Weltenstadt.de >> Forum (http://forum.weltenstadt.de/)
Das Rollenspiel >> Stadt-Archiv [read only] >> Das Haus der Witwe Lorias
(Thema begonnen von: Maryleen_Gard am 28. Feb. 2004, 12:46 Uhr)

Titel: Das Haus der Witwe Lorias
Beitrag von Maryleen_Gard am 28. Feb. 2004, 12:46 Uhr
Zum Haus der Witwe Lorias gelangt man, wenn man vom Marktplatz aus an den Tausendwinkelgassen vorbeischreitet. Direkt dahinter befindet sich ein verwildertes Anwesen, durch dessen dichtes Gestrüpp man kaum das alte Steinhaus entdecken kann. Eine bröckelige Sandsteinmauer umschließt den Garten. Ein schmales, hohes Eisentor gibt quietschend den Weg zum Haus frei. Über einen Kieselweg, zwischen dessen Kieselsteinchen Unkraut gedeiht, kommt man zur Haustür. Ein Messingklopfer ermöglicht es Besuchern, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Tritt man durch die Eingangstür aus schwerem, dunklen Holz, gelangt man in eine große Wohnstube. Die Einrichtung ist einfach, aber zweckmäßig. Ein breiter Holztisch mit mehreren Stühlen befindet sich in der Mitte des großen Raumes. In einer Ecke stehen Spülstein und Holzofen. Ein Kamin spendet in der Winterzeit behagliche Wärme. Von der Eingangsstube gehen mehrere Türen ab, eine Treppe direkt am Eingangsbereich führt in das Obergeschoss.

Im Untergeschoss des Hauses befindet sich ein Raum mit Steinboden. Dort steht ein großer Waschzuber, in dem gebadet werden kann. Wäsche wird ebenfalls in diesem Zimmer gewaschen. Eine Tür führt in den Garten zu einem kleinen Häuschen, dem stillen Örtchen.
Im Obergeschoss findet man mehrere Schlafräume. Die Witwe Lorias bewohnt davon nur zwei Zimmer. Die anderen drei Zimmer stehen leer und die Möbel sind bereits eingestaubt. Die Zimmer sind klein und spartanisch eingerichtet, erfüllen jedoch ihren Zweck, mit jeweils einem schmalen Bett, einer Kommode und einem Holztisch sowie zwei Stühlen.

Die alte Witwe Lorias bewohnt das Haus derzeit noch alleine. Ihre Söhne und Töchter haben Talyra bereits vor langer Zeit verlassen, ihr Mann verstarb vor einigen Jahren. Lorias kann Haus und Garten längst nicht mehr allein in Schuss halten, so dass das Anwesen nach und nach heruntergekommen ist. Lorias ist eine einsame Dame, die sehr zurückgezogen von den Ersparnissen ihres Mannes lebt.

Titel: Re: Das Haus der Witwe Lorias
Beitrag von Maryleen_Gard am 28. Feb. 2004, 16:15 Uhr
Nach nur wenigen Minuten Fußmarsch bleibt die alte Dame abrupt stehen. Sie deutet auf eine Mauer aus hellem Sandstein.

"Wir sind da, junge Frau!"

Maryleen betrachtet schweigend das Anwesen. Die Mauer umzäunt ein verwildertes Grundstück, durch dessen Gestrüpp und Bäume man kaum ins Innere blicken kann. Hier scheint schon lange keiner mehr den Garten gepflegt zu haben. Die Mauer bröckelt ebenfalls. Ein schmales Eisentor stellt den Eingang zum Grundstück dar. Die alte Dame steuert direkt drauf zu. Als sie es öffnet, quietscht es laut und durchdringend. Das Geräusch fährt Maryleen durch Mark und Bein. Die Frau zuckt die Achseln und bedeutet Maryleen, ihr zu folgen.

"Seit mein Mann verstorben ist, kümmert sich keiner mehr um das Grundstück. Ich sehe Eurem Blick an, was Ihr denkt, junge Frau. Dies ist ein wundervolles Anwesen, und auch das Haus wird Euch sicher gefallen, doch hat dies alles hier wahrlich schon bessere Tage gesehen. Selbstverständlich habt Ihr recht."

Mit diesen Worten betritt sie den Kiesweg und Maryleen folgt ihr. Der Kies knirscht unter ihren Schuhen. Zwischen den einzelnen Steinchen lugt überall Unkraut hervor. Der Weg führt nach wenigen Metern unter hohen Bäumen zu einem Steinhaus. Die alte Frau öffnet mit flinken Händen die Eingangstür und lässt Maryleen ins Innere des Hauses treten, bevor sie die Türe wieder schließt. Es ist behaglich warm in der Stube und Maryleen stellt die Körbe auf einen Holztisch in der Mitte des Raumes.

