aus Ardun hat das alte Raubein eiskalt erwischt, zudem stimmen drei kleine Met am frühen Abend milde, weshalb Myre sich zunächst einmal widerstandslos von ihr fortzerren lässt. Der laute Knall, der erklingt, als die Kabinentür hinter ihnen ins Schloss fällt, bringt ihn jedoch schlagartig wieder zu klarem Verstand. »Ihr werdet doch irgendwo ein Plätzchen für mich haben, oder Kapitän? Ich meine, Ihr wollt doch sicher nicht, dass ich im Mannschaftsraum schlafe! Stimmt es, dass wir Talyra mit diesem erstaunlichen Schiff in nur vier Tagen erreichen werden? Oh das wäre wirklich wundervoll!« „Bei günstigen Winden schaffen wir die Überfahrt mit etwas Glück sogar bereits in drei Tagen“, brummt Myre, während er sich bestimmt von Kilara los macht und sich neben seinem Kartentisch aufbaut. „Auf eine eigene Kabine müsst Ihr allerdings verzichten, fürchte ich“, setzt er mit unbewegter Miene hinzu. „Ich kann es nicht in solch ausdrucksstarke Worte fassen, wie Ihr, aber dies ist keine mit unnötigem Luxus ausgestattete Handelsgaleree eines reichen Reeders aus Sûrmera oder Amavirin.“ Er grinst und macht eine kurze Pause, um seine Worte erst einmal etwas wirken zu lassen bevor er fortfährt. „Ihr müsst Euch entscheiden, unnötige Bequemlichkeit oder eine schnelle Überfahrt, beides kann ich Euch leider nicht bieten.“ Der Kapitän sieht Kilara geradewegs an. „Aber, auch eine schnelle Überfahrt hat ihren Preis.“ Er nennt eine Summe, eine stolze Summe.

Abwartend sieht Robert Myre die dunkelhaarige Frau an. Kilaras Geld wäre auf der Rabenschwinge mehr als willkommen, aber der Kapitän hat auch seinen Stolz und die Gewissheit, in Talyra gute Geschäfte vor sich zu haben. Zufrieden denkt er an die geladene Fracht; die besten Wahren sind wie immer im "Bauch" untergebracht und Myre ist sich sicher, dass er dafür gute Preise wird aushandeln können. Auf ein launisches Frauenzimmer an Bord könnte ich jedenfalls auch gut und gerne verzichten. Macht mir vermutlich eh nur die Männer verrückt! Missmutig zieht er die Stirn kraus, als er draußen auf dem Deck Ramons Stimme vernimmt. Oh ja, sie wird mir vermutlich nur Ärger einbringen, wenn ich sie mitnehme, denkt er und seine schlechte Laune von vorhin kehrt immer mehr zurück. „Nun, was sagt Ihr?“, fragt er Kilara geradeheraus. „Nehmt an oder lehnt ab. Schneller als mit der Schwinge kommt Ihr jedenfalls nicht nach Talyra. Eure Entscheidung.“

Auf dem Vordeck unterhalten sich Jorun und die beiden Jungen derweil. Novo und Eoin tauschen ein paar gutmütige Kabbeleien aus und die Normanderin muss unweigerlich grinsen. Sie kann sich nicht erinnern, dass ihre Brüder und sie in dem Alter anders gewesen wären. Und scheint so, als hätte nicht nur wir hier auf der Rabenschwinge einiges erlebt, habe ich den Eindruck, denkt sie, als Novo voller Begeisterung berichtet, dass er mit dem Windschiff von Galrin Ragnarsson in Begleitung von Kilara unterwegs nach Torhof war. Kilara! Der Name drängt mit einem Schlag in ihr Bewusstsein und sie sieht sich überrascht um. Joruns ziemlich besorgt klingender Ausruf „Ist sie etwa gerade beim Käpt’n?“ wird jedoch von Novo abgeschnitten, welcher offenbar so guter Stimmung ist, dass er einen recht frechen Witz wagt. »Die haben da so Witze erzählt. Zum Beispiel: Woran erkennt man, dass ein Normander nachdenkt?« Bevor Jorun jedoch auch nur zu einer Antwort ansetzen kann, kommt Eoin ihr zuvor. Gutmütig klopft er Novo auf die Schulter. „Der ist doch alt“, meint er grinsend. „Ist doch klar, er bewegt die Lippen!“ Die beiden Jungen schütteln sich vor Lachen. Die Normanderin betrachtet sie eine Weile, bevor sie zu ihnen hinübermarschiert. „Aye, ihr wollt euch wohl beide mit mir anlegen, was?“, erklärt sie Augen zwinkernd. „Seht lieber zu, dass ihr Land gewinnt, bevor ich Euch in die Finger bekomme. … Wenn du wirklich mit Kilara hier bist, Novo, und ihr nach Talyra wollt, dann bist du hier genau richtig.“ Sie nickt Eoin zu. „Los, mach dich nützlich, zeig ihm wo er schlafen kann und dann seht zu, dass ihr in der Kombüse mit anfasst, klar?“ Die Jungen nicken lachend und stürmen davon. Jorun wendet sich ab und geht in Richtung Achterkastell davon.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Maus am 05. Sept. 2005, 21:53 Uhr
> Bei günstigen Winden schaffen wir die Überfahrt mit etwas Glück sogar bereits in drei Tagen< Drei Tage! Maus achtet kaum auf die nächsten Worte des Kapitäns. Drei Tage! So schnell sind noch nicht einmal die Zollschiffe! Während der Kapitän immer noch weiter redet, kann sie sich nur mühsam davon abhalten in der kleinen Kabine unruhig auf und ab zu gehen, eine Angewohnheit die bei ihr zumeist angestrengtes Nachdenken signalisiert. Was Maus so erregt, ist die wage Chance, mit Hilfe der Rabenschwinge eines der dringlichsten Probleme anzugehen, für das sie seid ihrem Auftauchen in Talyra noch keine Lösung gefunden hat – nämlich eine Möglichkeit zu schaffen, die Stadt sicher und schnell verlassen zu können – auch in dem unangenehmen Fall der Fälle, dass ihr die halbe Steinfaust im Nacken sitzt. Mit Pferden ließe sich das kaum bewerkstelligen, zumal sie eher auf das städtische Leben spezialisiert ist und nicht auf fröhliche Hetzjagden in freier Wildbahn mit ihr als Beute.

