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Das Rollenspiel >> Die Stadt Talyra >> Vinyamar Alalminórë
(Thema begonnen von: Arwen Rhiwiel am 12. Juni 2002, 20:32 Uhr)

Titel: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen Rhiwiel am 12. Juni 2002, 20:32 Uhr
~Vinyamar: Das Ulmenanwesen~




Haus und  Wirtschaftsgebäude


Das Grundstück ist umgeben von einer übermannshohen Mauer aus hellen behauenen Steinen, deren Krone mit Moosen, Gräsern, Glockenblumen und gelben Maßliebchen bewachsen ist. Dort, wo man das Tor erwarten würde, wird der Eingang von zwei großen, uralten Ulmen flankiert, die ihre Äste wie ein Dach über dem Eingang zum Grundstück ineinander verschränken und Wächtern gleich das Anwesen zu hüten scheinen.
 
Über einen Weg, der mit feinem, hellem Kies belegt und immer säuberlich gerecht ist, gelangt man zu einem gerundeten Platz vor dem Haus selber. Es hat zwei Stockwerke und ist ganz aus hellen unbehauenen Steinen gebaut und mit dunklen Schieferschindeln gedeckt. Doch seine Wände und das Dach sind so überwachsen mit Moosen und Dachwurz, Efeu und vielen seltsamen, blühenden Kletterpflanzen, dass im prächtigen Übermaß der Farben, ob golden, rostbraun, purpurn, blau, weiß oder grün nicht mehr zu erkennen ist, woraus das Haus einst erbaut wurde.  
 
Das ganze Haus ist von Blumen umkränzt: ein dichter Teppich von Blütentrauben, Ähren und Quasten, Strängen und Polstern, von Blumen in Rispen und Dolden oder mit großen offenen Gesichtern der Sonne zugewendet. Ihre vielen Gerüche verlieren sich in der Luft und vereinigen sich zu einem einzigen mächtigen Duft von wunderbarster Harmonie, doch ihre Tönungen und Farben sind verstreut oder vereinigt, scheinbar wie der Zufall oder ein glückliches Wachstum es gefügt haben. Wege aus kurz gemähtem Rasen führen zwischen der Vielzahl der Blumen durch den Garten.
 
Unzählige Vögel zwitschern in den Dachtraufen des Hauses und singen in den Zweigen eines alten Apfelbaumes, der in der südlichen Ecke der Mauern steht; mächtig an Umfang und uralt, ist die Erde rund um seinen Stamm zu einem breiten Sitz aufgeschichtet, weich und grasbedeckt.  
 
Der Kiesweg führt direkt auf die vordere Veranda zu, deren dunkles Holz im Wechsel unzähliger Jahreszeiten einen silbernen Schimmer angenommen hat. Die geschnitzten Säulen aus dem gleichen Holz, die bis zum Dachvorbau empor reichen sind unter einem dichten Netz aus Blauregen, Efeu und Goldregen nur noch zu erahnen, sehen kann man sie nicht mehr. Wenn man vom Weg auf die Veranda tritt, gelangt man direkt vor den Eingang des Hauses, eine Doppelflügeltür aus poliertem schwarzen Holz. Auf jedem Türflügel befindet sich ein eiserner Knauf, der einen Ring hält und gleichzeitig Anklopfer und Türgriff ist. Erst wenn man durch die Tür tritt, bemerkt man, dass die Wände des Hauses fast drei Fuß stark sind. Sie halten im Sommer die drückende Wärme fern und sperren im Winter die Kälte aus.  
 
Die Eingangshalle ist geräumig aber die Wände unverputzt, nichts behindert den Blick auf den hellen Stein, aus dem das Haus errichtet wurde. Truhen aus dunklem Holz stehen an den Wänden unter prächtigen Gobelins, die Szenen aus der Geschichte der Elben und den Legenden um die zwölf Mächte und ihre Archonen zeigen. An den Wänden sind geschwungene und verzierte Kerzenhalter aus Bronze zu sehen, Rankgewächsen gleich, die statt Blüten Kerzen tragen. Von der Eingangshalle geht gleich links die Treppe in das obere Stockwerk ab, weiter hinten führen zwei Türen in den nördlichen Anbau, wo sich mit Küche und Wäschekammer die Wirtschaftsräume befinden. Von der Küche führt eine Luke im Boden in einen kühlen, unterirdischen Vorratskeller.  
In der Küche selbst wird eine Wand von Herd und Ofen eingenommen. Mitten im Raum steht ein großer Eichentisch mit blank gescheuerter Platte, auf dem verschiedene Holzbretter neben dem Holzblock mit den Küchenmessern liegen. Direkt über dem Tisch, unter der Decke, hängen an einem stabilen Holzgitter Töpfe, Pfannen, Durchschläge und Kessel in verschiedenen Größen und Formen. Über einen Seilzug an der Wand kann dieses Gitter herab gelassen werden um an die Töpfe zu gelangen. An der gegenüberliegenden Wand befinden sich die Schränke für Vorräte, Küchengeräte und Geschirr. Direkt davor führt eine Bodenluke zu den Vorratskellern. Hier befinden sich in Fässern, Kisten und Regalen die Amphoren und Krüge, Säcke und Körbe, Tiegel und Töpfe, Gläser und Flaschen mit den Vorräten.  

 
Rechterhand führt am Ende der Eingangshalle ein Gang in den südlichen Anbau. Hier sind die Steinwände hinter einer hölzernen Vertäfelung mit kunstfertigen Schnitzereien von Pflanzen und Tieren verborgen. Wenn man den Gang zur Hälfte beschritten hat gelangt man durch eine große Flügeltür in den eigentlichen Anbau mit dem Hauptraum, der von einem großen Kamin an der Stirnseite beherrscht wird, der eine steinerne Einfassung mit kunstvollen Ranken-Ornamenten aufweist. In den Steinornamenten verborgen befindet sich ein geheimer Mechanismus, der bei Betätigung den Zugang zu einer Treppe freigibt, die in einen Raum unter den Kellern von Vinyamar führt, dessen Boden mit dem prächtigen Mosaik eines Wasserdrachens verziert ist. Wozu der Raum den Erbauern diente, ist unbekannt, doch jetzt dient er den Elben von Vinyamar als gut gesicherte Kammer zur Verwahrung jener Truhen in denen sich neben Arúens Brautgabe auch die Barschaft der Herrin von Vinyamar befindet. Und außer ihr und Niniane weiß auch niemand, wie der Mechanismus, der den Zugang freigibt, zu betätigen ist.
Die Wände des großen Kaminzimmers sind hell verputzt, die dunklen Bodendielen poliert und fast die ganze Längswand zur Terrasse hin wird von großen, deckenhohen Sprossenfenster-Türen eingenommen, an denen sich schillernde Seiden-Vorhänge befinden, die im Wandel der Jahreszeiten wechseln: die Farben des Waldes im Frühjahr, im Sommer die sanften Farben von Mondlilien und Shenrahsternen und im Herbst und Winter ein dunkles Rot, in dem sich der Schimmer von Kupfer, Bronze und Gold fängt. Erhellt wird der ganze Raum im Winter von dem rötlich-goldenen Licht des Kaminfeuers und dem flackernden Licht mehrerer geschwungener, vielarmiger Kerzenleuchter die an den Wänden stehen und kleinen efeuumrankten Bäumen gleichen, in deren Blättern die Kerzen ruhen.
An der Fensterseite des Raumes befindet sich ein Tisch aus Buchenholz mit sechs hohen Stühlen. Hier, in der Mitte des Tisches hat ein Geschenk Ninianes seinen Ehrenplatz gefunden: Ein hoher, schlanker Kelch aus rauchigmilchiger Jade, seine geschwungenen Henkel sind zwei Ranken nachgeahmt und ringsum ist er mit sieben elbischen Gesichtern aus glänzenden Edelsteinen verziert. Sieben Gesichter für die Sieben Großen Häuser der Shida'ya, jedes Gesicht trägt das Wappen eines der Elbenhäuser: den Adler der Mitarlyrs, den weißen Wolf Dúnes, die strahlende Sonne des Hauses Relavendis, Neumond und Falke der Ariens und so fort. Ein gestickter Wandteppich ziert die Wand gegenüber der Fenster und zeigt die Wappen aller großen Elbenhäuser. Vor dem Kamin befindet sich ein kleiner runder Tisch inmitten hoher Lehnsessel mit Kissen aus dunkelrotem Tuch.  
 
Folgt man dem Gang im Südflügel allerdings bis zu seinem Ende, gelangt man durch eine Tür in das Empfangs- und Speisezimmer. Halbhohe Schränke und Vitrinen stehen vor der Wand der Stirnseite und ein großer Tisch aus rötlichem Buchenholz ist in der Mitte des Raumes platziert, umgeben von hochlehnigen Stühlen aus dem gleichen Holz, die mit Schnitzereien verziert sind und sich lebhaft von den dunklen Bodenmosaiken aus Marmor und Granit abheben.  
 
Im oberen Stockwerk befinden sich das Bad, die Gästezimmer und neben dem Kinderzimmer und den Gemächern der Hausherin auch das Schreibzimmer und das private Kaminzimmer mit einem ähnlich großen Kamin wie im Hauptraum im Untergeschoss. Dieses Kaminzimmer ist der Hausherrin, ihrer Familie und engen Freunden vorbehalten. Einfache Gäste werden nicht hier herauf geführt.

Am Ende des Raumes befindet sich ein Kamin, dessen Sims und Einfassung wie aus lebenden Ranken wirkt, und doch von einem Meister der Steinmetzkunst aus hellgrauem Stein bearbeitet wurde. Vor dem Kamin befindet sich ein niedriger ovaler Tisch aus Wurzelholz um den sich Felle, Decken und Kissen in sanften Farben und aus verschiedenen weichen und edlen Stoffen gruppieren. Ein Tisch mit hochlehnigen Stühlen findet sich auch hier, und eine Schale aus fein ziseliertem Silber, in der immer frisches Obst liegt, steht in der Mitte des Tisches.

Tritt man durch die Tür in die Gemächer der Hausherrin, fällt der Blick als erstes auf das Bett, das in der Mitte des Zimmers steht, rechts und links flankiert von großen Sprossenfenstern mit Blick auf Garten und Ildorel. Gefertigt aus einem fast schwarzen Holz, lassen das polierte Holz, die Schnitzereien und Intarsien aus Perlmutt und anderen Hölzern es wirken wie aus Blüten und Ranken geflochten. Aus den Ranken erwachsen vier gedrehte Pfosten nach oben, die im Sommer vanillefarbene Gazeschleier gegen die Stechmücken halten. Ein Paravent versperrt den Blick auf Ankleidezimmer und Bad, und seine blattförmigen Einfassungen, Schnitzereien und Einlegearbeiten, die die Ranken und Blüten lebendig wirken lassen sind Meisterwerke der Schnitzkunst.  
Auf dem Bett liegen bestickte und gesteppte Decken und Kissen aus edlen Stoffen in kräftigen aber gedeckten Farben, die wie Blüten auf der weißen Bettwäsche fast zu leuchten scheinen. Nicht, dass die Elbin wirklich des Schlafes bedürfte, doch auch zu den wenigen Stunden meditativer Ruhe zieht sie sich hierher zurück. Ein großes, gesticktes Bild über dem Bett zeigt die weißen Mauern und Türme Lomirions und wird von zwei bronzenen Kerzenwandhaltern flankiert, die in ihrer Erscheinung rankenden Lilien gleichen in deren Blütenkelchen die Kerzen ihren Platz gefunden haben.  

In den Fensternischen, die im Sommer von hellen Musselinschleiern und im Winter von dunkelgrünen Vorhängen aus weichem Tuch flankiert werden, stehen Vasen und Schalen mit duftenden Blumen, die an die Wiesen im Grünen Tal von Erryn und die Täler der Mondsichel erinnern. Und dazwischen vielarmige Kerzenleuchter, die bei Bedarf ein warmes, goldenes Licht spenden.  
Vor dem Kamin liegen Felle, Teppiche, Decken und Kissen in sanften Farben aus unterschiedlichen, edlen Stoffen neben einem kleinen niedrigen Tisch und gegenüber der großen rundgeschwungenen Lehnsessel mit Bezügen und Polstern aus dunkelrotem Samt. Auf dem Tisch befindet sich ein silbernes Tablett mit fein ziselierten Kelchen und einer Karaffe in der sich immer frisches Wasser befindet, sowie daneben eine Schüssel mit Obst, Haferkeksen oder anderem Kleingebäck.  

Eine weitere Tür führt von den Gemächern in das Kinderzimmer. Die Wiege ist längst von einem kleinen runden Kinderbett aus dunklem Holz abgelöst worden, das aussieht als habe jemand das Blatt einer Seerose zwischen vier umrankte Pfosten gehängt. Die Kleidung Rialinns findet ihren Platz in einem halbhohen Schrank, dessen Türen mit Einlegearbeiten aus hellem Holz verziert sind. Decken, Windeln und reines Linnen finden sich in einer Truhe mit bronzenen Beschlägen aus dem gleichen Holz. Leuchtend bunte Lilien in Schalen und flachen Töpfen aus schlichtem, rotem Steinzeug haben ihre Plätze auf den breiten Bänke vor dem Fenster gefunden und Leinenvorhänge davor fangen das helle Licht des Sommers.

Das Schreibzimmer weiter den Flur im Obergeschoss hinunter wird von den Regalen aus Buchenholz beherrscht, in denen sich Bücher, Schriftrollen, Pergamente drängen. Dicke Folianten in ebenso dickem Leder liegen neben säuberlich zusammengerollten Pergamenten, die mit roten und schwarzen Schnüren zusammen gebunden sind. Die unterschiedlichsten Runen und Schriftzeichen finden sich auf den Bücherrücken und zeugen davon, dass die Hausherrin mehr als nur die Schriften des Shidar und der Gemeinsprache beherrscht. Unter dem Fenster steht ein großer Schreibtisch aus Wurzelholz in den runden, geschwungenen Formen wie sie für Elben so typisch sind. In seinen Laden finden sich Pergamente, Tintenfässchen und Federn zum Schreiben und ein Schälchen Löschsand. Eine Öllampe in der Fensternische spendet Licht in den dunklen Stunden des Tages, und in einer der Fensternischen steht die Glasskulptur eines Adlers mit gespreizten Schwingen, die Arúen einst auf dem Markt des Shenrahfestes erwarb.

Das Zimmer Teirs von Lyrtaran liegt im ersten Stock, nahe der Gemächer von Lady Arúen, doch nicht in unmittelbarer Nähe. Nicht, weil sie ihn nicht in ihrer Nähe dulden würde, sondern aus dem einfachen Grund, dass die Zimmer direkt neben ihren eigenen Räumlichkeiten ihrer Familie vorbehalten sind. Das Zimmer des jungen Elbenritters ist hell und geräumig, und die beiden Fenster bieten ihm einen guten Blick über den Garten und den hellen Kiesweg hinunter zum Tor von Vinyamar unter den alten Ulmen.
Die Einrichtung aus honigfarben gebeiztem Holz ist schlicht aber von bester Machart. Truhen und Kommoden für Wäsche und Kleidung stehen an den Wänden. Neben der Kleidertruhe führt eine stets verschlossene Tür zu einem kleinen Nebenraum, in dem sich neben einem Gestell mit einem Holztorso für das Kettenhemd auch die Waffen des Elben befinden. Schwert und Dolch trägt er ohnehin meist bei sich, aber Speere, Bogen und Pfeile sind hier eben so gut aufgehoben wie alles, was er zur Pflege seiner Waffen benötigt.
Zwischen den beiden Fenstern findet sich ein Tisch mit einem Tablett für Tintenfass und Federn und einer flachen Lade unter der Platte. Das Bett ist in der Machart der Menschen gefertigt, viereckig und nicht rund, schlicht und mit hohen Pfosten, über die im Sommer Gazevorhänge zum Schutz vor den Mücken platziert werden.


Eine schmale Stiege am Ende des Flures führt noch weiter nach oben auf den Dachboden wo im Herbst und Winter die Wäsche getrocknet wird. Der Dachboden dient zum Teil als Abstellkammer für ausgediente Möbelstücke. Doch über dem südlichen Flügel hat Arúen sich ein Botanikum eingerichtet, in dem sie ihre Kräuter und die Samen der Blumen aus dem Garten trocknen und aufbewahren kann. Die Bodendielen sind geglättet und geschrubbt, die Wände zwischen den Dachsparren mit Holz verkleidet. Große, mit ungebleichter Gaze bespannte Trockengestelle stehen an der einen Wand, an den massiven Dachbalken wartet eine Hakenreihe auf die zu trocknenden Kräuterbüschel und auf der gegenüber liegenden Wand stehen offene Regale mit durchlöcherten Böden, damit die Luft besser zirkuliert. Auf einem Tisch in der Mitte finden sich Mörser und Stößel, Mischgefäße und Löffel und ein Korb mit kleinen Leinensäckchen. Und wenn die erste Ernte der Kräuter ansteht, werden Rosmarin und Lavendel, Dost, Fenchel, Kamille und ihre Verwandten den Raum wieder in ihr unverwechselbares Aroma hüllen.

Wenn man nördlich um das Haus herum geht, vorbei an Obststräuchern, die zwischen Wegen im Gras und wuchernden Blume ihren Platz haben, gelangt man durch den Kräutergarten und die Gemüsebeete an ein weiteres Gebäude. Dieses Haus ist ebenso wie das Haupthaus von Efeu und blühenden Kletterpflanzen überwuchert. Es grenzt direkt an das Pferdegatter und beherbergt neben den Boxen der Pferde zu ebener Erde im oberen Stockwerk die Vorräte an Heu und Stroh. Direkt daneben befindet sich ein Anbau, in dem sich das neu errichtete Schlachthaus und eine Räucherkammer befinden. Sowie die Ställe für das Kleinvieh, das auf Vinyamar zur Selbstversorgung gehalten wird. Im Schatten dieses Gebäudes befindet sich eine feste Remise, in der sich die Fuhrwerke und Heuwagen befinden.
 
Der Platz zwischen den beiden Flügeln des Haupthauses ist sorgfältig mit hellen Steinen gepflastert und wird des Sommers von weißen Sonnensegeln beschirmt. An ihn schließt sich eine blumenübersähte Wiese an, die sanft bis zur Mauer an der Grundstücksgrenze abfällt. Dort findet sich auch eine hölzerne Mannpforte in der mit purpurnen Bougainvillen überwachsenen Mauer, durch die man direkt an den Strand des Ildorel gelangen kann



Der Garten


Das ganze Haus ist von Blumen umkränzt: Ein dichter Teppich von Blütentrauben, Ähren und Quasten, Strängen und Polstern, von Blumen in Rispen und Dolden oder mit großen offenen Gesichtern der Sonne zugewendet. Ihre vielen Gerüche verlieren sich in der Luft und vereinigen sich zu einem einzigen mächtigen Duft von wunderbarster Harmonie, doch ihre Tönungen und Farben sind verstreut oder vereinigt, scheinbar wie der Zufall oder ein glückliches Wachstum es gefügt haben. Wege aus kurz gemähtem Rasen führen zwischen der Vielzahl der Blumen durch den Garten.
 
Unzählige Vögel zwitschern in den Dachtraufen des Hauses und singen in den Zweigen eines alten Apfelbaumes, der in der südlichen Ecke der Mauern steht; mächtig an Umfang und uralt, ist die Erde rund um seinen Stamm zu einem breiten Sitz aufgeschichtet, weich und grasbedeckt.  

An der Nordmauer des Anwesens finden sich Hochstämmchen mit roten und schwarzen Johannisbeeren, die mit Blaubeerbüschen unterpflanzt sind. Die Him- und Brombeeren sind an Holzspalieren an der Südwand des Hauses gebunden.

Kirschen, Äpfel und Birnen ebenso wie die Pflaumenbäume befinden sich im weitläufigen Garten zwischen Stallungen und Strandmauer, bunt verteilt zwischen blühenden Büschen und alten und jungen Bäumen in ihrem grünen Blätterkleid. Die Aprikosen stehen direkt an der Strandmauer. Küchen- und Kräutergarten ist von einem halbhohen Zaun aus geflochtenen lebenden Weiden umgeben, der mit rankender Corbinskresse, Schwarzäugiger-Susanne und anderen Rankpflanzen bewachsen ist.

Es gibt ein Beet an der Grenze zwischen Gemüsegarten und Blumenbeeten, in dem Arúen Shenrah-Fackeln angepflanzt hat. Aufstrebende, schlanke Horste aus schlanken dunkelgrünen Blättern die bis zu einem Schritt hoch wachsen und von den Blütenhalmen noch überragt werden. Diese Blütenfederbüsche leuchten in den Farben des Feuers und der Sonne, selbst an wolkenverhangenen Tagen.  


Der Garten insgesamt ist nicht so angelegt wie bei den Sterblichen üblich, also mehr oder minder rechtwinklige Beete mit schnurgraden Pflanzreihen, sondern eher verschlungen. Die Beete und Pflanzen scheinen Muster zu ergeben, die man nur erkennt, wenn man lange genug hinsieht. Alles wächst scheinbar durcheinander, also der Knoblauch zwischen den Erdbeeren, Ringelblumen zwischen den Kohlsorten und so weiter und so weiter. Bevorzugt wachsen scheinbar auch nicht die gewöhnlichen Sorten sondern buntblättrige Varianten, wie z.B. Mangold mit roten oder gelben Stielen, Blauschoten, Feuerbohnen neben den grünen Bohnen und so fort. Dabei bleibt aber immer unterschwellig der Eindruck erhalten, jemand hätte der Natur freien Lauf gelassen und allenfalls mit sanfter Hand eingegriffen. Und so finden sich Feldfrüchte wie Kartoffeln, Kraut, Rüben, Kürbisse, Zwiebeln, Mangold und ähnliches nicht auf abgegrenzten, rechtwinkligen Hausfeldern sondern als Bestandteil des Gartens von Vinyamar zwischen Blumen und Büschen.


Das Vieh


3 Pferde: Arúens Grauschimmel Shur und eine kleine braune Stute, die leichtere Wagen ziehen kann oder als Lasttier taugt und die Suniverstute Teirs

2 schwere Zugpferde für die Feldarbeit, zum Ziehen von Fuhrwerk, Heuwagen, Pflug, Egge etc.

Schweine, Hühner, Gänse, Enten für den Eigenbedarf

2 weiße Jagdfalken (die einstigen Hochzeitsgeschenke von So'Tar Blaufalke)

1 Adler, Sûlmae, der gelegentlich mal auftaucht wenn Arúen ihn ruft. Sie fand ihn als kaum flüggen Jungvogel mit gebrochener Schwinge, und seit jener Zeit folgt er ihr als Freund und Wächter mal nah mal fern, wenn er ihr nicht gerade als Botenvogel dient

2 Faêntjar (elbische Goldhunde), Auris und Nevis, die Arúen von ihrem AUfenthalt in Lomirion mitgebracht hat





Was bisher auf Vinyamar geschah... (http://forum.weltenstadt.de/?board=rpgarchiv;action=display;num=1122925184)

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 13. Aug. 2005, 22:27 Uhr
Die Bewohner


Der Haushalt besteht neben Arúen Liasiranis (http://forum.weltenstadt.de/?board=;action=viewcharstory;username=Arwen_Rhiwiel), ihrer Tochter Rialinn und Teir von Lyrtaran (http://forum.weltenstadt.de/?board=;action=viewcharstory;username=Teir) aus 9 Personen


Cassandra (http://forum.weltenstadt.de/?board=;action=viewcharstory;username=Yaon) (SC)
30 Jahre, eine Tochter (Natie, geb. 498 FZ). Oberste Magd auf Vinyamar, der fürsorgliche "Hausdrache". Weder besonders groß noch klein, Durchschnitt eben, mittelbraunes Haar, meistens hochgesteckt, graublaue Augen. Trägt meistens einfache Leinenkleider, oder Rock, Hemd und fast immer eine Schürze. Wacht über ihre Herrin wie eine eifersüchtige Glucke.

Gerion
18 Jahre, von schlaksiger Gestalt, braune Haare, graue Augen, Stallknecht, hat einen guten Draht zu Tieren im Allgemeinen und Pferden im Besonderen, kann beim Schlachttag kein Blut sehen. Ist stolz auf seine Anstellung in einem Elbenhaushalt.

Ullmar
29 Jahre, groß und kräftig gebaut, der Großknecht, ein Vetter Gerions. Er macht Cassandra seit Jahr und Tag den Hof, auch wenn er sich eine Abfuhr nach der anderen abholt  


3 Knechte (Alard, Tolan und Orean), davon 2 für die  Feldarbeit, die schwereren Garten- und Hausarbeiten und 1 Knechte für das Vieh und als Unterstützung für Gerion


Außerdem noch 3 Mägde (Helma, Daira, Nuala), von denen 2 für die Arbeiten in Küchengarten, Gemüsebeeten, Obstbäumen und -Sträuchern etc, und die schwereren Hausarbeiten zuständig ist und 1 Mädchen, das hauptsächlich im Haus das Putzen, Waschen etc. übernimmt und Cassandra in der Küche zuarbeitet.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 13. Aug. 2005, 22:27 Uhr
Der Weg vom Stadttor nach Vinyamar kann weder Morgana noch Arwen schnell genug gehen. Und das nicht nur, weil sie dort eine warme, trockene Halle, ein heißes Bad und trockenen Kleider erwarten. Es sind ihre Kinder, die sie ihre Pferde zu einem raschen Trab antreiben lassen, der die Hufe der Pferde im Regen deutlich hörbar über die Straßen der Stadt klappern lässt. Bei dem Wetter sind kaum Einwohner auf den Straßen unterwegs, und so ernten die drei Reiter ob ihrer Eile nur ein oder zwei Mal verständnisloses Kopfschütteln. Das Tor unter den beiden alten Ulmen steht trotz der späten Stunde weit offen und das Licht der Fenster, das sich mit hellen Fingern hinaus in Regen und Garten tastet, beleuchtet auch das Ziel ihres Weges: Die Türen von Vinyamar. Hell hebt sich der Kies des Weges von den Beeten und Grasflächen ab und knirscht unter den Hufen der Pferde. Antreiben muss man keines von ihnen mehr, sie alle wittern ihren Stall, der ihnen Trockenheit, weiches Stroh, Heu und Hafer verheißt. Kaum vor dem Haus angekommen wiehert Shur vernehmlich und ruft damit Gerion aus dem Haus; zusammen mit einem der Mädchen, das Morgana mit ihrem drängenden Klopfen zur Tür gerufen hat. Zu einer Begrüßung kommt das Mädchen gar nicht erst, denn kaum ist die Tür weit genug geöffnet, huscht die Heilerin an ihr vorbei und ruft nach ihrem Sohn. >Gegen den Herrn hinter dieser Tür, werde ich wohl immer nur den zweiten Platz machen.< Das liebevolle Lächeln in den Augen des Elben löscht die Resignation, die in diesen Worten liegen könnte. Verstehen liegt in Arwens Blick, als sie das Lächeln erwidert und ebenfalls aus dem Sattel des jetzt ungeduldig tänzelnden Shur steigt. Sie selber zieht es nicht weniger zu Rialinn als Morgana zu ihrem Sohn. Und so lässt sie die Pferde in der Obhut von Gerion und Ullmar, während sie selber ebenfalls in Haus eilt. Morgana hält Klein-Ian längst fest im Arm und bekommt von der Welt um sie herum nichts mehr mit. Von Cassandra und Rialinn ist weit und breit nichts zu sehen. Dafür aber zu hören. Aus der Küche ist das vernehmliche Klappern von etwas hölzernem zu hören, das Quietschen eines Kindes, das sich anscheinend nicht entscheiden kann, ob es sich erschrecken oder lachen soll und dann der Unmutslaut einer Frau. Cassandra, unverkennbar. Und dann kommt Rialinn mit rot verschmierten Händen und einem ebenso gefärbten Mund durch die Tür getapert die zur Küche führt, stolpert fast über ihre eigenen Füße - und ihre in der Halle verstreuten Holzklötzchen -, sieht ihre Mutter… und strahlt augenblicklich von einem spitzen Ohr bis zum anderen. So schnell sie ihre kleinen Beine tragen, wackelt sie ihrer Mutter entgegen. "Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst besser auf Rialinn aufpassen, Natie? Hundert Mal? Tausend Mal? Aaaaah, Heilige Rhiap steh mir bei… Nein, du wirst das hier aufwischen, und sammel die Erdbeeren auf, die noch zu gebrauchen sind. Ich werde diesen kleinen Wirbelwind einfangen… Halt… Stehen bleiben… Rialinn, komm her, du kleines Erdbeermonster… Rialinn… hier geblieben... du kommst sofort in die Wanne, was soll deine Mutter denken, wenn sie dich so sieht?" Cassandras Wortschwall nimmt Arwen nur am Rande wahr, ihr ganzes Denken ist in diesem Augenblick von ihrer Tochter gefangen genommen, die strahlend, mit ausgestreckten Armen, begeistertem "Eamaaa! auf sie zu läuft und sich in Arwens Arme wirft. Wie eine Ertrinkende schlingt das Kind seine kleinen Arme um den Hals der Elbin und will seine Mutter gar nicht wieder loslassen. Und was das einander festhalten angeht  sind sich Mutter und Tochter überaus einig. Die Erdbeerflecken, die Rialinn dabei mit ihren Händen auf den Kleidern und im Gesicht ihrer Mutter verteilt sind vollkommen gleichgültig, zumindest den beiden. Das Mädchen, das die Wäsche machen muss, wird das vermutlich anders sehen.

Cassandra folgt dem Kind beinahe auf dem Fuß, sieht die Ankömmlinge in der Halle und macht eine Vollbremsung. "Mylady! Wir hatten bei dem Wetter schon befürchtet, ihr würdet erst morgen wieder zurück sein." Man kann förmlich sehen, wie die Oberste Magd den aufbrandenden Wortschwall herunter schluckt, als sie sich Máel und Morgana zuwendet. "Maestress Morgana! Mmm- " Die Anwesenheit des Elben verwirrt sie sichtlich, zahllose kleine Rädchen setzen sich in Bewegung, als sie nach der richtigen Anrede für den Elben sucht. 'Mylord' scheint ihr eigentlich nicht richtig (Elb hin oder her, nach dem, was sie weiß, geht sie nicht davon aus, dass er vom selben Rang ist wie ihre Herrin. 'Maester' ist vermutlich auch unangebracht, außer er ist wirklich ein gelehrter Mann, aber einfach nur 'Herr', nein das ist auch nicht recht. In Ermangelung eines anderen Einfalls bleibt sie dann doch bei der ersten Überlegung, damit kann zumindest nichts falsch machen. "Mylord!" Sie verneigt sich leicht vor den beiden Gästen, sieht mit einem nachsichtigen, verstehenden Lächeln zu Morgana, die ihren Sohn scheinbar in diesem Zeitalter nicht mehr loslassen will und wendet sich dann wieder ihrer Herrin zu. "Segen der Seharim! Der Mantel... die Stiefel… das… Ihr seid ja völlig durchnässt! Heißes Wasser, sofort, für ein Bad." Sie scheucht eines der Mädchen los, den Ofen im Bad anheizen und für heißes Wasser sorgen. "Ihr müsst Hunger haben, nach so einem Tag im Sattel. Heiße Suppe habe ich auf dem Herd, und der Rest wird fertig sein, sobald ihr gebadet habt." Cassandra macht allen Ernstes Anstalten, Arwen und ihre Gäste über die Treppe nach oben scheuchen zu wollen. Morganas Frage lenkt sie jedoch den Göttern sei Dank von diesem Vorhaben ab. >Ich hoffe du hast nicht ganz Vinyamar auf den Kopf gestellt, jetzt wo du laufen kannst hm?< "Oh… also das Haus hat es heil überstanden, es steht noch." Das Schmunzeln dabei lässt leicht ahnen, dass die beiden Kinder die Bewohner des Hauses durchaus auf Trab gehalten haben. Aber dafür sind es Kinder, und Rialinn wickelt mit ihren großen Augen ohnehin jedes Mädchen und jeden Knecht um den Finger. Morgana und Máel schlagen das angebotene Essen aus, auch sie zieht es nach hause, zu einem heißen Bad und trockenen Kleidern, was Arwen nur zu gut verstehen kann. Und so verabschieden die beiden sich schließlich und verschwinden mit Kind, Pferd, Hund und Wolf in den Regenschwaden der Nacht. Arwen sieht ihnen hinterher, Rialinn noch immer auf dem Arm, aber inzwischen immerhin des nassen Mantels ledig, wie Ullmar sie mit einer Laterne bis zum Tor begleitet und dieses dann für die Nacht schließt und verriegelt.

Als sich die Haustür hinter ihr schließt, ist sie dann allerdings in den fürsorglichen Fängen ihrer Obersten Magd gelandet, die sie mit einem nicht enden wollenden Wortschwall nach oben begleitet. Der Kamin in ihrem Zimmer ist ob des unerwartet kühlen Wetters angeheizt und verbreitet neben angenehmer Wärme und dem vertrautem Birkenholzgeruch ein sanftes rotgoldenes Licht, das sich mit dem Flackern der Kerzen vermischt. Mit einem leisen, zufriedenen Seufzen sieht Arwen sich um. Wie hatte Niniane doch neulich gesagt?... Es geht doch nichts über das Gefühl, aus Nachtdunkelheit und Wildnis nach Hause an ein warmes Feuer zu kommen... wie recht sie hatte… und wenn man den Regen dazu nimmt, dann noch mehr… Die versuche, aus den nassen Kleidern heraus zu kommen, gestalten sich allerdings etwas schwieriger als erwartet. Rialinn ist nicht gewillt, ihre Mutter auch nur einen Augenblick loszulassen. Jeder Versuch Arwens die Arme von ihrem Hals und kleine Hände aus ihren Haaren zu lösen lassen die Augen ihrer Tochter gefährlich schwimmen, und mit Schluchzen kündigt sich eine wahre Flut an Tränen an. Es ihr zu erklären ist vergeblich, sie versteht die Worte noch nicht und schaut ihre Mutter nur aus großen Augen an. Erst als Arwen mit ihr im Geist das Gefühl nasser Kleider auf der Haut, den Wunsch nach einem warmen Bad teilt, lässt die Kleine sie los. Allerdings mit einem Blick, der mehr als deutlich macht, dass sie nicht sehr lange friedlich bleiben wird. Doch Arwen hat gar nicht vor, länger als unbedingt nötig zu brauchen. Rasch entledigt sie sich der nassen Sachen. Stiefel, Hosen, Wams, Hemd, alles landet direkt in einem von Cassandras Weidenkörben, gefolgt von Strümpfen und Leibwäsche. Nichts davon ist trocken oder sauber geblieben. Und unten in der Waschküche wartet bereits der Beutel aus den Satteltaschen mit der restlichen Schmutzwäsche. Bis das Wasser für das Bad heiß ist, wird es noch etwas dauern, und so streift Arwen vorerst nur eines ihrer Unterkleider über und wickelt sich in einen der großen Wollschals. "So. Und nun zu dir, kleine Dame." Ein feuchtes Tuch ist schnell zur Hand um wenigstens die Hände ihrer Tochter von den Erdbeerspuren zu befreien und so ihr Unterkleid vor einem neuen Muster zu bewahren. "So wie du ausschaust, gehörst du ebenfalls in die Wanne… kleines Erdbeermonster." Arwen hat sich zu Rialinn auf das Bettgelegt und kitzelt ihre Tochter am Bauch. Hatte die bei 'Erdbeermonster' schon das Grinsen angefangen - da sie das Wort scheinbar erkennt, hat sie es wohl die vergangenen Tage öfter zu hören bekommen - fängt sie beim Kitzeln begeistert an zu quietschen.

Trotz der späten Stunde scheint Rialinn nicht müde zu sein, die Begeisterung darüber, ihre Mutter wiederzuhaben hält sie wach. Und so kommt es, dass die Schale mit der Suppe schon fast kalt ist, als Arwen endlich dazu kommt, sie zu trinken. Aus dem Nebenraum kann sie hören, wie ein Schwall Wasser auf Wasser trifft. Ein Geräusch, das so verlockend ist, dass Arwen sich ihre Tochter schnappt und dem heißen Bad zustrebt. Das gemeinsame Bad von Mutter und Tochter wird zwar ein ziemliches Geplanschte und setzt auch den halben Raum unter Wasser, aber das heiße Wasser wärmt Arwen langsam durch und irgendwie schafft sie es auch, sowohl ihre Tochter als auch sich selber zu waschen. Und als sie beide nass, zufrieden und in große weiche Tücher eingewickelt wieder in ihre Gemächer zurückkehren, steht das Essen wie von Cassandra versprochen fertig auf dem Tisch: honigglasiertes Brathuhn, überbackene Eierfrüchte und glasierte Möhren, kaum fingerlang und von goldgelber Farbe, dazu frisches Brot und kühle Butter. Und der Duft steigt Arwen mehr als verlockend in die Nase. Hatte sie sich die letzten Tage stets mit mangelndem, oder genauer gesagt nicht vorhandenem Appetit geplagt, fängt ihr Magen angesichts dieses Essens fast augenblicklich an zu knurren. Rialinn hat zwar schon ihren Abendbrei gehabt, doch jetzt verlangt sie vehement nach einem Anteil an all den Köstlichkeiten. Und so teilt Arwen sich das Essen mit ihrer Tochter. Solange es weich genug gekocht oder gut zerdrückt ist, kann Rialinn schon fast alles am Tisch mitessen, und glasierte Möhren gehören eindeutig zu ihren Leibspeisen.
Irgendwann, welche Stunde es ist wüsste Arwen längst nicht mehr zu sagen, räumt eines der Mädchen die Reste ab, legt ein letztes Mal Holz im Kamin nach und deckt die Glut für die Nacht ab. In der Hingabe völligen Vertrauens und der zufriedenen Gewissheit der Anwesenheit ihrer Mutter hat Rialinn in Arwens Armen die wache Welt verlassen. Doch sie ist noch wach genug, um bei jedem Versuch Arwens, sie alleine in ihrer Wiege zu lassen in Jammern auszubrechen und wieder aufzuwachen. Da ihr das eigene Bett seit einigen tagen ohnehin zu groß und zu leer vorkommt, nimmt Arwen sie schließlich mit zu sich hinüber und kriecht zusammen mit ihrer Tochter unter Laken und Decken. Die beiden Elbinnen, große und kleine, haben kaum den richtigen Platz in Kissen und Decken gefunden, da sind sie auch schon in tiefer Trance.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 15. Aug. 2005, 18:18 Uhr
Die Tage nach ihrer Rückkehr vom Heideweg vergehen in der trügerischen Ruhe verregneter Frühsommertage. Jeder auf dem Ulmenanwesen weiß, dass es sobald der Regen vorbei ist mehr als genug Arbeit für alle geben wird. Was allerdings nicht heißt, dass die verregneten Tage mut müßigem Nichtstun vergehen. Im Gegenteil. Cassandra beschäftigt die Mädchen mit dem längst Überfälligen Frühjahrsputz und kehrt im ganzen Haus das unterste zu oberst. Wie viele Eimer mit heißer Seifenlauge sie geschleppt haben, wissen die Mädchen schon nach einem Tag nicht mehr. Jede Ecke und jeder Winkel im Haus wird gefegt, gescheuert und gewischt, kein Schrank und keine Truhe bleibt verschont, sie werden ausgeräumt, gewischt, wieder eingeräumt. Die Wäsche wird gesichtet, sortiert, und der Korb mit der zu waschen Wäsche, den Vorhängen, Laken und Tüchern wächst sich langsam aber sicher zu einem keinen Berg aus.  Im ganzen Haus werden die leichten, hellen Sommervorhänge an den Fenstern angebracht, Gazeschleier an den Betten angebracht um die Stechmücken fern zu halten. Hatten Ullmar und die Knechte gehofft, Cassandras Regiment entkommen zu können, trügt diese Hoffnung. Auch wenn es nicht Cassandra ist, die sie mit Arbeit versorgt, sonder Arwen selber. Das nasse Wetter ist die beste Gelegenheit jene Arbeiten im Haus zu beenden, die sie schon im Winter begonnen, bisher aber nicht abgeschlossen haben: Das Herrichten des bisher ungenutzten Dachbodens im Südflügel. Trocken und luftig hatte er bisher nur den Staubmäusen Obdach gegeben, doch diese Zeiten sind nun vorbei. Die Bodendielen sind geglättet und geschrubbt, die Wände zwischen den Dachsparren mit Holz verkleidet und über allem liegt der Geruch von frischem Holz über dem großen, luftigen Raum, der hier entstanden ist. Ein richtiges Botanikum, wo sie ihre Kräuter und die Samen der Blumen aus dem Garten trocknen und aufbewahren kann, hatte Arwen schon lange gefehlt. Große, mit ungebleichter Gaze bespannte Trockengestelle stehen an der einen Wand, an den massiven Dachbalken wartet eine Hakenreihe auf die zu trocknenden Kräuterbüschel und auf der gegenüber liegenden Wand stehen offene Regale mit durchlöcherten Böden, damit die Luft besser zirkuliert. Auf einem Tisch in der Mitte stehen Mörser und Stößel, Mischgefäße und Löffel und ein Korb mit kleinen Leinensäckchen. Alles hier oben riecht noch so frisch und neu. Doch in wenigen Tagen, wenn die erste Ernte der Kräuter ansteht, wird sich das schnell ändern, Rosmarin und Lavendel, Dost, Fenchel und Kamille werden dem Raum in ihr unverwechselbares Aroma hüllen.

Nach den Tagen relativer Ruhe, in denen Arwen die Mädchen und Cassandra dem Feldzug gegen nicht vorhandenen Schmutz überlassen und Ullmar mit den Knechten den Ausbau des Dachboden anvertraut hat, hat sie selber sich darum gekümmert, dass Rialinn neue Kleider bekommt. Ihre Tochter wächst erschreckend schnell, und ganz gleich, was andere sagen, Arwen ist fest überzeugt, dass sie schneller wächst und sich entwickelt als andere Kinder in ihrem Alter. Jeden Tag scheint ein neues Wort dazuzukommen und es ist erstaunlich, wie selbstverständlich sie dabei zwischen dem Shidar und der Sprache der Menschen unterscheidet. Nach dem Regen folgen Tage voller sachter Grünglanzwärme und einer Apfelblüte die den Garten erst mit Wolken zarter Blüten und dann mit Teppichen fallender Blütenblätter bedeckt.
Dem Inar folgen Sanjar  und Illir auf dem Fuß und bringt mit sich den Auftakt der Erntearbeiten. Den Anfang machen Erdbeeren und Frühkirschen, und was nicht sofort auf dem Tisch oder im Rumtopfansatz landet, wird zu Marmelade gekocht, zu Saft verarbeitet oder gedörrt. Blaubeeren, Johannisbeeren und Himbeeren folgen ohne Pause, und der Ofen in der Küche beginnt nach tagelangem Einkochen fast zu glühen. Und auf dem Höhepunkt der Marmeladenkocherei geschieht das Unfassbare: Cassandra wird krank. Zwei tage kann sie es vertuschen, doch dann lassen sich glasige Augen und hohes Fieber nicht mehr verstecken. Noch ehe Arwen davon weiß, hat Ullmar die widerspenstige Kranke ins Bett verfrachtet und sie samt ihrer Tochter quasi unter Quarantäne gestellt. Seine Sorge, dass die Masern, die zurzeit die Stadt heimsuchen sich ihren Weg auch nach Vinyamar gesucht haben, erweist sich glücklicher Weise als unbegründet. Es ist nur eine Sommergrippe, und außer Cassandra hat es niemanden erwischt. Wenngleich 'nur' die Untertreibung des Jahres werden könnte. Cassandra hat so hohes Fieber, dass Arwen nach einer Heilerin aus dem Tempel schickt. Und in der Küche bahnt sich ohne die Herrin der Töpfe und Pfannen die nächste Katastrophe an. Keine der Frauen im Haus hat das Geschick der Obersten Magd, wenn es darum geht in einem halben Dutzend Töpfe gleichzeitig Marmelade und Gelee zu kochen. Und kommt, was kommen muss: Erst kocht ein Topf über, dann der nächste, und im übernächsten Augenblick scheinen alle Töpfe gleichzeitig zu explodieren. Halbfertige rote Marmelade hat sich mit mehr oder weniger gleichmäßigen Sprenkeln über die ganze Küche verteilt, kein Schrank, kein Topf oder Kessel ist verschont geblieben. Den Rest des Tages verbringen Arwen und die Mädchen damit, die Küche zu säubern. Aber mit dem Schubben und Scheuern haben sie ja noch genug Übung aus dem Grünglanzmond, wie eines der Mädchen mit einem gequälten Lächeln anmerkt. Und ein anderes meint nur trocken, dass es ein Glück sei, dass Cassandra das nicht sehe. Aber auch das geht vorüber und im Anschluss an diese Putzeinlage kocht auch kein Topf mehr über, ganz gleich was Markt und Garten an Nachschub für die Vorräte liefern. Und sobald Cassandra wieder auf den Beinen ist, geht das ganze gleich noch mal so schnell. Obst, Gemüse, Kräuter, Pilze, die Keller unter dem Ulmenanwesen füllen sich langsam aber stetig mit süßen und pikanten Marmeladen, Würzpasten, Mus, Gelee, Trockenfrüchten und Dörrgemüse, Flaschen und Amphoren mit Saft, mit Gläsern und Krügen voller Eingekochtem und Eingemachtem. Sie setzen nicht nur Kräuter in Öl und Essig an, als die Himbeeren reif sind, finden auch von ihnen einige den Weg in Flaschen mit Essig und Öl. Alles wird ordentlich verschlossen, mit Wachs versiegelt und feinsäuberlich beschriftet. Rialinn ist den ganzen Tag immer in der Nähe ihrer Mutter zu finden, und egal, wann man sie sieht, hat das Mädchen entweder ein Stück Feuermelone in der Hand, einige Erdbeeren oder Stachelbeeren oder was sonst gerade an dem Tag auf dem Ernteprogramm steht.

Und an jenen Tagen, an denen Arwen zur Jagd in den Wald aufbricht, kann man sicher sein, dass Rialinn in der aufmerksamen Obhut von Natie weilt… und die beiden gemeinsam versuchen den Mägden das Obst aus den Körben naschen. Die Jagdausflüge der Elbin wollen der Obersten Magd von Vinyamar zwar nicht gefallen (sie ist entschieden der Meinung, dass das keine Aufgabe für eine junge Mutter sei), aber ein Argument dagegen hat sie auch nicht. Sie brauchen frisches Fleisch und das Angebot auf dem Markt ist nicht immer im Sinne der beiden Frauen, darin sind sich Elbin und Menschenfrau dann doch wieder einig. Und so bringt Arwen von ihren Ausflügen immer wieder Hasen, Kaninchen oder Tauben mit, aber etwas Größeres als einen verirrten Überläufer zu erlegen, geht über ihre Kraft. Und den Gedanken, was im Herbst werden soll, wer dann die Jagd bestreiten soll, damit in den Eiskellern des Anwesens genug Fleisch für den Winter eingelagert werden kann, den verbannt Arwen noch aus ihrem Denken. Darum kann sie sich kümmern, wenn es soweit ist.
In der Hitze des Sommers folgt der Ceniar, und mit ihm die Getreideernte. Das Jahr hat bisher immer zur rechten Zeit die rechte Menge an Regen und Sonne gebracht, und so steht das Korn in diesem Jahr hoch und reich auf den Feldern. Knechte und Mägde sind tagaus tagein beschäftigt, Strich um Strich arbeiten sich die Sensen über die Felder und Garbe um Garbe wird gebunden. Doch das Pech scheint sich ungeachtet der reichen Ernte in diesem Jahr häuslich auf dem Ulmenanwesen einzurichten. Erst brennt eines der Mädchen bei Nacht und Nebel mit einem Karawanentreiber durch, dann wird einer der Knechte von einer Nachricht zurück zu seiner Familie gerufen. Dort wo der Junge Mann herkommt, haben die Masern scheinbar schlimmer gewütet als in Talyra, Vater und älterer Bruder sind am Fieber gestorben, und außer den beiden Witwen ist keiner da, der den Hof bewirtschaften könnte. Die zwei Paar Hände fehlen jetzt in der Ernte an allen Ecken und Enden, und so schnell Ersatz aufzutreiben scheint trotz eines Aushangs am Marktplatz fast unmöglich, grade, dass Arwen einen Tagelöhner als Schnitter für die Ernte in Dienst nehmen kann, aber mehr auch nicht. Und so muss Cassandra die Arbeit im und am Haus mit Arwens Unterstützung bestreiten, während Natie mit hinaus auf die Felder muss. Und an jenen Tagen, an denen Arwen Ullmar und die anderen hinaus nach Weidenhag begleitet um an dem Bach dort Krebse und Forellen zu fangen, ist Cassandra ganz alleine in dem großen Haus. Der Beerenreifmond hat seine Mitte erreicht, als auch das Korn eingebracht ist und das Fuhrwerk mit dem Tagwerk gen Stadt rattert. Und wie stets bleiben auf den Feldern die letzten Garben für Arme und Mittellose zurück.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Calythia am 18. Aug. 2005, 22:46 Uhr
Calythia erblickt eine hohe Mauer aus hellem Stein. Der Eingang wird von zwei sehr alten Ulmen geziert und scheinen das Anwesen zu schützen. Mit sanften Schritten tritt sie durch das Baumportal und läuft den Kiesweg entlang, auf das Anwesen zu. Überall scheinen Vögel zu zwitschern und zu singen, Blumen aller Art schmücken die Wiesen. Die Luft durftet harmonisch und Calythia fühlt sich mit einem Schlag richtig wohl.
Es erinnert mich irgendwie an Zuhause... Sie betritt die Veranda des Hauses.

Schließlich bleibt die Elbin vor einer mächtigen Tür, aus dunklem Holz stehen. Auf beiden Türflügeln befinden sich mächtige Eisenknaufe mit jeweils einem Ring zum Klopfen. Calythia atmet tief durch. Ein Versuch ist es Wert Calythia. Mit klopfendem Herzen betätigt sie den Ring. Ein lautes Pochen erhallt. Hoffentlich ist jemand Zuhause...

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 20. Aug. 2005, 09:37 Uhr
In der Küche von Vinyamar bietet sich seit Wochen das gleiche Bild: Körbe voller Gemüse stehen auf dem Boden und auf der Sitzbank und warten darauf, von Cassandra und ihren Mädchen verarbeitet zu werden. Heute sind es Tomaten, Zucchini und Paprika die sie seit dem  frühen Morgen geerntet haben. Eines der Mädchen steht am Tisch und ist damit beschäftigt, die Zucchini zu putzen und zum einkochen in passende Stücke zu schneiden, während Cassandra und Daria sich darum kümmern, die Tomaten und Paprika zum Trocknen vorzubereiten. Eingekocht haben sie Tomaten und Paprika schon an den Tagen zuvor, die Ernte von heute soll erst getrocknet und dann in Öl eingelegt werden. Die Arbeit geht trotz des Fehlens von Meta gut von der Hand - für die Dummheit, mit einem Karawanentreiber durchzubrennen könnte Cassandra ihr mehr als nur die Ohren lang ziehen - , auch wenn es bedeutet, dass sie zu dritt mehr als nur einmal bis tief in die Nacht in der Kühe am Ofen stehen um den Früchten von Feld und Garten Herr zu werden. Es gab Tage, wo sogar Lady Arwen in der Küche oder im Garten mit angepackt hatte, damit die Arbeit überhaupt geschafft wurde. Aber wenigstens heute muss sie derartige Betätigungen ihrer Herrin nicht befürchten: Zusammen mit Gerion bringt die Elbin drei Pferde zum Beschlagen. Und Natie hütet die kleine Rialinn, die sich nach einem steinerweichendem Geheul wieder beruhigt hat und nun im Garten auf einer Decke sitzt, den Stoffdrachen im Arm und hingebungsvoll getrocknete Bohnenkerne von einem Schüsselchen ins andere schüttet.

Es ist kurz vor Mittag, als  es unerwartet an der Tür des Hauses klopft. Cassandra hört es nur deshalb, weil sie die Tür zwischen Küche und Halle offen gelassen hat; genau für diesen Fall. Ein kurzer Blick genügt ihr, eines der Mädchen kann nicht zur Tür. Die eine ist gerade dabei Zucchini in Gläser zu füllen und die andere balanciert gerade den nächsten mit Tomaten beladenen Stapel zum Dörren in Richtung Ofen. Also wischt sie schnell ihre Hände mit einem feuchten Tuch ab und geht selber an die Tür. So geht es nicht weiter, Meta fehlt an allen Ecken und Enden im Haus. Und der Aushang scheint auch nicht zu helfen, es hat sich bisher niemand auf die Stelle gemeldet. Aber woher auch, jedes Mädchen, mit einem guten Leumund und gute Referenzen, ist spätestens seit der Faêyrisnacht in einem Haus in festen Dienst getreten. So in Gedanken versunken durchquert sie die Halle, streicht noch einmal die Schürze glatt und eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht unter die Haube und öffnet dann die Tür. Etwas erstaunt sieht sie sich einer Elbin gegenüber, und schafft es nur knapp, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten und ihr Erstaunen zu verbergen. "Guten Tag. Zu wem möchtet ihr?"

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Calythia am 20. Aug. 2005, 11:09 Uhr
Calythia wartet mit klopfendem Herzen vor der Tür. Während sie so dasteht, erblickt sie ein Rotkelchen, dass vor ihr auf dem Boden steht und neugierig zu ihr empor blickt. "Na mein schöner!", sagt die Elbin und lächelt das Vögelchen an. Ein schöner Ort...
Calythia seufzt und der Vogel fliegt auf ihre Schulter.
Sie muss lächeln. Plötzlich ertönen Schritte hinter der Tür und der Vogel fliegt mit einem munteren Zwitschern davon.

Die Tür öffnet sich und heraus tritt eine Menschenfrau, ungefähr mitte zwanzig. Sie trägt einen Rock, darüber eine weise Schürze. Obenherum trägt sie eine Bluse.
Calythia glaubt im ersten Moment einen Schimmer von Überraschung in ihren Augen zu sehen, doch wahrscheinlich hat sie sich das bloß eingebildet.
"Guten Tag. Zu wem möchtet ihr?"
Calythia lächelt die Frau an.
"Hallo. Ich habe an der Anschlagetafel am Marktplatz gesehen, dass hier eine Haushaltshilfskraft gesucht wird. Die Tinte sah frisch aus und ich dachte ich spreche mal vor. Ich hoffe Ihr habt gerade Zeit und ich störe nicht."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 20. Aug. 2005, 13:45 Uhr
Cassandra mustert die Frau vor sich aufmerksam. Die Kleidung ist schlicht, aber von guter Machart. Nicht zuletzt die Stiefel lassen erkennen, dass sie aus allem anderem als ärmlichen Verhältnissen stammen muss, auch wenn man ihnen die Spuren einer langen Reise ansieht. Auch wenn Lady Arwen ganz bestimmt nicht geizig mit der Entlohnung ist, aber solche Stiefel könnte sich niemand vom Gesinde leisten. Also viel Erfahrung als Magd in einem großen Haus scheint sie nicht zu haben, sonst wäre sie an die Gesindetür gekommen und hätte nicht hier an der Tür geklopft… Aber ihre Kleider sind sauber und ordentlich. Ein Rotkelchen hat sich auf den Ranken der Pfosten niedergelassen und schaut prüfend von Cassandra zu der Elbin und wieder zurück, so als könne es sich nicht entscheiden, ob es die Flucht ergreifen oder sich zu den beiden Frauen dazugesellen solle. Aber Cassandra ist in diesem Haus schon so manches mit Tieren gewohnt, insofern wundert es sie nicht wirklich.

>Hallo. Ich habe an der Anschlagtafel am Marktplatz gesehen, dass hier eine Haushaltshilfskraft gesucht wird. Die Tinte sah frisch aus und ich dachte ich spreche mal vor.< Bei den Worten stutzt die Oberste Magd kurz. 'Hallo' ? Hrhm, also die Umgangsformen sind … ähm.. nun ja… gewöhnungsbedürftig… aber vielleicht ist sie auch nur nervös… Aber einen klugen Kopf scheint sie zu haben, wenn sie aus der frischen Tinte schließt, dass die Stelle vielleicht noch frei ist. Eine leises Lächeln schleicht sich in Cassandras Gesicht, als das Mädchen, die Frau - Himmel, wenn man das bei den Schönen doch bloß besser einschätzen könnte -  weiterspricht. >Ich hoffe Ihr habt gerade Zeit und ich störe nicht.< Ein zufriedenes Lächeln. Aber höflich ist sie, auch wenn sie ihren Namen noch nicht genannt hat, und sie kann mitdenken, kann sich denken, dass wir mitten in der Erntezeit mehr als genug zu tun haben, vor allem, wenn jemand zu dieser Zeit eine Magd sucht.
"Nun ja, Zeit habe ich eigentlich nicht wirklich, aber wenn ihr für die Stelle vorsprechen wollt, dann stört ihr nicht. Ich bin Cassandra, die Oberste Magd hier auf Vinyamar. Darf ich euren Namen erfahren?" Cassandra tritt etwas zur Seite und bedeutet der Elbin mit einer Geste einzutreten und ihr zu folgen. "Lady Arwen ist gerade nicht im Haus, aber es kann nicht mehr lange dauern, bis sie zurückkehrt." Sie haben die Halle durchquert und Cassandra führt Calythia in die Küche, wo Helma und Daria mit hochroten Köpfen am Herd stehen und in Töpfen rühren.  "Die Stelle ist noch frei, und wie ihr sehen könnt, können wir ein weiteres Paar Hände gut gebrauchen." Sie deutet auf den freien Platz neben einem noch immer gefüllten Korb mit Zucchini. "Setzt euch. Ihr könnt gerne hier auf Lady Arwen warten." Ohne ihre Worte zu unterbrechen greift Cassandra sich eines der Messer und macht sich nebenbei daran, einen Korb mit gelben Zucchini zu putzen und in Scheiben zu schneiden. "Habt ihr schon einmal in eine großen Haus gearbeitet und Erfahrung mit der Arbeit die dort so anfällt? Vielleicht sogar Referenzen oder Zeugnisse?" Sie weiß nicht, ob Lady Arwen ihr eine Mitentscheidung zu billigen wird, aber bei dem Vertrauen, dass man sonst in sie setzt, geht sie davon aus, dass sie sich zumindest ihre Meinung anhören wird.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Calythia am 20. Aug. 2005, 15:36 Uhr
Calythia bemerkt, wie die Frau sie abschätzend und prüfend mustert. Ihr Blick wandern hinab zu ihren Stiefeln und sie zieht leicht ihre Augenbrauen hoch.
Calythia fühlt sich unwohl, so angestarrt zu werden, doch sie bleibt still stehen. Sie bemerkt das Rotkelchen, das zurück gekehrt war und nun die beiden Frauen neugierig beobachtet. Ein Lächeln huscht auf ihre Lippen. "Nun ja, Zeit habe ich eigentlich nicht wirklich, aber wenn ihr für die Stelle vorsprechen wollt, dann stört ihr nicht. Ich bin Cassandra, die Oberste Magd hier auf Vinyamar. Darf ich euren Namen erfahren?"
Hmm ihre Stimme klingt streng, aber nicht unhöflich.
"Natürlich, verzeiht meine Unhöflichkeit. Mein Name ist Calythia aus dem Hause Layre in Grünhafen."
Die oberste Magd weist mit der Hand in das Haus und die Elbin betritt es mit leichten Schritten.

Sie befindet sich in einer geräumigen Eingangshalle mit hellen Steinwänden. An ihnen hängen wunderschöne Gobelins, die Ausschnitte von Elbengeschichten und die Legende der zwölf Mächte darstellen. Es erinnert Calythia leicht an ihre Heimat.
Dieses Haus hat wirklich etwas vom elbischen Charme.
Cassandra lässt ihr nicht viel Zeit zum Stauen, sondern eilt mit schnellen Schritten durch die Halle. Calythia verübelt es ihr nicht, denn gerade in der Erntezeit gab es viel zu tun. "Lady Arwen ist gerade nicht im Haus, aber es kann nicht mehr lange dauern, bis sie zurückkehrt."
Die Obermagt führt sie in eine große Küche, wo zwei Frauen mit erhitzten Köpfen und kräftigen Händen in Töpfen herumrühren. "Die Stelle ist noch frei, und wie ihr sehen könnt, können wir ein weiteres Paar Hände gut gebrauchen." Sie zeigt auf einen leeren Stuhl, der neben einem Korb voller Zucchini steht. "Ja das kenne ich. In der Erntezeit kommt man mit der Arbeit kaum hinterher.", sagte Calythia während sie sich auf den Stuhl setzt. "Habt ihr schon einmal in eine großen Haus gearbeitet und Erfahrung mit der Arbeit die dort so anfällt? Vielleicht sogar Referenzen oder Zeugnisse?"
Oje. Wenn hier Zeugnisse verlangt werden, werde ich nicht weit kommen.
Die Elbin beginnt zu reden. "Ich habe bei meiner Großmutter in Grünhafen Jahre lang ihren Haushalt erledigt. Sie war zu alt, um sich darum zu kümmern, deshalb übernahm ich das. Jeden Tag ging ich zu ihr und räumte die Zimmer auf, machte die Betten, wusch die Wäsche, kochte für sie, legte die Vorräte für den Winter an, hackte Feuerholz und tat alles, was in einem Haushalt so anfällt. Durch die jahrelange Arbeit habe ich kräftige Hände und auch wenn man es mir nicht ansehen mag, kann ich gut zupacken. Referenzen und Zeugnisse habe ich leider keine."
Calythia sieht, wie sich die Frauen plagen und in der Küche hin und her eilen. In der Küche ist es sehr heiß und sie beginnt langsam unter ihrem Hemd zu schwitzen. Sie sieht, wie Cassandra mit geübten Handgriffen die Zucchini zerkleinert.
Ist es nicht unhöflich zu sehen, wie sich die Frauen plagen und ich sitze daneben und schaue zu?
Calythia nahm ihren Mut zusammen.
"Wenn ihr wollt, helfe ich euch, solange Lady Arwen noch nicht im Hause ist. Ich kenne die Plagerei in der Erntezeit und mir würde es nichts ausmachen. Natürlich nur wenn ihr wollt."
Calythia ist sich unsicher. Hoffentlich war ich jetzt nich unhöflich!

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 22. Aug. 2005, 21:52 Uhr
Die Art, wie das Mädchen (Cassandra beschließt einfach, dass sie noch eines sein muss, auch wenn sie das Alter beim besten Willen nicht einschätzen kann) auf die Frage nach Referenzen anfängt loszusprudeln macht deutlicher als jede Miene oder Geste, dass die Frage sie verunsichert oder gar erschreckt hat. Und auch wenn Cassandra das niemals zugeben würde, es macht die Elbin auf eine sympathische Art... nun ja, menschlicher. Nicht, dass sie das ihrer Herrin je vorwerfen würde, aber Lady Arwen ist von einer solchen Selbstbeherrschung und eisernen Disziplin mit sich selber, dass selbst Cassandra sich manchmal ganz bewusst daran erinnern muss, wie die Elbin mit ihrer Tochter umgeht. Dann ist die Elbin voller Wärme und man sieht sie oft lachen oder hört sie singen, dann ist sie eine völlig andere Frau.

Die Stimme des Mädchens ruft ihre wandernden Gedanken wieder zurück und Cassandra sich selber zur Ordnung. >Ich habe bei meiner Großmutter in Grünhafen Jahre lang ihren Haushalt erledigt. Sie war zu alt, um sich darum zu kümmern, deshalb übernahm ich das. Jeden Tag ging ich zu ihr und räumte die Zimmer auf, machte die Betten, wusch die Wäsche, kochte für sie, legte die Vorräte für den Winter an, hackte Feuerholz und tat alles, was in einem Haushalt so anfällt. Durch die jahrelange Arbeit habe ich kräftige Hände und auch wenn man es mir nicht ansehen mag, kann ich gut zupacken. Referenzen und Zeugnisse habe ich leider keine< Fast so etwas wie bange Sorge scheint bei den letzten Worten in der Stimme des Mädchens zu liegen. Ihre Großmutter… wie alt sie wohl gewesen sein mag?... Ich weiß nicht mal, wie alt Lady Arwen ist…
"Autsch!" Wütend über sich selber, dass sie ihre Gedanken heute nicht im Zaume halten und sich aus Unachtsamkeit selber in den Finger geschnitten hat, legt Cassandra das Messer zur Seite und steckt sich den blutenden Finger in den Mund. Nach einer Weile wird das Pochen weniger und auch der metallische Blutgeschmack lässt nach. "Ich denke nicht, dass fehlende Referenzen ein Hindernis sind…" Fast so etwas wie ein Lächeln huscht kurz durch das Gesicht der Obersten Magd. Die wenigsten von uns hier hatten geschriebene Referenzen, und ich am allerwenigsten.
"Lady Arwen verlässt sich da meist eher auf ihr eigenes Urteil als auf beschriebene Blätter, Pergament ist geduldig, manchmal zuuu geduldig." Abrupt wendet sie sich den Mädchen am Herd zu. "Daria, heilige Rhiap, nein, pass doch auf. Wie oft habe ich Dir schon gesagt, dass der Rand der Töpfe sauber sein muss, wenn ihr das einfüllt? Und wenn ihr schon kleckert, dann wischt ihn wenigstens wieder sauber, ehe ihr ihn verkorkt… Himmel steh mir bei, muss ich denn immer auf alles ein Auge haben? Ihr macht das doch nicht im ersten Jahr!" Während sie der unaufmerksamen Magd noch immer den Kopf wäscht, und dabei kaum Luft zu holen scheint, inspiziert Cassandra das Huhn, das im Ofen seiner Vollendung als Mittagsmahl entgegen brät. >Wenn ihr wollt, helfe ich euch, solange Lady Arwen noch nicht im Hause ist. Ich kenne die Plagerei in der Erntezeit und mir würde es nichts ausmachen. Natürlich nur wenn ihr wollt.< "Oh." Erstaunt schaut Cassandra auf und schließt ohne weiter drüber nachzudenken den Ofen wieder. Das Angebot erstaunt sie ehrlich, und das ist ihr auch anzusehen.
"Gerne. Wartet." Kurz wendet sie sich einem der Schränke zu, öffnet eine der Laden und holt etwas heraus. "Hier. Nehmt diese Schürze, wäre doch schade um das Hemd. Messer liegen dort auf dem Tisch." Wenn die Elbin es vielleicht auch nicht weiß, aber damit hat sie sich bei Cassandra einen großen Stein im Brett erworben. Jemand, der zupacken kann und Hilfe anbietet, auch wenn er sich beileibe nicht sicher sein kann, die Stelle auch zu bekommen, so etwas schätzt Cassandra. Mit eine zufriedenen Lächeln sieht sie Calythia bei der Arbeit zu, die ihr tatsächlich sicher von der Hand geht. Lady Arwen wird schon wissen, was es mit der Arbeit im Haus der Großmutter auf sich hat… Ob sie weiß, dass sie sich hier im Haushalt einer Elbin vorstellt? Was Lady Arwen wohl sagen wird? Würde sie überhaupt eine Elbin in ihre Dienste nehmen? Tausend Gedanken turnen durcheinander, während sie neben der Elbin steht und zwei Messer im Gleichtakt eine Zucchini nach der anderen in gleichmäßige Scheiben zerlegen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Calythia am 23. Aug. 2005, 00:11 Uhr
Während Calythia ihre Erfahrung berichtet, hört die Obermagd aufmerksam zu, während sie weiter schneidet.
"Lady Arwen verlässt sich da meist eher auf ihr eigenes Urteil als auf beschriebene Blätter, Pergament ist geduldig, manchmal zuuu geduldig."
Der Elbin fällt ein großer Stein vom Herzen und ihr Herzschlag beruhigt sich etwas. Vielleicht habe ich Glück.
Sie beobachtet Cassandra, wie sie eine von den Mägden zurechtweist, da sie mit der Sauberkeit geschlampt hat.
Dieser Haushalt scheint ordentlich geführt zu werden und nicht schlampig, wie ich es schon oft gehört habe.
Als Calythia ihre Hilfe anbietet, blickt Cassandra auf, die gerade in den Ofen geschaut hat. Einen Moment scheint es ihr die Sprache verschlagen zu haben, doch sie fasst sich schnell wieder. "Gerne. Wartet." Sie holt aus einem der Schränke eine weiße Schürze und gibt sie Calythia. "Hier. Nehmt diese Schürze, wäre doch schade um das Hemd. Messer liegen dort auf dem Tisch."
Calythia lächelt zum Dank die Obermagd an, nimmt die Schürze und bindet sie sich um. Mit schnellen Schritten holt sie sich von von einem Holztisch ein Messer, schnappt sich eine Zucchini und zerkleinert es mit geschickten Händen. Ich kann es noch. Was Großmutter wohl sagen würde, wenn sie sie jetzt sehen könnte...Oh sie wäre sicher stolz. In Gedanken versunken schneidet sie das Gemüse in gleichmäßige Scheiben. Cassandra ist sehr freundlich. Ich hoffe Lady Arwen ist genauso. Arwen... dieser Name...er hat etwas elbisches...Ob sie wohl Elbin ist? Auch das Haus hat etwas elbischen Stil...zumindest errinnert es mich an Zuhause...Ach Calythia zerbrech dir darüber nicht den Kopf. Du wirst es später erfahren. Mit voller Konzentration schnappt sie sich die nächste Zucchini und wischt sich mit dem Hemdsärmel einen Schweißtropfen von der Stirn.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 23. Aug. 2005, 19:10 Uhr
Mit einem zufriedenen Seitenblick beobachtet Cassandra, wie das Mädchen die Zucchini schneidet, anfangs etwas unsicher, was aber nicht verwunderlich ist, mit einem fremden Messer in der Hand. Doch mit jedem Stück und jeder Scheibe geht die Arbeit besser von der Hand. Hände haben eben doch ein eigenes Gedächtnis, eine einmal gelernte Arbeit vergessen sie nicht wieder. Geschäftiges Schweigen breitet sich in der Küche aus, nur unterbrochen von einem unterdrückten Zischen, als eines der Mädchen unachtsam nach einem der frisch gefüllten Gläser greift und sich prompt die Finger verbrennt.

Cassandra will das Mädchen gerade noch ein wenig weite rausfragen, als sie draußen auf dem Weg das Klappern von Hufen hört, und ihr Blick aus dem Fenster wandert. Ullmar mit dem Fuhrwerk kann es unmöglich schon sein, bleiben also nur Gerion und Lady Arwen. Doch es ist nur der Stallbursche mit der kleinen braunen Stute und dem schweren Wallach. Warum auch immer, die Lady hat ihn voraus geschickt. Aber während Cassandra noch überlegt, ob sie warten oder hinaus gehen soll, um zu fragen, wann die Herrin käme, bricht urplötzlich in der Halle ein Geschrei aus, als habe jemand einer Katze auf den Schwanz getreten. Und dann klingt auch schon Naties verzweifelter Ruf durch das Haus. "MAAMAAAA!" Alarmiert lässt Cassandra alles stehen und liegen und folgt dem Geschrei in die Halle. Rialinn! Die Stimme ihrer eigenen Tochter hatte nicht geklungen, als sei ihr selber etwas passiert, aber Natie passt auf Rialinn auf.
Und tatsächlich, auf ihrer Decke in der Halle sitzt Rialinn, streckt vorwurfsvoll ihre kleine Hand vor sich und schreit sich mit hochrotem, Kopf die Seele aus dem Leib, während dicke Tränen über das kleine Gesicht kullern. "Was…?" Die Frage zu beenden, dazu kommt Cassandra gar nicht erst, ihre Tochter beantwortet sie auch ungestellt, blass um die Nase und mindestens ebenso erschrocken wie ihre Mutter. "Da war 'ne Biene. Ich hab bestimmt aufgepasst, aber Rialinn hat nach ihr gegriffen und sie irgendwie erwischt. Und da.. da.. sie.." Mittlerweile ist auch Natie den Tränen nahe. Es folgen noch weitere Wortfetzen, denen Cassandra nach und nach entnehmen kann, was sie sich auch so schon denken kann: Die Biene hat Rialinn in die Hand gestochen. Kurzerhand schnappt sie sich die kleine Elbin und strebt der Küche zu. Der Stachel steckt noch in der Hand und deutlich ist ein kleiner pulsierender Beutel an seinem Ende zu erkennen. Der Stachel muss raus, aber so mit den Fingern würde sie den winzigen Giftbeutel zerdrücken und alles nur noch schlimmer machen. Ein Messer muss her, und zwar ein sauberes.

Rialinn auf der Hüfte abstützend, mit einer Hand im Schrank nach einem sauberen Messer tastend, das nicht gleich das Format eines Hackmessers hat und gleichzeitig versuchend, das Kind zu beruhigen, wünscht sich Cassandra nicht zum ersten Mal in ihrem Leben mindestens einen Arm und ein Paar Augen zusätzlich. Endlich hat sie ein kleines Messer gefunden und setzt Rialinn kurzerhand vor sich auf den Tisch. Das klagende "Eeaaamaahaaha." ist unterdessen zu einem klagenden Schluchzen verklungen, und schwankend zwischen Neugier, Sehnsucht nach der Mutter  und dem Schmerz in der Hand verstummt es sogar kurz ganz, als ein Paar grüner Augen aufmerksam beobachten, was da passiert, wie Cassandra die Klinge behutsam über die Haut schiebt, am Stachel ankommt und dann mit einer schnellen Bewegung den Stachel aus der Haut zieht. "Ist ja alles gut, mein Schatz, schhhschhhhh, alles wieder gut, kein Grund so zu weinen, schschsch, deine Mama ist ja bald wieder da. Nicht doch, meine Kleine, wer wird denn so fürchterlich weinen?" Rialinn auf dem Arm läuft sie in der Küche hin und her, wiegt sie, klopft ihr beruhigend den Rücken und trocknet die unverändert strömenden Tränen. Gerions, der unterdessen auch in der Küche aufgetaucht ist, kurz die fremde Elbin mustert und sich nach der Mitteilung, dass Lady Arwen auch gleich käme wieder zu den Ställen aufmacht, lässt Cassandra zumindest etwas aufatmen. Aber Ruhe würde in ihrer Küche wohl erst wieder einkehren, wenn Lady Arwen endlich zurück ist.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 25. Aug. 2005, 21:58 Uhr
Der hohe Mittag ist schon längst vorüber, als Arwen das Seeviertel erreicht und unter den ausladenden Kronen der beiden Ulmen hindurch Vinyamar betritt. Der Himmel hat sich bisher nicht recht aufgeklart, und wird es vermutlich auch den Rest des Tages nicht mehr tun, wie Arwen mit einem Blick in den Himmel feststellt. Der helle Kies des Weges knirscht unter Shurs Hufen als sie sich der Veranda nähert, an der Gerion sie bereits erwartet. Er hält die Zügel des Pferdes während sie absitzt und führt den Grauschimmel anschließend um das Haus herum um ihn in den Stall zu bringen. Schon nach wenigen Augenblicken ist er aus Arwen Sicht verschwunden. In Gedanken noch bei den Gesprächen mit Ierás und Keandra …Kea verbessert sie sich in Gedanken… und dem Vorschlag an die beiden doch eine der Wiesen im nächsten Jahr zu pachten, betritt Arwen ihr die Halle. Eines der Mädchen hat ihr geöffnet und hastig berichtet, dass bei Cassandra in der Küche ein Mädchen warte, das sich um die Stelle bewerben wolle. Während Daria mit raschen Schritten in die Küche zurückkehrt, fast schon läuft, durchquert Arwen die Halle mit weitaus ruhigeren Schritten. Die Wärme des seit wenigen Tagen angeheizten Hipokaustums dringt angenehm durch die weichen Sohlen ihrer Stiefel. Aber es erinnert sie auch daran, dass der Sommer langsam seinen Abschied nimmt und der Herbst sich ankündigt.

Die Tür zur Küche und damit zum Reich ihrer Obersten Magd ist nur noch wenige Schritte entfernt, als sie ein leises Schluchzen vernimmt, das unverkennbar von einem kleinen Kind kommt; und es gibt nur ein Kleinkind in diesem Haushalt. Rialinn! Augenblicklich beschleunigt sich Arwens Schritt ebenso wie ihr Herzschlag. Das ist nicht der Klang eines Kindes, das seinen Willen nicht bekommen hat, sondern in dem Laut liegen Schreck und Schmerz zu dicht beieinander um sie auseinander halten zu können. Die Elbin hat die Tür der Küche kaum durchschritten, als sich ihr der Kopf ihrer Tochter noch vor allen anderen zuwendet und sich Arwen kleine Arme mit einem flehenden "Eaamaaaa" entgegen strecken. Mit raschen Schritten ist sie bei ihrer Obersten Magd und nimmt ihre Tochter auf den Arm, die sich ungehalten windet, weil sie nicht schnell genug zu ihrer Mutter kommen kann. Was auch immer Rialinn passiert ist, es kann nicht schlimm gewesen sein. Denn kaum in der vertrauten Sicherheit der mütterlichen Arme, vergraben sich kleine Fäuste in dunklen Haaren, schmiegt sich ein tränennasses Gesicht an Arwens Hals und außer einem zufriedenen Brabbeln, ab und an unterbrochen von einem schluchzenden Luftholen, ist nichts mehr zu hören.  

Erst jetzt wo sie ihre Tochter wieder hat, den kleinen Körper mit seinem vertrautem Gewicht im Arm spürt und weiß, dass nichts passiert ist, worüber sie sich Sorgen machen muss, hat Arwen auch einen Blick für die anderen Personen in der Küche. Rialinn sacht auf dem Arm wiegend und über das Haar streichend, lässt sie den Blick durch die Küche wandern. Daria und Helma sind eifrig am Herd in Gange, und das wohl auch schon länger, den hochroten Köpfen nach zu urteilen, Natie hockt mit zwischen den Schultern eingezogenem Kopf in der Ecke auf der Bank und neben dem Tisch steht ein Mädchen, das Arwen nicht kennt. Eine Elbin, das kann sie sehen, bewaffnet mit einem der Küchenmesser und einer Schürze, hält sie den Rest einer Zucchini noch in der Hand. Das muss das Mädchen sein, das Daria meinte, das wegen der Stelle vorsprechen will. Die Elbin steht dort und ihr Blick wandert zwischen Arwen und Cassandra hin und her, so als sei sie unsicher, was sie nun als nächstes tun oder sagen solle. Cassandra setzt Arwen auch schon mit kurzen, knappen Sätzen über das in Kenntnis, was die Elbin, Calythia ihr erzählt hat, was Arwen die Zeit gibt, der Elbin höflich zuzunicken. Was Cassandra von dem Mädchen hält, hat sie nicht gesagt, zumindest nicht direkt oder mit offenen Worten. Aber Arwen kennt sie unterdessen gut genug, um auch das Ungesagte zwischen den Worten zu verstehen.
"Euer Name ist Calythia aus dem Haus Layre und ihr wollt euch um die Stelle hier bewerben? Gut, dann kommt mit mir. Messer und Schürze könnt ihr hier in der Küche lassen. Ich denke, ihr werdet sie im Moment nicht brauchen. Und die Zucchini könnt ihr mir geben, ich denke, meine Tochter wird eine Verwendung dafür finden." Arwens Lächeln, als sie Calythia mit einer Geste bedeutet, ihr in die Halle zu folgen ist bei aller Zurückhaltung alles andere als kühl.
Sie setzt sich auf einen der hochlehnigen Stühle vor dem Kamin und setzt Rialinn auf ihre Decke zu ihren Füßen, wo die Kleine sich sofort den abgenutzten Stoffdrachen schnappt und sich um ihn herum zusammenrollt wie eine Katze und gleichzeitig dem Zucchinistück mit ihren kleinen Zähnen zu Leibe rückt und ihre Mutter und die fremde Elbin nicht aus den Augen lässt. Nach einem kurzen Blick zu ihrer Tochter wendet Arwen sich der Elbin wieder zu und mustert sie offen. Sie ist nicht besonders groß, zumindest nicht nach elbischen Maßen, hat rötliche Haare die ihr etwas über die Schultern reichen, aber nicht viel und Augen von einem Blau, das Arwen sofort an die Farben des Silbermeeres im Sonnenlicht erinnern. "Ich habe mich euch noch nicht vorgestellt. Ich bin Arwen Liasiranis aus dem Haus Mitarlyr, und ich bin die Herrin hier auf Vinyamar… Nein, Rialinn, lass das, du sollst das nicht essen." Woher auch immer, eine verwelkte Blütenrispe liegt zwischen den Spielsachen und Rialinn schickt sich gerade an, herauszufinden, ob deren Geschmack nicht vielleicht doch zu Zucchini passt - bis Arwen den Stängel aus den Fingern ihrer Tochter windet. "Ihr kommt aus Grünhafen, sagte Cassandra, und habt dort den Haushalt eurer Großmutter geführt? Dann kennt ihr ja die Arbeiten, die im Jahreslauf in Haus und Garten anfallen und auf dem Feld?" Nachdem Rialinn nun beginnt, die Ecken ihrer Decke auf deren Essbarkeit zu untersuchen, bückt Arwen sich, schnappt sich ihre Tochter und setzt sie sich auf den Schoß. Ungehalten über diese Störung ihres Entdeckerdrangs verzieht Rialinn das Gesicht und als sie dann auch noch feststellt, dass der Drache auf der Decke zurückgelassen wurde, holt sie tief Luft. Doch ehe sie in Jammern oder Geschrei ausbrechen kann, hat Arwen sich erneut gebückt und den Stoffdrachen vor dem augenblicklichen Tod durch Einsamkeit gerettet – und sich selber und Calythia eine Kostprobe von Rialinns Protestgeschrei erspart.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Calythia am 25. Aug. 2005, 23:42 Uhr
Während Calythia die Zucchini schneidet, hört sie plötzlich Geschrei aus der Halle und dreht sich herum. Eine hohe Stimme schreit: "MAAAMMMAAA!" Cassandra läuft hinaus und kommt nach kurzer Zeit wieder mit einer kleinen Elbin auf dem Arm, der Tränen über die Wangen laufen. Cassandra holt ein Messer und macht sich an der Hand von dem Kind zu schaffen. Wahrscheinlich ein Bienenstich, wie sooft im Sommer.
Die Obermagd versucht das Mädchen mit sanften Worten zu beruhigen. Calythia wendet sich wieder ihrer Zucchini zu. Gleich darauf hört sie wieder Schritte. Herrje ich werde heute mit dieser Zucchini einfach nicht fertig werden Ihr Blick wandert nach oben. Er bleibt an einer Elbin mit braunem Haar hängen, die sofort auf das Mädchen zuläuft und sie auf den Arm nimmt. "Eaamaaaa" Calythia ist gerührt bei dem Anblick von Mutter und Tochter. Die Kleine beruhigt sich relativ schnell und bald ist nur noch ab und zu ein leises Schniefen zu hören. Die Elbin erblickt sie und Calythia nickt ihr freundlich zu. Cassandra erzählt ihr in kurzen Sätzen, was Calythia ihr über sich berichtet hat. "Euer Name ist Calythia aus dem Haus Layre und ihr wollt euch um die Stelle hier bewerben? Gut, dann kommt mit mir. Messer und Schürze könnt ihr hier in der Küche lassen. Ich denke, ihr werdet sie im Moment nicht brauchen. Und die Zucchini könnt ihr mir geben, ich denke, meine Tochter wird eine Verwendung dafür finden." Calythia bindet sich die Schürze auf, faltet sie zusammen und legt sie mit dem Messer auf den Tisch. Sie reicht der Elbin das Stück Zucchini und folgt ihr mit leisen Schritten in die Halle hinaus. Beide setzten sich auf zwei Stühle vor einem hübschen Kamin. Die Elbin setzt ihre Tochter auf eine Decke. Sie beginnt mit einem Plüschdrachen zu spielen und gleichzeitig das Stück Zucchini in ihrer kleinen Hand zu zerkauen. Calythia lächelt verschmitzt. Dann blickt sie wieder zur Elbin, die offenbar die Herrin ist, und sieht, wie sie von ihr gemustert wird. Oh Faeyris bitte strafe mich nicht auch noch von spöttischen Blicken von ihr. Die Göttin muss sie erhört habe. Die Herrin schaut sie nicht spöttisch an, sondern eher interessiert. "Ich habe mich euch noch nicht vorgestellt. Ich bin Arwen Liasiranis aus dem Haus Mitarlyr, und ich bin die Herrin hier auf Vinyamar… Nein, Rialinn, lass das, du sollst das nicht essen." Lady Arwen, hindert ihre Tochter daran, eine verwelkte Blütenrispe zu verschlingen. Ein Lächeln huscht über Calythias Gesicht. Kinder sind so neugierig.
"Ihr kommt aus Grünhafen, sagte Cassandra, und habt dort den Haushalt eurer Großmutter geführt? Dann kennt ihr ja die Arbeiten, die im Jahreslauf in Haus und Garten anfallen und auf dem Feld?"
Calythia nickt. "Ja das stimmt. Ich war die einzige, die sich um den Haushalt kümmerte. Ich habe alles gemacht, was angefallen war, auch vorzeitig an den Winter gedacht und Vorräte angeschafft. Durch die jahrelange Arbeit bin ich erfahren und habe mir Kräfte angesammelt." Die Herrin hebt Rialinn hoch, als sie sich an der Decke zu schaffen macht und bückt sich darauf noch einmal, um den Plüschdrachen zu holen. Glücklich spielt das Kind damit und beobachtet die beiden Elbinnen. "Ich hoffe es hat euch nichts ausgemacht, dass ich mich in der Küche zu schaffen gemacht habe. Ich weiß, wie viel Arbeit in der Erntezeit anfällt und habe meine Hilfe angeboten."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 26. Aug. 2005, 17:23 Uhr
> Ich war die einzige, die sich um den Haushalt kümmerte. Ich habe alles gemacht, was angefallen war, auch vorzeitig an den Winter gedacht und Vorräte angeschafft. Durch die jahrelange Arbeit bin ich erfahren und habe mir Kräfte angesammelt.<  Unmerklich huscht Arwens Blick erneut über die junge Elbin, denn überaus kräftig scheint ihre Statur nicht zu sein, nicht einmal für eine Elbin. Aber das kann durch ihre Größe auch täuschen… 'jahrelange Arbeit'... wie alt sie wohl sein mag?... sie wirkt noch recht jung.. und wieso war sie die einzige, die sich um den Haushalt der Großmutter gekümmert hat? Gab es denn sonst keine Verwandten? Ich denke kaum, dass sie nach all den Jahren ihre Großmutter sch selbst überlassen hätte. Wenn Calythia also jetzt hier ist... dann hat sie wohl den Weg in Sithechs Hallen angetreten… Aber egal, es geht mich genau genommen auch nichts an… Cassandra war ganz angetan von ihr, und bisher hatte sie ein gutes Händchen wenn es darum ging Mägde und Knechte in Dienst zu nehmen. Für einen Augenblick ist Arwen noch unentschlossen, doch dann trifft sie ihre Entscheidung. Sie vertraut auf Cassandras Gespürt was solche Dinge angeht und auch darauf, dass das Mädchen nichts an sich hat, was Arwen auch nur im Geringsten beunruhigen würde. "Nicht doch , Rialinn, die sind nicht zum drauf herumkauen." Mit einem raschen Griff bringt sie die Bänder mit denen ihr Reitkleid vorne geschlossen wird vor den Zähnen ihrer Tochter in Sicherheit, und hält ihr als Ersatz die bereits ziemlich angenagte Zucchini hin. "Hier, das kannst du ankauen."

>Ich hoffe es hat euch nichts ausgemacht, dass ich mich in der Küche zu schaffen gemacht habe. Ich weiß, wie viel Arbeit in der Erntezeit anfällt und habe meine Hilfe angeboten.< Mit einem deutlich weniger distanzierten Lächeln als noch vorhin wendet sie sich wieder Calythia zu. Mädchen, wenn du wüsstest… genau damit hast du dir bei Cassandra einen Stein im Brett erobert… und das ist mindestens so viel wert wie eine auf Pergament geschriebene Referenz mit einem Dutzend roter Siegel. "Oh nein, das macht mir bestimmt nichts aus, und Cassandra hat es sicher auch nichts ausgemacht, sonst hätte sie euch nämlich nicht gelassen." Aus dem Lächeln wird ein kurzes Schmunzeln. Calythia würde schon sehr bald selber feststellen, dass Cassandra in der Küche die unumschränkte Herrschaft beansprucht. "Nun denn. Ihr habt selber gesehen, wie viel hier zu tun ist. Was ich erwarte ist nichts Außergewöhnliches, dass Fleiß, Pünktlichkeit, Sauberkeit und Anstand dazu gehören wird euch nicht wundern. Die Arbeiten in Haus und Garten werden von mir oder Cassandra angewiesen, auf den Feldern vor der Stadt auch von Ullmar, dem Großknecht. Dafür bekommt ihr eine Kammer hier im Haus und die täglichen Mahlzeiten, außerdem zu jedem Neumond den gleichen Lohn wie die anderen Mädchen auch. Die Tage der Faêyrisnacht sowie zum Inarifest sind frei von allen Arbeiten oder Pflichten hier im Haus."
Arwen unterbricht sich kurz, um Rialinn auf ihrem Schoß behutsam die wie stets zerzausten Haare aus dem Gesicht zu streichen. Die Kleine hat jedes Interesse an dem Gemüse oder anderen Opfern für ihre kleinen Zähne verloren, und döst sich langsam weg, zusammengerollt wie eine zufriedene Katze und den Stoffdrachen fest umklammert. Arwen wendet ihren Blick wieder Calythia zu, und ein unterschwelliger Ernst tritt in ihre Stimme. "Normaler Weise wird auch hier das Gesinde in der Faêyrisnacht für den kommenden Jahreslauf in Dienst genommen. Wenn ihr die Stelle hier annehmt, gilt das vorerst bis zur Nacht der Mondfrau im kommenden Jahr. Ich weiß nicht, wie lange ihr schon in den Landen der Sterblichen unterwegs seid, wie gut ihr deren Sitten kennt. Manche gleichen den unseres Volkes. Wenn ihr euch diesbezüglich in irgendetwas unsicher seid, oder euch etwas unverständlich ist, dann fragt. Fragt eines der anderen Mädchen, Cassandra oder auch mich. Niemand hier auf Vinyamar wird euch deswegen schief ansehen. Überhaupt werdet ihr vermutlich bald feststellen, dass Talyra nicht umsonst den Beinamen 'Weltenstadt' trägt und ihre Bewohner aufgeschlossener sind als andernorts in den Immerlanden, ihr werdet hier Angehörige so ziemlich jeden Volkes finden, das auf Rohas Rund wandelt; wenn ihr es nicht schon festgestellt habt. ... Also, wie sieht es aus? Wenn ihr die Stelle hier noch immer wollt, dann nehme ich euch in meine Dienste."


Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Calythia am 26. Aug. 2005, 17:43 Uhr
Calythia schaute der kleinen Elbin zu, wie sie ein paar Bänder anknappert. "Nun denn. Ihr habt selber gesehen, wie viel hier zu tun ist. Was ich erwarte ist nichts Außergewöhnliches, dass Fleiß, Pünktlichkeit, Sauberkeit und Anstand dazu gehören wird euch nicht wundern. Die Arbeiten in Haus und Garten werden von mir oder Cassandra angewiesen, auf den Feldern vor der Stadt auch von Ullmar, dem Großknecht. Dafür bekommt ihr eine Kammer hier im Haus und die täglichen Mahlzeiten, außerdem zu jedem Neumond den gleichen Lohn wie die anderen Mädchen auch. Die Tage der Faêyrisnacht sowie zum Inarifest sind frei von allen Arbeiten oder Pflichten hier im Haus." Calythia nickt.
Diese Regelung findet sie gut und hat nichts dagegen einzuwenden. "Normaler Weise wird auch hier das Gesinde in der Faêyrisnacht für den kommenden Jahreslauf in Dienst genommen. Wenn ihr die Stelle hier annehmt, gilt das vorerst bis zur Nacht der Mondfrau im kommenden Jahr. Ich weiß nicht, wie lange ihr schon in den Landen der Sterblichen unterwegs seid, wie gut ihr deren Sitten kennt. Manche gleichen den unseres Volkes. Wenn ihr euch diesbezüglich in irgendetwas unsicher seid, oder euch etwas unverständlich ist, dann fragt. Fragt eines der anderen Mädchen, Cassandra oder auch mich. Niemand hier auf Vinyamar wird euch deswegen schief ansehen. Überhaupt werdet ihr vermutlich bald feststellen, dass Talyra nicht umsonst den Beinamen 'Weltenstadt' trägt und ihre Bewohner aufgeschlossener sind als andernorts in den Immerlanden, ihr werdet hier Angehörige so ziemlich jeden Volkes finden, das auf Rohas Rund wandelt; wenn ihr es nicht schon festgestellt habt. ... Also, wie sieht es aus? Wenn ihr die Stelle hier noch immer wollt, dann nehme ich euch in meine Dienste."
Ein Lächeln stehlt sich auf Calyhias Gesicht. Sie kann es gar nicht fassen. "Mir wurde schon von einigen Leuten berichtet, dass die Weltenstadt auch besonders freundlich zu Fremden ist. Während meiner Reise hierher, war das nicht immer so. Viele Leute waren missentrauisch. Deshalb fühle ich mich hier richtig wohl, auch weil hier nicht so auf die Rasse geachtet wird." Mit leuchtenden Augen blickt sie Lady Arwen an. "Oh mit dem größten Vergnügen würde ich bei euch arbeiten. Ich bin bereit die Regeln einzuhalten und fleißig mitzuhelfen. Mein Hab und Gut befindet sich momentan in der goldenen Harfe. Wenn ihr erlaubt, würde ich es dann noch holen."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 27. Aug. 2005, 23:17 Uhr
Es ist früher Morgen, die Sonne kaum mehr als ein blasser Schimmer am Rande des Horizonts als Arwen unsanft aus den Tiefen der Ruhe gerissen wird. Ein dumpfer Knall, dem lange Augenblicke nichts als klingende, lastende Stille folgt, und dann das lang gezogene  Harooooooooooooooooooo-roooooooooooooooooo-rooooooooooooo der Hornsignale unterstützt vom Sturmgeläut der Tempelglocken. Das empörte Krähen des Hahnes, der sich um seine allmorgendliche Ankündigung des Sonnenaufgangs betrogen sieht, kann unmöglich jemand hören, nicht zuletzt weil die Hühner aufgescheucht durcheinander rennen, mit den Flügeln schlagen und gackernd Schutz im Hühnerstall suchen. Der Knall lässt Arwen alarmiert aus dem Bett stolpern, und es dauert einige bange Herzschläge, bis sie richtig wach ist und realisiert hat wo sie ist… und wer sie ist. In die lastende Stille hinein drängt sich das verschreckte Weinen ihrer Tochter und verdrängt vorerst jeden weiteren Gedanken. Schnell ist Arwen im Kinderzimmer und hebt Rialinn aus dem Bett, die klein und verstört inmitten der Kissen und Decken sitzt, aus halbwachen Augen in die Welt blinzelt und selbige nicht versteht. Der Boden ist kühl unter den bloßen Füßen, und die Luft im Zimmer auch nicht viel wärmer. Das Feuer im Kamin ist über Nacht beinahe erloschen, nur mit viel gutem Willen ist unter der weißen Ascheschicht der Rest roter Glut zu erkennen. Auch im restlichen Haus klappen Türen und das unruhige Stimmengemurmel der aufgeschreckten Bewohner ist zu hören. Arwen schnappt sich das große Tuch aus laiginer Wolle, wickelt sich und Rialinn darin ein, lässt den kalten Kamin Kamin sein und verlässt ihre Gemächer.

Unten in der Halle stehen Cassandra, Natie und Ullmar mit den Mägden und Knechten zusammen, alle noch in den Nachtgewändern, mehr oder weniger wach, aber reichlich durcheinander. Der warme Boden macht das barfüßige Laufen deutlich angenehmer als im Obergeschoss, und im gleichen Augenblick wundert Arwen sich, auf welche Nebensächlichkeiten sie in dieser Situation achtet, als ob es von Bedeutung sei, wie warm oder kalt der Boden ist, wenn das Hornsignal für Feuer über die Stadt schallt. Natie schaut mindestens ebenso verstört drein wie Rialinn und klammert sich an ihre Mutter, die recht vergeblich versucht die Mädchen zu beruhigen und für Ruhe zu sorgen. Arwens Erscheinen auf der Treppe zieht für einen Moment die Aufmerksamkeit auf sich und das Gemurmel wird zumindest leiser. Auch Calythia ist unter den Mädchen, wie Arwen mit einem Nicken registriert. Die Elbin war gestern am Nachmittag nach Vinyamar zurückgekehrt, nachdem sie bei Borgil ihr Zimmer bezahlt und ihre Sachen geholt hatte. Und sie hatte ihren Esel mitgebracht. Etwas, das Arwen bisher noch nicht weiß, denn Cassandra hatte ihre Herrin nicht mehr damit behelligen wollen, sondern gemeint, das könne auch noch am nächsten Tag besprochen werden. Doch das hat sie in diesem Moment völlig vergessen. Nachdem Cassandra nun endlich für Ruhe gesorgt hat, kommt Arwen zu Wort, ohne laut werden zu müssen. "Ullmar, zieh dich an und sieh' nach, was passiert ist. Wo es brennt und ob Gefahr für Vinyamar besteht. Ihr anderen zieht euch ebenfalls an. Gerion, nimmt die anderen Knechte mit, holt die Tiere aus den Ställen und bringt sie auf die Weiden unten an der Strandpforte, nur für den Fall der Fälle." Den wir hoffentlich nicht erleben… "Cassandra, nimm' die Mädchen mit dir, du weißt, was zu tun ist. Und du, Natie, du kommst zu mir, wenn du angezogen bist."

Nachdem der erste Schreck vorüber ist, kehrt so etwas wie geordnetes Chaos ein, und alle verschwinden in ihren Kammern, um ihre Nachtgewänder gegen vernünftige Kleidung zu tauschen. Schneller als sonst gelingt es Arwen Rialinn anzukleiden, die sich ausnahmsweise einmal nicht wie ein Aal aus Hemd und Leibchen zu winden versucht, oder gar die frische Windel gleich wieder durchweicht. Leibwäsche, Strümpfe, Hosen, Hemd… mit fliegenden Fingern sucht Arwen ihre Kleider zusammen und streift grad den zweiten Schuh über, als Natie erscheint. Das Menschenkind ist noch immer erschreckt, aber es hat nicht den Anschein, als würde sie anfangen zu weinen. So wie Rialinn, die mit ihren vierzehn Monaten weit davon entfernt ist, ihre empathische Wahrnehmung gegen andere abschirmen zu können, und die Unruhe, Angst und Sorge der sie umgebenden Menschen nur zu deutlich spürt und ihrem eigenen Schrecken nur mit Weinen Ausdruck zu verleihen mag - und mit einem ungerichteten Senden voller Angst. Mit Rialinn auf dem Arm und Natie an der Hand (das Mädchen hatte noch nie die geringste Scheu vor den Elben von Vinyamar) geht Arwen nach unten und verlässt dann das Haus. Sie hat nicht vor, das Anwesen zu verlassen, nicht ehe Ullmar zurück ist und sie weiß, was geschehen ist. Aber von dem Platz vor der Veranda aus hofft sie zumindest sehen zu können, wo es brennt, ob es in ihrer Nähe oder in einem der anderen Viertel der Stadt ist. Draußen empfangen sie ein durchdringender, feiner Sprühregen und eine recht herbstliche Kühle, die Rialinn sich prompt enger an Arwen schmiegen lassen. Viel zu sehen ist nicht, dafür aber zu hören. Hörnerrufen und Tempelglocken sind unterdessen verstummt, dafür scheint nun die ganze Stadt wie ein Bienenstock zu summen. Am Himmel über den umliegenden Dächern ist dichter, aufsteigender Rauch zu sehen, doch wie es scheint, nicht irgendwo in der Nähe sondern weiter im Norden der Stadt.  So weit weg, dass Arwen davon ausgeht, die Stadtwache und die Bürger des betroffenen Viertels werden das Feuer in den Griff bekommen, ehe es sich so weit ausbreitet, dass es auch Vinyamar gefährlich werden kann. Der Wind trägt den Brandgeruch bis zu ihnen herüber, und zusammen mit dem Wetter und der von den Flammen gefärbten Rauchsäule hat dieser Morgen etwas Unheimliches.
Ullmar ist noch nicht zurück, was Arwen aber noch nicht weiter beunruhigt. Mit den beiden Kindern umrundet sie das Haus, um Gerion und Cassandra zu sagen, dass alle Aufregung umsonst gewesen ist, und alle an ihr übliches Tagwerk gehen können, als sie am Stall in einen der Knechte läuft, der gerade versucht, einen Esel auf die Weide zu bringen, der bei diesem Wetter scheinbar absolut nichts davon hält, den warmen, trockenen Stall zu verlassen. "Ein… Esel? Seit wann haben wir einen Esel?" Der Bursche kämpft noch immer mit dem Grautier, das sich weigert auch nur einen Schritt zu tun, sieht Arwen an, kriegt rote Ohren und stottert mühsam eine Erklärung. "Esel? Ja, M'lady, ein Esel… a-aber i-ich w-weiß von n-n-nichts… gestern… Cassandra… fragt Ca-Cassandra, sie w-weiß es, bestimmt." Der Esel, der abrupt beschließt, dem Zug des Strickes doch zu folgen, macht so plötzlich einen Schritt, dass der Knecht fast stolpert und sich dann schleunigst samt Grautier aus dem Staub macht. Recht verwundert sieht Arwen ihm hinterher, schüttelt den Kopf und sieht dann Natie an. "Hast du davon gewusst, Natie? Von dem Esel?" Das Mädchen macht zwar große Augen, nickt dann aber eifrig. "Die Neue, die Elbin hat ihn mitgebracht, gestern. Und Mama hat gesagt, sie kann ihn in den Stall bringen, und sie redet morgen mit euch drüber, nein nicht morgen, das war gestern, dann ist das heute, heute will sie mit euch über den Esel reden." Ahja, 'die Neue' also... Warum hat sie denn gestern nichts von dem Esel gesagt, und gefragt ob sie ihn mitbringen und hier unterstellen kann? So einen schüchternen Eindruck hat sie nun auch wieder nicht gemacht. "Na dann kommt mal mit ihr Zwei. Wollen doch mal schauen, ob wir nicht für ein Frühstück gesorgt bekommen, nach all der Aufregung am frühen Morgen."

Auf dem Rückweg vom Stall zum Haus sammeln sie Cassandra und die Mädchen ein, die unterdessen jeden Eimer und Kübel in Reichweite am Brunnen zusammengetragen haben. Doch Cassandras Blick, der die Entfernung der Rauchsäule am Himmel ebenso abschätzt wie Arwen es zuvor getan hat, zeugt von derselben Schlussfolgerung wie bei der Elbin: Das Feuer ist weit genug weg um nicht bedrohlich zu sein oder zu werden. Die Blicke der beiden Frauen treffen sich über den halben Hof hinweg und Arwen nickt lediglich wortlos. Alle Aufregung ist umsonst gewesen. Helma sieht nicht begeistert aus, als sie nun von Cassandra die Anweisung bekommt, alle Eimer wieder an ihren Platz zu räumen, macht sich aber wortlos an die Arbeit. Natie wird zu den Knechten auf de Weide geschickt, die die Tiere vorerst lassen sollen wo sie sind und auf dem Weg ins Haus noch zwei Kiepen mit Feuerholz mitbringen sollen.
Der Rest der Frauenschar begibt sich ins Haus, macht einen Abstecher in den Küchengarten um die die eine oder andere Handvoll über Nacht gereifter Tomaten für das Morgenmahl in die Schürzen zu sammeln. Etwas, woran Arwen sich nicht beteiligt, sondern mit Rialinn rasch durch die Gesindepforte in der Küche verschwindet. Der große Raum ist so warm wie stets, und das erst recht jetzt in der Erntezeit, wo der Herd scheinbar Tag und Nacht am glühen ist. Das Feuer im Ofen erlischt nie, etwas, worauf Cassandra peinlichst achtet und jede Nacht die Glut sorgfältig abdeckt, damit sie am Morgen schnell wieder anzufachen ist. Und genau das tut Arwen nun, fährt mit dem Schürhaken in die Glut, schiebt die grauweiße Asche zur Seite und legt Holzscheite aus dem Korb an der Wand nach. Es dauert nicht lange, bis rote und gelbe Flammenzungen über die Scheite lecken und das Feuer den Raum in ein unstetes, weiches Licht taucht. Rialinn sitzt auf der Bank am Tisch (außer Reichweite jeden Messers und anderer scharfer oder spitzer Gegenstände) und beobachtet aus großen Augen ihre Mutter, die sich nun daran macht, die Öllampen an der Wand anzuzünden, damit mehr Licht in den Raum kommt.

Dazu, sich an die Frühstücksvorbereitungen zu machen, kommt Arwen allerdings nicht mehr. Denn kaum ist Cassandra in der Küche, als die Menschenfrau auch schon wieder das Zepter übernimmt. Nicht gerade, dass Sie Arwen aus der Küche schickt, aber geschickt und wortlos dirigiert sie die Elbin auf den Platz am Kopfende des Tisches, und das allmorgendliche Küchenballett nimmt seinen Anfang: Brot wird geschnitten und geröstet, Butter aus dem Keller geholt, Tee gekocht, Milch heiß gemacht, Gläser mit goldenem Honig und dunkler Beerenmarmelade finden ebenso ihren Weg auf den Tisch wie der Rest eines Käselaibes, Rauchschinken, dazu die eben geernteten Tomaten. Auf dem Herb blubbert ein Topf mit frischem Haferbrei friedlich vor sich hin, den Cassandra zwischendurch auch noch aufgesetzt hatte. Von irgendwoher fanden geriebener Apfel und zerdrückte Himbeeren ihren Weg in den Brei. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde Arwen schwören, dass ihre Oberste Magd vier Hände hat anstatt zwei, denn dieser morgendlichen Reigen ist ihr alleine vorbehalten.

Die Stimmung während des gemeinsamen Morgenmahls ist ruhig aber irgendwie auch gedrückt. Ullmar ist noch immer nicht zurück, und jeder von ihnen weiß, was ein Feuer bedeuten kann - und für einige Bürger an diesem Tag bedeutet hat. Es ist schon fast Mittag, als Ullmar endlich zurückkehrt. Und die Nachrichten, die er bringt, tragen nicht dazu bei, dass das nagende Unruhegefühl Arwen verlässt. Als Ullmar von einem explodierten Haus erzählt, nimmt sie erst an, dass es vielleicht einen der Alchimisten im Norden der Tausendwinkelgassen getroffen hat. Doch als er die Kräuterkate am Nordtor erwähnt, die Zerstörungen dort beschreibt, die Toten und Verletzten, ringelt sich die Angst wie ein kalte Schlange ihren Rücken empor. Morgana! Der Schreck pulsiert ihr noch durch die Adern, als Ullmar auch schon berichtet, dass weder die Heilerin noch ihre Lehrmädchen verletzt seien, die Blaumäntel, mit denen er in der Eimerkette gestanden hat, hätten das zumindest erzählt, und wenn er sich nicht geirrt habe, hätte er sie auch dort gesehen. Wenigstens ist ihr nichts passiert. Aber wie.. ein Haus explodiert doch nicht einfach so... sie hat ja schließlich keine Alchemistenküche unter ihrem Dach beherbergt, in der sich wer-weiß-welche Substanzen befinden. Und Heilkräuter neigen gewöhnlich nicht dazu, in die Luft zu gehen… Himmel, wenn ich mir das vorstelle, das Haus, der Nordturm und ein Stück der Stadtmauer, da muss eine ganze Heerschar Seharim ihre Hände über die Stadt gehalten haben, dass nicht mehr zu Schaden gekommen sind.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Calythia am 30. Aug. 2005, 00:28 Uhr
Es ist früh am Morgen, die Sonne war gerade aufgegangen und alles ist noch recht ruhig im Haus. Calythia liegt im Bett, dass in ihrer Kammer steht. Lächelnd fühlt, sie den warem Stoff auf ihrer Haut. Früher hab ich es nie richtig zu schätzen gewusst, ein warmes und bequemes Bett zu besitzen. Welch ein Luxus. Gähnend setzt sie sich auf uns streckt sich. Im Haus ist es ruhig. Alles scheint noch tief zu schlafen. Die Elbin steht auf und geht ans Fenster. Dicke, graue Wolken hängen am Himmel und ein leiser Nieselregen fällt auf die Erde. Es ist ziemlich kühl und Calythia zieht das Nachthemd enger um sich. Sie hat noch keine Lust sich anzuziehen, deshalb schaut sie noch eine Weile aus dem kleinen Fenster. Die ganze Welt scheint still zu stehen, selbst die Vögel geben keinen Laut von sich. Plötzlich ertönt ein kurzer, aber lauter Knall und Calythia springt einen Schritt zurück. Sie spürt das Haus erzittern, der ganze Boden scheint zu vibrieren. Sie merkt, wie ihr Atmen schneller geht. Das Herz scheint ihr fast zu zerspringen. Dann ertönt Stille. Laute Stille, noch ruhiger als zuvor. Unerwartet ertönt eine Sekunde später der Alarm, schrill und laut hallen die Signalhörner in jeden Winkel der Stadt. Um sich herum, hört Calythia wie sich Türen öffnen und Schritte an ihrer Tür vorbei gehen. Ohne zu zögern, öffnet sie die Holztür von ihrer Kammer und geht in die Halle.

Alle Stallknechte und Mägde sind in die Halle gekommen, jeder befindet sich noch in seinem Nachtgewand. Viele machen ängstliche Gesichter, andere scheinen aufgeregt und munter zu sein. Calythia gesellt sich zu ihnen. Dumpfes Gemurmel ist zu hören und keiner scheint richtig zu wissen, was los ist. Nach ein paar Minuten erscheint Lady Arwen mit ihrem Kind und die Stimmen verebben etwas. Die Herrin nickt ihr zu und Calythia erwidert diese Geste. Die Stimmen sind immer noch laut und Cassandra muss ein paar Mal rufen, bis endlich Stille herrscht. "Ullmar, zieh dich an und sieh' nach, was passiert ist. Wo es brennt und ob Gefahr für Vinyamar besteht. Ihr anderen zieht euch ebenfalls an. Gerion, nimmt die anderen Knechte mit, holt die Tiere aus den Ställen und bringt sie auf die Weiden unten an der Strandpforte, nur für den Fall der Fälle." Lady Arwen verteilt die Anweisungen mit gekonnter Disziplin, doch in ihren Augen ist Sorge zu erkennen. "Cassandra, nimm' die Mädchen mit dir, du weißt, was zu tun ist. Und du, Natie, du kommst zu mir, wenn du angezogen bist."

Calythia rennt zu ihrer Kammer. Hastig öffnet sie den Schrank und nimmt sich ihre Arbeitshose und ein Hemd heraus. Sie zieht ihr Nachtgewand aus und wirft es auf ihr Bett. In wilder Eile streift sie sich das Hemd über und zieht sich die Hose hoch. Himmel, wenn ich zurück komm, muss ich hier aufräumen. Während sie hinausläuft, zieht sie sich ihre Stiefel an und läuft zur Halle. Cassandra gibt ihr Anweisungen, die Calythia sofort befolgt. Sie holt so viele Eimer wie sie tragen kann und läuft im Schnellschritt auf den Ausgang zu. Mit Mühe kann sie die Türe öffnen. Sie war so in Eile, dass sie fast stolperte und damit die Eimer in alle Richtungen verstreut hätte. Calythia beruhige dich. Vielleicht ist das Feuer gar nicht so nahe. Als sie am Brunnen ankommt, wo schon einige andere Mägde stehen, sieht sie Rauch über der Stadt, der sich aber im Norden bildet. Das Anwesen war außer Gefahr, wenn sich das Feuer nicht ausbreiten würde. Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung lässt sie die Eimer sinken. Der erste Tag fängt ja schon mal gut an. Ist es in der Weltenstadt immer so aufregend, oder habe ich einfach nur, sollte ich sagen, Glück?!

Nach kurzen Atmenzügen erscheint Lady Arwen. Die ganze Aufregung ist umsonst gewesen. Die Mägde machen sich auf den Weg in die Küche. Es ist Zeit das Frühstück vorzubereiten. Kaum hat Cassandra das Kochreich betreten, ergreift Eifer von ihr Besitz, den sie den anderen spüren lässt.

Während des Morgenmahls herrscht eine betrübte Stimmung. Ullmar ist noch nicht zurück und Calythias Herz klopft immer noch ungewohnt schnell. Gegen Mittag kommt er jedoch zurück und berichtet, was vorgefallen war. Eine Kräuterkate ist explodiert, man weiß nicht weshalb. Calythia runzelt die Stirn, während sie den Tisch abwischt. Eine einfache Kräuterkate explodiert einfach so mitten am hellichten Tage?! Bei einem Alchimisten wäre es nichts ungewöhnliches gewesen, es hätte sein können, dass er bei seinen Mischungen etwas falsch gemacht hätte, aber bei einer Kräuterkate? Sehr mysteriös. Himmel, Calythia du machst dir Gedanken, weil diese Hütte explodiert ist, doch du verlierst keinen an die armen Menschen die deswegen ihr Leben lassen mussten und an die Verwandten oder Eltern, die um ihre Kinder trauern.
Sie beschließt am Abend extra für alle Opfer dieses Geschehens zu beten.
Am Nachmittag fällt ihr der Esel ein. Ich muss dringend noch mit der Herrin über ihn reden. Wenn er nicht hier bleiben kann, muss ich eine Unterkunft für ihn finden.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Calythia am 07. Sept. 2005, 09:49 Uhr
Die Aufregung in der Stadt hielt noch ein paar Tage an, doch mittlerweile sind 2 Tage vergangen und die Gemüter legen sich wieder. Calythia seufzt, während sie in der Küche Kartoffeln schält. Zum Glück sind nicht so viele Bürger zu Schaden gekommen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich dort hätte stehen können, während ich die Stadt erkundet habe...
Calythia schüttelt den Kopf und konzentriert sich auf die Kartoffel. Sie sollte aufhören, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, die Stadt hat alles im Griff und das Feuer wurde auch recht schnell gelöscht, ehe es sich noch weiterverbreiten konnte. Calythia nimmt die nächste Kartoffel aus dem Korb und beginnt sie zu schälen.

In der Küche herrscht Hochbetrieb. Die Mädchen schneiden und putzen wie verrückt und Cassandra überwacht die Töpfe. Die Zeit vergeht schnell und kurz vor Mittag, bittet Cassandra, sie solle vom Markt neue Gewürze kaufen. Calythia nickt ihr zu, bindet sich die Schürze ab und geht zu ihrer Kammer, um sich ihre Stiefel anzuziehen.

Als sie aus dem Anwesen heraus in den Garten tritt, atmet Calythia tief die frische Luft ein und macht sie auf den Weg, durch das große Tor auf den Weg zum Marktplatz.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 10. Sept. 2005, 13:49 Uhr
Der Tag ist zwar längst nicht mehr so heiß wie in den hohen Sommertagen, doch unerwartet sonnig. Eigentlich hat Arwen ihren Korb mit den Handarbeiten ordnen und die durcheinander geratenen Fäden, Bänder und Garne entwirren und neu aufwickeln wollen. Doch weit ist sie damit nicht gekommen. Rialinns neuestes Lieblingsspiel ist Ballfangen, und so ein buntes Wollknäuel ist um Längen interessanter als ihr aus Stoffresten genähter und mit Stroh gefüllter Ball. Und so kommt es, dass Arwen mit ihrer Tochter Ball spielt anstatt Stickgarne zu entwirren, und die Kleine vor Begeisterung quietschend über den Rasen tobt, bis ihr hellgrünes Kittelchen ein ganz neues Muster aus dunkelgrünen Grasflecken hat. Als der Himmel sich verdunkelt, verwendet Arwen keinen Blick nach oben, nimmt es als eine der in den letzten Tagen so häufig aufkommenden Regenwolken hin und schnapp sich ihre Tochter, um ins Haus zu kommen, ehe die Grasflecken noch Gesellschaft von den Gebrüdern Matsch bekommen. Auf dem Weg hoch zum Haus summt sie Rialinn ein Lied vor, begleitet vom "glalahahalala" ihrer Tochter - in einer völlig anderen Tonart zwar, dafür aber mit größtem Eifer.

Doch weit kommt Arwen nicht. Sie hat kaum den halben Weg zum Haus geschafft, als sie eine subtile Veränderung um sich herum wahrnimmt; die Vögel, die sonst lautstarke Konzerte in den Bäumen veranstalten, sind nicht zu hören, selbst das Federvieh in seinem Gatter hat jedes Gackern und Schnattern eingestellt und von den Pferdeweiden ist kurz das dunkle, alarmierte Wiehern Shurs zu hören. Sie spürt Vibrationen, im Boden, in ihrem Inneren, dumpf und durchdringend, so als habe jemand in großer Ferne eine riesige Bronzeglocke geschlagen. Dann ein dissonanter Klang, ein unglaublicher Knall der Arwen taumeln lässt. Rialinn hat längst aufgehört zu singen, wimmert leise im Arm ihrer Mutter und spürt ebenso, dass hier etwas alles andere als in Ordnung ist. Aus einem Instinkt heraus schaut Arwen in den Himmel, und im selben Augenblick ist ihr klar, dass DAS keine natürliche Regenwolke ist, sondern der widernatürliche Brodem eines Schattendieners. Viel weiter kommen ihre Gedanken jedoch nicht mehr, Dem Knall folgt eine Woge purer Bosheit und Finsternis, die sie trifft, als habe jemand mit einer Eisenholzkeule auf sie eingeschlagen. Schlagartig bricht die Welt um sie auseinander, mit einem heftigen Schaudern verliert Arwen das Bewusstsein und stürzt zu Boden. Der Korb mit den Handarbeitet entgleitet ihr und verteilt kullernde Knäuel und Garne auf dem Rasen. Und vermutlich sind es die Instinkte einer Mutter, die sie Rialinn fest an sich pressen und sich um sie zusammenkrümmen lassen, dass sie beim Sturz nicht auf sie fällt. Den Alarm, das Rufen der Hörner, das alles bekommt Arwen ebenso wenig mit, wie das panische Weinen ihrer Tochter.

Das nächste, was Arwen sieht, als sie langsam wieder zu sich kommt, ist Cassandras Gesicht. Und die nur mühsam beherrschte Panik darin tragen ebenso wenig zur Beruhigung der Elbin bei wie das Weinen ihrer Tochter, die sich mit erstaunlicher Kraft an ihr festklammert. "Was..? Wo..?" Die fragenden Blicke machen Arwen klar, dass niemand sie versteht, dass sie Shidar gesprochen hat. Mühsam setzt sie sich auf, und muss den Kopf schütteln, um Klarheit in ihre Gedanken zu zwingen. "Was ist passiert, Cassandra?" Eigentlich ist die Frage so überflüssig wie ein Kropf, Arwen weiß, was sie da gespürt hat, was ihr die Besinnung geraubt hat. "Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht, und ich will es auch nicht wissen. Götter. Erst dieser Knall. Und diese dunkle Wolke, die plötzlich da war. Und die Hörner! Die Hörner… dreimal haben sie gerufen. DREIMAL! Und dann hat Rialinn geschrieen und wir haben euch im Garten gefunden, bewusstlos, und-" Arwens Denken hat seine Arbeit wieder aufgenommen, und ihre Gedanken beginnen zu rasen. Drei Mal… Der Ruf erklingt nur, wenn die Finsternis und ihre Diener auftauchen… tu doch nicht so überrascht, du hast es gewusst, du hast ihn gespürt, vor dem ersten Knall schon. Denk nach. Tu was. Tu das richtige. Mit einer knappen Geste unterbricht sie ihre Oberste Magd. "Wie lange? Wie lange war ich bewusstlos?" "Nicht lange, nur kurz, denke ich. Aber…" "Kein Aber." Jetzt kann Arwen auch das Chaos und die Geräusche wahrnehmen, die von draußen bis ins Haus dringen, die Schreie voller Panik und Schmerz, und die Laute von Wesen, von denen sie gehofft hatte, sie würde ihnen nie wieder gegenüber stehen. Ein Wunsch, den sie in diesem Augenblick wohl mit so ziemlich jedem Bürger Talyras teilt. "Packt alle das Nötigste zusammen, ihr müsst zu den Tempeln, nur dort seid ihr sicher. Dort draußen ist ein Dämon, und der ist bestimmt nicht hier um Einladungen für ein Teekränzchen zu verteilen. Ihr müsst auf heiligen Boden, dort kann er euch nichts tun. Los." Cassandra starrt sie an, als habe die Elbin den Verstand verloren, und dann kommt Ullmar im Laufschritt die Treppen herunter. "Ich war oben, auf dem Dach. Es brennt am Marktplatz und nördlich davon und am südlichen Ende. Die Straßen sind voller Leute die fliehen, zum Ildorel runter oder sonst wo hin, und da ist ein... ein... Ding über dem Platz… Götter, so was habe ich noch nie gesehen… Wir werden niemals mehr bis zu den Tempeln durchkommen, nicht in der Panik da draußen, nicht mit zwei Kindern." Er weicht Arwens Blick aus, denn das ist sichtlich nicht das, was sie hören will. "Also gut, dann nicht." Arwens Hirn arbeitet fieberhaft. Sie hat so etwas noch nie alleine getan, aber sie wird einen Bannkreis um das Haus legen müssen, will sie ihr Haus und seine Bewohner in Sicherheit wissen. "Cassandra. Hier, nimm Rialinn kurz für mich. Und ihr," sie deutet auf die Mägde und Knechte, "ihr verschließt jede Tür, jede Pforte und jeden Fensterladen im Haus. Ullmar, besorg mir einen Kübel mit Wasser." Eine Antwort wartet sie von keinem ab, sondern drückt Cassandra ihre Tochter in den Arm, die vor Schreck sogar das Weinen vergisst und verschwindet in Richtung Kaminzimmer. Ein leises Scharren ist zu hören, dann Stille, und wenig später taucht Arwen wieder auf, zwei kleine Leinensäcke in der Hand. Einen davon drückt sie Ullmar in die Hand. "Das ist Erde aus dem Hain des Anukis-Tempels. Verstreu sie auf jeder Türschwelle, jedem Fenstersims und in den Kaminen." Irgendwie gelingt es Arwen, jede Gefühlsregung aus ihrer Stimme heraus zu halten und ruhiger zu scheinen als sie ist.

Es braucht weniger als den viertel Teil einer Stunde, bis Arwen wieder in der Halle auftaucht, jetzt nicht im Kleid sondern umgezogen, gewappnet in schimmerndem Yalaris (von dessen Glanz vermutlich in weniger als einer halben Stunde nichts mehr zu sehen sein wird), die Haare eingeflochten und zu einem Knoten geschlungen und bewaffnet mit dem Schwert ihrer Mutter, den langen, gebogenen Dolchen und etwas, das in dem Lederbeutel an ihrem Waffengurt nicht zu erkennen ist. Cassandra folgt ihr im Schlepptau, die weinende Rialinn auf dem Arm und ununterbrochen zeternd, dass das ja wohl nicht der Ernst Arwens sein könne, da jetzt in dieses Inferno hinaus zu wollen, immerhin habe sie hier ihre Tochter und sowieso und überhaupt. Arwen hat schon vor Minuten damit aufgehört, der Menschenfrau zuzuhören. Ullmar hat die Mägde und Knechte unterdessen in der Halle um den geforderten Wasserkübel versammelt. Schweigen breitet sich aus, als Arwen mit erstaunlich kräftiger Stimme die heiligen Worte spricht und das Segenszeichen über dem Wasser schlägt. Ihre Worte sind im Shidar, der Sprache, mit der sie aufgewachsen ist, und die sie in diesem Augenblick der Bedrohung instinktiv verwendet. Und auch wenn keiner des Gesindes sie verstanden haben kann, so ist doch jedem klar, was sie getan hat. Arwen füllt eine Wasserflasche mit dem geweihten Wasser und befestigt sie sorgfältig an ihrem Waffengurt. "Ich denke nicht, dass noch ein Diener der Finsternis hier eindringen kann, wenn ich den Bannkreis gelegt habe. Aber falls doch, dann kommt ihr ihm mit dem Weihwasser besser bei, als mit irgendwelchen Waffen. Sind alle hier? Wo ist Calythia?" Erst jetzt fällt es auf, dass die junge Elbin fehlt, und Cassandra schlägt sich erschreckt die Hand vor den Mund. "Auf dem Markt! Ich hatte sie geschickt die Gewürze zu holen, die ich neulich bestellt und angezahlt hatte… Himmel... Wir.. sie…" Arwen muss tief Luft holen, damit hat sie nicht gerechnet. "Wir können jetzt nichts für sie tun, außer hoffen und beten, dass sie es zu den Tempeln geschafft hat… Wenn ich gehe, Ullmar, dann verschließ die Tür hinter mir. Und ihr öffnet sie erst wieder, wenn ich oder einer der Priester erscheint. Komm her, min Lia." Sie nimmt kurz zum Abschied ihre Tochter auf den Arm, streicht ihr die nass geweinten Haare aus dem Gesicht. Sacht malen ihre Finger das Segenszeichen auf die kleine Stirn ehe sie ihre Tochter wieder Cassandra anvertraut. Mit einer abrupten Bewegung nimmt Arwen ihr Medaillon vom Hals und hängt es Rialinn um. "Hier, min Lora, solange du das trägst, kann dir nichts passieren. Und den hier, Cassandra, den gibst du mir zurück, wenn ich wiederkomme." In dem Wort 'Wenn' liegt gerade genug Betonung, dass Cassandra versteht, was es bedeuten soll: Falls ich nicht zurückkehre, dann schick den Ring meinem Vater, du weißt wo die Briefe und Verfügungen aufbewahrt werden. Mit einem letzten Blick zu ihrer Tochter  wendet Arwen sich ab, wohl wissen, dass sie im nächsten Augenblick die Kraft nicht mehr fände, sie zurückzulassen.

Draußen, vor der dunklen Tür von Vinyamar, hört sie diese hinter sich ins Schloss fallen, und das Rumpeln, als Ullmar erst die Riegel vorschiebt und dann noch einen Balken vor die Tür legt. Konzentriert wendet sie sich um, sieht das Haus an, die Mauern und Steine, die Dachschindeln. Ruhig und tief holt sie Atem, wieder und wieder, so lange, bis sich in das Atmen ein Vibrieren mischt, ein Summen, das immer stärker wird und sich dann übergangslos in uralte Worte voller Macht wandeln, Worte in der ältesten Sprache, der Sprache der Götter, die den Segen der Götter erbitten, den Schutz Nimrods gegen die widernatürlichen Kreaturen und Diener der Finsternis. Mit jedem Wort, das die Lippen der Elbin verlässt, nimmt das Leuchten des Anukiszeichens auf ihrer Stirn zu. Und als sie weiß, dass ihr die Macht zur Verfügung steht, die sie braucht, breitet sie die Arme aus, und hebt sie mit dem Himmel zugewendeten Handflächen empor. Ein flirrendes Netz aus grün schimmernden Ranken scheint aus dem Boden zu wachsen, sich mit den Ranken am Haus zu verbinden, sich auszubreiten, weiter zu wachsen und Vinyamar schließlich mit einem pulsierenden Geflecht einzuhüllen.
Erleichtert tritt Arwen einige Schritte zurück, ihr Herzschlag rast und ihr Atem geht so heftig, als sei sie viele Tausendschritt gerannt. Solche Magie zu wirken sieht bei weitem leichter aus als es ist, und Arwen hat einen solchen, mächtigen Bannkreis noch nie alleine gelegt, und spürt die Kraft die sie das gekostet hat mehr als deutlich. Und ihren Magen auch, der entschlossen revoltiert und konsequent die Reste des Morgenmahls von sich gibt. Doch das ist ein geringer Preis dafür, dass sie ihre Tochter und die anderen im Haus in Sicherheit weiß. Heiliger Boden. Nicht, dass es ihr leicht fällt, sich jetzt aufzumachen und sich dem zu stellen, was da über Talyra gekommen ist, aber Disziplin und Pflichterfüllung sind ihr seit ungezählten Jahresläufen in Fleisch und Blut übergegangen. Sie ist Priesterin. Es ist ihre Pflicht diesem Dämon Einhalt zu gebieten, es zumindest zu versuchen. Sie ist Winterwinds Tochter. Niemals würde sie einem Dämon kampflos das Feld überlassen. Ein letzter Blick zurück, ein kurzer Griff, ob ihre Waffen dort sind, wo sie sein sollen, dann dreht Arwen sich um, beschleunigt ihren Schritt, beginnt zu laufen und verlässt Vinyamar.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 18. Okt. 2005, 10:33 Uhr
Wortlos starrt Cassandra auf die sich schließende Tür, den Balken, den Ullmar schwer in die eisernen Aufnahmen einrasten lässt und schließt die Hand fest um den silbernen Ring in ihrer Hand. …wenn ich wiederkomme… wiederkomme... wenn ich wiederkomme… wenn… wenn… Ein unerbittlicher Chor wiederholt die letzten Worte ihrer Herrin unablässig und ihr Denken weigert sich einfach, die Bedeutung dieses kleinen Wortes 'wenn' an sich heran zu lassen. Aber irgendwann, einige endlose Herzschläge später, muss sie sich dann doch eingestehen, dass diese Möglichkeit gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass Lady Arwen dieses Hölleninferno da draußen nicht überleben wird. Und das Kind auf ihrem Arm versteht zwar vermutlich keines der Worte, die gesprochen wurden, aber scheint zu spüren, was vor sich geht. Rialinn hat ihre Hände um das Medaillon ihrer Mutter geklammert und schreit aus Leibeskräften nach ihrer Mutter, während ihr die Tränen in wahren Sturzbächen über das Gesicht laufen. Die klagenden Laute verstummen nur dann kurz, wenn die schluchzend nach Luft schnappen muss. Noch immer starrt Cassandra auf die verschlossene Tür, sieht ein grünes Schimmern wie Spinnennetze sich über die Steine der Hauswand ziehen, über die Tür und die Fensterläden, ein flirrendes, kaum sichtbares Netz, das aus dem Boden selbst zu wachsen scheint, und jeden Stein, jede Fuge des Hauses zu durchdringen scheint. Instinktiv - und ziemlich erfolglos - wiegt sie Rialinn auf dem Arm um das Kind zu beruhigen, und versucht ebenso vergeblich, ihren eigenen Herzschlag zu beruhigen und die aufkommende Panik im Zaum zu halten. Ein Dämon.. da draußen… auf dem Marktplatz.. Calythia, wer weiß, ob sie noch lebt, ob sie schon auf dem Weg zurück gewesen ist und es zu einem der Tempel geschafft hat... Götter, und Lady Arwen will genau da hin. Das ist Wahnsinn, der helle Wahnsinn, wie kann sie auch nur hoffen, das zu überleben… Mühsam versucht sie sich einzureden, dass die Elbin schon mal einem Dämon gegenüber gestanden und es überlebt hat. Allerdings hängt an diesen Gedanken auch nur zu deutlich das Bild, in welchen Zustand sie hinterher gewesen ist. Aber sie hat es überlebt, sie ist lebend zurückgekommen An diesen Gedanken klammert sie sich wie ein Ertrinkender an ein Stück Treibholz. Lady Arwen muss einfach zurückkommen, was soll denn sonst aus Rialinn werden, wo es keinen Vater gibt.

Noch immer starrt sie auf die Tür, als könne sie mit purer Willenkraft sehen, was dahinter, auf den Straßen der Stadt geschieht. Und so bekommt sie nicht mit, wie Ullmar die Knechte und Mädchen durch das Haus schickt, alle Fensterläden und Türen zu kontrollieren, ob sie auch ganz sicher verschlossen und verriegelt sind, und sie heißt, in allen Kaminen das Feuer zwar nicht zu löschen, aber das Holz auseinander zu ziehen und die Glut abzudecken. Sie hätte von all dem vermutlich nichts mitbekommen und stünde noch Stunden später so da, wenn Ullmar sie nicht aus der Erstarrung geweckt hätte. Sein festern Griff an ihrer Schulter mit dem er sie schüttelt, erst sacht, dann fester, lässt ihren Blick sich von der verriegelten Tür lösen. "Was hat das zu bedeuten, 'wenn sie zurückkommt'? Und der Ring da? Und das Medaillon? Was geht hier vor, Cassandra? Was hat sie vor?" Einen langen Augenblick sieht sie den Mann vor sich nur verständnislos an, schüttelt dann leicht den Kopf, als versuche sie ihre Gedanken zu ordnen. Nur mühsam kann sie ihre Stimme unter Kontrolle halten, kann ihre Sorge daraus verbannen; etwas, das um Rialinns Willen nicht nötig wäre, die Kleine weint noch immer zum Göttererbarmen. "Was sie vorhat? Was meinst du, wonach das aussieht? Sie wird versuchen den Dämon aufzuhalten, ihn vernichten, wenn sie kann…  und die Götter alleine mögen wissen, ob sie das überleben wird…. Sie selber scheint das Schlimmste zu befürchten, sonst hätte sie Rialinn nicht das Medaillon da gelassen. Und der Ring… ihren Siegelring soll im Fall ihres Todes ein Bote zu ihrem Vater bringen, sie hat mir gezeigt, wo die Briefe und Verfügungen für einen solchen Fall aufbewahrt werd-" Sie bricht mitten im Wort ab, der Gedanke, dass sie vielleicht in wenigen Stunden dieses Wissen brauchen würde, verschlägt ihr die Sprache. Eine sprachlose Cassandra ist etwas, das ihre Mägde unter anderen Umständen rot im Kalender markieren würden, nicht jedoch heute. "Du meinst, sie rechnet mit ihrem…" Das Wort 'Tod' kommt nicht über Ullmars Lippen, Cassandras Blick hält ihn davor ab, zwingt ihn dazu, vor Natie, die sich an die Röcke ihrer Mutter klammert die Fassung zu wahren. "Also gut", der Ton des Großknechtes klingt so auffallend ungezwungen, dass er schon wieder angespannt ist. "Was tun wir jetzt? Außer abwarten, hoffen und beten, meine ich." "Tja", ein kurzer Blick wandert zu den Mägden und Knechten, die sich langsam alle wieder in der Halle einfinden. "Da Erntearbeit heute wohl ausfällt", der Witz ist so schlecht, dass sich bei keinem auch nur ansatzweise die Mundwinkel verziehen, "Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Es kann Stunden dauern, ehe Lady Arwen zurück ist oder wir etwas von ihr hören… Schsch, Rialinn, ist doch gut, nun beruhige dich doch, Kleine…" Cassandra versucht irgendwie gleichzeitig, das Elbenkind auf ihrem Arm zu beruhigen und ihre Gedanken zu sortieren. Jeden Versuch die Mädchen zum Nähen oder Spinnen zu bewegen wäre vergebene Liebesmüh, Keiner von ihnen würde sich genug konzentrieren können. Das Haus ist vom Keller bis zum Dachboden geputzt, da stehen auch keine Arbeiten mehr an. Wäsche müsste gebleicht werden, doch das fällt heute Mangels Zugang zum Garten ebenso aus wie die Ernte. Stück für Stück geht sie in Gedanken alle Arbeiten durch, die sonst so im Haus anfallen, doch nichts will ihr passend erscheinend. "Ich fürchte genau das werden wir tun: Warten. Was anderes bleibt uns auch nicht." Sie wendet sich den Mägden und Knechten zu. "Es gibt sicherlich das eine oder andere zu tun, Nähen, Spinnen oder Weben oder was sonst noch an Kleinarbeit oder Reparaturen ansteht, aber… ich kann verstehen, wenn sich heute keiner darauf konzentrieren kann."

Stunden vergehen, in denen sie alle in der großen Halle beisammen sitzen... und warten. Jeder ist mit sich und seinen eigenen Gedanken und Sorgen beschäftigt. Dann und wann stielt sich ein gewispertes Gebet durch die Halle, und vergeht meist augenblicklich im Weinen und Jammern Rialinns. Das Kind will sich einfach nicht beruhigen lassen, durch nichts und niemanden. Seit dem Weggang ihrer Mutter weint sie unablässig, allenfalls unterbrochen von den kurzen Momenten, in denen sie erschöpft einzuschlafen scheint. Cassandra gibt sie nicht einen Augenblick aus den Armen. Einmal haben sie versucht, sie auf ihre Decke am Kamin zu legen, doch das Kind hat sich schnurstracks auf seine kleinen Beine gerappelt und Kurs auf die Haustür genommen, an der es jämmerlich nach seiner Mutter gerufen hat. Auch jetzt grade sieht sie Cassandra aus großen, rotgeweinten und verquollenen Augen an, das ganze Kind ein einziger Vorwurf, als sei sie höchstpersönlich dafür verantwortlich, dass Lady Arwen gegangen ist um diesen Dämon zu jagen. Irgendwann, nicht lange nachdem die Elbin gegangen ist, ist ohrenbetäubendes Donnern und Krachen vom Marktplatz her über die Stadt gerollt, und sie alle waren vor Schreck wie erstarrt, einer der Knechte hatte sich sogar unter den Tisch geduckt. Eine bebende Druckwelle ist durch die Straßen gewalzt wie eine Flutwelle, hat die Erde und das Haus zittern und die Fenster so sehr in ihren Rahmen klirren lassen, das im Obergeschoss eine der Scheiben zu Bruch gegangen ist. Einen Moment lang sind von draußen weder die Laute der wandelnden Untiere noch die Schreie der Flüchtenden zu hören. Und diese lastende Stille ist fast noch bedrohlicher. Und sie hält nicht lange an.
Nur wenig später können sie draußen merkwürdige Laute, Keuchen und Keckern hören, dann so etwas wie einen Schrei, wieder Ruhe und dann das Poltern von irgendetwas, das gegen die Türen und Fensterläden geworfen wird. "Was ist das?" Dairas Stimme überschlägt sich fast vor Angst und ist gleichzeitig so leise, dass Cassandra sie kaum verstehen kann, obwohl sie kaum einen Schritt von ihr weg sitzt. "Ich weiß es nicht. Und... und ich denke auch nicht, dass wir wissen wollen, was es ist. Das Kreischen... Götter, ich hoffe, dass das heißt, dass eine dieser Kreaturen den Bannkreis überschreiten wollte und das mit seinem Leben bezahlt hat. Die Fensterläden werden halten." Hoffe ich. Und hoffentlich wirft wer oder was auch immer da draußen ist nicht mit etwas größerem als einem der Steine aus den Beeteinfassungen…was? Ihr Kopf fährt zu Ullmar herum, der mit kalkweißem Gesicht aus der Küche kommt, wo er Milch für Rialinn holen wollte. "Was ist? Sag nicht, sie können doch ins Haus kommen!" Eine Antwort bekommt sie nicht sofort, und das lässt Cassandra ihre Hand nach Natie ausstrecken und ihre Tochter an sich ziehen, ehe sie überhaupt weiß, dass sie es tut. "Wie? Was? Nein, nein, ins Haus nicht, aber… die Götter mögen uns beistehen, aber… das Vieh. Wenn man in der Küche ist, kann man hören, wie… Der Bannkreis, nur das Haus ist sicher, aber er reicht nicht bis zu den Ställen… Ich habe Tiere noch nie so schreien hören, Cassandra." Gerion will aller Angst zum Trotz sofort und auf der Stelle hinaus rennen um die Pferde aus dem Stall zu holen und sie am Strand freizulassen, damit sie wenigstens den Hauch einer Chance haben. Nur knapp gelingt es Ullmar, seinen Neffen am Kragen seines Hemdes zu erwischen und von dieser Dummheit abzuhalten. Allerdings braucht es mehr als gute Worte, nämlich eine kräftige Ohrfeige, ehe er bereit ist einzusehen, dass sie den Tieren jetzt nicht helfen können, dass es Wahnsinn wäre das Haus zu verlassen und damit den Bannkreis zu verletzen, ihn womöglich zerfallen zu lassen. So bitter es für den Stallknecht ist, und so sehr ihnen alle die Tiere leid tun, aber Tiere kann man ersetzen, kann neue kaufen, Menschen nicht.

Die Zeit verstreicht quälend langsam, und hier in der dämmrigen Halle hinter den geschlossenen Fensterläden, ist Cassandra sich nicht recht sicher, welche Stunde, welche Tageszeit sie haben. Es muss längst auf den Abend zugehen… Ihr Götter im Himmel, steht uns bei… steht uns bei und lasst Lady Arwen zurückkommen. Das sehnt Cassandra vor allem herbei, die Rückkehr der Elbin. Nicht nur, weil das bedeuten würde, dass der Dämon besiegt ist, sondern wegen des klagenden Bündels in ihren Armen. Rialinn hat seit dem Morgen nicht mehr aufgehört zu weinen, zu schreien und zu jammern. Wenn die Erschöpfung zu groß ist, treibt sie für wenige Augenblicke in eine Art Schlaf davon. Nur um wenig später mit vorwurfsvollem Jammern zu erwachen und nach ihrer Mutter zu rufen. Nichts, absolut gar nichts kann das Kind beruhigen, und es verweigert jeden Versuch es zu füttern oder ihm etwas zu Trinken zu geben. Und so langsam fragt sie sich, ob das Kind etwas spürt, was ihnen allen nicht zugänglich ist, dass es derart nach seiner Mutter schreit. Immerhin ist sie schon öfter einmal länger von ihrer Mutter getrennt gewesen, als diese paar Stunden. Und dann donnert ein Knall über die Stadt hinweg, der jenen noch bei weitem übertrifft mit dem Unheil seinen Anfang genommen hat. Und dann ein Schrei, weit entfernt, nicht wirklich laut, aber er dringt durch Mark und Bein. Es ist beängstigend, und jeder im Haus krümmt sich unter dem Schrei zusammen, duckt sich wie unter einem unsichtbaren Hieb und verharrt wie zu Stein erstarrt. Und dann ist es vorbei. Einer nach dem anderen richtet sich auf, langsam und vorsichtig, so als könne man noch nicht glauben, dass es vorbei ist, oder wage es noch nicht. Doch es ist vorbei. Mit einem Mal scheint das Atmen leichter zu fallen, scheinen die Schatten in der Halle weniger düster und drohend zu sein - und selbst Rialinn hört auf zu weinen. Außer einem völlig übermüdet gewimmerten 'Eama' ist nichts mehr von dem Kind zu hören.

Nach einer Weile heftiger Diskussionen, ob man denn schon wagen könne hinaus zu gehen und draußen nach dem Rechten zu sehen, vor allem zu sehen, was mit den Tieren ist, oder ob man wirklich wartet, bis Lady Arwen zurück ist oder ein Priester Nachricht von ihr bringt, setzt sich Ullmar durch. Sie würden nachschauen gehen, aber vorsichtig, wer weiß schließlich, was sich da auch nach dem Untergang des Dämons noch herumtreibt. Immerhin kann keiner wissen, ob die Elbin nicht vielleicht verletzt ist und gar nicht kommen kann, und die Priester hätten sicher Wichtigeres zu tun, als Botengänge zu erledigen. Und er würde mit den Knechten alleine rausgehen, Cassandra und die Mädchen sollen im Haus bleiben, sicher ist sicher.
Es dauert lange, bis die Männer wieder in der Küche auftauchen. So lange, dass Cassandra und die Mädchen längst die Feuer im Haus wieder angefacht, Essen hergerichtet und eine Suppe aufgesetzt haben. Denn essen hatte an diesem Tag bisher keiner etwas mögen. Die Gesichter von Ullmar und Gerion lassen Cassandra schon das Schlimmste fürchten. Ganz so arg kommt es dann doch nicht, aber das was die Männer berichten, reicht aus, um Cassandra sich stumm auf den nächsten Stuhl fallen zu lassen: Die Tür zum Stall ist eingeschlagen, das eine Zugpferd, das in der Box direkt gegenüber der Tür, von irgendetwas angefallen und so übel zugerichtet, dass sie es noch in der Box von seiner Qual erlöst haben. Die anderen Pferde sind zwar soweit unversehrt, aber völlig verstört. Das Federvieh ist arg dezimiert, Enten, Gänse, Hühner, einfach totgebissen und dann liegen gelassen, wohl von Bukken, Gräbern, denn der Stall war noch verriegelt, aber der Boden innen drin war aufgewühlt als habe ihn jemand mit der Pflugschar für die Aussaat vorbereiten wollen. Und die Schweine hätten sie auch angefallen, die Hälfte des diesjährigen Wurfes ist tot und ganz oder teilweise gefressen, auch von einigen der letztjährigen Ferkel ist wenig mehr als angenagte Knochen geblieben. Und hier waren es ganz gewiss Gräber. Zwei hätten sie tot im Koben gefunden, neben einer tobenden Sau, die ihre verbliebenen Ferkel vehement gegen einen Letzten von den Mistviechern verteidigt hätte. Dieses zahnstrotzende Vieh hätte Gerion dann kurzerhand mit der Mistforke erledigt. Die ganzen Kadaver hätten sie schon zur Weide unten an der Seemauer gebracht, aber verbrennen würde sie die erst später, vielleicht auch erst morgen. "Und der Küchengarten, Cassandra, der… nun ja, die Gräber haben ihrem Namen alle Ehre gemacht, soviel ich sehen konnte, ist er arg mitgenommen. Aber ob und was da noch zu retten ist, können wir wohl erst morgen sehen, bei Tageslicht… Ach ja… und vorne, an der Türschwelle, da liegen zwei große Aschenhaufen." Für einen Augenblick breite sich Schweigen in der Küche aus wie wabernder Neben, und das Knacken der Holzscheite im Ofen ist überlaut zu hören. Sie alle können sich noch an das Kreischen vor den Türen erinnern. Es hat also wirklich etwas Großes (und wohl auch verdammt gefährliches) versucht ins Haus zu kommen, und ist im Bannkreis zu Asche zersiebt worden. Über das Was-Wäre-Wenn wagt keiner von ihnen nachzudenken.

Sie haben sich grad erst von den Schrecken der Bestandsaufnahem erholt, als ein kräftiges Klopfen an der Tür durch die Halle bis in die Küche zu hören ist. Erschrocken zucken die Mädchen zusammen, nach den Worten von den Aschehaufen mit Panik im Blick. Doch Ullmar beruhigt sie. "Wer auch immer das ist, er kann den Bannkreis überschreiten. Und der Bannkreis ist noch da, ich habe ihn gesehen, oder zumindest denke ich das, da ist so ein grünes Flirren um das ganze Haus herum, so als gäbe es eine zweite Schicht aus Ranken über der Mauern… Ich gehe, und sehe nach, wer das ist."
Der Weg durch die Halle ist schneller zurückgelegt, als die Riegel und der Balken von der Tür entfernt sind. Und so dauert es etwas, ehe Ullmar die Tür öffnen kann, und sich einem jungen Mann gegenüber sieht, der kaum älter sein kann als Gerion, allerdings bei weitem nicht so schlaksig ist wie sein Neffe. Der Junge sieht ebenso abgespannt aus wie sie alle hier, und stolpert ein ums andere Mal über die Worte der Nachricht, mit ihn die Frau des Lord Commanders geschickt hat. Warten kann manchmal schlimmer sein, als selber mitten im Inferno zu stehen… Kurzerhand schiebt er den Jungen vor sich her in die Küche und drückt ihm einen Becher Milch in die Hand, den Cassandra mit einem kräftigen Schuss Uisge verstärkt. "Hier, Junge, trink das. Und dann wiederhol das alles noch mal in Ruhe." Er weiß, was kommen wird, wenn Cassandra hört, dass Lady Arwen am Leben und in der Obhut der Frau des Lord Commanders in der Steinfaust ist, und so nimmt er ihr Rialinn schon vom Arm, ehe der Junge auch nur den Becher halb geleert hat. Rialinn ist völlig erschöpft, liegt schwer in seinem Arm und doch scheint sie sich zu weigern, den schmalen Grat zwischen Wachen und Schlafen zu überschreiten. Es kommt, wie er geahnt hat. Cassandra vergewissert sich kurz, dass die Elbin am Leben ist, und ist dann auch schon aus der Küche und … das letzte was er hört, sind ihre eiligen Schritte auf der Treppe nach oben. Mit einem entschuldigenden Lächeln sieht er den Jungen an, der da steht wie vom Donner gerührt. Hätte er eine Hand frei, würde er sich jetzt durch die Haare fahren, eine ach so typische Geste, wenn Mann sich der Impulsivität einer Frau ergibt. Er hätte den Jungen gerne ausgefragt, ob der mehr darüber weiß, was geschehen ist, wie es in der Stadt aussieht und wie es um Lady Arwen steht, doch dazu kommt er gar nicht mehr. Genau so schnell wie sie verschwunden ist, ist Cassandra auch wieder zurück in der Küche, zwei geschnürte Bündel am Arm, ein großes und ein kleines, und verkündet, sie würde den Jungen zurück zur Steinfaust begleiten, Lady Arwen brauche sicher frische Kleidung und außerdem müsse das Kind zu seiner Mutter. Ihr Tonfall dabei macht nicht den Anschein, als würde sie Widerspruch akzeptieren oder sei Vernunftgründen zugängig (nur weil der Dämon vernichtet ist, heißt das ja noch lange nicht, dass die Straßen schon wieder so sicher sind, dass man sie mit einem kleinen Kind durchqueren kann). Schicksalsergeben sieht Ullmar die Luft ein, schüttelt den Kopf und holt dann Mäntel für sich und Cassandra. Rialinn quittiert es mit einem leisen Wimmern, dass sie ihren Platz auf Ullmars Arm wieder gegen den bei Cassandra tauschen muss, doch sie wird weder richtig wach, noch schläft sie richtig ein. Wenn er diese halsstarrige Frau schon nicht von ihrem Vorhaben abhalten kann, dann wird er sie wenigstens begleiten und dafür sorgen, dass sie und das Kind sicher in der Steinfaust ankommen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 23. Nov. 2005, 12:55 Uhr
Am Tag nach der Dämonen-Heimsuchung ist hat Arwen Ullmar auf dem Weg nach Vinyamar einen Umweg über TianAnmen machen lassen, um Niniane und Morgana zu besuchen, hat sich nach ihrem Zustand erkundigen wollen, nur um zu erfahren, dass beide ebenso wie Borgil das Haus der Weißen Dame längst verlassen haben. Eine der Frauen, die dort in Diensten steht, lässt bei ihrem Bericht darüber keinen Zweifel daran, dass sie alle drei Patienten für hochgradig stur, eigensinnig, unvernünftig, leichtsinnig und noch so einiges andere hält. Und Arwen kann sich nicht entscheiden, ob sie schockiert über den offensichtlichen, unvernünftigen Eigensinn der Drei sein soll, immerhin sind sie  kaum den Hallen Sithechs entronnen. Oder ob sie erleichtert sein soll, dass sie alle drei leben, und es ihnen offensichtlich so gut geht, dass sie TianAnmen auf ihren eigenen Beinen verlassen haben - zumindest mehr oder weniger auf den eigenen Beinen. Erst hatte sie überlegt, Niniane aufzusuchen um zu sehen wie es ihr wirklich geht. Und dann den Gedanken sofort wieder verworfen. Vermutlich will die Waldläuferin vorerst nichts als ihre Ruhe, um sich von diesem wahr gewordenen Alptraum zu erholen. Einen anderen Gedanken allerdings setzt Arwen schon am nächsten Tag in die Tat um.
>Aber versprecht mir, dass Ihr wenigstens die Nachtwache in einem Tempel nachholt, sobald das hier vorbei ist.< hatte Niniane den frisch geweihten Amur-Priester gebeten, ehe sie aufgebrochen waren, um den Dämon endgültigen zu stellen. Doch das Schicksal hatte anderes mit Eade vorgehabt, hatte ihm keine Zeit mehr gelassen, die Nachtwache zu halten. Und sein Leichnam ist verschwunden, wie Olyvar ihr berichtet hat, es wird also auch keine Bestattung geben wie sie ihm zugestanden hätte. Und so verbringt Arwen die Nacht wachend und betend im Tempel Anukis', wachend an seiner Statt und betend nicht nur um dem Toten und den Göttern Respekt zu erweisen, sondern auch um ihrer Selbst Willen. Denn ganz gleich was Olyvar auch über Azra und deren Angriff auf sie gesagt hat, Arwen fühlt sich noch immer, als habe sie versagt, und mit ihrem Versagen den Tod des Asrai heraufbeschworen. Diese Nachtwache ist sie ihm, den Göttern und auch sich selber schuldig, und es bringt ihr einen Teil ihres Seelenfriedens zurück, nur einen kleinen Teil, aber immerhin den.


In den Wochen nach der Heimsuchung durch den Diunornyiran ist auf dem Ulmenanwesen langsam wieder Ruhe und der gleichmäßige Rhythmus des Spätsommers eingezogen. Die Knechte bringen die letzten Fuder Heu ein und graben einige Beete ein letztes Mal in diesem Jahreskreis um, die bereits abgeerntet sind und nun noch einmal von Cassandra mit Spinat, Kohlrabi und Winterkohl besetzt werden. Zwiebeln und Knoblauch für die Frühjahrsernte werden gesteckt und die Mägde sind mit der Ernte im Obstgarten beschäftigt. Äpfel, Birnen, Pflaumen, alle sind sie reif und müssen geerntet, verarbeitet und eingelagert werden. Die Nüsse warten ebenso, dass ihnen ihr Teil an Aufmerksamkeit zukommt. Und so oft sich die Gelegenheit bietet, ist Cassandra mit einem der Mädchen und Natie in den umliegenden Wiesen der Stadt und im Wald, um dort das späte Wildobst und Pilze zu sammeln, die beide in diesem Jahr mehr als reichlich sprießen. Und nicht selten werden sie von Arwen und Rialinn begleitet. Ein Teil ihrer gesammelten Ernte findet stets noch am selben Tag den Weg in das Essen, der Rest wird geputzt, eingekocht und eingelegt oder getrocknet. Auch wenn die Tage oft noch strahlend und sonnig sind, der Herbst sendet seine Boten mehr als deutlich voraus, Schimmerndes Rot und Gold mischt sich in das Grün der Bäume und Sträucher udn wird immer mehr zur vorherrschenden Farbe, und ein leises Wispern der Blätterliegt im Wind, so als reibe man trockenes Pergament aneinander. Und auf den Herbst wird unweigerlich der Winter folgen und so den Kranz von Amitaris Krone schließen. Und für diese dunkle Zeit des Jahres, wenn Erde und Pflanzen ruhen, müssen nun, in den Monden des Sommers und des Herbstes die Vorräte geschaffen werden. Sowohl Arwen als auch Cassandra stellen jeden Tag mit zufriedenem Blick fest, wie sich die Vorratskeller wieder mit dem füllen, was das Ulmenanwesen und ie Wiesen und Wälder rund um Talyra in diesem Jahr hervorgebracht haben. Sie alle können mehr als zufrieden mit den Früchten ihrer Arbeit sein.

Einen ganzen Tag hat Arwen dann noch mit Cassandra und den Mägden in der Halle verbrach, vor sich auf dem großen Eichentisch vor dem Kamin verschiedene Haufen mit Blättern, Zweigen, Ranken, Gräsern und Halmen und den verschiedensten Dolden von Früchten und Beeren, mit Waldreben, Herbstanemonen, Kastanien mit und ohne Hülle, Wintersegge und Federborstengras. Ein wahres Farbenmeer hat sich auf dem Tisch ausgebreitet, verschiedene Grüntönen von Ilex, Tanne, Kiefer und Fichte, alle Abstufungen von Rot und Gold im bunten Laub der Ulmen, Buchen und anderer Laubbäume, ruhiges Braun der Weinranken, gelbe, rote und blaue Beerendolden, Hagebutten und die verschiedensten Formen der Rankgewächse von den Mauern des Hauses. Mit dünnen Bändern aus Hanf und Bast haben sie Kränze für die Gesindetür der Küche, das Gesindehaus, sogar für die Stalltür und eine Girlande für die große Eingangstür gewunden. Der Sommer ist vorbei, der Herbst hat Einzug in den Immerlanden gehalten, und so wie Arwen es aus den Tagen ihrer lang vergangenen Kindheit kennt und wie sie es auch in den vergangenen Jahren hier in Talyra gehalten hat, hat sie das Haus und das Anwesen mit den Farben und Früchten der herbstlichen Natur geschmückt. Und dabei immer ein Auge auf Rialinn haben müssen, die sich anscheinend vorgenommen hat jedes, aber wirklich auch absolut jedes Blatt, dass seinen Baum verlässt und gen Boden segelt aufzusammeln und zu inspizieren - und am liebsten würde ihre Tochter jedes Blatt, das auch nur ansatzweise rot oder gold verfärbt ist auch behalten. An manchen Tagen kommt Arwen sich vor, als müsse sie ihre Tochter daran hindern, das halbe Larisgrün ins Haus zu schleppen, und die Hälfte, die sich bereist im Haus befindet wieder hinaus tragen.

Während Arwen sich jetzt am Ende des Blätterfallmondes und mit dem Nahen des Winters immer öfter zu herbstlichen Ausflügen ins Larisgrün aufmacht, um Kleinwild für den Fleischvorrat zu jagen, hat Cassandra in ihrer Küche den letzten Akt ihrer alljährlichen Einkoch-Symphonie in Angriff genommen:
Die Mädchen haben im Wald Apfelbeeren gesammelt, die nun entsaftet werden, sich in Gelee verwandeln und ein ums andere Glas den Keller füllen. Und deren Reste bei den Schweinen heiß begehrt sind, was allabendlich wüste Rangeleien unter den Ferkeln auslöst - sehr zur Erheiterung von Natie, die ihre Mutter stets begleitet, wenn diese die Reste unter das Futter für die Schweine mischt. Um die Quitten ist es da schon anders bestellt, von denen landen so gut wie keine Reste im Futtertrog der Schweine. Während das Gelee sich zu den Apfelbeerengläsern im Keller gesellt und die Regale noch weiter füllt, werden die entsafteten Reste gehackt, durch Siebe gepresst, mit Saft von den frisch geernteten Äpfeln, Zucker und Honig so lange gekocht, bis Cassandra eine ziemlich zähe Masse erhält, die sie in großen Auflaufformen im kühlen Keller fest werden lässt, ehe sie das Quittenbrot in Würfel schneidet und die in fein gemahlenen Nüssen gewälzt werden, bevor sie in einer gut verschließbaren Dose in einem ebenso gut verschließbaren Schrank wandern - um sie vor hungrigen, kleinen Leckermäulern in Sicherheit zu bringen. Nicht nur Natie liebt diese kleinen, weichen Happen, auch Rialinn hat das 'Widdenbod' zu ihrer erklärten Lieblingsnascherei gemacht.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 04. Dez. 2005, 22:34 Uhr
Es ist früher Morgen, vom Sonnenaufgang ist noch nicht einmal der Hauch einer Ahnung zu spüren, geschweige denn zu sehen, als Cassandra in der Küche auftaucht, sich ein sauberes Leintuch fest um ihre hochgesteckten Haare legt und es im Nacken verknotet. Im Ofen schlummert ein Nest roter Glut unter einer weichen Decke aus grau-weißer Asche, und mit etwas trockenem Reisig werden daraus erste kleine Flammen, die wenig später hungrig über die nachgelegten Holzscheite züngeln. Heute sollen die Gänse geschlachtet werden, und es würde nicht mehr lange dauern, bis sich alle Mägde und Knechte zu einem raschen Morgenmahl hier in der Küche versammeln würden. Es steht noch genug zu tun an, ehe die eigentliche Schlachtung beginnt, da wird keiner Zeit mit einem langwierigen Essen am Morgen verschwenden - und das nicht nur, weil Cassandra solch ungenutzt verstrichene Zeit an einem Schlachttag niemals dulden würde.
Und so ist an diesem Tag das Leben auf Vinyamar nicht nur für Lady Arwen und Ullmar die zur Jagd ins Larisgrün wollen schon früh erwacht. Während die Oberste Magd sich um das Morgenmahl kümmert, eilen Knechte und Mägde durch das Haupthaus und die Wirtschaftsgebäude, heizen Öfen und Kamine an und setzen große Kessel mit Wasser auf. Das Schlachten der Gänse heute ist erst der Anfang der Schlachtzeit auf dem Ulmenanwesen. Den Gänsen werden in einigen Tagen die Enten folgen und im Nebelmond dann die Schweine. Und zwischendurch, was auch immer die Herrin von Vinyamar von der Jagd nach hause bringt. Und damit wie an jedem anderen Schlachttag auch, wartet viel Arbeit für das gesamte Gesinde - und kochendes Wasser ist nur eines der vielen benötigten Dinge. Immer wieder sieht man Knechte und Mägde über den Hof laufen, eingewickelt in warme Mäntel gegen die neblige Kälte des mehr als frühen Morgens und mit Kiepen und Körben beladen, mit Messern, Handbeilen, Eimern, Schüsseln, Trögen, Körben voller Beuteln mit wertvollem Salz und teuren Gewürzen.

Ullmar und die Elbin haben noch vor dem Gesinde gegessen, und während Gerion die Pferde gesattelt und dann zusammen mit dem Großknecht die Satteltaschen, Schlafpelze und Decken aufgeladen und festgeschnürt hat, hat sie zwei Beutel mit ausreichend Verpflegung gepackt - und bei Cassandras Vorstellungen von ausreichend wird es vermutlich ohne weiteres für drei oder vier Tage reichen. Die Runde jetzt hier am Tisch ist im Vergleich zu den sonstigen Morgenrunden schon fast erschreckend klein. Lady Arwen und Ullmar sind schon unterwegs - mit einem Wargen zusammen zur Jagd, Götter, darüber darf sie gar nicht nachdenken, dann wird ihr angst und bange. Nicht, dass Cassandra Vorurteile hätte oder den ganzen Ammenmärchen all zu viel Glauben schenken würde, aber unheimlich ist ihr der Gedanke trotzdem. Rialinn schläft zum Glück noch und Natie ist oben bei ihr, würde den ganzen Tag die Kleine hüten müssen und kann somit auch nicht im Schlachthaus oder in der Küche helfen. Und Calythia... ja, diese elbische Magd ist ein Thema für sich. Ein Thema, mit dem man Cassandra von jetzt auf gleich auf den Baum treiben kann - in Ermangelung einer Palme tut's da auch eine der Ulmen. Nach dem Dämonenangriff waren Schreiber der Stadtwache in jedes Haus gekommen, hatten nach Vermissten oder Toten gefragt, und sie hatten ihnen Calythia als vermisst gemeldet. Doch als sie ihnen dann die Elbin beschrieben haben, hatte der Botenjunge, der den Schreiber begleitete nur erstaunt gemeint, die Elbin hätte er gesehen, ganz und gar lebendig, sie wäre im Branturm und würde dort bei Maester Ballabar helfen. Nach den Befürchtungen, Calythia sei dem Dämonenfeuer auf dem Marktplatz zum Opfer gefallen, war die Erleichterung groß gewesen. Inzwischen hat sich diese Erleichterung allerdings mehr als gelegt und ist einer latenten Empörung gewichen. In den ersten Tagen nach dem Inferno haben sie alle Verständnis dafür gehabt, dass das Mädchen im Branturm der Steinfaust geblieben ist. Cassandra und Ullmar hatten selber gesehen, wie es dort zuging, und dass man dort jede helfende und kundige Hand gebrauchen konnte. Doch das ist vorbei. Die meisten Verletzten haben die Steinfaust längst verlassen, sind in den Kreis ihrer Familien zurückgekehrt, haben ihre Häuser wieder aufgebaut, oder, wo dies nicht möglich war, Obdach in den Tempeln gefunden. Calythia allerdings hat ihren Dienst auf Vinyamar noch immer nicht wieder aufgenommen, und das führt zu verständlichen Mißstimmungen unter dem Gesinde. Die beiden anderen Mädchen murren, mit welchem Recht die Elbin den gleichen Lohn bekäme wie sie, wo sie doch nicht die gleiche Arbeit täte. Etwas, das Cassandra genauso sieht, und dann wenn sie keiner hört noch die Frage hinterher schiebt, was sich Calythia denn denke, wer ihren Lohn bezahlt, die Steinfaust oder die Herrin von Vinyamar. Aber wie auch immer, Cassandra hat gar nicht erst damit gerechnet, dass diese Elbin ausgerechnet heute hier erscheinen und ihren Dienst wieder aufnehmen würde. Und so wird sie das Gänseschlachten eben mit zwei Mädchen und zwei Knechten bestreiten; alles eine Frage der Vorbereitung und Organisation.

Das Morgenmahl ist rasch vorbei, die Vorräte vom Tisch in Schränke und Keller geräumt und das wieder saubere Geschirr im Schrank verstaut. Nun kann es losgehen, die letzten Stunden der Gänse haben geschlagen. Lady Arwen hatte am morgen noch vor ihrem Aufbruch das Gänsegatter kontrolliert. Die Altgänse, die sie über den Winter für die Nachzucht im kommenden Zwölfmond füttern würden waren von den zur Schlachtung bestimmten, getrennt in den Stall gesperrt worden. Die Herrin hat ein Gebet gesprochen, von dem Cassandra nicht ein einziges Wort verstanden hat, doch bei dem Singsang ist es bestimmt Elbisch gewesen, und das versteht sie ohnehin nicht. Und dann hatte sie die Tiere gesegnet. Sonst, wenn sie am Schlachten teilnimmt, hat die Lady jedes Tier einzeln gesegnet, ehe sie es getötet haben, und ganz zum Schluss alle gemeinsam ein Gebet gesprochen. Doch heute geht das nicht, und so muss ein Segen für alle Tiere reichen. Aber Cassandra hat ihr versprochen, dass das Gebet am Ende gesprochen wird.
Und dann beginnt die blutige Arbeit im Schlachthaus. Eine Gans nach der anderen wird erst mit einem kräftigen Schlag auf den Kopf betäubt (kein leichtes Unterfangen, denn das Federvieh kann ziemlich biestig werden, wenn man ihm ans Leben will), dann auf den Hackklotz gelegt und ein rascher Hieb mit dem Handbeil trennt den Kopf vom Körper. Der Kopf wandert sofort in einen bereit stehenden Eimer, während einer der Knechte dafür Sorge trägt, dass der ausströmende Lebenssaft des Federviehs sich nicht über den Boden im Schlachthaus verteilt und ihn in einen eibenbeerenroten See verwandelt, sondern möglichst in einen der Tröge fließt, damit daraus später Gänsepfeffer gemach werden kann. Wenn das Tier ausgeblutet ist, werden ihm die Handschwingen abgetrennt und zum Trocknen beiseite gelegt. Die Flederwische eignen sich ausgezeichnet um Staub zusammenzufegen, den Backofen und den Küchenherd zu reinigen und schließlich werden die Schwungfedern zum Schreiben gebraucht. Und dann sind die Mägde dran. Heißes Wasser brodelt in großen Kesseln vor sich hin, und sie brauchen es auch eimerweise um die Gänse abzubrühen und zu rupfen. Die Federn und Daunen wandern allesamt in große Körbe um später in großen Gestellen auf dem Dachboden zum Trocknen ausgebreitet zu werden, ehe man sie nochmal über Wasserdampf reinigen und dann zur Füllung für Decken und Kissen verarbeiten würde. An diesem Tag wird sich wieder bewahrheiten, was schon lange von Generation zu Generation weitergegeben wird: Die Gans gibt Federn, Fleisch und Fett, zwei für den Magen, eins für's Bett.
Weiter geht es mit dem Ausnehmen der Gänse, nur wenig von den Innereien kann verwendet werden. Die Lebern wandern sofort in eine mit grünen Matten aus den Blättern der Shenrah-Fackeln ausgelegte und abgedeckte Schüssel, aus ihnen wird Cassandra Leberpasteten machen. In einer anderen großen Schüssel sammeln sich die Herzen, dazu die ausgewaschenen, aufgeschnittenen und von der Innenhaut befreiten Magen. Mit Argusaugen achtet Cassandra darauf, dass die Innereien nicht mit dem restlichen Gänseklein vermisch werden. Denn das Gänseklein, also die abgeschnittenen, kleinen Teile der Gans, die Flügel, Füße, Kopf und das Fleisch des Halses werden bis zur Zubereitung des Gänsepfeffers in gut gewürztem Essigwasser, das mit Salz,  Pfeffer, Zwiebeln, Petersilie, Gelben Rüben, Lauch, Lorbeerblatt, Pfefferkörner und einem Nelkenkopf versehen ist eingelegt. Das Fleisch der Gänse wird säuberlich zerlegt, die Keulen in Essigtücher gewickelt und in die Eiskeller gebracht, ebenso wie ein Teil des Brustfleisches, doch die besten Stücke werden für einige Tage mit Salz und Wachholder eingelegt, ehe sie in den Rauch kommen. Es ist

Späten Abend kann man es schon nicht mehr nennen, als Cassandra das Schlachthaus verlässt und die restlichen Arbeiten, das Aufräumen, Wischen und Reinigen den Mädchen und Knechten überlässt, es ist schon fast Nacht. In der Küche wartet auf sie der Trog mit dem Gänseklein, die Schüssel mit der Gänseleber - und ihre auf der Bank eingeschlafene Tochter. Auf ihre Frage nach Rialinn kommt nur ein verschlafen genuscheltes "dieschläftschonlangeinihremBett", dann rollt Natie sich zusammen wie eine Katze und schläft weiter. Mit einem Lächeln deckt sie ihre Tochter mit dem Mantel zu und macht sich daran, die Leber zu verarbeiten, ehe sie nicht mehr zu gebrauchen ist. Und während sie in einem großen Kessel auf dem Herd das Gänseklein in seinem Essigwasser zusammen mit den Herzen aufkocht, macht sie sich nebenher an die Zubereitung der Leberpasteten, die noch vor dem Fleisch der Gänsebrüste geräuchert werden sollen, damit sie möglichst länger etwas davon haben, als wenn die Leber nach an diesem Abend einfach nur mit Zwiebeln in der Pfanne landen. Es ist tief in der Nacht, als auf Vinyamar endlich die letzten Kerzen erlöschen und nach einem arbeitsreichen Tag, einem reichlichen Essen mit frischem Gänsepfeffer die Stille rechtschaffen erschöpfter Schläfer über das Anwesen kriecht.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 24. Feb. 2006, 17:58 Uhr
Es ist schon später Abend als Arwens Blick sich für endlose Augenblicke im Spiel der Flammen vor ihr im Kamin verliert. Was auch immer ihre Augen im wirbelnden Tanz aus Rot und Gold sehen mögen, es ist nicht aus dieser Zeit und an diesem Ort. Ein Ruck geht durch die schlanke Gestalt, als ihre Gedanken ins Hier und Jetzt zurückkehren. In den letzten Wochen passiert es ihr immer öfter, dass ihre Gedanken sich selbständig machen und durch Gegenwart und Vergangenheit wandern. Die letzten Jahre sind nicht immer glücklich gewesen, aber wenn sie an die nahe Vergangenheit denkt, muss Arwen allem zum Trotz unwillkürlich lachen - und sticht sich ob der Unachtsamkeit prompt mit der Nadel in den Finger, anstatt in den Saum von Rialinns Hemd.

Der Winter ist so streng wie sie ihn noch nie zuvor hier in den Herzlanden erlebt hat, kälter und schneereicher als in den Jahren zuvor. Klirrender Frost hält das Land in seinem eisigen Griff, Baum und Strauch ist unter einem dicken Panzer aus schimmerndem Reif verschwunden. Nicht nur das Larisgrün hat sich in eine winterweiße Wunderwelt verwandelt. Nahezu jeder Tag und jede Nacht bringt neuen Schnee, der sich bald fast zwei Schritt hoch auftürmt. Eiszapfen hängen dicht an dicht an den Dächern, die unter der ungewohnten Schneelast ächzen. Doch ebenso ächzen die Bewohner der Weltenstadt unter Frost und Schnee. Überall sieht man nur noch dick vermummte Gestalten in den Straßen. Und wer Wege und Straßen von der weißen Pracht befreien oder Dächer von ihrer quaderschweren Last befreien muss, der fragt sich ächzend, wie der selbe Schnee, der schwebend und tanzend vom Himmel sinkt, am Boden so schwer sein kann. Arwen allerdings fühlt sich bloß an ihre Jugend im Reich ihres Onkels erinnert, an lange Monde, in denen Shenrahs Auge kaum über den Horizont kam, an klirrenden Frost und mehr Schnee als die Bewohner der Herzlande sich vorstellen können.

Aber der Schnee dieses Winters hatte noch ganz andere Folgen als bloß wandernde Schneedünen im Garten. Cassandra ist bei ihrem Besuch Morganas so unglücklich ausgeglitten und gestürzt, dass sie sich den Fuß so sehr verdreht hat, dass sie einige Zeit nicht recht laufen konnte. Etwas, das sie natürlich nicht hatte wahrhaben wollen, und sich und den Fuß natürlich nicht im Geringsten geschont hatte. Mit dem Ergebnis, dass das Gelenk dann so sehr angeschwollen war, dass Ullmar es reichlich uncharmant mit einem aufgehenden Hefekloß verglich. Es passt Cassandra überhaupt nicht, dass ihr Fuß sie nun zwingt, sich zu schonen, und entsprechend ist ihre Laune. Überhaupt Ullmar. Seit ihrem Besuch in Haus Alvineyard trägt Cassandra eine auffällige hölzerne Haarnadel, aber über das woher und von wem schweigt sie sich eisern aus (wie überhaupt über ihren unfreiwilligen Aufenthalt bei der Heilerin und dem Elben). Und das lässt den Obersten Knecht des Ulmenanwesens schier verrückt werden, weil er sich einbildet, ein heimlicher Verehrer habe sie Cassandra geschenkt.  
Die Sithechnacht und der Jahreswechsel nahen mit großen Schritten, und dass sie die Vorbereitungen nur anleiten und nicht selber mit Hand anlegen kann, wurmt Cassandra gewaltig. Und Natie nicht weniger, deren allwinterlicher Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen nun die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Mutter hat - jede Flucht ausgeschlossen. Doch auch ohne das tatkräftige Zupacken der Obersten Magd gehen Arwen die Vorbereitungen für das Essen der Sithechnacht leicht von der Hand. Und das Essen im großen Kaminzimmer im Schein dutzender schimmernder Kerzen, deren Bienenwachs sachten Honigduft verbreitet, ist ein voller Erfolg. Es wird geredet, gescherzt und gelacht, Geschenke werden ausgetauscht und kein Bissen bleibt auf den Tellern, Schüsseln oder Platten zurück. Selbst Kaney, der Arwens schon im Herbst ausgesprochene Einladung zur Sithechnacht nicht vergessen hatte, schien sich wohl zu fühlen. Etwas, das bei seiner Ankunft nicht ganz so hatte scheinen wollen. Arwen hatte es schon auf dem Markt gehört, dass der Lord Commander den Wargen zum Offizier ernannt hatte. Aber etwas hören und den jungen Mann dann in seiner neuen Aufmachung, im blauen Offiziersumhang mit der silbernen Fibel der Steinfaust an der Schulter zu sehen, sind zwei völlig verschiedene Dinge. Und die Blicke, die die beiden Mädchen ihm beim Essen stets und ständig zugeworfen haben, hatten ein Übriges getan, um Arwens Jagdgefährten immer wieder die Röte ins Gesicht zu treiben. Arwen kann es den beiden nicht ganz verdenken. Cassandra wacht über sie wie eine eifersüchtige Glucke, und Kaney ist als Offizier der Steinfaust sicher eine gute Partie. Zumindest wenn man einmal davon absieht, was potentielle Schwiegereltern von einem Mann halten, dessen Augen und Zähne das wölfische Wandlerblut nicht leugnen können. Es ist Ullmar, der mit seiner Erzählung von den durchgedrehten Wildschweinen und nicht minder merkwürdigen Weißhaaren im Larisgrün die Befangenheit vertreibt - und den Mädchen in der Küche klar macht, dass sie gefälligst aufhören sollen, den jungen Mann anzustarren wie liebeskranke Pfirsiche. Nachdem der Sithecheber (eben jener Überläufer, von dem Ullmar grade erzählt hat) verspeist ist, holt Arwen die mittwinterlichen Geschenke hervor: Rialinn bekommt etwas braunes, pelziges, das sie sofort mit einem strahelnden 'Mein Bär!" an sich presst und für den Rest des Abends (und die folgenden Tage) nicht mehr loslässt. Ein neues Mundmesser mit einem Griff aus dunklem Holz für Ullmar, für Cassandra zwei große Schultertücher aus feinster Laiginer Wolle, Natie bekommt eine große in Buchenholz gefasste Wachstafel zum Schreiben (die bei weitem nicht ganz so viel Freude erntet wie die hölzerne Gliederpuppe im letzten Jahr), die Mädchen und Knechte bekommen neue Mäntel aus fein gewalktem Loden, keiner geht an diesem Abend leer aus, auch Kaney nicht - von Calythia einmal abgesehen, aber die ist ohnehin wieder einmal nicht anwesend. Nachdem Kaney Arwen während des gemeinsamen Jagdausfluges erzählt hatte, dass sein Bogen lediglich eine Leihgabe aus den Waffenkammern der Steinfaust ist, wartet auf ihn nun ein Jagdbogen feinster elbischer Machart und dazu ein Dutzend schlanker, milchweißer Pfeile mit grauen Gänsefedern. Es ist schon späte Nacht, als sich die Runde schließlich auflöst, alle ihren Schlafplätzen zustreben und Arwen Kaney erklärt, dass Ullmar ihn am nächsten Morgan an der Steinfaust mit dem Fuhrwerk abholen würde um seinen Anteil an der Jagdbeute zur Hütte im Larisgrün zu fahren, tragen könne er all die Würste, Schinken, Dörr- und Räucherfleisch unmöglich alleine. Eine Ablehnung überhört sie einfach, und verschweigt ihm bei der Gelegenheit auch gleich, dass Cassandra dem Fleischvorräten noch eine reichliche Auswahl an getrocknetem und eingekochtem Obst und Gemüse aus den Kellern Vinyamars hinzugefügt hat. Das würde er dann morgen schon noch früh genug merken, und Arwen ist sich sicher, dass Ullmar dafür sorgen wird, dass Kaney die Sachen auch annimmt.