"Ihr bleibt doch noch einen Moment? Ich werde Euch einen heißen Tee brühen und Euch dann erklären, wie Ihr durch die Tausendwinkelgassen wieder zum Marktplatz zurückgelangt. Ich muss gestehen: Ich bin froh, ein wenig Gesellschaft zu haben. Meine Kinder leben längst nicht mehr in Talyra und seit mein lieber Mann das Zeitliche gesegnet hat, bin ich vollkommen alleine. Aber ich will Euch nicht mit meinen Sorgen belasten.
Mein Name ist übrigens Lorias. Darf ich nach Eurem Fragen? Ihr seid neu hier in der Stadt, habe ich recht?"

Maryleen nickt. Während die alte Dame die Körbe auspackt, das Feuer im Ofen neu anfacht und einen Topf mit Wasser daraufstellt, nennt sie ihr ihren Namen und erzählt kurz von ihrer Herkunft aus Alayz. Nach kurzem Zögern teilt sie ihr dann mit freudiger Stimme mit, dass sie gerade heute eine Stelle als Schreiberin in der Stadt- und Zeremonienhalle Talyras gefunden hat, die sie morgen antreten wird. Die alte Dame ist sichtlich überrascht.

"Schreiberin, sagt Ihr? Das ist ja wundervoll. Nur wenige Menschen in Talyra sind der Schreibkunst mächtig. Dann könnte ich bei Euch Schreibdienste erwerben? Ich bin auf der Suche nach einem Schreiber, denn ich möchte gerne einige Briefe an meine Söhne und Töchter verfassen. Die Ersparnisse meines Mannes gehen im nächsten Jahr zur Neige und ich werde das Haus verkaufen müssen, wenn ich kein Geld erhalte. Sicherlich, das Haus ist tatsächlich viel zu groß für eine Witwe wie mich. Immerhin beherbergte es einmal sieben Personen. Nun stehen einige Zimmer seit Jahren leer. Und Ihr habt selbst gesehen: Das Anwesen verfällt mehr und mehr. Die Mauer draußen müsste dringend erneuert werden. Und der Garten müsste in Ordnung gebracht werden. Doch ich habe weder Energie noch Geld dafür."

Sie stellt seufzend zwei Krüge mit dampfendem Tee auf den Tisch und setzt sich neben Maryleen auf einen Stuhl. Maryleen nippt an dem heißen Getränk. Es rinnt warm ihre Kehle hinab und beginnt, ihren ausgekühlten Körper aufzuwärmen.

Nach einigen Sekunden, in denen sie beide schweigend an ihrem Tee nippen, sagt Maryleen:
"Warum vermietet Ihr nicht einige der leerstehenden Räume und verdient Euch damit ein kleines Zubrot, bis Eure Kinder Euch Geld schicken? Ihr könntet von diesem Geld einen Gärtner beauftragen, den Garten zu richten und Ihr könntet nach einem Steinmetz schicken, um die Mauer zu reparieren. Und ich schreibe Euch selbstverständlich gerne Eure Briefe an Eure Söhne und Töchter."

Die Frau hört gebannt zu und denkt dann eine Weile nach. Schließlich nickt sie mit dem Kopf.
"Ich habe auch bereits darüber nachgedacht, die leeren Räume zu vermieten. Doch ich gestehe Euch: Ich bin ängstlich. Ich kenne niemanden hier in Talyra. Wer würde mir helfen, wenn ich Fremde ins Haus ließe und dann von ihnen ausgeraubt und niedergeschlagen werden würde?"

Maryleen richtet sich auf ihrem Stuhl auf.
"Ich bin selbst auf der Suche nach einer Wohnmöglichkeit, Witwe Lorias! Lasst mich Eure erste Untermieterin sein und solange ich hier wohne, helfe ich Euch gerne. Ich könnte mich um Reisende bemühen, die eine dauerhafte Unterkunft suchen. Ich kümmere mich auch gerne um die Restauration Eures Anwesens."

Prüfend blickt die alte Dame auf Maryleen hinab, die verlegen die Augen niederschlägt. Maryleen murmelt leise: "Ich habe kein Zuhause, Witwe Lorias. Ich würde mich freuen, Euch helfen zu können und einen Platz zu finden, an dem ich leben kann. Vielleicht kann Talyra das Zuhause werden, das ich nie fand."

Die alte Dame nickt langsam. Das Misstrauen verschwindet aus ihren Augen und sie legt die Hand auf Maryleens Arm.
"Abgemacht, Maryleen! Ich bin froh, Euch getroffen zu haben. Ihr könnt eines der Zimmer beziehen. Für die erste Woche nehme ich kein Entgelt sondern beauftrage Euch mit einigen Briefen. Danach werden wir uns über die Mauer und den Garten Gedanken machen. Ich wäre Euch wirklich dankbar, wenn Ihr mir diesbezüglich unter die Arme greifen könntet!"

Maryleen lächelt sie offen an. Dies war ihr Glückstag! Sie hatte einen Platz zum Schlafen gefunden. Im Haus der Witwe Lorias!



Powered by YaBB 1 Gold - SP 1.3.2!
Forum software copyright © 2000-2004 Yet another Bulletin Board