Ein Schiff – vor allem ein schnelles Schiff! – könnte eine weitaus elegantere Alternative darstellen. Es wäre zwar nicht immer verfügbar, aber wenn sie die weitgehende Kontrolle über das Kommen und Gehen der Rabenschwinge in Talyra bekäme, könnte sie es zumindest dann zur Stelle haben, wenn sie eine riskantere Unternehmung angeht, bei sich die Notwendigkeit einer anschließenden Flucht ergeben könnte.

Noch ganz in Gedanken versunken, merkt Maus erst mit einiger Verspätung, dass der Kapitän mit dem was er ihr sagen wollte, fertig ist und offensichtlich auf eine Antwort wartet. Worüber hat er wohl die ganze Zeit geredet? Maus grübelt angestrengt nach, wie das wenige, das sie vom Redefluss des Kapitäns mitbekommen hat, zusammenpasst. Aber natürlich – zuerst will er sicher sein Geld! Maus zieht eine wohlgefüllte Börse aus den Falten ihrer Tunika und wirft sie dem Kapitän zu „Ich denke, damit seid ihr gut bedient. Nehmt den Rest als Zeichen meines guten Willens und in der Erwartung, auch zukünftig gewinnbringende Geschäfte mit Euch tätigen zu können." Obwohl der Kapitän seine ausdrucklose Miene beibehält weiten sich seine Augen doch unwillkürlich, als er die Schwere des Beutels zur Kenntnis nimmt. „Und was war noch. Ach ja – die Frage meiner Unterbringung. Nun Kapitän – es ist nun leider so, dass meine Anwesenheit im Mannschaftsquartier eine gewisse Unruhe erzeugen könnte – etwas, was wir beide tunlichst vermeiden wollen – nicht wahr? Bei meiner letzten Reise war ich gezwungen, meine Position diesbezüglich mit dem Messer klarzustellen – ich denke, an Bord eures Schiffes sollte ich von derartigen Demonstrationen lieber absehen – Ihr scheint mir hier eher knapp an Personal zu sein.“ sie betrachtet nachdenklich den Kapitän und fährt dann fort „Eine Unterbringung im Kabelgatt erscheint mit unter diesen Umständen die beste Lösung. Zumindest, falls ihr nicht auf Eure eigene Kabine verzichten wollt“ fügt sie spöttisch hinzu. „Bitte tragt aber Sorge, das es dort einigermaßen aufgeräumt und wohnlich ist.“

Sie lächelt versonnen und murmelt „Drei Tage bis Talyra! Wir werden sehen Kapitän, ob ihr Wort halten könnt.“ Dann verzieht sie ein wenig das Gesicht, denn sie weiß, dass sie dem Kapitän der Rabenschwinge nun besser eine Erklärung und zwar eine Gute, für ihr Verhalten bieten muss „Ihr fragt Euch sicher, warum ich so in Eile bin. Nun, ich arbeite für Rognar, einem der größten Weinhändler von Talyra, ihr kennt ihn bestimmt! In seinem Namen habe ich neue Handelsabkommen in Torhof getätigt, die dringend von ihm persönlich gegengezeichnet werden müssen. Und wenn die Verträge erst einmal unter Dach und Fach sind, muss ich natürlich auch den Transport organisieren und an dieser Stelle könnte Euer Schiff für mich auch weiterhin von Interesse sein“ Jetzt fehlt noch der Grund, warum es sein Schiff und nicht eine der schwerfälligeren Handelsgaleeren sein muss! Ihr Blick bekommt etwas scharfes und ein listiger Zug liegt um ihre Augen. „Obwohl – manchmal frage ich mich wirklich, warum ich mir solche Mühen aufhalse, wo sich ein solches Geschäft in der heutigen Zeit fast kaum noch lohnt. Es ist wirklich traurig, wie ehrliche Händler um ihren Verdient gebracht werden durch die allgegenwärtige Willkür der hiesigen Zollintendanturen. – Findet Ihr nicht auch“ flötet sie sanft – und sieht in seinen Augen die Erkenntnis aufleuchten, worauf sie hinaus will.“ Oh ja – Schmuggel, mein Hübscher! Gefahr aber auch Geld, das du doch so dringend brauchst, nicht wahr? Viel Geld! Genug jedenfalls, um deinen Kahn vor dem Niedergang zu bewahren. Aber nie genug, um von mir loszukommen! Maus lächelt den Kapitän verträumt an „Genug davon für heute, wir haben ja sicher in den nächsten Tagen noch hier und da ein wenig Zeit, um uns gegenseitig unsere Sorgen und Nöte anzuvertrauen. Jetzt habt Ihr Euch ja um das pünktliche Auslaufen der Rabenschwinge zu kümmern, also will ich Euch nicht länger belästigen. Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit“

Mit diesen Worten wendet sie sich zur Türe und tritt hinaus in das helle Sonnenlicht. Blinzelnd schaut sie sich nach Novo um Bei den Göttern – was habe ich getan, dass ich den Rest meines Lebens nach dem Burschen suchen muss! flucht sie lautlos, als sie den Jungen nirgendwo ausmachen kann. Stattdessen sieht sie eine entfernt vertraut wirkende, hagere Gestalt mit hübschen Gesicht und blau gefärbten Haarspitzen auf sich zukommen „Anderdalen“ ruft sie überrascht „Mit Euch habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Aber ich werte es als gutes Omen, dass wir uns hier wieder begegnen." Maus hat den jungen Mann mit dem berühmten Namen vor allem wegen seiner unbefangenen, kameradschaftlichen Art, mit der er sie behandelt, auf Anhieb gemocht und das, obwohl sie Normandern gegenüber sonst eher reserviert zu sein pflegt. „Vielleicht könnt ihr mir sagen, wo ich diesen Herumtreiber finde, ein mageres Bürschchen mit schwarzen Schopf und grünen Augen, Novo mit Namen. Der junge Normander nickt und weist hinunter in Richtung des Hauptdecks.