Der neue Zwölfmond  beginnt, wie der alte geendet hat: mit eisigem Frost und noch mehr Schnee. Rialinn macht ihrem Beinamen Siranfaêr - Wintermond - alle Ehre. Seit der erste Schnee gefallen ist, kriegt sie sich kaum noch ein. Warm und trocken eingepackt in gefütterte Hosen und Überwürfe, tobt sie durch die weiße Pracht im Garten, als habe sie sich vorgenommen, den Schnee auf jedem Quadratsekhel im Garten mindestens zweimal umzugraben. Überall sind die Spuren ihrer kleinen pelzgefütterten Stiefel im Garten zu finden, und wenn sie könnte wie sie wollte, würde sie die verschneiten Dächer von Schlachthaus und Räucherkammer als Rutsche benutzen. Eine wie sie findet a-b-s-o-l-u-t logische Nutzung, immerhin hat der Wind den Schnee an der einen Wand genau für diesen Zweck bis hoch zum Dach aufgehäuft. Nur mit Mühe kann Arwen ihr selbiges ausreden; mit sehr viel Mühe und dem angestrengten Überhören eines wütenden Trotzanfalls, der alles schlägt, was Rialinn jemals bisher aufgeführt hat.
Die Wochen vergehen ansonsten im ruhigen Gleichklang eines verschneiten Winters. Vor den Fenstern stehen Webstühle und Stickrahmen, es wird genäht und gesponnen, eben all jene Arbeiten, für die im Rest des Jahres immer zu wenig Zeit ist werden nun erledigt. Auch Rialinn bekommt neue Kleider genäht, was auch dringend notwendig ist, so rasch wie sie wächst. Etwas, das Arwens Tochter nicht so richtig Spaß macht, denn das Stillstehen beim Anprobieren und Abstecken überfordert ihre Geduld bei all dem Schnee, der draußen auf sie wartet.
Dem Silberweiß folgt der Eisfrost und mit ihm die Faêyrisnacht, der Hohe Tag der Mondfrau. Seit alters her wird an diesem Tag das Gesinde ausgezahlt oder für einen weiteren Jahreslauf in Dienst genommen. Wie schon in den Jahren zuvor behält Arwen Mägde und Knechte für ein weiters Jahr in ihrem Haus, und stattet sie angesichts des ungewohnt strengen Winters neben den üblichen Dingen des Alltags mit warmen, mit Kaninchenfell gefütterten Stiefeln aus. Nur Calythia bekommt ihren restlichen Lohn ausgezahlt und muss dann ihre Sachen packen, sie wird von Arwen nicht für einen weiteren Zwölfmond in Dienst genommen. Eigentlich ist es Tradition, dass an diesem Tag das Gesinde dienstfrei hat. Doch in diesem Jahr hat sich die Grippe auf Vinyamar eingenistet und niemandem steht der Sinn nach einer Feier. Außer Arwen und Daira hüten alle mit hohem Fieber, Husten und Schnupfen ihre Betten. Arwen selber kann die Grippe nichts anhaben, doch Rialinn ist noch zu klein, als dass die Abwehrkräfte ihres elbischen Blutes sich schon voll entwickelt und sie gegen diese Krankheit geschützt hätten. Und so ist es an Arwen und ihrem Mädchen, literweise fiebersenkende Tees aus Weiden- und Kirschrinde zu brühen und kräftigende Brühe zu kochen, Wadenwickel anzulegen und zu erneuern, Decken aufzuschütteln, Zimmer zu lüften, Bettzeug zu wechseln und bergeweise verschwitzte Wäsche zu waschen. Rialinn erwischt es als erste und auch am heftigsten. In der Nacht fängt es mit leichtem Husten an, und noch vor Sonnenaufgang glüht der kleine Körper derart im Fieber, dass Arwen Gerion voller Sorge noch im Morgengrauen zum Tempel der Faêyris schickt um eine der Heilerinnen zu holen. Auch mit den Tränken der Heilerin dauert es zwei Tage, ehe das Fieber zurückgeht und Rialinn nicht mehr von fremden Männern mit roten Vögeln phantasiert, die sie ihrer Mutter wegnehmen wollen - was Arwen mehr Angst gemacht hat als das heftige Fieber, denn Tyalo, Kalmir und die roten Falken des Hauses Ancu wurden vernichtet bevor Rialinn geboren wurde. Während Rialinn sich nur langsam erholt, erwischt es Natie und Gerion und dann nach und nach auch die anderen.
Oft wandern Arwen Gedanken zu ihren Freunden, zu Morgana und Kizumu und zu Niniane, die ihr Kind unterdessen bekommen haben muss, und die sie alle so lange nicht mehr gesehen hat und zu gerne besuchen würde. Doch so lange auf Vinyamar noch die Grippe umgeht, mag sie keine Besuche machen. Die Befürchtung ist zu groß, dass sie obwohl sie selber nicht krank ist doch die Kinder der anderen anstecken könnte. Allein bei dem Gedanken, das Neugeborene von Niniane und Cron könnte sich anstecken, wird ihr sterbenselend. Und so verschiebt sie alle Überlegungen zu irgendwelchen Besuchen erst einmal auf unbestimmte Zeit.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 17. März 2006, 16:10 Uhr
Irgendwann geht auch der Nannar vorüber, und mit ihm endlich die letzten Nachwirkungen der Grippe auf Vinyamar. Mit Ullmar hat auch der Letzte endlich den hartnäckigen Husten hinter sich und die Fieberschwäche überwunden. Der Carsair gibt sich alle Mühe, seinem Namen gerecht zu werden. Wirkliches Tauwetter will zwar noch nicht einsetzen, aber zumindest gibt es keinen neuen Schnee mehr. Und das ist in Anbetracht der Berge, die sich in Straßen und Gärten bereits türmen auch schon viel wert. Mit jedem Tag der vergeht bleibt die Sonne ein wenig länger am Himmel, lässt die dunklen Schneewolken der vergangenen Monde zu Erinnerungen verblassen und steht in dem sanften, goldenen Glanz den nur die Vorfrühlingssonne hat an einem hohen, klaren Himmel. Tagsüber muss die Frostmaid ihre Herrschaft immer öfter aufgeben, nur um sich des Nachts ihr Reich zurück zu erobern und die kleinen Seenlandschaften aus Tauwasser und Pflastersteinen in spiegelglatte Eisflächen zu verwandeln, auf denen die Kinder am nächsten Morgen schliddernd Geschicklichkeit und Gleichgewicht unter Beweis stellen. Eine Fortbewegungsweise, die sie deutlich besser beherrschen als jeder Erwachsene, der gewollt oder ungewollt auf diesen trügerischen Untergrund gerät.
In den Gärten taut der Schnee nur langsam weg, vor allem auf jenen Flächen, auf denen der Wind die Schneedecke dünn gehalten hat. Frisches Gras ist noch keines zu finden. Alles was von der grünen Decke des vergangenen Sommers geblieben ist, sind gräulichgrüne Halme auf matschigem Untergrund, denen man das Erwachen der Natur noch nicht recht ansehen kann. Die Sithechrosen , die nur im Schnee und Kälte blühen, zieren sich nun mit den Samenständen anstatt Blüten. Doch ihre Nachfolgerinnen haben ihren Winterschlaf längst beendet. Überall, wo der Schnee dünner wird und unter dem warmen Kuss der Sonnenstrahlen schwindet, unter Bäumen, Sträuchern und Büschen oder in geschützten Ecken auf de weiten Rasenflächen schieben sich zarte grüne Halme hervor, entfalten sich und geben sich als schmale Blätter zu erkennen, denen nur wenig später hellgrüne Halme folgen, an denen zierliche weiße Blüten im sachten Wind wippen. Die ersten Schneeglöckchen, sonst oft schon zum Fest der Mondfrau zu finden, haben unter der eisigen Faust des diesjährigen Winters bis in den Taumond hinein ihren Schlaf im Schutz von Schnee und erde gehalten. Und wie jedes Jahr sind sie das Versprechen, dass auch auf diesen Winter ein Frühling folgen wird.

Rialinn findet den tauenden Schnee zwar nicht halb so schön wie das weiße Gestöber zuvor, aber als sie die ersten blühenden Schneeglöckchen entdeckt, ist sie völlig aus dem Häuschen. Wie ein kleiner Springteufel hüpft sie von einem Blütentuff zum nächsten, quietscht und lacht vor Begeisterung und kann sich gar nicht entscheiden, welche von den Blüten die schönste ist. Denn die Schönste von allen will sie pflücken und mit hinein nehmen. Eigentlich würde sie viel lieber alle pflücken und mitnehmen, und nur widerwillig lässt sie sich das von ihrer Mutter ausreden, und nur unter der Bedingung, dass sie eine - die Schönste - pflücken und mitnehmen darf. Schließlich entdeckt sie eines, dessen Blüte innen grüne Flecke und gelbe Streifen hat und entscheidet, dass sei die Schönste, die Königin aller Schneeglöckchen. Mit einer Behutsamkeit, die man dem eben noch hüpfenden Energiebündel nicht zugetraut hätte, legen sich kleine Kinderhände an das Schneeglöckchen und pflücken es. Wieder zurück im Haus bricht dann ein nicht enden wollender Fragenstrom über Arwen herein: Wie heißt die Blume? Warum heißt sie so? Wer hat ihr den Namen gegeben? Wenn das hier die Königin der Schneeglöckchen ist, wo ist dann der König? Sieht der genauso aus? Warum kann sie die anderen nicht auch ins Haus holen? Draußen ist es doch so kalt, die Blumen frieren doch bestimmt.
So geht es den ganzen Abend weiter und wenn sie nicht irgendwann müde geworden wäre, hätte es vermutlich kein Ende gefunden. Aber das Spielen draußen macht kleine Elbinnen nicht nur hungrig sondern auch müde, und so kriecht Rialinn erstaunlich friedlich nach dem Abendessen in ihr Bett. Auf dem flachen Tisch neben ihrem Bett steht ein kleiner Tonbecher, den Cassandra mit feuchtem Moos gefüllt hat, damit das Schneeglöckchen auch hier im haus möglichst lange frisch bleibt. "Eama, erzähl mir noch eine Ge-" ein ausgiebiges Gähnen unterbricht den Wunsch, "eine Geschichte."
Wie jeden Abend setzt Arwen sich also zu ihrer Tochter auf das Bett, Rialinn legt den Kopf in ihren Schoß und hält den dunkelbraunen Pelzbären im Arm. "Also gut, aber nur eine kurze Geschichte, es ist schon spät." Sie zieht die Decke ein Stück höher, bis über Rialinns Schultern.

"Die Luft war kalt und der Wind scharf, erzählte von Schnee und Winter. Aber zu Hause war es warm und gemütlich. In seinem eigenen kleinen Häuschen saß das Schneeglöckchen. Es schlummerte wohl behütet in seiner Zwiebel unter der Erde. Bal drang ein Lichtstrahl ganz fein durch den Schnee hinab und streichelte die Zwiebel mit seiner Wärme. "Komm herein!", sagte die Blume. "Das kann ich nicht", antwortete der Sonnenstrahl, "ich bin noch zu schwach, erst im Sommer bin ich stark genug." Doch noch lag draußen der Schnee und bedeckte den Boden. "Aber das dauert noch so lange!", erwiderte die Blume ungeduldig. "Dann komme ich dir entgegen. Ich werde mich strecken!" Und bald spross sie unter dem Schnee hervor, mit weißgrüner Knospe auf einem grünen Stängel und mit dicken, schmalen Blättern, die sie wie ein Mantel umgaben. Und als die warmen Strahlen der Mittagsonne sie küssten, da öffnete sie sich ganz, weiß wie der Schnee um sie herum und geschmückt mit grünen Streifen. Sie strahlte vor Freude und neigt ihr Haupt in Demut vor dem Antlitz Shenrahs. "Wunderschöne Blume sangen die Sonnenstrahlen, "wie bist du frisch uns zart." Aber die Wolken verhüllten die sonne wieder und scharfe Winde wehten über das kleine Schneeglöckchen hinweg. "Du bist zu früh gekommen!", sagten Wind und Wetter. "Noch führen wir das Regiment. Du wärest besser noch nicht herausgekommen um Staat zu machen." Aber die kleine Blume war stärker als sie selber wusste. Und so stand sie da, in ihrem weißen Rock mitten im Schnee und neigte ihr Haupt, wenn die Schneeflocken dicht und schwer herabsanken. Aber gegen Mittag kamen Kinder in den Garten und jubelten "Schaut nur, schaut! Ein Schneeglöckchen!" Das kleine Schneeglöckchen merkte in seiner Freude nicht einmal, dass es gepflückt wurde. Kleine Hände hielten sie, trugen es in eine warme Stube und stellten es ins Wasser, damit alle es sehen konnten. Und das Blümchen fühlte sich, als wäre es mitten in den Sommer versetzt worden." (*)

Die letzten Sätze spricht Arwen immer leiser, denn Rialinns Atem geht immer langsamer und tiefer, während sie in die Tiefen der elbischen Trance gleitet. Und das Ende der Geschichte bekommt sie schon gar nicht mehr mit. Behutsam hebt Arwen den Kopf von ihrem Schoß und legt ihn auf das Kissen zurück, zieht die Decke um Rialinn hoch und steckt sie unter den kleinen Schultern fest und erhebt sich dann vorsichtig um ihre Tochter nicht zu wecken. Leise huscht sie aus dem Zimmer und zieht die Tür hinter sich zu, aber ohne sie ganz zu schließen, nu so weit, dass sie Rialinn noch jederzeit hören könnte, und so, dass für Rialinn immer noch ein Lichtschein durch den Türspalt schimmert, falls sie aufwachen sollte.

Mit einem stummen Seufzen setzt Arwen sich in den hohen Sessel am Kamin und holt ihre Näharbeiten hervor. Der Saum an einem der neuen Kleider für Rialinn ist noch nicht fertig, und die Nestellöcher für die Schnürung im Rücken fehlen auch noch. Faden heraussuchen, abschneiden, in die Nadel fädeln - ihre Finger machen das alles ohne, dass sie wirklich darüber nachdenkt, was sie da tut. Manchmal scheinen Hände doch ein eigenes Gedächtnis zu besitzen. Das bewahrt Arwen allerdings nicht davor, sich schon nach wenigen Stichen dauernd in die Finger zu stechen, anstatt in den Stoff. Eine saubere Naht wird eben doch nichts, wenn man mit den Gedanken ganz wo anders is - nämlich bei dem Botenjungen, den Borgil vor einigen Tagen geschickt hatte. Er hatte anfragen lassen, ob Azra Arwen aufsuchen könne. Warum hatte der Zwerg nicht ausrichten lassen. Und Arwen hatte nicht gefragt, nur ausrichten lassen, dass sie mit dem Besuch einverstanden sei. Und sie hatte sich dabei höchst unwohl gefühlt. Borgil ist eigentlich nicht der Zwerg, der vorher anfragt, ob ein besuch genehm wäre, das hätte er auch nicht nötig, und Arwen käme nie auf die Idee, es zu erwarten. Und auch, wenn Arwen die Gedanken und Erinnerungen so weit wie irgend möglich verdrängt, glaubt sie zu wissen, aus welchem Grund die Frau des Harfenwirtes sie aufsuchen will. Und das behagt ihr noch viel weniger als der morgige Besuch eines Shebaruc-Halbblutes in ihrem Haus an sich.




(nach Hans Christian Andersen: Das Märchen vom Schneeglöckchen)

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Borgil am 19. März 2006, 22:53 Uhr
<-Die Goldene Harfe

Es ist der erste wirklich sonnige Tag im Taumond nach diesem vermaledeit langen, schneereichen und eisigen Winter, als sich Borgil und Azra von der Harfe aus nach Vinyamar aufmachen. Nachdem seine Frau tagelang wie das personifizierte schlechte Gewissen in der Harfe herumgeschlichen war, hatte er kurzerhand entschieden, dass es langsam Zeit wäre, die Sache aus der Welt zu schaffen, eine Nachricht an Arwen geschickt, damit die Hochelbin etwas vorgewarnt wäre, und Azra dann so lange bearbeitet, bis sie zähneknirschend zugegeben hatte, dass eine Entschuldigung vielleicht doch wahrscheinlich schon unter Umständen möglicherweise eventuell angebracht sein könnte. Nun ist der da, der große Tag der Generalbeichte im Hause Mitarlyr und Azra findet prompt tausend Ausreden: erst trödelt sie endlos mit Pelzumhang und Schnürstiefeln, dann wickelt sie Brenain - nur zur Sicherheit -, noch einmal, dann findet sich zunächst seine Mütze nicht, hernach die Decke, die Fellschühchen sind auf mysteriöse Weise verschwunden, und ohne sie kann man das Haus ja unmöglich verlassen, und so fort, bis Borgil die Geduld verliert und seine Frau samt dem Baby im Arm vor die Tür in die Taumondsonne schiebt. "Wir gehen jetzt, Herzblatt. Es wird nur schlimmer, je länger du es hinauszögerst. Gib mir den Kleinen," er nimmt ihr Brenainn aus dem Arm, der warm und sicher verpackt mit großen Augen ins helle, gelbe Winterlicht blinzelt, und weist aufmunternd in Richtung Seeviertel. Der Weg von der Harfe die breite Straße zum Ildorel hinab ist nun wirklich nicht weit und Vinyamar liegt praktisch "um die Ecke", direkt am Beginn der baumgesäumten Seeviertelpromenade, gegenüber vom alten, verlassenen De Winter Anwesen, das nach Borgils Meinung auch schon einmal bessere  Zeiten gesehen hat. Schweif nicht ab, Alter. Wie auch immer, es dauert jedenfalls nicht lange, bis die hohen Ulmen des Tores von Vinyamar in Sicht kommen und je näher sie rücken, desto stiller wird Azra an seiner Seite - und Borgil fallen leider keine aufmunternden Worte ein, die er ihr hätte sagen können, also tätschelt er ihr nur beruhigend den Arm, den sie bei ihm untergehakt hat. Er selbst würde sie nur hinbringen - mit Arwen möchte und soll sie allein sprechen -, aber er würde hier warten und in ihrer Nähe bleiben... was er ihr, das hofft er doch, auch unmissverständlich klar gemacht hat. "Ich soll dich ganz allein zu ihr gehen lassen? Ja, naja, gut, aber warum? Gibt's da etwas, das ich nicht wissen darf? Ist das so ein Teekränzchen für Frauengeheimnisse oder was habt ihr vor?" Eigentlich hatte er durchaus mitkommen wollen, aber Azra hatte ihm glaubhaft auseinandergesetzt, dass ihr niemand, absolut niemand, eine ernstgemeinte Entschuldigung abnehmen würde, wenn dabei hinter ihr ein wutschnaubender Zwerg mit der Axt im Anschlag stünde. "Ach Papperlapapp, Arwen kennt mich doch!" Hatte er empört erwidert, doch seine kleine Frau hatte nur eine Braue gehoben und vollkommen ungerührt gekontert: "Ja, eben!" Er hatte sich also widerwillig überreden lassen, sich im Hintergrund zu halten und am Ulmentor oder in den Gärten Vinyamars auf sie zu warten, von einem vorsichtigen "du kannst auch gern zu Hause bleiben, Borgil", hatte er nichts hören wollen (und die Axt hat er auch dabei, wenn auch nur ein kurzes, schweres Beil).  Jetzt sind sie da, die Bäume recken nackt und spätwinterlich entlaubt ihre kahlen Äste in einen hohen, blauen Himmel, die Vögel veranstalten in sämtlichen Hecken und Sträuchern ringsum ein ohrenbetäubendes Triller-, Pfeif- und Flötkonzert und Borgil reicht seinen dreimonatigen Sohn nur widerwillig seiner Frau... da keiner von ihnen weiß, wie lange sie bei Arwen sein würde, kann er ihn schlecht bei sich behalten, denn nur Azra kann ihn füttern. "Ich warte hier auf dich. Genau hier. Lass dir Zeit, ja, also soviel du brauchst... Arwen wird dich schon nicht gleich fressen, wenn du es ihr äh... hum. Ahem. Nun, erklärst. Lass einen Schrei los, falls du doch Hilfe brauchst, ja?"

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Azra am 20. März 2006, 22:53 Uhr
Sie läuft neben Borgil her, den Kopf so weit zurückgezogen, dass nur noch ihr Näschen aus dem cremefarbenen Pelz hervorblitzt, wie eine Schildkröte, die sich auf dem Weg zu Henker befindet. Mit einem Arm hat sie sich an Borgil festgekrallt, als wäre er ein Rettungsring und sie eine Ertrinkende. Mit abwesendem Blick betrachtet sie dabei den morgenfeuchten Tau auf den rechteckigen Pflastersteinen der Strasse vor ihren Füssen, folgt mit den Augen den dunklen Rinnen, die sich um die dunklen Steine winden, wo Moos und Flechten sich dazwischen quetschen. Borgil neben ihr schweigt, doch der zarte Druck seiner Finger auf ihrem Arm ist wertvoller als tausend Worte und auch das Einzige was sie davon abhält auf der Stelle kehrt zu machen, im Laufschritt in die Harfe zurück zu kehren und sich in irgendeinem Mauseloch zu verschanzen, und wenn sie dessen Besucher dafür eigenhändig erst verjagen müsste. Brenainn quietscht freudig in die  Gegend, strahlt mit einem zahnlosen Grinsen unter seiner dunkelblauen Wollmütze hervor und versucht mit seinen kleinen Händchen nach Borgils Bartzöpfen zu greifen, um einzelne Haare dann mit grossen Augen in den Mund zu schieben, darauf herum zu kauen, nur um den Geschmack gleich darauf für unausstehlich zu befinden und das Knäuel mit einem „Bwäh“ wieder auszuspucken. Was Azra sonst ein warmes Lächeln entlockt, kann sie heute kaum erfreuen und ihre Mundwinkel zucken nur vage hinauf und erstarren schon wieder auf halber Höhe. Der Weg ist nicht weit und er kommt ihr auch viel zu kurz vor, von ihr aus könnte er ruhig zwei Tagesreisen dauern, dann hätte sie wenigstens genug Zeit Borgil dazu zu bekehren, auf der Stelle kehrt zu machen. Doch leider liegt Vinyamar keine drei Ecken weiter und mit gesenktem Kopf blinzelt sie schliesslich nach vorne, um ihrem unausweichlichem Schicksal entgegen zu sehen, das ihr momentan gerade rabenschwarz erscheint.

Azra muss leer schlucken, als die helle, aus gehauenen Steinen bestehende Mauer Vinyamar’s in Sicht kommt, die sich mindestens dreimal so hoch, wie sie selbst, in die morgendliche, kühle Frischluft erhebt und als Krone einen Flaum von zartgrünem Moos und silberblauen Flechten trägt, dazwischen die ersten, zierlichen, blassgelben Blumenköpfchen, noch nicht grösser, als eine Schneeflocke. Sie ist schon mehrmals daran vorbeigelaufen, doch heute ist ihr, als würden sich die grossen, uralten, knorrigen Ulmen, deren Äste wie leblose, krallenartige Hände durch die Luft staken, gefährlich und düster über ihrem Kopf erheben und ihr ist fast, als würden diese Wächter des Anwesens sie beobachten und jeden ihrer Schritte genau verfolgen. Ihr Hals fühlt sich plötzlich ganz rau und trocken an und irgendwo hinter ihrem Gaumen sitzt ein Kloss, mindestens so gross, wie ein Ei und macht ihr das Atmen schwer. Nur widerwillig löst sie sich von Borgil und nimmt Brenainn entgegen, der eingewickelt in seine flauschig weichen, weissen Hasenfellumhang nur krakeelend die Arme in alle Richtungen streckt und freudig strampelt. Sanft drückt sie den Winzling, der für sein Alter erschreckend gross ist an sich, wiegt ihn ein wenig und sieht dann mit verängstigtem Blick zu Borgil, der ihr ein halbes Lächeln schenkt, dass wohl aufmunternd wirken sollte nur leider seine Wirkung vollkommen verfehlt und auch seine Worte schaffen es nicht, ihr laut klopfendes Herz ein wenig zu beruhigen. Sie wird nur ein wenig bleicher um die Nasenspitze, bringt gerade noch ein Nicken zu Stande und wendet sich dann zögerlich dem riesigen Anwesen zu, das gross und mächtig vor ihr aufragt, über und über bewachsen von den verschiedensten Pflanzen, die allmählich zu blühen beginnen und die Mauern wahrscheinlich schon bald mit einem Farbentraum aus Gelb, Grün, Blau, Gold, Rot und allen anderen erdenklichen Tönen bedecken würden, ganz zu schweigen von den herrlichen Düften, welche die Luft schwängern und jeden betören würde, der sich dem Anwesen näherte. Einen flüchtigen Wimpernschlag lang schleicht sich eine bleierne Schwäche durch Azras Beine und die Schuld auf ihren Schultern ist so schwer wie ein Felsbrocken und will sich partout, trotz ständiger, innerer Ermahnung, Arwen würde ihre Gründe, ihre Ansichten, ihre Probleme und ihre Entschuldigung sicher verstehen und annehmen, nicht abschütteln lassen und ihr schlechtes Gewissen piesackt sie sowieso bereits den ganzen Weg. Noch einmal holt sie tief Luft, gibt Borgil einen vorsichtigen Kuss und lenkt ihre Schritte dann über den silbergrauen Kies, der unter ihrem leichten Gewicht leise knirscht. Das Ulmenanwesen ist gross, wahrscheinlich fast oder genauso gross wie das Seehaus und die Ländereien dazu. Der Rasen wurde bereits gemäht, obwohl noch vom geschmolzenen Schnee getränkt, hat ein beherzter Gärtner anscheinend den Boden auch schön für eine ganze Pracht von Setzlingen vorbereitet, die dem Haus bald die passende, ebenso wunderschöne Umgebung verleihen würden. Ein Blumenmeer, ein riesiges, einzigartiges Blumenmeer.

Fast schon mit einer Spur Neugierde lässt sie den Blick schweifen, blinzelt in das weisse, warme Sonnenlicht, beobachtet halbdunkle Schatten und hält kurz inne, als sie den knorrigen, säulenhaften, kahlen Apfelbaum entdeckt, dessen Stamm wie eine wuchtige, breite Wand wirkt, rau und fast schwarz vom Alter und die Erde über seinen Wurzeln ist aufgeschichtet und bildet einen natürlichen Sitzring, der von jungem, noch etwas spärlichem Gras bedeckt ist und regelrecht dazu einlädt, sich im Hochsommer in den Kühle spendenden Schatten unter dem dichten, grüngoldenen Blätterwerk nieder zu lassen. Nicht ablenken!, erinnert sich sie sich selbst und starrt zu der Veranda hinüber, wo künstlerisch geschnitzte Säulen an einen kleinen Pavillon erinnern und wo ein dichtes Netz aus Blauregen, Goldregen und Efeu das Dach nur noch vage erahnen lassen. Mit unsicherem Schritt steigt Azra die Stufen hinauf, streicht Brenainn zärtlich über die roten Pausbäckchen, woraufhin er sich quietschend windet, nur um dann mit einem Male ganz ruhig und still zu werden und aus grossen, runden Augen die neue Umgebung mit regem Interesse zu mustern. Azra hingegen sieht nur die Tür, die schwarz und bedrohlich vor ihr in die Höhe ragt und jeder Flügel wird von einem wuchtigen, eisernen Knauf geziert, der von einem Ring durchbrochen wird, augenscheinlich Türklopfer und Türknauf zugleich. Nervosität schleicht sich ihre Beine hinauf, ihr Kopf summt und jeder Schritt, den sie weiter auf den Eingang zumacht, wird schwerer und komplizierter, als müsste sie sich selbst erst davon überzeugen, dass ihre Füsse sich jetzt gefälligst nach vorne bewegen sollen. Ihr Herz flattert, ihre Hände zittern und ihre Miene voller Verunsicherung und Angst, als würde Arwen ihr wirklich gleich an die Gurgel springen und sie auffressen. Ich kann das, sie hat eine Entschuldigung verdient, das weiss ich… Leider machen es auch diese Gedanken nicht einfacher und als sie sich schliesslich dazu durchgerungen hat, nach einem der Klopfer zu greifen und diesen gegen das schwere Holz prallen zu lassen, gefriert ihr bei dem hohlen, lauten Geräusch fast das Blut in den Adern. Unruhig vergewissert sie sich schnell das Borgil wirklich noch dasteht, wo er versprochen hat, dass er warten würde – als ob er überhaupt von diesem Platz wegzubringen wäre, wo sie es doch gerade mit knapper Müh und Not verhindern konnte, dass er mit ihr zusammen bei Arwen mit der Türe ins Haus fallen würde. Ihr Mann steht, fast so gross wie breit, sicher wie ein Fels in der Brandung beim Tor und sieht zu ihr hinüber, mit einer Schulter an die natürliche Mauer lehnend.

Da knarrt es plötzlich leise, ein hallendes, krächzendes Geräusch, als die Türe schwerfällig aufgeht und Azra fährt ruckartig herum, nur um dann für einen Augenblick völlig verwundert einer jungen Frau ins Gesicht zu blicken, deren graublaue Augen sie kurz mustern. Braunes Haar, das strickt hochgesteckt am Hinterkopf befestigt ist, schmale Züge und Fältchen in den Augen und Mundwinkeln und der Kleidung nach zu urteilen eine Dienstmagd, oder etwas Ähnliches. „Madame Blutaxt?“, fragt die Frau und öffnet die Türe vollends, ein freundliches, doch immer noch skeptisches Lächeln auf den Lippen, als müsse sie erst dahinter kommen, was der Besucher möchte und ob er angemeldet kommt, oder unerwartet. Azra schluckt den klebrigen Brei in ihrem Hals hinunter, fühlt, wie sich ihre Eingeweide zu einem kalten Geschwulst verknoten und nicht trocken, ehe sie ein leises: „Ja, das bin ich. Ich… würde gerne mit Lady Arwen sprechen.“ „Sie erwartet euch bereits im Kaminzimmer“, antwortet die Frau lächelnd und bittet Azra mit einigen Worten, sowie einer Geste ins Innere des grossen Hauses. Dankbar lässt sie sich dabei helfen, den Pelz von den Schultern zu nehmen und wickelt auch Brenainn aus Mütze und Hasenfell, um beides der Dienerin auszuhändigen, welche es fein säuberlich an eine Garderobe hängt. „Habt vielen Dank“, flüstert Azra leise, lehnt ihren Sohn gegen ihre Schulter und fährt mit ihren Fingern durch sein seidenweiches Haar, das ihm in wilden Bergen vom Kopf absteht. „Mein Name ist Cassandra, ich bin die oberste Magd hier auf Vinyamar“, stellt sich die Frau schliesslich vor und Azra bringt sogar ein Lächeln zu Stande, das aber sofort wieder bricht, als Cassandra sie bittet ihr zu folgen. Flüchtig zögert Azra, sieht sich scheu um, und eilt der Frua dann hinterher, gleichzeitig versuchend ein paar Falten aus ihrem grauen Kleid zu streichen, um nicht gehetzt, oder gar unstattlich zu wirken, obwohl sie wahrscheinlich so oder so einem Häufchen Elend gleicht.
Die Eingangshalle, mit ihren Mauern aus ungeschlagenem, weissgrauem Naturstein liegt trotz keiner geringen Grösse schnell hinter ihr und ehrfürchtig betrachtet sie die grossen, mächtigen Gobelins, auf denen in bewundernswerter Webkunst Darstellung der zwölf Götter und ihrer Archonen, sowie unzählige Elben in verschiedenen Szenarien zu erblicken sind. Solch schöne Handwerkskunst hat selbst Azra selten gesehen und nur mühsam kann sie sich selbst davon abhalten, stehen zu bleiben und eindringlich diese wundervollen, Träume weckenden Bilder mit den Augen zu verschlingen.  Runde und gebogene Bronzekerzenhalter zieren die Zwischenräume und die Kerzen spenden flackerndes, goldenes Licht, werfen aber auch tanzende Schatten an die hohe Decke. Kurz gesagt, Azra bleibt vor Staunen der Mund auf halber Höhe hängen und als sie an der dunklen, matt glänzenden Wandvertäfelung, welche den nachfolgenden Gang zu beiden Seiten ziert, schemenhafte Formen von Pflanzen und Tieren erblickt, stösst sie einen leisen Laut der Bewunderung aus und wäre im nächsten Augenblick fast in Cassandra hineingelaufen, als diese auf halbem Wege inne hält.

Mit einigen entschuldigenden, halblaut gemurmelten Worten weicht Azra sofort hektisch zurück, schielt schuldbewusst zu der Magd hinauf und beisst sich fast auf die Lippe, sich schämend für ihre unsichere, lebensgefährliche Art, doch Anmut des Hauses hat sie fast gänzlich in Besitz genommen. Der fragende Blick er Magd lässt einen kühlen Schauer über ihren Rücken kriechen und innerlich seufzend hebt sie den Kopf, atmet tief ein und versucht gleich dazu auch noch soviel Mut wie nur möglich aus der blossen Luft zu saugen, die sie umgibt. Schliesslich klopft Cassandra gegen die mannshohe Flügeltüre und das leise, jedoch klar verständliche: „Herein“, fährt Azra in Mark und Bein und sie presst Brenainn an sich, als würde ihn jemand im nächsten Augenblick von ihrer Brust reissen. Dem Kleinen gefällt das jedoch überhaupt nicht und leise quäkend drückt er sein Köpfchen gegen ihre Finger, und fast erschrocken blickt sie zu ihm hinunter, in die dunklen Augen, die munter nach etwas Interessantem suchen, derweil sich seine kleinen Fingerchen in einer losen Strähne ihres Haares verfangen.
Und dann ist es so weit und es gibt kein zurück mehr. Noch einmal streicht sie imaginäre Falten aus ihrem Kleid, strafft hoffnungsvoll die Schultern und betritt den angrenzenden Raum, nachdem Cassandra wieder herausgetreten und sie mit einer Geste hereingebeten hat. Die letzte Spur Farbe weicht aus ihrem Gesicht, als sie innerlich zitternd wie Espenlaub den grossen Saal betritt und nur knapp hinter der Türschwelle auch schon stockt, als sie Arwen erblickt. Gross, schlank und mit langem, schwarzem, glattem Haar steht die Elbin anmutig neben dem steinernen Kamin, der die hintere Wand fast gänzlich einnimmt, derweil das glühende Feuer, das hungrig über die Scheite leckt, schimmerndes Gold auf ihre Haut zaubert und Azra’s Mut, dieses hinterhältige Biest, hat sich schon längst in irgendeine Ecke verkrochen. „La… Lady Arwen“, bricht sie stammelnd hervor und hält ebenso schnell inne, als hinter dem kupferfarbenem, mit Elfenbeinstickereien verziertem Kleid der Elbin ein neugieriges, herzförmiges Gesichtchen hervorlugt und Azra ist fast so, als würde das kleine Mädchen mit den grossen, schrägen Katzenaugen freudig die Ohren spitzen, bevor ein leises: „Wer ist das Mama?“, aus dem kleinen, süssen Mund kommt und Azra fällt ein Gewicht von den Schultern, so gross wie der Yorundar. Ein vorsichtiges Lippen schleicht sich auf ihre Lippen, als sie die kleine Elbin betrachtet, die ihrer Mutter mit dem pechschwarzem Haar und den samtig grünen, nebelverhangenen Augen wie aus dem Gesicht geschnitten scheint und leises antwortet sie: „Mein Name ist Azra.“ Der Blick der Kleinen huscht sogleich interessiert zu dem strampelnden Bündel in Azras Arm, das natürlich auf sich aufmerksam machen muss, wo die Mama doch glaubt, sich für einen Moment auf etwas anderes konzentrieren zu können.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 21. März 2006, 16:15 Uhr
Der Morgen ist schneller vergangen, als es Arwen wirklich bewusst gewesen ist. Und das ist auch nicht da schlechteste, denn ihre Versuche, sich mit erneutem Arbeiten an ihren Nähereien oder gar dem Führen der Bücher vom Warten auf Azra abzulenken, sind kläglich gescheitert. Irgendwann hat sie es einfach aufgegeben und ist mit Rialinn in das große Kaminzimmer im Erdgeschoß gegangen. Die schweren Wintervorhänge sind zwar noch nicht gegen die leichteren für das Frühjahr ausgetauscht, aber dafür alle zurückgeschoben und die Fensterläden geöffnet. Weicher Spätwintersonnenschein kommt so durch die hohen, bis zum Boden reichenden Fenster und taucht das Zimmer in goldenes Licht, das Kerzen und Leuchter an diesem Tag unnötig macht. Das Holz im Kamin knackt leise in den Flammen, einer der Scheite zerfällt knisternd und funkenstiebend. In ihrem angespannten Warten erscheinen Arwen diese Geräusche überlaut, während sie in einem der Sessel am Kamin sitzt und Rialinn zusieht, die auf dem Fell zu ihren Füßen sitzt und hingebungsvoll mit ihrem Pelzbären und Holzklötzen spielt.

Der Morgen neigt sich schon dem Mittag zu, als es leise an der Tür klopft und Cassandra die Frau des Harfenwirtes herein führt. Arwen hat sich schon beim Anklopfen ihrer Obersten Magd aus dem Sessel erhoben und sieht Azra entgegen, als die die Türschwelle überschreitet - und direkt dahinter wie angewurzelt stehen bleibt. Etwas, das Arwen ein wenig verwirrt. Sie ist selber unsicher, ob es eine gute Idee gewesen ist, diesem Treffen zuzustimmen, die Erinnerungen an den Dämonen lassen sie noch immer frösteln, das Wissen darum, wer sich in dem Dämon verbarg, fällt ihr nicht eben leicht zu akzeptieren, sie ist noch immer der Ansicht, dass sie an jenem Tag jämmerlich versagt hat, und wenn sie ganz ehrlich zu sich selber ist (was ihr nicht eben leicht fällt), dann empfindet sie auch so etwas wie Angst. Angst vor der unbekannten Frau da vor ihr, einem Shebaruc-Halbblut, Angst vor dem, was passieren könnte, dass Rialinn etwas geschehen könnte. Ein ganzes Knäuel der widersprüchlichsten Gefühle schlägt fleißig Purzelbäume in Arwen, und sie tut, was sie in solchen Situationen seit ihrer Kindheit immer getan hat: sie zieht sich in sich selber zurück und vergräbt ihre Gefühle tief in ihrem Innersten. Nach außen hin wirkt sie wie stets ruhig und beherrscht, niemand könnte ihr ansehen, was sie denkt oder fühlt, nicht einmal jemand vertrautes. Und den Gesichtern der Elben sind ihre Gefühle und Gedanken von den Angehörigen anderer Völker ohnehin selten anzumerken. "Madame Blutaxt."
Liasiranis. Wintertochter. Arwen hat nicht die geringste Ahnung, wie sehr sie ihren Namen in diesem Moment zu Recht trägt, wie sehr ihre Beherrschtheit sie nicht nur kühl, sondern fast schon eisig wirken lässt. Das Stocken der zierlichen Frau ist ihr nicht entgangen, aber sie kann es beim besten Willen nicht einordnen. Aufmerksam mustert sie ihren Gast. Sie ist so zierlich wie Borgil massiv ist, und sie kann nur wenig mehr als fünf Fuß groß sein. Das zappelnde Bündel auf dem Arm der Halbelbin lenkt Arwen kurz von ihren Gedankengängen ab. Der seidige Haarflaum des Säuglings steht von der abgenommen Mütze wild in alle Richtungen ab und ist so feuerrot, dass das Kind seinen Vater beim besten Willen nicht verleugnen kann. Borgils Kind? Es ist noch so klein, wie alt mag es sein? Zwei Monde? Drei Monde? Mehr bestimmt nicht. Aber auch nicht weniger. Aber... das hieße dann ja, dass... Götter.. sie muss damals schon gesegnet gewesen sein! All die Dinge, die sie über Azra weiß oder gehört hat (und das ist wenig genug) gehen ihr durch den Kopf, die entsetzliche Sithechnacht, als man sie in die Harfe gerufen und sie Azra zum ersten mal an Borgils Seite gesehen hatte, das Gerede auf dem Markt, als Borgils Hochzeit mit ihr bekannt geworden war, und nicht zuletzt alles das, was Olyvar ihr über Azras Besessenheit durch den Dämonen erzählt hatte. Es fällt Arwen schwer, sich vorzustellen, woher dieses Persönchen schwanger und verletzt die Kraft genommen haben soll, sie auf dem Sithechacker mit einem einzigen Schlag so niederzustrecken, dass sie über mehrere Stunden ohne Besinnung gewesen ist.

Unangenehmes Schweigen will sich gerade wie zäher Nebel zwischen den beiden Frauen ausbreiten, als Rialinn beschließt, dass ihre Neugier deutlich größer ist als ihre Scheu vor Fremden und ihren Platz vor dem Kamin verlässt. Ihren Bären fest im Arm schaut sie hinter dem sicheren Schutz des mütterlichen Rockes hervor, um festzustellen, wem diese unbekannte Stimme gehört. Zaghaft zupft sie an dem herabhängenden Saum von Arwens Ärmel. "Eama, wer ist das?" Zu einer Antwort kommt Arwen allerdings nicht. >Mein Name ist Azra.< stellt sich ihr Gast mit leiser Stimme vor, und ein zaghaftes Lächeln schleicht sich in das angespannte Gesicht der Halbelbin. Ihre ganze Haltung entspannt sich sichtlich, und fast glaubt Arwen nicht bloß einen Stein, sondern das halbe Mondsichelgebirge von deren Schultern poltern zu sehen. Erst in diesem Moment bekommt sie eine Ahnung davon, dass diese zierliche Frau dort an der Tür sich nicht nur mindestens ebenso unwohl und unsicher fühlt wie sie selber, sondern dass sie... ja... sowas wie Angst hat... Angst vor ihr, vor Arwen. Diese Erkenntnis trifft die Elbin wie ein Schlag vor die Brust, denn auf diesen Gedanken wäre sie im Leben nicht gekommen. Erst als der Herzschlag ihr in den Ohren zu dröhnen beginnt, merkt sie, dass sie den Atem angehalten hat, und atmet hörbar aus. Mit einer behutsamen Geste bittet sie Azra näher zu kommen, sich zu ihr an den Kamin zu setzen und nicht wie ein ungebetener Bote mit unerwünschter Nachricht an der Tür stehen zu bleiben. Weitere Worte sind noch immer nicht gefallen, als Cassandra erscheint, leise und zurückhaltend wie ein Schatten, und ein Tablett mit einer Kanne frischen Yasmintees, Teeschalen aus milchig durchschimmernder Jade, einem kleinen Sahnekrug, einem Topf mit hellgoldenem Honig und einem Teller mit noch ofenwarmem Hefezopf mit einer Füllung aus Nüssen, Trockenobst und Honig auf den kleinen Tisch am Kamin stellt. Ebenso leise wie sie erschienen ist, ist die Oberste Magd auch wieder verschwunden.

Rialinn steht neben dem Sessel, in den ihre Mutter sich setzt, schaut zu, wie die ihrem Gast Tee einschenkt, beäugt den noch fremden Gast neugierig aber aus sicherer Entfernung und klettert dann samt ihres heißgeliebten Bären auf den Schoß ihrer Mutter, um der zuallererst ein Stück Hefezopf vom Teller zu stibitzen. Da die beiden Frauen anscheinend beide noch nach den richtigen Worten suchen, um das Gespräch zu eröffnen ohne gleich mit dem sichtlich unangenehmen Thema zu beginnen, bricht Rialinn schließlich das Schweigen ehe es zu unangenehm werden kann. "Eama, warum hat die Frau so komische Augen? Und warum ist das Haar weiß? Die ist doch noch gar nicht alt." Dann wendet sie sich aus der Sicherheit der mütterlichen Arme direkt an Azra. "Ist das dein Baby? Wird das noch größer? Wie alt ist das? Warum hat das rote Haare und du nicht?" Für einen Augenblick ist Arwen sich nicht sicher, was ihr unangenehmer ist, das Schweigen zu vor, oder Rialinns Fragen jetzt. Letztlich entscheidet sie sich für das Schweigen, denn über die Unschuld, in der ihre Tochter die Fragen stellt, kann man einfach nur lächeln.
Ein kurzer, entschuldigender Blick für die Neugier ihrer Tochter huscht zu Azra ehe Arwen antwortet. "Die Augen sind nicht komisch, Rialinn, die haben nur eine andere Farbe als deine und meine. Und die Haare.. schau mal," sie schiebt den Ärmel von Rialinns Kleid so weit hoch, dass der Ärmel von ihrem Hemd darunter sichtbar wird. "Das Hemd hier, das ist weiß. Die Haare von Frau Azra sind gar nicht wirklich weiß, nur fast, so ein wenig wie weißes Silber. Da wo dein Großvater wohnt, da gibt es viele Elben mit Haaren, die aussehen wie weißes Silber und die sind alle nicht alt." Sie nimmt eines der kleinen Leintücher, die sie immer in ihrer Gürteltasche parat hat und wischt Rialinn die inzwischen Honigverschmierten Finger ab, ehe der Honig seinen Weg auf ihr Kleid oder in das Fell des Kuschelbären gefunden hat. "Und man sagt auch nicht 'die', das ist nicht nett. Die Frau hat einen Namen, und man sagt 'Frau Azra' oder 'Madame Blutaxt'." Mit der Erklärung hat Arwen was angerichtet, denn das löst gleich den nächsten Schwall Fragen aus. "Das sind aber zwei Namen. Warum hat sie denn zwei Namen und nicht einen? Du hast doch auch nur einen. Und ich hab auch nur einen Namen. Und Cassandra. Und Natie. Und… die haben alle nur einen Namen. Warum? Sag mir sofort, warum!" verlangt das ewig fragende Elbenkind nach Erklärungen und Arwen rollt mit einem liebvollen Lächeln die Augen gen Himmel, ehe sie Azra mit einem kurzen Blick um Entschuldigung für ihre naseweise Tochter bittet. Es ist manchmal unglaublich, welch ausgeprägten Wissensdurst ihre Tochter hat. Und sie will Antworten. Prompt und unmissverständlich. Natürlich, das versteht jede Mutter. Schließlich ist sie ja allwissend, oder?! Ob ich früher auch so gewesen bin? Für einen kurzen Moment sucht Arwen in ihrer Vergangenheit nach etwas Vergleichbarem, aber sie kann sich nicht daran erinnern, dass sie jemals bei ihrem Vater auf dem Schoß gesessen hätte, wenn der Besuch hatte, oder dass sie sich in Gegenwart Fremder je getraut hätte überhaupt irgendetwas zu fragen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Azra am 22. März 2006, 22:09 Uhr
Verlegen, dass sie Arwen die Antwort unhöflich aus dem Mund genommen hat, blickt sie zu der Elbe auf, welche sie mit einem seltsamen, nicht deutbaren Blick betrachtet, in dem so wenig zu lesen ist. Ihr ist, als würde sie dichte Nebel betrachten, hinter welchem sich die Gefühle abspielen, miteinander ringen und langsam glaubt Azra zu verstehen, dass nicht nur sie diesem Zusammentreffen mit Unsicherheit und Angespanntheit, die sie in den letzten Tagen wie das personifizierte Schuldgefühl in der Harfe haben herumschleichen lassen, entgegen gesehen hat. Nur kann sie es redlich schlechter verbergen, auch wenn sie sich wünschte ihre Angst gerade jetzt unter einem Hauch von sichtlichem Glück, dass Arwen sie nicht einfach zum Teufel gejagt hat, zu verstecken. Das leise Zischen, als die Elbe Atem holt entgeht Azra nicht und da sie glaubt, dass es wohl daran liegt, dass das Kind sich an sie wendet, zuckt unmerklich zusammen und blickt betreten auf den Boden vor ihren Füssen. Ihr Herz schlägt ihr irgendwo zwischen Gaumen und Kehle und macht es ihr fast unmöglich, etwas zu sagen, so dass die leise Entschuldigung, die ihre Lippen verlässt, anscheinend noch nicht einmal Arwens Ohren erreicht. Diese bittet Azra schliesslich mit einer vagen, vorsichtigen Geste nach vorne, zu ihr, wo ein paar grosser, weicher Sessel darauf warten von der Hausherrin und dem Besuch genutzt, oder aber von den Kindern als Kletterbäume beschlagnahmt zu werden. Unglücklich über diese angespannte Situation und über ihre Unfähigkeit, eben diese ein wenig aufzulockern, folgt sie stumm und setzt sich erst nach einem Blick, mit dem sie sich versichert, dass es ihr auch erlaubt ist, in einen der grossen, wuchtigen Polstermöbel. Brenainn zappelt munter, sieht mit kugelrunden Augen fasziniert in die Gegend und zeigt seine vollkommene Begeisterung für diese Umgebung und die Anwesenden, mit leisen Quäklauten, derweil Azra ihn sanft auf den Schoss nimmt und die Arme um ihn schliesst, flüchtig lächelnd über sein Haar pustend, dass aussieht, als wäre es in Flammen geraten und sprühe Kupferfunken. Still schwappt über ihr und Arwen zusammen, wie kalter Wind, der sich kalt und klebrig in ihrer Nähe hält und Azra bringt nicht einmal ein akzeptables Räuspern zu Stande, um vielleicht erst einmal den Grund ihres Hier seins zu erklären… den die Elbe wahrscheinlich sowieso erraten kann, oder bereits weiss. Sie ist so gross. Azra weiss nicht warum ihr gerader dieser Gedanke kommt, doch die Tatsache, dass sie es geschafft haben soll, eine solch starke Persönlichkeit einfach so, mit einem Schlag, niederzustrecken, erscheint ihr falsch und seltsam und Gänsehaut schleicht ihren Rücken hinab, als ihr wieder einmal bewusst wird, dass sie nicht weiss, was sie sonst noch alles getan hat. Natürlich besteht noch die vage Vermutung, die hätte einen Blaumantel getötet, doch dafür gibt es keine Beweise und, bei allen Göttern, sie betet dafür, dass auch niemals irgendwelche auftauchen werden. Ihre klägliche Miene erhellte sich auch nicht, als die Oberste Magd leise wie ein Schatten in den Saal tritt und herrlich duftenden Tee, der verlockend nach Yasmin duftet, einen frischen Kuchen, bei dessen Anblick sich ihr Magen beinahe schmerzlich zusammenzieht, ein weisses, daunenweiches Häufchen Sahne in einem kleinen, handgrossen Topf, sowie zart durchscheinenden Honig, der im Feuerschein fahl golden funkelt. Azra verspürt nur wenig Hunger, nein, im Grunde genommen gar keinen, denn ihre Eingeweide sind vor Anspannung so verkrampft und hart, dass sie wahrscheinlich jeden Bissen mit aller Gewalt hätte hinunterwürgen müssen und diesen Anblick will sie Arwen nicht bieten, um nicht auszusehen, als würde sie diese herzliche Geste mit Undankbarkeit strafen.

Stattdessen nimmt sie nur mit einem „Danke“, den Tee entgegen  und muss ihn auch sogleich in die Höhe heben, um ihn vor Brenainns tollpatschigen Händchen zu schützen und ein so grösseres Unglück zu verhindern, dass sie nun wirklich nicht auch noch hätte gebrauchen können. „Nein“, raunt sie ihm leise ins Ohr, küsst sanft die zarten Spitzchen an seinen Ohren, die mehr zu erahnen als wirklich zu sehen sind und stellt die milchigweisse Tasse zur Seite. Rialinn hat derweil beschlossen, sich ganz bestimmt nicht ausschliessen zu lassen und klettert, ohne dabei ihren Pelzbären, er aus kleinen, schwarzen Knopfaugen in die Gegend blickt, loszulassen, auf den Schoss Arwens, um es sich dort bequem zu machen und dann neugierig zu Azra und Brenainn hinüber zu linsen, derweil ihre kleinen Finger durch das weiche Fell ihres Stofftieres kraulen und wie nebenbei auch noch den Weg zum Kuchenstück der Mutter zu finden und dort einen kleinen Teil unbemerkt in dem kleinen Mund, der ihr jedoch sehr weit gewachsen scheint, verschwinden zu lassen. Azra betrachtet Mutter und Tochter mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust. Ich hätte sie töten können… Bei allen Göttern, was wenn Borgil nicht dort gewesen wäre… Ich hätte sie… Dieser Gedanke schneidet in ihr Herz und lässt es bluten und alleine der Gedanke daran, diesem kleinen, überaus wissbegierigen Mädchen die Mutter genommen zu haben, lässt sie bleich werden und ein schwaches Zittern sucht ihre Mundwinkel heim. Das Schweigen wird, wie bereits zuvor nicht von ARwen oder ihr selbst unterbrochen, stattdessen ereifert Rialinn sich mit den Fragen, warum Azra eigentlich so komisch aussehe. Für einen Moment lang fehlen ihr schlichtweg die Worte, bevor sie verdattert blinzelt und dann, als würde sie sich erst jetzt ihrer Haarfarbe bewusst werden, eine losgelöste Strähne betrachten. Ja, silberweisse Locken, das Erbe ihrer so unterschiedlichen Eltern, von denen sie niemals erfahren hat, wie sie wirklich ausgesehen haben. Doch der Wortschwall der Kleinen ist noch lääääängst nicht zu Ende, denn kaum hat sie einmal Luft geholt, prasseln bereits die nächsten Fragen auf Azra hinab. Ob Brenainn ihr Baby sei, ob er noch wachse, warum er rotes Haar habe und sie nicht und es ist fast bewundernswert wie Rialinn so schnell reden kann, ohne augenscheinlich auch nur ein einziges Mal Luft zu holen, so dass ihre Wangen wie Erdbeeren glühen, als sie schliesslich endet und mit funkelnden Augen hibbelig auf Antworten – die natürlich auch die ganze Bandbreite ihres Wissensdurstes zu stillen vermögen – wartet. Arwen schickt einen fast entschuldigenden Blick in Azras Richtung, die nur ein kleines Lächeln zurückschickt, um der Elbin zu zeigen, dass sie selbst überhaupt keine Probleme damit habe. Sie ist schon so vieles gefragt worden, ein paar Auskünfte mehr würden kaum den Untergang der Welt bedeuten. Was man jedoch mit ein paar simplen Antworten ausrichten kann, demonstriert Arwen ihr, als sie ihrer kleinen vorwitzigen Tochter ein paar Erklärungen gibt. "Die Augen sind nicht komisch, Rialinn, die haben nur eine andere Farbe als deine und meine. Und die Haare.. schau mal," Um der Kleinen ein bildhaftes Beispiel für die Farbe Weiss geben zu können, schieb Arwen die kleinen Ärmel nach oben, unter welchen das schneeweisse Unterhemd hervorblitzt: "Das Hemd hier, das ist weiß. Die Haare von Frau Azra sind gar nicht wirklich weiß, nur fast, so ein wenig wie weißes Silber. Da wo dein Großvater wohnt, da gibt es viele Elben mit Haaren, die aussehen wie weißes Silber und die sind alle nicht alt."

Es ist nur ein vager Stich, der Azra heimsucht, jedoch genug, damit sie ihren Blick mit einem leeren Schlucken abwendet und die orangegoldenen Flammenzungen dabei beobachtet, wie sie einen Feuerreigen tanzen und irgendwie ist ihr nicht wohl bei dem Gedanken, dass Arwen in ihrer Nähe von den Elben aus den Elbenlanden spricht. Bei jenen mögen weisssilberne Haare vollkommen normal sein, doch ist dies nicht der Grund, warum ihr eigenes ebenso ist. Ihr Haar ist nicht normal, ebenso wenig wie ihre Augen, doch Klein-Rialinn würde es auch kaum verstehen, wenn man versuchen würde ihr zu erklären, was Azra wirklich ist und vielleicht ist es auch besser, wenn das Thema verschwiegen bleibt, denn sie ist sich fast sicher, dass Arwen nicht so wenig Mühe hat, sie als Blutelbenmischling in ihrem Haus zu dulden, wie Andere. Alles was sie je von mir mitbekommen hat, ist die Sithechnacht und den Schlag auf den Kopf. Sie kann nicht anders denken… Azra weiss es und sie wirft Arwen auch nichts vor, überhaupt nicht, stattdessen wendet sie sich wieder ihrer Gastgeberin und dem naseweisen Bündel auf deren Schoss zu, das unersättlich scheint, was Wissen anbelangt und noch nicht einmal daran denkt, ihre Mutter oder sonst wen zu Wort kommen zu lassen. „Das sind aber zwei Namen. Warum hat sie denn zwei Namen und nicht einen? Du hast doch auch nur einen. Und ich hab auch nur einen Namen. Und Cassandra. Und Natie. Und… die haben alle nur einen Namen. Warum? Sag mir sofort, warum!" Der drängende Ton, in dem Rialinn ihre Fragen in den Raum wirft, entlockt Azra ein Schmunzeln, das noch eine winzige Spur breiter wird, als Arwen mit einem innigen Lächeln die Augen gen Decke verdreht. Es scheint nicht so, als wäre es der erste Tag, an dem die Elbe ihrer Tochter abertausende von Fragen beantworten muss und Azra betrachtet für einen Herzschlag lang nachdenklich Brenainns Hinterkopf, der in dem ganzen Gewirr von Geplapper still geworden ist und es scheint beinahe, als hätte er aufmerksam gelauscht. Ob du auch so neugierig wirst und mich mal Löcher in den Bauch fragst? Ich hoffe es… nur bin ich mir nicht sicher, ob ich dich meine wenigen Antworten befriedigen werden. Vorsichtig nimmt sie noch einen Schluck Tee und zwinkert Rialinn dann verschwörerisch zu: „Weißt du was? Warum ich zwei Namen habe ist ein groooooosses Geheimnis. Aber vielleicht…“ Abwägend neigt Azra den Kopf leicht hin und her und betrachtet die Kleine mit gespielter Nachdenklichkeit, als wolle sie abwägen, ob sie mehr verraten, darf oder nicht. Die durchscheinende, helle Haut auf dem Nasenrücken Rialinns legt sich in kaum merkliche Fältchen, als sie angespannt die Nase kräuselte und sich neugierig vornüberbeugt. Das Funkeln in den Augen des Mädchens beginnt zu leuchten und Azra sieht sich kurz um, vergewissert sich in übertriebenem Masse, ob auch niemand anders zuhört und keiner vielleicht an der Türe lauscht, bevor sie dem Mädchen schliesslich zuflüstert: „Aber ich verrate es dir, aber nur“, wirft sie noch schnell ein und geheimnisvoll senkt sie die Stimme: „Nur wenn du mir versprichst, dass du es niemals niemandem verrätst, das musst du mir ganz fest versprechen.“ Rialinn nickt eifrig, strahlt sie aus grossen, schrägen Augen hingebungsvoll an und drückt dabei den Pelzbären vor erwartungsvoller Nervosität ganz fest an sich.

„Weil ich so klein bin und weil ich aber groooss sein wollte, habe ich einfach gesagt. Ich hätte zwei Namen, dann hören die Grossen wenigstens auf mich“, erklärt Azra schliesslich mit geschwellter Brust und im Brustton der Ueberzeugung mit einer ernsten Grimasse und bestätigt noch einmal: „Genau deswegen, weil die Grossen sonst eiiiiinffach nicht auf mich hören wollen. So was Gemeines, wie?“ Rialinn kann nicht antworten, weil sie sich grad kichernd hinter ihrem Bären versteckt und glucksend dahinter hervorschielt und sogar Azras vollkommene Entrüstung nur mit einem erneuten Lachanfall quittiert. „Also… also wirklich, das ist ja…“, indigniert Azra sich mit in Falten gelegter Stirne spielerisch und grinst in sich hinein, versuchend nicht zu lächeln und reckt dafür hoheitsvoll ihre Nase in die Höhe und spielt prompt die beleidigte Leberwurst: „Also dir erzähle ich nie mehr ein Geheimnis…“ Rialinn drückt sich kichernd an ihre Mutter und es ist ein Wunder, dass ihre Mundwinkel an ihren Ohrläppchen aufhören, bis es schliesslich auch um Azras Beherrschung geschehen ist, sie leise lachend nach dem Tee greift und sich dann plötzlich bewusst wird, wie unhöflich ihre Ignoranz gegenüber Arwen erscheinen muss. Fast verschluckt sie sich an dem köstlichen Tee, stelle ihn mit hauchzart roten Wangen wieder zurück und blinzelt entschuldigend zu Arwen hinüber, ein hoffnungsvolles Lächeln auf den Lippen. Brenainn meldet sich krakeelend zu Wort und verlangt mit eindrücklichem Geblubber nach ihrer aller Aufmerksamkeit, die er von Rialinn auch sofort geschenkt bekommt und eine Idee, wie sie Rialinn für kurze Zeit beschäftigen kann, ohne dass das eigentliche Gespräch immer wieder von ihrer Neugierde und ihren endlosen Fragen unterbrochen würde, kommt Azra in den Sinn. „Magst du mir ein wenig auf Brenainn, also auf diesen kleinen Mann hier aufpassen? Er mag es nicht, die ganze Zeit herumsitzen zu müssen und du, die schon so gross ist, kann sicher gut auf einen Kleinen wie ihn aufpassen, oder?“ Arwens Tochter beäugt das Baby misstrauisch, als sei sie sich nicht sicher, ob hinter der unschuldigen Fassade Brenainns, nicht vielleicht irgend etwas anderes steckte, bis sie schliesslich zögerlich nickt, kurz fragend zu ihrer Mutter hinaufsieht, bis sie die Erlaubnis erhält und dann eilig von deren Schoss krabbelt. Azra erhebt sich und legt Brenainn vorsichtig und mit einem liebevollen Blick auf den weichen, wolligen Teppich, der zu ihren Füssen liegt, dabei Rialinn näher winkend. Diese rutscht auf Knien daher, lässt sich interessiert neben dem strampelnden Bündel nieder und begutachtet es dann skeptisch, wie ein komisches Würmchen, bei dem man zuerst herausfinden muss, ob es nicht vielleicht gefährlich sein könnte. Azra stubbst Brenainn leicht gegen den Bauch, der sich sogleich quiekend zusammenrollt und mit seinen Fingerchen nach ihren Händen greift. Also ob dies das Stichwort gewesen wäre, beginnt Rialinn zu grinsen und ahmt Azra nach, wobei sie verzückt einen Blick zu ihrer Mutter wirft, als Brenainn sich prompt einen ihrer Finger schnappt, ihn kurz anschaut und ihn dann in den Mund nimmt.

Azra selbst lässt sich wieder auf dem Sessel nieder, aus den Augenwinkeln stets über das kleine Gespann wachend, das anscheinend Spass aneinander gefunden hat und schliesslich wendet sie sich mit einem Lächeln wieder Arwen zu, nur um sich dann mit einem schmerzhaften Schlag daran zu erinnern, warum sie eigentlich hier ist. Ihr Magen rebelliert augenblicklich und die wenigen, lustigen Momente, die sie gerade erlebt hat, driften ab in Ernsthaftigkeit und einem erneuten, jedoch viel kleineren Anflug von Furcht. Ein paar Mal, atmet sie tief ein und aus, strafft dann die Schultern und faltet die Hände im Schoss, damit Arwen das Zittern nicht sehen konnte. „Lady Arwen“, beginnt sie leise und gibt sich alle Mühe ihrer Stimme einen festen Klang zu geben und den Blick der Elbe still zu erwidern: „Wahrscheinlich wisst ihr bereits, warum ich um einen Besuch bei euch bat… und wenn nicht… ich meine… Ich möchte mich bei euch entschuldigen Arwen, für das was ich getan habe… was ich getan habe…“ Es klingt schmerzlich falsch diese Worte auszusprechen, denn obwohl sie weiss, dass Borgil sie niemals anlügen würde, fühlt sie ein solch lähmendes Schuldgefühl dabei, dass ihr prompt die Stimme versagt und eine eiskalte Hand ihr die Kehle zudrückt. Unruhig senkt sie den Blick, spürt närrische Tränen, die ihre Augen füllen und versucht sie unbemerkt wegzublinzeln, verzweifelt um ihr Fassung bemüht, die ihr jedoch wie Sand zwischen den Fingern verrinnt. „Ja, es stimmt, ich habe euch damals auf dem Sithechacker… ich habe euch niedergeschlagen… zumindest, ich… Borgil hat es mir gesagt weil… weil…“ Sie sucht nach einer guten und überzeugenden Erklärung, hebt das Gesicht und ihre Züge verziehen sich flehentlich, bevor sie leise haucht: „Weil ich davon nichts weiss… Ich kann mich nur noch vage daran erinnern, wie ich Borgil auf den Marktplatz gefolgt bin und das… das Nächste was ich sah, war wieder Borgil, der vom Blut überströmt vor mir zusammenbrach… ich habe erst viel später bemerkt, dass wir auf dem Sithechacker waren, wo ich mich befand…“ Sie ringt um ihre Ruhe, die sie jedoch spätestens verlässt, als sie sich an das von Zorn erfüllte Gesichts Borgils erinnert, der sie anstarrte, als wäre sie dem Wahnsinn verfallen. Bin ich auch… aber… nicht so, wie alle glauben… Es tut weh lügen zu müssen, doch sie kann Arwen nicht erzählen, dass sie nicht besessen gewesen ist, hat panische Angst davor, was diese Elbe dann von ihr denken könnte. „Ich wusste nicht was ich tat, ich kann mich...“ Stockend hält sie inne und betrachtet mit glitzernden Augen ihre blossen Hände, als versuche sie daran zu denken, ob es wirklich diese Finger gewesen sind, die einen Knochen gehalten hatten. „Ich kann mich an nichts erinnern, an gar nichts und es fühlt sich schrecklich an zu wissen, dass man etwas getan hat, aber nur aus zweiter Hand zu erfahren, was es gewesen ist. Ich kann nicht glauben, dass ich euch das… angetan haben soll, aber Borgil… er würde mich niemals belügen und auch wenn ich es mir gewünscht hätte in jenem Moment, er hat mir die Wahrheit erzählt und alleine deswegen bin ich hier. Ich möchte mich… für all das, was ich euch angetan habe, was ich verschuldet habe, entschuldigen, auch wenn ich weiss, dass ich es nie mehr gut machen kann.“ Ihre Wangen sind längst feucht von Tränen, die unaufhaltsam über ihre Haut rinnen und dunkle Flecken auf dem zartgrauen Kleid hinterlassen. Aufgelöst verkampft sie ihre Hände, gestikuliert vage und versucht irgendwo einen Punkt zu finden, an dem ihr hektischer Blick sich wieder ein wenig beruhigen kann, denn sie wagt es nicht Arwen direkt anzusehen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 25. März 2006, 11:18 Uhr
Arwen hat mit ihrer Vermutung über den Grund für Azras Anspannung anscheinend nicht Unrecht, denn die Frau Borgils, vergewissert sich am Kamin erst mit einem erneuten Blick, dass sie sich tatsächlich dort setzen darf. Etwas, das Arwen kurz verwirrt. Denn aus welchem Grund sollte sie die Frau sonst zu den Sesseln am Kamin gebeten haben? Der rothaarige Winzling scheint von all den unterschwelligen und mehr oder eher weniger gut verborgenen Anspannungen jedoch nichts zu merken, Azras Kind zappelt, dreht den kleinen Kopf hier hin und dort hin, damit ihm auch ja nichts entgeht, was um ihn herum passiert, und tut seiner Begeisterung über die neue Umgebung mit leisen Lauten kund, die dem zufriedenen Maunzen einer kleinen Katze gleichen. Fast noch leiser ist Azras Stimme, als die den Tee entgegen nimmt, und Arwen hätte das einzelne Wort beinahe überhört. Unter den Wimpern heraus beobachtet sie, wie die Halbelbin ihre Teeschale vor den neugierigen Händen ihres Kindes in Sicherheit bringt, einen kurzen Schluck nimmt und sie dann in der Sicherheit des Tisches abstellt. Sie ist neugierig auf ihren Gast, trotz aller Anspannung, aber sie will auch nicht unhöflich erscheinen, in dem sie die Frau unverhohlen anstarrt.

So mit ihrer Tochter und deren unerbittlichen Fragen beschäftigt, entgehen Arwen die meisten Reaktionen der Halbelbin. Deren Zusammenzucken, und wie sie den Blick abwendet und eingehend die Flammen im Kamin beobachtet, als Arwen ihren Vater und die Elben in Lomirion erwähnt entgehen ihr aber nicht. Nur kommt sie nicht dazu, darauf zu reagieren, denn Rialinns Wissensdurst wartet noch darauf, gestillt zu werden. Und die Art und Weise, wie Azra Arwens Tochter die Sache mit den zwei Namen erklärt, hätte Arwen lachen lassen, wäre diese lastende Anspannung nicht - so wird nur ein stilles Lächeln daraus. Ein Lächeln, dass sich noch vertieft, als Rialinn von ihrem Schoß krabbelt und sich neben den kleinen Brenainn kniet und mindestens so begeistert quietsch wie der Kleine, als der sich quietschend an ihren Finger klammert und den anschließend ausprobiert, ob sich der vielleicht auch als Zwischenspeise eignet.
Azra allerdings setzt sich wieder in den Sessel zurück und das eben noch so fröhliche Lachen verschwindet schlagartig aus ihrem Gesicht. Und Arwen selber geht es nicht viel anders, als die zierliche Halbelbin zu sprechen beginnt. Aufrecht und stocksteif sitzt sie ihr im Sessel gegenüber und sieht sie aus den so auffallend hellen Augen an. Die Worte kommen nur zögernd, stockend, so als ringe ihr Gegenüber um jedes davon. Ebenso wie sie um Fassung und Haltung zu ringen scheint, denn die Stimme wird immer leiser, die Hände verknoten sich ineinander und ungeweinte Tränen lassen die Augen Azras schwimmen. Es dauert eine ganze Weile, bis alles gesagt ist, und Arwen ist dabei mindestens ebenso unwohl wie ihrem gast. Ein wilder Wirrwarr an Gefühlen tobt in der Halbelbin: Verlegenheit, Unsicherheit, Schrecken der Erinnerung, Scham, Reue und auch Angst. Sie weiß nicht welche Fähigkeiten der Shebaruc-Teil in ihr Azra verleiht, aber anscheinend hatte sie nie gelernt, ihre Gefühle gegenüber anderen Elben oder Empathen zu verbergen, denn ihr Geist sendet diese Gefühle völlig unverhüllt hinaus und es ist Arwen, als würde sie von lauter boshaften Mücken gestochen. Und diese Gefühle sind absolut echt, so etwas könnte niemand vorspiegeln, da ist sich Arwen absolut sicher. Als die Worte schließlich enden, herrscht für einige Momente Schweigen im Kaminzimmer, nur das Knacken der Holzscheite im Feuer und das leise Lachen der beiden Kinder ist zu hören. Sie sieht Azra nicht an, sie sieht eigentlich gar nichts an, auch wenn ihre Augen auf die Teeschale in ihrer Hand gerichtet sind, ihr Blick geht einfach hindurch, geht durch Raum und Zeit zurück zu jenem schicksalhaften Tag im vergangenen Zwölfmond und zu dem, was Olyvar ihr am Tag danach erzählt hatte.

Mit einem Ruck kehr Arwen ins Hier und Jetzt zurück, hebt den Kopf und sieht Azra an. Die sieht einem Häufchen Elend ähnlicher als allem anderen, und nach einer bedrohlichen Shebaruc sieht sie nun schon gleich gar nicht aus. Tränen laufen noch immer über das blasse Gesicht, und man kann ihr ansehen, dass sie ebenso verzweifelt wie vergeblich um ihre Fassung ringt. Wortlos erhebt Arwen sich, geht zu einem der Schränke an der Wand und kehrt mit einer unscheinbaren Tonflasche an den Kamin zurück, um in den heißen Tee in ihren Schalen einen Schluck des blassgoldenen Uisge Beatha zu geben. "Tee ist ja gut und schön, aber… ich denke, wir könne beide jetzt etwas Stärkeres vertragen." Die Worte, vor denen sie sich beide gefürchtet hatten sind ausgesprochen, die lastende Anspannung ist mit ihnen verschwunden, und geblieben ist nur eine erleichterte Bedrücktheit, mit der Arwen erheblich besser umgehen kann.
"Ihr könnt euch nicht erinnern…"  Nach einem kräftigen Schluck aus ihrer Teeschale sieht sie Azra an, als suche sie etwas in deren Blick. "Oh, ich glaube euch das, versteht mich nicht falsch," sie macht eine abwehrende Geste, bei der sie beinahe den Tee verschüttet. "Damit wären wir dann schon zwei." Eine zögerndes Lächeln schleicht sich in ihre Augen. "Ich kann mich nämlich auch nicht daran erinnern, was dort auf dem Sithechacker passiert ist. Das Letzte, das ich weiß, ist wie wir das Netz über der Gruft gewoben haben, Morgana, Eade und ich, und wie Niniane in die Gruft gestiegen ist. Danach ist da... nichts mehr, nur noch Schwärze. Ich… Ich habe erst von Olyvar erfahren, was passiert ist, dass ihr mich ..." Bei der Reaktion, die ihre Worte hervorrufen, zuckt Arwen zusammen und hebt beschwichtigend die Hände. Ihre Teeschale hat sie bereits zuvor weggestellt, damit sie nicht wieder etwas verschüttet. "Das soll kein Vorwurf sein, Azra. Ich meine,… nicht, dass mir der Gedanke gefällt, von euch niedergeschlagen worden zu sein. Aber ich… Olyvar hat mir auch erzählt, dass ihr schon viel früher, auf dem Marktplatz unter den Bann des Dämonen geraten seid, dass ihr zwar nicht besessen aber eben auch nicht ihr selbst wart und nicht wusstet, was ihr tut. Ich würde euch bestimmt nicht hier in meinem Haus und in der Nähe meiner Tochter dulden, wenn ich annehmen müsste, ihr hättet es mit Vorsatz, aus eigenem Antrieb und mit freiem Willen getan. Dieser Dämon war nicht einfach irgendein wütender Dämon, der aus Langeweile oder einfacher Bosheit über Talyra kam. Er war verdammt wütend, sehr alt und vor allem sehr mächtig. Jeder hätte unter seinen Bann fallen können. Ich denke Olyvar hat nicht Unrecht, wenn er der Meinung ist, dass es für den Dämon einfach nur leichter war, jemanden mit Shebaruc-Blut unter seinen Bann zu bringen." Arwen stockt für einen Moment, versucht Worte und Gedanken zu sortieren, ihren eigenen Erinnerungen und Gefühle Stand zu halten und das mit dem Mitgefühl für ihren sichtlich aufgelösten Gast in Einklang zu bringen. Oh ja, der Dämon war alt und hoffentlich wird niemals in der Stadt bekannt, wer er gewesen ist. Mordrens Sohn.. ich muss unbedingt mit Niniane darüber reden….

"Ich will euch eure Abstammung nicht vorwerfen, Azra. Es gibt Dinge, die liegen uns nun einmal im Blut, sie sind unser Erbe, ob wir es wollen oder nicht, ob es uns gefällt oder nicht. Meistens gefällt es uns nicht. Ihr seid noch jung, ihr wisst nichts von den Dingen, die das Volk der Shebaruc einst auf den Himmelsinseln tat. Und glaubt mir, seid froh, dass ihr keine Erinnerungen an Verrat, Mord und den Untergang des Unsterblichen Reiches habt. Aber obwohl ich um jene Dinge weiß, wäre ich vermutlich die Letzte die das Recht hätte, euch einen Dämonenbann vorzuwerfen, der wegen eures Blutes über euch kam, auch wenn es mir nicht leicht fällt. Dazu weiß ich nur zu gut, wie das ist… Das klingt seltsam für euch, ich weiß… Damals, auf den Himmelsinseln, da hat meine Mutter sich einem Dämonen in den Weg gestellt. Leider gelang es ihr nicht, ihn zu vernichten. Aber konnte sie ebenso wenig vernichten. Was sie aber nicht verhindern konnte war, dass er sie mit einem Fluch belegte, einem Fluch, der sich auf alle Töchter von ihrem Blut erstreckte. Ich habe seit meiner Geburt mit diesem Fluch gelebt, und es ist noch nicht lange her, dass er gebrochen wurde. Glaubt mir, ich weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut, wie es ist, wegen seiner Abstammung gemieden zu werden, wie es ist, wenn man nicht Herr über sich selber ist und Dinge tut, die man freiwillig nie tun würde." In einer stillen Ecke ihres Denkens fragt Arwen sich selber, warum sie Azra das erzählt, Winterwinds Fluch ist nun nicht gerade etwas, worüber sie gerne spricht, und schon gar nicht gegenüber jemandem, der ihr eigentlich fremd ist. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass sie Azra für deren Mut bewundert, hierher gekommen zu sein um sich zu entschuldigen und sich der Situation zu stellen. Vor die Frage gestellt, ob sie selber den Mut dazu gehabt hätte, muss Arwen sich nämlich eingestehen, dass sie den wohl nicht gehabt hätte. Damals, nach Naurgols Tod, ist sie bei Nacht und Nebel aus den Ebenlanden verschwunden. Es ist nicht ihre Schuld gewesen, sie hat ihn nicht mit Absicht getötet, aber sie hatte sich auch nie seiner Familie erklärt und um Verzeihung gebeten - weder persönlich noch mit einem Brief. Und die Panik und das Entsetzen nach der Tat sind nur eine sehr schwache Ausrede für ihre Flucht.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Azra am 31. März 2006, 01:18 Uhr
Als sie es wagt den Blick zu heben, zuckt sie zusammen und starrt von Verwirrung geplagt in die sturmumwogten, endlos tief scheinenden Augen der Elbin, die durch sie hindurch, nein überhaupt in eine weite Ferne zu sehen scheint, welche niemand sonst je erreichen wird. Zeit und Raum verblassen in ihrem Angesicht und hinterlassen die reine Ewigkeit. Fast verwegen nimmt Azra die alterlose Schönheit der Elbe wahr, die strenge Ausstrahlung. Feine, anmutige Züge, schräge, grosse Augen, unter der golden schimmernden Haut zeichnen sich die hohen Wangenknochen ab und der sanft geschwungene Mund zeigt keine Regung. Unruhig klammert sich Azra an ihre Tasse, versucht den klebrigen Kloss in ihrer Kehle hinunter zu schlucken und kommt sich nichtig, klein und voll von Schuld vor. Ihre Gefühle tanzen in rauschenden Wogen auf und ab, reichen von herzlichster Hoffung bis niederschmetterndster Furcht, die ihr die Stimme raubt. Plötzlich hebt ihr Gegenüber ruckartig den Kopf und der schleierhafte Ausdruck ist aus Arwens Miene verschwunden, als hätte sie sich durch einen Nebel gekämpft und stünde nun wieder im klaren, kalten Licht. Azra presst die Lippen zusammen, stellt sorgfältig die Tasse wieder ab und verknotet ihrer Finger in ihrem Schoss, den weichen Wollstoff zwischen ihren Händen erdrosselnd, derweil noch immer funkelnde Tränenbahnen über ihre Wangen gleiten und sich trotz aller Mühe nicht aufhalten lassen. Verlegen streicht sie die, im zuckenden, gelborangen Licht des Feuers funkelnden, feuchten Diamanten mit ihrem Handrücken beiseite und versucht zu lächeln. Mehr als ein halbes, schiefes Grinsen bleibt ihr jedoch verwehrt. Als Arwen sich erhebt, ist Azra nahe dabei ebenfalls aufzuspringen, als befürchte sie jeden Augenblick unter einigen harschen Worten vor die Türe gesetzt zu werden. Mit einer vagen Spur an Neugierde beobachtet sie die schlanke Elbe dabei, wie diese zu einem kleinen, schmalen Kasten geht, eine der filigran bearbeiteten Türen öffnet und einen gläsernen Kelch, in welchem eine goldgelbe Flüssigkeit schwappt, hervorholt. Es mag sein, dass Azra nicht viel trinkt, doch solch eine kostbare Färbung haben nur wenige der ihr bekannten Getränke – und das sind nicht wenige, hat sie doch jeden Tag damit zu tun – was sie auch davon abhält, nachzufragen, was es denn sei. nur nimmt es sie im ersten Augenblick insgeheim doch wunder, wofür Arwen den Uisge Beatha benutzen möchte, denn nach einer Frau, die jeden Tag diesen starken Alkohol trinkt, sieht sie wahrhaftig nicht aus. Die zahnlosen Alten, die blubbernd und kichernd ihre Geschichten zum Besten geben und sich dabei mit faltigen Gesichtern und kahlen Schädeln in einer Ecke der Harfe zusammenkauerten, sind wunderbare Exemplare zur Veranschaulichung, was zuviel dieses Teufelgetränks mit den Wesen anstellen kann. "Tee ist ja gut und schön, aber… ich denke, wir könne beide jetzt etwas Stärkeres vertragen." Es ist kein Stein, der Azra vom Herzen rumpelt, sondern der ganze Wolkenthron und mit einer ungewollten Geste fasst sie sich an die Brust, wie eine Frau, die sich mit angehaltenem Atem versichern möchte, dass ihr Herz noch immer schlägt. Die klirrende Spannung, die eben noch ein Gespräch fast unmöglich gemacht hat, zerbricht hörbar in tausende von Splitter und das wundervolle Geräusch hallt laut in Azras Ohren wieder, derweil ihre Lungen sie dazu ermahnen, wieder nach Luft zu schnappen, was sie auch gleich geräuschvoll tut. Die Einzigen, die von dem Umschwung nichts mitbekommen haben, sind die Kinder, was kein Wunder ist, denn Brenainn ist mit grossem Eifer dabei Rialinn die spitzen Öhrchen voll zu blubbern und dabei immer wieder mit unangefochtener Ausdauer auf ihren kleinen Fingern herumzukauen.

Das ein Herz so laut schlagen kann, dass man Angst haben muss, es hüpfe einem jeden Moment vor Schreck aus der Brust, hat Azra bisher selten so deutlich wahrgenommen, wie jetzt gerade und voller Erleichterung lässt sie sich in den Sessel zurücksinken, einen, zwischen Hoffnung und Zaudern, schwankenden Ausdruck auf dem Gesicht. Dankbar hält sie Arwen die Tasse entgegen, schafft es, ein deutliches und nicht weinerlich klingendes: „Danke“, aus ihrer zugeschnürten Kehle zu quetschen und nippt dann vorsichtig an dem sahnebraunen Getränk, in welches sie mindestens einen Stein Zucker hineingeschüttet hat. Tee ist ohne Zucker genau wie Cofea ungeniessbar, wie die P… Uh… Wie Borgil eben immer sagt. Die brennende Note des Uisge Beatha beisst sich mit dem süssen Zucker und flüchtig wir Azra so heiss, dass ein kratzender Husten sie zu übermannen droht, doch mit einem verhaltenen Räuspern schafft sie es, ihre absolute nicht vorhandene Standhaftigkeit gegenüber jeglicher Menge und jeglicher Art von Alkohol, einigermassen gut zu überspielen, um die Tasse dann mit höflicher Diskretion zur Seite zu schieben. "Ihr könnt euch nicht erinnern…" Der Satz hat kaum Ton, doch er fühlt sich schmerzhaft an und Azra hebt nur leicht den Kopf, ihre verschüchterte Andeutung eines Nickens. Sie kann dem forschenden Blick der Elbe nicht lange Stand halten, fühlt sich schäbig und schmutzig und fixiert verbissen den zerknitterten Stoff unter ihren Händen. Als ob Arwen ihre plötzliche Verunsicherung gespürt hätte, setzt diese schnell hinterher: "Oh, ich glaube euch das, versteht mich nicht falsch.“ Zweifelnde Beklommenheit huscht über Azras Miene, als sie zu ergründen versucht, was diese fast zu leicht klingenden Worte zu bedeuten haben und sie fühlt sich ein wenig gefangen in der Tatsache, dass sie eigentlich etwas ganz Anderes erwartet hätte. Offene Wut, sichtbare Abscheu und nicht diese gesittete Distanz, diese Unnahbarkeit, diese Mauer aus strenger Zurückhaltung, die ihr mehr zu schaffen macht, als die Tatsache, dass Arwen anscheinend selbst mit der Geschichte auch nicht wirklich umzugehen weiss. Sie wirkt so kalt. Ich kann ihr Gesicht berühren, aber nicht ihren Geist. Der Gedanke huscht durch Azras Kopf, bevor sie sich zusammenreissen kann und ob ihrer unhöflichen Art, nehmen ihre Wangen einen rosigen Hauch an, woraufhin sie ihre Nase schnell in ihrer Tasse versteckt. "Damit wären wir dann schon zwei." „Wie?“, fragt Azra verdattert nach, vergisst fast, dass sie sich eben noch in ihrem Teealkoholgemisch am liebsten hätte ertränken wollen und stiert mit grossen Augen auf das vage Lächeln, das sie in den Mundwinkeln der Elbe zu erkennen glaubt. Natürlich, begreift Azra mit erhitztem Gemüt, den Satz Arwens und versenkt erneut ihren Blick schuldbewusst in der spiegelnden Oberfläche des heissen Getränks. Sie hört Arwens Ausführung, ihre Erzählung, woher sie überhaupt weiss, wer sie niedergeschlagen hat, was man sich erzählt und das sie in ihr ganz bestimmt nichts Böses sähe. Azra kann nur stumm alles Gesagte bestätigen, kaum fähig den Erklärungen mit klarem Verstand zu folgen, denn das leise, ungehemmte Lachen der Kinder trifft sie wie ein Schlag. Warum können die Erwachsenen nicht auch so sein… so ungeniert und offen... Doch als Arwen meint: „Ich denke Olyvar hat nicht Unrecht, wenn er der Meinung ist, dass es für den Dämon einfach nur leichter war, jemanden mit Shebaruc-Blut unter seinen Bann zu bringen.", fühlt sich Azra, als hätte ihr gerade jemand mit grosser Kraft den Brustkorb zusammengedrückt und ihr damit die Luft genommen. Ihre Finger krallen sich in die weiche Polsterung und sie keucht leise auf, an einer sensiblen Stelle getroffen und spürt gleichzeitig kalte Abscheu unterschwellig in sich gären. Keineswegs gegenüber Arwen, oder sonst jemandem, nein, dieser Hass, dieser Ärger richtet sich alleine gegen sie selbst, gegen das was sie ist und was sie trotz allem bis heute nicht verleumden kann. Einige Herzschläge vergehen, bevor sie es schafft sich zu regen und ihre Sprache wieder zu finden, die es ihr verschlagen hatte.

Ihre Stimme zittert kraftlos, als sie kaum hörbar erwidert: „Der Dämon mag noch so alt gewesen sein, noch so mächtig und stark… ich war, soweit bekannt, die Einzige, welche unter seinen Bann geriet und ich hasse mein Erbe dafür. Ich konnte, das weiss ich und das wissen alle, niemals wählen, was ich sein wollte und dass ich eine halbe Shebaruc bin, wird mich für den Rest meines Lebens begleiten… aber ich verzweifle daran, weil ich immer wieder, vollkommen ungewollt, in Situationen gerate, in denen mein Erbe, das Blut meines Vaters mich einholt und mich an einen einsamen Platz in der Gesellschaft der Welt verwaist. Und das“, wispert Azra mit aller Kraft, die sie sich aus den Fingern saugen kann: „will ich nicht.“ Ein schwaches Schluchzen erschüttert ihre Schultern, derweil sie den Kopf neigt und ihre blassen Züge sich vor Kummer verziehen. Kummer der so alt ist, wie ihr Herz und trotz aller glücklicher Momente immer wieder an ihrer Seele geschabt hat, wie ein schwerer, rauer Schleifstein. "Ich will euch eure Abstammung nicht vorwerfen, Azra“, beginnt Arwen erneut und bestätigt somit, was Azra sich erhofft hat, wenn sie untergründig auch noch immer Zweifel hegt, ob sich hinter der nichts sagenden, schönen Maske der Elbe vielleicht nicht doch etwas anderes verbirgt. Was Arwen nun jedoch aufführt zaubert ein nachdenkliches Glimmen in Azras Augenwinkeln. Sie kennt nicht die ganze Geschichte ihrer Urväter, sie weiss nicht, welche Gräueltaten ihr Volk den Elben einst angetan hat, doch sie hat immer wieder von der alles zerstörenden Grausamkeit gehört, mit welcher die Shebaruc vorgegangen waren und alleine bei den Erinnerungen an diese Worte, läuft es ihr kalt den Rücken hinunter. Verkrampft rutscht sie auf dem Stuhl hin und her, will den Blick abwenden, ihr Gesicht in ihren Händen vergraben, sich ganz klein machen, oder, noch besser, in ein kleines, graues, unauffälliges Wölkchen verpuffen. Mord, Verrat und Untergang… Erneute Tränen füllen ihre Augen und sie streicht sich abwesend eine imaginäre Locke hinter die Spitze ihres Ohres, ein paar Mal leer schluckend, um den bitteren Geschmack aus ihrem Mund zu vertreiben. Ich habe keine Erinnerung daran, aber trotzdem begleitet es mich ständig.
Mit hellem Blick horcht Azra auf, als die stolze Elbe ihr gegenüber mit einem Male beginnt, von ihrer eigenen Vergangenheit auf den Himmelsinseln zu erzählen, von ihrer Mutter und einem Dämon. Azra kann ihre Fassung nicht halten, blinzelt mit zusammengezogenen Augenbrauen und sieht Arwen fragend an, kaum glauben könnend, dass diese ihr wirklich etwas darüber erzählt. Sie hört stumm zu, sagt kein Wort, nickt nicht einmal, sondern lässt den samtweichen Tonfall der Stimme auf sich wirken, hascht nach jeder Veränderung in den Klängen und schlägt vor ehrlichem Entsetzen die Hände vor den Mund, als Arwen davon berichtet, dass sie selbst verflucht gewesen sei. Mit einem Schlag ist jede Unsicherheit, jede Angst bis auf einen Funken an Furcht gewichen und macht augenblicklich wachsender Zuneigung und hohem Respekt Platz und Azra fällt es sichtlich schwer, nicht nach Arwens schlanken Händen zu greifen, um diese zu drücken, als könne sie ihr Kraft geben. Nicht sie ist hier die Schwache. Ich bin es… Bei allen Göttern… Beschämt senkt Azra den Blick, nagt an ihrer Unterlippe, kommt sich töricht und unfähig zugleich vor und betet inständig, jemand möge ihr einige, wenige Worte gönnen, die der Situation diesen untergründigen, angespannten Boden entreissen könnte. Die Wärme in ihrem Herzen, dass nun einige Takte ruhiger und kräftiger schlägt, will nicht mehr weichen und ein zaghaftes Lächeln umspielt ihren zarten Mund, als sie unter ihren Wimpern hervorlinst und Arwen einen vorsichtigen, dankbaren Blick schenkt. Das Chaos in ihrem Inneren, dieser ungeheure Druck, das Verlangen, sich in einem kleinen Lock zu verkriechen, ist verblasst, angesichts der Tatsache, das Arwen ihr von Geschehnissen erzählte, die nicht für jedermanns Wissen bestimmt scheinen und diese Geste erfüllt Azra mit kaum fassbarer Verbundenheit.

„Ich“, beginnt sie, lächelt verlegen, wischt einige verräterische Tränen der Freude aus ihren Augen und sieht dann auf, nur kurz noch einen Schluck aus der Tasse nehmend, um den schalen Geschmack von ihrem Gaumen zu vertreiben: „Ich danke euch. Ich danke euch Arwen, für all das, was ihr gesagt habt. Manchmal fühle ich mich nicht als lebendes Wesen, sondern als Schatten der Vergangenheit, in dem jeder etwas Böses sehen kann.“ Die verstohlenen Blick, die unangenehm in ihrem Nacken haften, das leise Flüstern, das wie eiskalter Wind bis in ihr Bewusstsein dringt, die unterschwellige Ablehnung mancher Elben ihr gegenüber, all das hat sie bis heute begleitet, mal stärker mal schwächer und seit ihrer Hochzeit mit Borgil nur noch als schemenhafte Bilder, doch all diese Dinge sind noch stets vorhanden, fest verkeilt in den Vorstellungen aller Wesen, die auf Roha leben. Schwach lachend macht Azra eine unschlüssige Geste, hält inne und fährt mit gedankenverlorenem Blick fort: „Mein Blut macht mich anfällig für viele Dinge. Ob nun Dämonen oder den Hass der Elben. Elben vergessen nicht, das weiss ich, das musste ich lernen, in vielen, harten Stunden, doch hier in Talyra… Ich weiss noch immer nicht, wie ich es sagen soll… Hier scheint die Welt sich ein Stück zu verändern und das Tor zur Gemeinsamkeit steht weiter offen, derweil Missgunst und Scheu ein wenig schwinden. Doch auch hier haben sie nicht vergessen… Nur weiss ich bis heute nicht, was genau die Elben nicht vergessen haben.“ Fast ein wenig hilflos öffnet Azra den Mund, scheint etwas sagen zu wollen und hält dann wieder inne, betrachtet eingehend die tanzenden Flammen und verfolgt die springenden Funken in ihrem Lichterspiel, bis sie sich leise räuspert, die schmalen Schultern kaum unmerklich strafft und zu Arwen aufsieht, ein schmerzliches Glänzen in den farblosen Augen: „Aber ich möchte es endlich wissen. Könntet ihr mir erzählen… was damals geschah, was die Shebaruc den Elben auf den Himmelsinseln angetan haben, damit ich weiss, woher dieser uralte Hass auf meine Art kommt, damit ich weiss, warum ich in manchen Blicken soviel Verachtung lese, ohne, dass ich auch nur ein Wort gesprochen habe. Ich möchte Wissen haben, um… um…“ Um endlich zu verstehen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 03. Apr. 2006, 20:36 Uhr
Azras Räuspern, als sie den ersten Schluck mit Uisge Beatha gemischten Tees nimmt, lässt Arwen unwillkürlich lächeln, geht ihr selber doch nicht viel anders. Stärkere Getränke als gelegentlich etwas Wein finden auf Vinyamar nur höchst selten seinen Weg aus den Kellern oder Schränken auf den Tisch und in Kelche oder Schalen. Azra hört ihr schweigend zu, und die Gedanken und Gefühle des Blutelbenmischlings finden nur zu oft den Weg bis in das Gesicht der jungen Halbelbin. Auch wenn die Tränen langsam versiegen, schwankt die Mimik doch ebenso wie die Körperhaltung ihres Gastes beständig zwischen Erleichterung, Unglaube, Zweifel, Anspannung und Hoffnung. Und es fällt Arwen schwer, mit diesen offen gezeigten Empfindungen umzugehen, wo sie selber doch von jüngster Kindheit an gelernt hat sich in sich selber zurückzuziehen und ihr Denken und Fühlen für sich zu behalten. Sie wird mit jedem Augenblick der vergeht unsicherer, weil sie nicht weiß, wie sie auf ihren Gast reagieren soll. Im einen Moment drängt es sie diese zierliche Person, die alles andere als bedrohlich sondern eher wie ein völlig verstörtes Kind wirkt bei den Händen zu nehmen und ihr zu versichern, dass alles gut werde, dass sie nichts von Arwen zu fürchten habe, und im nächsten Augenblick will sie sich nur von der Frau zurückziehen, die sie verwirrt und verunsichert und die ihre Shebaruc-Abstammungt nicht verleugnen kann. Stille breite sich wieder zwischen ihnen aus, eine Stille, die nur deshalb nicht unangenehm wird, weil die beiden Kinder völlig unberührt von dem Sturm der Gefühle um sie herum auf dem weichen Fell vor dem Kamin liegen, Roha um sich herum vergessen haben und Rialinn sich von Brenainn in seligstem Säuglingsgebrabbel das Neuste aus der Harfe und von Borgil erzählen lässt. Zumindest scheinen die lallenden Laute für das Elbenkind in einer Art und Weise verständlich zu sein, die kein Erwachsener mehr nachvollziehen kann. Das Lachen der beiden Kinder hat etwas zutiefst Friedliches und Beruhigendes an sich.

Die Stimme der Halbelbin ist tonlos und zittert hörbar, als sie schließlich auf den Dämon und seine Macht über sie zu sprechen kommt, auf ihr Erbe, dass sie in diese Situation gebracht hat und wie es sie immer wieder in ungewollte Situationen zwingt, die sie an den Rand der Gesellschaft stellen. Die Tränen kehren zurück und ein gewaltsam zurückgehaltenes Schluchzen lässt die schmalen Schultern in dem grauen Kleid beben. Der Kummer hinter diesen Tränen ist vermutlich so alt wie Azras Leben und nagt an ihrer Seele und ihrem Sein unerbittlicher als es der Zahn der Zeit je könnte. Nichts könnte diesen Schmerz lindern, kein Wort und keine Geste. Und so sitzt Arwen einfach nur da, schweigt, und lässt ihrem Gast die Zeit, sich zu fangen, ehe sie selber weiter spricht.
Und obwohl sie nur wenige Einzelheiten erwähnt und jeden Vorwurf aus ihrer Stimme heraus hält, ist es doch unübersehbar, wie sehr ihre Worte über die Shebaruc Azra treffen. Und das Entsetzen und das Mitgefühl in den blassen Augen als sie von Amithra Siranvendis und dem Fluch erzählt sind so offensichtlich, dass Arwen nicht einen Wimpernschlag lang an der Ehrlichkeit dieser Gefühle zweifelt.

Der Dank Azras für ihre Worte, den ein zaghaftes Lächeln der Halbelbin begleitet, verwirrt Arwen dann allerdings sichtlich. Sie ist sich nicht bewusst, irgendetwas gesagt oder getan zu haben, für das man sich bedanken müsste. Sie kommt allerdings nicht dazu, etwas zu erwidern, denn die junge Frau fährt fort, als läge ihr noch etwas auf der Seele, das sie aussprechen muss, ehe der Mut dazu oder die Worte sie verlassen.
>Manchmal fühle ich mich nicht als lebendes Wesen, sondern als Schatten der Vergangenheit, in dem jeder etwas Böses sehen kann.< Es fällt Arwen nicht schwer, sich vorzustellen, was gemeint ist. Dieses beredte Schweigen, wenn man erscheint, die Blicke hinter dem Rücken, die sich einem in den Nacken bohren, das Tuscheln, das abrupt verstummt, wenn man sich jemandem zuwendet, die unausgesprochenen Vorwürfe in den Augen der anderen, Arwen kennt sie alle nur zu gut aus eigener Erfahrung. Offene Anfeindung und Ablehnung sind bestimmt keine erstrebenswerten Zustände, aber alle Mal leichter zu ertragen als dieses Unterschwellige, das man spürt aber nicht greifen und gegen das man sich nicht wehren kann. "Ihr seid kein Schatten der Vergangenheit, Azra. Aber viele, und nicht nur die Elben, erinnert ihr an die Schatten der Vergangenheit und das, was sie mit sich brachten." Azra stockt kurz, bewegt ihre Hand in einer Geste, die alles und nichts bedeuten kann, und als sie fortfährt, lässt ihr Blick erkennen, dass ihre Gedanken sich auf Wanderschaft begeben haben. >Mein Blut macht mich anfällig für viele Dinge. Ob nun Dämonen oder den Hass der Elben. Elben vergessen nicht, das weiss ich, das musste ich lernen, in vielen, harten Stunden, doch hier in Talyra… Ich weiss noch immer nicht, wie ich es sagen soll… Hier scheint die Welt sich ein Stück zu verändern und das Tor zur Gemeinsamkeit steht weiter offen, derweil Missgunst und Scheu ein wenig schwinden. Doch auch hier haben sie nicht vergessen… Nur weiss ich bis heute nicht, was genau die Elben nicht vergessen haben.<
Sie wirkt ein wenig verlassen als sie den Mund öffnet, als wolle sie noch mehr sagen, müsse dabei aber feststellen, dass die Worte zusammen mit dem Mut dafür die Flucht ergriffen haben und verliert sich für eine Weile mit dem Blick im Spiel der Flammen im Kamin. Dann straffen sich die schmalen Schultern und ein entschlossenes Funkeln tritt in die hellen Augen. >Aber ich möchte es endlich wissen. Könntet ihr mir erzählen… was damals geschah, was die Shebaruc den Elben auf den Himmelsinseln angetan haben, damit ich weiss, woher dieser uralte Hass auf meine Art kommt, damit ich weiss, warum ich in manchen Blicken soviel Verachtung lese, ohne, dass ich auch nur ein Wort gesprochen habe. Ich möchte Wissen haben, um… um…< Die Halbelbe bricht mitten im Satz ab, als ob die Erinnerungen die sie nicht kennt ihre Worte verschlingen würden. Und auch Arwen schweigt einige harte  Herzschläge lang. Wenn sie sich auch vieles ausgemalt hat, wie dieser Tag und das Gespräch wohl verlaufen mögen, DIESE Bitte ist nie darin vorgekommen. Es sind nur wenige Momente, die schweigend vergehen, und doch erscheint es Arwen, als stünde die Zeit für endlose Augenblicke still, während sie nach Worten sucht.

"Es stimmt. Wir Elben können nicht vergessen. Leider. Es gibt viele, die uns Elben um die Gabe der Unsterblichkeit beneiden, sie nennen es ein Geschenk und einen Segen. Aber sie übersehen dabei den Fluch, den es bedeutet, so vieles zu sehen, zu erleben und zu wissen, und es nicht vergessen zu können. Diese alten Geschichten sind wie Blut. Sie fließen in den Elben und Menschen, in allen Völkern Rohas, auch wenn die meisten es nicht wissen, nicht wissen wollen oder auch einfach nicht darüber nachdenken. Aber selbst wenn man nicht daran denkt, kommen in bedrohlichen Zeiten die alten Geschichten überall wieder zum Vorschein. Und auch das ist genau wie bei Blut." Ein unfrohes Lächeln begleitet Arwens Worte. "Es gibt viele Dinge, von denen ich wünsche, ich hätte sie nie gewusst, oder könnte sie zumindest vergessen. Aber das ist uns Elben nun einmal leider nicht vergönnt. Die Alten bei uns sagen, dass Erinnerungen wichtig sind, und dass, je öfter wir uns erinnern, der Schmerz nachlassen wird. Sie irren sich. Es gibt Wunden… und Erinnerungen… die sind zu tief, als dass die Zeit sie heilen könnte." Und manche Schuld wird nie vergehen… Arwen muss sich mit einem Ruck von den Erinnerungen losreißen, die sich in diesem unbeachteten Moment  heimlich angeschlichen haben: Naurgol, ihr Lehrer. Ein dunkles Toben, dem sie hilflos ausgeliefert ist. Angst. Eine verzweifelte Flucht aus dem Studierzimmer, die ihr nicht gelang. Ein greller Blitz. Der Geruch von verbranntem Fleisch. Naurgols Augen, das Wissen darin, dass er sterben wird, dass seine Schülerin ihn getötet hat, der brechende Blick. Ihr tiefes Atemholen während sie mit aller Gewalt versucht ihrer Erinnerungen Herr zu werden, ihre Gedanken zu sortieren und die richtigen Worten zu finden, ist gepresst und voller Anstrengung. "Talyra ist wirklich etwas Besonderes. Aus einem Grund, den ich nicht kenne, von dem ich auch nicht weiß, ob ihn überhaupt jemand kennt, zieht es die unterschiedlichsten Wesen aus allen Völkern und aus allen Gegenden Rohas hierher. Aber irgendetwas muss an dieser Stadt besonders sein, denn sie alle leben hier zusammen, ohne dass es zu nennenswerten Konflikten käme. Elben und Normander in einer Stadt ohne dass sie sich gegenseitig an die Kehle gehen. Faune, die die Ebenen verlassen und hier in der Stadtgarde dienen. Warge, die keine Schreckensbilder für kleine Kinder sondern geachtete Bürger und Offiziere der Steinfaust sind. Vieles, was für uns hier in Talyra inzwischen ganz alltäglich ist, würde andernorts als Ammenmärchen abgetan werden."

Sie lehnt sich in ihrem Sessel zurück, zögert und ringt einen Moment lang mit sich selber und der Entscheidung, was sie Azra über den Untergang der Himmelsinseln erzählen kann - und ob sie es überhaupt will. Denn es zu erzählen würde bedeuten, Erinnerungen wach werden zu lassen, die kein Elb gerne weckt. "Ihr wollt wissen, was einst auf den Himmelsinseln geschah. Ihr wollt wissen, um zu verstehen… Es mag sein, dass ihr Recht habt, dass es leichter für euch wird damit umzugehen, wenn ihr um die Schatten der Vergangenheit wisst…. Aber Wissen kann ein höchst zweischneidiges Schwert sein, Azra... " Rialinn hat sich genug von Brenainn erzählen lassen - der Kleine ist unterdessen süß und selig eingeschlafen - und da ist das was die beiden Frauen sich erzählen bestimmt interessanter. Selber müde geworden, steht Rialinn vor Arwen, streckt wortlos die Arme aus und will auf den Schoß ihrer Mutter gehoben werden, wo sie sich dann zufrieden in deren Arme kuschelt und den Worten zu folgen versucht, während sie sich tapfer (aber wenig erfolgreich) gegen den Lockruf der Trance zu wehren versucht.

"An tos Thammâses tys Anmenthares daliotires tes Ayares ilaes Cumasethes, ilaes Valonvaes, Asaridaes, Ska'anes îr Andolines an loto Loramarun, te Ayaresamrun mindait yannatit … Ail Sula tys Tianthares âr  tomatit Aêril Llaêris, dô tes Onties tys Âshtanu Thanaes wandatit îr ites an Rhylinfaga hirrâtires…" Erst als sie die verständnislosen Blicke ihres Gastes bemerkt, wird Arwen klar, dass sie unbewusst Shidar gesprochen hat. Mit einem entschuldigenden Lächeln bricht sie ab, streicht Rialinn eine der wirren Locken aus dem schlafenden Gesicht, und setzt dann erneut an. "Im äußersten Westen der Himmelsinseln, in den Weißen Bergen hatten die Götter einst ihre Heimstatt, Paläste und Hallen, Türme und Gärten wie es auf Roha keine zweiten gab oder je geben wird. Das Reich der Götter, wurde es von den Elben genannt. Und dort, am Fuß der Himmelsberge lag auch der Ring des Schicksals. Der Ort an dem die Throne der Zwölf Mächte standen und wo sie sich trafen um zu Gericht zu sitzen.

Die Erinnerungen an den Ort des Erwachens der Ilfa'ya  tragen wir tief in unseren Herzen, hüten sie wie einen kostbaren Schatz und rühren nur selten mit Worten an ihnen. Selbst jene von uns, die wie ich dort geboren wurden und das goldenen Licht noch mit eigenen Augen gesehen haben, zuviel Trauer ist mit den Erinnerungen verbunden… zuviel Leid und zuviel Zorn.

Die Himmelsinseln… Die Heimat der Götter auf Roha und die Wiege der Elben… Sie lagen weit im Westen jenseits der Immerlande in den Meeren des Sonnenaufgangs, noch weit jenseits der Grenze, die die Seefahrer der Immerlande heute den Schild Amurs nennen. Es waren grüne Lande, strahlend in goldenem Licht und voller Bäume und Blumen, von denen die meisten hier in den Immerlanden unbekannt und damit auf ewig verloren sind. Es waren gesegnete Lande, in denen die Götter selber weilten und in irdischer Gestalt unter den Kindern des Morgens wandelten, wo alles blühte und gedieh, und die Elben es nicht kannten, dass etwas verwelkte oder gar starb. Bosheit oder Finsternis waren unbekannt in jenen Tagen." Arwens Stimme ist leise geworden, und ihr Blick richtet sich weder auf ihre Tochter noch auf ihren Gast, ihr Blick geht auf einen unbestimmten Punkt in der Unendlichkeit, folgt ihren Gedanken auf den Pfaden der Erinnerung, durch Zeit und Raum zurück an den Ort ihrer Kindheit. "Und der Frieden dort währte lange, selbst nach der Rechnung der Elben. Ein Frieden, in dem wir von den Göttern lernten, in dem Sprache, Musik und Kunst, in dem Handwerk und Wissenschaft sich entwickelten, und in dem die Völker der Elben friedlich zusammen und nebeneinander in ihren Reichen lebten. Auch die Shebaruc, die man damals noch Nachtelben nannte. Zusammen mit den anderen Elbenvölkern waren sie an den Ufern des Nebelsees erwacht, unsterbliche Kinder des Morgens, und sie lebten in Frieden mit den anderen…"  Ihre Stimme beginnt zu zittern, so als würden sich die Erinnerungen weigern ausgesprochen zu werden. "Selbst wenn nur die Hälfte der Erinnerungen der Ältesten unter uns nicht vor Sehnsucht verklärt sind, muss es eine wundervolle Zeit gewesen sein." Ein sachter Ruck geht durch ihre schlanke Gestalt, als Arwen sich etwas aufrichtet und Azra ansieht. "Doch kein Frieden währt ewig, nicht einmal auf den Inseln der Götter. Nicht, wenn sich der Namenlosen aus den Tiefen der Unterwelt erhebt… Neid, Missgunst, Hass… eigentlich sollte man annehmen, dass die Götter frei sind von solchen Gefühlen." Ein bitteres Lächeln zuckt kurz um Arwens Mundwinkel auf, und ist im nächsten Moment schon wieder verschwunden.
"Doch dem ist leider nicht so. Was auch immer es war, das den Dreizehnten antrieb, er versuchte die Elben zu verführen, sie den Zwölf Mächten zu entfremden und in seinen Dienst zu ziehen - und er scheiterte. Tierilnen, die Gemahlin von Goldauge Thaylon und Urahne des Hauses Relavendis, das auch heute noch die Hohen Könige der Elben stellt, weigerte sich, auch nur irgendetwas mit dem Dunklen zu tun zu haben und verweigerte ihm jedweden Respekt. Von einer Elbin derart zurückgewiesen zu werden, war wohl etwas, das jenseits seiner Vorstellungskraft lag, und das er nicht ungestraft akzeptieren konnte. Vier der fünf Elbenvölker folgten Tierilnens Beispiel und schenkten ihm kein Gehör. Erst bei den Shebaruc hatte er schließlich Erfolg und seine Einflüsterungen fielen auf offene Ohren und fruchtbaren Boden. Die Saat der Zwietracht war gesät, und sie wuchs schnell und wurzelte tief. Das Denken der Shebaruc verdarb und ihre Herzen wendeten sich von den Göttern ab und dem Dunklen zu. Doch mehr als ein Zeitalter Rohas lang wusste oder ahnte niemand von diesem Verrat. Auch da noch nicht, als in den Immerlanden schon längst der Kampf zwischen den Zwölf Mächten und dem Dunklen um die Vorherrschaft tobte. Auch davon wussten die Elben nur wenig, waren die Immerlande doch so fern von den Himmelsinseln.
Zu dieser Zeit, am Anfang des Dritten Zeitalters war es auch, dass meine Mutter sich einem Diener der Finsternis in den Weg stellte. Sie stand im Dienste Anukis', hier in den Immerlanden würde man sie heute wohl als eine Hohepriesterin bezeichnen. Die Elben kannten damals solche Begriffe für den Dienst an den Göttern noch nicht. Was dieser Dämon, ein Erzdämon auf den Himmelsinseln tat, ob er für seinen Herrn spionierte oder die Shebaruc tiefer in den Schatten zog, ich weiß es nicht, und es macht auch keinen Unterschied mehr." Keinen Unterschied… das ist eine gnadenlose Untertreibung… es macht sehr wohl einen Unterschied. Und den größten Unterschied würde es machen, wenn mir endlich jemand erzählen würde, was damals wirklich mit meiner Mutter geschah… wenn mir überhaupt jemand von der Frau erzählen würde, die mich geboren hat, und der ich angeblich gleiche als sei ich ihr Zwilling… Die Gedanken sind so heftig, dass Arwen nicht einmal bemerkt, wie sie abrupt schweigt. "Aber ich denke nicht, dass sie oder irgendjemand sonst wusste oder ahnte, dass die Diener des Dreizehnten die Shebaruc den Göttern abspenstig gemacht hatten." Die Bilder der Erinnerung drängen plötzlich mit solcher Macht aus den Tiefen in denen sie begraben wurden hervor, dass Arwen für einen Moment die Worte stocken. Es kostet sie ihre ganze Selbstbeherrschung, ihre Lungen zum Atmen zu zwingen, die Tränen zurückzuhalten und nicht die Fassung zu verlieren. An ihre Mutter auch nur zu denken raubt ihr fast den Atem, über sie zu reden ist mit einem Mal beinahe unerträglich. Hätte es jemand geahnt, wäre der Untergang vielleicht zu verhindern gewesen… Aber vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon…Alles Hätte-Wäre-Wenn ist nichts als törichtes Hoffen und Grübeln…

"Am… am Ende des Dritten Zeitalter Rohas wurde der dunkle Gott in den Ring des Schicksals gerufen. Das Urteil für seine Frevel an Roha und allen Geschöpfen sollte vom Hohen Gericht der Götter gesprochen werden. Doch der Dunkle dachte gar nicht daran, sich dem Urteil der Zwölf zu beugen oder es auch nur anzuhören. Für ihn war die Stunde seiner Rache gekommen. Die Mächte des Chaos wurden von ihm entfesselt, die Tore zur Unterwelt geöffnet… und es begann das, was später  'Der Krieg der Götter' genannt wurde. Die Elben kämpften Seite an Seite mit den Heerscharen der Götter… bis auf die Shebaruc. Hatten sie den Dunklen bisher nur im Geheimen verehrt, so bekannten sie sich jetzt offen zu ihrem Herrn und kämpften gegen die Götter und ihre Brüder."
Für einen Augenblick stehen die Erinnerungen an den Anfang vom Ende so klar vor Arwens Augen, dass sie fast glaubt, wieder auf den Mauern von Amrielcalamar zu stehen und der Heerschau der Elben zuzusehen. Gildin hatte damals neben ihr gestanden, gerüstet und bewaffnet - und vor kaum gezügelter Wut bebend, weil ihr Vater ihm verboten hatte ihn zu begleiten und ihm stattdessen befohlen hatte seine Schwester zu schützen und die Mauern der Stadt zu verteidigen. "Man kann es kaum beschreiben, wenn man es nicht selber gesehen hat, Azra. Das Haus Relavendis hatte gerufen, und die Elben jener Völker, die treu zu den Göttern standen, waren gekommen. Wir Elben bekommen nur selten Kinder, deshalb sind sie uns auch so kostbar, aber in drei Zeitaltern des Friedens waren die Völker gewachsen, und zahlreich geworden. Es war ein gewaltiges Heer, das sich auf den Ebenen von Sirinvail sammelte um sich den Heerscharen der Götter anzuschließen. Pferde, schlank und sehnig, ebenso ausdauernd wie schnell. Die Reiter gewappnet mit Rüstungen, die so sehr schimmerten, dass man glaubte der Regenbogen habe sich herabgesenkt um sie in alle Farben zu tauchen, die die Götter je erdacht hatten. Ihre Speere reckten sich in den Himmel wie ein Walddickicht und glänzten wie gefrorene Blitze. Die Heerführer riefen sie zu den Waffen und zu den Bannern ihrer Könige, und als die Krieger der Elben die Schwerter zur Antwort in den Himmel reckten, funkelten diese wie Blitze am Sommerhimmel. Sie brachen auf, mit strahlenden Augen und wehenden Haaren, und das Geräusch der Hufe klang wie das Brausen der Winde im Herbst und der Flüsse nach dem großen Regen im Frühling. Sie sangen, so wie die Elben damals immer gesungen haben, und niemand ahnte, was noch vor ihnen lag. Ebenso wie niemand auch nur entfernt auf den Gedanken kam, die Götter und ihre Heerscharen könnten in diesem Kampf unterliegen."
Unbewusst ist Arwens Hand zu dem Medaillon ihrer Mutter gewandert, das unverborgen auf dem Stoff ihres Kleides liegt und umschließt es mit kalten Fingern. Die Elben hatten sehr bald und sehr bitter lernen müssen, wie hoch der Blutzoll ist, wenn die Götter gegeneinander Krieg führen. Sie waren nicht mehr als eine Handvoll Getreide, die zwischen zwei mächtigen Mühlsteinen eingeklemmt ist, die alle beide versuchen, sich aneinander zu schleifen, ohne das ahnungslose Korn in ihrer Mitte zu beachten. Nun ja, völlig unbeachtet waren die Elben damals vielleicht nicht gewesen, die Zwölf hatten schon um sie gewusst, und ihren Einsatz und ihre Opfer auch zu würdigen gewusst. Doch das hatte nichts daran geändert, dass die Meldereiter mehr und längere Listen mit Gefallenen nach Amrielcalamar gebracht hatten, als Erfolgsmeldungen. An die Zahl der Trauerfeiern für gefallene Freunde will Arwen sich gar nicht erst erinnern - jede von ihnen ist eine zuviel gewesen.

"Doch das war noch nicht das Ende des Verrats der Shebaruc. Im Gegensatz zu den Göttertreuen wussten sie sehr wohl, was noch kommen sollte. Ihr Herr hatte ihnen offenbart, welche Zerstörung er über die Himmelsinseln bringen würde. Aber um fliehen zu können, brauchten sie Schiffe. Schiffe, wie nur die Windelben sie besaßen. Und nach ihrem Verrat durften sie nicht annehmen, dass man ihnen auch nur ein einziges Schiff freiwillig geben würde. Sie griffen die Windelben ohne jede Vorwarnung an, zerstörten die große Stadt und den Hafen, und töteten jeden den sie fanden, ganz gleich, ob er sich ihnen in den Weg stellte oder bloß zu fliehen versuchte, egal ob bewaffnet oder nicht, und es war ihnen egal ob Mann, Frau oder Kind. Die Windelben wehrten sich mit dem Mut der Verzweiflung und irgendwie gelang es ihnen auch zahllose Shebaruc zu töten, doch sie konnten nicht verhindern, dass die abtrünnigen Elben mit allen Schiffen die sie noch bemannen konnten nach Osten flohen und einen großen Teil der restlichen in Brand setzten. Der Brudermord von Taran Tianmar… seither werden die Shebaruc von den Ilfa'ya nur noch selten nach dem Meer der Nachtschatten wo sie einst ihr Reich hatten als Nachtelben bezeichnet. Der Name 'Blutelben' wird ihnen auf ewig anhaften." Arwens Worte mögen beherrscht und ruhig klingen, so als zitiere sie lediglich aus einer alten Chronik, es ist ihre Art, sich vor den Erinnerungen und den mit ihnen verbundenen Schrecken zu schützen, doch es ist nicht mehr als eine Fassade. Und diese Fassade ist obendrein mehr als brüchig und wird schon allein davon Lügen gestraft, dass sie am ganzen Körper zu zittern beginnt. Manche Erinnerungen sind klebriger als die Fäden eines Spinnennetzes, die Gedanken brauchen nur ansatzweise in ihre Nähe kommen, schon hängen sie an ihnen fest, und liefern ungewollte Bilder in grausamer Klarheit.

Als die Shebaruc sich so unerwartet aus den Kämpfen zurückgezogen hatten, hatten die Heerführer der Elben neuen Verrat und einen Angriff auf die Stadt des Sommerliedes, den Sitz der Hohen Könige befürchtet. Verrat lag tatsächlich in der Luft, nur hatten sie das Ziel nicht richtig eingeschätzt. Boten, die schnellsten Reiter der Elben waren losgeschickt worden um die Bewohner zu warnen. Doch noch vor diesen Boten hatte die Nachricht vom Angriff auf die Windelben die Stadt der Shida'ya erreicht. So schnell es ging, zogen die Elben ihre verbliebenen Kräfte zusammen und eilten ihren Brüdern zu Hilfe. Doch sie kamen zu spät um den Sippenmord zu verhindern. Aber immerhin gelang es ihnen, einige versprengte und zurückgelassene Shebaruc zu stellen - und ihnen das Wissen abzupressen, das die Shebaruc von den Himmelsinseln hatte fliehen lassen. Zurückhaltung, Beherrschung oder gar Gnade kannten die Elben gegenüber den Verrätern und Brudermördern in jenen Tagen nicht mehr. "Ich kam erst viele Siebentage nach dem Überfall dorthin, zusammen mit meinem Bruder und meinem Vater, als sich die Elben bereits in den Häfen zu sammeln begannen, und der Anblick war noch immer entsetzlich. Die Toten… hatte… man hatte sie längst geborgen und verbrannt. Es waren zu viele gewesen, um sie in Gräber beizusetzen. Aber Taran Tianmar… die  Stadt selber… war… die Stadt, die ich gekannt hatte, gab es nicht mehr, von ihr waren nur Ruinen geblieben, geschleifte Mauern, zerstörte Häuser und Paläste, die Gärten nur noch Asche, ein Raub der Flammen. Rußgeschwärzte, eingestürzte Wände, aufgerissene Pflaster, wo einmal offene Plätze gewesen waren. Und über allem lag der saure Geruch der Asche und mischte sich mit dem Geruch von Blut, das den Boden getränkt hatte. Und nachts, wenn die Sterne am Himmel standen, konnte man das Echo der Schreie der erschlagenen Windelben hören, das sich in Steine und Mauern gegraben hatte."
Rialinn regt sich auf ihrem Schoß, seufzt wie ein durchlöcherter Blasebalg, windet sich hin und her und stemmt sich hoch um einen bequemeren Platz zu finden und lässt ihren Kopf dann mit der Wucht eines landenden Katapult-Steins wieder auf Arwens Arm sinken. Einen Moment lang scheint sie sich nochmal aufrichten zu wollen, doch dann presst sie nur ihren Bären fester an sich und ergibt sich jenem knochenlosen Zustand, der nur bei schlafenden Kindern vorkommt. Ihre Haut scheint seelenruhig mit der Arwens zu verschmelzen, das Vertrauen in ihre Mutter so grenzenlos zu sein, dass es nicht notwendig ist, die Grenzen ihres eigenen Körpers aufrecht zu erhalten - ihre Mutter würde das für sie beide tun. Vorsichtig, um ihre Tochter nicht zu wecken verändert Arwen ihre Position etwas und langt nach ihrer Teeschale. Der Tee ist trotz des Honigs angenehm herb, doch ganz heimlich wünscht Arwen sich, die Schale wäre mit Feuerwein oder etwas ähnlich starkem gefüllt, das ihren Geist so weit betäuben würde, dass sie die alten Bilder der Erinnerung nicht mit dieser grausamen Klarheit heimsuchen würden.

"Der Krieg der Götter fand schließlich sein Ende, der Dunkle wurde besiegt und in Ketten geschlagen. Doch er hatte Mächte entfesselt, die die Meere Rohas in Aufruhr versetzten und die Himmelsinseln in ihren Grundfesten erschütterten. Verheerende Brände und Stürme tobten über die einstmals gesegneten Lande und von goldenem Licht, grünenden Bäumen und blühenden Blumen blieb nichts zurück als Erinnerungen. Auch von den Göttern blieben uns nur noch Erinnerungen, denn die Zwölf verließen Roha und zogen sich auf die Hohen Gestirne zurück. Die überlebenden Elben sammelten sich mit allen und allem was sie retten konnten in den Häfen der Windelben und bauten zusammen mit ihnen die gewaltigen Schwanenschiffe. Als der letzte Mast aufgerichtet und das letzte Segel an seinem Platz war, stachen sie in See, geführt von den Fa'liar, gerade noch rechtzeitig, ehe die Himmelsinseln ganz im Meer versanken. Die Reise dauert lang, sehr lang… sogar nach den Maßstäben der Elben und sie war voller von Leid und Entbehrungen. Es gibt bei uns keine Geschichten und kein Lieder über die Schiffsjahre, die nicht voller Trauer sind. Als die Schiffe endlich die Immerlande erreichten, gingen damit ungezählte Gebete in Erfüllung. Wir errichteten den Göttern neue Tempel, bauten Städte und gründeten Reiche. Aber unsere wahre Heimat, die Himmelsinseln in ihrem goldenen Licht und die Gärten voller Mandelblüten und Springbrunnen auf denen die singenden Vögel spielten, die haben wir nie vergessen, sie sind und bleiben in den Erinnerungen der Elben." Und aus Erinnerungen werden Legenden, aus denen dann irgendwann Mythen werden… vielleicht, irgendwann einmal, ehe das Ende Rohas kommt, werden die Immerlande nicht mehr nur unser Exil sein, sondern für die Ilfa'ya zu einer zweiten Heimat werden...

Der Tee in Arwens Schale ist halb ausgetrunken und inzwischen nicht einmal mehr lauwarm, sondern kalt. Vom Reden ist ihr der Mund trocken geworden, und so schenkt sie ihrem Gast und sich selber frischen Tee ein. Gedankenverloren rührt sie in ihrer Schale, bis der Honig sich aufgelöst hat. "Ich war noch sehr jung, als der Krieg der Götter ausbrach, fast noch ein Kind." Götter, das ist so lange her… "Vieles habe ich selber nicht erlebt, sondern bekam es von meinem Vater oder meinem Bruder erzählt. Aber so, wie wir unsere Heimat nie vergessen können, so brennen auch die Erinnerungen an den Verrat der Shebaruc und den Mord an den Windelben wie eine ewige Flamme in den Gedanken der Elben. Seit jenen Tagen sind Verrat und Eidbruch die schwersten Verbrechen, die die Elben kennen. Die Blutelben verloren ihre Unsterblichkeit. Doch selbst diese Strafe der Götter kann den Hass der Elben nicht besänftigen, und am heißesten brennt er in den Herzen der Windelben."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Azra am 21. Apr. 2006, 18:52 Uhr
Zärtlich hebt Azra den eingeschlummerten Brenainn auf ihre Arme, streicht ihm zärtlich über seinen kleinen Kopf und geniesst es den seidenweichen Flaum zwischen ihren Fingern zu spüren, wie die ersten Federn eines Kükens. Ihr Sohn atmet leise und still, vergräbt seine Finger schlaftrunken in den Stoff ihres Kleides und öffnet den winzigen Mund ein paar Mal, bevor er still liegt. Mit einem liebevollen Lächeln betrachtet sie ihn für einige, wenige stille Augenblicke und streicht mit einer Fingerkuppe über die kleine Nase, auf deren Rücken sich gleich darauf durchscheinende Empörungsfältchen zeigen. "An tos Thammâses tys Anmenthares daliotires tes Ayares ilaes Cumasethes, ilaes Valonvaes, Asaridaes, Ska'anes îr Andolines an loto Loramarun, te Ayaresamrun mindait yannatit … Verstört blickt Azra auf und blinzelt Arwen fragend an, aus deren Mund unverständlicher, jedoch wunderschöner Singsang kommt, der leider aber für Azra keinen Sinn ergibt. Die Worte klingen leicht und fliessend, eine Sprache die perfekt wäre für traurige Balladen und Liebesgesänge der Barden, doch als Azra bewusst wird, um was für eine Sprache es sich handelt, senkt sie fast beschämt den Blick und lächelt entschuldigend: „Entschuldigt, doch ich bin unter Menschen aufgewachsen und dem Shidar nicht mächtig.“ Arwen sieht sie still an, fährt Rialinn, die sich derweil in den Armen ihrer Mutter ein kleines Nest gebastelt hat, durch die schimmernden, pechschwarzen Locken und beginnt dann erneut zu erzählen und Azra somit einen Wunsch zu erfüllen, der ihr schon seit langer Zeit auf dem Herzen lag.
Die Bilder erscheinen vor ihren Augen, wachsen aus den Erzählungen empor und ihr Mund öffnet sich vor Erstaunen und Ehrfurcht, vor Unglauben und Unverständnis. Manche der Dinge, von denen Arwen berichtet, kann Azra sich nicht vorstellen, denn zu gewaltig und zu schön sind sie, zu unrealistisch für ihre Art zu denken und ihre Fantasie. Die Himmelsinseln, das Land der Götter, das Land der ersten Elben. “ Zusammen mit den anderen Elbenvölkern waren sie an den Ufern des Nebelsees erwacht, unsterbliche Kinder des Morgens, und sie lebten in Frieden mit den anderen…" Arwens Stimme bricht beinahe ab und Azra lehnt sich zurück, hebt Brenainn ein wenig und versucht zu verstehen. Also sind die Shebaruc ebenso von den Göttern geliebt und geachtet worden, wie alle anderen Elbenvölker. Sie waren eins mit den Anderen, hatten auch auf den heiligen Himmelsinseln gelebt und waren demnach nicht von Beginn an Verstossene und Böse gewesen, ihre Herzen noch nicht von der Dunkelheit und dem Hass zerfressen. Diese Tatsache erleichtert Azra jedoch keineswegs, ganz im Gegenteil. Es bedeutet, dass etwas oder jemand sie verändert hat und das kommt ihr grausamer vor, als ein schrecklicher, abscheulicher Verrat. Das sie jedoch Recht hate damit, schmerzt sie. Arwen sieht in eine weite Ferne, in ihren Augen spiegeln sich Erinnerungen, wie verblassende Schemen und Azra wagt es nicht, auch nur einen Ton zu sagen, um die Elbe nicht aus den Schatten der Vergangenheit zu reissen.

Schliesslich setzt sich Arwen ein wenig aufrechter hin, scheint aus lang vergangener Zeit zurückzukehren und blickt Azra an, die unter dem Blick ein wenig zusammenschrumpft und doch damit kämpft zu glauben, was Arwen sagt. Götter sind Mythen und Legenden, man kann sie nicht anfassen und auch nicht sehen, zumindest sie konnte das bisher nicht. Alles was viele Wesen mit ihnen verbindet, ist starker oder schwacher Glaube und Azra kann nicht von sich behaupten, dass sie den Göttern viel Wert beimisst, schon alleine, weil ihr vor ihrer Ankunft in Talyra selten etwas Gutes widerfahren ist und all das, was in dieser Stadt, hinter den hohen Mauern, geschehen ist, schreibt sie ebenso wenig irgendeinem göttlichen Willen zu. Mühsam versucht sie wenigstens ein bisschen dessen, was Arwen spricht zu verbildlichen, um nicht nur graue und weisse Schemen zu sehen, doch fällt es ihr schwer. Bestimmt schlummert irgendwo in ihrem Herzen ein Funken Glaube, doch haben die Zweifel bisher stets überwogen. "Doch kein Frieden währt ewig, nicht einmal auf den Inseln der Götter. Nicht, wenn sich der Namenlosen aus den Tiefen der Unterwelt erhebt… Neid, Missgunst, Hass… eigentlich sollte man annehmen, dass die Götter frei sind von solchen Gefühlen." „Frei von solchen Gefühlen ist niemand“, haucht Azra so leise, dass es nicht zu hören ist und sieht dann auf, drückt Brenainn ein wenig mehr an sich, als müsse sie ihn vor einer unsichtbaren Gefahr beschützen. Das vage, bittere Lächeln entgeht ihr dabei, denn ihr blick richtet sich fest und Hilfe suchend auf die geschlossenen Lieder ihres Kindes, das unschuldig in ihren Armen schläft. Arwen erzählt, als sie sich gefangen hat, schliesslich weiter und dann kommt der Punkt, vor dem Azra sich fürchtete, von dem sie stets gehofft hat, es wäre nicht die Wahrheit. Der Dreizehnte, der Namenlose hat gerufen, doch alle haben sie ihm widerstanden, alle haben sie sich von seinem dunklen Verlies voller Hass, Neid, Missgunst und Bosheit abgewandt… alle ausser den Shebaruc. Ein ersticktes Röcheln kommt aus ihrem Mund, ein schmerzlicher Laut, der leichte Verzweiflung in sich trägt und um wenigstens den hoffnungslosen Versuch, ihre Gefühle ein wenig unter Kontrolle zu halten, zu starten, streicht sie sich mit einer Hand über die Augen, sich selbst davor schützend, was sie die ganze Zeit verstehen will. Hochelben, Waldelben, Smaragdelben, Meerelben, Feuerelben, Silberelben und auch die Windelben, sie alle haben ihr reines Herz vor Zwietracht und Hass bewahrt und nur die Blutelben sind dem Dunklen verfallen, nur bei ihnen fand seine dunkle Saat fruchtbaren Boden. Sie haben es freiwillig getan… Sie haben selbst gewählt, obwohl sie alles hatten… Warum? Ist Macht denn so verlockend? Feine Falten zeichnen Azras Stirn, derweil sie angestrengt probiert all die Fragen, die ihr auf der Zunge liegen und die vielleicht doch keinen Sinn ergeben, erst einmal beiseite zu schieben.

Als Arwen den Namen Relavendis erwähnt horcht Azra auf und wird eine Spur blasser, als sie mit ihrer weissen Haut so schon ist. Sie kann sich noch zu gut an das Inarifest des letzten Jahres erinnern, als sie viele von Borgils Freunden kennen gelernt hat und das Gespräch mit Niniane aus dem Haus der Tanzenden Winde ist ihr stets in guter Erinnerung geblieben, ebenso der Blick aus diesen undurchdringlichen Goldaugen. Niniane Relavendis… Gute Güte, was bedeutet das? Doch sie kann diesen Überlegungen nicht weiter Beachtung schenken, denn Arwen fährt fort mit einer Stimme, die fast tonlos klingt und Azra doch tief berührt, denn anscheinend ist es für die Elbe sehr, sehr schwer überhaupt nur an all das zu denken, was über ihre Lippen kommt und Azra bereut es, danach gefragt zu haben. Als Arwen schliesslich abrupt innehält stockt Azra der Atem und Bitterkeit macht sich in ihrem Mund breit, derweil sie leer schluckt, um sich selbst davon abzuhalten, nicht aufzustehen und Arwen in den Arm zu nehmen. Sie glaubt nicht, dass dies jetzt gerade die richtige Entscheidung wäre, vielleicht auch niemals. „Der Krieg der Götter“, wiederholt Azra schliesslich leise und lässt ihren Blick über das weiche Polster unter ihrem Arm gleiten, versinkt in dem wenigen Wissen, das sie über diesen Krieg und all die Legenden und Geschichten, die sich um ihn ranken, besitzt, das Wenigste davon gilt als glaubwürdig. "Man kann es kaum beschreiben, wenn man es nicht selber gesehen hat, Azra.“ Azra zuckt kaum merklich zusammen, als Arwen ihren Namen nennt und nickt unschlüssig, nicht sicher, ob sie es überhaupt hätte sehen wollen, hätte sie die Möglichkeit gehabt. Die Beschreibung des Heeres, diese gewaltige Macht, die sich aufgemacht hatte, die Shebaruc, all die dunklen Kreaturen, sowie den Dreizehnten selbst zu zerschlagen nimmt Azra nur halb wahr, doch mit einem schmerzhaften Stich in ihrem Herzen. Sie kann in Arwens Stimme keine Begeisterung hören, keinen Stolz, doch die Worte genügen um sie glauben zu lassen, dass die Elbe Respekt und freudige Ehrfrucht vor der riesigen Armee verspürt hat. Die Shebaruc hatten sich entschieden… für die falsche Seite… oder war es einfach nur die Verliererseite? “Ebenso wie niemand auch nur entfernt auf den Gedanken kam, die Götter und ihre Heerscharen könnten in diesem Kampf unterliegen." „Unterliegen?“, unterbricht Azra Arwen fast erschrocken und ihr Herz klopft irgendwo in ihrem Hals, derweil sie die schlanke Elbe vor sich mit grossen Augen ansieht und nicht weiss, was sie von diesen Worten halten soll. Arwens schlanke Finger schlingen sich um ein Medaillon, das Azra bisher gar nicht aufgefallen ist, doch als ihr Verstand endlich wieder klar ist, kann sie nur noch müde den Kopf schütteln. Natürlich… Jeder Krieg wird mit grossem Eifer und Euphorie begonnen, bis die ersten Toten die Schlachtfelder zieren und den Boden mit ihrem Blut tränken und meist, das weiss sie noch von dem Krieg gegen die Narge und von dem Techtelmechtel mit dem Dämon, gibt es mehr Verluste, als man erwartet oder erwarten möchte.

"Doch das war noch nicht das Ende des Verrats der Shebaruc.“ Noch nicht das Ende? Was kann den noch schlimmer sein? Entsetzt stellt Azra fest, dass irgendwo in ihrem Magen ein Funken an Wut herumspringt und ihr Gemüt erhitzt, der sich jedoch nicht gegen die Shebaruc, sondern gegen die Elben richtet. Gegen die Elben, die so stolz sind, weil sie den Verführungen des Dunklen getrotzt haben, obwohl es statt der Blutelben ebenso gut die Hochelben den Verlockungen hätten verfallen können. Warum auch immer die Shebaruc nachgegeben haben, es muss einen Grund geben und dieser ist es, der Azra interessiert. Doch was dann folgt, lässt sie fast den Atem anhalten und plötzlich hat sie ein schlechtes Gewissen, dass sie jemals Böse von den anderen Elben gedacht hat, wenn auch nur für einen einzigen, flüchtigen und unwichtigen Moment. Die Blutelben haben sich dem Dunklen zugewandt, doch als sie die Schiffe ihrer Brüder stahlen, hätten sie sich noch anders entscheiden können. Man hat immer eine zweite Chance… sie haben sie nicht wahrgenommen. Die Trauer über diese Wahrheit erfasst sie Schwindel erregend stark, obwohl sie selbst damit nie etwas zu tun gehabt hat, geschweige denn auch nur einen Gedanken an solch eine Bösartigkeit verschwendet hat.  “… und töteten jeden den sie fanden, ganz gleich, ob er sich ihnen in den Weg stellte oder bloß zu fliehen versuchte, egal ob bewaffnet oder nicht, und es war ihnen egal ob Mann, Frau oder Kind.“ „Die Monster, als welche sie immer beschrieben werden“, haucht Azra und vermag den Blick nicht von Brenainn zu nehmen, der da still in ihren Armen ruht und kein Wässerchen zu trüben vermag. Mit einem Male bereut sie es nach der wahren Geschichte gefragt zu haben, ja, es überhaupt gewagt zu haben, den Mut aufzubringen und Arwen aufzusuchen, denn, wie sie nun mit einem traurigen Lächeln für sich selbst feststellt, derweil die Elbe ohne Gnade weiterfährt, ist es manchmal einfacher mit einem Schatten zu leben, als mit dem ganzen Wissen.
„Daher also der Name… weil sie nichts ausser einem Blutbad zurückgelassen haben.“ Azra kann sich dumpf an eine Windelbe erinnern, Maestress Schilama, das einstige Lehrlingsmädchen von Morgana der Heilerin. Den misstrauischen Blick, die zurückhaltende Höflichkeit, dieser dezente Vorwurf in den grossen, schönen Augen. Er ist bei vielen zu erblicken, aber in der letzten Zeit ist er selten geworden, zumindest unter den Leuten und Wesen, welche die Goldene Harfe öfters aufsuchen. Doch Azra hat nur wenige Situationen vergessen, in denen es um ihre Herkunft ging.
Mit verbissenem Gesichtsausdruck versucht sie sich gegen all die Eindrücke, die Bilder, die sie überschwemmen, zu wehren, doch Arwens Schilderungen sind zu stark und drücken zu viel aus, auch wenn die Stimme der Elbe eines Jenen gleicht, der einer grösseren Menge teilnahmslos aus einem Buch zitiert. Das lodernde Feuer bricht sich in den schattenumwogten Augen Arwens, die so tief und zeitlos scheinen, dass Azra einen Stich von Angst verspürt, sich darin zu verlieren und den Weg in die Gegenwart nicht mehr zu finden.

Die letzten Worte nimmt Azra wie durch eine dicke, graue Suppe wahr, welche ihren Verstand umgeistert und es schafft, die schlimmsten Eindrücke verblassen zu lassen, bevor sie wirklich Gestalt angenommen haben. Der bittere Geschmack von Schuld und Verlust, Trauer und Unverständnis jedoch bleibt, klebt in ihrem Mund und lässt sie leer schlucken, doch ihr Blick weilt in den tanzenden Flammen, als suche sie an einer der springenden, glühenden Funken halt. Die Sonne vor den Fenstern ist mittlerweile gesunken und der Schein verblasst von hellem Gelb zu einem dumpfen goldrot, wirft lange Schatten an die hohen Wände und in den Lichtarmen tanzen kleine Staubkörnchen, wie winzige, vorlaute Feen. In Gedanken versunken betrachtet Azra das Schauspiel, Brenainn zärtlich wiegend, da dieser gerade eben quäkend seinen Unmut preisgegeben hat. Bald wird er wieder Hunger haben und Borgil steht sich bestimmt auch schon die Beine in den Bauch, was sie momentan jedoch nur am Rande ihres Bewusstseins aufnimmt.
„Ja“, beginnt sie schliesslich zaghaft und äugt vorsichtig zwischen ihren hellen Wimpern hervor, Arwen für eine Zeit lang stillschweigend jedoch nicht aufdringlich betrachtend. „Ja, das mit den Windelben weiss ich… Das letzte Mal, als ich eine solche traf, nun, ich glaube sie war froh, das Borgil auch in der Nähe war.“ Das Lächeln um Azras Lippen ist nur schemenhaft und auch sofort wieder verschwunden. Behutsam setzt sie sich ein wenig mehr auf und zupft an Brenainns Decke herum, ohne dabei die Augen zu senken, oder einen Blick hinaus zu werfen, stattdessen erhebt sie sich, die fast leere Tasse behutsam auf die Lehne stellend und überwindet die kurze Distanz zu Arwen mit, für sie selbst, erschreckender Sicherheit. Arwen ist sogar sitzend noch fast grösser als Azra, doch das macht ihr nichts aus. Eigentlich alle, ausser Halla, die sie kennt, sind grösser, viele davon sogar ein bis zwei Köpfe und von dem Sturmlord mag sie gar nicht erst reden. Irgendwie jedoch schafft sie es trotzdem- ohne Rialinn oder Brenainn zu wecken – ihre kleine Hand über die schlanke, leicht golden Schimmernde der Elbe zu legen und dabei noch dankbar zu lächeln, auch wenn ihre Mundwinkel nur halbe Arbeit leisten. „Was ein Schatten war, ist jetzt wissen. Ob es mir helfen wird, einfacher damit umzugehen“, ein Zittern geht durch ihren schmalen Körper und sie schüttelt vage den Kopf: „Das weiss ich nicht, aber es tut gut zu wissen, woran andere sich erinnern, wenn sie mich sehen. Vielleicht verstehe ich die Blicke und ihr Benehmen dann besser. Ich danke euch Arwen… Nicht nur dafür, dass ihr es mir erzählt habt, sondern viel mehr, dass ihr nur daran gedacht habt und es tut mir leid solche Erinnerungen in euch geweckt zu haben, das… war nicht meine Absicht.“ Gegen Ende wird ihre Stimme immer leiser, denn sie ist sich ihrer Worte nicht mehr sicher und ihrer freundlich und dankbar gemeinten Geste schon erst Recht nicht mehr. Als wäre sie sich ihrer Tat erst jetzt bewusst geworden, zieht Azra ihre Finger fast fluchtartig wieder zurück und ein helles Rosa zaubert sich auf ihre schneeweissen Wangen, derweil sich ihr Blick betreten zu Boden senkt.

„Aber“, setzt sie zögerlich und betroffen hinterher, leer schluckend, bevor sie weiterfahren kann: „Aber warum haben die Blutelben dem Dunklen nachgeben und nicht ein anderes Volk?“ Ihre Stimme ist brüchig, schwankt und bricht in einem unartikulierten Laut ab, der etwas Schmerzliches und Ungläubiges an sich hat. Es ist der einzige Punkt, der Azra nicht versteht, der einzige Punkt, an dem sie sich fragt, ob es nicht einen wirklich guten, begründeten Anlass für den Verrat der Shebaruc gegeben hat.
Tief holt Azra Luft und macht hastig eine vage Geste, stolpert fast einen Schritt zurück und neigt beschämt den Kopf, bemerkend, dass diese Frage sich wahrscheinlich, wie eine Anklage angehört hat. Doch ihr Herz klopft irgendwo in ihrem Hals und der Wunsch nach Borgil zu rufen und sich in seine Arme zu flüchten, wie ein feiges, kleines Tier zieht ihre Lungen zusammen und macht es ihr fast unmöglich ohne Hast Luft zu holen. Ich kann nichts dafür, ich habe nichts mit dieser Geschichte zu tun. Vielleicht der Vater meines Vaters, oder sein Urgrossvater, oder weiss der Kuckuck, wer auch immer, aber nicht ich. ICH bin nicht SIE! Die Selbstaufmunterung wirkt, wenn auch nur langsam, doch die wirren Gedanken hinter ihrer Stirne beruhigen sich ein wenig und eine milde Ruhe erfasst sie schliesslich so sanft, dass sie es sogar schafft aufzusehen und Arwen fast fröhlich, jedoch auf jeden Fall herzlich anzulächeln. „Ich danke euch für die Erlaubnis hierher kommen zu dürfen und ich danke euch für das Wissen, das ihr mit geschenkt habt und ich danke euch… dass ihr mir zugehört habt. Natürlich“, ein verlegenes Kichern verlässt ihre Lippen, bevor sie erklärt: „Ich spreche mit Borgil über meine Sorgen, doch mit euch Arwen, einer Elbe darüber zu reden, ist etwas anderes. Ihr fühlt, wie die anderen, sogar zum Teil noch aus Erinnerungen und nicht nur aus Erzählungen. Das ist es, was dieses Gespräch für mich so wertvoll macht. Die Tatsache, dass ihr mit nach allem was geschehen ist, so weit vertraut habt, dass ihr mir geholfen habt.“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 25. Apr. 2006, 22:52 Uhr
>Die Monster, als welche sie immer beschrieben werden…< Azras Stimme ist so leise, so unsicher, das Arwen sich einen Moment lang nicht sicher ist, ob sie die junge Frau richtig verstanden hat. Widerstrebend nickt sie. "Ja…", stockt dann, und schüttelt den Kopf ein wenig, "… und auch wieder nicht. So einfach ist es nicht, es gibt nicht nur schwarz und weiß, nur gut und böse. Nicht einmal hierbei. Oder vielleicht auch gerade nicht bei dieser Geschichte." Mit einem leisen Seufzen ändert sie ihre Position im Sessel, bettet Rialinn etwas anders im Arm, deren kleiner Kopf ihr langsam aber sicher das Blut abdrückt und die Hand kribbeln lässt. "Es war Krieg, und Krieg ist grausam, immer. Die anderen Elbenvölker haben ihre Gegner im Kampf bestimmt auch nicht mit Samthandschuhen angefasst. Was es nur so unfassbar gemacht hat, war die Tatsache, dass die Shebaruc nicht einmal vor den Kindern Halt gemacht haben. Unschuldige, wehrlose Kinder wie euer Brenainn oder meine Rialinn, keine bewaffneten und gewappneten Krieger, die wissen, dass jeder Kampf ihren Tod bedeuten kann." Hinterrücks überfällt sie die Erinnerung an Tyalo AnCu und dessen Vorhaben, nicht nur sie sondern auch ihr Kind zu töten, sollte es eine für ihn nutzlose Tochter sein. Nicht nur Shebaruc, auch Shida'ya vergreifen sich am Leben unschuldiger Kinder…
>Daher also der Name… weil sie nichts ausser einem Blutbad zurückgelassen haben< Arwen kann erst nur nicken, was soll sie auch darauf erwidern, und es dauert eine Weile, bis sie Worte gefunden hat. "Sie ließen auch einige ihres eigenen Volkes zurück, jene, die verletzt oder sonstwie zu schwach oder zu langsam waren ihnen zu folgen. Die Elbenvölker aus dem Gefolge der Zwölf hatten ihre Herzen gegen die Shebaruc verhärtet, und es gereicht meinem eigenen Volk sicher nicht zur Ehre, dass die einzige Gnade, die es ihnen gewährte ein rascher Tod war. Kein einziger Erwachsener ihres Volkes gelangte lebend auch nur in die Nähe oder gar auf die Planken eines der neu gebauten Schwanenschiffe. Nur die Kinder die sie fanden ließen sie am Leben, nahmen sie in ihre Obhut, gaben ihnen neue Namen und Familien. Aber es waren nur wenige die sie fanden, denn nicht selten hatten die Eltern in ihrem Wahn ihre Söhne und Töchter mit sich in den Tod genommen, als ihnen klar wurde, dass der Rest ihres Volkes ohne sie aufgebrochen war. Und… und so manche von den Kindern waren… sie waren so… so voller Schrecken und Angst von dem, was man ihnen über die anderen Elbenvölker und das was sie dort erwarten würde erzählt hatte, dass sie sich bei der erstbesten Gelegenheit selber getötet haben." Trauer schwingt in ihrer Stimme mit, als vor ihrem inneren Auge Bilder erwachen, die sie an das kleine Mädchen erinnern, dass ihr Vater damals in seine Obhut genommen hatte, nachdem man es in den totenstarren Armen seiner Mutter gefunden hatte. Kaum fünf Sonnenläufe alt, mit großen Augen im blassen Gesicht, die ebenso schwarz waren wie die stets und ständig struppigen Haare. Egal was Arwen oder auch ihr Bruder versucht hatten um ihm die Angst zu nehmen und sein Vertrauen zu gewinnen, das Kind hatte kaum ein Wort gesprochen, nur immer um sich geschaut wie ein gehetztes Tier, sich bei jeder Bewegung in seiner Nähe weggeduckt als erwarte es, dass ihm unaussprechliches angetan würde. Eines Morgens dann hatten sie es hinter den Mauern gefunden, in deren Schutz sie ihre Zelte aufgeschlagen hatten, tot, den Arm von mehreren tiefen Schnitten gezeichnet, von denen einer eine große Ader geöffnet hatte. Arwen hatte sich immer gefragt, welche Angst man dem Kind in seinem kurzen Leben eingeredet haben musste, dass es zu so etwas fähig war, dass es sich selber töten konnte.

>das mit den Windelben weiss ich… Das letzte Mal, als ich eine solche traf, nun, ich glaube sie war froh, das Borgil auch in der Nähe war.< Das zaghafte Lächeln, das um Azras Lippen spielt ist so rasch wieder verschwunden, dass man fast meinen könnte, man habe es sich nur eingebildet. Das muss Schilama gewesen sein… das ehemalige Lehrmädchen von Morgana. Arwen hat Schilama nur zweimal gesehen, einmal in Ninianes Baum, als sie mehr tot als lebendig von dem Kampf gegen diese Wurmdämonen aus den Kanälen Talyras zurückgekehrt waren, und dann später noch einmal, als Natie sich bei einem Sturz das Bein gebrochen hatte. Und von einer anderen Rhaskeda'ya in Talyra wüsste Arwen nicht, zumindest von keiner, die bei Borgil verkehrt. Sie will Azra gerade eingestehen, dass es ihr selber im ersten Moment nicht viel anders ging, als man sie in der Sithechnacht gerufen hatte, um sich um den Leichnam von Phelan, dem gefallenen Hüter des südlichen Larisgrüns zu kümmern. Sie selber hatte damals ihre Vorbehalte - und Ängste - bezüglich Azras und ihrer unübersehbaren Abstammung nur deshalb aus ihrem Denken verdrängt, weil sie einfach darauf vertraut hatte, dass Borgil schon wisse was er tut und wen er in seiner Nähe hat. Doch zu diesem Geständnis kommt sie nicht mehr, denn die Halbelbin verlässt ihren Platz, erhebt mit sachten Bewegungen um das Kind in ihrem Arm nicht zu wecken und umrundet den Tisch zwischen ihnen. Sie kann höchstens fünf Fuß groß sein… Warum Arwen gerade das jetzt durch den Kopf geht, als Azra unvermutet ihren Sessel verlässt und vor ihr steht, weiß sie nicht. Aber vielleicht liegt es daran, dass ihr bei dem Anblick der Halbelbin noch einmal so richtig bewusst wird, wie unwahrscheinlich es ist, dass dieses zierliche Persönchen sie einfach so niedergeschlagen und für Stunden außer Gefecht gesetzt haben kann, wenn nicht irgendetwas oder irgendwer die Herrschaft über ihren Körper übernommen hatte.
Sacht, so behutsam wie Schmetterlingsflügel legt sich die blasse, schmale Hand auf Arwens und das dankbare Lächeln in den Mundwinkeln Azras ist fast ebenso schnell wieder verschwunden, wie es aufgeschimmert ist. >Was ein Schatten war, ist jetzt wissen. Ob es mir helfen wird, einfacher damit umzugehen, das weiss ich nicht, aber es tut gut zu wissen, woran andere sich erinnern, wenn sie mich sehen. Vielleicht verstehe ich die Blicke und ihr Benehmen dann besser. Ich danke euch Arwen… Nicht nur dafür, dass ihr es mir erzählt habt, sondern viel mehr, dass ihr nur daran gedacht habt und es tut mir leid solche Erinnerungen in euch geweckt zu haben, das… war nicht meine Absicht.< Das Zittern ihres Gastes entgeht Arwen nicht, ebenso wenig wie die immer leiser werdende Stimme. Ganz langsam löst sich die Anspannung ihrer Selbstbeherrschung, die sie wie eine eisige Maske bisher getragen hat. Ein verständnisvolles Lächeln lässt ihren Blick weicher werden. "Jetzt wisst ihr, warum ich euch vor dem Wissen gewarnt habe, davor, dass es ein zweischneidiges Schwert ist." Dass die Halbelbin hastig, fast wie erschrocken ihre Hand wieder zurückzieht, lässt Arwen in ihren Worten stocken. "Aber ihr müsst euch nicht entschuldigen, weil ihr mich danach gefragt habt, Azra. Sicher, wir Elben reden nicht gerne über diesen Teil der Vergangenheit, denn mit den Erinnerungen sind Trauer und Schmerz verbunden, aber das sind sie auch, wenn man nicht darüber spricht und die Erinnerungen nur im Herzen trägt. Ihr hatten mich gebeten, euch mehr darüber zu erzählen. Und eine Bitte beinhaltet immer auch die Möglichkeit 'Nein' zu sagen und die Bitte zurückzuweisen. Es war meine Entscheidung, sie nicht abzulehnen, sondern mein Wissen über das was auf den Himmelsinseln und mit den Shebaruc geschah mit euch zu teilen."

>Aber warum haben die Blutelben dem Dunklen nachgeben und nicht ein anderes Volk?< Der Halbelbin ist anzuhören, wie schwer ihr diese Frage fällt. Betroffenheit und schmerzlicher Unglaube klingen mit, und die Suche nach einer Erklärung für das was unerklärlich ist. Einige zeitlose Momente schweigt Arwen auf diese Frage, sucht nach einer Antwort - und findet keine. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was er ihnen eingeflüstert oder ihnen versprochen hat, welche Sehnsüchte er geweckt oder ins Dunkle verkehrt hat. Soweit ich es weiß, hat er es bei jedem Volk mit etwas anderem versucht, hat bei jedem versucht eine andere Schwäche zu finden und für sich auszunutzen. Bei Fünfen hat er es nicht geschafft, hat wohl nicht die richtigen Worte gefunden, oder die Fehler und Schwächen falsch eingeschätzt. Aber bei den Shebaruc hatte er wohl die richtigen Worte gefunden, er und seine Schergen. Es gab immer wieder Gerüchte, dass einige seiner Diener sich das Aussehen angesehener Elben verleihen konnten und in dieser Maske Gerüchte und Lügen streuten um ihrem Herrn den Weg zu ebnen… Und… Macht kann sehr verlockend sein, fürchte ich… Viele streben nach ihr. Und nur die wenigsten wissen mit ihr umzugehen und sie zum Wohle aller zu nutzen, wenn sie sie denn haben." Für einen Augenblick breitet sich wieder Schweigen zwischen den beiden Frauen aus, doch diesmal ist es nicht unangenehm, nicht so wie zu Beginn des Besuches. Und Azra lächelt jetzt sogar herzlich als sie wieder das Wort ergreift. >Ich danke euch für die Erlaubnis hierher kommen zu dürfen und ich danke euch für das Wissen, das ihr mit geschenkt habt und ich danke euch… dass ihr mir zugehört habt.< Ein kurzes Kichern unterbricht ihre Worte und lässt das Kind, das unverkennbar trotz Ehe und Mutterschaft noch in ihr steckt durchschimmern. >Natürlich. Ich spreche mit Borgil über meine Sorgen, doch mit euch Arwen, einer Elbe darüber zu reden, ist etwas anderes. Ihr fühlt, wie die anderen, sogar zum Teil noch aus Erinnerungen und nicht nur aus Erzählungen. Das ist es, was dieses Gespräch für mich so wertvoll macht. Die Tatsache, dass ihr mit nach allem was geschehen ist, so weit vertraut habt, dass ihr mir geholfen habt.< Die Halbelbin äußert ihre Dankbarkeit beinahe überschwänglich, und Arwen fühlte sich ganz seltsam dabei, denn ihrer Ansicht nach ist es Azra, die Bewunderung verdient hat: Für ihren Mut hierher zu kommen und sich einer Situation zu stellen, die alles andere als angenehm ist. Etwas, von dem Arwen sich eingestehen muss, dass sie selber den Mut wohl nicht gehabt hätte, und so ist sie seltsam berührt von dieser Eröffnung, aber gleichzeitig versucht es sich nicht anmerken zu lassen. Mit einer abwehrenden, aber nicht unfreundlichen Geste weist Arwen den Dank schließlich von sich. Davon, dass der Dank nicht nötig sei, will allerdings Azra wieder nichts hören.

Das Gespräch verlässt nach und nach jedoch die ernsten Themen, Rialinn wird wieder wach, lauscht interessiert ihrer Mutter und der Fremden mit dem komischen Augen und beobachtet das schlummernde Baby. "Eama… das riecht!" Rialinn rümpft ihre kleine Nase bis sie sich kräuselt und verdreht übertrieben die Augen. Wo das Kind Recht hat, hat es Recht. Doch es ist nicht ihre eigene Windel, die dieses unvergleichliche Aroma verbreitet, sondern der Nachwuchs aus dem Hause Blutaxt hat seine Duftmarke gesetzt. Ehe Azra allerdings anfangen kann, bis über die Ohrenspitzen rot anzulaufen, führt Arwen sie in die leer stehende Mägdekammer, wo sie in aller Ruhe Brenainn wickeln und stillen kann, der nun vehement nach Aufmerksamkeit, frischer Windel und etwas gegen den Hunger verlangt. Die anschließende Einladung, doch zum Essen zu bleiben lehnt die halbelbin dann jedoch ab, und nur mit Mühe bekommt Arwen aus ihr heraus, dass Borgil draußen auf sie warte. "Borgil wartet… draußen? ... Ihr meint, er wartet hier? Draußen vor der Tür?! … Aber… warum ist er denn nicht mit euch herein gekommen?" Jetzt ist es an Arwen, rot anzulaufen. Zu wissen, dass der Harfenwirt sich in ihrem Garten die Beine in den Bauch steht, ist ihr mehr als nur unangenehm.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Azra am 26. Apr. 2006, 13:37 Uhr
Sie ist erleichtert, dass nach diesem ernsten Gespräch einfachere Themen zutage gezogen werden und mit einem gänzlich hingerissenen Strahlen erzählt sie in den buntesten Tönen und Farben von Brenainns Geburt, Ninianes Hilfe, Borgil Gesicht, als er seinen Sohn schliesslich in den Händen gehalten hätte, als bestünde das kleine Wunder quietschfidelen Lebens aus einem weichen Häufchen Butter, von den Tagen danach und überhaupt, was Brenainn im Allgemeinen für ein verblüffend ruhiges Kind sei. Rialinn erwacht mit der Zeit und schielt ein wenig verschlafen zu dem immer noch anwesenden Gast mit den seltsamen Augen hinüber, unterlässt es jedoch ihre Fragestunde ohne Punkt und Komma sofort wieder fort zu setzen und lauscht dafür mit halbem Ohr den Gesprächen der beiden Frauen, derweil ihre neugierigen Fingerchen immer wieder einige letzte Krümel von dem Teller ihrer Mutter stibitzen.
Irgendwann deutet Rialinn jedoch mit ausgestrecktem Arm auf Brenainn, der nun langsam erwacht und sich räkelt, und meint mit gerümpfter Nase und verdrehten Augen: “Eama… das stinkt.“ Azra läuft bis unter die Haarwurzeln rot an und schnuppert ein wenig, um festzustellen, dass der kleine Naseweis Recht hat. Von Brenainns gut gewickeltem Hintern aus verbreitet sich ein leicht strenges Lüftchen und Arwen verhilft Azra schnell zu einem ungestörten Ort, wo sie ihren Sohn neu verpacken kann. Brenainn lässt diese nervende Tortur nur mit gelangweilten und hungrigen Schmatz- und Quietschlauten über sich ergehen und das Ziehen in ihrer Brust zeigt ihr an, dass es wohl dringend an der Zeit wäre dem kleinen Geniesser vor ihrer Nase die Milch zu geben. Das werde ich zu Hause erledigen, überlegt sie und prompt überfällt sie ein ganzer Berg von Schuldgefühlen, wenn sie an Borgil denkt, der immer noch draussen vor der Türe wartet und sich wahrscheinlich fragt, was sie bereits alles angestellt hat. Doch da sie noch nicht geschrieen hat, hat er noch keinen Grund sich wirklich aufzuregen. Als Arwen ihr jedoch anbietet, doch in Vinyamar zu Abend zu essen, lehnt Azra mit rosa angehauchten Wangen ab und gesteht schliesslich, nach einigem Hinterfragen von Seiten der Elbe, dass ihr werter Ehegatte bereits seit Beginn ihres Besuches vor der Türe steht und dort auf sie wartet. „Nur falls… nun ja… falls irgendwas geschehen würde…“, nuschelt Azra als Erklärung und blickt betreten auf eine äusserst hartnäckige Locke, die Brenainn immer wieder in die Augen fällt. Vorsichtig bläst sie diese weg und hebt gleichzeitig ihren Sohn an ihre Schulter, das weiche, kleine Köpfchen besonders stützend, doch der kleine Hampelmann denkt jetzt, nachdem er sich fürstlich ausgeruht hat, gar nicht daran Ruhe zu geben und straft all ihrer Erzählungen, wie wundervoll still er doch sein könne, Lügen. Das „Hmpf“, das über ihre Lippen kommt, klingt wie eine perfekte Imitation ihres Mannes, bis sie erstaunt feststellt, dass sogar Arwen sich gegen Röte nicht immer wappnen kann. "Borgil wartet… draußen? ... Ihr meint, er wartet hier? Draußen vor der Tür?! … Aber… warum ist er denn nicht mit euch herein gekommen?"

Zaghaft verlagert Azra das Gewicht von einem Fuss auf den Anderen und murmelt schliesslich: „Ich wollte nicht, dass er mitkommt. Ich glaube nicht, dass ein Zwerg mit einer Axt unserem Gespräch sehr viel weiter geholfen hätte und… ich wollte es allein tun, denn ich hatte auch alleine Schuld an dem was passiert ist.“ Sie hofft das Arwen diese Argumentation gelten lassen würde, derweil ihr Cassandra dabei behilflich ist wieder in ihren Umhang zu schlüpfen und Brenainn die Mütze aufzusetzen. Abschiede sind Azra noch immer ein Gräuel, sowohl von Freunden, als auch von Fremden oder anderen Leuten und so ist sie sich auch dieses Mal nicht sicher, wie sie zu reagieren hat. Schliesslich, sie stehen bereits vor der Türe und Arwen grüsst Borgil, der noch immer an der Mauer steht, reicht Azra der Elbe zögerlich die Hand und lächelt sanft: „Noch einmal, ich danke euch und es war ein schönes Gespräch, trotz aller Unannehmlichkeiten, eingeschlossen des Duftpackets in meinen Armen.“
Rialinn winkt Azra zum Abschied zu, bevor sie sich umwendet und sich auf den Rückweg macht, Borgil unterwegs aufgabelnd und ihm den zappelnden Brenainn in die Arme drückend. „Tut mir leid, dass du so lange warten musstest“, meint Azra schnell, küsst ihn sanft und lacht leise, als seine Barthaare, die am Hals kitzeln. Ihr Mann will natürlich sofort wissen, wie es denn gelaufen sei, was sie so lange gesprochen hätten, wie Arwen es aufgefasst hat und und und, bis sie sich schliesslich wie eine Katze an seinen Arm schmiegt und ihn nur noch verliebt und vielleicht auch eine Spur spöttelnd ansieht, herzlich mit den Wimpern klimpert und süffisant flüstert: „Und da soll mir noch einer sagen, Zwerge würden weniger reden als Gnome.“ Da sie damit einen Punkt getroffen hat, der ihn sofort dazu veranlasst, ihr sämtliche Unterschiede, und seien sie noch so haarklein, aufzuzählen, was Zwerge von diesen kleinen, nichtsnutzigen Gnomen und von einem Gnom im Besonderen unterscheidet, ist ihr klar und deswegen wehrt sie schnell ab und beginnt schliesslich langsam zu erzählen, was sich hinter den hohen, von Blumen überwucherten Mauern des Gebäudes abgespielt hat. „Sie hat es zumindest verstanden und ich glaube auch… ich hoffe, dass sie mir verziehen hat. Und sie hat mir die Geschichte der Blutelben erzählt, was damals auf den Himmelsinseln geschehen ist und woher sie überhaupt ihren Namen haben.“ Ein langes Seufzen erschüttert ihre schmalen Schultern: „Ich habe nie gewusst, warum die Elben die Blutelben hassten, aber ich glaube, dass es jetzt einfacher für mich ist, zumindest weiss ich jetzt was dahinter steckt.“ Azra erzählt noch von diesem und jenem und ihre Begeisterung klettert in die Höhe, als sie von Rialinn berichtet und dem Wickeln und dem guten Tee und überhaupt allem, bis sie schliesslich wieder bei der Goldenen Harfe angekommen sind.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Mitarlyr am 06. Mai 2006, 16:22 Uhr
Im Taumond



Es ist früher Morgen, selbst die Morgenröte ist noch nicht mehr als die Ahnung eines lavendelfarbenen Schimmers am Horizont, als Gildin sich zusammen mit seiner Begleitung in der Halle Vinyamars einfindet. Es ist der Morgen nach dem einundzwanzigsten Carsair. Seit einem Siebentag ist er nun schon hier in Talyra, jener Stadt der Herzlande, die auch den Namen Weltenstadt trägt. Und wenn es nach ihm gegangen wäre, wären sie schon vor drei Tagen aufgebrochen. Doch seine Schwester hatte darauf bestanden, das Fest zu Ehren von Nannars Erwachen, den Tag der Frühlings-Tagundnachtgleiche noch hier zu begehen. Und das mit einer Dickköpfigkeit, die ihrer eisernen Disziplin in nichts nachsteht - leider. Und so hatte er sich wenn auch widerstrebend ihrem Wunsch gebeugt. Genau betrachtet nur ein geringer Preis dafür, dass er sie überhaupt davon überzeugen konnte, dem Wunsch ihres Vaters zu folgen. Heilige Götter, ich sollte eigentlich froh sein, dass sie überhaupt freiwillig mit mir geht und ich sie nicht auf ihr Pferd binden muss… wobei ich mir nicht einmal sicher bin, ob Shur mich dann überhaupt in ihre Nähe lassen würde. Oder ihre Oberste Magd mich nicht hinterrücks mit einer ihrer großen Pfannen niederschlägt. Nur ungern denkt er an seine Ankunft auf Vinyamar zurück, und an das, was gefolgt war. Arwen hatte ihn erwartet, ja, aber das war auch schon alles gewesen. Zwar hatte sie dieses Mal der Rabe mit der Nachricht von seinem Kommen erreicht, aber das hatte ihre Stimmung auch nicht gerade gehoben. Seine Schwester war mehr als nur beunruhigt ob der höchst knappen Nachricht gewesen, die ihr nicht mehr mitgeteilt hatte, als dass ihr Vater um ihre Sicherheit fürchte und Gildin auf dem Weg zu ihr sei. Und Gildin selber war von der Tatsache beunruhigt gewesen, dass es nur einer von den drei entsandten Raben bis nach Talyra geschafft hatte. Außerdem hatte er nur zu gut gewusst, dass der Brief seines Vaters den er mit sich führte Arwen zwar Gründe nennen, sie aber mit seinem Wunsch auch augenblicklich erzürnen würde. Und Arwen war mehr als nur ein wenig aufgebracht gewesen. 'Wachhunde' war noch die freundlichste Bezeichnung, mit der sie ihn und seine Ritter bedacht hatte. Lange und laut hatten sie gestritten, aber schließlich hatte Arwen nachgegeben. Die nächste Hürde war dann Arwens Oberste Magd gewesen, der das alles fast noch weniger hatte gefallen wollen, als ihrer Herrin. Allerdings war die Menschenfrau für die Argumente Gildins weitaus zugänglicher gewesen als die Elbin, hatte nur gefragt, was denn aus dem Anwesen und dem Gesinde werden solle. Nachdem seine Schwester auch dazu ihre Entscheidung getroffen hatte, war die Frau mit einer Disziplin, die der seiner Schwester kaum nachstand an ihre Aufgaben zurückgekehrt und hatte zusammen mit Arwen in einer schier endlosen Liste von Anordnungen, Botengängen und Besorgungen die Vorbereitungen treffen lassen. Truhen, Körbe und Taschen waren vom Dachboden geholt und gereinigt worden.

Unruhig läuft Gildin in der Halle auf und ab. Die Morgenmahlzeit haben sie alle längst zu sich genommen, und Arwen ist noch einmal mit Rialinn im Obergeschoß verschwunden. Warum oder wieso hat sie nicht gesagt, und es dauert nun schon deutlich länger als den angekündigten kurzen Moment. Ein halbes Dutzend seiner Ritter wartet bereits draußen bei den Pferden, und es wird langsam Zeit dass sie aufbrechen. Das leise Klappen einer Tür lässt ihn sich der Tür hinaus in den Garten zuwenden. "Andovar." Der Elb, der in die Halle tritt begrüßt ihn mit einem spöttischen Lächeln. "Gildin, wenn Du so weitermachst, läufst Du noch eine Furche in den Boden. Es wird langsam Zeit, dass wir aufbrechen. Ist sie noch immer oben?" Statt einer Antwort kommt lediglich ein Zischen, irgendwo zwischen entnervt und wütend über Gildins Lippen. "Ich weiß, dass wir aufbrechen müssen. Ja, verflucht, sie ist noch immer oben, und nur die Götter wissen, was sie dort macht. Wenn sie nicht bald herunter kommt, dann gehe ich hoch und hole sie. Und wenn ich sie binden muss, bis wir auf dem Schiff sind und es endlich abgelegt hat, dann werde ich auch das tun." "Der Aufbruch oder das Schiff machen mir weniger Sorgen als Surmera… Bist du dir sicher, dass es richtig war, ihr nicht zu sagen, dass dort-" "Ja, es war richtig. Was meinst Du, warum ich nur sechs Männer mit hierher genommen habe? Es reicht, wenn sie dort erfährt, wie viele Männer wir bei uns haben. Und wenn sie es dort erfährt, wird sich vielleicht auch der Wutanfall in grenzen halten, den sie unweigerlich haben wird." Der Blick, mit dem Andovar in bei dieser Darstellung ihrer Ankunft in Surmera betrachtet, will Gildin ganz und gar nicht gefallen. Dessen Blick ruht mit einem Ausdruck spekulativer Nachdenklichkeit auf ihm, wie er ihn zuletzt bei einem Rotluchs gesehen hat, der eine potentielle Beute beobachtet; nicht drängend, aber definitiv höchst aufmerksam. Und die Art und Weise, wie sein Freund eine Augenbraue nach oben zieht, als die leisen Schritte seiner Schwester auf der Treppe zu hören sind, kann alles heißen, von 'Wenn du meinst' über 'Du musst ja wissen, was du tust' bis zu 'Sei dir da besser nicht so sicher'. Wenn er ganz ehrlich zu sich selber ist, was ihm momentan nicht eben leicht fällt, dann ist er sich auch alles andere als sicher, was Arwens Reaktion auf die Tatsache angeht, dass in Surmera ein weiteres Dutzend Ritter ihres Vaters auf sie warten. Von einem einfachen lauten Streit bis hin zu einem Tobsuchtanfall ist alles möglich, und Gildin ist mehr als heilfroh, dass der Fluch gebrochen ist und er zumindest dessen Ausbruch nicht befürchten muss.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 06. Mai 2006, 22:03 Uhr
Die Dämmerung ist kaum angebrochen, doch die ersten, frühen Vögel singen bereits in den Bäumen, Sträuchern und Hecken, als Arwen aus ihrem Fenster in den Garten hinaus sieht und es mit einem leisen Seufzen schließt, zum letzten Mal wie sie befürchtet. Das Licht streichelt sacht über den Garten, bedeckt Pflanzen und Boden wie mit einer sanften Decke aus Holzasche. Ihr Kräutergarten ist voller grüner Keimlinge und den zerzausten Überresten der Stauden, die nach dem Winter gerade wieder neu zu sprießen beginnen. Und sie weiß nur zu genau, dass sie weder die Ernte der Kräuter noch die Blüte der Stauden mit eigenen Augen sehen würde.
Allein der Gedanke daran und an den Brief ihres Vaters genügt, um Arwen vor unterdrückter Wut mit den Zähnen knirschen zu lassen. Schon die Nachricht des Raben hatte sie beunruhigt und schlimmes ahnen lassen. Ohne Grund würde ihr Vater schließlich nicht Gildin zu ihr schicken. Das letzte Mal, als er das getan hatte, war es um nichts weniger als ihr Leben gegangen. Der Brief ihres Vaters, auf feinem, sandhellen Pergament von ihm selber geschrieben hatte Dinge enthalten, die ganz bestimmt nicht für jedermanns Augen bestimmt sind, nicht einmal für die seines altvertrauten Scriptoren. Auch das beunruhigt Arwen zutiefst. Tianrivo fürchtet um ihre Sicherheit in Talyra, und der Grund dafür sind einmal mehr die Roten Falken der Ancu - Khelenar den Namen Lyr'aris zu geben, den Hodor für sein Haus gewählt hatte weigert sich etwas in ihr ganz entschieden, zu sehr erinnert er Arwen immer an Tyalo Ancu, der in Ninianes Feuer starb. Kaum hatte sie gelesen gehabt, was ihr Vater fürchtet, als sie ihren Bruder auch schon ganz entschieden darauf hingewiesen hatte, dass sie auf gar keinen Fall Männer ihres Vaters als Wachen auf Vinyamar dulden werde. Eine ziemlich voreilige Reaktion, denn ihr Bruder hatte nur ruhig erwidert, sie solle doch bitte den Brief bis zum Ende lesen: Ihr Vater habe ihn nicht geschickt um Männer als Wachen bei ihr zu lassen, sondern es sei sein Wunsch, dass Arwen nach Lomirion zurückkehre. Gildin und die Männer seien hier um sie nach hause zu begleiten. Nach hause… Bei dem Gedanken daran wird ihr ganz anders. Gildin zu verdeutlichen, dass sie Vinyamar als ihr Zuhause ansieht, und nicht das Haus ihres Vaters in Lomirion, war ihr nicht gelungen. Es war laut geworden an jenem Abend, sie hatte mit Gildin gestritten wie noch nie zuvor in ihrem Leben, hatte verzweifelt um die Selbstbestimmung ihres Lebens und ihres Wohnortes gekämpft. Vergeblich. Ihr Bruder hatte die Diskussion schließlich damit beendet, dass er erklärte, dieser Wunsch ihres Vaters stünde nicht zur Diskussion, und wenn sie so wolle, solle sie ihn einfach als Anordnung betrachten und sich zusammennehmen; immerhin sei sie die Tochter des Truchsessen. Das hatte ihr gründlich den Wind aus den Segeln genommen. Einer direkten Anordnung ihres Vaters konnte sie sich schwerlich widersetzen, ohne mit ihrer Familie zu brechen, und das wäre das letzte, was sie wollte oder könnte. Und so hatte sie sich zähneknirschend gefügt. Allerdings nicht, ohne den Tag der Abreise selber festzulegen, Nannars Erwachen hatte sie noch hier auf Vinyamar feiern wollen.

In den darauf folgenden Tagen waren die Vorbereitungen für die Reise getroffen worden, waren Truhen, Körbe, Kisten und Pakete gepackt und geschnürt worden, hatte ihr ganzes Hab und Gut sich nach und nach in der Halle angesammelt und zu einem ansehnlichen Berg gestapelt. Vor zwei Tagen war dann das Schiff im Hafen eingetroffen, das sie den ersten Teil des Weges bis nach Surmera bringen soll. Nun gab es kein Zurück und keine Ausflüchte mehr, sie würde eine gehorsame Tochter sein, und ihrem Vater gehorchen. Sie würde nach Lomirion zurückkehren. Gerion hatte Shur zum Hufschmied gebracht und beschlagen lassen, Cassandra hatte sich höchst schweigsam daran gemacht, die Beutel mit Vorräten für die Reise zusammenzustellen. Und Arwen hatte sich schweren Herzens auf den Weg zum Smaragdstrand gemacht, zu Niniane. Sich von allen ihren Freunden in Talyra zu verabschieden, brachte sie nicht über das Herz, und ein teil von ihnen war ohnehin nicht in der Stadt, wenn man den Gerüchten glauben durfte. Morgana sei angeblich bei einem schwer kranken Patienten außerhalb, und Kizumu habe angeblich auch die Stadt, ihren Mann  und die Kinder verlassen. Ein Gerücht, das Arwen nicht wirklich glauben kann und will, aber sie hat auch nicht vor, den Wahrheitsgehalt dadurch zu überprüfen, dass sie den Lord Commander aufsucht und vielleicht wirklich nur ihn und die Kinder vorzufinden. Aber Niniane musste sie aufsuchen. Das Brechen eines Fluches aus der Altvorderenzeit und die Vernichtung eines Dämons der ältesten Tage verbindet mehr als es Eide oder reine Freundschaft es vermöchten. Sie hatte die Waldläuferin alleine aufgesucht, ohne Gildin oder Andovar zu sagen wohin sie geht, oder was sie überhaupt vorhat - eine kleine Rache dafür, dass man ihr einfach so befiehlt, nach Lomirion zurückzukehren. Eine kindische Rache, das wusste sie, aber es hatte einfach sein müssen. Sie hatte Niniane im Kreis ihrer Familie angetroffen, sich eine Weile mit ihr und Cron unterhalten, sich von Shaerela die Stoffpuppe zeigen lassen, ausgiebig Leir, den jüngsten Spross der Familie bewundert und war schließlich bei der x-ten Schale Tee auf den eigentlichen Grund für ihren Besuch gekommen. Sie hatte Niniane von dem Brief ihres Vaters erzählt, von dessen Befürchtungen bezüglich Khelenar und seinem dringenden Wunsch dass Arwen umgehend nach Lomirion käme, und es sich dabei nicht verkneifen können zu erklären, dass dieser 'Wunsch' eine beschönigende Umschreibung für einen Befehl sei, dem sie wohl oder übel folgen müsse. Und dann hatte sie die Protektorin gebeten einige Dinge für sie zu verwahren: Urkunden, die Cassandra für die Zeit ihrer Abwesenheit mit allen Vollmachten ausstatten würden, um Vinyamar als freie Pächterin zu führen (und die ihre Oberste Magd sich fast geweigert hatte anzunehmen und nun auf keinen Fall auf Vinyamar aufbewahren wollte), die Schlüssel für die Waffenkammer und den Schlüssel für jenen Keller des Ulmenanwesens, in dem Arwen ihre kostbaren Besitztümer, ihren Brautpreis und ihre Brautgabe sicher verwahrt. Zwar würde sie Cassandra genug gemünztes Gold und Silber geben, dass die damit die Ausgaben des Ulmenanwesens für wenigstens zwei Götterläufe bestreiten könnte. Aber falls Cassandra aus welchem Grund auch immer mehr benötigen sollte, bräuchte sie dann keinen Geldleiher aufsuchen. Der Abschied schließlich war Arwen mehr als schwer gefallen, denn keiner von ihnen konnte sagen, ob sie sich je wieder sehen würden. Und zu guter Letzt eine Urkunde für den Fall, dass sie tatsächlich nicht zurückkehren würde, und die Vinyamar dann gänzlich auf Cassandra übertragen würde, was Arwen ihrer Obersten Magd aber wohlweißlich verschwiegen hatte.

All dies und noch viel mehr geht Arwen durch den Kopf, als sie mit Rialinn an der Hand eine letzte Runde durch ihr Haus macht und sich von jedem Raum einzeln verabschiedet. Irgendwie wird sie einfach das Gefühl nicht los, dass sie Vinyamar so bald nicht wieder sehen wird; vielleicht auch gar nicht. Rialinn läuft vor ihr her, um sie herum, und hält das alles für ein großartiges Spiel. Und Arwen gibt sich alle Mühe, ihre Tochter nicht spüren zu lassen, was sie selber dabei empfindet und wie schwer es ihr fällt zu gehen. Aber irgendwann hat sie jedes Zimmer noch einmal betreten, aus jedem Fenster gesehen, und es gibt nichts mehr zu tun oder zu sagen, was den Abschied noch weiter hinaus zögern könnte. Mit einer raschen Bewegung fängt sie Rialinn ein, die gerade wieder mit ihrem allgegenwärtigen Pelzbären in einer der Kammern verschwinden will, und macht sich auf den Weg hinunter in die große Halle.
Gildin erwartet sie bereits, neben ihm die hochgewachsene Gestalt von Andovar. Sie kennt den Elben gut, immerhin hatte Gildin ihn vor über zwei Jahresläufen zu ihrem Schutz hier gelassen, nachdem Falcon sie verlassen hatte, jemand anderen hatte sie nicht dulden wollen. Eigentlich hatte sie niemanden dulden wollen, hatte aber nach Wegesend einfach nicht die Kraft besessen ihrem Bruder ein größeres Zugeständnis abzuringen, der eigentlich ein ganzes Dutzend Männer bei ihr hatte lassen wollen - und sollen. Wie sie seitdem weiß, nimmt Andovar den Rang des Ersten unter Gildins Rittern ein, doch Gildin und ihn verbindet darüber hinaus eine tiefe Freundschaft, die weit über Gefolgstreue und Waffenbruderschaft hinausgeht. Und in den Monden da er in ihrem Haus gewohnt und sie auf Schritt und Tritt begleitet hatte, war er mit der Zeit auch ihr ein vertrauter Freund geworden. Sie sieht Gildins Gesicht, die drängende Ungeduld am Grund seiner Augen, den leisen Spott in Andovars Schmunzeln im Rücken ihres Bruders und kann sich unschwer vorstellen, wie es um die Laune ihres Bruders bestellt ist. "Nun, Andovar, wie sieht es aus? Darf ich noch selber zum Hafen reiten, oder fesselt mein Bruder mich gleich hier vor sich auf sein Pferd?" Den gereizten Unterton in ihrer Stimme kann sie beim besten Willen nicht verbergen - will es auch gar nicht. Soll Gildin ruhig wissen, was sie von den Entscheidungen ihres Vaters und seinem Mitwirken dabei hält. Von ihrem Bruder erntet sie für ihre Frage beredtes Schweigen und Andovar ein kurzes Lachen.