Während sie gemeinsam das Achterkastell verlassen und dabei müßig einige Neuigkeiten austauschen, überlegt Maus, was sie mit Novo die nächsten Tage anstellen soll. Nun ja -  Der Bursche hat sich wohl eine Belohnung verdient für sein tapferes Durchhalten in den letzten Wochen. Ich werde ihm den Dolch, den ich für ihn gekauft habe, heute geben. Dann habe ich in den nächsten Tagen Zeit, ihn im Umgang damit zu unterrichten. Das freut ihn bestimmt und wer weiß, wozu es gut sein mag!

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 06. Sept. 2005, 15:15 Uhr
Als die Tür hinter Kilara ins Schloss fällt, bleibt ein vor Wut schäumender Kapitän allein in seiner Kajüte zurück und es bedarf einiger Selbstbeherrschung, dass der erstbeste Gegenstand, der ihm in die Finger kommt, nicht von ihm gegen die Wand geschleudert wird. Verdammtes Weib! Dass Kilara genau das ist, steht für ihn zweifelsohne fest. Allerdings, ihr Angebet mit dem Schmuggel … Nun ja, eine Überlegung wäre es wert … nachdenklich streicht Myre sich mit einer Hand über den Schnauzbart, schüttelt dann aber den Kopf. … aber nein … Verdammt, wo bleiben Hanke und Joris?! Mit vor Zorn gerötetem Gesicht stürzt er zur Tür und reißt sie auf. Er will schon hinausstürzen, doch just in diesem Augenblick tauchen sowohl sein erster Steuermann als auch der rundliche Joris in seinem Blickfeld auf. „Wo bleibt Ihr den?“, schnaubt der Kapitän und knallt die Tür hinter ihnen wieder zu, als sie seine Kajüte betreten haben. In knappen, harschen Worten trägt er den beiden Männern vor, was er von ihnen erwartet. „Ach ja, und sorgt dafür, dass unsere beiden Passagiere vernünftig untergebracht werden“, knurrt er. „Mylady wünscht im Kabelgatt zu logieren. Das lässt sich doch wohl einrichten?“ Die Männer nicken, ohne mit einer Wimper zu zucken. Sie kennen die Launen ihres Kapitäns und in Augenblicken wie diesem sollte man ihm lieber nicht widersprechen oder irgendwelche Fragen stellen, egal wie unsinnig seine Anweisungen erscheinen mögen. Paaah, denkt Myre, diesem Weibsbild meine Kajüte überlassen, soweit kommt es noch! Missmutig setzt er sich an seinen Kartentisch und starrt finster auf die zahlreichen Pergamente, nachdem Joris und Hanke ihn alleine gelassen haben, um ihre Anweisungen auszuführen.

Kilara kommt Jorun derweil geradewegs entgegen, als die Normanderin auf das Achterkastell zugeht. Als sie ihren Namen vernimmt, zuckt Jorun innerlich leicht zusammen. »Mit Euch habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Aber ich werte es als gutes Omen, dass wir uns hier wieder begegnen.« Die Normanderin grinst leicht. Sie ist noch etwas unschlüssig, ob sie Kilaras Meinung in diesem Punkt ohne weiteres teilen kann. Der Anblick von Robert Myre, der kurz in der Tür seiner Kajüte auftaucht (- So zornig, wie sie ihn schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen hat. -) und Joris und Hanke zusammenstaucht, die gerade zu ihm geeilt kommen, lässt sie doch den einen oder anderen nicht ganz unverständlichen Zweifel verspüren. „Es hat Euch mit der Windkind nach Torhof und von dort per Pferd hierher verschlagen, hat man mir zugetragen“, erklärt sie und lacht. „Ihr seit voller Überraschungen, Kilara. Willkommen an Bord.“ Die Frage der Frau beantwortet sie mit einem Kopfnicken. „Kommt, erzählt mir, wie es Euch so ergangen ist“, meint sie gut gelaunt. Angeregt plaudernd überquert sie mit Kilara das Großdeck und führt sie zum Mannschaftsdeck hinab. Devi kommt ihnen an der Treppe bereits entgegen. Seine Wangen glühen Rot vor Verlegenheit, als er Kilara erklärt, dass das Kabelgatt aufgeräumt sei. Jorun zieht eine Augenbraue in die Höhe und sieht Nolen an. Dieser lacht nur. „Frag lieber nicht weiter nach, Jo“, brummt wer und wendet sich an Kilara, während in Richtung Kabelgatttür weist.
Direkt daneben befindet sich ein kleiner mit behelfsmäßig gespannten Vorhängen vom übrigen Mannschaftsdeck abgetrennter Bereich. „Was besseres können wir Euch leider nicht bieten, außer Ihr zieht in der Tat das Kabelgatt vor“, erklärt der ältere Ferran Bruder der dunkelhaarigen, zierlichen Frau und tut so, als würde er ihr dezentes, spöttisches Lächeln gar nicht bemerken. „Nicht?“, meint Nolen, als er keine Antwort erhellt und lacht. „Nun, gewiss seit Ihr besseres gewohnt, doch wie schon gesagt, können wir Euch leider nichts anderes bieten. Nichts für ungut, das Kabelgatt würde Euch vielleicht gerade noch so genügen“, meint er gutgelaunt, „aber das hier, würde ich an Eurer Stelle doch vorziehen.“ Er nickt Kilara und Jorun noch einmal zu und zieht sich dann mit Devi zurück, während Novo und Eoin interessiert näher kommen. Jorun wechselt noch ein paar kurze Worte mit Kilara und den beiden Jungen, schnappt sich anschließend Eoin und lässt Novo und die Ardunerin allein, falls sie noch irgendetwas zu besprechen haben.

Das Abendmahl nehmen die zwei Passagiere mit der einfachen Mannschaft ein. Robert Myre hat nicht einmal anfragen lassen, ob Kilara mit ihm und seinen beiden Steuermännern oben in der Kapitänskajüte speisen möchte, wie er es sonst für gewöhnlich anbietet und hinter vorgehaltener Hand zerreißen sich die Männer der Rabenschwinge bereits die Mäuler. Hanke Estren hat sich indes noch einmal persönlich bei Kilara versichert, ob sie mit ihrer Unterbringung zu frieden ist und auf mehr oder weniger diplomatische Weise versucht, zwischen ihr und dem Kapitän aufzutreten. Was den Umstand anbelangt, eine Frau an Bord zu haben, so scheiden sich an diesem Abend die Geister. Ramon ist selbstredend entzückt und sehr um Kilaras Wohl besorgt, wohingegen die anderen Männer sich zumeist recht bedeckt halten. Das Dreiergespann hält sich völlig im Hintergrund und Manel, Rikard und Joris wahren höflichen Abstand. Die kleine übrig bleibende Rund, bestehend aus Novo, Kilara, den Zwillingen, den Ferran Brüdern, Jorun und Eoin, unterhält sich indes recht angenehm, löst sich aber schon bald wieder auf, da die Männer zurück an ihre Arbeit müssen beziehungsweise es vorziehen die Schlafenszeit zwischen den einzelnen Wachen so gut es geht zu nutzen, da geplant ist, dass das Schiff bereits im Morgengrauen den Hafen von Blurraent verlassen wird.

In der Tat läuft die Rabenschwinge am nächsten Morgen wie geplant aus. Auf dem ganzen Schiff herrscht rege Betriebsamkeit und Männer nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn ihnen einer der beiden Passagiere unbedachterweise im Weg ist. Man spürt deutlich, dass die Männer wenig Umgang mit reisenden Kunden haben und die Schwinge meistens nur Fracht oder auch schon einmal Post transportiert, was keine höflichen Umgangsformen ermöglicht. Außer bei den Mahlzeiten, hält die Mannschaft Abstand zu den Gästen, sieht man einmal von Eoin, Jorun und Ramon ab, nachdem letzterem aus unerfindlichen Gründen eine unerwartete Einzelaudienz beim Käpt’n gewährt wurde, sieht man auch ihn nur noch selten in Kilaras oder Novos Nähe. Das vorherrschende Wetter ist indes günstig zum Segeln. Die Winde sind kräftig und stabil und wehen die meiste Zeit über zu Gunsten der Rabenschwinge, was sie zügig voranbringt. Der zweite Reisetag birgt ein oder zwei kleine Flauten, sodass ein Erreichen Talyras innerhalb von nur drei Tagen sich nicht mehr ganz einhalten lässt.
Am Abend des dritten Tages lässt Myre Jorun zu sich kommen. „Ihr wolltet mich sprechen, Käpt’n?“, stellt die Normanderin fest, als sie ihm auf dem Großdeck gegenübertritt. Robert Myre nickt, er deutet zum Himmel, in die Ferne, dann auf die geblähten Segel. „Mir ist nicht entgangen, dass du dieser Kilara und ihren Begleiter, diesen jungen Burschen … wie heißt er noch gleich?“ „Novo“, ist Jorun dem Kapitän behilflich. Er nickt abermals. „Ach ja richtig, Novo. Nun, also, mir ist nicht entgangen, dass du Kilara und ihn offenbar kennst.“ „Nur sehr flüchtig“, erwidert die Normanderin ausweichend. „Hm, so sooo, so sooo“, murmelt Myre, offenbar ist ihre Antwort nicht ganz so ausgefallen, wie er es sich erhoffte. „Weshalb, habt Ihr mich rufen lassen?“, fragt sie hastig. „Was, wieso …“ Ihre Worte reißen Robert Myre scheinbar recht unvermutet aus ein paar Überlegungen heraus. „Ach so“, meint er. „Wir werden Talyra wohl morgen gegen Mittag erreichen, richte das dieser Kilara das doch bitte aus. Sie wird sicher sehr daran interessiert sein, dies zu erfahren.“ Ein undefinierbares, aber eher düsteres Lächeln liegt auf seinem Gesicht. Schließlich wendet er sich am, um sich zu Hanke und Iain zu gesellen.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Maus am 06. Sept. 2005, 21:54 Uhr
„Achte besser auf Deinen Schwerpunkt, Novo, tiefer runter – noch ein Stück! Ja, so ist es besser!“ Maus betrachtet kritisch die Haltung des Jungen, dem sie in den letzten Tagen in Ermangelung sonstiger Beschäftigung die ersten Lektionen im Umgang mit dem Messer beigebracht hat. Und der Junge hat tatsächlich Fortschritte gemacht, wenngleich auch noch keine Rede davon sein kann, dass er den kleinen Dolch sicher führt. Sie setzt gerade an, einen der schwierigeren Stöße vorzuführen, als der junge Anderdalen in ihrem Blickfeld erscheint und ihr offenbar etwas mitteilen möchte. „Schluss für heute! Das war gar nicht mal so übel“ entlässt sie Novo und wendet sich dem jungen Normander zu. „Guten Abend, Anderdalen! Was gibt es denn?“ Ein unverschämtes Grinsen umspielt die Lippen des Normanders, als er antwortet. „Ich soll Euch vom Kapitän ausrichten, dass wir Talyra morgen gegen Mittag erreichen werden, er meinte, das würde Euch interessieren.“ Maus erwidert sein Grinsen „So, so – nach drei Tagen beliebt es dem Kapitän also, meine Anwesenheit auf seinem Schiff zur Kenntnis zu nehmen. Na, da fühle ich mich doch entsprechend geehrt.“