Vor dem Haus wartet Gildins Reiter bereits im Sattel auf sie. Shur und die Pferde der beiden Elben werden von Gerion und Ullmar gehalten, wobei der Junge dreinschaut, als würde er ungeachtet all der Vorbereitungen der letzten Tage erst jetzt begreifen, dass die Elbin Vinyamar tatsächlich verlässt. Cassandra und Natie, die Mägde und Knechte, alle stehen sie an der Treppe zur Veranda des Ulmenanwesens, mit betretenen Gesichtern und in mehr als einem Gesicht kann Arwen die unausgesprochene Frage lesen, ob die Elbin wirklich wieder zurückkehren würde, und wann das wohl sein würde. Dann ist es soweit, die letzten Abschiedsworte werden gesprochen, Arwen gibt Cassandra die Schlüssel des Anwesens und überträgt ihr damit endgültig die Verantwortung. Und ehe sie es sich doch noch anders überlegen kann, sitzt sie im Sattel, Rialinn vor sich, und der ganze Trupp setzt sich im gemächlichen Schritt in Bewegung, hinunter zum Hafen, dorthin wo das Schiff mit ihrer ganzen Habe wartet, die bereits am Vortag verladen worden ist.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 01. Mai 2007, 08:49 Uhr
Im Sturmwindmond, ein Jahr später



Es ist ein sonniger Frühlingsmorgen, das Wetter ist schon seit Tagen mild und angenehm. Einer jener wundervollen Tage im Frühjahr, wenn die laue Luft schon die kommende Schönheit des Sommers erahnen lässt. Hoffentlich wird der Sommer in diesem Zwölfmond besser als im vergangenen Jahr. Eine Teeschale in der Hand lehnt Arúen in der offenen Tür aus der Halle von Vinyamar hinaus auf die Terrasse und sieht Natie zu, die Ente und Gänse zum Ildorel hinunter treibt. In Gedanken ist sie jedoch wieder im letzten Jahr. So strahlend schön der Sommer in Erryn gewesen ist, so nass und kalt ist er in den Herzlanden gewesen. Cassandra hatte in der kurzen Nachricht die der Rabe nach Lomirion getragen hatte nicht übertrieben. Die Ernten waren allerorten dürftig ausgefallen und im Süden Briocas war es zu Unruhen unter den Bauern gekommen. Die Kunde davon hatte ihren Tross an den Mondtoren erreicht, und Andovar hatte vor diesem Hintergrund auch nicht in die Sicherheit der Straßen bis nach Sûrmera vertrauen wollen und darauf bestanden, dass sie ihre Reiseroute ändern. So waren sie also weder nach Sûrmera gegangen um von dort ein Schiff nach Talyra zu nehmen, oder gar den Landweg am Westufer des Ildorel entlang und damit durch das Gebiet Briocas, sondern hatten den Heideweg noch vor der Hälfte des Weges verlassen und sich auf dem alten Druidenpfad gen Norden gewandt. Ein Weg, der ebenso selten, wenn nicht seltener befahren wird als der Heideweg. Keine Gehöfte oder gar Gasthäuser direkt am Weg, oftmals gerade breit genug, dass die Wagenräder Halt finden. Zum Glück ist das Larisgrün im Süden nicht von dichtem Unterholz durchzogen, sondern die Bäume stehen in lichten Hainen zusammen. Das Wetter war bald kühl und feucht geworden, es hatte oft geregnet. Liedberg war die letzte größere Ansiedlung gewesen, die sie auf ihrem Weg nordwärts passiert hatten. Und von da an, gab es vor Talyra keine elbische oder menschliche Ansiedlung mehr, die die Bezeichnung Dorf oder Weiler verdient hätte. Also hatten sie in Liedberg ihre Vorräte soweit wie möglich wieder aufgefüllt, den Pferden und sich selber einige Tage im örtlichen Wirtshaus gegönnt, um sich zu erholen, dafür zu sorgen, dass ihre Kleidung sauber und vor allen Dingen wieder einmal trocken wurde und sich über die neuesten Gerüchte und Berichte über die Ernte und die angeblichen Bauernunruhen in Brioca zu informieren. An einem Tag, der dankenswerterweise einmal nicht mit einem Wolkenbruch begann, waren sie wieder aufgebrochen und hatten die Wegstrecke hoch zum Kreuzweg in Angriff genommen, an dem der Druidenpfad auf die Straße zwischen Talyra und Tiefwald trifft. Am Kreuzweg gab es weder ein Dorf, noch eine Herberge, noch nicht einmal ein verwittertes Holzschild, nur eine Senke rund um die beiden zusammentreffenden Straßen. Nach zwei Tagen Rast war es weiter gegangen, und auf der Straße nach Talyra waren sie deutlich besser voran gekommen als auf den Waldwegen. Trotzdem war der Nebrar schon angebrochen, als endlich die Mauern Talyras in Sicht kamen.

Mit einem leisen Seufzen erinnert sich Arúen an die turbulente Ankunft auf Vinyamar und die nicht weniger turbulenten Wochen, die ihrer Rückkehr gefolgt waren, und erntet dafür ein fragendes Wuffen der beiden Hunde, die sich neben ihr niedergelassen haben. Auris und Nevis, die beiden Hündinnen, die ihr Vater ihr mitgegeben hatte, und die sich seit dem ersten Tag nicht von ihrer und Rialinns Seite rühren und sie nun aus seelenvollen Augen ansehen. Sie ist am Morgen schon mit ihnen unten am Strand des Ildorel gewesen, hat die Stille genossen, die nur vom frühen Lied der ersten Vögel und dem leisen Plätschern des Ildorel unterbrochen wird, und hat die beiden Faêntjares ausreichend Bewegung verschafft. "Nein, keine Sorge, heute werden wir nicht den ganzen Tag im Tempel zubringen," beruhigt sie die Hunde. Dort habe ich die letzten Monate ohnehin mehr Zeit zugebracht, als ich erwartet hatte. ,
Kaum wieder auf Vinyamar angekommen, war soviel auf sie eingestürmt, dass sie kaum zum Atemholen gekommen ist. Cassandra hatte die schlechte Ernte, genauer gesagt die Missernte bestätigt. Und Arúen hatte kurzer Hand entschieden, dass sie ihren Pächtern den Zehnten für dieses Jahr erlässt. Außerdem hatte sie Saatgut zugekauft, damit die Leute das wenige was das Jahr ihnen eingebrachte hatte zum Leben hätten und davon nicht auch noch die Saat des nächsten Jahres bestreiten müssen. Die Stadt Talyra war alles in allem noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Die Stadträte hatten in den vergangenen, besseren Jahren die Speicher der Stadt gut gefüllt gehabt, und konnten nun, anders als manch andere Stadt, aus eben diese Vorräte seine Bürger ernähren und den Tempeln die nötigen Mittel für die Armenspeisungen zur Verfügung stellen. Und die Schlangen bei den täglichen Speisungen waren mit jedem Tag länger geworden. Auf Vinyamar selber hatten sie keine Not gelitten, die letzten Jahre hatten ihnen reichliche Vorräte in den Kellern beschert, aber in der Ungewissheit, was das kommende Jahr bringen würde, hatte Cassandra sich zu einer noch umsichtigeren Wirtschafterin entwickelt, als sie es ohnehin schon ist.
Andovar und seine Männer hatte sie nach einer Woche der Ruhe und Erholung zurück nach Erryn geschickt, in der Hoffnung, dass sie die Mondsichel erreichen und überqueren würden, ehe die ersten Schneestürme es unmöglich machten. Glücklicherweise hatte der Elb eingesehen, dass sie hier in Talyra nicht von Bauernaufständen oder anderen Unruhen bedroht sind, ansonsten hätte sie ihn wohl auch kaum zur Abreise überreden können. Nur Teir war wie vereinbart auf Vinyamar geblieben.

"Also gut, ihr Zwei, genug der morgendlichen Grübeleien über das letzte Jahr. Ab ins Haus, wollen doch mal sehen, wie weit Cassandra mit dem Frühstück ist." Mit einem leisen Schmunzeln erinnert sie sich an Teirs Gesicht, als er nach der Abreise der anderen Elben morgens feststellen musste, dass es hier der Normalfall und nicht die Ausnahme ist, dass Arúen das Morgenmahl zusammen mit dem Gesinde am großen Tisch in der Küche einnimmt - und wie ungezwungen der Umgang nicht nur untereinander sondern auch mit der Elbin ist. Kein Shadâna hier, Erhabene da (davon hat sie schon genug im Tempel, seit bekannt wurde, dass sie die Weihen zur Hohepriesterin erhalten hat), sondern einfach Lady Arúen. Auris und Nevis scheinen jedes ihrer Worte zu verstehen, denn kaum hat sie ausgesprochen, sind sie auf den Beinen und eilen der Tür entgegen, die in die Küche und damit in Cassandras Reich führt. Aus der Tür kommt ihnen allerdings nicht die Oberste Magd entgegen, sondern Rialinn, mit roten Wangen, strahlenden Augen und einem Strauß rosa Hyazinthen in der Hand. "Da, für Dich," streckt sie ihrer Mutter die Blumen entgegen, und plappert begeistert drauf los, dass sie draußen war, mit Natie und Erion (das 'G' weigert sich hartnäckig ausgesprochen zu werden), und dass sie geholfen hat die Enten und Gänse aus dem Stall zu lassen. Dass sie von den beiden Hunden umrundet und beschnuppert wird, als würden die sich vergewissern wollen, dass sie das Abenteuer heil überstanden hat, bremst den Redefluss in keinster Weise. Rialinn liebt die beiden innig, und es ist für Arúen ein beruhigendes Gefühl sich darauf verlassen zu können, dass die beiden, so ruhig sie sonst auch sein mögen, jeden angehen würden, der versuchte ihrer Tochter etwas zu tun. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass die beiden Hunde sich während der Reise des nachts immer neben sie und ihre Tochter gelegt hatten, wie zwei lebendige Wärmflaschen, was sie in den nasskalten Wochen durchaus zu schätzen gelernt hatte. "Danke, min Arzaen, die sind schön. Du warst doch schon bei Cassandra in der Küche. Ist das Frühstück fertig?" Heftiges Nicken ist die Antwort, begleitet von einem energischen "Hunger".

In der Küche erwartet sie der bereits gedeckte Tisch und eine wie jeden Morgen wirbelnde Cassandra. Die Knechte seien noch draußen bei den Ställen um die Pferde zu füttern und die Mägde würden gerade den Ofen im Waschhaus anheizen, heute sei großer Waschtag, wird ihr ungefragt beschieden während sie noch dabei ist, sich frischen Tee einzugießen. Cofea, dieses bittere Gebräu aus gerösteten azurianischen Bohnen, hat auf Vinyamar bisher keine Freunde finden können. Dafür findet man in einer gut verschlossenen Holzkiste im Vorratsschrank allerdings eine Auswahl verschiedenster Tees, vom einfachen Kräutertee aus dem eigenen Garten bis zu erlesenen weißen Yasmintees von den Sommerinseln. "Wie machen sie sich, Cassandra?" Arúen muss nicht erklären, wen sie meint. Die Missernte vom letzten Jahr hatte zur Faêyrisnacht viele Mägde und Knechte die Anstellung gekostet, einfach weil viele Bauern sich ihre Dienste nicht mehr leisten konnten. Ganz abgesehen davon, dass mancher nicht ganz unbegründet fürchtet, nach der schlechten Ernte käme nun ein Jahr mit wenig Saatgut in dem die Ernte auch noch nicht viel besser ausfallen würde. Aber was des einen Leid, ist des anderen Freud. Für Arúen hatte es nämlich bedeutet, dass sie endlich einen weiteren Knecht und eine Magd in ihre Dienste nehmen konnte. Und da ihr einst kleiner Haushalt ständig wächst, hat sie außerdem Muriel, die zwölfjährige Tochter eines ihrer Pachtbauern als Lehrmädchen angenommen. "Gut, also die Mädchen. Bei dem Knecht müsst ihr Ullmar fragen. Nuala ist ein absoluter Glücksfall, wirklich, sie kennt sich mit der Arbeit im Garten und auf dem Feld aus, und sie hat vor allem ein Händchen für alles was wächst. Etwas übereifrig vielleicht, aber wer will es ihr verdenken." Die Oberste Magd spielt auf die zahllosen Anzuchtschalen und Töpfe an, die absolut jede freie Fensternische im Haus belegen. "Und Muriel ist etwas schüchtern und sie schämt sich, seit sie mitbekommen hat, dass alle hier im Haus lesen und schreiben können, bloß sie nicht. Sie tut sich schwer es zu lernen, aber mit der Zeit wird sie das auch noch schaffen. Und Gerion hat einen Narren an ihr gefressen und sie quasi als seine Schwester adoptiert," schmunzelt die Menschenfrau, stellt eine dampfende Schüssel Haferbrei mit geriebenen Äpfeln auf den Tisch und einen Sahnekrug daneben. Kaum, dass sie neben Arúen Platz genommen hat, trudelt auch schon der Rest des Haushalts an der morgendlichen Tafel ein, erst die Mägde, dann Teir und zuletzt Ullmar mit den Knechten. Natie flitzt nur kurz herein, schnappt sich einen Kanten Brot und ein Stück Käse und ist schon wieder verschwunden, um das Federvieh am Ildorel zu hüten; was ihr eindeutig mehr Spaß macht, als die Aufgaben, die ihre Mutter sonst so für sie parat hat. Schweigen herrscht bei Tisch selten, und auch an diesem Morgen wird geredet und erzählt, werden die Aufgaben des Tages verteilt, Rialinn davon abgehalten, neben ihrer eigenen Schüssel auch noch die von Muriel auszulöffeln, und das nahe Inarifest ist natürlich auch Gesprächsthema.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 08. Mai 2007, 17:30 Uhr
Als Arúen in der Küche bei Cassandra erscheint um sich ein reichlich verspätetes Frühstück zu suchen, hat das Tagesgestirn seinen höchsten Stand schon fast erreicht. Sie ist alles andere als ausgeruht, und die geröteten Augen wollen ihr immer wieder zufallen. Sie hat die ganze Nacht kein Auge zugetan. Irgendwann am späten Abend, sie hatte Rialinn schon längst zu Bett gebracht, war das Kind im Zimmer seiner Mutter aufgetaucht und hat weinend geklagt, es habe Auaweh. Erst nach einigem Trösten und Nachfragen war aus Auaweh dann immerhin etwas konkreteres Bauchweh geworden. Ein warmer Tee mit Fenchel und Kamille und ein eilig von Cassandra erwärmtes Kissen mit Kirschkernen hatten zwar geholfen, das Bauchweh etwas zu lindern, dafür hatte Rialinn dann angefangen zu spucken, immer und immer wieder, bis der kleine Körper krampfend nur noch Galle von sich hatte geben können. Arúen hatte sich nie hilfloser gefühlt, als in den Augenblicken, da sie ihrer Tochter nur halten konnte, während die sich erbrach, und ihrem Kind nicht wirklich helfen konnte. Es hatte gedauert, bis der kleine Körper alles von sich gegeben hatte, das ihn so quälte, bis nach Mitternacht. Ihre Oberste Magd hatte sie schon längst zu Bett geschickt, frischen Tee aufbrühen könne sie schließlich auch selber. Aber dass ein Wärmezauber Rialinn mindestens ebenso gut, wenn nicht sogar besser helfen würde als das erwärmte Kirschkernkissen, das hatte sie tunlichst für sich behalten. Und während draußen der seit Langem von Gärtnern und Bauern erhoffte Regen gegen die Fensterläden und auf das Dach prasselt, hält Arúen ihre Tochter im Arm, trägt sie umher, wiegt das weinende Kind und summt leise alle Schlaf- und Kinderlieder die ihr einfallen wollen. Doch jedes Mal, wenn sie hofft, ihre Tochter würde in Trance gleiten und sie ins Bett zu legen versucht, klammert das Kind sich wieder weinend an ihr fest, voller Angst, dass das Bauchweh und das Spucken wiederkommen, wenn sie nicht mehr bei ihrer Mutter auf dem Arm ist. Nicht einmal der Versuch, sie zu sich ins Bett zu holen und dann gemeinsam zu ruhen will funktionieren. Also bleibt sie auf, behält Rialinn im Arm und setz sich mit ihr und einer warmen Decke in den großen Schaukelstuhl im Kinderzimmer. Die Hoffnung, sie könne ihre Tochter dort in den Schlaf wiegen, erfüllt sich allerdings erst kurz vor Morgengrauen. Ganz langsam und vorsichtig bewegt sie sich, damit Rialinn bloß nicht aufwacht, legt den kleinen, erschöpften Körper in sein Bett und deckt ihn behutsam zu. Arúen selber ist wenigstens ebenso müde und sinkt in Trance, kaum dass ihr Kopf die Kissen berührt hat. Aber wirklich tief wird ihre Ruhe nicht, immer ist sie mit einem Ohr und einem Teil ihrer Sinne bei ihrer Tochter. Und so ist sie nicht wirklich erholt, als sie schließlich kurz vor Mittag erwacht, kurz nach ihrer noch immer ruhenden Tochter schaut und sich dann in die Küche aufmacht, um sich heißen Tee und etwas zu Essen zu holen.

"Herrje, Mylady! Wie seht Ihr denn aus?" Ein kurzer Blick reicht, um Cassandra in fürsorglich-besorgte Aktivität ausbrechen zu lassen. "Hier. Trinkt erst mal einen Tee." Frischer Tee steht in ihrem Haus zu jeder Tageszeit (und manchmal auch Nachtzeit) bereit, und dafür ist Arúen an diesem Morgen... na gut Mittag… mehr als dankbar, setzt sich an den großen, vom vielen Scheuern blank gewordenen Holztisch und nickt bloß, als sie gefragt wird, ob sie auch etwas frühstücken möchte. Eigentlich hätte das unüberhörbare Knurren ihres Magens aber auch jede Antwort überflüssig gemacht. Es dauert nicht lange, bis vor ihr eine Schale mit Frischkornbrei, Sahne und gehackten Trockenfrüchten steht. Auf gebratene Eier, womöglich noch mit Schinken, verzichtet sie dann allerdings dankend. Allein bei dem Gedanken daran hat sie schlagartig keinen Appetit mehr. Dafür ist die Aussicht auf ein heißes Bad mehr als verlockend, und Cassandra schickt Muriel und Nuala, damit sie Wasser heiß machen und das Bad herrichten. Arúen lässt sich Zeit mit dem Essen, leer nebenher die Teekanne bis auf den letzten Tropfen und lässt sich von Cassandra berichten, wie gut der nächtliche Regen dem Garten und ganz bestimmt auch den Feldern getan hat, und dass man fast zusehen könne, wie alles sich erhole und wachse. Ein Segen der Götter sei das, wo doch schon so mancher Schwarzseher befürchtet hat, was sie letzten Zwölfmond zuviel an Regen gehabt hätten, würden sie in diesem Jahreslauf zuwenig haben und die Wintersaat noch im Frühjahr auf den Feldern verdorren. Doch der Regen der letzten Nacht sei doch ein Grund zur Hoffnung. Auch wenn die Götter für den Festtag ein Einsehen hätten und die Wolken schon für die Sonne das Feld geräumt hätten. Nur die Hälfte von dem, was ihr erzählt wird, nimmt die Elbin wirklich wahr, dieser so alltägliche Wortfluss hat eine merkwürdig entspannende Wirkung auf sie, der Beweis dafür, dass sie wieder zuhause ist, in ihrem eigenen Haus und ihrem eigenen Leben. Und so lässt sie die Menschenfrau reden und erzählen und wartet darauf, dass die Mägde zurück kommen und Bescheid geben, dass das Bad hergerichtet sei.

Das Bad ist die reinste Wonne. Arúen lässt sich in die wohltuende Wärme zurücksinken und lehnt den Kopf an ein auf dem Wannenrand gefaltetes Leintuch. Gedankenverloren streicht sie mit den Fingerspitzen durch die Wasseroberfläche und schickt dabei kleine gekräuselte Wellen an den Wannenrand. Gestern hatte sie kurz überlegt, ob sie Teir als Begleiter mit auf das Fest nehmen soll. Aber heute hat sie sich dagegen entschieden. Zum einen möchte sie, dass er hier bei Rialinn bleibt, nicht nur zu ihrem Schutz, sondern auch damit ein Elb anwesend ist, wenn sie wieder aufwacht und womöglich zu verwirrt oder zu müde ist um etwas anderes als Shidar zu sprechen. Zum anderen kennt sie die Klatschweiber und Tratschmäuler Talyras zu gut, um nicht zu wissen, welche Gerüchte sich binnen kürzester Zeit daraus entwickeln würden, wenn sie in Begleitung eines Elben auf dem Inarifest erschiene. Und darauf kann sie sehr gut verzichten. (Auf die Idee, dass selbst im Seehaus schon die abwegigsten Spekulationen bezüglich Teirs angestellt werden, käme Arúen allerdings im Leben nicht.) Außerdem kann sie sich nur zu gut daran erinnern, was über sie und Andovar geredet worden war, als der zu ihrem Schutz auf Vinyamar geblieben war, und hat obendrein von Cassandra schon genug über das gehört, was bereits jetzt über sie und den jungen Elben geredet wird. Nur weiß der dieser Elb noch nichts von ihrer Entscheidung und davon, dass sie ihn im Gegensatz zu ihrem Gesinde heute nicht von seinen Pflichten entbinden wird. Die Aussicht, ihm das mitteilen zu müssen, begeistert Arúen nicht gerade, aber es gehört zu den Pflichten, die sich für sie aus dem Diensteid ergeben, auf dem sie nun einmal bestanden hat. Entschlossen schiebt sie diese Gedanken jedoch vorerst beiseite und streckt sich wohlig im heißen Wasser, das schwach den Duft von Yasmin verströmte, spürt wie die Wärme sie bis auf die Knochen durchdringt und döst sich in eine erholsame Halbtrance hinüber, die ihr die fehlende Ruhe der vergangenen Nacht ersetzt.

Ehe ihre Haut gänzlich aufweicht und verschrumpelt, verlässt sie dann aber doch das Wasser und widmet sich den Vorbereitungen für das heutige Fest. Wobei da eigentlich nur die Kleiderfrage zu klären wäre, doch das ist schwierig genug, auch ohne dass ihr wie im letzten Jahr Rialinn um die Beine turnt und ihre süße kleine Nase in jeden Schrank und jede Truhe steckt. Nach kurzem Hin und Her entscheidet sie sich für ein schlichtes Kleid aus sandgewaschener, blass lavendelblauer Seide. Das schmale Oberteil des Kleides geht fließend in den Rock über, der ebenso wie die langen Ärmel rasch an Weite gewinnt. Die enorme Saumweite fällt jedoch erst auf, wenn sie sich bewegt, denn der Stoff scheint an ihrem Körper entlang zu fließen, fällt weich und schmal an ihr herunter. Der halbrunde Halsausschnitt ist zwar nicht auffallend tief, entblößt dafür aber ihre Schultern. Dazu den Gürtel aus silbergetriebenen Sternen, an dem sie ihre Geldkatze befestigt. Auf leisen Sohlen huscht sie noch einmal zum Zimmer ihrer Tochter. Unter den aufmerksamen Blicken von Auris und Nevis ruht Rialinn noch immer in tiefer Trance, erschöpft von der vergangenen Nacht. Erleichtert atmet Arúen auf, und zieht die Tür zum Kinderzimmer bis auf einen Spalt zu ohne sie jedoch ganz zu schließen. Nur noch in die Schuhe schlüpfen, dann kann es losgehen. Gerion und die erwachsenen Mägde sind längst schon Cassandras wachsamen Augen entflohen und aus dem Haus. Aber ihre Oberste Magd würde zusammen mit Muriel und Natie hier auf Vinyamar bleiben und sich auch um Rialinn kümmern. Und Ullmar würde wie stets bei Cassandra bleiben (und darauf hoffen, dass sie seinem Werben doch noch eines Tages Gehör schenkt). Seine Beharrlichkeit ist bewundernswert, und die Elbin kann beim besten Willen nicht verstehen, was Cassandra davon abhält, seine Frau zu werden, denn weder ist er ihr gleichgültig noch zuwider. Zumindest soviel hatte sie einmal in einem Gespräch aus ihr heraus bekommen, ehe ihre Oberste Magd fast fluchtartig das Weite gesucht und so die Unterhaltung beendet hatte.

Teir weiß unterdessen von seinem "Glück" des Haus- und Kinderhütens und erwartet Arúen zusammen mit Cassandra in der Halle. Die Frau versichert ihr wohl zum zehnten Mal, dass sie gut auf Rialinn aufpassen werden, und dass sie schon Brühe auf dem Herd habe, damit das arme Kind nachher etwas zu sich nehmen kann. Und sie solle sich keine Sorgen machen, das hätten Kinder nun mal manchmal, dazu bräuchte es keinen besonderen Grund, und das gebe sich auch ebenso schnell wieder. Die Elbin könne beruhigt feiern gehen. Solchermaßen von ihren Sorgen als Hausherrin und Mutter entbunden, kann sie gar nicht anders als sich auf den Weg zum Marktplatz zu machen. Drei Jahre ist es her, dass sie zuletzt in Talyra das Inarifest besucht hat, im letzten Jahr ist sie noch nicht einmal in der Stadt gewesen. So viele Freunde und Bekannte hat sie viel zu lange nicht mehr gesehen, und sie freut sich auf das Wiedersehen. Selbst Niniane und Cron, die sie nach ihrer Rückkehr aus den Elbenlanden im Herbst oft besucht hatte, einfach nur so, oder um mit Niniane über all die Dinge zu reden, die in Lomirion geschehen waren, hat sie seit dem Julfest nicht mehr gesehen, weil immer irgendetwas zu tun oder zu erledigen gewesen ist, das sie den Besuch um einen Tag verschieben ließ, dann noch einen und wieder einen. Nun ist es Inarianar geworden, und Arúen hofft, dass die beiden die Gelegenheit des Festes ebenso nutzen werden wie sie.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 02. Juli 2007, 22:23 Uhr
Der Aufruhr um Rialinn in der Nacht, die Unruhe im ganzen Haus war ihm nicht entgangen, doch da er nicht hatte helfen können, war er schließlich wieder zu Bett gegangen. Da die Lady Arúen erst gegen Morgen endlich Ruhe gefunden hatte, hat er die morgendliche Runde mit den beiden Hündinnen übernommen.
Die Luft ist wie reingewaschen nach dem nächtlichen Regen und er genießt den frischen Wind, der am Seeufer weht. Auris und Nevis stöbern im seichten Wasser des Ildorel, während Teir seine Gedanken in Richtung Inarianar schweifen lässt. Das letzte Fest zu Ehren der Göttin hatte er im Adlerhorst in Lomirion damit verbracht, das Haus zu bewachen und er hegt die Hoffnung, dieses Jahr am Festessen und den Feierlichkeiten teilnehmen zu dürfen. Das erste Fest in den Menschenlanden. Durch die Gespräche des Gesindes auf Vinyamar hatte er einiges über die Feierlichkeiten erfahren und er ist wirklich neugierig auf die Art der Menschen, Inarianar zu feiern.
Auf ihrer Reise nach Talyra waren sie nur wenigen Menschen begegnet, aber das Leben in der Stadt macht diese Unanehmlichkeit jeden Tag aufs Neue wett. Er verbringt seine wenige freie Zeit damit, durch die Straßen zu streifen, die Menschen und all die anderen Wesen zu beobachten und die Sprache weiter zu lernen. Die Allgemeinsprache macht ihm kaum noch Probleme, auch wenn ihm ab und zu ein Wort entfällt und sein deutlicher Akzent ihn selber ärgert. Er hat noch keine näheren Kontakte zu irgendjemanden schließen können, aber er hofft auf den heutigen Abend. Grinsend pfeift er die beiden Hündinnen zu sich und dann geht es in wilder, lauter Jagd nach Vinyamar zurück.
Als er mit den Hunden in die Küche kommt, ist diese bereits gut gefüllt. Die Mägde und Knechte haben sich zum Frühstück und zur täglichen Arbeitsbesprechung versammelt, doch das Gespräch dreht sich hauptsächlich um das bevorstehende Fest. Tolan und Helma rutschen ein Stück auseinander um dem jungen Elben Platz zu schaffen. Er sitzt noch nicht richtig, da hat Nuala schon einen Teller mit einer großen Portion Rührei mit gebratenem Schinken darauf und einen Becher dampfenden Tee vor ihn hingestellt. Sie haben wohl beschlossen, mich zu mästen. Ein Grinsen stiehlt sich auf seine Lippen; Cassandra hatte nach einer ersten kritischen Musterung festgestellt, dass der Junge eindeutig zu wenig auf den Rippen hätte und seitdem findet sich auf seinem Teller immer eine Extraportion. Nicht, dass es mich stört. Teir schenkt Nuala ein strahlendes Lächeln und wendet sich dann seinem Frühstück zu.

Inarianar; noch dazu das erste Mal in den Landen der Sterblichen; im Dienst und auf Vinyamar verbringen zu müssen, ist nicht gerade das, was Teir sich vorgestellt hatte, doch Arúen begründet ihre Entscheidung und er versteht ihren Wunsch. Irgendwie zumindest. Er seufzt leise und versucht, in dem schmalen, filigranen Sessel, den er sich vor eines der hohen Fenster geschoben hat, eine halbwegs bequeme Position zu finden. Rialinn verschläft nach ihrer anstrengenden Nacht die Hälfte des Nachmittages, während Teir sich damit beschäftigt aus dem Fenster oder an die Wände zu starren und sich das Festessen, die Musikanten, die Tänzer und Feiernden möglichst uninteressant vorzustellen. Gelingen will ihm dies zwar nicht so recht, doch als das Kind schließlich erwacht, schiebt er jeden Gedanken an leichtlebige Rotfüße entschlossen beiseite. >Eama, dô îhiot min Eama?< Mama? wo ist meine Mama? Die Augen des Mädchens sind weit geöffnet, aber noch von Schlaf umwölkt. "Firô Onaris, Arzaenyóli, tin Eama îhiot lav ît sîr." Keine Angst, Schätzchen, deine Mama ist bald wieder da. Mit zwei großen Schritten ist er bei ihr und geht vor dem Bett in die Knie. "Wach erstmal auf, Fröschlein, dann sieht die Welt schon... gut aus." Rialinn, eben noch damit beschäftigt sich den Schlaf aus den Augen zu reiben, fängt bei seinen Worten leise zu kichern an. >Du sprichst schlecht.< Teir grinst breit und streicht dem Mädchen über den vom Schlaf und Fieberträumen zerwühlten Haarschopf. "Ich weiß. Ie lecunat lin? Besser?" Die Kleine nickt und macht sich prompt daran, die Decken zurückzuschlagen und aus dem Bett zu klettern. Sie trägt nur ein einfaches Kittelchen und ihren Pelzbären im Arm. >Dalio Kiril, Teir,< Ehe Rialinn entschlossen in Richtung Tür marschieren kann, hebt Teir das Kind hoch. "So nicht, týllyóli. Du musst etwas.. dich anziehen. Cassandra dreht mir sonst den Kopf um." >Toro hat auch Durst. Teir, schnell.< Ein mitgenommen wirkendes, pelziges Bärengesicht verdeckt ihm einen Moment die Sicht und so legt er den Weg zur Kommode blind zurück. Zum Glück, achtet Cassandra so auf Ordnung. Sich beim über Spielsachen stolpern ein Bein zu brechen, ist peinlich. "Týllyóli, gleich. Wir gehen gleich hinunter. Aber erst.." Teir setzt das Mädchen vor der Kommode auf den Boden und gemeinsam suchen die beiden nach etwas zum Anziehen, das Gnade in Cassandras Augen finden würde.
>Ilas deliot Eama?< Hand in Hand mit Rialinn und dem obligatorischen Kuschelbären geht es die Treppe hinunter und in die Küche, wo Cassandra das Kind sofort mit Beschlag belegt. "Erst am Abend. Sie ist auf dem Fest." Einen Augenblick sieht es so aus, als würde diese Nachricht Rialinns gute Laune trüben, doch dann hat Cassandra ihr schon einen Becher gesüßten Tee vor die Nase gestellt. >Wenn das drin bleibt, kannst du nachher vielleicht etwas Brot essen, ja.< Das Kind nickt verständig und beschäftigt sich für die nächsten Augenblicke mit ihrem Teebecher. Cassandra schmunzelt und streicht Rialinn über den dunklen Haarschopf, dann fällt ihr Blick auf Teir. >Ihr wollt doch sicher noch aufs Fest, oder? Die Lady Arwen hat gesagt, wenn die Kleine aufwacht, könnt Ihr gern noch gehen. Es ist zwar jetzt schon ein bisschen spät, aber sicher gibt es noch genug vom Festessen.< Sie werfen beide zeitgleich einen Blick aus dem Küchenfenster; die Dämmerung bricht gerade herein und auf dem Marktplatz würden sicher bald die Feuer entzündet werden. Teir wirft einen kurzen Blick auf Rialinn und diesmal ist es ein Lächeln, mit dem Cassandra antwortet. >Ich passe schon auf Rialinn auf und Ullmar ist ja auch noch da. Und wenn die Lady es für sicher hält, geht das schon in Ordnung.<

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 19. Aug. 2007, 14:34 Uhr
~ Am Morgen nach Inarianar ~


Die Sonne steht schon längst über dem Horizont, als Arúen den Weg von der Strandpforte hoch zum Haus nimmt, zwei hechelnde Hunde neben sich, deren Fell noch feucht ist von einem Abstecher in die Wasser des Ildorel, die dafür aber immerhin schon wieder den Dreck los sind, den sie sich zuvor bei ihrem ausgiebigen Spaziergang eingefangen hatten. Wie jeden Morgen seit ihrer Rückkehr aus Lomirion ist sie lange vor Sonnenaufgang aufgestanden, hatte die Morgenandacht im Tempel gehalten und war anschließend nach Vinyamar zurückgekehrt um dort mit Cassandra und dem Gesinde das Frühmahl, meist nur etwas Brot und Tee oder Dünnbier, einzunehmen. Da ihre Tochter noch den Schlaf der Gerechten schläft, hat sie kurzerhand die beiden Hunde zu sich gerufen und ist mit ihnen hinunter an den Ildorel gegangen. Das war vor zwei Stunden gewesen.
Jetzt ist sie zurück und Natie kommt ihr mit einigen Gänsen entgegen, die sie mit hochrotem Kopf zurück zum Gatter treibt. "Das sind die letzten," kommt es reichlich kleinlaut von dem Mädchen. Nur mühsam kann Arúen sich ein Schmunzeln verbeißen, und nickt bloß zur Antwort. Gestern abend hatte Natie das Gänsegatter wohl nicht richtig verriegelt. Und da Gänse entgegen der landläufigen Meinung alles andere als dumm sind, hat das liebe Federvieh die Gunst der nächtlichen Stunden genutzt um sich klammheimlich aus dem Gatter zu schleichen und Vinyamar zu erkunden. Eine Gans hatte die Nacht anscheinend direkt vor der Tür zur Küche verbracht - eigentlich schon an sich ein höchst leichtsinniges Unterfangen - und Muriel zu Fall gebracht, als die dann am frühen Morgen den Korb mit dem Feuerholz für die Küche hat auffüllen wollen. Immerhin hat sich das Mädchen nichts getan, der Korb kann leicht repariert werden, nur die Gans… Muriel als Sturzpolster zu dienen hat ihr nicht nur zwei gebrochene Flügel eingetragen. Fliehen kann es nicht mehr, und Ullmar beendet die Schmerzen des Tieres mit einem beherzten Griff und dreht dem Tier kurzerhand den Hals um. Woraufhin Cassandra nur trocken meint, eigentlich habe sie noch genug Fleisch in den Töpfen im Eiskeller.

Die Luft in der Küche kommt Arúen nach der kühlen Morgenbrise unten am See fast schon heiß auf dem Gesicht vor als sie durch die Tür zum Küchengarten ins Haus tritt. Cassandra steht alleine am Herd und widmet sich ihrem allmorgendlichen Küchenballett: Brot wird geschnitten und geröstet, Butter aus dem Keller findet ihren Platz auf dem Tisch, Tee wird gekocht und Milch für Rialinn und Muriel heiß gemacht, Töpfe mit goldenem Honig und dunkler Beerenmarmelade aus dem letzten Jahr finden ebenso ihren Weg auf den Tisch ein Viertel Käselaib, Würzschinken, und auf dem Herb blubbert bereits ein Topf mit frischem Dinkelbrei friedlich vor sich hin. Als nächste taucht Nuala auf, Rialinn an der Hand, die ausgeschlafen und putzmunter auf ihren Platz am Tisch klettert und vor sich hin plappert während die Magd deren Mutter dabei zur Hand geht, den Tisch für das Morgenmahl mit hölzernen Tellern, Löffeln und Schüsseln für den Brei und irdenen Bechern für den Tee zu decken. Die Hunde haben sich still auf ihren Platz am Ende des Tisches, neben Arúens Stuhl verzogen und warten. Nur einmal geben sie kurz Laut, als die Elbin die Näpfe zur Seite räumt, mit denen sie sonst gefüttert werden, dann aber keine Anstalten macht, diese auch zu füllen. Erst als alles auf Tisch steht, und sich das Gesinde von Vinyamar vollständig versammelt hat, bekommen auch die Hunde ihr Futter. Rohes Rindfleisch, vermischt mit geraspelten Möhren und gekochten Kartoffeln vom Vortag wandert in die bereitstehenden Näpfe, die Arúen dann an den gewohnten Platz der beiden Hündinnen stellt, ehe sie sich selber zu den anderen an den Tisch setzt. Die morgendliche Tafel ist fast vollständig, nur einer fehlt noch, wie sie feststellt. "Wo ist Teir? Hat ihn schon jemand gesehen, oder ruht er noch?" Arúens Blick wandert in die Runde, doch sie erntet allerseits nur Kopfschütteln und Schulterzucken. Als Ullmar aufstehen will, um den jungen Elben zu wecken, hält sie ihn allerdings mit einer sachten Geste zurück. "Lass ihn, Ullmar. Es ist spät geworden... oder früh," schmunzelt sie. "Je nachdem, wie man es sehen will." Bis auf die drei Kinder am Tisch versteht vermutlich jeder ihre Anspielung auf die Inarinacht. "Anständige Leute kommen ja auch im Hellen nach hause," kommt der trockene Kommentar Ullmars leise. Doch nicht so leise, dass nicht auch ihn alle verstanden hätten und in mehr oder minder breites Grinsen ausbrechen, in das hinein Muriel in ihrer kindlichen Unschuld fragt, was daran denn so lustig wäre. Cassandra dabei zuzusehen, wie sie versucht eine Erklärung dafür zu finden, die für ein zwölfjähriges Mädchen angemessen ist, ist der Ernsthaftigkeit am Tisch nicht wirklich zuträglich, und Arúen ist damit beschäftigt, Rialinn und Natie ihre Schüsseln mit Brei und Sahne zu füllen um sie davon abzulenken.

Es dauert nicht lange, dann heischt das Essen die volle Aufmerksamkeit aller am Tisch und es kommt für einige Zeit das auf, was Cassandra scherzhaft gerne auch als "gefräßige Stille" bezeichnet. Mit einem Auge immer bei ihrer Tochter, die mit ihren fast drei Jahren ihren Brei schon selbständig isst und ihn nur noch selten verkleckert widmet Arúen sich ihrem eigenen Frühstück und lässt ihre Gedanken zu der doch recht denkwürdigen Inarifeier am Vortag zurückwandern.
Gerade noch hatte sie Teir der Tischrunde vorgestellt, um sich im nächsten Augenblick mitten in den Vorbereitungen für eine höchst unerwartete Hochzeit mitten auf dem Marktplatz Talyras wiederzufinden. Denn die einen Augenblick zuvor von Arúen noch als abwesend beschriebene Diantha samt Lord Commander tauchten wie aus dem Boden gewachsen neben ihnen auf, grüßten kurz und erklärten im selben Atemzug, sie hätten noch etwas vor. Dieses Etwas, das sie Niniane mit leisen, eindringlichen Worten erklärten, und von dem die kleine Gesellschaft aus Elben und Normandern anfangs nur das Mienenspiel der Halbelbin mitbekam - das einen beeindruckenden Wechseln von alarmiert über völlig konsterniert bis zu einem breiten Grinsen durchlief. Und ihnen allen war anschließend auch ziemlich schnell klar geworden, dass hier zwei stehen, die sich jetzt und sofort und für den Rest ihres Lebens aneinander binden wollen. Kurz kam Durcheinander und hektische Sucherei auf, als Niniane erklärte, sie könne Diantha und Olyvar nicht vermählen, so lange die Braut nicht etwas Altes, etwas Geliehenes, etwas Blaues und etwas Neues tragen würde. Eine seltsame Sitte, von der Arúen noch nie gehört hatte, die für Niniane allerdings eine höchst vertraute zu sein schien, fast schon so etwas wie eine unabdingbare Voraussetzung. Aber schließlich hatten sie alles beisammen, Cron hatte Pergament, Tinte und Feder für den Ehekontrakt aufgetrieben und das Brautpaar nahm vor Niniane Aufstellung. Cron, Caewlin und Teir wurden kurzerhand zu Zeugen für Olyvar beordert, und mit Raven, Selket und Arúen nahmen die Frauen an Dianthas Seite Aufstellung. Ein kurzes Lächeln Ninianes hatte genügt, Arúen hatte die Halbelbin sie auch ohne jedes Wort verstanden. Ein kurzer Moment der Konzentration, eine sachte, tanzende Geste, und ein Bannkreis von zehn Schritt hatte sich rund um ihre Tafel gelegt, der all zu bierselige Festbesucher ebenso zurückhielt wie Drängler und Neugierige. Selbst die Musik der Spielleute und Barden vom Tanzboden war nur noch gedämpft zu hören gewesen, ganz so als beschirme sie das dichte Laub eines Walddickichts. Nach der Vermählung hatten die Brautleute die Glückwünsche von ihnen allen strahlend entgegen genommen und sich dann schleunigst auf einem von Cron wo auch immer besorgten Pferd aus dem Staub gemacht, nachdem Niniane ihnen versichert hatte, sie würde den Ehekontrakt aufsetzen und ihnen in die Steinfaust bringen lassen, nachdem sie alle als Zeugen unterschrieben hätten. Das zu erledigen hatte nicht lange gedauert ehe die Urkunde geschrieben und von ihnen allen als Zeugen gegengezeichnet worden war. Und dann hatte sich ihre Runde auch so nach und nach aufgelöst. Teir war einer der ersten gewesen, der sich verabschiedet hatte. Und soweit sie das mitbekommen hat, ist er tatsächlich erst im Hellen wieder auf Vinyamar eingetroffen.

Bei dem Gedanken, was wohl ihr Oheim zu dieser Sammlung von Unterschriften von Elben und Normandern auf der Eheurkunde des Lord Commanders sagen würde, muss Arúen auch jetzt noch schmunzeln. Es erinnert sie aber auch daran, dass sie Niniane versprochen hatte, sie im Laufe des Tages in ihrem Baum aufzusuchen. Ich bin ja gespannt, was es so Kompliziertes zu berichten gibt… Und was Soraya dort macht… also wenn sie nicht gerade die Nerven von Niniane und Cron überstrapaziert… Wie konnte Serassher überhaupt von den Briefen erfahren? Und was haben Caewlin und Raven mit der Sache zu tun? So ganz ist sie aus den Sätzen der Halbelbin am letzten Tag nicht schlau geworden, muss sie sich eingestehen. Teir wird sie Ninianes Bitte folgend nicht mit sich nehmen, aber sie hat vor Rialinn und die Hunde mitzunehmen, sie hat selten genug die Gelegenheit und die Zeit, mit ihrer Tochter einen Ausflug in den Wald zu machen. Ganz abgesehen davon, dass Rialinn jedes Mal vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen ist, wenn sie mit Shaerela eine gleichaltrige Spielkameradin hat.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 16. Sept. 2007, 13:17 Uhr
Der Morgen nach dem Inarifest


Teirs Miene, als er am frühen Morgen sandverkrustet nach Vinyamar zurückkehrt, spricht Bände. Kurz nachdem er Lady Arúen und ihre Freunde am Abend verlassen hatte, hatte er sich einer Gruppe junger Männer angeschlossen und eigentlich erinnert er sich nur noch an ihre Ankunft am Strand. Und daran, mit dröhnendem Schädel, dem Gefühl, dass irgendetwas kleines, pelziges in seinem Mund verendet ist und auf seinem eingeschlafenem Arm liegend am Strand aufgewacht zu sein. Allein. Er hatte sich mit dem unverändertem Inhalt seiner Geldkatze getröstet und war schließlich zum Anwesen aufgebrochen.
Als er das Haus durch die Hintertür betritt, ist das restliche Gesinde gerade erst beim aufstehen und er schafft es ungesehen in sein Zimmer. Teir lehnt sich gegen die Tür und schließt für einen Moment die Augen. Allerdings öffnet er sie rasch wieder, als er feststellt, dass er offensichtlich noch genug Alkohol im Blut hat, um in seinem Kopf für einen lustigen Reigen zu sorgen. Es dauert etwas, ehe sich das drehen und schlingern beruhigt hat, aber schließlich wagt er es, die Tür loszulassen und tritt weiter in den Raum hinein. Es ist hell in seinem Zimmer und als erstes zieht Teir die Vorhänge zu. Langsam und so vorsichtig, als balanciere er eine Schale mit Loa´s Öl auf dem Kopf, entkleidet er sich. Den Sand, der dabei aus seinen Kleidern auf den Boden fällt, ignoriert er fürs Erste. später, wenn ihm sein Körper wieder gehorcht, würde er Cassandra oder eine der Mägde um ein Kehrblech bitten.
Es dauert einige Augenblicke, ehe er sich auf der Bettkante sitzend dazu durchringen kann, sich hinzulegen. Und noch einmal so lange, ehe es ihm gelingt, die Augen zu schließen, ohne dass sich alles zu drehen beginnt.

Erst als die Runde am Frühstückstisch sich gerade auflöst, betrtitt Teir die Küche. Der Hunger hatten ihn aus seiner Trance gerissen und es ist ihm trotz des mittlerweile einsetzenden Kopfweh gelungen, sich zu waschen und zu kämmen, so dass er kein allzu erbärmliches Bild bietet. "Guten Morgen." Erst jetzt fällt ihm auf, wie heiser er ist und er räuspert sich vorsichtig. Sein Lächeln ist etwas gequält, als Cassandra ihm wortlos einen Becher Tee vor die Nase stellt. "Danke." Teir nippt vorsichtig an dem Tee und tauscht einen kurzen Blick mit Lady Arúen, die ihn mit einer Mischung aus Belustigung und Mitleid ansieht. >Fühlt ihr euch denn in der Lage für unsere morgendlichen Übungen?< Die Elbin gibt sich Mühe, ihre Stimme möglichst neutral zu halten, doch er kann den verdienten Spott dennoch hören. "Gebt mir zehn Minuten, Shadâna." Er nippt vorsichtig an seinem Tee und blickt Nuala dankbar an, als sie ihm zwei Scheiben trockenes Brot reicht. Etwas anderes würde er seinem Magen, auch wenn dieser laut knurrt, momentan eher doch nicht zutrauen. Arúen nickt und geht, um sich umzuziehen. Teir isst sein Brot sehr langsam, nippt zwischendurch immer wieder an seinem Tee und fühlt sich, als er fertig ist, beinahe in der Lage ihre morgendlichen Waffenübungen durchzustehen.

Die langen Übungsstecken prallen mit lautem Krachen aufeinander und die Wucht des Aufpralls zuckt ihm bis in die Schultern, den Nacken und den lädierten Schädel hinauf. Lady Arúen schenkt ihm nichts, aber das hatte er auch nicht erwartet. Mit einem Ausfallschritt und einer raschen Drehung hat sie ihn dann auch entwaffnet. Der Stab rollt durch das Gras und er schaut ihm einen Augenblick verwirrt nach, ehe er Arúen grinsend zunickt. "Das war wirklich gut." Während sie ihm im Schwertkampf noch einige Kniffe beibringen kann, ist es beim Speerkampf an ihm, ihr etwas beizubringen. Er wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn; die Sonne sorgt schon jetzt, am Vormittag für angenehm warme Temperaturen und die Bewegung tut ihr übriges. Arúen geht zu seinem Speer hinüber und schnellt ihn mithilfe ihres eigenen Steckens in die Luft, so dass er ihn auffangen kann. Diesen kleinen Trick hatte er ihr gleich als erstes zeigen müssen und mittlerweile beherrscht sie ihn schon sehr gut. Sie stützt sich grinsend auf ihren Stab und genießt ihren heutigen Erfolg. Sie hatte, bevor sie mit ihren Übungen begonnen hatten, noch nie mit dem Speer gekämpft und so hatten sie ganz von vorn begonnen. "Wollt wir es für heute belassen? Ich habe die Angst, heute kein besser Gegner zu sein." Die Ablenkung durch den Übungskampf hatte ihn sein Unwohlsein vergessen lassen, aber jetzt kehrt es mit unveränderter Wucht zurück. Er stützt sich erschöpft auf den Stecken und verflucht im Stillen ihre Abmachung, nur die Gemeinsprache zu nutzen, damit er seine Kenntnisse darin rascher verbessern und festigen kann. Doch in seinem erschöpften Zustand fällt es ihm schwer, sich an die richtigen Worte zu erinnern.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 17. Sept. 2007, 06:59 Uhr

Bitte nicht wundern, die Bewohner Vinyamars leiden nicht unter gespaltenen Persönlichkeiten. Es gibt hier nur einen kleinen Bruch im Raum-Zeit-Kontinuum  ;)  
Oder anders gesagt, zur Zeit gibt es zwei Zeitlinien im Ulmenanwesen.

Vinyamar an sich und seine Bewohner befindet sich intime, aktuell also im September. Daneben existiert eine "Zeitblase" mit Arúen und Teir, die sich noch am 1.Mai befinden.



Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 17. Sept. 2007, 07:01 Uhr
~ Von Inari bis in den Erntemond ~



Dem Fest zu Ehren Inaris folgen Tage voller sachter Grünglanzwärme und einer Apfelblüte die den Garten Vinyamars erst mit Wolken zarter Blüten überspannt und dann mit einem Teppich fallender Blütenblätter bedeckt. Dem Grünglanz folgen Goldschein und Sonnenthron auf dem Fuß und bringt mit sich den Auftakt der Erntearbeiten. Den Anfang machen Erdbeeren und Frühkirschen, und was nicht sofort auf dem Tisch oder im Ansatz für den alljährlichen Rumtopf landet, wird zu Marmelade gekocht, zu Saft verarbeitet oder gedörrt. Blaubeeren, Johannisbeeren und Himbeeren folgen ohne Pause, und der Ofen in der Küche scheint nach tagelangem Einkochen schier das Glühen anzufangen.
Und auf dem Höhepunkt der Marmeladenkocherei geschieht das Unfassbare: Cassandra fällt aus. Beim Ernten der Kirschen passt sie einmal nicht richtig auf, tritt auf der Leiter neben die Sprosse und es kommt, was kommen muss: Sie stürzt samt des vollen Korbes von der Leiter. Und da Kirschen nicht wirklich als Landepolster dienen, bricht sie sich zu allem Überfluss auch noch das Bein. Lady Arúen ist wie jeden Tag im Tempel als es passiert, Maestress Morgana, die ja nur zwei Grundstücke weiter ihr Heim hat, weilt soweit man hört nicht in der Stadt. Und so schickt Ullmar seinen Neffen mit dem Pferd zum Faêyristempel um eine der dortigen Heilerinnen zu holen, nachdem er Cassandra alles andere als schmerzfrei aus dem Garten in ihre Kammer gebracht hat. Es dauert nicht lange, bis Gerion mit einem der Heiler erscheint, auch wenn es Cassandra wie eine Ewigkeit vorkommt. Ihr Bein tut entsetzlich weh. Und obwohl der Priester mehr als behutsam vorgeht als er den Knochen abtastet, hat sie doch das Gefühl, er würde ihr das Bein erneut brechen. Die Knochen hätten sich durch den Sturz gegeneinander verschoben erklärt er ihr, er müsse sie erst wieder in die rechte Lage bringen, ehe er ihr das Bein schienen kann. Wenn er das nicht täte, würde sie nie wieder richtig laufen können. Schicksalsergeben willigt sie also ein. Aber nur der feste Griff Ullmars verhindert, dass sie bei der mehr als schmerzhaften Prozedur mit dem Kerzenleuchter nach dem Priester wirft. Das Bein wird anschließend geschient und ihr für einen Siebentag strikte Bettruhe verordnet, damit sich die Knochen nicht wieder verschieben. Was schlimmer ist, die Schmerzen oder die zwangsverordnete Untätigkeit, darüber grübelt sie noch Tage später.

Vor allem deswegen, weil sich in der Küche ohne die Herrin der Töpfe und Pfannen einen Siebentagspäter auch schon die nächste Katastrophe anbahnt. Keine der Frauen im Haus hat das Geschick der Obersten Magd, wenn es darum geht in einem halben Dutzend Töpfe gleichzeitig Marmelade und Gelee zu kochen. Und es unter den Argusaugen einer ob ihrer erzwungenen Untätigkeit unleidigen Obersten Magd tun zu müssen, wirkt sich auch nicht gerade förderlich auf das Nervenkostüm der Mägde aus. (Etwas, das Cassandra aber nie im Leben eingestehen würde.) Und so kommt, was kommen muss: Erst kocht ein Topf über, dann der nächste, und im übernächsten Augenblick meinen alle Töpfe gleichzeitig explodieren zu müssen. Halbfertige rote Marmelade verteilt sich mit mehr oder weniger gleichmäßigen Sprenkeln über die ganze Küche, kein Schrank, kein Topf oder Kessel ist verschont geblieben. Auch Nuala und Cassandra haben ihren Teil davon abbekommen. Den Rest des Tages verbringen die Mädchen unter den wachsamen Augen Cassandras damit, die Küche wieder zu säubern. Aber auch diese Katastrophe wird überlebt und im Anschluss an diese ungeplante Putzeinlage kocht auch kein Topf mehr über, ganz gleich was Markt und Garten an Nachschub für die Vorräte liefern. Und sobald Cassandra zumindest wieder soweit auf beiden Beinen ist, dass sie wenigstens stundenweise und mit der Unterstützung eines der Mädchen in ihrem Küchenreich schalten und walten kann (was ihre Laune auch gleich um einiges hebt), geht das ganze gleich noch mal so schnell. Obst, Gemüse, Kräuter, Pilze, die Keller unter dem Ulmenanwesen füllen sich langsam aber stetig mit süßen und pikanten Marmeladen, Würzpasten, Mus, Gelee, Trockenfrüchten und Dörrgemüse, Flaschen und Amphoren mit Saft, mit Gläsern und Krügen voller Eingekochtem und Eingemachtem. Es werden nicht nur Kräuter in Öl und Essig angesetzt, als die Himbeeren reif sind, finden auch von ihnen einige den Weg in Essigflaschen. Alles wird feinsäuberlich verschlossen, mit Wachs versiegelt und ordentlich beschriftet.

Rialinn ist, sofern sie nicht ihre Mutter in den Tempel begleitet, den ganzen Tag über immer in der Nähe Naties zu finden - und unter den wachsamen Augen der beiden Hündinnen. Und egal, wann man sie sieht, haben die beiden Mädchen entweder ein Stück Feuermelone in der Hand, einige Erdbeeren oder Stachelbeeren oder was sonst gerade an dem Tag auf dem Ernteprogramm steht. Es gibt Tage, an denen die Mägde sich beschweren, die beiden würden ihnen die Früchte schneller aus den Körben naschen, als sie sie ernten können.

In der Hitze des Sommers folgt der Beerenreif, und mit ihm die Getreideernte. Das Jahr hat bisher immer zur rechten Zeit die rechte Menge an Regen und Sonne gebracht, und so steht das Korn in diesem Jahr hoch und reich auf den Feldern. Knechte und Mägde sind tagaus tagein am Weidenhag, Strich um Strich arbeiten sich die Sensen über die Felder und Garbe um Garbe wird gebunden. Doch das Pech scheint sich ungeachtet der guten Ernte in diesem Jahr häuslich auf dem Ulmenanwesen einrichten zu wollen. Die Getreideernte ist noch nicht einmal zur Hälfte erledigt, als einer der Knechte bei Nacht und Nebel verschwindet und zu allem Überfluss auch noch die kleine braune Stute mitnimmt. Cassandra tobt, als am nächsten Morgen erst das Verschwinden des Knechtes und dann auch noch der Pferdediebstahl bemerkt werden. Lady Arúen ist zwar in ihrer Reaktion und Wortwahl deutlich beherrschter, aber nicht weniger wütend als die Oberste Magd von Vinyamar. Auch wenn die Elbin wenig Hoffnung darin setzt, macht sie an diesem Tag auf dem Weg in den Tempel doch einen Umweg über die Steinfaust um dort den Pferdedieb zur Anzeige zu bringen. Und die Wachsamkeit, mit der der junge Elbenritter und die Hunde immer in der Nähe von Lady Arúen und ihrer Tochter sind, nimmt nach diesem Tag noch zu.
Das Paar Hände fehlt in der Ernte an allen Ecken und Enden, und so schnell Ersatz aufzutreiben scheint trotz eines Aushangs am Marktplatz fast unmöglich. Nicht einmal einen Tagelöhner als Schnitter für die Ernte können sie in Dienst nehmen. Teir, der in dieser Situation kurzerhand mit der Sense angelernt wird, ist zwar durchaus eine Hilfe, aber eben doch kein vollwertiger Ersatz für einen erfahrenen Knecht. Ganz abgesehen davon, dass die Lady es obendrein dem jungen Ritter überlassen hat, im Bach am Weidenhag regelmäßig Forellen und Krebse zu fangen und er eigentlich auch für die Sicherheit der Elbin und ihrer Tochter verantwortlich ist. Und so muss Cassandra, die ihr Bein noch immer nicht wieder ohne Schmerzen belasten kann für die Arbeit im und am Haus auch noch auf Natie und Nuala verzichten, die auf den Feldern noch dringender gebraucht werden als in Haus und Garten.

Unter anderen Umständen hätte vermutlich die Herrin von Vinyamar kurzerhand das Szepter im Haus ergriffen und die anfallenden Arbeiten im Garten und auf den Hausfeldern erledigt. Doch ihre Aufgaben und Pflichten im Tempel lassen der Elbin keine Zeit dafür. Hilfe muss her, unbedingt. Und so wird ein neuer Aushang für die Anschlagtafel am Marktplatz verfasst, in dem nicht nur nach Knechten und Mägden gesucht wird, sondern auch nach einer Hilfe für den Garten.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 20. Sept. 2007, 18:55 Uhr
~ Die Zeitblase: Der Morgen des 1. Inar ~



So ganz kann Arúen den Spott nicht aus ihrer Stimme heraus halten, als sie Teir fragt, ob er sich an diesem Morgen zu ihren üblichen Übungsstunden im Stande sieht. Die Folgen der vergangenen Nacht sind dem jungen Elben aber auch einfach zu leicht anzusehen. Und die Dankbarkeit mit der er heißen Tee und trockenes Brot anstatt eines reichhaltigeren Morgenmahls annimmt sprechen für sich. Aber ganz offensichtlich haben die Vorhaltungen von Therlas in Lomirion (Wer feiern könne, könne auch seinen Dienst tun) sich auch bei ihm festgesetzt. Mit einem stummen Nicken quittiert sie seine Worte, er bräuchte zehn Minuten, dann sei er soweit, und verschwindet dann in ihren Räumen um sich umzukleiden. Wobei, wirklich umziehen tut sie sich nicht, Hosen, Hemd und Stiefel trägt sie ja schon. Aber Teir hatte vom ersten Tag an darauf bestanden, dass sie auch (oder gerade) in den Übungsstunden immer ein wattiertes Wams sowie Arm- und Beinschienen aus gehärtetem Leder trägt. Und sie trägt auch so noch immer wieder mal Prellungen davon, die hinterher tagelang in allen Farben des Regenbogens schillern. Sie lässt sich absichtlich ein wenig mehr als die vereinbarten zehn Minuten Zeit und lässt die Hunde bei Rialinn, ehe sie das Haus verlässt und im Garten auf den Elben trifft.

Wie beinahe jeden Morgen beginnen sie die Übungen mit langsamen, einfachen Bewegungsabläufen um Muskeln und Gelenke aufzuwärmen und auf das Eigentliche vorzubereiten. Arúen kann sich noch gut daran erinnern, wie Teir einige Wochen nach ihrer Ankunft in Talyra bei ihr erschienen war und sie gefragt hatte, ob sie eventuell, möglicherweise ab und an ein wenig Zeit für ihn erübrigen könnte. Nicht viel, und auch nicht jeden Tag, aber es gäbe auf Vinyamar außer ihnen beiden niemanden, der ein Schwert führen könne. Und immer nur mit dem eigenen Schatten zu üben, würde sich gewiss nicht förderlich auf seine Fertigkeiten auswirken. Auf ihren Hinweis, dass sie mit dem Schwert gewiss keine Meisterin sei, hatte er nur erwidert, dass er sich darüber kein Urteil anmaßen würde. Aber nachdem, was er in Lomirion auf dem Waffenhof gesehen habe, könne er von ihr auf jeden Fall noch etwas lernen. Arúen hatte nach diesen Worten nur noch kurz mit ihrer Zustimmung gezögert, immerhin würde es ihr auch nicht schaden, wenn sie in Übung bliebe. Allerdings hatte sie sich ausbedungen, dass Teir sie dafür im Kampf mit Stab und Speer unterweisen würde. Sie hatte ihn zwar nie selber dabei gesehen, aber nach Einschätzung ihres Bruders und auch Therlas' hatte der junge Ritter ein natürliches Talent für diese beiden Stabwaffen, dass ihn zu einem höchst ernst zu nehmenden Gegner machte. Die ersten Stunden hatten sich allerdings als reichlich… angestrengt… erwiesen. Natürliches Talent für den Umgang mit solchen Waffen ist eine Sache, genau das jemand anderem zu erklären und beizubringen ist etwas ganz anderes. Vor allem dann, wenn man sich bei Haltungsfehlern der Schülerin nicht traut, diejenige zu berühren um zu korrigieren, sondern sich auf Worte beschränkt. Derlei unnötige Berührungsängste hatte er allerdings bald abgelegt. Im Gegensatz zu der Angewohnheit, sie mit dem Ehrentitel Shadâna anzureden. Ihm das abzugewöhnen hat sie allerdings unterdessen aufgegeben, da alle dahingehenden Worte an ihm regelrecht abzuprallen scheinen.

Einen Vorteil, wenn man das denn so nennen will, hat Teirs schlechte Verfassung an diesem Morgen jedoch: Arúen kommt zu einem ihrer seltenen Erfolgserlebnisse, denn es gelingt ihr, Teir zu entwaffnen. Sein Lob ist keine Schmeichelei, sondern die schlichte Anerkennung ihrer Leistung, und sie kann ihr höchst zufriedenes Lächeln nicht verbergen. "Wollen wir es für heute belassen," korrigiert sie den Elben mit einem fast schon mitleidigen Lächeln. Vermutlich hat er seinen Entschluss, sich nur der Allgemeinsprache zu bedienen damit er schneller lernt, noch nie so bereut wie an diesem Morgen. "Und entweder heißt es 'Ich habe Angst', ohne das 'die', oder Ihr formuliert es ganz anders: 'Ich fürchte', heute kein besserer Gegner zu sein.'" Jetzt liegt in ihrem Lächeln tatsächlich Mitleid, vor allem als der Elb sich an seinem Stecken abstützt und ein Gesicht macht, als würde er jeden Augenblick erneute Bekanntschaft mit seinem Frühstück machen. Was sie allerdings nicht im Geringsten davon abhält, ihn ob seiner verkaterten Verfassung ein wenig aufzuziehen. "Wie sieht es aus, Teir? Wonach steht Euch eher der Sinn: Einen schönen kleinen Ausdauerlauf am Seeufer bis hoch zum Smaragdstrand, intensive Übungen zu Pferde oder wollt ihr doch lieber mit den Bogen auf Ziele gegen die Sonne üben?" Ihr Gesicht, ihre Stimme, nichts lässt darauf schließen, dass die Elbin ihre Vorschläge nicht absolut ernst meinen könnte. Als Teir seine Verzweiflung ob dieser Aussichten nur schwer verbergen kann, huschen allerdings für die Dauer eines Herzschlags spöttische Funken durch ihre Augen. "Falls es Euch allerdings derart schlecht geht, sollte ich Euch vielleicht doch besser Cassandras fürsorglicher Pflege überlassen." Ihr Blick ist die reine Unschuld, und irgendwie schafft sie es sogar, echte Sorge in ihre Stimme zu legen. Auch wenn es sie schier ihre ganze Selbstbeherrschung kostet, angesichts Teirs Reaktion auf diesen letzten "Vorschlag".


Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Coben am 02. Okt. 2007, 01:21 Uhr
Laut gähnend streckt Coben sich im Sattel, was Relaro Anlass zu einem kurzen Schnauben gibt, das jeder normale Mensch glatt überhört hätte, dem Gärtner des TianAnmen aber unendlich verächtlich erscheint. Welcher Dämon hat ihn bloß geritten, so früh das Bett zu verlassen? Das Praiosrad steht erst seit knapp einer Stunde am Himmel, und auch wenn der Herbst in Talyra mild ist, fröstelt den Halbelben an diesem Morgen doch. Oh ja, das Leben in der Stadt hat dich weich gemacht. Seufzend zieht er die Kapuze des nussbraunen Umhangs aus gewalkter Wolle, den zu nähen er Maria überredet hatte, tiefer ins Gesicht, um der frischen Luft wenigstens teilweise zu entgehen. Er muss sich dazu zwingen, nicht vom Pferd zu steigen und ein Zimmer samt warmem Bett zu nehmen, als er an der Harfe vorbeireitet. Vorgestern erst war ihm der Anschlag am neu gepflanzten Baum am Marktplatz aufgefallen und die Entscheidung war ihm nicht schwer gefallen – im Anmen gab es in diesen Tagen kaum noch genug zu tun, um den Gärtner länger als einen Vormittag zu beschäftigen und seit Core und Nearah sich mit dem Jungen des Schmieds schräg gegenüber des Anwesens angefreundet haben, sieht er auch sie tagsüber nur noch ab und an. Was also sollte ihn daran hindern sich in Vinyamar ein paar Münzen dazu zu verdienen? Wenn sie dort überhaupt einen Gärtner wollten und nicht viel mehr auf einen dümmlichen Burschen aus dem Umland warteten, der half Rüben zu ernten und Äcker umzugraben. Der Halbelb erschrickt vor der eigenen Arroganz, die er in der Zeit als Festangestellter offensichtlich entwickelt hat und spielt kurz mit dem Gedanken den feinen Wollsurkot, die Halblederhose und Kanas Stiefel einfach wegzuwerfen und genauso abgerissen auf dem Ulmenanwesen zu erscheinen, wie er damals im Anmen aufgetaucht war. Aber das würde wohl keinen besonders guten Eindruck machen. Und schließlich hat er sich viel zu früh aus den Federn gequält, um mehr Arbeit zu finden, nicht um einen sinnlosen Kampf gegen seine eigene Verweichlichung zu führen. Er lächelt schal. Vielleicht sollte er einfach hinaus auf die Felder reiten und irgendeinem Bauern seine Hilfe aufzwingen. Ja, das wäre eine gute Idee. Er würde Amy und Maria nach einem besonders willensschwachen Landwirt fragen. Vermutlich würden sie ihn an einen jähzornigen Keiler mit besonders scharfer Mistgabel vermitteln.
Verwundert bemerkt der Halbelb einen Wimpernschlag später, dass er sich bereits vor dem Tor des Anwesens befindet, wie es ihm auf dem Marktplatz beschrieben wurde, und interessiert sieht er sich um. Wunderbar, dass ich den halben Weg verträumt habe. Wenigstens hat Relaro einen guten Tag und hat darauf verzichtet mich nach Liedberg oder Verd getragen. Wie auch immer, ein wenig harte Arbeit würde ihm den Kopf schon wieder frei blasen. Und wenn nicht gab es ja immer noch den Alkohol, dessen Gedanken klärende Wirkung ihn immer wieder aufs Neue überrascht. Zu seiner Linken und Rechten streckt sich eine hohe Mauer aus hellem Stein, die aufgrund des wilden Bewuchses ihrer Krone sofort gefällt. Auch wenn sie jetzt im Erntemond wohl weit weniger lebendig wirkt, hat sie doch nicht ganz dieses ausgeprägt statisch Tote und Bezwängende, das die meisten Mauern in dieser Stadt unweigerlich mit sich bringen. Auch die Tatsache, dass Vinyamars Herren ganz offensichtlich auf ein Tor verzichtet und stattdessen weitaus eindrucksvollere Ulmen als Hofwächter gepflanzt haben, imponiert ihm. Wenn man den Pflanzen im Garten auch nur halb so viel Zuwendung schenkt, wie denen auf der Mauer, bin ich hier wohl reichlich überflüssig. Gewandt gleitet Coben vom Rücken des Rapphengstes und greift nach dessen Zügeln. "Nun – dann wollen wir mal sehen ob die Bewohner dieses Hauses so freundlich sind wie ihre Mauer es uns zu verstehen geben möchte."
Während er, Relaro im Schlepptau, den hellen Kiesweg hinunter geht, ist dem Halbelben als wäre er in eine Welt geraten, die nur aus Garten besteht – überall um ihn herum scheinen Pflanzen zu sein, deren bräunlichen Grün- und Goldtöne sie wohlmöglich jetzt im Herbst noch schöner machen als im blühenden Sommer, fast vergisst er die ebenfalls bepflanzte Mauer als Grenze wahrzunehmen. Und auch das Haus selbst scheint mehr ein Gewächs, denn aus Stein erbaut, winden sich doch unzählige Pflanzen an den Mauern empor. Der Gärtner bleibt stehen und betrachtet eine Weile den Garten, mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist er angenehm überrascht, dass es sich nicht um einen geometrisch und streng angelegten Park handelt, wie er es bei einem Anwesen dieser Größe erwartet hätte und ist ganz von der Harmonie befangen, die wohl jeden befällt der das Grundstück betritt, andererseits – wofür sollte man wohl hier jemanden für den Garten brauchen?
Seufzend legt er die letzten paar Schritte zum kleinen Platz vor dem Haus zurück und steckt gerade in angestrengten Überlegungen, ob er klopfen oder sich einfach umdrehen und ins Anmen zurückkehren solle, als eine junge Frau – dem Aussehen nach eine Hausmagd ildorischer Abstammung – aus der dunklen Tür tritt, beinahe gegen ihn läuft und ihn desinteressiert, wenn auch nicht unfreundlich, mustert. Coben nickt ihr kurz zu. "Guten Morgen. Ich komme wegen dem Aushang an der Anschlagtafel. Vielleicht kannst du mir sagen wie ich …" Ja, wen eigentlich? "irgendjemanden finde, der etwas damit zu tun haben könnte." Er schenkt ihr ein unverbindliches Lächeln und hofft kurz, dass sie ihm nicht im nächsten Moment mitteilt, dass sich bereits ein Dutzend Gartenknechte in Vinyamar eingefunden haben.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 03. Okt. 2007, 09:50 Uhr
Shenrahs Auge steht schon seit einer guten Stunde über dem Horizont, und die Bewohner Vinyamars haben ihr gewohntes Tagwerk längst aufgenommen. Ullmar ist gleich nach dem Morgenmahl mit den zwei verbliebenen Knechten aufgebrochen, um die Felder am Weidenhag für die Aussaat des Wintergetreides vorzubereiten. Natie ist mit den Enten und Gänsen wie fast jeden Tag unten am Ildorel und Muriel passt auf Rialinn auf, während Nuala und Daira eifrig eimerweise heißes Wasser für den heutigen großen Waschtag schleppen (und Helma schon jetzt darum beneiden, dass die an der zwar kühlen aber immerhin frischen Luft sein kann und zum Pilze sammeln in das Larisgrün abkommandiert ist).
Cassandra selber steht in der Küche und ist dabei, neben den Vorbereitungen für das Mittagessen die Bohnen zu putzen, die die Mädchen am Vortag geerntet haben, und die nun für den Vorrat eingekocht werden sollen. Jedes Mal, wenn ihr Blick zwischendurch aus dem Fenster und in den Garten fällt, zeigt sich eine steile Unmutsfalte auf ihrer Stirn. Eigentlich müsste im Garten dringend gejätet werden, auch im Küchengarten. Und die Blumenzwiebeln müssen bald gesetzt werden. Und… Mit einem Seufzen unterbricht sie ihre eigenen Gedanken. Es gäbe so vielen, was im Garten zu tun wäre, aber ihnen fehlt noch immer ein Knecht, und sie selber kann es auch nicht übernehmen. Nicht nur, dass sie in Haus und Küche genug zu tun hat. Das Bein, das sie sich im Sommer gebrochen hat, ist zwar wieder zusammengewachsen, aber an Tagen wie diesem, wenn das Wetter feucht und kalt ist, hat sie noch immer Schmerzen. Etwas, das sie aber wohlweißlich vor ihrer Herrin verschweigt. Einmal hatte sie es nicht getan, und war prompt mit zwei Tagen Ruhe 'bestraft' worden - und der Drohung, sollte sie nicht freiwillig das Bein hochlegen und Ruhe walten lassen, würde die Elbin sie mit einem Bindezauber ans Bett fesseln. Und das war nicht bloß eine leere Drohung gewesen, das hatte der Tonfall von Lady Arúen mehr als deutlich gemacht. Also hat sie seitdem an solchen Tagen die Zähne zusammengebissen und es niemandem erzählt, wenn das Bein wieder schmerzt. Aber es stellt sich ihr schon die Frage, warum sich auf den Aushang am Marktplatz auch dieses Mal niemand meldet. Dabei bräuchten wir so dringend Hilfe im Haus und auf den Feldern. Oder wenigstens jemanden, der sich um den Garten kümmert.

Helma taucht noch einmal kurz in der Küche auf, um sich das Leinenbündel mit Brot und Käse zu holen, und macht sich dann auf den Weg ins Larisgrün. Weit kommt sie allerdings nicht. Kaum, dass sie durch die Haustür getreten ist, sieht sie sich einem Halbelben gegenüber, der ein Pferd am Zügel führt und dem Haus einen recht unschlüssigen Blick zuwirft. Den Mann kennt sie nicht, er ist weder einer Der Pächter der Elbin, noch gehört er zu den Bauern oder Händlern, die öfter etwas anliefern - und dann stünde er ohnehin nicht hier vor dem Haus, sondern wäre gleich zur Küchenpforte gekommen. Und das Pferd, das er führt, sieht teuer und edel aus. Ehe sie sich aber noch von ihren Überlegungen ganz lösen kann, kommt der Fremde ihr zuvor und erklärt nach einem höflichen Gruß, dass er wegen des Aushangs am Markt käme und wissen möchte, an wen er sich deswegen wenden könne. Den Gedanken, dass er nun aber so gar nicht wie jemand aussähe, der sich als Knecht verdingen wolle, behält Helma für sich. "Die Lady ist nicht im Hause. Aber Cassandra, die Oberste Magd ist da. Kommt, ich bringe euch zu ihr." Mit einer knappen Geste bedeutet sie dem Halbelben ihr zu folgen und führt ihn um das Haus herum zur Küchenpforte. Gerion, der gerade dabei ist, den Stall auszumisten stellt die Karre zur Seite und kommt ihnen entgegen, um sich des Pferdes anzunehmen. "Guten Morgen!" Ein leichtes Neigen des Kopfes begleitet den Gruß. Er hat keine Ahnung, wer dieser Halbelb ist, aber er ist gut gekleidet und das Pferd ist alles andere als eine billige Mähre, ganz abgesehen davon kann es nie schaden, höflich zu sein. "Wenn es recht ist, nehme ich Euer Pferd und bringe es zum Stall." Die Hand hat der Junge bereits ein wenig ausgestreckt. Zum einen, um den Zügel übernehmen zu können, zum anderen aber auch, damit das Pferd seine Witterung aufnehmen kann, was es auch mit leicht geblähten Nüstern, einem leisen Schnauben und neugierig nach vorne spielenden Ohren tut.

Helma hat unterdessen ihren Korb auf einem Brennholzstapel abgesetzt und die Tür zur Küche geöffnet. "Cassandra? Hier ist jemand wegen dem Aushang am Marktplatz."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 09. Okt. 2007, 21:56 Uhr
Der Morgen des 1. Inar


Er wischt sich mit dem Hemdsärmel über die Stirn und nickt zu Arúens Verbesserungen. Wollen wir es für heute belassen. Ich fürchte, heute kein besserer Gegner zu sein. Irgendwann schaffe ich es vielleicht auch, einen Satz korrekt auszusprechen. Er kann sich gerade noch davon abhalten, die Augen über sich selbst zu verdrehen, als Arúen fortfährt. >Wie sieht es aus, Teir? Wonach steht Euch eher der Sinn: Einen schönen kleinen Ausdauerlauf am Seeufer bis hoch zum Smaragdstrand, intensive Übungen zu Pferde oder wollt ihr doch lieber mit den Bogen auf Ziele gegen die Sonne üben?< Teir holt mit einem leisen Zischen Luft und verzieht das Gesicht ungewollt zu einer Leidensmiene. Er will schon etwas erwidern, als die Elbin ihm vorschlägt, sich vielleicht doch eher in Cassandras Obhut zu begeben und er sich an seinem eigenen Atem verschluckt. Gerade rechtzeitig erkennt er den Anflug von Spott in Arúens Blick, ehe er zu einer Antwort ansetzt. "Ah. Wisst ihr, Leibesübungen ist vielleicht doch nicht verkehrt und es wäre mir eine Freude Euch dabei behilflich zu sein. Aber ich fürchte, Euch fehlt die Zeit, Shadâna." Teir sieht mit einem verschmitzten Grinsen zu shenrahs Antlitz auf, welches ein gutes Stück gewandert ist. Der Elb hebt die Schultern in einer hilflosen Geste, während Arúen seinem Blick folgt. "Ich glaube, Ihr wolltet Shu´ra Niniane besuchen, nicht wahr?" Die Elbin nickt mit einem wissenden Lächeln und sie machen sich daran, die Übungsstecken weg zu räumen.

Nachdem Arúen am Nachmittag, gemeinsam mit Rialinn und den beiden Hündinnen das Ulmenanwesen verlassen hat, zieht Teir sich in das Schreibzimmer im oberen Stockwerk zurück. Er hat zwar in seinem Zimmer die Möglichkeit, zu schreiben, aber die ruhige Atmosphäre hilft ihm immer, sich zu konzentrieren. Zuerst fügt er dem immer länger werdenden Brief an seine Eltern einen weiteren Absatz hinzu, in dem er ihnen vom gestrigen Inarifest erzählt. Dabei hält er sich eher an die Beschreibung des Festplatzes, des Umzuges und der folgenden Segnung; die buntgemischte Gruppe an der Festtafel und den weiteren Verlauf des Abends lässt er jedoch wohlweislich aus. Ich kann mich ja sowieso an nicht mehr viel erinnern. Bei diesem Gedanken schleicht sich ein schiefes Grinsen auf seine Lippen, während er den Pergamentbogen glatt streicht und ihn mit Löschsand bestreut. Er überfliegt das eben geschriebene noch einmal, ehe er den Bogen in eine einfache Ledermappe zurücklegt und diese in eine der Schubladen des Schreibtisches legt.
Teir schließt die Augen mit einem leisen Seufzen und streicht sich mit der flachen Hand über das Gesicht. Sein Magen knurrt und der junge Elb verdreht grinsend die Augen; er fühlt sich bei weitem nicht mehr so schlecht, wie am Morgen, aber eine Mahlzeit traut er seinem lädierten Magen doch noch nicht zu. Stattdessen nimmt er sich einen dicken Lederfolianten aus einem der Regale, setzt sich an den Schreibtisch zurück und versucht, sich auf den in der Allgemeinsprache gehaltenen Text zu konzentrieren. Lange will es ihm jedoch nicht gelingen, sich sinnvoll mit dem Buch zu beschäftigen und so legt er es sorgfältig in das Regal zurück. Einen Augenblick bleibt Teir vor dem Regal stehen und betrachtet die verschiedenen Bücher, doch dann hält es ihn nicht mehr im Inneren des Hauses.

Sein Weg führt ihn in den Stall, wo ihn Nannar mit einem Wiehern begrüßt. Er schiebt die neugierig über die Boxentür gestreckte Nase beiseite, öffnet die Tür und tritt, leise schnalzend in die Box. Die Stute schnuppert an seinen Händen und Teir enttäuscht das Pferd nicht. Knirschend verschwindet ein kleiner Apfel im Pferdemaul, während der Elb das Halfter vom Haken nimmt und es der Stute überzieht. "Komm, min Nar, lass uns ein wenig frische Luft schnappen." Mit langen Strichen bürstet der Elb den Staub aus dem Fell des Rappschimmels bis es glänzt. Er will nur langsam und gemütlich über den Strand reiten und so belässt er es bei dem einfachen Zaumzeug und schwingt sich auf den ungesattelten Rücken Nannars.
Die Stute schreitet am langen Zügel über den Sand und Teir genießt die gleichmäßigen Bewegungen und diesen freien Nachmittag. Auch wenn ich schlecht auf Shadâna Arúen aufpassen kann, wenn ich am anderen Ende der Stadt bin. Sein Blick gleitet in Richtung des Smaragdstrandes, aber er schiebt diesen Gedanken beiseite. Wo sollte sie sicherer sein als bei Shu´ra Niniane. Nannar lässt sich nicht lange bitten, als er sie mit einem Schnalzen zum Trab auffordert, doch die Erschütterung ist zuviel für seinen malträtierten Schädel und so zügelt er die Stute recht schnell wieder. "Verzeih, min Nar, aber das ist heute wohl keine gute Idee." Nannar schnaubt, als würde sie ihm zustimmen und er klopft ihr lachend den Hals. "Jaja, lach du nur."
Es ist bereits später Nachmittag, als Teir und Nannar zum Ulmenanwesen zurückkehren; sie hatten den Strandausflug noch auf das Hafenviertel ausgedehnt. Teir bringt die Stute in den Stall, wo er sie mit einem Arm voll Heu und einem Eimer Wasser ihrem Feierabend überlässt.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 25. Nov. 2007, 10:59 Uhr
~ noch Anfang Blätterfall ~



Wenn Cassandra sich bei der Ankündigung Helmas Hoffnungen gemacht hat, dass sich hier jetzt endlich die lang erhoffte Unterstützung für die Arbeit im Garten und auf den Hausfeldern findet, dann ist es vergebene Hoffnung gewesen. Das Pferd, das eben noch friedlich in Gerions ausgestreckte Hand geschnaubt hat, wirft erschreckt den Kopf hoch, als das laut trompetende Wiehern Shurs vom Stall herüber tönt. Der Hengst der Hausherrin ist zum Putzen an der Stallmauer angebunden und hat anscheinend Wind von dem fremden Hengst bekommen. Und seinen Herrschaftsanspruch tut der grauweiße Hengst auch sofort und unmissverständlich Kund. Doch anstatt diese Herausforderung zu erwidern, wie man es bei einem Hengst eigentlich erwarten könnte, wirft der Rappe bloß den Kopf, scheut, reißt dabei seinem Reiter die Zügel aus der Hand und geht durch. Ehe Cassandra auch nur dazu kommt, den Halbelben zu begrüßen ist der auch schon wieder weg, seinem durchgehenden Pferd hinterher, das sich schnurstracks auf den Weg zum Ulmentor macht. Wortlos steht die Oberste Magd Vinyamars in der Gartentür der Küche, sieht Gerion an als wolle sie etwas sagen, schließt dann den Mund unverrichteter Dinge wieder und kehrt kopfschüttelnd in ihre Küche zurück. Was war das denn jetzt? Da kommt endlich mal jemand um für eine der Stellen vorzusprechen, und dann so was... Und überhaupt... wer, bei allen Göttern, der sich als Knecht verdingen will, kann sich SO ein Pferd leisten? Also ich könnte das nicht, und dabei zahlt Lady Arúen mir mehr als die üblichen fünfzig Silberlinge im Jahr und ist auch ansonsten bestimmt nicht geizig.

Noch immer stumme Selbstgespräche mit sich führend kehrt Cassandra an den großen Küchentisch zurück und wendet sich wieder den Bohnen zu, die zum Einkochen und für das Essen geputzt werden müssen, die letzten Reste der diesjährigen Ernte an Stangenbohnen, die noch nicht eingekocht im Keller lagern. In dem großen Topf auf dem Herd hat sie ein Stück Rauchspeck bereits in einem der großen Töpfe mit Wasser aufgesetzt, das langsam anfängt, leise blubbernd vor sich hin zu kochen. Die Bohnen, die sie jetzt grade entfädelt würden ihm später zusammen mit Kartoffeln und den kleinen harten Kochbirnen Gesellschaft leisten. Als Nuala ihr vor etwas mehr als einem Siebentag diese Zusammenstellung vorgeschlagen hat, hat Cassandra sich das erst beim besten Willen nicht vorstellen können: die süßen Birnen und der salzige Rauchspeck mit den Bohnen. Fast geschüttelt hat sie sich bei dem Gedanken. Aber Nuala, die ursprünglich aus den Rhaínlanden stammt, hatte Stein und Bein geschworen, dass man das bei ihr Zuhause sehr oft isst und dass das sehr gut schmecken würde. Naja, und da hat sie das einfach mal ausprobiert. Und so ungewohnt wie die Kombination klingt, es schmeckt tatsächlich.

Später am Tag, sie ist gerade dabei, in der Küche die letzten Spuren des Gemüseeinkochens zu beseitigen, als Rialinn in der Tür zur Halle steht und verkündet, sie habe Hunger. Erstaunt dreht sie sich zu dem Kind um. "Hunger? Das Essen ist keine zwei Stunden her, Kleine. Wie kannst Du da schon wieder Hunger haben? Und überhaupt... wieso bist Du alleine hier? Wo ist denn Muriel?" Das Elbenkind legt bei der Frage den Kopf schief und sieht sie an, als überlege es, ob und was es antworten will. "Ich bin schon groß,"  erklärt das Mädchen mit dem vollen Ernst seiner drei Jahre, als sei das Begründung genug, warum es alleine im Haus herumspukt und anscheinend der Aufsicht des Kindermädchens entkommen ist. "Und Muriel weint," kommt dann die nähere Erklärung etwas leiser hinterher. "Muriels Mama ist nicht da, Du musst trösten." Wenn Rialinn weint, wird sie von ihrer Mutter getröstet, wenn Natie weint, macht Cassandra das. Und da Muriels Mutter nicht da ist, fällt das Trösten des Lehrmädchens nach Ansicht Klein-Rialinns nun eben auch in Cassandras Zuständigkeit. "Wo ist Muriel denn? Und warum weint sie? Hat sie sich was getan?" Cassandra wischt ihre Hände trocken und streckt Rialinn eine entgegen um das Kind an die Hand zu nehmen und sich von ihm zu dem weinenden Lehrmädchen bringen zu lassen. "Im Topfzimmer." Der Abtritt also. Da Rialinn auf den Topf geht, und der hinterher im Abtritt geleert wird, ist das für sie das Topfzimmer. "Muriel hat Auaweh und Angst und weint." Muriel hat Schmerzen? Warum hat sie denn dann vorhin zur Mittagszeit nicht gesagt, dass ihr nicht wohl ist? Die kleine Elbin ist zwar noch lange nicht so weit, dass sie ihre empathische Wahrnehmung gänzlich unter Kontrolle hat und sich gegen andere wirklich abschirmen kann, das würde noch einige Jahresläufe dauern, aber sie ist unterdessen in der Lage, ihre eigenen Empfindungen von denen anderer zu unterscheiden und sie zu benennen.

Als sie schließlich vor der Tür des Abtritts stehen, ist das Schluchzen des Lehrmädchens hinter der Tür deutlich zu hören. Rialinn will sofort darauf zusteuern, doch Cassandra hält das Elbenkind zurück und klopft vorsichtig an die Tür. "Muriel?" Das Schluchzen hört abrupt auf, dafür ist ein leises Schniefen zu hören, als versuche jemand krampfhaft mit dem Weinen aufzuhören. "Muriel? Ich bin's, Cassandra. Rialinn hat mich geholt." Schweigen auf der anderen Seite der Tür, keine Antwort, nur ein halb verschlucktes Schluchzen. "Was ist denn los, Muriel? Rialinn sagt, du hast Schmerzen. Und dass du weinst, kann ich auch hier draußen hören... Magst du nicht heraus kommen und mir sagen, was los ist? Durch die Tür kann man so schlecht miteinander reden. Und helfen kann ich dir so auch nicht." Eine ganze Weile passiert erst einmal gar nichts, und es ist auch nichts mehr zu hören. So lange, dass Cassandra fast schon versucht ist zu fragen, ob Muriel vielleicht in den Kübel gefallen sei. Aber dann ist leises Scharren zu hören als der Türriegel zurückgeschoben wird, und dann geht endlich die Tür auf.
"Allmächtigegötterimhimmel! Kind, wie siehst DU denn aus?" Cassandra ist ehrlich erschocken. Muriel ist kalkweiß im Gesicht, die Augen sind vom Weinen rot und geschwollen und sie ist so wackelig auf den Beinen, dass sie sich am Türstock festhalten muss. Angesichts der sichtlich fassungslosen Obersten Magd ist es dann auch um die krampfhaft aufrecht erhaltene Selbstbeherrschung des Mädchens geschehen, die in krampfhaftes Weinen ausbricht. "Ich hab so Bauchweh, schon den ganzen Tag," schluchzt Muriel. "Und... und als ich auf dem Abtritt war, da... da... I-Ich blute, g-ganz doll. Meine Leibwäsche. Und das Unterkleid. Sogar der Wollrock hat schon Flecken." Angst lodert wie eine kleine panische Flamme im Blick des Mädchens. "Ich hab so Angst, Cassandra!" bricht es hervor, um in einem geflüsterten "Ich will nicht sterben" zu enden.

Vor lauter Erleichterung hätte Cassandra beinahe gelacht, verkneift sich diese Reaktion allerdings angesichts der Angst des Mädchens, das ganz offensichtlich nicht weiß, was mit ihm passiert. "Du wirst nicht sterben. Komm her, Kind." Sie lässt Rialinns Hand los und legt den Arm um die schmalen Schultern des Lehrmädchens. "Ich bring dich jetzt erstmal in deine Kammer. Und dann hol ich heißes Wasser, damit du dich waschen und etwas Sauberes anziehen kannst. Und etwas gegen das Bauchweh bringe ich auch mit." Es ist nicht weit bis zu der Mägdekammer, die sich Muriel mit Nuala teilt, und während Muriels Tränen unter den beruhigenden Worten Cassandras langsam versiegen, hält Rialinn sich an der Schürze der Obersten Magd fest und läuft schweigend hinterher. Als Cassandra die Kammer wieder verlässt, um all das zu holen, was sie brauchen würde. Bleibt die kleine Elbin bei Muriel, schaut fragend auf das Häuflein Elend, das sich auf einem Schemel zusammenkauert und drückt dem Mädchen schließlich den Pelzbären in den Arm, den sie immer mit sich herumträgt. Es dauert nicht lange, bis erst auf dem Gang der resolute Schritt der obersten Magd zu hören ist und dann die Kammertür aufgestoßen wird. "So, hier ist heißes Wasser zum Waschen." Sie stellt einen dampfenden Eimer neben den Waschtisch und eine Teekanne auf den kleinen Tisch unter dem Fenster. Dann schnappt sich Rialinn, die das alles sofort inspizieren will. "Nein, kleines Fräulein, das ist nicht für dich. Du bleibst jetzt brav hier sitzen und passt auf deinen Bären auf." Mit leichtem Schwung hebt sie das Kind hoch und setzt es auf die Kante von Muriels Bett. Während das Lehrmädchen sich auszieht und beim Anblick der eibenbeerenroten Flecken auf ihrem Unterkleid und der Leibwäsche wieder anfängt zu weinen, holt Cassandra aus der Truhe des Mädchens frische Wäsche und einen sauberen Rock aus dunkler Wolle heraus, damit sie nach dem Waschen gleich etwas zum Anziehen hat. "Ach, Muriel, nicht doch, nicht weinen. Es gibt keinen Grund dazu. Nicht doch, schschsch..." Sie nimmt dem Mädchen den Lappen aus der Hand und wischt ihr die Tränen aus dem Gesicht.
"Das ist nichts Schlimmes, was da passiert. Gut, ich gebe zu, das Blut kann einem Angst machen, aber..." Ihr kommt ein Gedanke. "Hat denn deine Mutter oder deine älteren Schwestern nie mit dir darüber gesprochen?" Große, verweinte Augen schauen sie verständnislos an, dann kommt ein zögerndes Kopfschütteln. "Worüber?" Insgeheim nimmt Cassandra sich vor, mit der Mutter des Mädchens ein ernstes Wort zu reden, wenn die nach Vinyamar kämen um den Pachtzehnten zu bringen. Jetzt holt sie einmal tief Luft und bringt es irgendwie sogar fertig, das Mädchen anzulächeln. "Über die Mondzeit einer Frau." Noch immer schaut das Mädchen so verständnislos, dass Cassandra sich ernsthaft zu fragen beginnt, wie prüde und übertrieben schamhaft eine Familie leben muss, dass das Mädchen anscheinend so absolut gar nichts von den Mondzeiten ihrer Mutter oder der drei älteren Schwestern mitbekommen hat. Muriel ist mit dem Waschen fertig und dabei, sich wieder anzukleiden. "Hier, Muriel, nimm das." Sie drückt dem Mädchen reines Leinen und Weißmoos in die Hand. "Das tust Du in die Leibwäsche, dann kann das Blut keine Flecken machen. Du musst es nur regelmäßig wechseln." Sie wartet, bis das Mädchen wieder ganz angezogen ist, dann setzt sie sich auf das Bett und nimmt Rialinn auf den Schoß. "Komm her, setzt dich zu mir, Muriel... Wenn wir erwachsen werden, also wenn ein Mädchen langsam zur Frau heranwächst, dann verändert sich ihr Körper. Nicht nur außen, sondern auch innen drin, damit sie später Kinder bekommen kann. Aber dabei verbraucht er Blut. Und einmal im Mondlauf muss dieses verbrauchte Blut aus dem Körper heraus. Dort wo ich herkomme, nennt man es das Mondblut, und die Zeit, in der eine Frau das Blut verliert nennt man ihre Mondzeit. Aber es ist nichts, vor dem Du Angst haben musst... Und man stirbt auch nicht daran... Und jetzt solltest Du etwas von dem Tee trinken, er hilft gegen das Bauchweh." Bei dem naserümpfend geflüsterten 'Kamillentee' muss sie nun ernsthaft lächeln. "Nein, das ist kein Kamillentee, zumindest nicht nur. Das drin sind Kamille, Pfefferminze, Schafgarbe und Baldrianwurzel. Ich zeige dir nachher, wie das gemischt wird. Und wo das Weißmoos aufbewahrt wird, zeige ich Dir auch."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 10. Dez. 2007, 17:39 Uhr
Es ist einer dieser typischen Tage am Ende des Nebrar. Es ist so kalt, dass der Boden so langsam aber sicher beginnt zu frieren, und gegen Morgen hat auch noch ein leichter, mit den ersten Schneeflocken durchsetzter Schneeregen eingesetzt. Alles in allem also ein Wetter, das durchaus zu Cassandras Stimmung in den letzten Tagen passt. Gedankenverloren rührt sie in dem kleinen Topf vor sich auf dem Herd. Gleich nach dem Mittagsmahl hat sie die Ingwerschalen und Abschnitte, die am Vortag bei Kochen angefallen sind zusammen mit Wasser, Zucker und Honig aufgesetzt um daraus Sirup zu kochen. Eigentlich eine ganz alltägliche Arbeit, die so oder so ähnlich häufig vorkommt. Doch an diesem Nachmittag erinnert es Cassandra lediglich daran, wie Muriel sie beim letzten Mal gebeten hatte, ihr zu zeigen, wie das geht, das Kochen von Ingwersirup, woher man weiß, wieviel Honig und Zucker man braucht. Mit einem tonlosen Seufzen stellt sie den Topf an den Rand der Herdfläche, dorthin wo die Hitze geringer ist und der Sirup nicht so leicht anbrennen kann.
Sie macht sich Sorgen um das Mädchen, große Sorgen. Es ist jetzt schon vier Tage her, dass es von dem Besuch bei den Eltern nicht zurückgekehrt ist und sie es in der Steinfaust als vermisst gemeldet hat. Und jeden Tag ist der Vater oder einer der älteren Brüder auf Vinyamar erschienen um zu fragen, ob man Muriel schon gefunden habe, oder wenigstens eine Spur von ihr. Cassandra hat ihnen nie die erlösende Antwort geben können, auf die sie alle hoffen - die Familie ebenso wie der ganze Haushalt von Vinyamar. Und als ob die Stimmung auf dem Ulmenanwesen nicht schon gedrückt genug ist, sind die Mägde von den vormittäglichen Besorgungen auf dem Marktplatz mit den wüsten Gerüchten über eine Leiche zurückgekommen, die man angeblich am Morgen nach dem Öffnen der Tore im Larisgrün gefunden habe. Und einen der Kesselflicker vom Markt hätten die Blaumäntel abgeholt und in die Steinfaust gebracht. Die eifrigen Spekulationen von Helma und Daira, ob der Mann etwas damit zu tun habe und wer die Leiche wohl sein könne und wie er oder sie (so ganz einig ob nun Mann oder Frau waren sich die Gerüchteköche da nicht mehr gewesen) wohl umgekommen ist, sind Cassandra derart auf die Nerven gegangen, dass sie den beiden Mägden einen heftigen Vortrag darüber gehalten hat, was sie von Tratsch und Gerüchten im Allgemeinen und diesen im Besonderen hält, und dass die beiden es sich gefälligst verkneifen sollen, sich an dem allgemeinen Gerede zu beteiligen. Und wenn sie in der Nähe der Kinder auch nur ein Wort darüber verlören, bekämen sie es mit ihr zu tun.

Gegen Nachmittag erscheint Natie bei ihr in der Küche. Sie hat die Enten und Gänse bei dem unangenehmen Wetter schon früher zurück in den Stall getrieben und steht nun mit rotgefrorenen Ohren bei ihr in der Küche und erzählt ihr, dass es geklopft habe und da nun ein Blaumantel in der Halle stünde, der mit Lady Arúen sprechen wolle, "...oder mit Dir, Mama." Große Kulleraugen wandern zur Küchentür und zurück zu Cassandra. "Was will der hier, Mama? Ist was passiert?" "Das weiß ich nicht, mein Kind." Ohne darüber nachzudenken zieht sie den Siruptopf ganz vom Feuer und stellt ihn auf den Küchentisch, wischt sich die Hände an einem feuchten Tuch ab und verlässt die Küche, Natie quasi am Schürzenzipfel. In der Halle steht ein junger Stadtgardist, der vermutlich kaum wegen der Umgebung so verlegen aus dem blauen Mantel schaut. "Die Götter zum Gruße, M'am." Ein Neigen des Kopfes begleitet die Worte, und wird von Cassandra reflexartig erwidert. "Ist Lady Arúen im Hause? Sire Rhordri schickt mich mit einer Nachricht für sie... oder für Euch, wenn ihr Cassandra seid." Sie haben Muriel gefunden... ist der erste Gedanke, der der Frau durch den Kopf geht. Einen anderen Grund kann sie sich im Moment nicht vorstellen, warum die Steinfaust eine Nachricht an die Elbin schicken sollte, die aber auch an Cassandra gerichtet ist. "Auch Euch die Götter zum Gruße. Ja, ich bin Cassandra... Was ist das für eine Nachricht? Hat man Muriel gefunden?" Ihre Frage scheint den Gardisten für einen Moment die Worte sortieren zu lassen, ehe er antwortet. "Sire Rhordri bittet die Lady oder euch in die Steinfaust zu kommen. Es wurde ein Mädchen gefunden, das Euer Lehrmädchen sein könnte. Aber man ist sich nicht sicher... Man braucht jemanden, der sie identifizieren kann."
Für einige endlose Herzschläge kann Cassandra nichts tun, außer auf das dröhnende Rauschen des Blutes in ihren eigenen Adern zu hören, es scheint der einzige Laut auf der Welt zu sein. Der Blaumantel hat es nicht ausgesprochen, aber so wie er sich ausgedrückt hat, haben sie ein totes Mädchen gefunden. Allmächtige Götter, lasst es nicht Muriel sein. Ich ertrage freiwillig noch Wochen der Ungewissheit, aber lasst es nicht Muriel sein. "Lady Arúen ist nicht hier. Sie ist zur Jagd im Larisgrün. Ich komme mit Euch. Ich brauche nur... Natie, geh und lauf hoch auf den Nachboden. Sag Nuala, sie soll Daira die Wäsche alleine aufhängen lassen, ich brauche sie hier unten in der Küche." Und dann, an den Gardisten gewendet, "Einen Moment bitte, ich bin sofort wieder da." Kaum hat sie ausgesprochen, ist sie auch schon durch eine der Türen verschwunden, bloß um wenig später wieder aufzutauchen. Ihre unvermeidliche Schürze hat sie abgelegt, die leichten Halbschuhe gegen feste Stiefel getauscht und sich einen warmen Mantel aus dunkelbraunem Wolltuch. Nuala kommt wie gerufen gerade die Treppe herunter und wird sofort eingewiesen. "Ich muss etwas erledigen. Kümmere Du Dich um das Abendessen. Gefüllte Kartoffeltaschen. Sauerkohl, Linsen und Zwiebeln hab' ich schon aus dem Keller geholt, steht alles auf dem Tisch. Und schau, ob der Sirup schon gut ist. Wenn nicht, dann setzt ihn noch mal kurz auf den Herd. Und du, Natie, wenn die Lady zurück ist, ehe ich wieder da bin, dann sag ihr, dass ich in die Steinfaust gegangen bin." Nachdem sie alles geregelt hat, um zumindest das Abendessen sicherzustellen, wendet sie sich mit einem tonlosen Seufzen und einem Nicken an den Blaumantel, der einen Schritt zur Seite tritt um ihr den Vortritt zu lassen als sie die Halle durchqueren und das Haus verlassen.


Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 01. Jan. 2008, 15:17 Uhr
Als sie das Ulmenportal von Vinyamar erreichen, kommt ihnen ein Blaumantel zu Pferde entgegen, der kurz grüßend die Hand hebt und dann in der Dunkelheit verschwindet. Zusammen mit dem merkwürdigen Verhalten der Wachen am Nordtor lässt das Arúen unruhig werden. Irgendetwas ist hier während ihrer Abwesenheit passiert, etwas, das sogar die Blaumäntel auf den Plan gerufen hat. Und sie will wissen, was das ist. Sofort. Ohne auf Ullmar, Gerion oder ihre protestierenden Rippen zu achten, treibt sie Shur an um den Kiesweg bis hoch zum Haus möglichst schnell hinter sich zu bringen. Während sie noch aus dem Sattel springt, die unsanfte Landung mit stechendem Schmerz und bunten Sternen vor den Augen bezahlt, Gerion anweist, sich um die Pferde zu kümmern, ruft sie stumm nach dem Elben, der während ihrer Abwesenheit auf das Haus und vor allem auf Rialinn achten sollte. Teir! Kurz empfindet sie so etwas wie Erleichterung, als sie in der geistigen Antwort des jungen Ritters vor allem Ruhe und Besonnenheit spürt, aber keine Aufregung oder gar offene Sorge.

Mit großen Schritten ist sie die Treppe hoch, die Tür zu öffnen und den Elbenritter tonlos nach ihrer Tochter zu fragen, sind nahezu eins. Wo ist Rialinn?... Und was ist hier passiert? Ich habe vor dem Tor einen Blaumantel getroffen. Das gesamte Gesinde scheint sich in der Halle versammelt zu haben. Mägde und Knechte stehen mit betretenen Gesichtern um Cassandra herum, die sich offensichtlich gerade erst ihres Mantels entledigt hat, und nun die Arme tröstend um die Schultern der weinenden Natie legt. Teir hat sich Arúen als erster zugewandt, und in den Augen in seinem ansonsten unbewegten Gesicht zeigt sich kurz etwas, das die Elbin nicht sofort einordnen kann. Seine Erklärung, dass ihre Tochter oben in ihrem Zimmer sei und ruhe, besänftigt die nagende Unruhe Arúens immerhin etwas. Cassandra, der trotz allem nicht entgeht, dass die Aufmerksamkeit von etwas oder jemandem hinter ihr abgelenkt wird, dreht sich um und beim Anblick der Hausherrin wird die Menschenfrau noch blasser als sie ohnehin schon ist - sofern das überhaupt möglich ist - und verliert fast augenblicklich die Fassung. "M-Mylady!... Ihr... ich... es..." Die Frau bringt kein Wort mehr heraus und bricht in Tränen aus. Ullmar, der der Elbin ins Haus gefolgt ist, ist mit raschen Schritten an ihr vorbei und an der Seite Cassandras, die es sich erstaunlicherweise widerstandslos gefallen lässt, dass er sie in seine Arme zieht um sie zu trösten.

"Was ist hier passiert?" Anstatt diese Frage zu stellen, hätte sie genauso gut in ein Wespennest stechen können. Alle scheinen nun auf einmal zu reden, und in dem Durcheinander versteht Arúen kein einziges Wort. "Ruhe! Einer nach dem anderen, damit ich auch was verstehe von dem was ihr mir sagt." Ein kurzer Blick zu Cassandra, aber ihre Oberste Magd ist noch immer damit beschäftigt, ihre Fassung wiederzufinden, Natie zu beruhigen die in den Rock ihrer Mutter weint und zu versuchen, sich aus Ullmars Armen zu befreien. Also nickt die Elbin der ältesten von den anderen Mägden zu, die deutlich weniger Fassungslos dreinschaut als der Rest. "Nuala. Erzähl. Was ist passiert?"
Es dauert etwas, aber so nach und nach wird die Hausherrin des Ulmenanwesens von Nuala, Cassandra und Teir über alles in Kenntnis gesetzt, was seit ihrem Aufbruch vor fünf Tagen passiert ist: Dass sich jemand wegen der Stelle als Gärtner vorgesprochen habe, dann aber mittendrin wieder weggelaufen sei, weil sein Pferd durchgegangen ist. Dass Muriel mit dem Alanthalablut ihre erste Mondblutung gehabt habe und wie Rialinn Cassandra geholt hat, weil das Mädchen sich weinend versteckt hatte, weil es nicht wusste, was mit ihm ist. Schweren Herzens erzählt Cassandra, wie sie mit Nuala und Muriel dann auf dem Markt war, die Einkäufe erledigen, unter anderem Weißmoos für das Mädchen, und wie sie ihr erlaubt hatte, den Nachmittag bei den Eltern zu verbringen, die auch dort gewesen seien. Wie das Mädchen dann am Abend nicht wieder zurückgekommen sei und sie gedacht hatten, es sei aus Heimweh mit seinen Eltern zurückgegangen. "Wir hätten sie gleich suchen gehen sollen! Dann wäre das alles nicht passiert..." bricht es unter Tränen aus der sonst so ruhigen Menschenfrau heraus und jemand anderes setzt den Bericht fort: Teirs Ritt zum Hof der Eltern, was er dort erfahren hatte, die Vermisstenmeldung in der Steinfaust, dass sie alle gehofft haben, dass das Mädchen wieder auftaucht, wie und wo auch immer, Hauptsache lebendig. Cassandra fasst sich schließlich immerhin soweit, dass sie davon erzählen kann, dass am Nachmittag ein Blaumantel erschienen sei, um sie in die Steinfaust zu holen, sie oder die Lady, weil man ein Mädchen gefunden hatte. "Ich... ich sollte sagen, o-ob das Muriel ist... Die Maester hatten sie aufgebahrt. Götter! Sie lag da, als würde sie bloß schlafen, Mylady." Arúen würde der Frau die Frage gerne ersparen, aber das kann sie zu ihrem Bedauern nicht. "Ihre Eltern...?" "Ich war schon dort... zusammen mit dem Blaumantel, den ihr getroffen habt. Der Lord Commander hatte ihn mitgeschickt. Er meinte, die Eltern müssten es unbedingt noch heute erfahren." Fragend wandert Arúens Blick zu Teir hinüber, der sich bis jetzt bis auf seinen Bericht von dem Ritt zum Hof der Eltern auffällig zurückgehalten hat, und der kaum merklich nickt. Gut, von ihm würde sie also alles weitere erfahren, was bisher unausgesprochen geblieben ist und was der Elb in Erfahrung bringen konnte.

Kaum kehrt für einen Augenblick so etwas wie Ruhe in der Halle ein, als Cassandra sich mit der ihr eigenen Energie daran macht, die Mägde und Knechte um Feuerholz, heißes Wasser, Schüsseln, Eimern, Gewürze, Salz, Tüchern, um Messer, Beile und Knochensägen für das Verarbeiten des Büffels zu schicken. Arúen braucht einen erstaunten Moment, bis sie begreift, was sich da gerade um sie herum anzubahnen beginnt. Dann unterbricht sie das Ganze kurz und bündig. "Cassandra. Stopp!" Verwunderte Blicke richten sich auf die Elbin, Kälte der Nacht hin oder her, sie alle gehen davon aus, dass die Jagdbeute noch in der Nacht zerlegt wird. "Wir brauchen nichts davon. Gut, vom heißen Wasser einmal abgesehen... Es gibt keinen Büffel. Wir haben die Jagd abgebrochen, ehe wir etwas erlegt haben." "Ab... ge... brochen?" echot es konsterniert rundherum. "Ja, abgebrochen." Wo Arúen sich gerne um die genaueren Gründe dafür drücken würde, fällt Ullmar ihr heimtückisch mit der Erklärung in den Rücken, was ihm funkelnde Blicke der Elbin einträgt. "Ja. Es gab einen... Unfall. Ein Büffel hat uns überrascht, ein weißer Büffel. Und der hat Lady Arúen umgerannt und gegen einen Baum geschleudert. Ihre Rippen-" Weiter kommt er nicht mehr, ehe Cassandra mit einem erschreckten Ausruf zwischen der Elbin und Ullmar hin und her schaut, als wisse sie nicht, wem von beiden sie zuerst die Leviten dafür lesen soll, dass man ihr DAS erst jetzt sagt. Als sie jedoch tief Luft holt, nutzt die Elbin diese Gelegenheit, um dem unausweichlich folgenden Anfall besorgter Fürsorge ihrer Obersten Magd zuvor zu kommen. "Nuala, wir brauchen heißes Wasser. Ullmar und Gerion brauchen ebenso ein heißes Bad wie ich. Cassandra, lasst mir bitte nach dem Bad etwas zu essen in meine Räume bringen. Teir, sorgt bitte dafür, dass Auris und Nevis gefüttert werden und bringt sie dann nach oben. Anschließend möchte ich Euch sprechen, Teir, beim Essen."

Eine knappe Stunde und ein heißes Bad später sitzt Arúen mit noch feuchten Haaren am Kamin. Cassandra hat ihr nach dem Bad geholfen, die Rippen neu zu verbinden. Die Prellung über den gebrochenen Knochen hat sich unterdessen eine ansehnlich blauschwarze Farbe zugelegt, was der Menschenfrau ein empörtes Zischen entlockt hat, während sie gewissenhaft und vorsichtig Salbe aufgetragen und dann einen straffen Verband aus festen Leinenbinden angelegt hat. Tief Luft holen kann die Elbin damit nicht mehr, aber der stützende Verband mindert die Schmerzen im Brustkorb immerhin ein wenig, wie sie feststellt, als Cassandra ihr dabei hilft ein miederloses Kleid aus weichem Wolltuch anzulegen. Das Essen würde vermutlich gleich kommen, und auf dem Gang vor ihrer Tür kann sie ihre beiden Hunde hören, was bedeutet, dass Teir vermutlich gleich an der Tür klopfen wird.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 02. Jan. 2008, 21:07 Uhr
Das Arúen ihn zum Rialinn- hüten in Talyra gelassen hatte, nimmt er seiner Dienstherrin ja durchaus ein wenig krumm, aber im Endeffekt ist es die beste Lösung gewesen. Schließlich war die Elbin mit Kaney, Ullmar und Gerion und den drei Hunden nicht allein und schon gar nicht wehrlos. Das kleine Elbenmädchen, das er gerade zu Bett gebracht hat, allerdings schon. Teir seufzt erleichtert nachdem er die Tür zu ihrem Zimmer geschlossen hat. In der letzten Nacht war das Mädchen sehr unruhig gewesen, hatte nicht in ihre Trance finden können und hatte ihn mit ihren Tränen auf dem Stuhl neben ihrem Bett festgehalten. Entsprechend unausgeglichen und quengelig war das Kind den ganzen Tag gewesen und es hatte lange gedauert, sie zur Ruhe zu bringen. Und die Sache mit Muriel ist auch nicht gerade hilfreich. Wie immer wenn er an das Lehrmädchen denkt, zieht sich in seinem Magen etwas zusammen. Cassandra ist noch nicht wieder aus der Steinfaust zurück und über dem ganzen Haus lastet eine drückende Stille, seit die oberste Magd das Anwesen verlassen hatte. Den Gedanken, dass das von den Blaumänteln gefundene Mädchen tatsächlich ihre Muriel sein könnte, versuchen zwar alle weit von sich zu schieben, aber so recht will das niemandem gelingen. Wenn es nicht Muriel wäre, wäre Cassandra doch schon lange wieder da. Teir lauscht noch einen Augenblick, ob von Rialinn noch etwas zu hören ist, dann geht er den Flur entlang ins Schreibzimmer. In den eher ruhigen Tagen seit die Shadâna aufgebrochen war, hatte er die Abende meist hier verbracht und in den unterschiedlichsten Büchern oft bis in die Nacht hinein gelesen.
Es ist bereits dunkel, als von draußen das Knirschen von Hufen auf Kies zu hören ist. Teir hebt den Kopf und lauscht einige Herzschläge lang, ehe er das Buch das er gerade liest, eine illustrierte Ausgabe der Geschichte des Imperiums von Ûr, zuklappt und in das Regal zurückstellt. Mit einem Ruck reißt er sich von der Betrachtung der Buchrücken los und eilt in die Eingangshalle hinunter.
Cassandra braucht nichts zu sagen, der zusammen geeilte Haushalt kann die Wahrheit von ihrem Gesicht ablesen. Mit wenigen, stockenden Worten erklärt die oberste Magd ihnen dennoch, was sie in der Steinfaust erfahren hat. Und es sind keine guten Neuigkeiten. Arúens stummer Ruf trifft ihn zwar ein wenig unvorbereitet, aber er versucht ihr auf eine beruhigende Art zu antworten. Shadâna Arúen, willkommen zu Hause. Macht Euch keine Gedanken. Kommt erst einmal herein. Teir strafft sich und will die Anwesenden gerade auf die Ankunft der Herrin aufmerksam machen, als sich auch schon die Tür öffnet und eine eindeutig besorgte Arúen das Haus betritt. Rialinn ist in ihrem Zimmer und ruht. Diese Auskunft scheint die Elbin deutlich zu beruhigen, doch die ungewohnte Versammlung ihres Haushaltes wirft bei der Elibn verständlicherweise einige Fragen auf.
Cassandras Ausbruch verwirrt ihn und so ist er froh, dass Ullmar sich um die weinende Frau kümmert und Arúen das aufgeregte Gesinde zur Ruhe ruft. >Nuala. Erzähl. Was ist passiert?< Die junge Magd beginnt stockend zu erzählen, ab und zu hilft Teir ihr bei ihrem Bericht und als Cassandra sich soweit wieder unter Kontrolle hat, nimmt sie der erleichterten Nuala den Bericht ab. Als die Frau fertig ist, legt sich einen Moment ungläubiges Schweigen über die Elben und Menschen und Teir fühlt sich ob dieses so endgültigen Todes des jungen, gerade erst erblühten Mädchens furchtbar hilflos. Er schluckt und als sein Blick den Arúens trifft, nickt er leicht.
Und dann kommt wieder Unruhe auf, als Cassandra das Gesinde aufscheucht und wegen allen möglichen Dingen losschickt. Doch sie kommt nicht weit, denn Arúen ruft sie und das Gesinde erneut zur Ruhe und erklärt ihnen, dass es nichts zu zerlegen gibt und es ist Ullmar der ihnen den Grund erklärt. Teir sieht den Blick den die Elbin dem Knecht zuwirft, doch dann wendet sich Arúen schon zu ihm. >Teir, sorgt bitte dafür, dass Auris und Nevis gefüttert werden und bringt sie dann nach oben. Anschließend möchte ich Euch sprechen, Teir, beim Essen.< Er nickt, pfeift nach den Hunden und geht ihnen in die Küche voraus. Die Hündinnen sehen erschöpft aus und stürzen sich dann mit Feuereifer auf ihre rasch gefüllten Näpfe.

Auris und Nevis laufen die Treppen vor ihm hinauf und sie alle drei machen kurz vor der Tür von Rialinns Zimmer halt, um hinein zu lauschen. Aber im Gegensatz zur letzten Nacht scheint das Mädchen friedlich in ihrer Trance ruhen zu können. Mit einem leisen Lächeln geht er weiter zur Tür des Kaminzimmers, klopft und öffnet diese auf Arúens leises Herein. "Shadâna." Angesichts der Anspannung die sich deutlich auf ihrem Gesicht abzeichnet, hält er es zwar nicht unbedingt für sinnvoll, sie womöglich zu reizen, aber er hatte nun einmal damit angefangen. Sie bedeutet ihm mit leicht hoch gezogener Augenbraue Platz zu nehmen und er folgt ihrer Aufforderung. Für einen Moment weiß er nicht wo und wie er beginnen soll und so fängt er mit dem unverfänglichsten Thema an. "Rialinn geht es gut, sie ruht gerade. Es war nicht schwer, sie von Eurem Fortgehen abzulenken. Wir waren viel draußen im Garten und am See, oder sie hat Cassandra in der Küche hm geholfen. Allerdings macht ihr Muriels Verschwinden schwer zu schaffen, aber da ist sie nicht die einzige." Er streicht sich mit der Rechten über das Gesicht und versucht kurz, seine eigenen Gedanken zu ordnen. Aber da ihm dies nicht besonders gut gelingt, fährt er lieber mit seinem Bericht fort. "Ich bin am nächsten Tag zu den Eltern geritten, Cassandra hat mir den Weg beschrieben. Gute, ehrliche Leute, aber sie konnten mir nur sagen, dass sie das Mädchen vor Einbruch der Dämmerung ein Stück weit zum Anwesen begleitet haben und sich dann selbst auf den Heimweg gemacht haben. Cassandra hat dann eine Vermißtenmeldung in der Steinfaust aufgegeben und heute kam ein Blaumantel. Am Morgen wurde die Leiche eines jungen Mädchens gefunden, auf die anscheinend die Beschreibung Muriels gepasst hat." Er stockt, als Nuala und Helma leise an die Tür klopfen um das Abendessen aufzutragen. Als die beiden Mägde den Raum wieder verlassen haben setzt er seinen Bericht fort. "Es ist wirklich Muriel. Die..." Einen Herzschlag fällt ihm das richtige Wort nicht ein, doch als er es schließlich findet, hellt sich sein Gesicht für einen Augenblick auf. "Die Maester haben sie untersucht, aber sie wollen die Kleine noch nicht herausgeben. Cassandra hat gefragt, ob das Mädchen... nunja, ob sie vergewaltigt worden wäre, aber darauf hat man ihr nicht richtig geantwortet." Er räuspert sich unbehaglich. "Die ganze Stadt spricht von nichts anderem, sagen die Mädchen. Sie waren vorhin auf dem Marktplatz." Wieder liegt Stille über dem Zimmer und Teir betrachtet das Essen auf seinem Teller. Er hat keinen wirklichen Hunger und dieses Gesprächsthema hier ist dabei auch nicht gerade förderlich.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 05. Jan. 2008, 18:39 Uhr
Als die Tür zu ihren Räumen sich öffnet, drängen die beiden Hündinnen sofort an Teir vorbei, umrunden Arúen einmal schweifwedelnd und lassen sich dann mit einem zufriedenen Brummen auf den Fellen vor dem Kamin nieder, von wo aus sie die beiden Elben eine Weile aufmerksam beobachten, ehe sie sich zur wohlverdienten Ruhe auf die Seite legen. Teir dagegen sieht bei weitem weniger entspannt aus als die Hunde. Ein leichtes Zögern in der Bewegung mit der sich Arúen gegenüber im Sessel niederlässt, mehr ist es nicht, aber es entgeht der Elbin trotzdem nicht. Der junge Ritter hat in den vergangenen Monden hier in Talyra gelernt, in den meisten Situationen einen unverbindlichen Gesichtsausdruck zu wahren, dem seine Gedanken oder Gefühle nicht anzusehen sind. Und so unschön die Nachrichten dieses Tages auch sind, diese Entwicklung entlockt der Herrin von Vinyamar kurz ein zufriedenes Lächeln, in dem auch etwas Stolz auf die Entwicklung mitschwingt, die Teir macht. Du würdest Dich wundern, Vater, was er in den letzten Mondes alles gelernt hat. Und wie schnell vor allem. Ich weiß zwar selber nicht genau, was mich bewogen hat, gerade ihn auszuwählen, aber welche der zwölf Mächte auch immer ihre Finger dabei im Spiel hatte, die Wahl war besser, als es zuerst den Anschein hatte. Kurz gestattet sie es ihren Gedanken abzuschweifen und sich auf den Weg in den Westen der Immerlande zu machen, nach Lomirion und zu ihrem Vater und ihrem Bruder. Wie es ihnen wohl gehen mag? Der letzte Brief von ihm ist schon so lange her, und auf meinen kam noch keine Antwort... Und bald ist es Winter, dann kommen weder Boten noch Raben mit Nachrichten aus Erryn über die Mondsichel, ganz zu schweigen davon, dass sie bis nach Talyra gelangen.

Wortlos folgt sie dem Bericht Teirs, der etwas ausführlicher ausfällt, als die Kurzfassung vorhin unten in der Halle. Kurz kommt Schweigen auf, als die Mägde das Essen bringen. Erst nachdem im Kamin Holz nachgelegt ist und die Mädchen die Tür leise hinter sich geschlossen haben, fährt er leise fort, stolpert kurz über ein Wort, das ihm fehlt. Als er es dann findet, erhellt sich seine Miene für die Dauer eines Herzschlags, wird aber fast augenblicklich wieder ernst und unbewegt. Er hat nicht einen Satz im Shidar gesprochen, auch jetzt, in dieser Situation hält er eisern an der Absprache fest, dass er sich nur der Allgemeinsprache bedient um sie schneller zu lernen. Er ist sich selber ein unerbittlicherer Lehrmeister als es jemand anderes an einem Tag wie diesem wäre. Sie selber hätte es nur zu gut verstanden (und ihm auch gewiss nicht vorgehalten), wenn er in seine Muttersprache zurückgefallen wäre. Vor allem angesichts der Frage, ob Muriel nicht nur ermordet sondern obendrein noch geschändet wurde. Eine Frage, die sie Cassandra auch schon gestellt hatte. Aber ihre Oberste Magd hat nur die ausweichende Antwort der Maester der Steinfaust wiedergeben können: Dazu könne man noch keine genaueren Aussagen machen. Zu der Bemerkung, dass die Mägde bei Besorgungen auf dem Markt überall alle möglichen dun unmöglichen Gerüchte aufgeschnappt haben, kann sie nur mit einem unfrohen Lächeln nicken. Talyra ist an sich eine sehr sichere Stadt, da wird jede Gewalttat sofort zum Stadtgespräch, erstrecht ein Mord wie der an Muriel.

Sie glaubt zu wissen, warum der junge Elb die Teller und Schalen mit dem Essen ansieht, als sei ihm jeglicher Appetit vergangen - und dabei ist Teir sonst beileibe kein schlechter Esser - aber sie weiß auch nicht recht, wie sie ihm dabei helfen kann. Sie weiß nicht, ob er in seinem bisherigen Leben bereits mit dem Tod von jemandem den er kannte oder der ihm nahe stand konfrontiert wurde. Selbst wenn wäre es noch immer der Tod eines Elben gewesen, ein Tod, der keinen Abschied auf ewig bedeutet, da es ein Wiedersehen in den Hallen Sithechs geben wird. Aber hier ist das anders, der Mord an Muriel konfrontiert den jungen Ritter mit dem Tod einer Sterblichen, hier wird es kein Wiedersehen in den Hallen des Herrn über Tod und Winter geben. Arúen nimmt sich einen irdenen Becher und füllt ihn mit erwärmtem Würzwein und lehnt sich mit vorsichtigen Bewegungen im Sessel zurück.

"Den Tod zu akzeptieren ist nie einfach... schon gar nicht, wenn er ein junges, unschuldiges Mädchen auf so grausame Art aus dem Leben reißt. Und das Schlimmste daran ist noch nicht einmal der Tod an sich, sondern die Tatsache, dass er uns mit den Erinnerungen, den Zweifeln und Selbstvorwürfen alleine zurücklässt. Cassandra macht sich Vorwürfe, weil sie Muriel alleine bei den Eltern auf dem Markt ließ und sie nicht selber wieder abgeholt hat, als es Abend wurde... Hätte sie es ihr nicht erlaubt, würde sie sich vermutlich stattdessen Vorwürfe machen, weil das Mädchen Heimweh hat..." Ein kurzes Seufzen unterbricht die Worte der Elbin. "Und selbst wenn sie es nicht erlaubt hätte, oder wenn sie Muriel abgeholt hätte... Woher wollen wir denn wissen, dass sie dann noch leben würde? Dass Llaeron es nicht schon am Tag ihrer Geburt  in ihren Schicksalsfaden geknüpft hatte, dass ihr Leben so jung enden sollte? Wer sind wir, dass wir den Ratschluss der Götter anzweifeln wollten?... Wir verstehen ihn vielleicht nicht immer. Aber manchmal ist es besser - und vor allem einfacher -  es einfach hinzunehmen, als alles verstehen zu wollen... Dieses Hinnehmen ist nicht immer leicht, das weiß ich, manchmal scheint es sogar unmöglich zu sein... Vor allem für Muriels Eltern wird es schwer sein ihren Tod zu akzeptieren. Sie werden lange trauern. Und sie werden den Moment herbeisehnen, in dem ihnen jemand sagt, dass man denjenigen gefunden hat, der ihrer Tochter das angetan hat, und dass er seiner Strafe nicht entgehen wird." Für einige Momente legt sich Schweigen wie sachter Nebel über das Zimmer, und das Knacken und Knistern, mit dem einer der Holzscheite im Kamin funkenstiebend zerfällt wirkt überlaut. "Tes Bedanames andriores â Eo'rya: Lais tes Ayares diomares, tha aljares ites avi englorior."  Arúen weiß, dass dieses Sprichwort nicht wirklich Trost bringt, das bringen Worte so gut wie nie, aber vielleicht würde es dem jungen Elben helfen indem es ihm das Reden darüber ermöglicht. Und sie ist absichtlich ins Shidar der Elben gewechselt, weil sie annimmt, dass ihm das Reden womöglich in seiner Muttersprache leichter fällt.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 07. Jan. 2008, 17:25 Uhr
Ihre vorsichtigen, langsamen Bewegungen entgehen ihm nicht, aber er sagt nichts und behält seine Gedanken darüber zurück. Sie ist erwachsen und hat gewusst, worauf sie sich bei einer Büffeljagd einlässt. Aber er erinnert sich an die Schmerzen und das bedrückende Gefühl der einengenden Bandagen. Nur das es mich beim die Treppe herunterfallen erwischt hat. Er runzelt kurz die Stirn, schiebt den Teller endgültig beiseite und sieht Arúen an, während sie spricht. Die Elbin spricht von den Vorwürfen, die Cassandra sich selbst macht und ihm bleibt nicht anderes, als zu nicken. Er hatte den Ausdruck in Cassandras Augen gesehen, als sie zur Tür hereingekommen war und er ahnt, dass ihr tränenreicher Ausbruch in der Eingangshalle wohl nicht der letzte seiner Art gewesen sein wird.
>Tes Bedanames andriores â Eo'rya: Lais tes Ayares diomares, tha aljares ites avi englorior.< Die Menschen haben ein Sprichwort: Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben. Teir runzelt erneut die Stirn; dieses Sprichwort erscheint ihm völlig falsch, wieso sollte man jemanden den man liebt aus seinem Leben reißen, ehe er auch nur zu leben begonnen hatte. So egoistisch hatte ich mir die Götter nicht vorgestellt. "Glauben sie das wirklich? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort, wohin auch immer die Menschen nach ihrem Tod hingehen, besser ist als hier. Ich meine..." Er spricht immer noch in der Allgemeinsprache, denn selbst im Shidar wollen ihm nicht die richtigen Worte in den Sinn kommen. Noch immer fühlt er sich hilflos, doch je länger er spricht, umso wütender wird er auch. "Was kann es denn schöneres geben als das Leben? Das ist albern, Shadâna, wirklich. Sie hatte doch noch so viel vor sich. All die Dinge die man dort sicher nicht machen kann." Er ist nicht wirklich laut geworden, das wird er nie, aber sein Ton ist mit den letzten Worten doch schärfer geworden. Verlegen räuspert sich der Elb, reibt das Kinn an seiner rechten Schulter und versucht sich dann an einem Lächeln, das reichlich schief gerät. "Verzeiht, ich.. es macht mich nur so wütend. Wisst Ihr, Muriels Mutter... sie sieht ihr so ähnlich und.. Das Mädchen hätte eines Tages auch so ausgesehen. Es ist einfach Verschwendung." Zu unruhig um am Tisch sitzen zu bleiben steht Teir auf und tritt an den Kamin. Auris hebt kurz den Kopf, doch als sie sieht, dass nichts weiter geschieht, lässt sie sich mit einem langen Seufzen zurückfallen.
Er würde es der Hündin gern gleich tun; einfach die Augen schließen und eine Weile an nichts mehr denken, doch er spürt Arúens Blick auf sich ruhen. Teir holt noch einmal tief Luft, zieht kurz die Lippen zwischen die Zähne und bringt sein Gesicht und seine aufgebrausten Gefühle wieder unter Kontrolle. Als er sich vom Feuer wegdreht, ist seine Miene nicht völlig ausdruckslos, doch die ohnmächtige Wut ist verschwunden und er sieht so müde aus, wie er sich fühlt. "Wie lange werden sie.. ihren Leichnam dort behalten, was glaubt ihr?" Der traurige Blick, mit dem Muriels Mutter ihn angesehen hatte, geht ihm einfach nicht aus dem Kopf und er überlegt, ob es für sie einen Unterschied macht, wenn sie ihr Kind ordentlich begraben kann.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 07. Jan. 2008, 19:48 Uhr
"Oh, dieses Sprichwort ist schon sehr alt, und es gibt es bei vielen Völkern in den unterschiedlichsten Formulierungen." Die Wut des Elben nimmt sie kommentarlos hin. "Es heißt, dass die Sterblichen nach ihrem Tod mit weißen Schiffen in die Andernwelt gelangen, wo sie unter den Seharim weilen... Ich kann nur raten, aber vielleicht hat derjenige, der diese Worte als erster sprach sie im Angesicht eines harten, entbehrungsreichen oder gar von Krieg, Leid und Qual gezeichneten Lebens gesprochen. Für ihn - oder sie - mag der Tod und damit die Aussicht auf die Andernwelt und ein Ende aller irdischen Qualen tatsächlich wie eine Gnade der Götter gewesen sein. Eine Gnade, die umso größer war, je früher sie einen vom Leben erlöste." Im Gegensatz zu Teir ist Arúen der Hunger nicht gänzlich vergangen. Sie stellt ihren zur Hälfte geleerten Becher zurück auf den Tisch und tut sich auf ihren Teller etwas von den Teigtaschen mit Sauerkraut, Linsen und Zwiebeln und dem gerösteten Frischkäse.

"Hier und heute mag das anders sein, das Leben ist nicht stets und ständig bedroht. Und es ist auch keine andauernde Qual - zumindest für die meisten nicht. Wisst Ihr,  Ihr habt noch nicht viel von den Immerlanden gesehen, Teir, aber... es gibt noch immer Orte, an denen der Tod durchaus eine Erlösung sein kann..." Sie nimmt einen Bissen und widmet ihre Aufmerksamkeit für einige Herzschläge dem Geschmack der roten Linsen, Zwiebeln und Gewürzen. Nicht, dass Cassandra sie für die Jagd nicht mit ausreichend und schmackhaftem Proviant versorgt hätte, aber es geht eben doch nichts über die frische Küche ihrer Obersten Magd. "Ja, Muriel hatte noch ihr ganzes Leben vor sich. Ja, sie wäre vermutlich zu einer jungen Frau herangewachsen, die ihrer Mutter sehr ähnlich gesehen hätte. Und ja, ein junges Leben so auszulöschen ist Verschwendung... Ihr müsst Euch nicht für Eure Wut entschuldigen, Teir." Sie hebt den Blick um dem unruhigen Ritter in die Augen sehen zu können, den es nicht länger in seinem Sessel hält. "Soweit ich das beurteilen kann, ist Wut der stete Begleiter der Trauer um ein verlorenes Leben. Für die, die zurückbleiben ist der Tod von jemandem, der einem nahe stand oder den man auch einfach gut gekannt hat immer ungerecht... Vor einigen Jahren starb eine junge Menschenfrau, die ich gut kannte. Wir hatten zusammen Dinge erlebt, die,... die uns so etwas wie Freundschaft haben schließen lassen. Sie wurde brutal ermordet. Selbst heute, wenn ich daran denke, macht mich dieser Tod noch traurig und wütend. Aber man kann mit dieser Wut leben, man muss sich nur trauen, sie zuzulassen. Irgendwann lässt ihr wütender Biss nach und macht dann Platz für die Trauer um das verlorene Leben."

Während die Elbin sich für eine kurze Weile dem Essen auf ihrem Teller widmet, um dem jungen Elben die Gelegenheit zu geben, sich und seine Gefühle wieder fassen, wendet Teir sich mit seinen nächsten Worten schon dem zu, wie es weitergehen wird. "Ich weiß nicht, wie lange sie den Leichnam in der Steinfaust behalten werden. Zuerst müssen die Untersuchungen abgeschlossen sein. Sie werden alles an Beweisen sichern, was sich finden lässt, und das dauert seine Zeit. Wenn sie damit fertig sind, wird man uns vermutlich eine Nachricht schicken, damit wir sie abholen und zu den Grauen Schwestern bringen können... Ich hoffe nur, dass das nicht allzu lange dauern wird. Aber vor allem hoffe ich, dass man ihren Mörder so bald wie möglich findet." Die Müdigkeit, die sich in den Augen des jungen Elben zeigt, entgeht Arúen nicht. Es wird nur noch wenig geredet, dann zieht sich Teir in seine eigenen Räume zurück. Und auch die Elbin legt sich wenig später zur Ruhe, macht in Gedanken eine Liste der Dinge, die sie in den nächsten Tagen zu erledigen haben wird, und findet dann Ruhe in den Tiefen der elbischen Trance.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 19. Jan. 2008, 20:49 Uhr
Es ist noch fast eine Stunde hin bis zum Sonnenaufgang, als Arúen sich mit kleinen, müden Augen und ihrer Tochter auf dem Arm auf den Weg hinunter in die Küche macht. Ihre Tochter wimmert leise in das große Schultertuch, in das die Elbin sich und das Kind gehüllt hat, und große Tränen kullern über das verweinte Gesicht. So geht das nun schon seit Stunden. Kaum, dass Arúen letzte Nacht in die tiefen elbischer Trance geglitten war, hatte das Weinen Rialinns sie auch schon wieder geweckt. Mitsamt ihres Pelzbären war das Kind zu ihr ins Bett geklettert und hatte sich fast schon verzweifelt in den mütterlichen Armen verkrochen. Zahnaua. So wie dieses Mal hat Rialinn sich schon lange nicht mehr mit einem neuen Zahn gequält. Und der Gang in die Küche jetzt am Morgen ist auch nicht der erste in dieser Nacht. In einer kleinen Porzellanschale hat Arúen dort angewärmtes Nelkenöl mit ein wenig Safran verrührt. Eine ziemlich teure Mischung, zugegeben, aber nachdem selbst das Einreiben des wunden Zahnfleisches mit Uisge nicht hat helfen wollen, hat die Elbin auf dieses Mittel zurückgegriffen um ihrer Tochter das Zahnen zu erleichtern. Leise Schlaflieder summend sitzt sie nun auf der Bank in der dunklen Küche und wiegt ihre Tochter sacht hin und her, immer in der Hoffnung, dass die Mischung bald Wirkung zeigt und das Kind wenigstens für kurze Zeit in seine Trance und zu etwas Ruhe findet.
Allerdings hat diese nächtliche Stille in der Küche, in der es wie stets nach Gewürzen, Brotteig und Birkenholzglut riecht, einen großen Nachteil: Trauer und Entsetzen über den Mord an Muriel, die sie gestern noch mit dem Beruhigen des Gesindes, dem Regeln der anstehenden Aufgaben und dem Gespräch mit Teir über den Tod der Sterblichen und die Natur der Trauer hatte verdrängen können, bis ihre Müdigkeit sie fast ansatzlos in tiefe Trance gezogen hatte, sind nun wieder da. Und jetzt kann sie sich ihnen nicht entziehen. Jetzt, wo der so sorgsam aufgebaute Schutzwall aus Pflichten und Selbstdisziplin sich verflüchtigt hat, kommen Trauer und Entsetzen wieder zurück, und Kummer breitet seine kalten Schwingen aus. Doch die beruhigende Stimmung der stillen Küche nimmt dem Kummer immerhin ein wenig von seiner Schärfe und dämpft ihn auf ein erträgliches Maß. Das Feuer im Herd ist fast niedergebrannt, es huscht nur noch ein flackernder Saum aus Feuer über die schwach glimmenden Kohlen, aber die Elbin kann sich nicht aufraffen, Holzscheite nachzulegen um das Feuer für das bald anstehende Morgenmahl wieder anzufachen.

Das schwarze Gewicht des Himmels wird erst langsam grau wie Holzkohle und ist dann, während Rialinn auf dem Arm ihrer Mutter längst in Trance geglitten ist, in zinnfarbenes Licht getaucht. Langsam lichtet sich der Morgennebel und die nackten Bäume werden sichtbar, auch noch der letzten Blätter durch den Wind und den Schneeregen der vergangenen Tage beraubt. Arúen sieht aus dem Fenster hinaus in den Küchengarten, sieht zu wie sich das Licht wandelt und der neue Tag erwacht... und nimmt es doch nicht wirklich wahr. Der Mord an Muriel trifft sie mehr als man ihr auf Anhieb anmerken würde, und sie wird eine ganze Weile brauchen, um darüber hinweg zu kommen, dass sie das Mädchen, das sie als Lehrmädchen in ihr Haus und in ihre Obhut genommen hat, dass sie es nicht hat schützen können.

Bis Sonnenaufgang ist es nicht mehr lange hin, als sich die Küchentür öffnet und Cassandra und Natie eintreten. Beide sehen alles andere als ausgeschlafen aus, und Arúen kann es ihnen nur zu gut nachempfinden. Vermutlich hat in der vergangenen Nacht niemand hier im Haus besonders viel Schlaf gefunden. "Guten Morgen, M'lady, was...?" Der Blick der Menschenfrau wandert von Arúen über Rialinn zu der kleinen Porzellanschale und wieder zurück zu dem jetzt friedlich ruhenden Kind. "Oh, zahnt sie wieder?" Das stumme Nicken der Elbin erwidert sie bloß mit einem verständnisvollen aber ziemlich gequält wirkenden Lächeln und einem Seufzen, das sich vermutlich weniger auf das zahnende Elbenkind bezieht als auf den Tod Muriels. Selbst Natie, die sonst immer die Gute Laune in Person ist, schaut traurig drein und erklärt leise, sie werde dann mal gehen, das Federvieh füttern und die Eier einsammeln. Cassandra beginnt wie jeden Morgen damit, die erste Mahlzeit des Tages vorzubereiten, aber so ganz scheint sie mit den Gedanken nicht bei der Sache zu sein. Erst schneidet sie sie sich beim Brotschneiden fast in die Hand, dann fällt ihr der Käse herunter und als ihr bewusst wird, dass sie in alter Gewohnheit dreizehn von den hölzernen Schalen für den Gerstenbrei auf den Tisch stellt, schießen der Frau die Tränen in die Augen. Da sie selber an diesem Morgen viel zu dicht am Wasser gebaut hat, beginnen auch Arúens Augen verdächtig blank zu schimmern, als sie darum ringt, nicht ebenfalls das Weinen anzufangen, damit sie ihre Tochter nicht weckt. "Warum bloß?" Auf die Frage weiß die Elbin keine Antwort. "Ich weiß es nicht, Cassandra... Ich weiß es einfach nicht..." Die Oberste Magd räumt fahrig ein paar Schüssel hin und her, steht einen Moment wie reglos am Tisch und setzt sich dann auf einen Stuhl gegenüber ihrer Herrin. "Wie geht es jetzt weiter? Was passiert jetzt?" Rialinn bewegt sich träge, steckt sich den Daumen in den Mund und schläft mit einem tiefen Ausatmen weiter. Mit einem sanften Lächeln streicht Arúen ihr die wirr abstehenden Haare glatt. In Gedanken ist sie bei Muriels Familie, den Eltern und Geschwistern des Mädchens, für die das alles noch viel schlimmer sein muss als für die Bewohner Vinyamars. Allein der Gedanke, jemand könnte ihrer Tochter so etwas antun, schnürt ihr die Kehle zu. Und in den Augen Cassandras kann sie ähnliche Gedanken erahnen.
"Sie werden den Mörder suchen, denke ich. Ihn hinrichten, wenn sie ihn haben, hoffe ich." Mit einem leisen Seufzen nimmt die Elbin sich eine der Teeschalen, die unterdessen aus der großen, bauchigen Kanne mit frisch aufgebrühtem Kräutertee gefüllt worden ist. "Ich werde nachher noch mal zur Steinfaust gehen. Vielleicht können sie heute schon sagen, wann man den Leichnam freigibt, damit Muriel bestattet werden kann... Und ich werde zusehen, dass die Blaumäntel bei ihrer Suche dafür sorgen, dass in der Stadt bekannt wird, dass ich eine Belohnung auf die Ergreifung von diesem Schweinehund aussetze." Schweinehund trifft es zwar nicht annähernd, aber in Anwesenheit der unterdessen zurückgekehrten Natie verkneift die Elbin sich alle heftigeren Bezeichnungen, die ihr für den Mörder einfallen - auch wenn es schwer fällt. "Es wird ihre Eltern weder trösten noch ihnen die Trauer nehmen. Aber vielleicht verschafft es ihnen immerhin soetwas wie Genugtuung, wenn der Kerl geschnappt wird und mit seinem Blut für das bezahlt, was er Muriel angetan hat."

Nach und nach erscheinen Mägde und Knechte in der Küche und setzen sich an den Tisch. Ganz anders als sonst wird kaum geredet, fliegen keine Scherzworte über den Tisch oder wird gelacht. Nur das Nötigste wird gesprochen, und selbst das nur leise, so als traue sich keiner, die Trauer der anderen mit lauten oder überflüssigen Worten zu stören. Selbst die beiden Hündinnen haben sich auf ihren Platz neben Arúens Sitz zurückgezogen und scheinen ihr Futter an diesem Morgen nicht anrühren zu wollen. Auch die Hunde merken, dass etwas passiert ist. Und vermutlich haben sie längst gemerkt, dass Muriel fehlt. Nevis erwidert den Blick der Elbin und gibt mit einem leisen, fragenden Jappen Laut. Gedankenverloren streicht Arúen ihr über das kurze, glatte Fell am Kopf. Ja, meine Schöne, ich weiß, dass ihr aufpasst. Rialinn wacht langsam wieder auf und rangelt im Arm ihrer Mutter umher, bis sie eine bequemere Position gefunden hat, bei der sie die anderen auch alle sehen kann. Aber von warmem Brei oder Brot will das Kind nichts wissen. Nur lauwarmen Tee mit Honig schluckt Rialinn gierig, um sich hinterher das Medaillon ihrer Mutter zu schnappen und darauf herumzukauen. Das kühle Silber scheint das wunde Zahnfleisch zu beruhigen, wie Arúen mit einer gewissen Erleichterung feststellt. Denn viel mehr von dem Nelkenöl mit Safran hätte sie ihrer Tochter auch nicht geben können.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 20. Jan. 2008, 17:33 Uhr
Dank der Beschreibung des Spitzbartträgers findet Nathan ohne große Schwierigkeiten das Ulmenanwesen. Er läuft ein wenig an der hohen mit allerlei Grünzeug bewachsenen Mauer entlang und entdeckt nach kurzer Zeit den von zwei großen Ulmen flankierten Eingang.
Bevor er jedoch hindurch schreitet, hält er einen Moment inne. Einmal um sich zum wiederholten male nach dem schwarzen Vogel umzusehen, der ihn wie ein Schatten zu begleiten scheint und auf einem Dachsinns Platz genommen hat und zum anderen, um noch einmal seine Gedanken zu sammeln.
Er ist seinem Ziel unter zu tauchen ein großes Stück näher gekommen. Wenn es ihm nun gelingt von den Leuten, die hinter dieser Mauer leben, angestellt zu werden, dann hat er sich wenigsten genug Zeit verschafft, um seine weiteren Schritte in Ruhe zu überdenken. Bei dem Gedanken für irgendwelche reichen Schnösel die Gartenarbeit zu verrichten, zieht es ihm zwar die Eingeweide zusammen, aber seinen verdammten Stolz wird er wohl oder übel für die nächsten Mondwechsel über Bord werfen müssen.

So folgt er nach kurzem Zögern dem hellen Kiesweg, der ihn durch einen idyllisch angelegten Garten voller prachtvoller Gewächse und Bäume dem ebenfalls mit Pflanzen bewachsenen Haupthaus des Anwesen näher bringt. Widerwillen beeindruckt schiebt Nathan seine Kapuze beiseite und blickt sich um. Im Sommer muss dieser Garten ein buntes Wunderwerk der harmonischen Farben und Düfte sein. Wer immer Herr oder Herrin, über diesen Garten ist, muss ein großes Verständnis für die Natur und ihre Belange haben, ansonsten lässt sich diese beeindruckende Anlage nicht erklären. Auf seinen vielen Reisen hat er die eine oder andere Parkanlage zu Gesicht bekommen, doch nur Elben haben dieses Feingefühl und das Gespür um solche Werke zu vollbringen.
Kopfschüttelnd bleibt er kurz vor der vorderen Veranda und der doppelflügligen Eingangstür stehen. Das hat ihm gerade noch gefehlt: Elben! Nicht das er persönlich etwas gegen sie hätte, aber er weiß nur zu gut, das sich die Feinfühligkeit der Elben nicht nur auf die Kunst des Gartenbaus beschränkt. Arèl mit dem er lange Zeit zusammen durch die Nordlande gezogen ist, war ein guter Waffengefährte, aber eben auch ein Elb, dem man leider nicht viel vormachen konnte. Manchmal hat Nathan auf ihren gemeinsamen Reisen das Gefühl gehabt, dass menschliche Gefühlsregungen, für Elben wie Arèl leichter zu erkennen und deuten sind, als manch einem Mann das launische Gefühlsleben eines menschlichen Weibes.
Und nun? Soll er sicherheitshalber wo anders nach Arbeit suchen?

Nachdenklich reibt Nathan sein bärtiges Kinn. Nein, das macht die ganze Sache zwar nicht einfacher, aber auch nicht unmöglich. Er wird so gut es geht die Wahrheit sagen müssen und hoffen, dass der gute Anstand es den Hausbesitzern verbietet, ihn Dinge zu fragen, die er nicht beantworten kann und will. Lügen ist leider noch nie seine Stärke gewesen.
Nathan überlegt kurz an der großen hölzernen Eingangstür zu klopfen, besinnt sich aber eines Besseren. Schließlich ist er kein Gast oder ein "Freund des Hauses", sondern nur ein Knecht auf der verzweifelten Suche nach einer Anstellung. "Wie sich Zeiten doch ändern können.", denkt er sarkastisch vor sich her lächelnd. Seine Suche nach einem Gesindeeingang dauert nicht lange. Auf der linken Seite eindeckt er eine unauffällige Tür, die zu einem der Wirtschaftsräume des Anwesens führen könnte. Zielstrebig steuert er darauf zu. Bevor er an der Tür klopft streicht er sich das ungewaschene, strähnige Haar hinter die Ohren und versucht den gröbsten Schmutz aus Hose, Stiefel und Umhang heraus zu klopfen. Ein vergeblicher Versuch, wie er nach kurzem Bemühen sofort feststellt.
Dann muss es eben auch so gehen.
Nathan hebt die Hand und klopft zweimal gegen die hölzerne Tür.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 20. Jan. 2008, 21:18 Uhr
Der erste klare Gedanke den er nach dem Erwachen aus seiner Trance zu fassen bekommt, ist, dass er wirklich Hunger hat. Doch als er sich daran erinnert, warum er sein Abendessen gestern nicht angerührt hatte, ist jeder Gedanke an etwas zu Essen wie fortgewischt. Muriel. Mit einem Seufzen schließt der Elb noch einmal die Augen, als ihm die Geschehnisse des gestrigen Tages wieder einfallen.
Im Haus ist es still wie nur selten. Normalerweise kann man um diese Zeit die Knechte und Mägde, Cassandra oder die Kinder hören, die sich einen guten Morgen wünschen oder erste Aufgaben verteilen, doch so sehr er sich auch bemüht, er hört nichts. Kein Wunder. Es war die ganze Zeit seit Muriels Verschwinden so still und jetzt... Das Gespräch vom Vorabend hatte ihm die Art und Weise der Menschen, mit ihrer Trauer umzugehen nur wenig näherbringen können, doch er ahnt, dass die Bewohner dieses Hauses ihre Trauer erst einmal jeder für sich verarbeiten müssen.
Er wählt helle, fast weiße Kleidung und legt neben seinem Tiri'Loath, einer etwa dreißig Sekhel langen, leicht gebogenen Klinge auch das schlichte Cai'Táqat an. Lady Arúen hatte nach einigen Diskussionen zähneknirschend eingesehen, dass er seine Aufgabe als ihr Leibwächter ohne Waffen nicht wirklich würde wahrnehmen können und ihm das tragen seiner Waffen im Haus erlaubt.

Als er die Küche betritt, ist es bis auf das gelegentliche Räuspern oder Kau- und Schluckgeräusche still, doch es ist nicht die gefräßige Stille, wie Cassandra es oft nennt, sondern ein lastendes Schweigen. "Guten Morgen." Teir spricht sehr leise und setzt sich auf seinen Platz gegenüber Cassandra, die mit rotgeränderten Augen wie ein einziges Häuflein Elend wirkt. Auch seine Dienstherrin wirkt mehr als nur müde und er schätzt, das es etwas mit dem schlafenden Elbenkind in ihrem Arm zu tun hat.
Cassandra füllt seine Schale mit Gerstenbrei und reicht ihm den Brotkorb, doch der Hunger, der ihn vor wenigen Minuten geweckt hatte, ist mit einem Mal wieder verschwunden. Während er sich mit Brot und Brei herumquält, verteilt Cassandra mit müder, leiser Stimme einige Aufgaben, doch sie wird von einem Klopfen an der Gesindetür unterbrochen. Verwundert hebt er eine Augenbraue an, legt den Löffel beiseite und seine Hand wandert völlig unbewusst an den Schwertgriff.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 21. Jan. 2008, 13:27 Uhr
Das Erscheinen Teirs bricht die bedrückte Stille nicht, die an diesem Morgen über der Küche und dem Morgenmahl liegt. Und der Elbenritter ist ebenso wie Lady Arúen in helle, fast weiße Kleider gewandet. Trauerweiß... sie tragen beide Trauerkleidung. wird Cassandra mit einem tonlosen Seufzen bewusst, als sie die Schale des Elben mit Gerstenbrei füllt und ihm den Korb mit dem Brot reicht. Sie weiß, dass er am Vorabend nichts gegessen hat, dazu ist zuviel unangerührt in die Küche zurückgekommen, als dass er etwas gegessen haben kann. Aber Appetit oder gar Hunger scheint er trotzdem nicht zu haben, so wie er mit dem Löffel in den Körnern herumstochert. Und ihr selber geht es auch nicht viel anders. Keinem von uns berichtigt sie sich selber in Gedanken, als ihr Blick über den Tisch, über Mägde und Knechte wandert.

Sie ist gerade dabei, die täglich Arbeiten und Aufgaben zu verteilen, als es an der Gesindetür klopft, die hinaus in den Küchengarten führt. "Wer kann das sein? Zu dieser frühen Stunde?" Die beiden Hunde sind schon auf den Beinen und verharren aufmerksam und fast lautlos grollend auf halbem Weg zwischen der Tür und der Elbin mit ihrem Kind, ehe Cassandra ihre Frage auch nur zu Ende ausgesprochen hat. "Anscheinend niemand den wir kennen," kommt es leise von der Hausherrin, die bei ihren Worten einen raschen Blick mit ihrem Ritter wechselt, dessen Hand bereits auf dem Griff seines Schwertes ruht. "Ich gehe nachsehen, wer das ist." Ullmar hat seinen Platz dichter an der Tür und erhebt sich mit den gewohnt ruhigen Bewegungen von seinem Stuhl. Aber auch ihm ist eine gewisse Anspannung anzumerken, als er zur Türklinke greift und die Tür öffnet.

Ein Schwall kalter Nebelluft dringt herein, vertreibt für einige Momente die warme Luft vom Feuer im Küchenherd und beschert der versammelten Frühstücksrunde ein fröstelndes Schaudern. Vor der Tür steht ein Mann, dessen Statur trotz des Mantels eher schmächtig wirkt. Zumindest verliert sie eindeutig im Vergleich zu den breiten Schultern und der kräftigen Statur Ullmars, obwohl sie ungefähr die gleiche Größe haben dürften. "Ja, bitte?" Abschätzend wandert der Blick des Großknechts über die Gestalt vor ihm. Die Kleidung besteht zum größten Teil aus schwarzem Leder, und vor einiger Zeit mag sie von guter Qualität gewesen sein, aber jetzt ist sie alt, abgetragen und hat ihre besten Zeiten eindeutig schon hinter sich. Von Schmutz und Dreck die vielleicht die Spuren einer langen Reise sein mögen ganz zu schweigen. Was ihm aber neben den Handschuhen, die ob der zahlreichen Löcher ihre Aufgabe die Hände warm zu halten kaum noch erfüllen können, auffällt, ist die auch ansonsten recht ungepflegte Erscheinung des Mannes. Ein stoppeliger Bart bedeckt Kinn und Wangen der nicht vom Versuch sich einen Bart wachsen zu lassen herrührt, sondern ganz offensichtlich der Ermangelung eines Rasiermessers entspringt. Obendrein ist es unübersehbar (und leider selbst auf einen Schritt Entfernung auch unüberriechbar), dass der letzte Besuch eines Badehauses schon eine ganze Weile her sein muss. Die Tür hat der Großknecht Vinyamars nur halb geöffnet. Zum einen will er nicht die ganze warme Luft hinaus lassen, zum anderen kann er nicht einschätzen, wen er da vor sich hat - Hausierer, Bettler oder ein Bote, den sein weiter Weg arg mitgenommen hat, alles scheint ihm im Augenblick möglich - und somit würde er ihn nicht ins Haus lassen, ehe er nicht wenigstens Namen und Begehr kennt. Trotz allem ist seine Frage bei allem Ernst nicht unhöflich oder abweisend. "Was führt Euch her?"

Die allgemeine Aufmerksamkeit in der Küche gilt noch der Tür zum Küchengarten, Ullmar, der wem auch immer den Zugang zum Haus verstellt (und ihnen den Blick auf den frühmorgendlichen Besucher), als aus der Halle der Nachhall des Türklopfers von der großen Eingangstür bis in die Küche dringt. Götter im Himmel, was ist denn heute morgen bloß los? Hier geht's ja zu wie im Rabenschlag. Cassandras Kopf wendet sich ebenso abrupt wie der der beiden Elben in Richtung der Tür, die in die Eingangshalle führt, einige Augenblicke des Zögerns vergehen, dann nickt Cassandra Nuala zu. "Geh, und schau, wer da ist und was er will."
Es dauert eine Weile, dann kommt die Frau zurück. Nicht gerade, dass sie blass geworden ist, aber ein Hauch Verwirrung steht ihr offen ins Gesicht geschrieben. "Da ist e-ein... da ist ein Faun." Die Magd ist beileibe kein Kind mehr, und sie hat in Talyra sicher auch schon mehr Angehörige fremder Völker gesehen, als die meisten Menschen der Immerland ein ihrem ganzen Leben. Dass die Steinfaust einen Faun in Diensten hat, ist in der Stadt mehr oder minder allgemein bekannt. Aber ganz offensichtlich hat Nuala noch nie einem Vertreter dieses Volkes direkt gegenüber gestanden. Sie holt einmal tief Luft, dann hat sie sich wieder gefangen. "Da ist ein Faun. Er kommt von der Stadtwache, sagt er. Und er möchte Euch sprechen, Lady Arúen, und Cassandra auch, wenn es geht." Cassandra, die schon um einiges länger in den Diensten einer Elbin steht, scheint die Anwesenheit eines leibhaftigen Fauns nicht so sehr aus der Fassung zu bringen wie die Magd. Ihre einzige Frage ist bloß "Du hast den Blaumantel hoffentlich nicht draußen in der Kälte stehen lassen?", was Nuala heftig den Kopf schüttelnd verneint. "Ich habe ihn in die Halle gelassen und gebeten zu warten."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Faron am 21. Jan. 2008, 15:54 Uhr
« Die Steinfaust

Entschlossen ergreift Faron den schweren Türklopfer an der Tür des Ulmenanwesens, um ihn zweimal kraftvoll zu betätigen. Er ahnt nicht, dass er nicht der einzige ist, der zu dieser frühen Morgenstunde gegen eine der Türen des herrschaftlichen Anwesens pocht. Geduldig wartet er darauf, dass jemand kommt, um zu öffnen. Als die Tür schließlich aufgeht, findet er sich unversehens einer kleinen zierlichen Person mittleren Alters mit braunem Haar, in welchem schon die eine oder andere Silbersträhne glitzert, gegenüber. Sprachlos schaut die Magd ihn an und sucht einen kleinen Moment nach den richtigen Worten, bevor sie ihn endlich verdattert begrüßt und sich nach seinem Anliegen erkundigt. Höflich und mit so wenig Worten wie möglich, wie dies nun einmal seine Art ist, schildert der Oberste Stallmeister ihr den Grund seiner Anwesenheit, nachdem er sich ein wenig ungenau als „Bote der Steinfaust“ vorgestellt hat. Da er ja quasi in offizieller Mission unterwegs ist, hält er es für angebracht, nicht nur um ein Gespräch mit der Obersten Magd Cassandra, sondern auch mit „der Herrin Arúen“ persönlich zu bitten. Zwar weiß er aus den Gesprächen mit dem Kastellan und dem Lord Comamnder, dass die Oberste Magd des Ulmenanwesens die Vermisstenmeldung aufgegeben und das tote Mädchen schließlich identifiziert hat, und sie ihm gewiss sagen kann, wie er zum elterlichen Hof der Verstorbenen gelangen kann, allerdings hält es der Faun für unangemessen, der Hausherrin nicht wenigstens kurz gegenüber zu treten. Und wenn ich ihr nur anbiete, eine Nachricht mit zum Hof hinaus zu nehmen, oder etwas ähnliches, sagt er sich.

Verlegen bittet ihn die Magd herein und tritt ein Stück beiseite, um ihn in die große Eingangshalle zu lassen. „Wartet bitte hier“, erklärt sie verlegen. „Ich werde Lady Arúen und Cassandra sagen, dass Ihr hier seid.“ Faron nickt. „Vielen Dank“, entgegnet er und versucht so wenig furchteinflössend wie möglich zu wirken. Nachdenklich blickt er ihrem flatternden Rock nach, bis sie sich durch eine der beiden Türen, etwas weiter hinten im Raum verschwindet. Sein Anblick scheint die Magd ziemlich aus der Fassung gebracht zu haben und er kann nicht umhin sich nervös zu fragen, ob es wirklich so eine gute Idee von ihm war, anzubieten noch einmal Muriels Eltern aufzusuchen. Immerhin handelt es sich um einfache Leute, Bauern. In der Stadt kennt man ihn mittlerweile, wenn die Magd allerdings trotzdem so aus der Fassung gerät, stellt sich schon die Frage, wie Muriels Eltern da erst auf sein Erscheinen reagieren werden ... Hoffentlich greifen sie nicht gleich zu Mistgabel und Rechen, denkt der Faun missmutig und seine Miene verfinstert sich ein wenig. Grübelnd schaut er sich um. Die Wände des geräumigen Saals bestehen aus hellem unverputztem Stein. Hier und dort stehen ein paar dunkle, eisenbeschlagene Truhen, über denen prachtvolle Gobelins an den Wänden angebracht sind. Und gleich links neben der Eingangstür befindet sich eine Treppe, die offenbar ins obere Stockwerk des Hauses führt.  

Faron tritt von einem Huf auf den anderen, während sein Blick ziellos umherschweift. Schließlich geht er näher an einen der prächtigen Gobelins heran, um die Szenen darauf genauer zu betrachten. Mit den meisten Darstellungen kann er aber herzlich wenig anfangen. Über die Geschichte der Elben weiß er kaum etwas, und Legenden über die Archonen kennt er ebenfalls nur wenige, da sein Stamm ausschließlich Ealara verehrt, und er selber ohnehin nicht sonderlich gläubig ist. Muriels Ermordung hat an seiner Einstellung, sich im Zweifelsfall immer lieber auf sich selber als auf die Götter zu verlassen, nichts geändert, sondern seine Haltung im Gegenteil sogar noch gefestigt. Allerdings fragt er sich, ob es nicht trotzdem gut wäre, wenn er sich besser mit Ealara, der grünen Urmutter sowie mit den Göttern und ihren Archonen auskennen würde. Die Vermutungen von Aurian und Maester Kar Sheis Bekannter waren sofort in Richtung Ritualmord gegangen, und wenn dem schrecklichen Mord tatsächlich irgendwelche religiösen Motive zu Grunde lägen, wäre es sicher nützlich, sich in diesen Dingen auszukennen. Der Faun schüttelt den Kopf. Nun denn, ich werde es wohl Aurian, Maester Kar Shei und den anderen gelehrten Köpfen überlassen müssen, sich über derlei Sachen Gedanken zu machen ...

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 23. Jan. 2008, 10:24 Uhr
Nathan blickt gespannt auf die sich öffnende Tür. Ein kräftig gebauter Mann erscheint im Türrahmen und beginnt nach einem bestimmten >„Ja bitte?“< Nathan von oben bis unten zu mustern. Nathan tut es ihm gleich und kommt nach kurzer Zeit zu dem Schluss, dass sein Gegenüber, wohl einer der Hausangestellten sein muss. Aus der nur halb geöffneten Tür zieht ein angenehmer Duft von frisch angezündetem Holz und gutem Essen nach draußen. Was sich hinter dem stattlichen Mann verbirgt lässt sich nur erahnen, denn sein breites Kreuz nimmt Nathan fast vollständig die Sicht auf den dahinter liegenden Raum. Aber anhand der behaglichen Wärme und der Essensgerüche, die nach draußen dringen, nimmt er an, dass es sich wohl um die Küche des Anwesens handeln muss. Er hört ein Klappern und Scheppern hinter der Tür, das immer leiser wird und schließlich einer gespannten Stille weicht. Nathan vermutet, dass noch weitere Zuhörer seine nächsten Worte neugierig belauschen und beurteilen werden.

>"Was führt Euch her?"<, fragt der Mann, nachdem er die eingehende Musterung des Fremden abgeschlossen zu haben scheint. Seine Stimme ist nicht unfreundlich, aber auch nicht gerade einladend, was sowohl an der noch frühen Stunde als auch an Nathans ramponierten Aussehen liegen mag. Nathan fühlt sich zusehends unwohler in seiner Haut. Es hat ihm noch nie behagt, als Bittsteller aufzutreten, weder zu Zeiten als er noch mit Arèl, Rathack und den anderen durch die Lande gezogen ist und mit manch angesehenen Fürstenhaus in Verbindung stand, noch als Kind als er fast wie heute auf der Suche nach Essen und einem Schlafplatz von Bauernhof zu Bauernhof gezogen ist.
Er führt seine Hand zum Kinn und reibt sich mehrmals über seinen kurzen, ungleichmäßigen Bart.
Es wird Zeit, einmal wieder über deinen eigenen Schatten zu springen, Nathan. Schließlich warst du lange genug ein kleiner Handlanger auf verschiedenen Höfen. Sich zu fügen, verlernt man nicht.

Nathan hebt kurz die Hand zum Gruße und sagt dann:
„Ich habe von Eurem Anschlag am Marktplatz erfahren. Dort heißt es, dass Ihr Hilfskräfte für die Arbeit im Haus und Garten sucht. Ihr könnt mich Iestin nennen und ich würde gerne bei Euren Hausherren um eine Anstellung….bitten!“
Das Wort bitten kommt ihm nur schwer über die Lippen. Er hat das Gefühl als würde dieses vermaledeite Wort aus vielen Ecken und Kanten bestehen, die es ihm unmöglich machen, es ohne das Gesicht zu verziehen auszusprechen.
Er sucht den Blick des stämmigen Türstehers und erwidert ihn. In Nathans blauen Augen spiegeln sich Stolz und Überwindung, die es ihn kostet, sein Anliegen vorzubringen, aber auch Neugier und ein Funken Spott seiner eigenen Lage gegenüber.
„Mein Aussehen spricht nicht gerade für mich.“, fügt er nach einer kurzen Pause an. „Aber ich kann Euch versichern, dass es auch Zeiten gab, wo diese Kleidung und der Mann, der darin steckt, in einem besseren Zustand waren.“ Sein rechter Mundwinkel verzieht sich zu einem selbstironischen Lächeln. „Lange Reisen fordern oft ihren Tribut.“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 25. Jan. 2008, 17:58 Uhr
Ullmar öffnet die Tür und versperrt ihnen mit seinem breiten Kreuz den Blick auf den Mann davor. >Was führt Euch her?< Der Knecht klingt nicht unfreundlich und Teir löst mit einem verschmitzten Lächeln die Hand vom Schwertgriff. Offensichtlich keine Bedrohung. Der Fremde an der Küchentür hat noch nicht einmal geantwortet, als es auch schon ein weiteres mal klopft. Nach einem Moment der Stille schickt Cassandra Nuala in die Eingangshalle, um nach dem Begehr dieses Besuchers zu fragen.
Teir spitzt die Ohren, als der Mann vor der Küchentür zu sprechen beginnt, aber er kann nichts als den Tonfall heraushören. Wer auch immer dieser Mann ist, es fällt ihm nicht leicht um etwas zu bitten, selbst wenn es sich nur um etwas so durchaus verständliches wie ein Arbeitsplatz handelt. Ullmar wirft, als der Mann nach einigen Sätzen schweigt, einen kurzen Blick nach hinten in die Küche und Arúen, die das Gespräch offensichtlich besser verfolgen konnte als Teir, nickt.
Als Nuala die Küche wieder betritt wirkt sie eindeutig etwas verwirrt. >Da ist ein Faun. Er kommt von der Stadtwache, sagt er. Und er möchte Euch sprechen, Lady Arúen, und Cassandra auch, wenn es geht.< Teir verschluckt sich beinahe an seinem Tee, denn von Faunen hatte er bisher wirklich nur gelesen und gehört. Und die Steinfaust hat einen in ihrem Dienst. Diese Stadt ist wunderbar. Der Elb leert seinen Teebecher und wirft seiner Dienstherrin einen fragenden Blick zu. Die Elbin erhebt sich, reicht Rialinn vorsichtig an Nuala weiter, ohne dass das Elbenkind auch nur mit der Wimper zuckt und wendet sich dann ihm zu. >Teir, bringt den Mann bitte in das Schreibzimmer, das hier unten. Ich werde eben mit dem Blaumantel sprechen und so bald wie möglich nachkommen. Ullmar, lass den Mann herein.<
Ullmar öffnet die Tür weiter, tritt einen Schritt beiseite und überlässt es dann Teir, Nathan in das Schreibzimmer zu führen, während Arúen und Cassandra die Küche verlassen, um sich um den Faun zu kümmern.

Erst jetzt kann Teir den jungen Mann vor ihrer Küchentür genauer in Augenschein nehmen. Die schwarzen Kleider sind in keinem guten Zustand, aber er erkennt die einstmals durchaus gute Qualität. Teirs Gesicht trägt einen unverbindlichen, aber durchaus freundlichen Ausdruck und er neigt leicht den Kopf zum Gruß. "Guten Morgen, mein Name ist Teir von Lyrtaran. Folgt mir bitte." Er wartet einen Augenblick, um Nathan die Möglichkeit zu geben, sich kurz in der Küche umzusehen und die noch darin befindlichen Personen zu begrüßen.
Teir führt Nathan aus der Küche und in die Eingangshalle hinaus, wo er beim Anblick des Fauns kurz ins Stocken gerät. Doch er fängt sich rasch, nickt dem Faun kurz grüßend zu und führt Nathan in den Südflügel hinüber. Er bringt den Mann nicht in das eigentliche Empfangszimmer, sondern in das relativ neu eingerichtete Schreibzimmer. In dem kleinen Raum befinden sich nur ein Schreibtisch elbischer Machart, der dazugehörige Stuhl, ein Regal mit den Büchern des Anwesens und die zwei Besucherstühle. Der Raum hat keinen direkten Kaminzugang, sondern wird von einem Kohlebecken beheizt. Das heißt, normalerweise ist es beheizt, denn jetzt am frühen Morgen liegen nur noch ein paar Aschekrümel darin. Der Elb will sich gerade entschuldigend zu Nathan umdrehen, als auch schon Helma mit glühenden Kohlen aus der Küche. "Danke, Helma."
Er vermutet, dass der Faun wegen noch offenen Fragen zu Muriels Tod hergekommen ist. Da seine Dienstherrin erst gestern wieder in die Stadt zurückgekehrt ist, schätzt er das sie dem Blaumantel nicht viel sagen kann und ihnen bald folgen wird. Mit einer Geste bedeutet er dem dunkel gekleideten Fremden Platz zu nehmen und überlegt einen Augenblick krampfhaft, was er sagen soll, um das Schweigen zu brechen. Aber da ihm nichts einfällt, hält er den Mund und trägt eine undurchsichtige Miene zur Schau.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 26. Jan. 2008, 22:47 Uhr
Sie hört Ullmars Frage an den morgendlichen Besucher ebenso wie dessen Antwort, zwar nicht jedes Wort, aber dafür den Klang der Stimme. Warum tut er sich so schwer damit, um Arbeit nachzufragen? Daran ist doch nichts Schändliches? Und genau das weckt ihre Neugier. "Auris, Nevis, jerfa." Die beiden Hündinnen verlassen auf das Wort der Elbin den Platz, den sie mitten in der Küche bezogen haben und stellen sich unverändert wachsam zwischen ihre Herrin und Teir. Der junge Ritter hat die Hand wieder vom Griff seines Schwertes genommen. Gerade als sie Ullmar sagen will, dass er den Mann, zumindest klang die Stimme nach einem Mann, hereinlassen soll, kommt Nuala aus der Halle zurück und meldet einen Faun der Stadtgarde, der Arúen und Cassandra zu sprechen wünsche. Götter im Himmel, was soll das für ein Tag werden, der schon so beginnt... Das Frühstück fällt dann wohl vorerst aus. Ein kurzer Blickwechsel mit dem Elben neben ihr, dann erhebt sie sich und legt Rialinn in die Arme von Nuala, vorsichtig, damit das Kind nicht aufwacht. "Teir, bringt den Mann bitte in das Schreibzimmer, das hier unten. Ich werde eben mit dem Blaumantel sprechen und so bald wie möglich nachkommen. Ullmar, lass den Mann herein." Sie nickt Cassandra zu, die ihr wortlos in die Halle folgt, währen Ullmar die Tür gänzlich öffnet und den Mann einlässt, der um eine Anstellung nachfragt. Aber ehe der tatsächlich die Küche betreten hat, sind die beiden Frauen schon längst durch die andere Tür hinaus um in die Halle von Vinyamar zu gelangen.

In der Halle steht der Faun vor einem der großen Wandgobelins. Aber ob er tatsächlich die dargestellten Szenen aus der Geschichte der Elben betrachtet, oder ob er einfach etwas sucht, um die Zeit des Wartens zu überbrücken, wüsste sie nicht zu sagen. Überhaupt wirkt die ganze Körperhaltung des Fauns eher angespannt, wie er von einem Huf auf den anderen steigt, ganz so, als fühle er sich in diesem Haus oder mit dem Auftrag der ihn hierher führt unwohl. Welcher von beiden Gründen es ist, kann Arúen nur raten, also lässt sie es gleich bleiben. Aber wie um aller Götter willen redet man einen Blaumantel an? Einen Faun, dessen Namen sie sie nicht kennt, und von dem sie nur gerüchteweise weiß, dass er der oberste Stallmeister der Steinfaust sein soll?
"Die Götter zum Gruße." Ein leichtes Neigen des Kopfes und ein freundliches Lächeln begleiten ihre Begrüßung. Die Trauer in ihren Augen kann es aber weder vertreiben noch verbergen. "Ich bin Arúen Liasiranis, die Herrin von Vinyamar. Das hier ist Cassandra. Ihr wolltet uns sprechen, wegen... Muriel, vermute ich." Sie will nicht unhöflich sein, indem sie den Faun weder mit einem Namen noch einem Titel anspricht. Aber sie weiß einfach nicht, welcher Titel oder welche Anrede unter den Sterblichen einem Stallmeister zukommt, oder ob der oberste Stallmeister der Steinfaust vielleicht gar zu den Offizieren zählt. Schweigend hört sie dem Faun zu, der sich als Faron vorstellt und den Grund seines Besuches in wenigen ruhigen Worten darlegt. Kein Mann, der unnötige Worte macht. Der Gedanke ist nicht im Geringsten unfreundlich. Allerdings erklärt Arúen dem Faun anschließend, dass sie ihm leider nicht im Geringsten weiterhelfen könne, da sie erst in der vergangenen Nacht von der Jagd zurückgekehrt sei und da erst von Muriels Verschwinden und deren Fund am vergangenen Morgen erfahren habe.

Aus dem Augenwinkel sieht sie Teir, der einen jungen Mann in dunkler Kleidung durch die Halle hinüber in den Südflügel und zum Schreibzimmer bringt. Und sie sieht, wie Cassandras Blick den beiden ebenfalls kurz folgt. Und Arúen wird das Gefühl nicht los, dass ihre Oberste Magd in Gedanken bereits überschlägt, wieviele Kessel heißes Wasser und wieviel Seife sie brauchen würden, um den Mann wieder in einen akzeptablen Zustand zu versetzen. Ein leises Räuspern der Elbin genügt allerdings, um die Aufmerksamkeit der Menschenfrau wieder auf den Faun zurückzulenken. Lass mich doch erst einmal mit ihm reden, Cassandra. Wenn er wirklich hier in Dienst tritt, dann kannst Du ihn immer noch mit heißem Wasser und Seife in den großen Zuber in die Waschküche stecken. "Ich fürchte, ich werde Euch keine große Hilfe sein können, Faron, im Gegensatz zu Cassandra. Wenn Ihr mich also entschuldigt. Es wartet noch jemand, der mich sprechen möchte." Eine knappe, entschuldigende Geste begleitet ihre Worte. "Aber ich komme hinterher gerne noch einmal zu Euch, falls es Fragen geben sollte, die Cassandra Euch nicht beantworten kann." Mit einem kurzen Gruß verabschiedet sie sich und lässt Cassandra und den Faun alleine in der Halle zurück, während sie selber den Seitengang zum Südflügel betritt, in dem Teir und der noch unbekannte Besucher vor einigen Minuten verschwunden sind.

Die Tür zum Schreibzimmer steht einen Spalt weit offen, und Helma kommt ihr mit einem nun leeren Kohleneimer entgegen, was Arúen mit einem Nicken quittiert. Sie hat das Kohlebecken gefüllt, gut. Immerhin hat sie ihr großes Schultertuch in der Küche bei Rialinn zurückgelassen, und ohne das, hätte es dort im ungeheizten Schreibzimmer recht kühl und ungemütlich werden können. Aus dem Zimmer dringt kein Laut heraus, Elb und Mensch scheinen sich anzuschweigen. Nun denn, mal schauen, wer das ist und was er sich an Arbeit vorstellt, um die er bittet. Sie öffnet die Tür und betritt das Schreibzimmer. Sie hat es erst im vergangenen Frühjahr eingerichtet, bis dahin war der Raum neben dem Empfangs- und Speisezimmer ungenutzt gewesen. Es ist kein sonderlich großer Raum, aber sie hat die alljährlichen Gespräche und das Abrechnen des Zehnten mit den Pächtern nicht mehr in der Halle abhalten wollen, und in ihr privates Schreibzimmer im Obergeschoss hat sie das auch nicht verlegen wollen. Also hat sie ein zweites Zimmer eingerichtet, in dem ausschließlich die Belange des Ulmenanwesens verhandelt werden. Der Raum ist schlicht und schmucklos, mit unverputzten Wänden und einem hölzernen Regal in dem sich die Wirtschaftsbücher und Aufzeichnungen Vinyamars befinden. Dazu ein Schreibtisch elbischer Machart vor dem Fenster mit einem hochlehnigen Stuhl davor für die Hausherrin, ein schwanenförmiges Kohlebecken und zwei Stühle mit niedrigen Lehnen für Besucher.
Der Fremde hat auf einem jener Stühle Platz genommen, und Teir steht stumm und reglos halb hinter dem Stuhl auf dem Arúen nun Platz nimmt. Aufmerksam betrachtet sie den Mann vor ihr. Seine Kleidung ist größtenteils aus schwarzem Leder gefertigt, und so abgetragen wie sie aussieht, hat sie auch schon deutlich bessere Zeiten gesehen. Er ist unrasiert, und die Haare hängen ihm strähnig und ungewaschen um den Kopf. Die letzten Worte, die sie so gerade eben noch verstanden hat, als er vor der Tür stand, kommen ihr in den Sinn >Mein Aussehen spricht nicht gerade für mich. Aber ich kann Euch versichern, dass es auch Zeiten gab, wo diese Kleidung und der Mann, der darin steckt, in einem besseren Zustand waren. Lange Reisen fordern oft ihren Tribut.< Dem kann sie angesichts der ungepflegten, fast schon abgerissenen Erscheinung nur zustimmen. "Ich bin Arúen Liasiranis, die Herrin hier auf Vinyamar. Ihr sucht eine Anstellung und habt am Markt von unserem Aushang erfahren, sagtet ihr." Ihr Blick ist aufmerksam auf den Fremden gerichtet, doch ihr Gesicht bleibt dabei unergründlich ohne ablehnend zu wirken. Es ist ihr weder anzusehen, was sie von seiner Erscheinung hält, noch was sie vielleicht über ihn denkt. "Wir suchen jemanden für die Arbeiten in Haus und Garten und draußen auf den Feldern." Falls er es noch nicht weiß, oder bisher vielleicht nur vermutet hat, nun kann der Fremde mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass Vinyamar selber nicht alles an Grund und Boden ist, der zum Ulmenanwesen gehört. Genauso weiß er nun, dass hier neben einem Gärtner auch ein Knecht gesucht wird, jemand der auch mit Feldarbeit umgehen kann. "Doch zuerst möchte ich wissen, mit wem ich es zu tun habe... und ob ihr Erfahrung mit den Arbeiten auf einem Hof habt."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Faron am 28. Jan. 2008, 12:20 Uhr
Faron muss nicht lange auf die Herrin des Ulmenanwesens und die Oberste Magd warten. »Die Götter zum Gruße. Ich bin Arúen Liasiranis, die Herrin von Vinyamar. Das hier ist Cassandra. Ihr wolltet uns sprechen, wegen... Muriel, vermute ich.« Faron neigt bedächtig das Haupt, erwidert Lady Arúens Gruß und stellt sich höflich vor, bevor er den beiden Frauen sein Anliegen vorträgt. Das Gespräch wird kurz unterbrochen, als ein Elb die Halle betritt und Faron ebenfalls kurz grüßt, bevor er seinen Begleiter in den Südflügel des Hauses geleitet. Der Faun erwidert die Geste mit einem knappen Nicken, wendet sich anschließend aber sofort wieder der Herrin des Ulmenanwesens und ihrer Obersten Magd zu. »Ich fürchte, ich werde Euch keine große Hilfe sein können, Faron, im Gegensatz zu Cassandra. Wenn Ihr mich also entschuldigt. Es wartet noch jemand, der mich sprechen möchte. Aber ich komme hinterher gerne noch einmal zu Euch, falls es Fragen geben sollte, die Cassandra Euch nicht beantworten kann«, erklärt Lady Arúen ihm nach dieser kleinen Unterbrechung und der Faun neigt verständnisvoll den Kopf. „Ich danke Euch, Herrin“, brummt er. „Lebt wohl.“ Sein Blick folgt ihr nur kurz, als sie ebenfalls in Richtung Südflügel verschwindet.