Der Kapitän der Rabenschwinge hatte auf ihr Angebot reagiert wie ein junges Pferd, das sich vor dem Sattel fürchtet. Nach ihrem Gespräch gleich zu Anfang der Reise hatte er kein Wort mehr mit ihr gewechselt, sondern sie mit offensichtlicher Nichtachtung gestraft und ihr noch nicht einmal die allermindeste Höflichkeit erwiesen, so als wollte er seine uneingeschränkte Macht über alles an Bord  herauszustellen. Maus hatte dies gleichmütig zur Kenntnis genommen und die Tage auf der Rabenschwinge zur Erholung und mit dem Training von Novo genutzt. War ich vielleicht eine Spur zu grob zu ihm bei unserem ersten Gespräch überlegt sie Aber nein, besser so als Schmeicheleien. Wenn er schließlich zu mir kommt – und das wird er! - weiß er zumindest genau, wer führt und wer zu folgen hat. Maus hat mittlerweile einen guten Überblick über die Waren, die das Schiff mit sich führt, auch diejenigen, über die der Kapitän lieber Stillschweigen bewahrt und sie kann sich bis auf wenige Silberstücke genau ausrechnen, welchen Gewinn er damit erzielen möchte. Oder genauer - erzielen muss, um die so dringend notwendigen Arbeiten am Schiff bezahlen zu können. Maus weiß darüber hinaus auch ganz genau, wie sie ihm diesbezüglich in die Suppe spucken kann. Ein bisschen Schmieren hier und da, andernorts eine leichte Drohung oder ein besseres Gegenangebot – sie kann es sich leisten, sich die Sache etwas kosten zu lassen.

Mein schönes Schiff! denkt sie träumerisch und lässt ihre Finger kosend über das Holz der Reling gleiten. Wenn der Kapitän erst erkennt, dass er seine Waren weit unter dem erwarteten Preis losschlagen muss; wenn ihm bewusst wird, dass er das Schiff nicht ohne ihre Hilfe halten kann – dann wird er seinen Stolz wohl herunterschlucken und zu ihr kommen! „Ich danke Euch für die Überbringung der Nachricht. Richtet dem Kapitän doch meinen tief empfundenen Dank für die schnelle und sichere Überfahrt in dreieinhalb Tagen aus, wenn ihr ihm zufällig begegnen solltet.“ schnurrt sie daher sanft.

An diesem Abend verzichtet sie auf das mehr oder weniger gesellige Zusammensein mit den wenigen Mannschaftsmitgliedern, denen der Kapitän noch nicht den Umgang mit ihr verboten hat und zieht sich früh hinter ihren Vorhang zurück. Morgen bin ich endlich wieder in einer Stadt! ist ihr letzter Gedanke, als sie sich von den leichten Wellenschlag des Illdorel sanft in den Schlaf schaukeln lässt.


-->Perlenhafen

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 07. Sept. 2005, 14:55 Uhr
Endlich wieder in Talyra angelangt, verlassen Novo und Kilara recht bald das Schiff. Robert Myre nimmt den vorläufigen Abschied von der Ardunerin mit gemischten Gefühlen hin. Die dunkelhaarige Frau ist nur schwer einschätzbar, ihr Angebot jedoch sehr verlockend. In den letzten Tagen hat er es sich mehrfach durch den Kopf gehen lassen, auch wenn er weder Kilara noch sonst jemandem gegenüber darüber auch nur ein einziges Wort verloren hat. Noch andere Dinge beschäftigen ihn, der junge Ånderdalen zu Beispiel. Sollte mir den *Knaben* bei Gelegenheit mal gehörig vorknöpfen, nimmt sich der Kapit’n vor, verschiebt das ganze jedoch zeitlich nach hinten. Vorerst würde er sich um andere Dinge kümmern müssen.

Da die Ankunft in Talyra für die Besatzung der Rabenschwinge noch einmal recht viel Arbeit bedeutet, bleibt Jorun derweil nicht viel Zeit, um sich großartig von Novo und Kilara zu verabschieden. Novo würde sie vermutlich ohnehin noch öfter zu sehen bekommen, immerhin ist der Hafen praktisch sein Zuhause und da er Eoin kennt, würde sie ihn ab sofort gewiss häufiger mal auf der Schwinge oder wenigstens in ihrer Nähe antreffen. Sie hängt nur noch kurz ihren Gedanken nach, betrachtet versonnen den Hafen und macht sich schließlich wieder gemeinsam mit den übrigen Männern an die arbeit. Es gibt in der Tat wirklich viel zu tun.

Die Mittagszeit ist fast vorüber, als sie endlich mit allem fertig sind, was getan werden musste. Die Männer sind ausgelaugt, aber guter Dinge. Seit sie in Talyra angekommen sind und Kilara von Bord ist, ist der Kapitän bester Laune und hat jedem eine Münze extra ausgezahlt und sie wollen ihr Glück nutzen, bevor er es sich am Ende anders überlegt und das Geld wieder zurückverlangt. Die meisten Männer entscheiden sich dafür, ihr Geld wie üblich im Grünen Aal zu verprassen. Jorun will sich ihnen anschließen, Ramon, Nolen und die Zwillinge halten sie jedoch davon ab. „Oh nein, heute gehen wir in den Pfirsich“, entscheiden sie und grinsen hintergründig. „Pfirsich? Noch nie gehört“, erwidert Jorun. „Nicht?“ Die anderen sehen sie erstaunt an. „Du bist echt noch nicht lange in Talyra, Jo, dann wird’s aber zeit.“ Sie lachen. „Wäre doch gelacht, wenn wir dort kein Mädchen auftreiben können, dass nach deinem Geschmack ist.“ Jorun zuckt unmerklich zusammen. Sie ist sich noch immer nicht ganz sicher, was es genau mit dem Pfirsich auf sich hat, aber langsam hat sie zumindest eine Ahnung. Und diese Ahnung gefällt ihr ganz und gar nicht. Ihre Einwende werden jedoch nicht akzeptiert und so bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als ihre Kameraden zu begleiten.

Der Pfirsich »

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 23. Dez. 2005, 12:37 Uhr
« Perlenhafen & Schiffslände

~ Ein paar Tage nach dem Dämonenangriff ~

»Also ich geh dann mal«, erklärt Novo zum Abschied und tritt nervös von einem Fuß auf den anderen, bevor er sich entschließt zu gehen und sich rasch entfernt. Jorun nickt knapp, sieht dem Jungen noch einen Moment hinterher und geht dann in Richtung der Rabenschwinge davon. In ihrem Kopf schwirren unzählige Gedanken umher. Sie kleidet und gibt sich wieder wie ein Mann, aber ihr Geheimnis ist kein richtiges Geheimnis mehr. Zwar kennen es bisher nur wenige Leute, doch die Normanderin ist sich nicht sicher wie schnell Gerüchte in einer Stadt wie Talyra die Runde machen und wie man möglicherweise auf der Rabenschwinge reagieren wird.

Als sie dort eintrifft, stellt sich jedoch heraus, dass sich ihre Sorgen vorerst als unbegründet erweisen. Entweder haben die Seeleute an Bord wirklich noch nichts von ihrem Geheimnis erfahren oder aber die Probleme und Schwierigkeiten, welche die zurückliegenden Ereignisse aufgeworfen haben, beschäftigen. Denn: Auch an der Rabenschwinge ist der Angriff des Dämons nicht spurlos vorüber gezogen. Schmerzhafter als die Zerstörungen an Bord, welche sich zum Glück noch in Grenzen halten, ist es für Jorun jedoch zu erfahren, dass nicht alle ihre Kameraden, die, anstatt nicht mit ihr und Novo im Pfirsich zu bleiben, zurück zum Schiff wollten, lebend an ihrem Ziel anlangten.
Nolen ist tot?, denkt sie fassungslos, als man ihr die Nachricht überbringt. Doch damit hören die schlechten Neuigkeiten noch nicht auf. Die Zwillinge sind schwer verletzt, auch wenn sie sich mittlerweile auf dem Weg der Besserung befinden. Da sie sich jedoch weigern, das Schiff zu verlassen, herrscht immer noch Sorge. Ramon hat den Weg quer durch die Stadt wie durch ein Wunder ohne größere Blessuren überstanden. Auch die meisten der übrigen Mannschaftsmitglieder haben nur leichte Verletzungen davon getragen. Allerdings gibt es noch zwei weitere Tote zu beklagen: Devi, Nolens Bruder und Rikard, der Mann aus Verd, haben den Angriff ebenfalls nicht überlebt und alle Bedauern ihren Verlust. Immerhin sind Devi und Nolen nun wieder zusammen, versucht Jorun den Tod der Freunde zu mildern, doch echten Trost will ihr diese Vorstellung trotz allem nicht spenden.

In den nächsten Tagen rückt man noch enger zusammen, wenn der Angriff den Männern an Bord der Rabenschwinge etwas gezeigt hat, dann, dass Zusammenhalt, Freundschaft und Loyalität sich durch nichts aufwiegen lassen. Und während sich die weniger schwer verletzen Besatzungsmitglieder darum kümmern, dass an Bord klar Schiff gemacht wird, werden aus einem der nahen Tempel heilkundige Priester oder Novizen geholt, die sich um die Gesundheit der Zwillinge bemühen, die weiterhin nicht dazu zu bewegen sind, sich in die Obhut eines Heilers zu begeben.
So vergeht die Zeit. Die in Auftrag gegebene Reparatur der Schiffsglocke gerät in Vergessenheit. Keiner der Männer will länger als notwendig in Talyra bleiben und als die Schwinge endlich wieder soweit in Ordnung gebracht ist, dass man in See stechen kann, verlässt das Schiff den Hafen auch schon, um zu einem anderen Ufer des Ildorels aufzubrechen. Siebentage und Monde vergehen. Myre und seine Mannschaft steuern zahlreiche Häfen an, kaufen und verkaufen die unterschiedlichsten Güter, vermeiden es dabei jedoch in den Hafen oder nur in die Nähe Talyras zurückzukehren. Stattdessen lässt Robert Myre schließlich Ildala anlaufen, wo die Rabenschwinge für die letzten Wintermonde festmacht.

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 02. Mai 2007, 11:53 Uhr
Viele Monde sind vergangen. Seit dem Dämonenangriff hat die Rabenschwinge Talyra weitestgehend gemieden. Erst seit kurzem macht sie wieder häufiger im Perlenhafen fest und während dieser Zeit hat Jorun das Schiff selten verlassen und sich allenfalls bis in eine der Hafenschenken vorgewagt. In die Stadt selbst hat es sie bisher nicht gezogen, vor allem nicht in Richtung Pfirsich. Überhaupt meidet sie den Kontakt zu anderen Leuten soweit dies möglich ist und hält sich vornehmlich im Kreis ihrer Kameraden auf.
Die Tage vergehen in arbeitsreichem Gleichklang, kaufen – verkaufen, beladen – entladen, und immer wieder gilt es die Schwinge in Ordnung zu halten. Kleinere Reparaturen sind nach wie vor an der Tagesordnung und werden ohne Murren erledigt.   Auch die neuen Besatzungsmitglieder, die für Rikard, Devi und Nolen an Bord gekommen sind, haben sich gut eingelebt und erfüllen ihre Aufgaben wie alle anderen. Trotzdem ist es nicht mehr wie früher, nicht schlechter, aber eben anders und Jorun vermisst ihre verstorbenen Gefährten nach wie vor auf ihre Art und Weise.