Höflich wendet er sich Cassandra zu. „Könnt Ihr mir sagen, wie ich am besten zum Hof von Muriels Eltern gelangen kann?“, erkundigt er sich. „Ich hörte das Gehöft befindet sich ein wenig außerhalb der Stadt irgendwo im Umland.“ Er macht eine kurze Pause und betrachtet die Magd nachdenklich. „Soweit ich informiert wurde, habt Ihr ausgesagt, dass Muriels Eltern ihre Tochter, an dem Tag, an dem sie verschwand, noch ein Stück zum Ulmenanwesen zurückbegleiteten und sich erst hinter der Harfe von trennten, nicht wahr?“ Der Faun runzelt die Stirn. „Von dort ist man binnen weniger Minuten hier“, murmelt er mehr zu sich selber, als an Cassandra gewandt. Sein Neffe fällt ihm ein, eigentlich ein zuverlässiger Bursche, nur dann und wann ein wenig sprunghaft. „Bestimmt ist das nicht leicht für Euch, aber wisst Ihr eventuell, ob Muriel Freunde oder Bekannte hier in der Stadt hatte, die sie hätte aufsuchen können?“, erkundigt er sich sanft. „Vielleicht wollte sie ja noch schnell bei jemandem vorbei schauen, bevor sie nach Vinyamar zurückkehrte?“, überlegt er weiter. Er kann sich einfach nicht erklären, weshalb das Mädchen das Ulmenanwesen nie erreicht hat. Wenn Muriel ihrem Mörder auf ihrem Wegstück begegnete, warum begleitete sie ihn dann möglicherweise vollkommen freiwillig? Kannte sie ihren Mörder vielleicht? Vertraute sie ihm? Oder wollte sie, wie sein Neffe es gelegentlich vor dem Heimkehren tat, noch rasch bei einem Freund oder einer Freundin vorbei schauen? Wohin könnte das Mädchen von der Harfe aus bloß gegangen sein? Faron sieht Cassandra fragend an. „Könntet Ihr Euch vorstellen, wohin Muriel gegangen sein könnte, wenn sie aus irgeneinem Grund von der Harfe aus nicht den direkten Weg zum Ulmenanwesen eingeschlagen hat? Vielleicht eine Freundin, die ganz in der Nähe wohnt?“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 28. Jan. 2008, 13:34 Uhr
Wortlos folgt Cassandra der Elbin aus der Küche in die Halle. Einerseits ist sie, nun ja, nicht erfreut, aber doch erleichtert, dass sich die Stadtoberen oder vielmehr die Steinfaust anscheinend doch intensiv darum kümmern, wer Muriel getötet haben könnte, und es nicht als belanglos abtut, weil es bloß irgendein Dienstmädchen gewesen ist. Aber andererseits findet sie es auch beunruhigend, so als stecke mehr hinter den Nachforschungen, als man die Bürger Talyras wissen lassen will. Den Faun in der Halle, auf den ihre Herrin so selbstverständlich zugeht, als stünde tagtäglich ein Vertreter dieses zurückgezogen lebenden Volkes in der Halle Vinyamars betrachtet sie aufmerksam aber nicht unhöflich oder gar aufdringlich. Es ist der offene Blick einer Obersten Magd, die einen noch unbekannten Besucher betrachtet. Immerhin hat eine Zeitlang sogar ein junger Sturmdrache zum Haushalt gehört und die Herrin geht mit einem Wargen auf die Jagd, da ist ein Faun zwar ungewöhnlich, aber auch wieder nichts, was sie aus der Fassung oder zum Starren bringen würde. Kurz wird ihre Aufmerksamkeit von der Unterhaltung Lady Arúens mit dem Blaumantel abgelenkt, als Lord Teir einen dunkel gekleideten Mann durch die halle in den Südflügel führt, der soweit sie das hören konnte um eine Anstellung vorspricht. Ein rascher, abwägender Blick, und fast wie von selber beginnt sie abzuschätzen, ob zwei Kessel Heißwasser und ein Block Seife wohl reichen würden, um den Mann wieder in einen respektablen Zustand zu versetzen. Hmmm... Eine bloße Wäsche reicht wohl nicht, besser drei Kessel, dann reicht es für ein Bad im Zuber. Die Gedanken die sie sich macht haben nichts vorwurfsvolles oder überhebliches, sie sind rein sachlich. Nur zu gut kann sie sich an ihren eigenen Aufzug erinnern, als sie damals dem Templer auf dem Platz der Händler begegnet ist. Und der hatte sie in Dienst genommen, obwohl ihre Kleidung und die ihrer Tochter deutlich mitgenommener ausgesehene hatten, als die des jungen Mannes da eben. Und heißes Wasser zum Waschen oder gar ein Bad hatten wir da schon Wochen nicht mehr gesehen. Energisch verdrängt sie aber alle Gedanken in diese Richtungen, dafür wäre auch später noch Zeit, falls die Herrin den Mann überhaupt in ihre Dienste nimmt. Erst einmal richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf den Faun, der sich unterdessen als Faron vorgestellt hat und seine Fragen nun direkt an Cassandra richtet, nachdem Lady Arúen erklärt hat, dass sie den letzten Siebentag gar nicht in der Stadt gewesen und somit keine große Hilfe sei.

"Der Hof von Muriels Eltern liegt etwas außerhalb, das ist richtig. Mit dem Ochsenkarren sind es wohl 3 Stunden, schätze ich. Kennt ihr die Dorfruine von Weidenhag südlich der Stadt? Wenn Ihr dort dem Pfad neben dem Wasserlauf gegen den Strom durch die Felder und in den Wald hinein folgt, kommt ihr zum Hof von Muriels Familie." Sie stockt ein wenig, als ihr der Gedanke kommt, wie die Familie wohl auf das Erscheinen des Fauns reagieren mag. Sie leben dort so zurückgezogen... "Ähm... ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee, ist, wenn Ihr die Eltern alleine aufsucht. Bitte versteht mich nicht falsch, Faron, aber... die Familie lebt dort sehr zurückgezogen. Sie kommen selbst zum Markt nur selten in die Stadt, und ich weiß nicht, wie sie in dieser Situation auf jemanden reagieren, den sie nicht kennen, und der sie nach ihrer Tochter fragt." Dass ihr diese Bedenken vor allem deswegen kommen, weil Faron kein Mensch sondern ein Faun ist, spricht sie nicht aus, aber die Schlussfolgerung ist nicht schwer zu ziehen. "Vielleicht sollte euch jemand von Vinyamar begleiten, den man dort kennt." Unterdessen hat Cassandra den Faun an das rückwärtige Ende der Halle geführt und ihm einen Platz angeboten, damit er nicht wie ein ungebetener Gast mitten in der Halle stehen muss. Hier, vor dem Kamin der die Halle neben dem Hypokaustum heizt, stehen mehrere hochlehnige Stühle elbischer Machart um einen großen Tisch herum, und einer davon ist so geformt, dass auch ein Faun bequem darin Platz finden kann.

"Ihre Eltern haben es uns, oder vielmehr Lord Teir erzählt, als er dort war um nach Muriel zu fragen, dass sie sie abends noch den halben Weg bis nach Vinyamar gebracht haben, ehe sie sich selber auf den Rückweg zum Hof gemacht haben. Das war kurz vor Einsetzen der Dämmerung, sie hätte also eigentlich mehr als rechtzeitig wieder hier sein müssen." Kurz muss Cassandra ihren Blick von Faron abwenden um sich wieder zu fangen, ehe sie auf die nächste Frage des Fauns antworten kann. Sie macht sich noch immer Vorwürfe, dass sie das Mädchen nicht selber am Markt bei den Eltern abgeholt hat, oder zumindest jemanden geschickt hat, der sie abholt.
"Nein, ich glaube nicht. Verwandte hat die Familie soweit ich weiß keine hier in der Stadt. Muriel hat nur einmal etwas von einer Tante in Verd erzählt. Und Freunde oder Bekannte?... Wisst Ihr, Muriel ist... war ein sehr stilles Mädchen, fast schon scheu. Und sie war erst seit dem Eisfrost als Lehrmädchen hier auf Vinyamar angestellt. Von Bekannten oder gar Freunden hat sie nie etwas erzählt, und sie war eigentlich auch fast nie alleine in der Stadt, außer mal für Botengänge oder um kleinere Besorgungen am Marktplatz zu erledigen... Und selbst da ist meistens eine der anderen Mägde dabei gewesen, weil sie sich hier in Talyra noch nicht so gut auskannte." Mit einem Seufzen holt sie tief Luft. "Nun ja, wir hatten gedacht, sie habe Heimweh nach ihren Eltern gehabt und sei mit denen nach hause zurückgekehrt. Aber dem war ja nicht so. Und ansonsten wüsste ich nicht, wohin sie gegangen sein sollte. Ich... ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie einen Umweg gemacht haben könnte oder so, sie war immer sehr zuverlässig. Außerdem war ihr auch nicht ganz wohl an dem Tag. Wisst Ihr, sie..." Leichte Röte überzieht Cassandras Gesicht, das Thema ist ihr gegenüber dem eigentlich doch fremden Faun sichtlich unangenehm. "Bei Muriel hatte am Tag bevor sie verschwand zum ersten Mal das Mondblut eingesetzt. Auf dem Markt hatten wir für sie Weißmoos gekauft, und was sie sonst noch so deswegen brauchen würde. Aber sie war noch immer ängstlich gewesen deshalb und sie hatte ein wenig Leibschmerzen. Naja, und als da dann ihre Eltern waren, dachte ich, es würde ihr helfen sich zu beruhigen, wenn sie den Nachmittag bei ihrer Mutter und der älteren Schwester verbringen kann."

Wohl zum dutzendsten Mal streicht sie eine imaginäre Falte in ihrer Schürze glatt, ehe sie dem Faun eine Frage stellt. "Ihr wisst nicht zufällig, wann die Maester in der Steinfaust Muriel den Schweigenden Schwestern übergeben, oder? Nur... damit ihre Eltern, und wir hier, wissen, wann sie bestattet werden kann." Cassandra weiß, dass Die Elbin wegen dieser Frage noch zur Steinfaust will, aber vielleicht weiß der Faun ja etwas, und das würde ihrer Herrin dann den Weg ersparen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 28. Jan. 2008, 15:54 Uhr
Zu Nathans großem Erstaunen macht der stämmige Mann, nachdem er einen kurzen Blick in den hinter seinem Kreuz verdeckten Raum geworfen hat, einen Schritt zur Seite, so dass Nathan das Haus betreten kann. Hinter der Tür verbirgt sich, wie er schon richtig angekommen hat, die Küche des Anwesens: ein gemütlicher Raum voller Töpfe, Pfannen, Kessel und Schränke, in dessen Mitte ein großer Eichentisch steht. Der Tisch ist vollbesetzt mit Männern und Frauen, die vor ihren gefüllten Tellern sitzen und ihn mal neugierig, mal interessiert anstarren. Die versammelten Hausbediensten, vermutet Nathan, nachdem er sie flüchtig in Augenschein genommen hat. Insgeheim hofft er, dass er nicht vor all den Leuten sein Anliegen vortragen muss. Diese erwartungsvollen, wenn auch nicht unfreundlichen Blicke, die auf ihm ruhen, kann er nicht leiden.
Ein schlanker Mann erhebt sich und wendet sich ihm zu. Für einen kurzen Augenblick ist Nathan versucht, seinen Augen nicht zu trauen, denn der ganz in strahlendem weiß gekleidete Elb sieht seinem ehemaligen Weggefährten Arèl zum Verwechseln ähnlich: weißblond schimmerndes, schulterlanges Haar, tiefgrüne Augen und dieser typische Körperbau, der fast allen Elben zu Eigen ist. Erst auf dem zweitem Blick entdeckt Nathan feine Unterschiede in den Gesichtzügen, die auffällige Schrägstellung der Augen seines Gegenübers und sein fast jugendliches Aussehen, lassen sich nicht mit Arèls von Ernst und manch bitterer Erfahrung gezeichneter Erscheinung in Einklang bringen. Trotzdem ist es immer wieder von neuem erstaunlich, wie schwer es doch ist, diese fast maskenhaft schönen Gesichter der Elben zu unterscheiden.
Ob es Elben wohl mit den Menschen ähnlich geht?

Der weißhaarige Elb neigt den Kopf zum Gruß und sagt schließlich zu Nathan gewandt: >„Guten Morgen, mein Name ist Teir von Lyrtaran. Folgt mir bitte."<
„Ich werde Iestin genannt.“ erwidert Nathan und senkt ebenfalls den Kopf zu einem stummen Gruße. Strähnige Haare fallen ihm ins Gesicht, die er mit einer raschen Handbewegung wieder hinter seine Ohren streicht. Nathan ist sichtlich froh, als sein Führer endlich Anstalten macht, die Küche zu verlassen. Wenigstens bleiben ihm so die neugierigen Blicke der Hausangestellten erspart. Als sie aus der Küche in eine große mit Gobelins geschmückte Eingangshalle treten, gerät Teirs Gang so plötzlich ins Stocken, dass Nathan um ein Haar in ihn hineingerasselt wäre. Er folgt Teirs Blick und entdeckt am anderen Ende der Halle drei weitere Personen stehen, zwei Frauen, davon eine menschlicher und eine elbischer Abstammung und ein…, nun begreift Nathan auch die Überrauschung seines Führers, behörnter und mit Hufen ausgestatteter Mann. Ob dieser Kerl zu der Rasse der Faune zählt? Nathan hat schon einige Gesichten über dieses zurückgezogene Volk gehört, aber noch nie eines der Wesen zu Gesicht bekommen. Nachdenklich kratzt er sich am Kinn und mustert unverholen und mit zusammengekniffenen Augen den Faun. Doch Teir fängt sich rasch wieder und setzt nach einem kurzen Gruß seinen Weg durch die Halle fort. So bleibt Nathan nichts anderes übrig, als seinen Blick ebenfalls von dem fremdartigen Wesen loszureißen und dem Elb zu folgen. Ihr Ziel ist eine ein kleiner, aber nicht ungemütlicher Raum, der wohl als Schreibzimmer für die Hausherren dient. In dem auffallend schlichten und schmucklosen Raum befinden sich nur ein edler Schreibtisch samt Stuhl, ein Regal mit Büchern und zwei weitere kurzlehnige Stühle. Im Vergleich zur Küche ist es kühl hier, denn das Kohlebecken mit dem das Zimmer beheizt wird, ist außer ein paar Aschekrümel leer. Doch es vergehen nur ein paar Augenblick und schon kommt eine eifrige Hausangestellte mit glühenden Kohlen angetrabt. Teir deutet Nathan auf einen der Stühle Platz zu nehmen, was Nathan auch ohne zu Zögern tut. Irgendwie ist er sich immer noch nicht ganz im Klaren, mit wem er es hier zu tun hast.
Ist dieser Teir einer der Hausherren? Aber warum stellt er mir dann keine Fragen? Nun gut, dann Schweigen wir halt. Ist mir eh lieber!

Er zieht seine langsam wieder warm werdenden Hände aus den alten Handschuhen und legt die löchrigen Lederfetzen neben sich auf dem Boden ab. Vielleicht hätte er sich doch seine Hände waschen sollen, fällt ihm ein, als sein Blick auf seine dunkel verfärbten Finger fällt. Aber die Aussicht seine sowieso schon klammen Hände in das eisige Wasser eines Eimers zu stecken, hatte in heute früh wenig angelacht. Er reibt seine schmutzigen Finger an seiner noch schmutzigeren Hose ab, ein zweifelhafter Versuch, aber besser als gar nichts.
Ein leises Rascheln lässt Nathan von seinen Händen aufsehen. Die Elbenfrau, die er vor ein paar Augenblicken in der Eingangshalle gesehen hat, hat den Raum betreten und setzt sich auf den freien Stuhl. Ebenso wie Teir, der sich noch immer schweigend hinter ihren Stuhl gestellt hat, trägt sie weiß. Ein Gesicht von unausgesprochener Schönheit, was ihr Alter wie bei allen Elben unmöglich macht zu schätzen, blickt ihn aufmerksam, aber nicht unfreundlich an. Widerwillen muss sich Nathan eingestehen, dass die beiden Elben in ihrer weißen und edelen Kleidung ein beeindruckendes Bild abgeben. Ein Anblick, der sein abgerissenes und heruntergekommenes Erscheinungsbild nur noch mehr betont. Doch Nathan hat nicht vor, sich für das was er ist oder nicht ist zu schämen.
>"Ich bin Arúen Liasiranis, die Herrin hier auf Vinyamar. Ihr sucht eine Anstellung und habt am Markt von unserem Aushang erfahren, sagtet ihr. Wir suchen jemanden für die Arbeiten in Haus und Garten und draußen auf den Feldern."<
Nathan nickt und erwidert ihren Blick, während er darauf wartet, dass sie mit ihrer Ansprache fortfährt. >“Doch zuerst möchte ich wissen, mit wem ich es zu tun habe... und ob ihr Erfahrung mit den Arbeiten auf einem Hof habt."<

Nathan lässt sich ihre Wort kurz durch den Kopf gehen, bevor er zu einer Antwort ansetzt. In manchen Situationen ist der schnelle Angriff nach vorne besser als jede verschlungene List. Nathan weiß sehr wohl, dass er ein schlechter Lügner ist. Einen Elben zu belügen, ist eine Herausforderung, zwei Elben zu belügen ein Akt der Unmöglichkeit. Deshalb macht es auch wenig Sinn zu verhehlen, das Iestin nicht sein richtiger Name ist. Er beschließt, den beiden so weit wie möglich reinen Wein einzuschenken und es auf seine typische direkte und unverblümte Art versuchen.
„Ich nenne mich Iestin und es würde mich freuen, wenn auch Ihr diesem Namen verwenden würdet.“, erwidert er schließlich. Seine Stimme klingt klar und aufrichtig, auch wenn ziemlich deutlich zu hören ist, wie unangenehm es ist ihm ist, sich und ein Leben vor den beiden Elben erklären zu müssen.
„Ich stamme aus einem kleinen Dorf im Norden der Herzlande, meine Eltern ...waren Bauern.“ Für einen kurzen Augeblick wird ihm bewusst, wie wenig er eigentlich über den Verbleib seiner Eltern und Geschwister weiß. Ob sie noch am Leben oder schon längst Tod sind, hat ihn nie interessiert. „Sie besaßen einen kleinen Hof, hatten Kühe, Schweine und einwenig Land auf dem sie Feldfrüchte, Korn und Obst anbauten. Ich habe dort seit Kindesalter gearbeitet.“
Seine linke Hand greift an sein Kinn und fährt über den stoppeligen Bart, eine Geste die er bevorzugt anwendet, wenn er nachdenkt. Schließlich ist lange her, seitdem er das letzte Mal versucht hat, Ereignisse aus seiner frühsten Jugend ins Gedächtnis zu rufen.
„Seitdem habe ich auf kleinen Höfen, aber auch in großen Ländereien gearbeitet, meist als Knecht auf dem Feld, aber auch im Haus. Zu meinen Tätigkeiten zählte alles, was in Haus und Hof anfällt.“
Seine Augen suchen den Blick von Arúen. Er zögert kurz, bevor er weiter spricht: „Aber das alles ist schon viele Zwölfmonde her. Ich befinde mich seit langer Zeit auf Reisen, was mir mal besser, mal schlechter gelingt. Nun….Ihr werdet Euch sicherlich fragen, Shu'ra, was einen Reisenden wie mich dazu antreibt, wieder in den Dienst eines Herrn einzutreten.“ Er wählt ganz bewusst das elbische Wort für „Herrin“. Eines der wenigen Worte, neben Floskeln des Abschiedes und Begrüßung, die er im Laufe seiner Reisen von Arél gelernt hat.
„Das lässt sich ganz einfach erklären, mein Geld ist, wie man unschwer erkennen kann, zu Neige gegangen“, sagt er, während ein schelmisches Lächeln seine Mundwinkel umspielt. „Und ich kann mir Stolz derzeit nicht leisten. Ich brauche Arbeit so dringend wie schon lange nicht mehr und bin mit der Hoffnung in diese Stadt gekommen, eine solche zu finden.“




Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Faron am 29. Jan. 2008, 12:33 Uhr
»Der Hof von Muriels Eltern liegt etwas außerhalb, das ist richtig. Mit dem Ochsenkarren sind es wohl 3 Stunden, schätze ich. Kennt ihr die Dorfruine von Weidenhag südlich der Stadt? Wenn Ihr dort dem Pfad neben dem Wasserlauf gegen den Strom durch die Felder und in den Wald hinein folgt, kommt ihr zum Hof von Muriels Familie.« Während sie spricht, führt Cassandra Faron zur rückwärtigen Ende der Halle hinüber. Vor einem Kamin stehen mehrere hochlehnige Stühle, vermutlich von Elbenhand gefertigt, in denen auch der Faun bequem Platz nehmen kann. »Ähm... ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee, ist, wenn Ihr die Eltern alleine aufsucht. Bitte versteht mich nicht falsch, Faron, aber... die Familie lebt dort sehr zurückgezogen. Sie kommen selbst zum Markt nur selten in die Stadt, und ich weiß nicht, wie sie in dieser Situation auf jemanden reagieren, den sie nicht kennen, und der sie nach ihrer Tochter fragt. Vielleicht sollte euch jemand von Vinyamar begleiten, den man dort kennt.« Der Oberste Stallmeister nickt. Ihm sind bereits ähnliche Bedenken gekommen und er nimmt der Obersten Magd ihre Worte nicht krumm. „Mir sind ähnliche Bedenken in den Sinn gekommen“, erklärt er daher höflich. „Wen ihr jemanden aus dem Vinyamar habt, der mich begleiten könnte, wäre ich euch sehr dankbar. Nur gut reiten sollte er können.“ Der Faun lächelt und Cassandra nickt.

»Ihre Eltern haben es uns, oder vielmehr Lord Teir erzählt, als er dort war um nach Muriel zu fragen, dass sie sie abends noch den halben Weg bis nach Vinyamar gebracht haben, ehe sie sich selber auf den Rückweg zum Hof gemacht haben. Das war kurz vor Einsetzen der Dämmerung, sie hätte also eigentlich mehr als rechtzeitig wieder hier sein müssen“, fährt die Magd fort. »Nein, ich glaube nicht. Verwandte hat die Familie soweit ich weiß keine hier in der Stadt. Muriel hat nur einmal etwas von einer Tante in Verd erzählt. Und Freunde oder Bekannte?... Wisst Ihr, Muriel ist... war ein sehr stilles Mädchen, fast schon scheu. Und sie war erst seit dem Eisfrost als Lehrmädchen hier auf Vinyamar angestellt. Von Bekannten oder gar Freunden hat sie nie etwas erzählt, und sie war eigentlich auch fast nie alleine in der Stadt, außer mal für Botengänge oder um kleinere Besorgungen am Marktplatz zu erledigen... Und selbst da ist meistens eine der anderen Mägde dabei gewesen, weil sie sich hier in Talyra noch nicht so gut auskannte. Nun ja, wir hatten gedacht, sie habe Heimweh nach ihren Eltern gehabt und sei mit denen nach hause zurückgekehrt. Aber dem war ja nicht so. Und ansonsten wüsste ich nicht, wohin sie gegangen sein sollte. Ich... ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie einen Umweg gemacht haben könnte oder so, sie war immer sehr zuverlässig. Außerdem war ihr auch nicht ganz wohl an dem Tag. Wisst Ihr, sie...« Eine blasse Röte überzieht Cassandras Wangen. »Bei Muriel hatte am Tag bevor sie verschwand zum ersten Mal das Mondblut eingesetzt. Auf dem Markt hatten wir für sie Weißmoos gekauft, und was sie sonst noch so deswegen brauchen würde. Aber sie war noch immer ängstlich gewesen deshalb und sie hatte ein wenig Leibschmerzen. Naja, und als da dann ihre Eltern waren, dachte ich, es würde ihr helfen sich zu beruhigen, wenn sie den Nachmittag bei ihrer Mutter und der älteren Schwester verbringen kann.« Mehr als „Oh, ich verstehe.“ weiß Faron darauf zunächst nicht zu erwidern.

Cassandra streicht derweil zum wiederholten Mal nervös über ihre Schürze. Schließlich fasst sie sich ein Herz und erkundigt sich: »Ihr wisst nicht zufällig, wann die Maester in der Steinfaust Muriel den Schweigenden Schwestern übergeben, oder? Nur... damit ihre Eltern, und wir hier, wissen, wann sie bestattet werden kann.« Der Faun schüttelt bedauernd den Kopf. „Genaues kann ich Euch leider nicht sagen“, entgegnet er entschuldigend. „Aber soweit ich weiß, haben die Maester ihre Untersuchungen abgeschlossen. Gewiss wird es nicht mehr lange dauern bis man Muriel den Schweigenden Schwestern übergibt – wenn es nicht schon geschehen ist.“ Er erhebt sich. „Es tut mir Leid, dass ich Euch nicht mehr sagen kann. Vielen dank für Eure Zeit,  falls Ihr jemanden wisst, der mich hinaus zum Hof begleiten könnte ...? Ich will keine Zeit verlieren und es ist ein gutes Stück Weg dort hinaus.“ Verlegen sieht er die Magd an. Es tut ihm Leid, dass er nicht mehr für sie tun kann. Offenbar hat der Tod des Mädchens sie sehr getroffen, immerhin war Cassandra hier im Ulmenanwesen für sie verantwortlich, und Faron ahnt zumindest, dass sie sich selber den einen oder anderen Vorwürfe macht.

Unterwegs im Umland »

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 30. Jan. 2008, 21:16 Uhr
Die Handschuhe fallen ihr auf, als sie den Mann vor sich aufmerksam ansieht, oder vielmehr, das was von ihnen übrig ist und nun auf dem Boden neben dessen Stuhl liegt. Und die Hände, die ebenso ungewaschen sind wie anscheinend alles an ihm. Trotzdem macht er in seiner ganzen Haltung nicht den Anschein, als würde er sich seiner Erscheinung schämen. Immerhin erwidert er ihren Blick offen und ohne die Scheu, die sie oft erlebt, weil die Leute denken, Elben könnten alleine durch einen Blick in die Augen jeden noch so geheimen Gedanken lesen.
>Ich nenne mich Iestin und es würde mich freuen, wenn auch Ihr diesem Namen verwenden würdet.< Direkt und gerade heraus. Unter mangelndem Selbstbewusstsein scheint er nicht zu leiden. Und noch etwas lässt sie schmunzeln, auch wenn man es ihr allenfalls als ein Aufschimmern silberner Funken in den Augen ansehen könnte. Iestin also, ja? Euer wahrer Name ist das nicht, sonst hätte Ihr so etwas wie 'Ich heiße...' oder 'Ich bin...' oder auch schlicht 'Mein Name ist Iestin' gesagt. Aber Ihr nennt euch bloß so. Ihr Gesicht wird etwas weniger undurchdringlich, sie weiß, dass er nicht seinen wahren Namen genannt hat, und er kann ihr ansehen, dass sie den Grund für die von ihm gewählte Formulierung sehr wohl verstanden hat.

Ohne größeres Zögern fährt Iestin fort, und so offen er auch seine Erfahrungen mit der Arbeit auf einem Hof darlegt, es ist ihm unschwer anzuhören und anzusehen, wie unangenehm ihm diese ganze Situation und das bitten um Arbeit ist. Verständnis regt sich in Arúen, sie kennt das, war sie doch während ihrer Wanderjahre oft genug selber in der Situation, sich um eine Anstellung zu bewerben und erklären zu müssen, wer sie ist, und was sie kann. Die Ausführlichkeit, in der er ihre Frage beantwortet, erstaunt sie dann allerdings. Wenn er ihr mit seinem Namen und der Erklärung er sei auf einem Hof aufgewachsen geantwortet hätte, wäre das schon fast genug gewesen. Dass er ihr nun aber quasi seinen Lebenslauf darlegt, ist... ungewöhnlich. Aber es lässt auch erahnen, wie dringend es ihm mit der Bitte um Arbeit ist. Und das Zögern, als er erklärt, die Zeit da er als Knecht gearbeitet hat sei schon viele Zwölfmonde her, und dass er seitdem auf Reisen sei, wirkt, als müsse er sich erst an Dinge erinnern, die er entweder längst vergessen oder absichtlich verdrängt hat.
Als er Arúen aber plötzlich mit dem elbischen 'Shu'ra' anredet, mischt sich in ihre Aufmerksamkeit schlagartig auch ein Hauch Wachsamkeit. Und sie kann spüren, wie auch Teirs Wachsamkeit hinter ihr zugenommen hat. Shu'ra? Kann er Shidar oder hat er nur von irgendwem ein paar höfliche Redewendungen und Titel gelernt? Die Frage, die ihr dazu auf der Zunge liegt, hält sie zurück, lässt ihn weiterreden. Zumal, als die folgenden Worte ihre Vermutung, er habe Arbeit bitter nötig bestätigen: >Das lässt sich ganz einfach erklären, mein Geld ist, wie man unschwer erkennen kann, zu Neige gegangen. Und ich kann mir Stolz derzeit nicht leisten. Ich brauche Arbeit so dringend wie schon lange nicht mehr und bin mit der Hoffnung in diese Stadt gekommen, eine solche zu finden.<

Das was er sagt, die Gründe die er nennt, all das klingt offen und ehrlich. Und trotzdem wird Arúen das Gefühl nicht los, dass der Mann irgendetwas zurückhält, etwas verschweigt, dass diese direkte und unverblümte Art seiner Antworten als Ablenkung gedacht ist. Aber was es ist, kann sie nicht sagen, und es ist nicht mehr als eine Ahnung. Und sie kann an seiner Art und dem was er ausstrahlt nichts finden, was sie gegen ihn einnimmt - von der Tatsache, dass er mehr als dringend ein Bad und saubere Kleidung braucht einmal abgesehen.
Den Grund für seine Reisen, die anscheinend noch immer andauern und momentan lediglich aus purer Geldnot unterbrochen werden, hat er nicht genannt. Aber sie hat weder danach gefragt, noch hat sie vor, ihn zu fragen. Es gibt viele Gründe, die einen jungen Mann von zuhause fort und auf Wanderschaft treiben können, und sie alle sind seine ganz private Angelegenheit. Zumindest so lange, wie daraus keine wie auch immer gearteten Gefahren für andere resultieren. Und auch seinen Namen nicht offen zu tragen, kann tausend und einen Grund haben, von "Ich mag den Namen nicht, den meine Eltern ausgesucht haben" über "Ich will mit meiner Familie nichts mehr zu tun haben" bis zu "Ich will unerkannt bleiben". Vor allem der letzte Grund hatte Arúen selber über mehrere hundert Jahresläufe dazu gebracht, nicht den Namen zu führen, unter dem sie aufgewachsen war.

"Eines wüsste ich gerne noch, ... Iestin: Sprecht Ihr Shidar oder hat Euch jemand bloß ein paar Redewendungen beigebracht?" Arúen bildet sich ein, spüren zu können, dass die Antwort auf diese Frage Teir hinter ihrem Stuhl fast noch mehr interessiert als sie selber. "Alles in allem klingt das so, als hättet ihr einiges an Erfahrung mit den Arbeiten, die im Jahreslauf auf einem Anwesen wie diesem hier so anfallen." Sie zögert kurz, entschließt sich dann, auf ihren Instinkt zu vertrauen und trifft ihre Entscheidung. Also wenn Ihr keinen Grund wisst, der gegen ihn spricht, Teir, dann nehme ich ihn in Dienst.
"Also gut. Vinyamar besteht nicht nur aus dem Anwesen hier in Talyra, es gehören auch noch Felder draußen vor der Stadt dazu. Außerdem Federvieh, Schweine und Zugpferde." Dass außerdem noch zwei Reitpferde, zwei elbische Goldhunde, zwei Gerfalken und gelegentlich ein Adler zur Menagerie des Ulmenanwesens gehören, behält sie vorerst für sich, das würde er noch früh genug feststellen. "Was ich von meinem Gesinde erwarte, ist nichts Außergewöhnliches, dass Fleiß, Pünktlichkeit, Sauberkeit und Anstand dazu gehören wird Euch nicht wundern. Die Arbeiten in Haus und Garten werden von mir oder Cassandra, der Obersten Magd angewiesen, auf den Feldern vor der Stadt auch von Ullmar, dem Großknecht. Ihn habt Ihr schon gesehen, er hat Euch die Tür geöffnet. Dafür bekommt ihr eine Kammer hier im Haus und die täglichen Mahlzeiten, außerdem zu jedem Neumond einen Silberling und fünfzig Heller Lohn, wie die anderen Knechte auch. Zu den hohen Festtagen Shenrahs und Sithechs gibt es je einen Silberling zusätzlich. Für Kleidung und die Dinge des täglichen Bedarfs wird ebenfalls gesorgt. Für alles, was ihr darüber hinaus benötigt, müsst ihr selber aufkommen. Die Tage der Faêyrisnacht sowie zum Inarifest sind frei von allen Arbeiten oder Pflichten hier im Haus. Normaler Weise wird das Gesinde in der Faêyrisnacht für den kommenden Jahreslauf in Dienst genommen. Aber das ist Euch vermutlich ohnehin bekannt. Wenn Ihr die Stelle hier antretet, gilt das also vorerst bis zur Nacht der Mondfrau im kommenden Zwölfmond."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 31. Jan. 2008, 20:11 Uhr
Die Antwort des Fauns, dass er auch nicht wisse, wann die Maester Muriels Leichnam zur Bestattung freigeben, lässt Cassandra ein wenig in sich zusammensinken. Wie es aussieht würde Lady Arúen also doch noch zur Steinfaust gehen müssen. Hoffentlich kann man es ihr dann wenigstens schon sagen, nicht, dass sie den ganzen Weg umsonst macht. Aber wenn die Maester ihre Untersuchungen schon abgeschlossen haben, dann kann es ja eigentlich nicht mehr lange dauern, bis man sie den Schweigenden Schwestern übergibt. Ein leises Seufzen stiehlt sich über ihre Lippen, ehe sie sich wieder gefangen hat und Faron mit einem traurigen Lächeln ansieht. "Schade, ich hatte gehofft... egal, was nicht ist, lässt sich auch nicht ändern."

Ihre Haltung strafft sich abrupt, als sie sich gedanklich anderen Dingen zuwendet. "Ich denke, Ullmar sollte Euch zu Muriels Eltern begleiten. Er ist der Großknecht hier auf Vinyamar, und sie kennen ihn." Gerion kennen sie zwar auch, aber falls sie doch die Fassung verlieren sollten, ist es besser, wenn Ullmar dort ist. Er kann sie dann vielleicht... beruhigen. Cassandra erhebt sich von ihrem Platz. "Ich gehe eben und sage ihm Bescheid. Das Pferd zu satteln sollte nicht all zu lange dauern. Entschuldigt mich bitte einen Moment." Sie verlässt die Halle und kehrt in die Küche zurück, wo Mägde und Knechte sie schon mit neugierigen Blicken entgegen sehen. Ob sich das nun auf den Faun oder auf den seltsamen, ungewaschen Mann oder auf beides bezieht, ist schwer zu erkennen. Vermutlich eher auf beides. "Und?" Ullmar ist es, der genau das alles in einem einzigen Wort zusammenfasst. "Nichts und... Faron, der Faun," setzt sie nach, " er hat mir ein paar Fragen gestellt, aber ich fürchte wirklich etwas Neues oder etwas, das ihnen weiterhilft bei der Suche nach Muriels Mörder konnte ich ihm nicht sagen. Und er wusste auch nicht, wann sie den Schweigenden Schwestern übergeben wird." Hat sie eben noch in die Runde gesprochen, so wendet sie sich nun direkt an Ullmar. "Er möchte als nächstes zu ihren Eltern raus, um mit ihnen zu reden. Kannst Du ihn bitte begleiten, Ullmar. Nicht, dass sie sich erschrecken und... überreagieren, wenn dort plötzlich ein Faun auftaucht und nach Muriel fragt."

Ullmar nickt nur, schluckt den letzten Bissen Brot und Käse herunter, schnappt sich den Mantel, der noch von seiner allmorgendlichen Kontrollrunde entlang der Mauern über der Stuhllehne hängt und macht sich auf den Weg hinaus zum Stall, um sich eines der Pferde zu satteln. "Helma, Du heizt gleich nach dem Essen den Kessel in der Waschküche ein. Wenn Lady Arúen diesen... Mann, " sie verkneift sich jeden Kommentar zu dessen Aussehen oder Duftmarke, "tatsächlich in ihren Dienst nimmt, dann braucht er als erstes ein Bad." Vorher kommt der mir hier in der Küche nicht an den Tisch. "Und falls nicht, haben wir gleich heißes Wasser und können die Laken und Bezüge, vom Wäschewechsel gestern waschen." Nachdem sie vorerst die Arbeiten verteilt hat, die vom alltäglichen Ablauf abweichen, kehrt Cassandra in die Halle und zu dem Faun zurück. "Ullmar sattelt eben das Pferd und kommt dann nach vorne, vor das Haus... Oh," sie stockt kurz, und ringt sich dann so etwas wie ein Lächeln ab, denn eigentlich ist ihr seit gestern eher zum weinen als zum lächeln zumute, "das soll nicht heißen, dass Ihr draußen in der Kälte und diesem Wetter warten sollt. Er wird kommen und Bescheid geben, wenn er aufbruchbereit ist." Es dauert tatsächlich nicht allzu lange, bis es an der Eingangstür klopft und Ullmar zusammen mit einem Schwall kalter Luft und einem unangenehmen Gemisch aus Schnee und Regen in die Halle tritt. Cassandra verabschiedet den Blaumantel und sieht den beiden Männern noch kurz hinterher, als sie aufbrechen und das Tor unter den Ulmen passieren.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 31. Jan. 2008, 21:44 Uhr
Nathan lächelt als er in den funkelnden Augen Arúens erkennt, dass sie sehr wohl weiß, das Iestin nicht sein wahrer Name ist. Seine ganz bewusst gewählten Worte haben ihren Zweck erfüllt. Nun kann er nur noch hoffen, dass die beiden Elben sich mit ihrem Wissen über seinen falschen Namen begnügen und nicht die dahinter verborgenen Gründe ans Tageslicht bringen wollen. Das würde ihn nämlich in eine gefährliche Zwickmühle bringen. Ganz abgesehen davon, dass es ihm sowieso gegen Strich geht, Rechenschaft über sein Tun und seine Vergangenheit ablegen zu müssen, kann und will er in Talyra niemanden von seiner wahren Identität wissen lassen.
So fährt Nathan fort, Arúen und ihrem Begleiter Teir seine Erfahrungen mit der Arbeit auf Höfen aufzuzählen. Als er seinen, für seine Verhältnisse, sehr ausführlichen Bericht über seine Jugend auf dem Lande abschließt, wartet er gespannt auf die Reaktion seiner Gesprächspartner. Für ihn selber kommt es so vor, als würde er über das Leben eines ganz anderen Mannes berichten. Die Erinnerungen an die Zeit als junger Knecht auf Wanderschaft liegen so lange zurück und sind vergraben und überlagert von anderen Erfahrungen und Geschehnissen, die ihm so viel wichtiger und bedeutender vorkommen, als das kleine Bauernleben, das er damals geführt hat.
Aber Arúen scheint sich an seinen Ausführungen nicht zu stören. Auf jeden Fall kann er weder in ihrem Gesicht, noch in dem ihres Begleiters Zustimmung oder Ablehnung erkennen. Nur einen kurzen Augenblick hat er das Gefühl, in den Augen der beiden Elben so etwas wie Verwunderung und Interesse auf flackern zu sehen, als er die Anrede Shu'ra verwendet. Aber er kann sich auch täuschen.

>"Eines wüsste ich gerne noch, ... Iestin: Sprecht Ihr Shidar oder hat Euch jemand bloß ein paar Redewendungen beigebracht?"< unterbricht Arúen die kurze Stille, die sich seit Nathans letzten Worten zwischen ihm und den Elben breit gemacht hat. Erstaunt stellt Nathan fest, dass er das Interesse Arúens und Teirs für seine Shidar Floskel, richtig eingeschätzt hat. Vielleicht haben die Monate, die er sich mit Arèl herum ärgern musste, doch seine guten Seiten gehabt.
„Hm….“, antwortet er mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. „Ich muss euch leider enttäuschen. Meine Kenntnisse Eurer Sprache beschränken sich auf ein paar höfliche Anreden. Zu mehr hat es bisher nicht gereicht…“ und fehlte es mir an auch an dem nötigen Interesse. Aber diesen Zusatz spart sich Nathan.
Allein bei dem Gedanken Sprachunterricht zu nehmen, übermannt ihn eine bleierne Müdigkeit. Das ist etwas für Stubenhocker und krummrückige Schreiberlinge, aber nichts für einen Mann seines Kalibers. Bisher hat er sich die meisten Dinge im Leben selber beigebracht, wenn man von der Hilfe und der Unterstützung seiner Lehrmeister mal absieht.

>"Alles in allem klingt das so, als hättet ihr einiges an Erfahrung mit den Arbeiten, die im Jahreslauf auf einem Anwesen wie diesem hier so anfallen."> Aruéns klare Stimme holt Nathan wieder in das, nun dank des Kohlebeckens, mollig warme Schreibzimmer zurück.
Er legt den Kopf schief und hört interessiert den Darstellungen der Elbin zu. Ihren Worten entnimmt er, dass es sich um ein größeres Anwesen halten muss, als er ursprünglich gedacht hat. Ihre Erwartungen an die Eigenschaften ihres Gesindes sind dagegen weniger überraschend. Fleiß, Pünktlichkeit und so weiter ist die Standardausrüstung eines guten Knechts. Ob diese Eigenschaften auch auf ihn zutreffen, ist allerdings mehr als fraglich. Im tiefsten Innern ahnt Nathan, dass diese Anstellung ihm mehr abverlangen wird, als ihm eigentlich lieb ist. Nicht das er nicht anständig oder pünktlich sein könnte, aber er hat es die letzten Jahre einfach nicht nötig gehabt, nach der Pfeife von anderen zu tanzen oder sich anzupassen.
Die anderen Fakten, die Arúen aufzählt, lässt er kommentarlos über sich ergehen. Er kann es immer noch nicht so recht glauben, dass die Elbin wirklich mit dem Gedanken spielt, ihn in ihrem Haus anzustellen. Er an ihrer Stelle hätte so einem herunter gekommenen Knilch wie ihn sofort vor die Tür gesetzt, geschweige denn ihm solange zugehört, aber vielleicht sollte er weniger von sich selbst auf andere schließen. Nachdem sie mit der kurzen Aufzählung der Pflichten, aber auch der Entlohnung ihres Gesindes abgeschlossen hat, wartet Nathan unruhig auf ihre weiteren Fragen. Fragen bezüglich seines „Namens“, über seine Reisen, warum er es vorgezogen hat sein Leben als Knecht aufzugeben und vieles mehr, aber statt dessen mustern ihn zwei elbischen Augenpaare und lassen es an ihm, sich zu dem Gesagten zu äußern.

Irritiert wandert Nathans Blick zuerst zu Teir, dann zu Arúen, doch die Gesichtszüge der beiden Elben lassen sich beim besten Willen nicht deuten. Teir hat seine Position während des ganzen Gesprächs nicht verändert, auch ist, seitdem sie beide den Raum betreten haben noch kein einziges Wort über seine Lippen gekommen, eine Tatsache, die den weißhaarigen Elb fast sympathisch macht.
Schließlich zieht Nathan eine seiner Augenbrauen nach oben und er murmelt:
„Ihr überrascht mich wirklich. Korrigiert mich, wenn ich Euch falsch verstanden haben sollte, aber heißt das, dass Ihr mir eine Anstellung in Eurem Hause anbietet? Nicht das ich mich jetzt nicht darüber freuen würde...“, fügt er schnell hinzu und hebt beschwichtigend die Hände. Dabei kann er sich ein Grinsen nicht verkneifen „Aber ich habe damit gerechnet, von Haus zu Haus ziehen zu müssen und die eine oder andere weniger freundliche Abfuhr erteilt zu bekommen.“
Bevor er weiter spricht streift er sich ein paar seiner ungewaschenen Haarsträhnen hinter das Ohr. Der Schalk ist aus seiner Stimme verschwunden, stattdessen schwingt eine für ihn ungewöhnliche Ernsthaftigkeit mit.
„Ihr würdet mir sehr helfen, wenn Ihr es mir Ermöglichen würdet, für euch zu arbeiten. Mit Euren Bedingungen bin ich einverstanden!“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 03. Feb. 2008, 17:44 Uhr
Teir folgt dem Gespräch schweigend; sein Blick ruht unverwandt auf Iestin und er versucht, den Mann mithilfe des Gesagten einzuschätzen. Der Mann wirkt mehr als vernachlässigt und der Geruch seiner Kleidung und seines Körpers füllen die sich langsam erwärmende Luft, aber seine Worte scheinen zumindest einen Großteil Wahrheit zu enthalten.
Im Stillen tut Iestin ihm auch bereits leid, denn wenn Arúen ihn in ihren Dienst übernimmt, würde er sich wohl als allererstes mit Cassandra und einer Menge heißem Wasser und Seife herumschlagen müssen. Da kann er einem beinahe Leid tun. Wobei es für uns wohl alle eine Erleichterung sein wird. Aber er hatte schon vor einigen Jahren gelernt, andere nicht nur nach ihrem Erscheinungsbild zu beurteilen. Aber das ist gar nicht so leicht, wenn das Gegenüber einem nichtmal seinen richtigen Namen sagt. Auch ihm war die seltsame Formulierung des Mannes nicht entgangen, doch im Gegensatz zu seiner Dienstherrin hat er nicht sehr viel Verständnis für diese Geheimniskrämerei. Schließlich würde der Mann, sollte er die Stelle bekommen, in den Haushalt aufgenommen werden, im Haus ein und aus gehen und auch einiges über dessen Bewohner erfahren. Er hat die Worte Tianrivo Morgensterns über Khelenar und den Spion der in Talyra in seinem Sold steht nicht vergessen und auch wenn der verräterische Elb schon eine ganze Weile nicht mehr unter den Lebenden weilt, ist er sich der Gefahr die womöglich noch immer über Arúen und Rialinn hängt, stets bewusst.
Seine Augen verengen sich, als Iestin Arúen mit dem elbischen Shu´ra anspricht, fühlt er sich doch plötzlich in seinem vorherigen Gedankengang bestätigt. Doch darauf angesprochen, erklärt Iestin, nur ein paar wenige Höflichkeiten zu beherrschen und Teir wagt es, wieder Luft zu holen. Gleichzeitig schilt er sich aber auch einen Narren. Warum sollte er kein Shidar sprechen? Ich spreche ja mittlerweile auch die Allgemeinsprache. Auch Arúen scheint die Erklärung des Menschen zu beruhigen und als sie sich unmerklich entspannt, tut er es ihr gleich. Ihre gedankliche Frage überrascht ihn ein wenig, doch Teir mustert Iestin noch einen Augenblick, ehe er kurz zustimmend die Augen schließt und Arúen antwortet. Nein, Shadâna, ich denke unter all dem Schmutz und Gestank, kann sich tatsächlich ein guter Mann verstecken.
Die ehrlich überraschte Miene Iestins, als Arúen ihm die Stelle als Knecht anbietet und ihm die Bedingungen nennt, lässt Teir beinahe schmunzeln. Es erfordert einigen Mut, um etwas zu bitten, worauf man kaum zu hoffen wagt und wenn einem das Bitten auch noch so schwer fällt.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 04. Feb. 2008, 15:58 Uhr
Dass sie ihm eine Anstellung auf Vinyamar anbietet scheint Iestin ehrlich zu erstaunen. Zumindest ist seine erste Reaktion nachdem ihre Worte geendet haben vor allem von Verblüffung geprägt, und für einen Moment scheint er auch seinen eigenen Ohren nicht so ganz trauen zu wollen. Aber dann macht sich ein erleichtertes Grinsen in seinem Gesicht breit, das ihn unter all dem Dreck und Staub für Arúens Augen sehr jung wirken lässt. >Aber ich habe damit gerechnet, von Haus zu Haus ziehen zu müssen und die eine oder andere weniger freundliche Abfuhr erteilt zu bekommen.< kommt es von ihm als Erklärung für seine offensichtliche Überraschung. Erst ist es nur ein sachtes Nicken, mit dem Arúen auf seine Worte reagiert, dann sieht sie ihn direkt an und so etwas wie ein schwaches Lächeln zeigt sich und erreicht dieses Mal auch ihre Augen. "Das hätte Euch auch gut passieren können, wenn es andere Türen gewesen wären, an die Ihr geklopft hättet. Aber wie es aussieht, haben die Götter es heute gut gemeint, indem sie Euch zuerst im Haus einer Priesterin um Arbeit fragen ließen." Und mit uns auch, denn das Fehlen von einem Knecht und einer Magd... und nun auch noch von Muriel macht sich doch langsam mehr als deutlich bemerkbar. Dann wird die Elbin ansatzlos ernst. "Wie wissen beide, dass Iestin nicht Euer wahrer Name ist." Ob sie mit 'beide' nun sich und Teir oder sich und Iestin meint, lässt sie offen, aber es macht auch keinen Unterschied für das, was sie damit zum Ausdruck bringt. "Die Gründe dafür sind Eure persönliche Angelegenheit, und diese Tatsache wird diesen Raum hier auch nicht verlassen. Zumindest so lange nicht, wie nicht Ihr oder etwas, das ihr tut, mit einen Grund dazu geben mit anderen darüber zu reden. Etwas zu verschweigen ist keine Lüge... und ich würde es wissen, wenn Ihr mich anlügt." Sie macht eine kurze Pause und beobachtet seine Reaktion auf ihre Worte. Immerhin hat sie ihm gerade zu verstehen gegeben, dass ihr sehr wohl klar ist, dass er mehr als bloß seinen wahren Namen vor ihr verschweigt, und dass sein ganzer Vortrag zu seinem Lebenslauf neben einer Antwort auf ihre Fragen eben auch ein Ablenkungsmanöver gewesen ist. Dann verlassen Ernst und Strenge ihre Stimme und ihre Miene wieder. "Ich habe es mir schon vor langer Zeit angewöhnt, andere nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen, und sie erstrecht nicht zu verurteilen. Staub und Dreck verbergen manchmal ein guter Mann, und mancher mit weniger guten Absichten sucht das hinter einem freundlichen Gesicht und gepflegtem Auftreten zu verstecken."

>Ihr würdet mir sehr helfen, wenn Ihr es mir Ermöglichen würdet, für euch zu arbeiten. Mit Euren Bedingungen bin ich einverstanden!< "Oh, glaubt mir Iestin, dahinter steckt purer Eigennutz. Wir brauchen jemanden für die Arbeiten hier auf Vinyamar, jetzt im Winter zwar nicht mehr ganz so dringend wie im Sommer zur Erntezeit, aber wir können Euch und eurer Hände Arbeit hier gut gebrauchen." Sie wendet sich kurz zu Teir um, der hinter ihr und damit vor dem Regal mit den Büchern des Ulmenanwesens steht, und lässt sich von ihm jenes Buch reichen, in dem die Aufzeichnungen über das Gesinde des Anwesens, deren Dienstzeiten und die vereinbarten und gezahlten Löhne gemacht werden. Die Elbin schlägt das Buch beim letzten Eintrag auf, der mit einer dünnen blauen Schnur gekennzeichnet ist, um Iestins Namen unter dem von Nuala einzutragen. Sie war die Letzte gewesen, die sie in Dienst genommen hatte. Dabei fällt ihr Blick allerdings auch unweigerlich auf den von Muriel, der direkt darüber steht. Götter im Himmel, warum musste das geschehen? Sie war noch so jung, sie hatte ihr ganzes Leben doch noch vor sich. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln verdrängt sie fürs Erste die Gedanken an ihr Lehrmädchen und daran, dass sie nachher noch in die Steinfaust will, um zu fragen, wann sie den Leichnam zur Bestattung freigeben werden. Sie öffnet eines der kleinen Tintenfässer, nimmt sich eine Feder, trägt den Namen ein und setzt dahinter noch den Tag, an dem sie ihn in Dienst genommen hat, sowie den Vermerkt, welchen Lohn er bekommen wird. Dann hält sie dem Menschenmann die Feder hin. "Hier, setzt Euren Namen oder Euer Zeichen dazu, dafür, dass ihr die Stelle annehmt." Sie wartet, bis er ihr die Feder wieder zurückgibt und legt sie in den dafür vorgesehenen Halter zurück, verschließt das Tintenfass sorgfältig und erhebt sich dann von ihren Stuhl.

Es ist ein aufforderndes Lächeln, mit dem sie Iestin bedeutet, ihr zu folgen. "Nun, dann kommt mit, Iestin. Ich werde Euch die anderen vorstellen, soweit sie nicht unterdessen ihr Morgenmahl beendet haben und längst an der Arbeit sind." Arúen geht den beiden Männern voran durch den holzgetäfelten Gang zurück in die Eingangshalle. Weder von Cassandra noch von dem Faun ist noch etwas zu sehen. Dann konnte Cassandra anscheinend alle Fragen beantworten, die er noch hatte. Gut. Sie ist nicht böse darum, dass es ihr so erspart bleibt sich früher als unvermeidlich näher mit Muriels Tod und den Einzelheiten befassen zu müssen. Außerdem ist sie müde von der durchwachten Nacht mit ihrer zahnenden Tochter und die Rippen machen aus dem Atmen eine alles andere als angenehme Angelegenheit. Am liebsten würde sie sich in ihre Gemächer zurückziehen, sich eine möglichst schmerzfreie Haltung suchen und sich für ein oder zwei Stunden noch mal zur Ruhe legen. Da in der Halle niemand ist, geht sie weiter in die Küche, wo zumindest Cassandra sich aufhalten wird. Und vermutlich auch Nuala mit Rialinn und den beiden Hunden. Kurz verhält die Elbin mitten im Schritt und wendet sich noch einmal an Iestin, ehe sie die Tür zu Cassandras Küchenreich öffnet. "Falls die anderen etwas in sich gekehrt wirken, oder vielleicht sogar unwirsch, seht es ihnen bitte nach. Wir haben einen Todesfall gehabt. Unser Lehrmädchen ist vor einigen Tagen verschwunden und dann gestern ermordet aufgefunden worden."
Mit ihrer Vermutung hat Arúen richtig gelegen, wie sie feststellt, als sie die Küche betritt. Nuala sitzt auf der Bank, die noch immer schlafende Rialinn auf dem Arm und aufmerksam beobachtet von den beiden Hunden, die zusehen, wie die Frau einhändig versucht die kleinen Zettel zu beschriften, die an jenen Flaschen befestigt werden sollen, in die nachher der der Essig abgefüllt wird den sie mit Kräutern und Früchten aromatisiert haben. Ansonsten ist bis auf Cassandra niemand mehr in der Küche. Die Oberste Magd hat unterdessen den Tisch abgeräumt, die Reste der Mahlzeit in Schränke und den Keller weggeräumt und ist nun gerade dabei, das schmutzige Geschirr abzuwaschen. Etwas, das sonst zu Muriels Aufgaben gehört hat, wie Arúen mit einem leisen Seufzen bewusst wird. Irgendwie scheint an allem und jedem die Erinnerung an das Mädchen zu hängen, klebriger als Leim. Das Klappen der Tür hat die Aufmerksamkeit der beiden Menschenfrauen allerdings sofort auf die beiden Elben und ihren sterblichen Begleiter gezogen.

"Cassandra, Nuala, das ist Iestin. Er fängt hier als Knecht an." Sie sieht, wie Cassandras Blick über Iestins mitgenommenes Äußeres wandert, und kann die Gedanken ihrer Obersten Magd förmlich hören. Es fällt ihr nicht leicht, sich ein Schmunzeln zu verkneifen, und auch jede Spur davon aus ihrer Stimme heraus zu halten. Der Mann würde noch in der nächsten halben Stunde am eigenen Leib erfahren, was für ein strenges Regiment die Oberste Magd des Ulmenanwesens führt. "Iestin, das hier ist Cassandra, die Oberste Magd und Wirtschafterin hier auf Vinyamar. Und das dort drüben Nuala, eine der Mägde." Arúen geht hinüber zu der Frau und nimmt ihr behutsam das Kind aus den Armen. "Und dieser kleine schlafende Sonnenschein hier, ist meine Tochter Rialinn." Auris und Nevis haben ihren Platz neben der Bank und Rialinn verlassen und umrunden nun aufmerksam und witternd den fremden Besucher in der Küche. Eine Bedrohung scheinen sie nicht in ihm zu sehen, auch wenn beide Hündinnen sich schließlich vor die Elbin mit dem Kind und somit zwischen sie und Iestin stellen. Als Nevis kurz niest, als sie Iestin beschnuppert, tun Nuala und Cassandra sich sichtlich schwer, nicht zu schmunzeln. Selbst in den ansonsten unbewegten Gesichtern der beiden Elben ist kurz so etwas wie ein Funkeln in den Augen aufschimmern zu sehen. Ja, du hast Recht, Nevis. Er braucht dringend ein Bad. Aber alles in allem ist die Reaktion der beiden Menschenfrauen weder spöttisch noch herablassen oder gar ablehnend. Bei beiden ist so etwas wie zurückhaltende Neugier und auch Erleichterung zu erahnen. Neugier auf den Neuzugang im Haushalt. Erleichterung, weil endlich zwei Hände mehr da sind, um die Arbeiten in und am Haus und auf den Feldern zu erledigen.
"Er soll die alte Kammer von Raimon bekommen." Ein kurzer Blickwechsel zwischen den beiden Frauen, und Cassandra hat verstanden, warum die Hausherrin ausgerechnet diese Kammer zuweist: Es ist die Kammer direkt neben Ullmars, und die Bodendielen vor dessen Tür knarren unweigerlich, wenn jemand den Gang dort entlang geht. Nicht einmal ein Elb käme dort unbemerkt vorbei - außer er wäre in der Lage zu schweben. "Nuala, hol bitte Laken, Kissen, Decke und Bezüge aus der Wäschekammer und gib sie ihm, damit er sein Bett beziehen kann." Alles weitere, also den Mann samt Bürste und Seife in einen Zuber voller heißem Wasser zu stecken, dafür zu sorgen, dass er saubere Kleider anbekommt, das Zeigen seiner Kammer und das Bekanntmachen mit dem restlichen Gesinde und seinen Arbeiten, das überlässt Arúen getrost Cassandra.

Die Frau nickt auch bloß, reibt sich die Hände an einem Leintuch trocken, und hat dieses energische Funkeln in den Augen, das ihre Mägde und Knechte sonst immer das Ärgste befürchten lässt. Ehe die Elbin allerdings die Küche wieder verlassen kann, wird sie noch kurz zurückgehalten. "Lady Arúen, einen Moment bitte." Eine kleine entschuldigende Geste begleitet die Worte. "Ich habe Ullmar mit dem Blaumantel mitgeschickt. Er wollte gleich hinterher zu Muriels Eltern, und ich dachte... naja, es könnte unangenehm werden, wenn da plötzlich ein Faun auftaucht, Blaumantel hin oder her, den keiner kennt und der Fragen nach dem Mädchen stellt... Ach ja, und... ich habe ihn gefragt, ob man sie schon den Schweigenden Schwestern übergeben hat. Das wusste er aber nicht. Leider. Aber er meinte, die Maester seien mit den Untersuchungen fertig, und es könne wohl nicht mehr lange dauern." Mit einem traurigen Lächeln nickt die Elbin ihr zu. "Danke, Cassandra. Mit etwas Glück kann man mir dann nachher in der Steinfaust ja schon mehr dazu sagen. Oder vielleicht ist sie schon in die Obhut der Grauen Frauen übergeben worden." Ein letztes Nicken, ein Blick zu Cassandra, Nuala und ihrem neuen Knecht, dann verlässt Arúen mit Rialinn, Teir und den Hündinnen die Küche wieder. Und überlässt Iestin der Obhut und dem Kommando Cassandras.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 05. Feb. 2008, 19:26 Uhr
Nathan kann es noch nicht ganz glauben, dass seine Suche nach Arbeit schon jetzt beendet sein soll. Wenn er sich richtig erinnert, dann wurde er früher als Junge schon in so manch gepflegterem Zustand wieder vor die Haustüre gesetzt. Aber das kurze Lächeln der Elbin, die sich selber als Priesterin bezeichnet und ihre freundlichen Worte klingen wirklich so, als hätte er sie überzeugt. Ein echtes Wunder!
Doch Wunder währen bekanntlich nicht lange. Bevor Nathan sich versieht, weicht Arúens Schmunzeln einem ernsten Gesichtsausdruck. Und als hätte er es nicht schon die ganze Zeit geahnt, sagt sie in einem strengen Tonfall zu ihm: >"Wir wissen beide, dass Iestin nicht Euer wahrer Name ist. Die Gründe dafür sind Eure persönliche Angelegenheit, und diese Tatsache wird diesen Raum hier auch nicht verlassen. Zumindest so lange nicht, wie nicht Ihr oder etwas, das ihr tut, mir einen Grund dazu geben mit anderen darüber zu reden. Etwas zu verschweigen ist keine Lüge... und ich würde es wissen, wenn Ihr mich anlügt."< Ihre Augen suchen die Seinen und wie so oft in Anwesenheit von Elben, hat Nathan das unangenehme Gefühl, als würde sie ihm bis in den tiefsten Grund seiner Seele blicken. Doch mit ihrem Einwand bezüglich seines Namens hat er gerechnet. Immerhin hat er ihn selber ins Spiel gebracht.
„Es hätte mich sehr gewundert, wenn Euch diese Lüge verborgen geblieben wäre“, antwortet er direkt und ohne Umschweife, während er versucht ihren Blick zu erwidern. „Und wie Ihr sehr richtig vermutet, habe ich meine persönlichen Gründe mich Iestin und nicht bei meinem Geburtsnamen zu nennen. Es wird Euch ebenfalls nicht verborgen geblieben sein, dass ich mich nicht ganz freiwillig hier in Talyra auf Arbeitssuche begebe, aber da Ihr mir trotz dieser Lüge die Chance bietet, bei Euch zu arbeiten, gehe ich davon aus, dass Ihr meine Gründe, über meine wahre Herkunft zu schweigen, akzeptiert.“ Er hebt seinen Mundwinkel zu einem verschmitzten Lächeln. Einen Gesichtsausdruck, den sie schon häufiger an ihm entdeckt an.
Ob es an Nathans Worten liegt oder an sonstigen, für ihn unbekannten Gründen, kann er nicht beurteilen: auf jeden Fall ist es selbst für ihn unübersehbar, dass Ernst und Strenge die Miene der Elbin wieder verlassen und einer freundlicheren Stimmung und warmherzigeren Worten platz machen. Als sie erwähnt, dass sich schon manch guter Mann unter viel Dreck und Staub verborgen gehalten hat, muss Nathan ein wenig schmunzeln. Nein, als einen „guten Mann“ hat er sich selber nie gesehen. Aber gut oder böse sind bekanntlich immer eine Frage des Standpunktes des Betrachters. Soll Arúen und ihr stiller Hauselb von ihm denken was sie wollen, solange sie ihm nur in ihrem Haus Unterschlupf gewähren.

Die Hausherrin wendet sich an Teir und lässt sich von ihm ein großes Buch aus dem Regal reichen. Ehe sich Nathan versieht, hat sie mit geübten Fingern ein paar kryptische Linen und Striche unter die vielen anderen krakeligen und Nathan völlig unbekannten Symbolen, die die Seiten des Buches zieren, gesetzt. Dann reicht sie Nathan die Schreibfeder: >"Hier, setzt Euren Namen oder Euer Zeichen dazu, dafür, dass ihr die Stelle annehmt."<
Missmutig hebt er erst die rechte, dann die Linke Augenbraue. „Mein Zeichen…“, brummt er, während seine Finger unentschlossen die Feder hin und her drehen. Sein Zeichen, ist schon seid ewigen Zeiten ein Rabe, aber einen Vogel zum Signieren seiner Anstellung kann er schlecht verwenden, wenn er doch in Talyra seine Identität verbergen will. Also muss er sich gezwungenermaßen ein neues Symbol ausdenken. Ungeschickt senkt er den Federkiel und hinterlässt als erstes einen dicken Tintenklecks auf dem Papier. Na, Prima!! Aus dem unförmigen Gebilde zeichnet er mehr recht als schlecht ein Rad mit Nabe und Speichen, das für seine vielen Reisen stehen soll. Nachdem er sein Zeichen beendet hat, reicht er die Feder wieder seiner neuen „Herrin“, die sehr wohl bemerkt hat das Schreiben und dementsprechend wohl auch Lesen nicht zu den Stärken ihres neuen Knechtes gehört.

Sie erhebt sich und fordert ihn freundlich auf ihm zu folgen. Gemeinsam verlassen sie den Raum und durch schreiten die große Eingangshalle des Hauses. Aruén geht voran, während Nathan ihr ein paar Schritte dahinter zusammen mit Teir folgt. Von dem seltsamen Faun, mit dem sich Arúen bei seiner Ankunft in der Halle unterhalten hat, ist nicht mehr zu sehen. Kurz bevor die kleine Gruppe die Küche erreicht, hält Arúen plötzlich inne und wendet sich zu ihm um: "Falls die anderen etwas in sich gekehrt wirken, oder vielleicht sogar unwirsch, seht es ihnen bitte nach. Wir haben einen Todesfall gehabt. Unser Lehrmädchen ist vor einigen Tagen verschwunden und dann gestern ermordet aufgefunden worden."
Ein Lehrmädchen ermordet worden? DAS MÄDCHEN über das sich der Mob der Straßen das Maul zerreißt? Ein seltsamer Zufall, dass es ihn gerade in das Haus verschlagen hat, dessen Trauerfall in aller Munde ist. Aber was soll’s. Wenn die anderen Mägde und Knechte nicht gesprächig sind, dann kommt es ihm gerade gelegen. Und unwirsch und in sich gekehrt klingt, um einiges sympathischer als neugierig und geschwätzig. Also nickt Nathan nur kurz und folgt dann der Elbin und ihrem Begleiter in die Küche.
Zu Nathans Glück sind außer zwei Frauen, einem Kind und zwei Hunden keine anderen Anwohner mehr anwesend. Das Frühstück scheint schon beendet zu sein, so hat er noch eine Schonfrist bevor er sich dem Rest des Hauses vorstellen muss. Die eine der Frauen hat er schon draußen in der Halle kurz gesehen, sie hat lange dunkelblonde Haare, die sie zu einem Zopf hoch gesteckt hat und ihr prüfender Blick verrät Nathan sofort, das es sich bei ihr, um diejenige handeln muss, die im Haus das „Sagen“ hat. Kurze Zeit später stellt Aruén sie ihm als Cassandra, die oberste Magd und Wirtschafterin auf Vinyamar vor. Die Frau mit dem kleinen Kind auf dem Arm ist Nuala, eine der Mägde. Nathan nickt den beiden Frauen kurz zu Begrüßung zu. Tief im Innersten schwand ihm schon nichts Gutes. So wie die „Obermagd“ ihn begutachtet, werden die nächsten Stunden, Tage, Wochen sehr, sehr anstrengend werden.
Das Kind in Nualas Armen nennt sich Rialinn und sie ist die Tochter von Arúen. Rialinn interessiert Nathan allerdings weniger, stattdessen beugt er sich ein wenig zu den beiden wirklich hübschen Hunden hinunter, die ihn vorsichtig umkreisen und beschnuppern. Tiere sind seiner Meinung nach, sowieso die besseren Menschen, auf jeden Fall machen sie nur selten ungefragt den Mund auf und nerven einen mit unsinnigem Geschwätz. Er hält den Hunden seine schmutzigen Hände hin, die beide Tiere sofort interessiert untersuchen und beschnüffeln. Als einer der Hunde plötzlich anfängt zu niesen, muss selbst Nathan grinsen.
„Ist ja gut“, meint er lachend, als sich die Hunde etwas zurückziehen und sich zwischen ihm und Arúen, die jetzt ihre Tochter auf dem Arm trägt, stellen. „Ich sehe es ja ein, dass ein Bad mal wieder von Nöten wäre.“ Auch die beiden Mägde können ein Schmunzeln nur mühsam unterdrücken, was Nathan nicht im Geringsten stört. Es weiß selber nur zu gut, das sein geruchlicher und äußerlicher Zustand ziemlich zu wünschen übrig lässt.

>"Er soll die alte Kammer von Raimon bekommen. Nuala, hol bitte Laken, Kissen, Decke und Bezüge aus der Wäschekammer und gib sie ihm, damit er sein Bett beziehen kann"< , hört er die Hausherrin befehlen. Er wirft einen neugierigen Blick auf die oberste Magd, die ungefähr in seinem Alter zu sein scheint und dynamisch ihre Hände an ihrer Schürze trocken reibt, während sie ihrer Herrin mit funkelnden Augen zu nickt.
Das kann ja heiter werden. An ihr werde ich noch die eine oder andere Freude haben.
Dem kurzen Gespräch der beiden Frauen folgt er nur oberflächlich. Es geht um das ermordete Mädchen und den Faun, der hier zu Besuch war. Statt den Worten zwischen der Herrin und ihrer Wirtschafterin zu zuhören, lässt er lieber seinen Blick durch die große und geräumige Küche wandern. Er kann es noch immer nicht glauben, dass er hier arbeiten und leben soll. Das ganze Haus wirkt groß und edel, aber gleichzeitig auch gemütlich und strahlt eine ungewöhnliche Wärme aus. Noch hat er sich nicht entschieden, ob es ihm gefallen oder vielmehr abstoßen soll.
Das Gespräch zwischen den beiden ist schnell beendet und Aruén verabschiedet mit einem Nicken bei ihrem Gesinde. Teir folgt ihr zusammen mit den beiden Hunden, ohne ein Wort außer seiner kurzen Begrüßung gesprochen zu haben. Nathan sieht den Dreien mit gerunzelter Stirn nach. Nun wird es wohl oder übel erst.
Kaum hat die kleine Elbengruppe die Küche verlassen, wendet er sich den beiden Mägden zu. Sein Blick ruht erst auf der einen dann auf der anderen. Schließlich bleiben seine blauen Augen bei Cassandra hängen und funkeln sie herausfordernd, aber nicht unfreundlich an.
„Und nun?“, fragt er mit verschränkten Armen und schief gelegtem Kopf. „Erst Arbeiten und dann Waschen oder erst Waschen und dann Arbeiten?“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 08. Feb. 2008, 17:33 Uhr
Ein Paar blauer Augen richtet sich fest auf sie. Der Blick ist nicht unfreundlich, aber darin ist unleugbar ein herausforderndes Funkeln. Eigentlich ist die ganze  Körperhaltung, verschränkte Arme und schief gelegter Kopf, eine einzige Herausforderung. >Und nun?< kommt die dazu passende Frage, >Erst Arbeiten und dann Waschen oder erst Waschen und dann Arbeiten?<  Cassandra sieht sich nicht nach Nuala um, sie weiß auch so, dass die Magd die Szene höchst aufmerksam verfolgt und sich vermutlich gerade krampfhaft darum bemüht, ernst zu bleiben. Mit der Vermutung liegt sie alles andere als falsch. Nuala wahrt zwar äußerlich die Fassung und lässt sich so gut wie nichts anmerken. Innerlich kämpft sie aber mit einem Lachen und ist ernsthaft am überlegen, ob sie nicht Eintrittskarten verkaufen und Wetten annehmen sollte, während sie und die anderen zusehen, wie Cassandra diesem Iestin den Kopf zurecht rückt und ihm die Macht- und Hierarchieverhältnisse auf Vinyamar nahebringt.

An einem anderen Tag hätte Cassandra diesem neu angestellten Knecht mit dem vorlauten Mundwerk vermutlich trocken geantwortet, er solle doch mit dem Arbeiten anfangen, am besten mit dem Ausmisten des Schweinestalls, damit es sich den Aufwand des Wasser für den Zuber heiß zu machen auch verdient hätte. Aber nicht heute, nicht nach den Nachrichten, die der gestrige Tag gebracht hat - und nicht bei der Duftnote, die dieser Kerl verbreitet. Ganz abgesehen davon, dass Gerion und Orean den Schweinekoben erst vor einigen Tagen von Mist befreut hatten. Die Augen, mit denen sie Iestin nun erneut mustert verengen sich zu Schlitzen. "Waschen alleine wird wohl kaum viel bringen," kommt es knapp von ihr zurück. "Falls Interesse daran besteht, nachher am Mittagsmahl teilzunehmen, fängt Dein Tag hier auf Vinyamar mit einem Zuber voll heißem Wasser, einem großen Stück Seife und einer Auswahl an Bürsten an. Hast Du saubere Sachen zum Wechseln? Wenn nicht, können Dir die anderen Männer Kleider ausleihen, bis wir Deine Sachen gewaschen und ansonsten Kleider zum Wechseln besorgt haben."

Abschätzend wandert ihr Blick über den Mann, der mit ihr fast ein Alter haben muss, vergleicht ihn und seine Statur ganz offensichtlich mit jener der anderen Angehörigen des Haushalts. Von der Größe her reicht er an Ullmar heran, aber der hat eine viel kräftigere Statur und ein breiteres Kreuz. Gerion ist ein Stück kleiner und viel zu schlaksig, als dass seine Sachen passen würden  Obwohl... vielleicht doch, die braune Tunika, die ist dem Jungen etwas zu groß, die könnte Iestin passen. Aber die Sachen von Orean und Tolan sollten eigentlich auf jeden Fall passen. Nicht perfekt, aber es würde ausreichen, bis diese Sachen gewaschen und getrocknet wären und ein zweiter Satz Wäsche, Hosen, Hemden und sowas besorgt wäre. Zeit um das alles selber auf Vinyamar zu nähen, können sie sich dieses Mal nicht nehmen. Diesmal würden sie es von einem der Schneider holen müssen, oder auf dem Platz der Händler. "Nach dem Bad zeige ich Dir Deine Kammer und wo Du Deine Sachen lassen kannst. Und anschließend kannst Du Nuala und Daira helfen. Heute ist großer Waschtag. Das heißt wir brauchen jede Menge Wasser und Feuerholz. Und wenn Du das Wasser holen und das Holz hacken übernimmst, während die beiden die Wäsche machen, sind wir alle schneller damit durch."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 09. Feb. 2008, 14:31 Uhr
Nathan reckt und streckt sich ein wenig, während er auf Cassandras Reaktion auf seine Frage wartet. Die Nacht auf dem Heuboden ist kurz gewesen und er spürt wie die kalten Nächte und die lange Reise langsam ihren Tribut fordern. Auch die behagliche Wärme der Küche zeigt bereits ihre erste Wirkung, denn eine angenehme Müdigkeit macht sich in ihm breit. Wenn es nach ihm ginge, würde er sofort die Kammer beziehen, von der Arúen geredet hat, und sich in das Bett legen, ob frisch bezogen oder nicht ist ihm dabei völlig gleich. Aber Cassandra sieht nicht danach aus, als würde sie ihn in den nächsten Stunden zu Ruhe kommen lassen. Ganz ehrlich gesagt, kann er ihr das nicht einmal verübeln.
Der Blick der obersten Magd verändert sich. Die ihn gerade noch neugierig und erwartungsvoll musternden Augen werden zu engen Schlitzen und es nicht zu übersehen, dass seine lax formulierte Frage sie wenig entzückt. Nathan muss über sich selbst Grinsen. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie schnell es ihm doch gelingt, seine Mitmenschen gegen sich auf zu bringen. Das war früher so und hat sich bis heute nicht geändert. Aber was andere von ihm Denken ist ihm ziemlich egal, er hat derzeit wahrlich andere Sorgen als sich, um seine Beliebtheit unter dem Gesinde Vinyamars zu kümmern. Die Hauptsache ist, er hat ein Dach über dem Kopf, etwas zu Essen und genießt den Luxus eines Bettes. Der Rest wird sich schon ergeben.

>„Waschen alleine wird wohl kaum viel bringen"<, unterbricht Cassandra seine Gedanken und antwortet ziemlich knapp auf seine Frage. >"Falls Interesse daran besteht, nachher am Mittagsmahl teilzunehmen, fängt Dein Tag hier auf Vinyamar mit einem Zuber voll heißem Wasser, einem großen Stück Seife und einer Auswahl an Bürsten an. Hast Du saubere Sachen zum Wechseln? Wenn nicht, können Dir die anderen Männer Kleider ausleihen, bis wir Deine Sachen gewaschen und ansonsten Kleider zum Wechseln besorgt haben."<
Er fährt sich mit den schmutzigen Händen über die Augen, nur mühsam kann er ein Gähnen unterdrücken.
„Saubere Sachen?“, brummt er „Glaubt mir, wenn ich frische Kleidung besitzen würde, dann hätte ich sie bestimmt angezogen. Das was ich bei mir trage, ist alles was ich derzeit besitze. Und gegen ein Bad habe ich nichts einzuwenden.“ Er lächelt Cassandra schelmisch an und bemerkt schließlich ganz neben bei: „Und gegen ein Mittagsmahl natürlich noch weniger!“
Nathan, du bist wirklich ein Dummkopf. Diese Frau wird dich die nächsten Tage durch alle Neun Höllen schicken, warnt ihn eine innere Stimme. Doch Nathan keine Lust auf sie zu hören. Er mag zwar seid ein paar Stunden den lächerlichen Namen Iestin tragen, aber deshalb muss er noch lange nicht jedem daher gelaufenen Weibsbild wie ein dummes Kind Gehorsam leisten. Das wäre ja noch schöner.

„Nach dem Bad zeige ich Dir Deine Kammer und wo Du Deine Sachen lassen kannst“<, erwidert Cassandra mit einem ziemlichen scharfen Ton in der Stimme. >“Und anschließend kannst Du Nuala und Daira helfen. Heute ist großer Waschtag. Das heißt wir brauchen jede Menge Wasser und Feuerholz. Und wenn Du das Wasser holen und das Holz hacken übernimmst, während die beiden die Wäsche machen, sind wir alle schneller damit durch."<
„Holz hacken und Wasser holen.“, wiederholt Nathan, so als müsste er sich erst an den Gedanken gewöhnen, so alltägliche Aufgaben zu verrichten. Er reibt sich nochmals müde die Augen, und nickt dann einfach. „Das dürfte ich wohl hin bekommen.“ murmelt er mehr zu sich selber als zu den beiden Frauen. Weitere Fragen verkneift er sich vorerst lieber. Der Tag ist schließlich noch jung!

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 11. Feb. 2008, 10:39 Uhr
>Glaubt mir, wenn ich frische Kleidung besitzen würde, dann hätte ich sie bestimmt angezogen. Das was ich bei mir trage, ist alles was ich derzeit besitze.< Auch wenn Cassandra es sich nicht einmal im Entferntesten anmerken lassen würde, muss sie ihm doch Recht geben. Stimmt. Hätte er saubere Wäsche gehabt, hätte er die mit Sicherheit angezogen, wenn er sich auf die Suche nach einer Anstellung macht... Keine weitere Wäsche, gut, oder nicht gut, aber auch nicht zu ändern. Dann muss für heute einer der Männer mit Kleidern aushelfen. Dann muss morgen jemand mit ihm los um Kleider zu besorgen... Aber immerhin steht er zu seiner ... Situation... Auch wenn sie das niemals zugeben würde, zollt sie ihm dafür auf eine widerwillige Art Respekt. Wenn sie etwas nicht ausstehen kann, dann ist es Duckmäusertum oder schmieriges Katzbuckeln und nach dem Mund reden. Was jedoch nicht bedeutet, dass sie Widerworte oder Drückebergertum dulden würde. Begründeten Einwand oder Vorschläge hört sie sich durchaus an (und entscheidet dann, ob sie darauf einzugehen gedenkt oder nicht), aber Widerworte bloß um des Widersprechens Willen kann sie auf den Tod nicht ausstehen.

Seinen Nachsatz bezüglich des Mittagmahls hat sie ebenso wenig überhört wie ihr die müde Geste entgangen ist, mit der er sich über die Augen gefahren ist. >Holz hacken und Wasser holen. Das dürfte ich wohl hin bekommen.< kommt es in einem Tonfall, als würden ihn solche Arbeiten unterfordern. Doch zum Glück (für Iestin) spricht er so leise, dass Cassandra so tun kann, als habe sie es nicht gehört. Und sie tut so. Dafür wechselt sie allerdings einen eindringlichen Blick mit Nuala, die unterdessen ihren Platz auf der Bank am Küchentisch verlassen hat. Jeder hat auf Vinyamar seinen Platz, und Cassandra erwartet, dass jeder den seinen kennt und sich auch entsprechender Umgangsformen bedient - nicht nur gegenüber der Herrschaft, sondern auch untereinander. Und wie es scheint, muss sie diesem Iestin noch das eine oder andere darüber erklären, was es bedeutet, als Knecht auf Vinyamar zu arbeiten.
"Nuala, nimm ihn mit zur Waschküche. Und sag Daira, dass wir zuerst Heißwasser für den Zuber brauchen. Die Bezüge und das Bettzeug kannst Du auch nachher in Iestins Kammer bringen, wenn er gebadet hat. Ich komme gleich nach," wendet sie sich dann an Iestin, "wenn ich saubere Kleider zum Wechseln besorgt habe."

Ein kurzes Nicken zu den beiden, dann hat Cassandra sich auch schon ihr großes Wolltuch geschnappt, das immer griffbereit an einem Haken neben der Tür in den Küchengarten hängt und ist raus in den Garten. Orean und Tolan, die sie wegen der leihweise Überlassung von Kleidern für Iestin fragen will sind hinter dem Stall, dort wo unter dem breiten Dachüberstand das Feuerholz gelagert wird. Die vor einigen Tagen gelieferten Buchen- und Birkenstämme sollen in armlange Stücke zerlegt werden, ehe sie in Scheite gespalten und dann zum weiteren Trocknen gestapelt werden. Und Nuala würde Iestin unterdessen zur Waschküche bringen, in der auch der große Holzzuber steht, den das Gesinde zum Baden benutzt. Und die Oberste Magd des Ulmenanwesens vertraut darauf, dass die Magd dem Neuzugang das eine oder andere über die Abläufe auf Vinyamar erklären würde. Ihrer Erfahrung nach, fällt es dem Gesinde leichter sich untereinander Fragen zu stellen, vor allem wenn es neu in Dienst genommen wurde, als sich damit an sie oder Ullmar oder gar an die Elbin zu wenden.

Kaum, dass sich die Tür hinter Cassandra geschlossen hat, winkt Nuala Iestin auch schon, ihr zu folgen. "Komm mit, ich zeige Dir, wo die Waschküche ist, da steht auch der Zuber für das Bad... Keine Sorge, Daira und ich lassen Dich alleine, du musst nicht baden, während wir dabei sind," setzt sie mit einem Schmunzeln in der Stimme nach. "Normalerweise fallen Waschen und Baden nicht auf den selben Tag, aber wir haben auch so noch genug anderes zu tun." Sie führt den Mann aus der Küche in die Halle, und dann gleich wieder durch die nächste Tür in den Wirtschafts- und Gesindeflügel, wo neben Räumen wie der Waschküche auch die Gesindekammern untergebracht sind. Gleich einer der vorderen Räume ist die Waschküche. Ein heller Raum mit frisch im Sommer gekalkten Wänden und einer eigenen Tür hinaus in den Garten, damit man sommers nicht mit der frischen Wäsche erst durch das Haus muss um sie zum Trocknen in den Garten zu bringen. An der einen Seite ist eine große, eingemauerte Feuerstelle, über der ein Kupferkessel mit beeindruckenden Ausmaßen eingepasst ist, in dem das Wasser für die Wäsche heiß gemacht wird - oder auch für den Schlachttag. Mehrere große Weidenkörbe mit Wäsche in den unterschiedlichsten Schmutzgraden stehen sauber aufgereiht an der Wand, zwei große Holzbottiche mitten im Raum und vor der Feuerstelle steht eine junge Frau, die gerade daumendick gespaltenes Holz nachlegt um das schnell und heiß brennende Feuer unter dem Kessel weiter anzufachen.

"Daira! Das ist Iestin, er fängt hier neu an, und... naja, wir brauchen erst mal Heißwasser für den Zuber, die Wäsche muss noch warten." Nuala schließt die Tür hinter sich und geht direkt zu einem der Regale, die die Wand gegenüber der Feuerstelle einnehmen, und sucht diverse Dinge zusammen. Es dauert nicht lange, bis sie sich mit vollen Armen wieder zu Iestin umdreht und alles auf einen Holzschemel legt, den sie neben den Zuber stellt, den Daira von der Wand weg und näher an die Feuerstelle herangezogen hat. Und sich dazu gleich Iestins Hilfe erbeten hat, der Zuber ist groß und aus massivem Holz gefertigt und entsprechend schwer.
"Hier. Seife, Bürsten und Lappen zum Waschen und Laken zum Abtrocknen. Falls Du noch Rasierzeug brauchst, das liegt da drüben im Regal." Dass Iestin die Vorhänge an den Fenstern zuziehen kann, wenn er will, erwähnt sie nicht. Wozu auch? Er ist ein erwachsener Mann, da sollte er selber drauf kommen können. "Ach ja, deine Wäsche... tu die bitte in den Korb dort drüben," sie deutet auf einen noch leeren, kleinen Weidenkorb, "die waschen wir dann, wenn wir mit dem Rest durch sind." Sie meint das nicht unfreundlich, oder als Vorwurf. Es ist die schlichte Feststellung der Tatsache, dass die Sachen von Iestin erheblich schmutziger sind als der Rest der Wäsche. Und man fängt nun einmal mit der am wenigsten verschmutzen Wäsche an und arbeitet sich dann weiter vor.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 12. Feb. 2008, 18:33 Uhr
Kaum hat Cassandra die Tür hinter sich geschlossen, um für Nathan frische Kleidung zu besorgen, winkt Nuala ihn zu sich und deutet ihm ihr zu folgen. >"Komm mit“<, sagt sie zu ihm mit einem Schmunzeln in der Stimme, >„Ich zeige Dir, wo die Waschküche ist, da steht auch der Zuber für das Bad... Keine Sorge, Daira und ich lassen Dich alleine, du musst nicht baden, während wir dabei sind."< Nathan schüttelt belustigt den Kopf. Wenn es nach ihm geht, können Daira, Nuala und wie die Mägde und Knechte hier sonst noch heißen, nackt um seinem Zuber herumtanzen, wenn es ihnen Freude bereitet, selbst das würde ihn nicht von einem Bad abhalten können.
„Na, da bin ich ja beruhigt“, erwidert er mit einem unleugbar ironischen Ton in der Stimme.
>"Normalerweise fallen Waschen und Baden nicht auf den selben Tag, aber wir haben auch so noch genug anderes zu tun"<, setzt Nuala nach, während sie ihn durch die große Eingangshalle in einen der Flügel des Hauses führt. Das es in einem so großen Anwesen genug zu tun gibt, glaubt Nathan sofort, den Gedanken, dass auch er bald hier das eine oder andere zu „tun“ haben wird, schiebt er sicherheitshalber weit von sich. Lieber beschäftigt er sich mit der Aussicht eines baldigen Bades mit warmen Wasser und viel Seife. Die Waschküche befindet sich in einem der vorderen Räume und ist schnell erreicht. Schmutzige Wäsche in Weidenkörben, zwei große Holzzuber und einen Kupferkessel mit einem beeindruckenden Fassungsvermögen kann Nathan in dem hellen Raum entdecken. Vor der Feuerstelle steht eine junge Frau, die gerade dabei ist, das Feuer anzuheizen und fein gespaltenes Holz nachzulegen.
Zumindest zählen die Mägde hier nicht zu den hässlichsten Exemplaren unserer Rasse,stellt Nathan nach einem kurzen abschätzenden Blick fest. Nuala stellt ihm die Magd als Daira vor und beginnt sogleich geschäftig, aus einem Holzregal an der gegenüberliegenden Wand alle möglichen Waschutensilien heraus zukramen. Während Nuala mit dem Zusammentragen von Seife, Bürsten und Laken beschäftigt ist, fordert Daira Nathan freundlich auf, ihr mit dem schweren Holzzuber zu helfen. Er beantwortet ihre Frage mit einem kurzen Kopfnicken und gemeinsam schieben und zerren sie den massiven Bottich näher an die Feuerstelle heran.

>"Hier. Seife, Bürsten und Lappen zum Waschen und Laken zum Abtrocknen. Falls Du noch Rasierzeug brauchst, das liegt da drüben im Regal. Ach ja, deine Wäsche... tu die bitte in den Korb dort drüben" <, meint Nuala lächelnd zu ihm. Die Waschsachen hat sie ihm auf einem Holzschemel direkt neben den Zuber gestellt. Wieder spart sich Nathan eine Antwort, stattdessen nickt er nur als Zeichen, dass er verstanden hat. Die beiden Frauen mustern ihn prüfend und kommen ziemlich schnell zu dem Schluss, dass es das Beste ist, ihn so bald wie möglich mit seinem dringend notwendigem Bad alleine zu lassen, die restlichen Dinge können ja auch noch später geklärt werden. Bevor sie allerdings den Raum verlassen, helfen sie ihm noch das heiße Wasser aus dem schweren Kupferkessel in den Holzbottich umzuschütten. Sofort erfüllt warmer Wasserdampf den Waschraum und beschlägt die Fenster.
Nuala beugt sich über den dampfenden Waschzuber. Prüfend hält sie die Finger ins Wasser und meint schließlich zu Nathan gewandt: „Die Wassertemperatur dürfte so passen. Wenn es Dir zu heiß sein sollte, dort in der Ecke stehen noch zwei große Eimer mit kaltem Wasser. Achja…und Deine frische Kleidung bringt Dir gleich Cassandra vorbei.“ Daira und Nuala tauschen schmunzelnde Blicke aus, dann nicken sie ihm beide zum Abschied zu und verschwinden durch die Tür.

Kaum hat sich die Tür hinter den beiden Frauen geschlossen, entfährt Nathans Mund erst einmal ein tiefer Seufzer. Endlich allein, endlich Ruhe. Ihm ist gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er die letzten Monde ein gutes Bad vermisst hat. Der Dampf, der Geruch von Seife: es ist Ewigkeiten her, dass sein Körper mit warmen Wasser in Kontakt gekommen ist. Die meiste Zeit während seiner Reise nach Talyra hatte eine kurze, kalte Wäsche über Eimern, Tränken oder Bächen reichen müssen. Er stellt seine schwarze Ledertasche vorsichtig auf den Boden und entkleidet sich dann rasch. Umhang, Weste und Hemd landen im hohen Boden auf dem Steinboden. Ein paar Sekunden später poltern zwei abgetragene Stiefel und eine ziemlich schmutzige Hose daneben. Mit den Zehen bugsiert Nathan seine stinkende Kleidung in den dafür vorgesehenen Weidenkorb und betrachtet zufrieden sein Werk. Dann gleitet er genüsslich grunzend, in den mit heißem Wasser gefüllten und dampfenden Holzzuber.
„Ahhhhhh…..tut das gut“, murmelt er vor sich hin. Den Kopf an den festen Holzrand des Bottichs gelehnt, schließt er die Augen und genießt die Hitze des Wassers völlig regungslos. Die Andernwelt kann wahrlich nicht herrlicher sein, als ein lang vermisstes und überfälliges Bad.
Nach einer Weile rutscht er langsam tiefer bis schließlich sein ganzer Kopf unter Wasser liegt. Noch ist das Wasser relativ klar und er erkennt, durch die leicht geöffneten Augen, ein durch Wellenlinien, gemütlich aufsteigende Luftblasen und Nebelschwaden verzerrtes Bild der weiß getünchten Waschküche. Nathan bleibt so lange still und gemächlich ausatmend unter Wasser liegen, bis seine Lungen zu rebellieren beginnen und ihn prustend zwingen wieder aufzutauchen. Er schüttelt grinsend den Kopf. Kleine Wasserfontänen landen auf dem Steinboden und bilden mal größere, mal kleine Pfützen. Dabei fällt sein Blick auf seine immer noch ziemlich schwarzen Füße, die ihn an den eigentlichen Grund für sein Bad erinnern: Waschen!! Um diesen ganzen Dreck wieder herunter zu bringen, reicht Wasser alleine niemals aus. Und so greift er schließlich unter herzhaftem Gähnen nach den Bürsten und der Seife, die auf dem Schemel neben ihm thronen und beginnt sich von Kopf bis zu den Zehen gründlich einzuseifen und abzuschrubben. Das ehemals klare Wasser wird während dieser Prozedur immer trüber, bis Nathan in einer milchig grauen Brühe sitzt, die nur noch im Entferntesten etwas mit einem Badewasser gemeinsam hat. Als er den Zuber endlich wieder verlässt, ist das Wasser nur noch lauwarm, Nathan aber dafür vom vielen Bürsten rot gescheuert und blitzblank. Mehr recht als schlecht trocknet er sich mit dem von Nuala dafür vorgesehen Laken ab und wickelt sich das Tuch um die Hüften. Der Wasserdampf hat sich schon längst wieder verzogen und gibt den Blick durch die Fenster hinaus in den Garten frei. Das man ihn die ganze Zeit beim Baden hat beobachten können, lässt ihn ziemlich unbeeindruckt.