Als sie an diesem Nachmittag den Perlenhafen anlaufen, steht die Normanderin nachdenklich an Deck. Am Horizont sind bereits die ersten Gebäude erkennbar und das Schiff nähert sich rasch seinem Ziel. Doch während sich die übrige Mannschaft auf die Ankunft in Talyra freut, sieht Jorun ihr mit gemischten Gefühlen entgegen, denn wie in jedem Jahr werden an diesem Abend die Feierlichkeiten zu Ehren der Göttin Inari stattfinden. Alle werden ausgelassen feiern, tanzen, sich ordentlich betrinken und ... nun ja. Die Normanderin seufzt. Ihre Tarnung steht noch immer auf wackeligen Füßen, an Bord kennt, abgesehen von Robert Myre, keiner ihr Geheimnis, was sie vor allem dem  Kapitän zu verdanken hat. Aber in der Stadt? Zumindest die Pfirsichwirtin und vielleicht einige ihrer Mädchen wissen, dass sie nicht der junge Mann ist, für den sie alle halten. Und dann sind da schließlich auch noch Novo und Kilara, von denen Jorun jedoch kaum etwas weiß.  
Als sie schließlich im Hafen festgemacht haben und alle Arbeiten getan sind, verlässt die die Schwinge Normanderin recht mit gemischten Gefühlen. Schließlich sagt sie sich aber, dass es im Grunde egal ist. Myre kennt ihr kleines Geheimnis und duldet sie dennoch auf seinem Schiff. Und was will ich mehr?, fragt sie sich. Meine Familie bleibt weiterhin im Unklaren und ich habe meinen Frieden. Etwas entspannter sieht sie sich im Perlenhafen um und folgt ihren Kameraden, die es bereits zum Festplatz im Stadtkern zieht.

Der Marktplatz Talyras »

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 02. Juli 2007, 16:22 Uhr
« Der Grüne Aal

Rund einen Siebentag nachdem das Inarifest vergangen ist, bricht die Rabenschwinge zu einer kurzen Reise nach Brioca auf und kehrt erst etliche Zeit später wieder nach Talyra zurück. Die Ankunft im Perlenhafen verläuft wie üblich und Jorun hat alle Hände voll zu tun. Erst nach getaner Arbeit kommt sie dazu sich etwas zu erholen. Sie sucht sich einen ruhigen Platz an den Piers, sieht auf den Ildorel hinaus und hält das eine oder andere Schwätzchen mit den ortsansässigen Seeleuten und Fischern. Schließlich verabschiedet sich die Normanderin jedoch und begibt sich auf die Suche nach Wielang Landunter. Statt dessen Hafenmeisters trifft sie jedoch ganz unvermutet auf Ringid Wolfskralle, die Kapitänin der Amurs Stolz, und lässt sich zu einem Krug Met in einer kleinen Hafenkaschemme unweit der Piers überreden.

Die beiden Frauen kennen sich gut, immerhin haben beide Schiffe eine sehr ähnliche Handelsroute, sodass man sich regelmäßig in irgendeiner Hafenstadt am Ildorel begegnet. Und Ringid gehört mittlerweile dem kleinen Kreis derjenigen an, die in Joruns Geheimnis eingeweiht sind und darüber Stillschweigen bewahren. Seither hat sie der Normanderin schon mehrfach angeboten unter ihrem Kommando zu dienen, doch dieses  Angebot hat Jorun bisher immer dankend abgelehnt. Sie ist mit ihrem Posten auf der Schwinge zufrieden. Einzig und allein die Aussicht auf einen eigenes Kommando könnte sie dazu bewegen ihren Dienst unter Robert Myre zu quittieren.

Im Perlenhafen »

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 22. Mai 2009, 14:30 Uhr
« Die Goldene Harfe

~ Illir 507 bis Voshor 509 d5Z ~

Es ist spät, als Jorun auf die Schwinge zurückkehrt. Der Abend mit Rashid war unterhaltsamer als gedacht, nicht nur der rein geschäftliche Teil. Leise pfeifend sitzt sie noch eine Weile im schaukelnden Bug, bevor sie sich unter Deck und in ihre Hängematte begibt.
Auch das Gespräch, welches sie am nächsten Tag mit Robert Myre führt, verläuft ausgesprochen erfolgreich. Der Kapitän hört sich ihr anliegen schweigend an, stellt anschließend ein paar knappe Fragen und nickt zu guter Letzt zustimmend. Solange sie ihm garantiert, dass der Südländer keine illegalen Waren an Bord Rabenschwinge bringt, hat er gegen Joruns kleinen Nebenverdienst nichts einzuwenden.

Die Wochen vergehen und das Jahresrad dreht sich wie eh und je unaufhaltsam weiter. Um den Jahreswechsel herum (und eine ganze Weile darüber hinaus) versetzt eine mysteriöse Mordserie Talyra in Angst und Schrecken und Jorun ist ausgesprochen froh darüber, die meiste Zeit auf dem Ildorel zu verbringen.
Hin und wieder, wenn die Rabenschwinge gerade mal wieder in einem Hafen festgemacht hat, erreichen die Normanderin auch Neuigkeiten aus ihrer Heimat. Ein- oder zweimal schnappt sie sogar ein paar Nachrichten über ihre Familie auf, doch die kümmern sie nicht sonderlich, solange ihr Vater nicht auf dem Sterbebett liegt, scherrt sie sich um seine Angelegenheiten einen feuchten Kehricht.

Ihr Geschäfte mit Rashid laufen anfänglich recht gut und sind durchaus einträglich. Hie und da transportiert sie für den südländischen Händler seltene Gewürze, ab und an auch einmal ein Fass mit kostspieligem Wein oder ein paar wertvolle Tuche. Gegen Jahresmitte beginnen die Geschäfte des Südländers allerdings schlechter zu laufen. Seine Aufträge werden langsam immer seltener und bleiben Gegen Jahresende schließlich völlig aus. Irgendwann machen Gerüchte die Runde, was davon stimmt und was nicht, ist schwer zu sagen. Wahr scheint auf jeden Fall zu sein, dass der Händler die Stadt verlassen hat - warum und wieso, an dieser Frage scheiden sich die Geister.
Jorun trauert Rashid nicht groß hinterher, weshalb auch? Einzig der Verlust ihrer Nebeneinkünfte schmerzt sie. An Bord der Rabenschwinge gibt es immer viel zu tun und nie besonders viel zu verdienen. Die Heuer auf anderen Schiffen ist auch nicht unbedingt gut, aber meistens dennoch besser - wie nicht nur Jorun weiß. Trotzdem hält sie Robert Myre weiterhin die Treue. Eine goldene Nase kann sie sich in seinen Diensten sicher nicht verdienen, aber unter seinem Kommando ist es leicht, ein unauffälliges Leben zu führen und mehr will die Normanderin eigentlich nicht. Auch wenn etwas mehr Aufregung ab und zu nicht schaden könnte...

~ 22. Inar 509 d5Z ~

Mittlerweile verzeichnet die immerlandische Geschichtsschreibung das Jahr 509 des fünften Zeitalters. Der Grünglanz neigt sich dem Ende zu und die Schwinge ist gerade aus Brioca zurück und sorgsam am Kai vertäut. Die Männer sind soeben mit dem Löschen der Ladung fertig geworden und überlegen gut gelaunt, wo sie an diesem Abend ihre Heuer verprassen sollen. "Lasst uns in den Aal gehen!", hört Jorun jemanden vorschlagen, "Seit Dancy tot ist, ist der Pfirsich einfach nicht mehr, was er mal war..."
Die Normanderin schweigt und kämpft mit widersprüchlichen Gefühlen. Der Tod der Wirtin vor fast auf den Tag genau einem Zwölfmond bedeutet für sie einerseits eine Person weniger, die ihr Geheimnis kennt; andererseits hat sie der drallen Puffmutter ein solch blutiges Ende sicher nicht gewünscht - ermordet von einem grausamen Schlächter. Wenn Jorun so darüber nachdenkt, so sind von den wenigen, die ihre wahre Identität kennen, nicht mehr sehr viele übrig geblieben: Dancy tot, Kilara und Rashid auf und davon - und wo Novo sich herumtreibt, wissen allein die Götter. Übrig geblieben sind einzig und allein Käpt'n Myre und Ringid Wolfskralle - und Kupferstern, die bei allem was ihr heilig ist, geschworen hat, niemandem ein Sterbenswörtchen über den peinlichen "Badehausvorfall" zu verraten.

"He, Jo! Kommst du?" Stirnrunzeld schaut die (bzw. der) Angesprochene auf. "Hm...? Ach so, nein, nein, geht ruhig schon ohne mich los", erklärt sie ihren Kameraden, die es nun nach getaner Arbeit unaufhaltsam zu einem Krug Bier in den Grünen Aal zieht. "Ich komme dann später nach." Sie nickt knapp und während sich die Männer auf schnurgeradem Weg zu Talyras bekanntester Hafentaverne begeben, schlendert sie ziellos die belebte Hafenpromenade entlang.

Im Perlenhafen »

Titel: Re: Die »Rabenschwinge«
Beitrag von Jorun am 27. Okt. 2009, 12:08 Uhr
« Die Straßen der Stadt

Schnellen Schrittes eilt Jorun davon, an Keeshar, Njucon und Nathan verschwendet sie schon bald keinen einzigen Gedanken mehr. Was auch immer der Rotschopf und das Bleichgesicht in diesem Moment auch tun mögen, es ist ihr herzlich gleich, und bis zu ihrem Treffen mit Nathanael ist es noch ein paar Tage hin. Für heute hat sie jedenfalls genug gesehen und gehört und zieht es stattdessen vor sich so rasch als möglich in ihrer Hängematte auszustrecken und ein ein paar Stunden Schlaf zu ergattern. Müde schleppt sie sich an Bord, wechselt nur noch einige kurze Worte mit dem einen oder anderen Kameraden und verzieht sich dann eilends unter Deck, während am Horizont schon wieder der Morgen zu dämmern beginnt.

Die folgenden Tage vergehen ähnlich wie die vorausgegangenen. Zunächst beobachten Keeshar und sie Njucon noch gemeinsam, bis sie sich schließlich auf eine recht annehmbare _Arbeitsteilung_ einigen. Jorun fallen dabei vorzugsweise die Morgenstunden bis zur Mittagszeit, während Keeshar ab den Mittagsstunden bis in die Nacht hinein auf den Beinen ist. Die Normanderin wundert sich wenig über diese Übereinkunft – dass der Rotschopf eher eine Nachteule ist als sie, war irgendwie zu spüren. Was ihr _Partner_ während dieser Nachtstunden so treibt, will sie auch lieber nicht so genau wissen. Überhaupt, solange er alleine tut, was immer er tut, ist es ihr gleich, was er treibt. Wenn ihn die Stadtwache erwischt, dann ist das wenigstens nicht mein Problem, sagt sie sich. Da hält sie sich lieber an die eine oder andere zwanglose Plauderei im Haus der Bücher oder ein paar unauffällige Nachforschungen in der Stadt- und Zeremonienhalle – nicht das dabei groß etwas herauszufinden wäre.

Es ist bereits kurz vor Sonnenuntergang, als sich die Normanderin schließlich einen Siebentag später auf den Weg zum Grünen Aal macht, um sich dort wie verabredet mit Nathan und Keeshar zu treffen. Unterwegs lässt sie noch einmal kurz Revue passieren, was Kees und sie in der letzten Zeit so alles über diesen Njucon Aleris in Erfahrung bringen konnten: Nun, zunächst einmal scheint er ein recht exzentrischer Bücherwurm zu sein, stellt sie fest und denkt dabei vornehmlich an seine merkwürdigen Selbstgespräche. Er geht seiner Beschäftigung in der Bibliothek recht regelmäßig nach, kommt und geht selten früher oder später. Außerdem verkehrt er häufig in der Harfe und scheint mit der Wirtin gut bekannt zu sein. Wie gut er diese Kali Maya Irgendwas kennt, ist nicht ganz klar... Ihre Nachforschungen hatten Kees und sie überrascht – eine äußerst exotische Frau, eine Schreiberin mit Haus in den Tausendwinkelgassen, außerdem Novizin im Dienste Sithechs und offenbar blutelbischer Abstammung. Eine wirklich merkwürdige Kombination. Aleris selbst hingegen ist augenscheinlich laiginischer Herkunft, wie ein paar Fragen hie und da ergeben haben. Das rote Steinhaus am Llarelon befindet sich laut Auskunft eines geschwätzigen Stadtdieners seit Inar 508 d5Z in seinem Besitz. Und dann ist da noch dieses eigentümliche Schwert, dass er stets mit sich führt... Ganz in Gedanken betritt Jorun den Aal.

Der Grüne Aal »



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