Zufrieden reibt er sich das kratzige Kinn. Nun fehlt nur noch eine Rasur. Er bückt sich nach seiner Tasche, um nach seinem alten Rasierzeug zu kramen, lässt es aber dann doch bleiben. Schon vor einem Siebentag, als er versucht hat, sich in einer billigen Absteige mit seinem alten Messer zu rasieren, war der Versuch kläglich zum Scheitern verurteilt gewesen. Das Messer war nach all den Zwölfmonden so stumpf geworden, dass man damit nicht einmal mehr ein Schwein hätte schlachten können, schweige denn einen Bart rasieren. Da vertraut er doch lieber auf das Rasierzeug der Knechte: Ein scharfes Rasiermesser, einen Abziehstein und einen Lederriemen zum Schärfen, ja sogar eine kleine Schüssel und Öl zum Einreiben sind vorhanden. Innerlich frohlockend macht er sich sogleich an die Arbeit. Als Spiegel benutzt er eines der Fenster der Waschküche. Bevor er beginnt hält er jedoch kurz inne. Er hat seinem Äußeren nie viel Wert beigemessen, doch was er nun in der sich leicht spiegelnden Oberfläche des Fensters sieht, erstaunt ihn sehr. Das bärtige Gesicht, das ihn anstarrt, ist bleich und schmal und gezeichnet von hohen Wangenknochen und dunklen Augenringen. Sein Blick wandert über seinen rot leuchtenden Oberköper und bleibt an seiner linken Schulter hängen. Nachdenklich fährt er sich über eine frische, ungefähr eine Silbermünze große Narbe, die er vor gar nicht allzu langer Zeit einem Armbrustbolzen zu verdanken hat. Dafür, dass er sich nicht so richtig um sie kümmern konnte, ist sie recht gut verheilt und auch seine Schulter breitet ihm kaum mehr schmerzen. Er lässt ein paar Mal den linken Arm kreisen, um seine Schulter zu lockern und setzt dann die längst überfällige Rasur fort.
Er ist gerade dabei sein Gesicht mit etwas Wasser aus den Eimern abzuwaschen, als es laut und unüberhörbar an der Tür klopft. Erst einmal, dann zweimal und sogar dreimal.
„Ja, ich bin fertig!“ brummt er, während er sich noch schnell das Gesicht mit dem ziemlich gut riechenden Öl, das ebenfalls bei dem Rasierzeug liegt, einreibt.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 17. Feb. 2008, 16:13 Uhr
Cassandra braucht nicht lange, um Orean und Tolan hinter den Stallungen zu erreichen. Der Mann ist zwar nicht sonderlich begeistert davon, dass er einem Fremden Kleidung und Wäsche leihen soll. Aber es bedarf nur weniger Worte der Obersten Magd Vinyamars um den Mann daran zu erinnern, in welchem Zustand er vor einigen Jahren hier auf dem Ulmenanwesen angekommen ist. Immerhin versöhnt den Knecht die Aussicht darauf, dass von nun an wieder ein kräftiges Paar Hände mehr da ist, auf das sich die Arbeiten im und am Haus und draußen auf den Feldern verteilen würden. Und so folgt er Cassandra schweigend zu seiner Kammer um aus der Kleidertruhe Leibwäsche, Strümpfe, ein Paar Hosen aus strapazierfähigem Tuch, ein leinenes Hemd und eine Tunika aus festem und dabei weichem Wolltuch hervor zu holen und ihr den Stapel säuberlich gefalteter Kleider in die Hände zu drücken. "Danke, Orean. Du bekommst die Sachen nach dem nächsten Waschtag wieder zurück." Während sie der Knecht sich auf den Weg zurück zu seiner Arbeit macht, kehrt Cassandra in die Küche zurück, legt den Kleiderstapel auf dem großen Tisch ab und hängt ihren Mantel zurück an seinen Platz an dem Haken neben der Tür zum Küchengarten. Ein kurzer Blick in die Töpfe auf dem Ofen, alles köchelt sacht vor sich hin wie es sein soll. Nichts kocht über oder brennt gar an. Zufrieden nickend legt sie die Deckel wieder auf die Töpfe und verlässt die Küche wieder. Den Arm voller Kleider für den neuen Knecht geht sie die wenigen Schritt durch die Halle und tritt dann durch die Tür zum Gesindeflügel des Anwesens. Die Tür zur Waschküche ist geschlossen, kein Laut ist zu hören und von Daira und Nuala weit und breit nichts zu sehen.

Da Cassandra nicht hellsehen kann, und das neue Mitglied des vinyamarschen Haushalts nicht durch unangemeldetes Eintreten in Verlegenheit bringen will, klopft sie an die Tür. Keine Reaktion. Sie klopft erneut, jetzt zweimal. Schweigen im Walde, oder vielmehr in der Waschküche. Hmpf. Ist der im Zuber ertrunken, oder was oll das werden? Dreimal hallt das Klopfen jetzt durch den Gang und die Waschküche, deutlich energischer rund einen Hauch ungehalten. Aber immerhin bekommt sie nun eine Reaktion aus dem Inneren. Etwas, das sich wie ein Brummen und so etwas wie "Bin fertig" anhört. Also drückt sie die Türklinke herunter und tritt ein.
Der Mann steht bei den Fenstern, derer er sich anscheinend als Spiegelersatz für seine Rasur bedient hat, wenn sie die auf dem Fensterbrett liegenden Rasierklinge, den Öltiegel und das fehlende Gestrüpp im Gesicht Iestins richtig deutet. Kurz wandert ihr Blick über den Anblick, der sich ihr da bietet. Um die Hüften hat er sich eines der großen Leinenlaken geschlungen. Fast so groß wie Ullmar sieht man jetzt erst wirklich um wieviel schmaler er ist als der Großknecht. Dünn ist er, fast schon mager, vor allem im Gesicht fällt das auf, wo die Wangenknochen sich deutlich abzeichnen und von dunklen Ringen unter den Augen noch betont werden, die auf zuwenig Schlaf hindeuten. Allerdings wirkt er nicht ausgezehrt. Kurz fragt sie sich, woher er die Kraft für die tägliche Arbeit nehmen will. Oder für das Holzhacken nachher. Nur um sich im nächsten Augenblick selber daran zu erinnern, dass die Statur über die tatsächliche Körperkraft hinwegtäuschen kann. Sie lebt schließlich lange genug in einem Elbenhaushalt, um zu wissen, dass schlanke Sehnigkeit nicht mit Kraftlosigkeit verwechselt werden darf. Aber das hier ist kein Elb... Zumindest sieht er nicht so aus, als fließe in seinen Adern elbisches Blut... Egal. Den päppeln wir schon wieder auf. Der Ausdruck, mit dem ihr Blick kurz an einer augenscheinlich noch nicht sehr alten Narbe an seiner Schulter hängen bleibt, ist aufmerksam und auch ein wenig fragend, aber er heischt nicht auf Erklärungen. Es ist der prüfende Blick von jemandem, der solches schon öfter gesehen und auch versorgt hat, und nur abzuschätzen versucht, was hier womöglich von Nöten sein könnte. Sieht so aus, als sei das bereits am abheilen, Und zu behindern scheint es ihn auch nicht.
"Hier, das sind Kleider für Dich, von Orean, so lange bis wir neue für Dich besorgt haben. Sie sollten einigermaßen passen, denke ich." Sie legt den Stapel auf dem Schemel neben dem Badezuber ab und sieht Iestin aufmerksam an. Seine Haut ist noch immer leicht gerötet, was auf einen ausgiebigen Gebrauch der Bürsten schließen lässt. "Ich warte draußen. Wenn Du angezogen bist, zeige ich Dir Deine Kammer. Sie ist gleich hier, den Gang weiter runter." Ein knappes, aber nicht unfreundliches Nicken, dann ist die Frau auch schon wieder aus der Waschküche hinaus und hat die Tür hinter sich geschlossen. Sie muss nicht lange auf Iestin warten.

Mit einer wortlosen Geste bedeutet sie ihm, ihr zu folgen und geht den Gang entlang. Ein knappes Dutzend Schritt weiter, vorbei an der Tür zu Ullmars Kammer und über den knarrende Boden, öffnet Cassandra eine Tür und lässt den Mann an sich vorbei in einen Raum treten. "Das ist Deine Kammer." Der Raum ist hell, die Wände sind verputzt und gekalkt. Die nötigsten Möbel sind auch da: Ein Bett mit einer frischen Strohmatratze, darauf zwei säuberlich zusammengelegte Decken, von denen eine sogar gesteppt und mit irgendetwas gefüllt zu sein scheint und dazu ein Kissen nebst der zugehörigen Wäsche um das Bett zu beziehen. Eine Truhe für Kleidung und die persönlichen Dinge. Ein Tisch mit Wasserkrug und Waschschüssel und ein zweiter kleiner Tisch mit Stuhl direkt vor dem Fenster, in dessen Nische sich auch eine Kerze samt zugehörigem Halter befindet. Kamin gibt es keinen, dafür aber ein seerosenförmiges Kohlenbecken. Und den Luxus, sich die Kammer mit niemandem teilen zu müssen - anders als in dem meisten anderen Haushalten, wo es nicht selten bloß eine Kammer für alle Mägde und eine andere für die Knechte gibt. "Wenn Du Deine Sachen verstaut hast, geh bitte zurück zur Waschküche. Daira und Nuala werden vermutlich schon auf Dich warten." Damit lässt sie ihn für den Augenblick alleine in seiner Kammer zurück.


Als er dann wieder in der Waschküche auftaucht, sind Daira und Nuala gerade dabei, das Wasser mit Eimern aus dem großen Zuber zu schöpfen und in einen Ausguss in der einen Ecke des Raumes zu schütten, der vorher noch unter einer kleinen verriegelten Bodenluke verborgen gewesen ist, und der irgendwo tief unter dem Haus in die alten Abwasserkanäle unter Talyra mündet. "Hallo, da bist Du ja." Daira nickt ihm kurz zu und nickt dann in Richtung der einen Fensternische. "Das da ist für Dich. Cassandra war der Meinung, dass Du heute noch nichts hattest und es bis zum Mittag noch einige Stunden hin ist." In der Nische steht eine hölzerne Schüssel mit einem Kanten Brot, dazu ein großzügig bemessenes Stück buttergelber Käse und ein kleiner Daubenkrug mit Dünnbier. Während die beiden Mägde den Zuber leeren und rasch ausscheuern, bleibt dem Mann genug Zeit für eine verspätete Morgenmahlzeit, ehe Nuala ihm zeigt, wo der hauseigene Brunnen von Vinyamar ist, und wo Iestin das Feuerholz findet, das er mit der Handaxt von armdicken Kaminscheiten weiter spalten soll, bis es bloß noch daumendick ist und für ein Feuer taugt, das schnell und heiß brennen soll.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 18. Feb. 2008, 19:48 Uhr
Kaum hat Cassandra die Waschküche verlassen schlüpft Nathan in seine „geliehene“ Kleidung. Die Hosen und das Hemd sind ihm zwar etwas zu weit, sie erfüllen aber ihren Zweck und sind von erstaunlich guter Qualität. Er wirft einen kurzen Blick auf sein sich im Fenster spiegelndes Abbild, wendet sich dann aber sogleich wieder kopfschüttelnd ab.
„Iestin, der Knecht!“, knurrt ungläubig er vor sich in, während er sich rasch seine alten Stiefel anzieht. So richtig kann er es immer noch nicht fassen, welche neue Wendung sein Leben genommen hat, kann er sich doch noch ganz genau erinnern, wie froh er damals gewesen ist, genau diesem monotonen Bauernleben entkommen zu sein, das er nun wieder mehr oder weniger freiwillig aufgreift. Doch er schüttelt diesen unnützen Gedanken schnell wieder ab. Es bringt nichts, sich mit dem Vergangenem zu beschäftigen, wenn einem die Gegenwart mit schnellen Schritten einholt und vor der Tür eine ziemlich resolute Hauswirtschafterin wartet, die darauf brennt einem Arbeit aufzuhalsen.

So verlässt er, die restliche frische Kleidung und seine Tasche auf dem Arm, die Waschküche und folgt Cassandra den Gang entlang. Nur ein paar Schritte hinter der Waschküche öffnet die oberste Magd eine Holztür und gibt Nathan den Blick auf seine Schlafkammer frei. Der knarrende und knarzende Boden vor der Tür fällt ihm dabei nicht besonders auf. Das Zimmer ist hell und freundlich wie fast alle Räume, die er bisher im Ulmenanwesen zu Gesicht bekommen hat und beherbergt neben einem Waschtisch, einem Tisch, einem Stuhl und einer Truhe auch ein ziemlich bequem aussehendes Bett. Erstaunt dreht sich der frisch eingekleidete und gewaschene Knecht zu Cassandra um, in seinem blassen Gesicht spiegelt sich seine Verwunderung über die fast schon luxuriöse Einzelzimmerunterbringung wieder. >"Wenn Du Deine Sachen verstaut hast, geh bitte zurück zur Waschküche. Daira und Nuala werden vermutlich schon auf Dich warten."<, sagt Cassandra zu ihm gewandt. Noch ehe Nathan irgendetwas erwidern kann, hat sie sich auch schon abgewendet und ihn in seinen vier Wänden alleine zurückgelassen. Erst das Bad und jetzt noch einen Raum für sich alleine, langsam beginnt ihm das Ulmenanwesen richtig sympathisch zu werden.
„Wenn schon das Gesinde hier so fürstlich unterbracht wird, dann will ich erst gar nicht wissen, wie die andern Zimmer und Räume aussehen“, denkt er laut, während er sich auf sein Bett fallen lässt. Seine Hand greift in seine Tasche und tastet nach einem, in ein schmutziges Leinentuch gewickelten, etwa faustgroßen Gegenstand, den er schließlich ein wenig zögernd zu Tage befördert. Mit gerunzelter Stirn betrachtet er das Ding auf seinem Schoß, diesen Fluch, den er nicht los wird und an den er auf so widersinnige Weise gebunden ist und für den er nun auch noch ein sicheren Platz suchen muss, an dem ihn niemand findet.
Seufzend erhebt er sich und geht zur Holztruhe, in die er seine Tasche und den Rest seiner ausgeliehen Kleider hineinfallen lässt. Für den eingewickelten Gegenstand dagegen ist ihm die Truhe als Aufbewahrungsort zu unsicher. An solch einem Ort würde selbst der dümmste Verfolger sofort suchen. Nach kurzem überlegen und nachdem seine Augen jeden Winkel der Kammer abgesucht haben, kommt der zu dem Schluss, dass sein Zimmer sich im Allgemeinen nicht als Versteck eignet. Wenn sie ihn aufspüren sollten, dann würden sie seine Kammer als erstes auf den Kopf stellen. Da er aber auf die schnelle keinen sicheren Platz finden kann und ihm Cassandra und die anderen Mägde schon im Nacken sitzen, entscheidet sich Nathan, das Ding einfach unter seiner Strohmatratze zu stecken und zu hoffen, dass es dort die nächsten Stunden sicher aufbewahrt ist, bis er besseres Versteck gefunden hat.
„Es wird schon nichts passieren“, murmelt er „Und schließlich weiß niemand, das ich hier bin!“

Zwar ist er nicht besonders zufrieden, als er sein Zimmer wieder verlässt, aber da ihm partout keine andere Lösung einfallen will, bleibt ihm nichts anderes übrig, als wieder in die Waschküche zurück zu gehen, wo Daira und Nuala gerade dabei sind, das schmutzige Wasser mit Eimern aus dem großen Zuber zu schöpfen. >„Hallo, da bist Du ja."<, gegrüßt ihn Daira lächelnd und deutet auf eine hölzerne Schüssel, die mit einem Kanten Brot, einem Stück Käse und einem kleinen Krug gefüllt ist. >"Das da ist für Dich. Cassandra war der Meinung, dass Du heute noch nichts hattest und es bis zum Mittag noch einige Stunden hin ist."<
Das lässt sich Nathan nicht zweimal sagen. Sofort macht er sich wie ein halbverhungerter Wolf über Brot, Käse und den mit ziemlich schmackhaftem Dünnbier gefüllten Trug her, sein Magen dankt ihm die Nahrungsaufnahme, indem er das leise aber konstante Knurren, das ihn seid den frühen Morgenstunden begleitet, einstellt. Die beiden Frauen lassen ihm genug Zeit, um seine Morgenmahlzeit in Ruhe nachzuholen, ehe Nuala ihm freundlich aber bestimmt auffordert, ihr in den Garten zu folgen. Nathan wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab, stellt die Schüssel wieder zurück auf den Sims und folgt dann Nuala ins Freie.
„Das hier ist unser Brunnen.“ sagt die Magd und deutet mit ausgestreckter Hand auf einen aus großen, alten Steinen gemauerten Brunnen, der nicht weit von der Küche entfernt steht „Und dort findest Du unser Feuerholz, den Hackklotz und das Beil.“ Unter einem kleinen hölzernen Vorbau, der direkt an der Hausmauer angebracht worden ist, stehen ordentlichen aufgeschichtet Kaminscheite auf einer Länge von mindestens 3 Schritt. Direkt daneben entdeckt Nathan einen alten Hackklotz und eine kleine Auswahl an Äxten und Beilen, die heute wohl schon der eine oder andere Knecht zum Spalten des Feuerholzes verwendet hat. Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtet Nathan den Hackklotz und die ihm endlos vorkommende Reihe an Feuerholz, dann nickt stockend Nuala zu.
Bevor sich die Magd bei ihm verabschiedet und ihn mit seiner neuen Arbeit allein lässt, erklärt sie ihm noch einmal wie dünn er das Holz spalten soll, dass sie zum Anheizen des großen Kessels benötigen und dass sie im Bescheid gibt, wenn die beiden Mägde frisches Wasser für die Zuber brauchen oder Holz für das Feuer.
„Na dann, bis später..“ sagt er schließlich mehr gequält als verschmitzt lächelnd, während er gleichzeitig hofft, dass die beiden Mägde seine Anwesenheit in der Waschküche nicht allzu oft benötigen werden.

Eine Hoffnung die sich schon sehr bald als ziemlich trügerisch herausstellt, denn die beiden Frauen legen bei der Säuberung der gesammelten Wäsche des Anwesens ein unglaubliches Tempo voran und vermitteln Nathan einen ersten Vorgeschmack der Bedeutung der Worte „Fleiß“ und „Arbeit“ hier in Vinaymar. Seine Tätigkeit für die nächsten Stunden stellt sich wie folgt dar: Kaminholz aus dem Vorbau holen, es klein hacken und in einen großen Weidenkorb legen, den vollen Korb den beiden Frauen in die Waschküche bringen und das Holz in das Feuer unter dem Kupferkessel schlichten, heißes Wasser in leere Holzzuber füllen, frisches kaltes Wasser in Unmengen aus den Brunnen ziehen, es in hölzernen Eimern in die Waschküche schleppen und damit den Kupferkessel füllen, dann wieder den leeren Weidenkorb nach draußen tragen, Holz holen, es klein hacken und so weiter und so weiter.....
Schon nach der ersten Stunde tun Nathan das Kreuz, die Arme, um ehrlich zu sein sein ganzer Oberkörper weh, aber sein übertriebener Stolz verbietet ihm auch nur mit der Wimper zu zucken, geschweige denn sich zu beschweren. Stattdessen hackt er was das Zeug hält und verflucht innerlich den eingewickelten Gegenstand in seiner Kammer und all diejenigen, die ihm die ganze Situation eingebrockt haben, am meisten sich selbst und seine verdammte Verbundenheit gegenüber einem alten, schon vor vielen Monden verstorbenen Mann.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 23. Feb. 2008, 10:17 Uhr
Die höchste Mittagsstunde ist bereits vorbei, als sich nach und nach alle Angehörigen des Haushaltes von Vinyamar in der Küche zum Essen einfinden. Naja, fast alle. Ullmar ist noch nicht von Muriels Eltern zurück, und Lady Arúen wird - anders als sonst - oben in ihrem Zimmer essen, zusammen mit Rialinn und Lord Teir. Ob ihre noch immer zahnende und weinende Tochter der Grund ist, oder ob sie bloß Iestin und dem Gesinde Zeit lassen will, sich ohne die Anwesenheit der Elben miteinander bekannt zu machen, weiß Cassandra nicht. Aber genau genommen spielt es für sie auch keine große Rolle. Sie hat in den vergangenen Stunden den einen und auch den anderen gut verborgenen Blick darauf gehabt, wie der neue Knecht seinen Arbeiten nachkommt. Und ihr ist dabei nicht entgangen, dass er schon nach dem halben Vormittag angefangen hat, in scheinbar unbeobachteten Augenblicken den Kopf und auch die Schultern kreisen zu lassen um die anscheinend protestierenden Muskeln zu lockern. Aber er hat sich nichts anmerken lassen, hat kein Wort von sich gegeben, sondern verbissen weiter Holzscheite gespalten und Wassereimer geschleppt. Und das bei dem Tempo, das Daira wie an jedem Waschtag vorlegt. Die große Wäsche ist der jungen Magd eine Arbeit, vor der sie sich am liebsten drücken würde. Da das aber nuneinmal nicht geht, beeilt sie sich bei aller Gründlichkeit mehr als jede andere Magd, die Cassandra je gesehen hat mit der ungeliebten Arbeit, um es hinter sich zu bringen. Kurz gesagt: Iestin hat sich sein Mittagessen mindestens ebenso redlich verdient wie Orean und Tolan, die Holz gesägt und Feuerholz gemacht haben, oder wie Gerion, der den Pferdestall komplett ausgemistet und die Einstreu in allen Ständen erneuert hat.

Natie deckt den Tisch, stellt Holzschüsseln und Bretter an die Plätze, verteilt Becher und Löffel während ihre Mutter die Schüsseln mit dem Essen auf den Tisch stellt, Brot schneidet und als letztes den dampfenden Suppenkessel in die Mitte des Tisches stellt. Auf der Anrichte des großen Schrankes wartet schon ein Tablett, auf dem Cassandra das Essen für die Elben hergerichtet hat. Und die auch nichts anderes auf ihren Tellern haben werden, als das Gesinde Vinyamars. Neben Tellern, Löffeln und einem Korb mit fein gesäuertem Brot stehen eine Schüssel mit gebackenen, goldenen Wurzeln frisch aus dem Ofen, ein Teller mit kaltem Braten und Teigtaschen vom Vortag, Butter und Käse und eine Suppenschüssel mit einem dicken Eintopf aus Gemüse und geschrotetem Dinkel. "Nuala, bring das bitte nach oben. Lady Arúen und Lord Teir werden heute oben essen." Und dann, mit einem kurzen Blick zu Iestin als Erklärung. "Wenn sie im Hause ist, isst Lady Arúen meistens mit uns zusammen."

Es dauert nicht all zu lange, bis Nuala wieder zurück ist, und sich endlich auch alle hier am großen Tisch in der Küche dem Essen zuwenden. Für eine Weile herrscht die Stille einer hungrigen Tischgesellschaft, aber auch nachdem der erste Hunger gestillt ist, will so recht kein Gespräch aufkommen. Die gedrückte Stimmung vom Morgen hat sich noch längst nicht gelegt, und wird es vermutlich auch nicht tun, ehe Muriel nicht beigesetzt wurde, befürchtet Cassandra. Und so kommt es, dass dem Neuen, Iestin, zwar mehr oder weniger interessierte Blicke zugeworfen werden, ihn aber ansonsten niemand mit allzu neugierigen Fragen behelligt - nicht einmal Gerion, der sonst die Neugier in Person ist. Mehr als ein sich mit Namen vorstellen passiert nicht.
Nach dem Essen werden die Aufgaben und Arbeiten für den restlichen Tag verteilt, sofern das nicht schon am Morgen geschehen ist, und die Tischrunde löst sich langsam wieder auf. Natie bleibt bei ihrer Mutter in der Küche um der beim Spülen und Abwaschen zu helfe. Nuala und Daira werden sich den letzten Wäscheresten zuwenden und später die bereits saubere Wäsche zum Trocknen auf dem Dachboden aufhängen. Und Iestin soll sich, wenn die beiden Mägde fertig sind und er mit ihnen die Körbe mit der sauberen, nassen und vor nun vor allem schweren Wäsche auf den Trockenboden gebracht hat, wieder bei Cassandra in der Küche melden. Sie will ihm dann das Anwesen zeigen, damit er weiß, was sich wo findet. Vor allem will sie aber ein wenig mehr darüber erfahren, was er so alles kann. Nicht, dass sie ihm irgendwann eine Wachtafel in die Hand drückt mit der Anweisung, die Dinge zu besorgen, die sie aufgeschrieben hat, und sich dann herausstellt, dass er gar nicht lesen kann. Derlei Peinlichkeiten würde sie sich und ihm gerne ersparen. Und sie sollte ihm wohl auch das eine oder andere über die Herrin von Vinyamar erklären, und nach welchen Regeln die Elbin ihren Haushalt auf dem Ulmenanwesen führt - und die sich von manchem unterscheiden, was Iestin von anderen Höfen oder Anwesen kennen mag. Cassandra geht nicht davon aus, dass Lady Arúen das bereits getan hat, dazu hatte das Gespräch zwischen der ihr und dem neuen Knecht nun auch wieder nicht lange genug gedauert.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 26. Feb. 2008, 16:59 Uhr
Die Sonne hat ihren höchsten Stand schon überschritten, als Nuala bestimmt zum zehnten Mal an diesem Vormittag die Waschküche verlässt, um an den neuen Knecht auf Vinyamar heranzutreten. Als Nathan das freundliche und trotz der ganzen Arbeit immer noch frische Gesicht der Magd erblickt, legt er schon fast wie von selbst das Beil aus der Hand, um nach dem mit fein gespaltenem Holz gefüllten Weidenkorb zu greifen, doch Nuala schüttelt den Kopf und gibt ihm lächelnd zu verstehen, dass diesmal kein Feuerholz in der Waschküche benötigt wird, sondern das es nun an der Zeit ist, eine Pause zu machen und Mittag zu essen.
Mittagessen, denkt Nathan kopfschüttelnd. Er hatte schon angefangen sich zu fragen, ob das Gesinde in diesem Haus überhaupt die Bedeutung des Wortes „Pause“ und „Ausruhen“ kennt.
Während er Nuala in die Küche folgt, wischt er sich den Schweiß von der Stirn und reibt seine feuchten Hände an seiner geliehenen Hose trocken. Unzufrieden stellt er fest, dass einmal ganz abgesehen von seinen schmerzenden Armen und und Schultern, seine Hände ziemlich rot sind und sich an einigen Stellen schon die ersten Ansätze von Wasserblasen zeigen. Seid wann bin ich eigentlich so verweichlicht?, fragt er sich im stillen. Es gab Zeiten, da hätte mir eine so einfache Arbeit nicht im Geringsten etwas ausgemacht.

Als Nuala und Nathan die bereits nach gutem reichhaltigem Essen duftende Küche betreten, ist der massive und schwere Holztisch schon fast voll besetzt. Neben zwei stämmigen Männern und einem noch ziemlich grün hinter den Ohren aussehenden jungen Kerl sitzen Daira und noch eine Frau am Tisch. Cassandra und ein Mädchen von vielleicht zehn Jahren sind gerade dabei den Tisch zu decken und das Essen herzurichten. Nathan sucht sich einen freien Stuhl und setzt sich rasch hin. Während er sich ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren streicht, wirft er den einen oder anderen flüchtigen Blick auf seine Tischnachbarn, hütet sich aber irgendeinen anzusprechen. Doch auch die Knechte und Mägde von Vinyamar scheinen nicht gerade erpicht drauf zu sein, ein Gespräch vom Zaune zu brechen, ganz im Gegenteil das Gesinde wirkt betrübt und ziemlich in sich gekehrt, so dass Nathan sogleich wieder Arúens Worte über das ermordete Mädchen aus dem Hause Vinyamar einfallen. Dankbar lehnt sich der neue Knecht einwenig zurück und beginnt sich zu entspannen, sein Gesichtsaudruck bleibt jedoch ernst und verschlossen, selbst als sich die Gruppe ihm mit Namen vorstellt, kann sich Nathan nur zu einem kurzen Nicken durchringen. Ein Haufen fremder Gesichter, unnötige Fragen und neugierige Blicke ist etwas, was er auf den Tod nicht ausstehen kann, da kommt ihm die traurige Stille, die sich nun während des Essen am Tisch breit macht gerade recht. Das Arùen und ihr weißhaariger, schweigsamer Elbenfreund in der Regel mit dem Gesinde zusammen am Tisch sitzt, nimmt Nathan verwundert zur Kenntnis. Ihm war ja schon von vornherein klar, das dieses Anwesens etwas Besonderes ist, aber das eine Hausherrin gemeinsam mit den Angestellten speist, ist doch eine ziemlich bizarre Vorstellung. Aber gut, die ungewöhnlichen Gepflogenheiten und Tischsitten auf Vinyamar sind nun wahrlich nicht sein Problem, soll Arùen das handhaben wie sie will, hauptsache niemand löchert ihn mit penetranten Fragen und es gibt reichlich zu essen.

Das Mittagsmahl verläuft ohne weitere Zwischenfälle. Nathan nutzt die Chance, sich richtig satt zu essen. Zweimal greift er nach dem Schöpflöffel, um sich von dem deftigen und vorzüglich schmeckenden Eintopf nachzunehmen, sehr zur Verwunderung der anderen Hausangestellten, die schmunzelnd beobachten, wie viel Eintopf, Käse und Brot in dem im Vergleich zu Ullmar, Orean und Tolan doch eher schmächtigen und schlanken Mann zu passen scheint. Das gute Mittagessen bleibt auch bei Nathan nicht ohne Wirkung. Ein schmales zufriedenes Lächeln hat das köstliche Mahl und sein voller Magen auf sein Gesicht gezaubert, das erste mal seitdem er mit mehr oder weniger verkniffenen Gesichtszügen sich an den Holzscheiten abreagiert und die Küche betreten hat. Doch von all zu langen Pausen hält die oberste Magd nicht viel. Kaum sind die Holzschüsseln leer gegessen, werden die Aufgaben und Arbeiten, für den restlichen Tag verteilt. Nathan wird wieder den beiden „Waschweibern“ Nuala und Daira zugeteilt, um ihnen bei den letzten Wäschebergen zu helfen und dann gemeinsam mit ihnen die frische und gesäuberte Kleidung auf den Dachboden zu bringen und aufzuhängen, danach soll er sich wieder bei Cassandra in der Küche melden, damit sie ihm das Anwesen zeigen und alles erklären kann. Bevor Nathan überhaupt irgendetwas erwidern kann, sei es Zustimmung oder auch einen Einspruch, sind die beiden Mägde schon wieder in Richtung Waschkammer losgeeilt, so dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als den beiden eifrigen Frauen mit hochgezogenen Augenbrauen zu folgen.

Die nächsten Stunden vergehen erstaunlicherweise recht schnell. Nathan erarbeitet mit Beil, Wassereimern und Weidenkörben aus den leichten Ansätzen ansehnliche Wasserblasen an seinen Händen, die er aber murrend beschließt zu ignorieren. Trotzdem ist er dankbar, als Daira ihn schließlich von seinem Hackklotz und der nicht enden wollenden Menge an Kaminholz erlöst, damit er den beiden Frauen mit den schweren Weidenkörben voller sauberer Wäsche hilft. Gemeinsam begeben sie sich in das Obergeschoss und von dort aus über eine schmale Stiege auf den Dachboden. Der Dachboden ist groß und geräumig und fast ebenso freundlich und einladend wie der Rest des Hauses. Zwischen dem Süd- und Nordflügel dient ein breiter Durchgang als Lagerraum für ausgediente Möbel, so wie allerlei sonstiges Zeug, dass ordentlich gestapelt und sortiert sich in Truhen und Körben befindet. Der Speicher über dem nördlichen Flügel wird im Winter zum Trocken der sauberen Wäsche verwendet, der südliche Teil des Dachbodens dient der Aufbewahrung und Trocknung von Kräutern und Blumen. Auch wenn die letzte Ernte der frischen Kräuter schon einige Monde er ist, so liegt immer noch ein leichter Hauch von Lavendel und Rosmarin in der Luft und durch den offenen Durchgang kann Nathan große Holzregale mit einer beachtliche Sammlung an getrockneten Sträußen aus allen möglichen Pflanzen erspähen.
„Da hinten sind die Leinen für die Wäsche.“ sagt Daira zu Nathan und deutet auf ein paar Seile, die zwischen den massiven Dachbalken des nördlichen Flügels gespannt sind. Während die beiden Mägde sich von nun an mit dem Aufhängen der Wäsche beschäftigen, plagt sich Nathan mit den schweren randvoll gefüllten Weidenkörben herum, die er nun Korb für Korb aus der Waschküche auf dem Dachboden schleppen darf.
Ein guten Nebeneffekt hat die Schinderei für den neuen Knecht, je öfter er an den ausgedienten Möbeln auf dem Dachboden vorbeigeht, umso mehr festigt sich die Idee in seinem Kopf, seinen eingewickelten Gegenstand hier oben zu verstecken - vielleicht in einer der Kommoden oder in den Schubladen der alten Schreibtische. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihn hier jemand zufällig findet, ist sehr gering und selbst wenn es irgendeinem in den Sinn kommen würde, das ganze Haus auf den Kopf zu stellen, so müsste diese Person schon ziemlich lange Suchen, um hier oben etwas aufzuspüren!! So beschließt Nathan, sich diesen Ort als potenzielles Versteck zu merken und das leider unvermeidbare Gespräch mit Cassandra dazu zu nutzen, das Haus samt Anwesen besser kennen zu lernen. Vielleicht ergibt sich ja noch die eine oder andere weitere Möglichkeit, dieses vermaledeite Ding sicher zu verbergen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 01. März 2008, 15:22 Uhr
Einige Zeit nach dem gemeinsamen Mittagessen, die schweren Schritte Iestins mit den Wäschekörben auf der Treppe nach oben sind unterdessen verklungen, erscheint besagter Neuzugang wieder bei Cassandra in der Küche. Natie, die alleine am großen Tisch sitzt und auf einer Schiefertafel das Schreiben übt, hebt nur kurz den Kopf um zu schauen, wer da kommt, lächelt ihn unbefangen an und konzentriert sich dann mit zwischen den Lippen eingeklemmter Zunge wieder auf den nächsten Buchstaben. "Warum muss ich das lernen, Mama?" kommt es verzweifelt, als die Buchstaben mal wieder über die Linien wanken wie betrunkene Entenküken. "Lilian muss auch nicht lesen und schreiben und rechnen lernen. Und ihre Mama arbeitet auch bei einer Lady in einem Haus hier im Seeviertel." Cassandra nickt Iestin kurz zu, wendet sich dann aber erst einmal ihrer Tochter um und setzt sich zu der an den Tisch. "Das Lilian das nicht lernt, ist traurig, Natie, und irgendwann wird sie sich wünschen, sie hätte es gelernt. Ich weiß, Lilians Mama kann auch nicht lesen oder schreiben. Und das ist noch viel trauriger." Sie zieht sich die Schiefertafel heran, wischt die Versuche ihrer Tochter mit einem feuchten Lappen weg und schreibt an den Anfang jeder der vorgegebenen Zeilen ein neues Wort, das Natie üben soll. "Hier, probier es mal damit, vielleicht geht das mit unseren Namen besser." Wie es scheint geht es tatsächlich leichter, wenn es Worte sind und nicht nur Buchstaben, die Natie üben soll, wie Cassandra mit einem leichten Lächeln feststellt. "Wenn man lesen und schreiben kann, und auch rechnen, dann kann man auch ganz andere Arbeit bekommen. Schau, das was ich hier im Haus von Lady Arúen mache, dafür genügt es nicht, dass ich kochen und putzen kann. Ohne Lesen, Schreiben und Rechnen hätte ich diese Stellung nie bekommen. Lilians Mutter kann das nicht, also wird sie immer als Magd arbeiten müssen, die ihre Anweisungen von anderen bekommt. Und die können lesen und schreiben und rechnen, denn die müssen die Bücher führen und die Rechnungen von Handwerkern oder Händlern prüfen. Und weil ich will, dass du dir später aussuchen kannst, welche Arbeit du machen willst, und vor allem für wen und zu welchem Lohn, musst du jetzt das Lesen, Schreiben und Rechnen lernen... Und nun üb' weiter. Ich zeige Iestin Vinyamar. Wenn ich zurück bin, sehe ich mir an, was du geschrieben hast." Natie mault zwar noch ein wenig vor sich hin - die Argumente ihrer Mutter scheinen ihr noch nicht wirklich einleuchtend -, macht sich aber nichts desto trotzt wieder ans Üben.

Cassandra steht von dem Stuhl neben ihrer Tochter auf und holt sich ihren Mantel von dem Haken neben der Tür hinaus in den Küchengarten. "Denn kannst Du erst mal nehmen," bedeutet sie Iestin mit einem Wink zu einem weiteren Mantel der dort zur allgemeinen Benutzung für jeden hängt, der seinen eigenen Mantel gerade nicht griffbereit hat. Sie wartet noch, bis der Mann den Mantel umgelegt hat und öffnet erst dann die Tür hinaus. Der Schneeregen vom Morgen hat unterdessen aufgehört, aber es geht noch immer ein unangenehmer, nasskalter Wind, der einen fast augenblicklich frösteln lässt, wenn man aus der warmen Küche kommt. Mit einem etwas unwilligen Schnauben zieht Cassandra den Mantel enger an sich und bedeutet Iestin, ihr zu folgen.
Sie beginnt ihren Weg im Küchengarten, der direkt vor der Gesindepforte beginnt, wenn man einmal von dem breiten Kiesweg absieht, der hier am Haus vorbei hinunter zu den Ställen führt. In Anbetracht der Jahreszeit ist hier nicht viel zu sehen oder zu erkennen. Die Beete, die jedes Jahr neu eingesät oder gepflanzt werden, sind abgeerntet und liegen umgegraben und geglättet in vorwinterlicher Ruhe. Die mehrjährigen Stauden sind zurückgeschnitten und mit Reisig und Mulch abgedeckt, damit ihnen Schnee und Eis nichts anhaben können. Von den Kletterpflanzen, die sonst den geflochtenen Zaun aus lebenden Weidenruten schmücken ist nichts mehr zu sehen, sie werden sich erst im nächsten Sommer wieder mit ihren bunten Blüten zeigen. Aber auch so ist zu erkennen, dass dieser Küchengarten sich nicht in gerade unterteilte oder gegeneinander abgegrenzte Beete unterteilt. Die Abdeckungen der Stauden ziehen sich wie eine Sonnenspirale durch den Garten und eigentliche Beete sind nicht zu erkennen, es scheint alles eine Ebene zu sein.

"Ich will nicht aufdringlich oder neugierig erscheinen, Iestin. Aber es gibt da das eine oder andere, das ich gerne wissen möchte." Sie sieht dem Mann offen ins Gesicht um seine Reaktion auf diese Eröffnung abschätzen zu können. "Kannst Du lesen und schreiben?" Es gibt noch anderes, was sie wissen möchte, aber nach dem Gespräch eben mit Natie ist es irgendwie die erste Frage, die ausgesprochen werden will. "Nicht, dass es Dir jemand vorwerfen würde, wenn es nicht so ist, nur... ich wüsste es gerne, ehe ich Dich womöglich damit vor anderen in Verlegenheit bringe, dass ich Dir eine Wachtafel mit einer Liste von zu besorgenden Dingen in die Hand drücke, die Du dann gar nicht lesen kannst." Die Miene des Mannes wirkt auf Cassandra fast so unergründlich wie die der beiden Elben. "Ich weiß nicht, wo DU früher in Diensten gestanden hast. Aber Du wirst feststellen, dass hier auf Vinyamar manches etwas anders gehandhabt wird, als in anderen Haushalten. Lady Arúen legt sehr viel Wert darauf, dass respektvoll miteinander umgegangen wird, auch untereinander. Überhaupt bringt sie dem Gesinde ein Maß an Respekt und ... naja... Fürsorge entgegen, das man unter Menschen nicht oft trifft. Dafür erwartet sie allerdings Loyalität und Verschwiegenheit, auch wenn sie es so nie ausspricht. Untereinander können wir über alles reden. Wir können auch jederzeit zu Ihr kommen, wenn wir etwas benötigen, einen Rat brauchen oder uns etwas unverständlich ist, was sie oder Lord Teir tun - und das kommt bei den Elben immerwieder einmal vor. Aber über alles, was in und auf Vinyamar geschieht, hat kein Wort nach außen zu dringen." Cassandras Tonfall macht an dieser Stelle unmissverständlich klar, dass sie ein Verletzen der letztgenannten Regel auf keinen Fall dulden würde.

Die scheinbare Strukturlosigkeit des Küchengartens setzt sich auch im eigentlichen Garten des Anwesens fort. Bereiche, in denen ganz offensichtlich Blütenstauden für den Winter abgedeckt sind, gehen ohne jede erkennbare Grenze in Bereiche über, die Cassandra dem neuen Knecht als "die Hausfelder" nennt, die aber keine wirklichen Felder sind, wie man sie von einem Acker erwarten würde, sondern sich durch den Garten ziehen und mit Rasen, Blumenbeeten, Obstbäumen und fruchttragenden Sträuchern, mit Büschen, kleinen Wasserbecken und moosbedeckten Steinen eine verschlungene Einheit bilden, ein Muster, das man nur lange genug anschauen muss, um es zu erkennen. Vorherrschend ist aber stets und überall der Eindruck, dass hier jemand der Natur ihren Lauf gelassen und allenfalls mit sanfter Hand geholfen hat.

Vorbei an den Ställen führt der Weg Cassandra und den Knecht hinunter zur Strandmauer des Anwesens. Neben der der Mannpforte dort befinden sich die Aprikosenbäume und zwischen ihnen der ganze Stolz der Obersten Magd: der Bienenstock, den sie einem Zeidler im vorvergangenen Jahr abgeschwatzt hat. Gut, er würde vermutlich frühestens im kommenden Sommer wirklich einen nennenswerten Ertrag an Honig und Wachs liefern, aber stolz ist sie trotzdem auf das noch junge Immenvolk. Weiter nach Süden an der Mauer entlang gelangen sie in jenen Teil des Gartens, der am unberührtesten ist und die meisten die ihn zum ersten Mal sehen auf eine urtümliche Weise an die Geschichten über Feenwälder erinnert. Dicht stehen die Büsche hier unter den Bäumen und der Weg an ihnen vorbei und unter den schlanken, hoch aufgeschossenen Bäumen hindurch gleicht der Suche nach einem Weg durch einen Irrgarten, obwohl man sich hier nicht verirren kann. Im Herzen dieses kleinen Hains in der südöstlichen Ecke von Vinyamar befindet sich ein in den Boden eingelassenes Wasserbecken, umgeben von runden Steinen der unterschiedlichsten Größe, die unter weichen Moospolstern verborgen sind. Halbverborgen, unter den Zweigen eines Roseneibischs steht eine schlichte, aus lichtgrauem Marmor geschnitzte Anukisstatue. "Diesen Ort betreten wir alle nur selten," erklärt Cassandra Iestin. "Lady Arúen zieht sich oft hierher zurück um zu beten oder zu meditieren." Sie meint für einen Moment so etwas wie eine unausgesprochene Frage im Gesicht des Mannes zu sehen, ist sich dann aber nicht sicher, ob sie sich das nur eingebildet hat. Andererseits weiß sie, dass die Elbin von Vinyamar sich so wenig aus ihrer Herkunft, ihrer Berufung und ihrem Rang macht, dass sie es vermutlich mit keinem Wort erwähnt hat, als sie den Mann in ihren Dienst genommen hat. Hm, also er sollte wenigstens ansatzweise wissen, in wessen Haushalt er arbeitet. Dass sie Hohepriesterin ist, muss ich ihm ja nicht gleich auf die Nase binden... "Wie ich Lady Arúen kenne, hat sie es mit keinem Wort erwähnt als sie Dich in ihren Dienst genommen hat," ein Lächeln lässt Cassandras sonst so ernsten Blick weicher werden. "Sie ist Priesterin und gehört dem hiesigen Anukis-Tempel an." Welche Schlussfolgerungen der Mann aus dieser Information zieht, wie er das mit der Anwesenheit eines elbischen Ritters hier im Haus und den Titeln mit denen die beiden Elben angeredet werden in Zusammenhang bringt, darüber macht sie sich keine Gedanken. Vielleicht ist sie auch einfach seit sie hier in Diensten ist zuviel gesehen und erlebt, als dass sie sich noch darum Gedanken machen würde.

Sie verlassen den kleinen Hain wieder und es geht zurück, hoch zu den Ställen, wo die Pferde stehen, die zum Ulmenanwesen gehören: Die beiden schweren Zugpferde, neben denen die kleine braune Stute immer wirkt wie ein zierliches Spielzeugpferd. Shur, der Grauschimmel, den die Elbin reitet. Und nicht zuletzt die Suniverstute Lord Teirs mit ihrer außergewöhnlichen Fellfarbe. Boden und Wände des Stalls sind aus den gleichen hellgrauen Steinen gemauert wie das Haupthaus, der Mittelgang wird von hölzernen Säulen mit geschnitztem Kopf getragen, das Dach ist aus festen Schindeln gefügt, die  Zeit und Wetter mit einem silbrigen Schimmer überzogen haben. Über jeder der Boxen befindet sich ein Fenster um Licht und Luft herein zu lassen und zusammen mit an den Säulen angebrachten Laternen jede Düsternis zu verhindern.
Gerion ist gerade dabei, die Pferde von ihrem Weidegang zurück in den Stall zu holen und ihnen das nasse Fell mit Strohbüscheln abzureiben. "Ich muss morgen mit der Braunen zum Hufschmied, Cassandra. Ich habe keine Ahnung, wie sie das immer macht, aber sie hat sich vorne schon wieder ein Eisen losgetreten," kommt es gedämpft hinter dem mächtigen Hals des einen Zugtieres hervor, als sie den Stall betreten. Dann taucht der Kopf des Jungen hinter der breiten Kruppe des Wallachs auf. "Das letzte Mal ist noch keine vierzehn Tage her. Wenn das so weitergeht, fange ich an zu glauben, dass sie das absichtlich macht, weil es ihr gefällt, dass der Schmied sie immer mit Mohrrüben lockt damit sie beim Beschlagen still steht." Der Kopf verschwindet wieder hinter dem Pferd und taucht dann unter dem Hals wieder auf. "Als ob sie hier nicht genug Futter bekäme... oder noch nie eine Mohrrübe gehabt hätte... Hmpf." Eine Antwort wartet der Junge nicht wirklich ab, sondern verschwindet gleich wieder in der nächsten Box. Ein "Mach ich." zwischen 'Geh zur Seite' und 'Mach dich nicht so breit' als er das nächste Pferd striegelt, kommentiert Cassandras Hinweis, dass er dann gleich schauen soll, ob die Eisen der anderen Pferde noch alle in Ordnung sind, oder noch eines zum Schmied muss.
Auf dem Weg zurück zum Haus folgt noch ein kurzer Abzweig zu den Ställen der Schweine und des Federviehs. Und zu den beiden weißen Falken der Elbin, verbunden mit der Anweisung, sich den beiden wertvollen Tieren nicht alleine zu nähern, da sie nur an die Hand von Lady Arúen, Lord Teir und Gerion gewöhnt seien.

Zurück im Haus und in der Küche wirft Cassandra einen prüfenden Blick auf die Schreibübungen ihrer Tochter, die sich deutlich besser ausmachen als die von vorhin, was Natie die "Belohnung" verschafft, dass sie die selben Worte noch mal auf der Wachstafel üben soll.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 04. März 2008, 13:11 Uhr
Missmutig beobachtet Nathan Mutter und Tochter, die gemeinsam über eine Schiefertafel gebeugt sitzen. Das Mädchen versucht verzweifelt, ein paar verschlungene Zeichen auf der Tafel unter dem strengen Blicken ihrer Mutter zu verewigen. Cassandras Worte über Bildung, Arbeit und Lohn, die ihre Tochter zu mehr Fleiß motivieren sollen, klingen wie Hohn in seinen Ohren. Glaubt sie wirklich, dass Rechnen, Lesen und Schreiben den Weg für ein erfolgreiches Leben ebnen?
Das ist lächerlich.
Nie hat er Lesen oder Schreiben gelernt und doch hat er es bisher immer geschafft, zurecht zu kommen, worauf es im Leben ankommt ist Gewieftheit, Unabhängigkeit und den Mut, die eigenen Ziele zu verfolgen, koste es was es wolle, dabei nützt einem Bildung überhaupt nichts, im Gegenteil: viele der so genannten gebildeten Leute sind eher Zauderer, die lieber ein Leben lang sich hinter Routine, Paragraphen und Schriftrollen versteckten, statt etwas zu bewegen und zu verändern. Er hat genug von dieser Sorte kennen gelernt und sein Bedarf, die Bekanntschaft von noch mehr von diesen „Klugscheißern“ zu machen, ist gedeckt.
>“Ich zeige Iestin Vinyamar. Wenn ich zurück bin, sehe ich mir an, was du geschrieben hast"<, sagt die oberste Magd zu ihrer Tochter gewandt. Als sie aufsteht und nach ihrem Mantel greift, deutet sie Nathan ebenfalls einen Mantel vom Haken zu nehmen und ihr nach draußen zu folgen. Bevor der neue Knecht jedoch die Küche verlässt, dreht er sich noch einmal um und wirft einen Blick auf das grübelnde und unzufriedene Kindergesicht, das tief über die Tafel gebeugt ist.
„He..Kleine, nimm es nicht so schwer. Du kannst es auch zu etwas bringen, ohne ein Erbsenzähler oder Wortklauber zu werden!“ Er zwinkert dem Mädchen, das erstaunt von seiner Schreibarbeit aufblickt, rasch zu und schließt dann die Tür hinter sich. Ob Cassandra seine Worte an ihre Tochter gehört hat oder nicht, lässt ihn im wahrsten Sinne des Wortes kalt. Ich war noch nie besonders gut darin, meine Meinung zu verstecken - eine Eigenschaft, die vermutlich meiner mangelnden Bildung zu zuschreiben ist, denkt er mit einem sarkastischen Lächeln auf dem Gesicht.

Draußen ist es kalt und frostig. Ein ungenehmer, nasskalter Wind pfeift um die Ecke und lässt Nathan frösteln und seinen Mantel etwas enger ziehen, während er Cassandra durch den winterfesten und in seinen Augen ziemlich chaotischen Küchengarten begleitet.
Plötzlich durchdringt Cassandras feste Stimme die Stille:
>"Ich will nicht aufdringlich oder neugierig erscheinen, Iestin. Aber es gibt da das eine oder andere, das ich gerne wissen möchte."> Nathan runzelt die Stirn und sieht der obersten Magd, die seinen Blick ebenfalls erwidert, offen und unverholen ins Gesicht.
„Nun denn…lasst Euch nicht abhalten, das zu fragen, was Euch interessiert“, antwortet er ihr schließlich und wartet auf ihre Eröffnung.
>„Kannst Du lesen und schreiben?"<, fragt sie auch sogleich direkt und gerade heraus. Ernüchtert stellt Nathan fest, dass Lesen und Schreiben im Haus Vinyamar eine bedeutende Rolle zu spielen scheint. >“Nicht, dass es Dir jemand vorwerfen würde, wenn es nicht so ist, nur... ich wüsste es gerne, ehe ich Dich womöglich damit vor anderen in Verlegenheit bringe, dass ich Dir eine Wachstafel mit einer Liste von zu besorgenden Dingen in die Hand drücke, die Du dann gar nicht lesen kannst."<
„Nein, ich kann weder Lesen noch Schreiben.“ antwortet Nathan prompt und ehrlich, seiner Stimme und seinen Gesichtszügen sind weder Scham noch Verlegenheit anzusehen.  „Und glaubt mir, Ihr bringt mich damit ganz sicher nicht in Verlegenheit!“ Zu mehr lässt er sich nicht hinreißen, denn mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen, schließlich ist er kein dummer Junge mehr, der sich nicht zu helfen weiß, wenn er eine Wachstafel in die Hand gedrückt bekommt, die er selbst nicht lesen kann.
Die Augen der Wirtschafterin des Anwesens mustern ihn kurz - was sie über ihn und seine ungekünstelten und direkten Antworten denkt, bleibt hinter ihrer Stirn verborgen. Cassandras Frage nach seiner Bildung folgt ein längerer Monolog über die Gebaren und Eigenarten des Hauses Vinyamar, die Nathan mehr oder weniger kommentarlos über sich ergehen lässt. Das dieses Anwesen seltsam und in vielen Dingen absonderlich ist, ist ihm dank der paar Stunden, die er hier verbringen und arbeiten durfte, schon bewusst geworden und Bedarf nun wirklich keiner näheren Erläuterung mehr. Auch Cassandras Einwurf bezüglich Loyalität und Fürsorge, beeindruckt ihn wenig, schon sein erster Eindruck von Gesinde und Hausherren hat ihn eher an eine große Familie, als ein Zweckbündnis zwischen Angestellten und Arbeitgeber erinnert.
Eine große Familie, denkt Nathan kopfschüttelnd, was für ein Unsinn!
Nachdem Cassandra ihre Erklärung mit einem deutlich verschärften Tonfall und den Worten, dass von dem was auf Vinyamar passiert nichts nach außen dringen dürfe endet, muss Nathan widerwillig schmunzeln.
„Wie Ihr sicherlich schon festgestellt habt, bin ich vieles, aber bestimmt bin ich nicht geschwätzig! Die Geheimnisse dieses Hauses sind bei mir in sicheren Händen. Von MIR wird niemand etwas erfahren.“ Was dieses „Irgendetwas“ sein könnte, lässt er bewusst offen.

Durch den Küchengarten erreichen die beiden die weiträumigen Grünlangen des Anwesens, die von Cassandra als „Hausfelder“ bezeichnet werden. Felder lassen sich zwar beim besten Willen nicht in dieser verschlungenen Einheit aus Sträuchern, Betten, Rasen und Obstbäumen ausmachen, aber Nathan hat schon längst aufgehört sich zu wundern. So folgt er der obersten Magd in den südöstlichen Teil des Anwesens, wo sich in einem kleinen beschaulichen Hain unter hochgewachsenen Bäumen, ein Ort der Ruhe und Besinnung befindet, der von Arúen zur Meditation genutzt wird. Sein Blick fällt auf eine kleine marmorne Anukisstatue, die halbverborgen unter einem Roseneibisch steht und die nicht zufällig hier ihr zuhause hat, denn Aruén ist, wie Cassandra ihm erklärt, eine Priesterin im hiesigen Anukistempel. Nathan nimmt diese Information mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis. Ihm gefällt dieser ruhige und fast schon ein wenig verwunschene Ort, durch den die Energie der Natur völlig rein und vom Menschen unberührt fließt und an dem man so leicht vergessen kann, das man sich in der größten und lautesten Stadt der Immerlande befindet. Bevor die beiden den Hain wieder verlassen, sieht er sich fast sehnsüchtig um und beschließt hier öfters herzukommen, ganz gleich, ob das andere Gesinde dieses Waldstückchen selten besucht oder nicht.
Ihr weiterer Weg führt die beiden zu den Ställen des Ulmenanwesens, wo Gerion, ein junger emsiger Kerl, gerade dabei ist die Pferde zu striegeln und ihre Eisen zu kontrollieren. Während Cassandra ein kurzes Gespräch mit Gerion beginnt, geht Nathan langsam die einzelnen Boxen ab und betrachtet die Pferde, dem einen oder anderen Pferd streicht er sanft über den Hals und lässt es an seiner Hand schnuppern, was sogar ein freundliches Lächeln auf das Gesicht des neuen Knechts zaubert.  Nach einem kurzen Abstecher bei den Ställen der Schweine und des Federviehs sowie bei den beiden weißen Falken der Elben, die wie Cassandra nachdrücklich betont, nur an Arúen, Teir und Gerion gewöhnt sind, machen sich die beiden wieder auf den Rückweg ins Haus.
„Wie sieht es mit den Türen und Pforten des Anwesens aus?“, fragt Nathan Cassandra, als sie gerade die Küche wieder betreten und ihre klammen Mäntel an die Haken an die Wand hängen. „Wann werden Sie nachts abgeschlossen? Und…“, nachdenklich reibt er sich sein erst vor ein paar Stunden glatt rasiertes Kinn, „gibt es einen Schlüssel, den das Gesinde benutzen kann?“
Auch wenn Nathan es nicht so deutlich ausspricht, ist klar, dass es ihm um die Möglichkeit geht, abends nach verrichteter Arbeit das Anwesen zu verlassen.



Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Cassandra am 08. März 2008, 10:08 Uhr
"Das große Tor wird meistens bei Sonnenuntergang geschlossen. Aber die Mannpforte ist dann noch unverriegelt." Aufmerksam mustert Cassandra den Mann vor ihr, worauf er mit seiner Frage hinaus will, ist ihr schon klar. "Da Ullmar oder ich meist die letzten sind, die sich zur Ruhe legen, verschließen wir dann die Mannpforte und auch die Türen am Haus zur Nacht. Aber eine feste Stunde gibt es dafür nicht." Ohne darüber nachzudenken zupft sie von der Petersilie in einem der Kräutertopfe in der Fensternische ein welkes Blatt ab und lässt es in den Kübel mit den Küchenabfällen fallen, der darauf wartet hinaus gebracht zu werden. "Ja, es gibt einige Schlüssel für das Gesinde benutzen kann. Es ist aber nicht so, dass jeder jederzeit einen hat. Wenn jemand einen braucht, sagt er bescheid und kann ihn dann mitnehmen wenn er das Haus nach der Arbeit verlässt." Natie hat inzwischen eifrig die Wachtafel mit erstaunlich ordentlichen Buchstaben und Wörtern gefüllt, und nutzt die Gunst der Stunde - und der Anwesenheit des neuen Knechtes - um von ihrer Mutter die Erlaubnis für einen nachmittäglichen Abstecher zu Gerion und den Pferden zu bekommen. "Mama? Wenn ich hiermit fertig bin, kann ich dann raus? Gerion hat gesagt, ich darf ihm helfen, die Braune zu putzen, und... und... darf ich dann auch mal auf ihr reiten? Nur ganz kurz? Ja? Bittebitte!" Kurz zögert Cassandra, nickt dann aber doch, immerhin hat ihre Tochter heute alle ihre Pflichten schon ordentlich erledigt. "Also gut. Ja, du darfst raus und zu Gerion, aber erst, wenn Du mit der Wachstafel fertig bist. Das Rechnen kann bis nach dem Abendessen warten. Und vergiss nicht, dass die Enten und Gänse vor der Dämmerung wieder in ihren Stall müssen." Strahlende Kinderaugen und ein eifriges Nicken sind alles an Antwort, dass sie von Natie noch bekommt, die sich mit Feuereifer den letzten Zeilen auf seiner Wachstafel widmet.

"Nun denn, Iestin." Sie bedeutet dem Mann, ihr zu folgen und öffnet die Tür die direkt in der Küche in die Vorratskeller führt. "Das Haus ist fast vollständig unterkellert. Und es gibt mehrere Zugänge nach unten. Einen hier in der Küche," sie nimmt sich eine der Lampen von deren Haken an der Wand und steigt die breiten Holzstiegen hinab, "der direkt zu den Vorratskellern führt." Am Fuß der Treppe wartet sie bis Iestin neben ihr steht und hält dann die Lampe etwas höher, damit der Lichtschein weiter den Gang hinunter reicht. Fest gefügtes, nahezu fugenloses Mauerwerk ist zu sehen, der Boden ist trocken und sauber gefegt und die Luft nicht abgestanden sonder frisch und kühl. Holztüren gehen zu beiden Seiten von dem Gang ab und führen zu den eigentlichen Vorratskellern. In einem Raum sind an der Wand entlang grobe Holzkisten gestapelt in denen sich die diesjährige Ernte an Rüben und Kartoffeln befindet, und die so - besser belüftet als wenn sie auf den Boden geschüttet würden - besser vor Fäulnis geschützt sind al in den anderen Jahren. Es gibt Keller in denen Körbeweise Äpfel und Birnen lagern, Keller mit Kohl und Wurzelwerk in sandgefüllten Kisten. In einem anderen Keller hängen Netzte mit Zwiebeln und zu Zöpfen geflochtener Knoblauch von der Decke, während sich in den nächsten Räumen die Böden der Regale unter Krügen, Töpfen, Amphoren, Gläsern und Flaschen von Eingemachtem und Eingekochtem biegen. Ein Keller in dem sich große Steinguttöpfe mit gesäuertem Kohl und Schiefertröge mit Pökelfleisch in Salzlake befinden. Und. Und. Und. Ganz am Ende des Ganges schließlich liegt der Eiskeller, in dem sich die Fleischvorräte von Vinyamar befinden, eingeschlagen in Essigtücher oder in Matten aus den Blättern der Shenrahfackel. Von der dicken Schicht aus Eis, die dem Keller seinen Namen und seine frostigen Temperaturen gibt, ist allerdings nur noch ein recht kümmerlicher Rest geblieben, der tagtäglich weiter vor sich hin schmilzt und sich als Tauwasser in der Rinn in der Mitte des Raumes sammelt, die eines der  Mädchen jeden Tag aufs Neue auswischt. "Wie Du siehst, geht der Eisvorrat langsam zur Neige, der uns das Fleisch frisch hält. Aber wenn der Winter nur halb so streng wird wie in den vergangenen Jahren, werden wir spätestens im Silberweiß die alten Reste ausräumen und frische Eisblöcke einlagern können." Und vorher einmal den ganzen Eiskeller, den Boden, die Decken und Wände mit Essigwasser auswischen. Das wird die Arbeit der Mägde sein, die Plackerei mit den Eisblöcken, die der Knechte. Die Ernte in diesem Jahr ist auf Vinyamar gut ausgefallen, und auch die Pachtbauern auf dem Land das zu Vinyamar gehört, haben ein deutlich besseres Jahr gehabt als nach dem verregneten Vorjahr befürchtet. Ernte und Zehnter haben also die Keller gut gefüllt, die Nebelmondschweine sind ebenso bereits geschlachtet wie die Enten und Gänse und sind sämtliche Keller unter dem Ulmenanwesen ebenso gut gefüllt wie die Scheunen und die Kammer neben der Küche, in der sich die restlichen Vorräte befinden, die es lieber warm und trocken als kühl haben. Und die nicht wie Safran, Muskat und andere teure Gewürze in einem extra verschlossenen kleinen Schränkchen direkt in der Küche aufbewahrt werden.

Es gibt keine Pause, Cassandra führt Iestin aus den Vorratskellern weiter durch die restlichen Kellerräume. Vorbei auch an jenen Kellern, zu denen einzig die Elbin die Schlüssel besitzt, und von denen sie nur raten könnte, was sich dort befindet, von denen sie aber weiß, dass Lady Arúen einen irgendeinen Schutzzauber noch zusätzlich darüber gelegt hat. Dann geht es wieder hinauf, weiter durch die Räume im Wirtschaftsflügel, die Iestin im Rahmen des Waschtages noch nicht gesehen hat. Durch die große Halle ins Empfangs- und Speisezimmer, dann zum großen Kaminzimmer. Über die Treppe in das Obergeschoss, wo sich die Gemächer der Elben und die Gästezimmer befinden, dann das Schreibzimmer und das kleine Kaminzimmer, das einzig der Familie und engen Freunden vorbehalten ist. Und zu guter Letzt auch noch einmal hinauf auf den Dachboden, zum Herbarium und dem Wäscheboden, den Iestin heute schon so oft besucht hat, der nun aber in völliger Ruhe liegt, da Nuala und Daira anscheinend mit dem Aufhängen der Wäsche fertig sind.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 09. März 2008, 17:20 Uhr
Der weitere Nachmittag vergeht ohne weitere Zwischenfälle. Nachdem Cassandra Nathan einen Überblick über die Anordnung der Zimmer und Keller des Hauses verschafft hat, entlässt sie ihn, damit er Orean und Tolan hinter den Stallungen beim Zersägen des frischen Holzes helfen kann. Nathans Begeisterung über die Aussicht, seine schmerzenden Arme zum Zerkleinern von massiven Buchen- und Birkenstämmen einsetzen zu müssen, hält sich in Grenzen, aber er ist klug genug, sich gegenüber Cassandra nichts anmerken zu lassen. Die beiden Knechte sind dagegen mehr als froh eine weitere Unterstützung zu erhalten. Sie haben zwar schon im Laufe des Tages einen Großteil des Holzes aufgearbeitet, es wartet jedoch noch immer ein beachtlicher Stoß darauf, in arm lange Stücke zersägt und dann unter dem Dachvorstand zum Trocken aufgeschichtet zu werden. Während Orean und Tolan sich weiter mit dem Zerkleinern der Holzes beschäftigen, übernimmt Nathan die Aufgabe, den chaotischen Haufen Scheitholz, der sich neben den beiden angesammelt hat, ordentlich unter dem Dachvorstand zu stapeln.
Die beiden Knechte reden nicht viel, Muriels Tod schwebt wie ein unsichtbarer Schatten zwischen den beiden und lässt sie betrübt und nachdenklich aussehen. Auch als sich das Gesinde Vinyamars am Abend wieder in der Küche trifft um zusammen zu Essen, hat sich wenig an der traurigen Stimmung, die schon den Mittagstisch beherrscht hat, geändert. Das gemeinsame Abendessen verläuft abgesehen von ein paar kurzen Gesprächen, die die Planung des morgigen Tages betreffen, mehr oder weniger stumm.
Es ist schon dunkel draußen, als Nathan sich endlich in seine Kammer zurückzieht und die Tür hinter sich schließt. Endlich alleine, endlich Ruhe....endlich schlafen. Er schafft es gerade noch aus seinen Stiefeln heraus zu schlüpfen, bevor er sich hundemüde auf das unbezogene Bett wirft. Während er völlig erschöpft daliegt, greift seine linke Hand vorsichtig unter die Strohmatratze und sucht nach dem dort versteckten Gegenstand. Zu seiner eigenen Erleichterung ertastet er den rauen alten Stoff genau an der Stelle, an die er ihn vor ein paar Stunden versteckt hat. Seufzend drückt er seinen Kopf tiefer in das Kissen und schließt die Augen.
Kurz Zeit später ist er schon eingeschlafen.

Pock..Pock..Pock...
Nathan wirft sich grunzend zur Seite. Irgendetwas hat ihn geweckt. Doch da seine Glieder sich an fühlen als wären sie mit schwerem Blei gefüllt, beschließt der neue Knecht, sein Gesicht viel lieber tiefer in das angenehm weiche Kissen zu drücken und sofort wieder ein zu schlafen, statt weiter nach der Ursache für sein plötzliches Aufwachen zu forschen.
Pock..Pock...
Bei allen neun Höllen, was ist das?, fragt er sich verschlafen, als schließlich erneut dieses seltsame Geräusch ertönt.
Es dauert eine Weile bis es ihm endlich gelingt, die Augenlider zu heben. Es ist stockdunkel draußen. Nur das schwache Licht des Mondes, der ab und zu zwischen den dicken pechschwarzen Wolken hervorlugt, erhellt den Raum.
Pock..Pock..POCK
Genervt richtet sich Nathan auf, dabei stellt er zu seinem eigenen Entsetzten fest, dass ihm das Bewegen seiner Arme ziemliche Schmerzen bereitet – ein saftiger Muskelkaters kündigt sich an, der in den nächsten Stunden eher schlimmer als besser werden würde.
POCK...POCK
Schon wieder ist das penetrante Klackern zu hören, diesmal kann Nathan auch die Quelle, des seltsamen Geräusches orten: es kommt ganz eindeutig vom Fenster und klingt so als würde jemand kleine Steinchen dagegen werfen oder....
Verdammt....Rix...
Hastig reibt Nathan sich die noch vom Schlaf verklebten Augen und tatsächlich erkennt er schon kurze Zeit später ein großen Schatten vor dem Fenster der aufgeregt hin und her hüpft und ab und zu mit irgendetwas hartem gegen die Glasscheibe schlägt.
POCK...POCK...POCK...POCK
„Ist ja gut...“ brummt Nathan leise vor sich hin fluchend, während er hastig aufsteht und zum Fenster eilt. „Du weckst ja noch alle auf!“
Kaum hat er das Fenster eine Spalt breit geöffnet, flattert auch schon der schwarze Schatten in die Kammer hinein. Seine Krallen hinter lassen und leises kratzendes Geräusch auf dem Holztisch, auf dem das schwarze Ungetüm landet und schließlich verharrt. Nathan schließt das Fenster leise und tastet vorsichtig vor. Seine Finger berühren seidige Federn und gleiten über einen schlanken, aber dennoch nicht weniger muskulösen Vogelrücken.
„Was soll das Rix? Ich hatte meine Gründe..AU..!“ Statt die sanften Streicheleinheiten seines Herrn zu genießen, hat sich er stabile Schnabel des schwarzes Sithechraben in Nathans Handrücken gegraben und ihm ein beachtliches Stück Haut herausgepickt. Eine eindeutige Bestrafung für den Mangel an Zuneigung und Pflege, den Nathan seinem Vogel die letzten Tage hat zu kommen lassen.
„Bist du verrückt...“ flüstert Nathan, während er im Dunklen seine Hand untersucht und missmutig feststellen muss, dass der dumme eingeschnappte Vogel in wirklich blutig gebissen hat. Es dauert eine Weile bis er aus der Truhe zwischen seinen alten Sachen einen Stofffetzen gefunden hat, den er fest gegen die nicht gerade wenig blutende Wunde pressen kann.
„Schlingel..Schlingel“ krächzt Rix Nathan unterdessen mit vorwurfsvollen Unterton an.
„Jetzt sei endlich still, du dummes Federvieh....“
„Bös.....“ kommentiert der Vogel Nathans versuche ihn zum Schweigen zu bringen. Sein gefährlich spitzer Schnabel durchschneidet aufgeregt die Luft und seine pechschwarzen Augen, die im Licht des Mondes als zwei funkelnde Flecken aus dem schwarz schimmernden Federallerei herauslugen, lassen Nathan keine Sekunde aus dem Auge. Doch plötzlich scheint sich der Vogel wieder zu beruhigen, denn mit einem großen Satz schwingt sich der Rabe in die Luft und landet geschickt auf Nathans Schulter. Zuerst nimmt der für einen Sithechraben zierlich gebaute Vogel ganz außen auf seiner Schulter platz, bis er sich schließlich Kralle für Kralle näher ans Nathans Kopf heranarbeitet, um am Schluss seinen gesamten  Körper so eng wie möglich an seinen Herrn zu schmiegen.
„Bös...Bös..“ krächzt Rix leise. Diesmal ist jedoch der scharfe vorwurfsvolle Tonfall einem fast liebe vollem Flöten gewichen.
Lächelnd schüttelt Nathan den Kopf und streicht dem Vogel auf seiner Schulter sanft über die Flügel.
„Du bist mir vielleicht eine. Dummes Tier. Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich von mir fern halten solange wir uns in Talyra aufhalten. Warte einen Augenblick....“
Mit Rix auf der Schulter sucht er im Dunklen nach seinem Gürtel, an dem sich mehrere Beuteln befinden. In einem von ihnen bewahrt er schon seit einigen Zwölfmonden eine Auswahl an verschiedenen Körnern, unter anderem auch Kürbis- und Maiskörner, die Rix besonders liebt, auf. Er streut eine handvoll davon auf den Tisch und beobachtet lächelnd wie der Vogel  sich sofort über die Portion Körner hermacht.
Er wartet bis Rix fertig gefressen hat, dann bugsiert er den Vogel  begleitet von kräftigem Gähnen Richtung Fenster. Nur widerwillig lässt Rix sich wieder auf das schmale Fenstersims setzen, den Kopf hat der Rabe vorwurfsvoll zur Seite gedreht, ohne seinen Herrn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen zu lassen.
Zum Abschied streicht Nathan ihm noch einmal liebevoll über den Kopf, dann schließt er das Fenster und begibt sich wieder ins Bett, wo er den Rest der Nacht ohne weiterer Ruhestörung friedlich vor sich hin schlafend verbringt.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 31. März 2008, 21:04 Uhr
Langsam stapft Nathan die Stiege zum Dachboden hinauf. Er trägt einen randvoll mit frischer Bettwäsche gefüllten Weidenkorb. Es wird nicht der einzige bleiben, denn am heutigen Waschtag wartet ein riesiger Berg schmutziger Leinentücher, Bett- und Kissenbezüge darauf von Daira gewaschen und von ihm schließlich aufgehängt zu werden. Obwohl sich der neue Knecht eine bessere Beschäftigung vorstellen kann, ist er heute Mittag, als Cassandra dem Gesinde die Tätigkeiten für den Nachmittag zugewiesen hat, froh gewesen für die Wäsche zuständig zu sein. Nicht das es ihm besonderen Spaß bereitet, nasse Betttücher zu schleppen und aufzuhängen, aber der Waschtag mit all seinen Verpflichtungen bietet ihm die Möglichkeit, sich für ein paar Minuten unauffällig auf dem Dachboden zu bewegen und etwas zu erledigen, was für ihn von großer Wichtigkeit ist.
Einen Siebentag ist er nun schon im Ulmenanwesen angestellt, in diesem seltsamen Elbenhaushalt, in dem Vertrauen und Loyalität soviel zählen und langsam beginnt er sich hier zu Recht zu finden. Viele der typischen Arbeiten eines Knechtes gehen ihm nun schon wieder sicher von der Hand. Auch wenn es ihm nicht besonders schmeckt, die Arbeit des einfachen Gesindes zu verrichten, weiß er nur zu gut, wie wichtig es ist, seine Rolle als Knecht die nächste Zeit so überzeugend wie möglich zu spielen. Solange sein Geldbeutel leer ist und er keine Ahnung hat, wie es weiter gehen soll, bietet Vinyamar die beste Tarnung, die er sich nur wünschen kann.
Die letzten Tage hat er genutzt, um sich unauffällig einen Überblick über Haus und Ländereien zu verschaffen und nach einem passenden Versteck für sein kleines Geheimnis, das bis zum heutigen Tage unter der Matratze versteckt lag, zu suchen. Lange hat er hin und her überlegt, bis er schließlich zu dem Entschluss gekommen ist, den eingewickelten Gegenstand auf dem Dachboden zu verstecken. Hier oben, kann er sich unauffällig bewegen und die vielen alten Möbel, die im Durchgang zwischen dem nördlichen und südlichen Flügel stehen, bieten unendlich viele Möglichkeiten einen faustgroßen Gegenstand unauffällig verschwinden zu lassen.

Die alten Holzdielen knarzen leise als er den Dachboden betritt. Gedämpftes Tageslicht fällt aus dem Kräutertrockenraum in den Zwischengang hinein und beleuchtet die Möbel und allerlei sonstiges Zeugs, das ordentlich gestapelt und sortiert hier verstaut worden ist. Weiße Tücher decken einen Großteil des Hausrates ab, wohl um sie vor Schmutz und Staub zu schützen. Nathan stellt den Weidenkorb auf den Boden und betrachtet nachdenklich die Sammlung an ausgedientem Mobiliar. Irgendwo hier wird er ihn lassen müssen. Sein Gesichtsausdruck ist ernst, die Augenbrauen eng zusammengezogen als er sich schließlich bückt und aus dem Korb, begraben unter einem Berg frischer Wäsche, das schmutzige Leinentuch samt des seltsamen faustgroßen Etwas herauskamt.
„Hätte ich doch niemals zugesagt, dich an mich zu nehmen“, flüstert er leise mit einem bitteren Unterton in seiner Stimme „Du hast mir nichts als Unglück gebracht“. Seine Hände lösen den Konten, der das grobe Leinentuch zusammenhält und wenige Sekunden später wird ein funkelnder Turmalin sichtbar. Der etwa handtellergroße, hellgrüne Stein ist von ungewöhnlicher Klarheit. Keine Einschlüsse, keine Sprünge verunreinigen seinen reinen Glanz und der kunstvolle zwanzigseitige Schliff des Edelsteins bricht selbst das schwache Licht der Wintersonne, indem er bunte Lichtflecken auf den alten Holzboden des Speichers wirft.
Mit gerunzelter Stirn betrachtet Nathan den Stein. Sein Blick fällt auf einen Heller aus einfachem Eisen, der ebenfalls neben dem hellgrünen Turmalin liegt. Neben dem funkelnden Stein wirkt das Geldstück alltäglich und unspektakulär. Sein angespanntes Gesicht verdunkelt sich, als er zögerlich das unscheinbare Geldstück mit dem imperialen Löwen auf seiner Seitenfläche in die Hand nimmt. Die Münze hat schon einige Jahre auf den Buckel und ihren metallischen Glanz verloren. An einigen Stellen ist sie schartig und erste Rostflecken beginnen ihre Oberfläche zu zersetzen. So alltäglich und unauffällig das Rever der Münze aussieht, umso merkwürdiger ist seine Vorderseite. Dort wo sich eigentlich das Landeswappen des Prägeortes befinden sollte, ist ein seltsames verschlungenes Symbol sichtbar, das für Nathan wie ein kryptischer Taschenkrebs mit zwei stilisierten Greifzangen aussieht. Dank Rathak und seine unnachahmlichen Künste andere zum Reden zu bringen, weiß er nun für wen dieses ungewöhnliche Zeichen steht.

Widerwillig erinnert Nathan sich an den Tag, als sie ihnen zu viert in einem kleinen unscheinbaren Gasthaus in der Nähe von Cardossa auflauerten.
Es war nicht das erste mal gewesen, das Mandred, Rathak, Arèl und er selbst seit ihrem fluchtartigen Aufbruch von Ambar von unbekannten Häschern überfallen worden waren, doch bis zu diesem Tage hatte sich die kleine Gruppe immer ihrer Haut erwehren können. An diesem Abend jedoch waren sie zu leichtsinnig gewesen. Nein, das ist nicht ganz richtig, Nathan war zu leichtsinnig gewesen. Er fühlte sich zu sicher und geglaubte, sie hätten ihre Verfolger abgehängt und diesen verfluchten Stein in seinem Besitz in Sicherheit gebracht. Ein bitterer Fehler! Denn kaum hatten sich Mandred und er in ihre Schlafkammer zurückgezogen, stürmten vier vermummte Gestalten wie aus dem Nichts hervor und bedrängten sie mit Armbrüsten, Schwertern und Magie. Wären nicht Rathak und Arèl im Nachbarzimmer gewesen, hätte nicht nur Mandreds Blut den Boden des Zimmers überflutet, sondern auch Nathans letzte Stunde geschlagen. Als Andenken an diesen Tag durfte er sich mehrere Monde lang mit einer Bolzenwunde in seiner Schulter herumschlagen und mit dem Verlust eines Weggefährten, der vielleicht sogar ein Freund gewesen war. Zu ihrem Glück überlebte einer der dreckigen Schweine das Gemetzel, zu mindestens war noch so viel Leben in ihm, um aus ihm die nötigen Informationen hinauspressen zu können. Eine Aufgabe die Rathak mit Freude übernahm. Der schwarz haarige Magier, wand sich vor Schmerzen unter Rathaks massigen Händen und schrie laut und von einer Qual, die einem die Seele erzittern ließ. Doch all das nütze ihm wenig. Rathak wusste nur zu gut, wie man Menschen gefügig machen konnte, indem er Stück für Stück ihre Knochen und schließlich ihren Willen brach. Der Gefangene wehrte sich bis zu seinem bitteren Ende, doch der Schmerz war stärker als seine Loyalität und Angst gegenüber seinem Auftraggeber. Er nannte Nathan einen Namen: Malsebior, ein geheimes Bündnis, das um jeden Preis den Turmalin in ihre Hände bekommen wollte. Malsebior! Das Zeichen auf dem Heller, den der Kerl versteckt in seinem Geldbeutel bei sich trug war ihr Erkennungszeichen, ein verschlüsseltes Symbol, das aus allen Richtungen beachtetet, das Wort Malsebior bildete. Bevor sie noch mehr von ihm erfahren konnten starb er.

Noch immer bringt der Gedanke an diesen Tag sein Blut zum kochen. Seine hellblauen Augen funkeln vor Wut, als er den grünen Stein samt Heller wieder in das Tuch wickelt und darin verknotet. Dieser Stein und sein leichtsinniges Versprechen ihn aufzubewahren, hat schon einem seiner Weggefährten das Leben gekostet. Ein verdammt hoher Preis für dieses schimmernde Etwas, von dem er nicht einmal weiß, was ihn so verdammt wertvoll macht. Er mahnt sich zur Ruhe: jetzt ist nicht der Zeitpunkt die Kontrolle zu verlieren.
Mit zusammen gepressten Lippen hebt er mehrere der Laken beiseite. Darunter verbergen sich wertvolle Kommoden, ein Sekretär, mehrere beschlagene Truhen und auch 2 großen Holzschränke, die mit wunderschönen Intarsienarbeiten versehen sind. Doch Nathan hat kein Auge für die kunstvollgearbeiteten Möbelstücke. Mit eisigem Blick sucht er nach einem passenden Versteck für den Turmalin und den Heller. Er öffnet so leise wie möglich Türen und Deckel, er zieht Schubladen heraus und wühlt sich durch edle Stoffballen und allerlei sonstigen Hausrat, der hier oben gelagert wird. Doch kein Versteck ist ihm sicher genug. Erst als er auf eine große Eisentruhe voll identisch aussehender Holzkisten mit altem Geschirr und Besteck stößt, gibt er sich zu Frieden. Als er eine der Kisten öffnet, quellen ihm weiße   Stoffservietten aus schwerem Tuch entgegen. Vielleicht lassen sich der Stein und die Münze ja hier verstecken? Kurzentschlossen entnimmt er ein paar der Servietten und stopft sie in eine andere Kiste voll Porzellan, dann steckt er das Leinentuch mit dem Turmalin und dem Heller zwischen die verbliebenen Servietten. Die Holzschachtel legt er, verdeckt unter einem Haufen anderer Kisten, zurück in die Kiste. Einigermaßen zufrieden mustert Nathan sein Werk.  Dann schließt er die Truhe und richtet alles wieder so her wie vorher.
Sein Herz schlägt immer noch schneller, als er sich schließlich wieder der Wäsche zuwendet. Seine Wut ist noch nicht verflogen, aber es besteht keine Gefahr mehr von ihr überrollt zu werden und das ist auch gut so.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 08. Apr. 2008, 13:55 Uhr
Irgendwann im Eisfrost



Schweißgebadet schreckt Nathan in seinem Bett auf. Er kann sich nicht mehr erinnern wovon er geträumt hat, wie meistens, wenn er mit nass geschwitztem Hemd und einem schalem Geschmack auf der Zunge aufwacht. Draußen ist es noch dunkel. Nur das Licht des Mondes erhellt die kleine Schlafkammer, nach seinem Stand zu urteilen, wird es noch ein wenig dauern bis Vinyamar wieder zum Leben und zur emsigen Betriebsamkeit erwacht, doch Nathans Bedarf an Schlaf ist für die heutige Nacht gedeckt. Allein der Gedanke sich wieder in das Reich der Träume zu begeben, lässt ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Müde setzt sich der junge Mann auf und reibt sich die Augen. Verdammte Träume....
Es ist viele Monde her, seitdem er das letzte Mal erholt und ausgeruht aufgewacht ist. Diese Schlaflosigkeit zehrt an seinen Kräften. Ja, natürlich er wird bestens versorgt hier auf Vinyamar. Die eingefallenen Wangen und die dunklen Ringe unter den Augen sind verschwunden und haben einer gesunden Gesichtsfarbe Platz gemacht. Auch hat er zu seiner früheren Stärke und Ausdauer zurückgefunden. Nicht das er nun Bäume ausreißen könnte, aber die alltäglichen Arbeiten gehen ihm nun viel leichter von der Hand, als noch vor zwei Monden.
Aber es sind ja auch nicht die fehlenden körperlichen Kräfte, die ihm zu schaffen machen. Es ist vielmehr diese innere Unzufriedenheit und das Gefühl, keinen Schritt weiter gekommen zu sein. Noch immer liegt der verfluchte Turmalin gut versteckt auf dem Dachstuhl, noch immer befindet sich daneben der Heller mit dem kryptischen Symbol und Nathan weiß auch nach all den Monden nicht mehr als den Namen einer geheimnisvollen Organisation, die selbst den Tod nicht scheut, um den grünen Stein in ihre Hände zu bekommen, aus was immer für ominösen Gründen auch immer.
Es ist diese Unwissenheit, die ihn wahnsinnig macht.
Doch das ist nicht der alleinige Grund. Es liegt auch an Vinyamar selbst und dieser familiären Gemeinschaft aus Gesinde und Herrn, die ihm täglich den letzten Rest seiner Geduld und seiner Menschenfreundlichkeit raubt. Nicht das er persönlich etwas gegen die Bewohner des Ulmenanwesens hätte. Nein, ganz im Gegenteil, alles in allem sind sie richtig nette Leute. Nathan seufzt. Zu nett, für seinen Geschmack. Die dicken Mauern des Grundstücks kommen ihm manchmal wie die bruchfesten Steinmaurern eines Gefängnisses vor und die Bewohner Vinyamars wie seine gutherzigen Gefängniswärter.
Ja, ja....er übertreibt natürlich maßlos. Aber gegen dieses Gefühl des Eingesprerrtseins, kann er nichts tun. Es überkommt ihm in letzter Zeit immer öfter. Daran können auch die raren und wertvollen Abende, die er außerhalb von Vinyamar im Bett einer billigen Hure oder einfach nur bei einem Becher Wein verbringt, nichts ändern.
Ich werde noch wahnsinnig, denkt er resigniert.

Seine schweißnassen Hände fahren durch seine schwarzen Haare. Immer fester massieren sie seine Schläfen, doch selbst der Druck kann die Beklemmung in seiner Brust nicht lösen. Wenn er doch nur einmal, einmal vergessen könnte! Unzufrieden erhebt sich Nathan und beginnt wie ein eingesperrter Panter in seiner Kammer auf und ab zu wandern, seine Gedanken kreisen immer wieder um dasselbe Thema. Nach einer Weile bleibt er stehen und schüttelt missmutig den Kopf. Das hat doch alles keinen Zweck! Hier drinnen kommt er doch sowieso nicht zur Ruhe. Vielleicht verschafft ihm ja ein kleiner Spaziergang draußen im Garten einwenig Ablenkung und einen kühlen Kopf. Kurz entschlossen schlüpft er in seine Hose und zieht sich rasch ein frisches Leinenhemd und eine dicke Wolltunika an, dann schnappt er sich seine Lederstiefel und öffnet leise die Zimmertür. Draußen im Flur ist nichts zu hören, alle Hausbewohner scheinen noch tief und fest zu schlafen. Als Nathan vorsichtig und noch immer barfuss durch die Holzdiele schleicht, ertönt ein dezentes, aber trotzdem nicht zu überhörendes Knarzen. Ein Geräusch, mit dem der neue Knecht schon öfters auf seinen nächtlichen Spaziergängen Bekanntschaft gemacht hat und dem er neuerdings versucht, ohne Schuhe seine penetrante Lautstärke zu nehmen. Böse Zungen könnten vermuten, dass ihm Cassandra nicht ohne Grund das Zimmer mit den kaputten Dielen vor der Türe geben hat, aber so etwas würde Nathan natürlich niemals der obersten Magd unterstellen. Ein sarkastisches Lächeln umspielt seine Lippen bei diesem Gedanken. Einen kurzen Augenblick lauscht Nathan in die Nacht hinein, ob durch die alten Holzbretter jemand aufgewacht ist, doch heute scheint niemand seinen Spaziergang bemerkt zu haben. Auch Ulmars Tür bleibt verschlossen. Wenigstens etwas! Die neugierigen Fragen, warum er sich so früh im Haus herumtreibt hat, er ziemlich satt.

Auf leisen Sohlen schleicht er sich in die Küche. Auch hier ist alles still. Der Schlüssel zur Gesindetür, hängt wie immer an seinem angestammten Platz an der Wand.
„Cassandras Ordnungsliebe hat doch manchmal auch ihre guten Seiten“, denkt Nathan schmunzelnd.
Kaum hat er die Tür aufgeschlossen, bläst ihm ein eisiger Wind entgegen. Es ist bitterkalt draußen. Der Himmel ist klar, keine Wolken versperren den Blick auf den Mond und die funkelnden Sterne, doch Nathan hat heute keine Augen für die nächtliche Schönheit des Sternenmeers. Vor sich herbibbernd zieht er die Tunika enger um die Schultern und macht sich auf den Weg in Richtung Süden des Anwesens. Der kleine Hain, mit seinen dichtstehenden Büschen und Bäumen ist sein Ziel. Er liebt diesen verwunschen Flecken Wald, in dem man so leicht vergessen kann, dass man sich inmitten der größten und lautesten Stadt Immerlandes befindet. Besonders ist ihm das Herz des Hains, mit seinem im Boden eingelassenen Wasserbecken und die halb, unter den Zweigen eines Baumes verborgene Anukisstatue ans Herz gewachsen. Dort zieht er sich meist zurück, wenn er alleine sein möchte und sprichwörtlich die Nase voll hat von dem Geschnatter der Bewohner des Ulmenanwesens.
Kaum hat er die Mitte des Waldstückes erreicht, lässt sich der junge Mann zu Frieden grunzend neben der Wasserstelle auf den mit nassem Laub bedeckten Boden gleiten. Die Feuchtigkeit und die damit verbundene Kälte, die durch seine Kleidung dringt, versucht er so gut es geht zu ignorieren. Er schließt die Augen und lauscht in die Nacht hinein, hört dem Rascheln des Windes in den Baumwipfeln und dem beruhigendem Rufen der Käuzchen zu. Eine Weile verbringt er die Zeit einfach damit, auf dem kalten Boden zu liegen und an nichts zu denken, doch schon bald treibt ihn die Kälte und seine wie Assgeier immer wieder um dieselbe Stelle kreisenden Gedanken wieder auf die Beine. Er schüttelt sich das nasse Laub aus den Kleidern und Haaren, seine Zähne schlottern dabei leise im Takt.
Wenn es doch nur eine einfache Lösung für seine ganzen Probleme geben würde. Aber von einer Lösung ist er genauso weit entfernt wie am Anfang seiner Flucht. Er will sich gerade auf den Weg zurück ins Haus machen, als ihm zu seiner „großen Freude“ einfällt, das am heutigen Tag eine seiner Lieblingsarbeiten auf ihn wartet: das Ausmisten des Schweinestalls, eine Tätigkeit, die er schon als Kind gehasst hat und zu der man ihm meistens hat prügeln müssen.
Angewidert verzieht er das Gesicht. Manchmal fragt er sich wirklich, was er hier treibt. Für was hat er dieses elendige Bauernleben eigentlich hinter sich gelassen, wenn er sich jetzt wieder als armseliger Knecht den Buckel für andere krumm macht? Eine Steile Furche gräbt sich bei diesem Gedanken zwischen seinen Augenbrauen ein.
Nathan, der Bauer…..dabei ist er alles andere als ein Bauer, Knecht oder sonst irgendein Handlager. Ein leichtes Kribbeln macht sich seinen Eingeweiden und seiner Brust breit, während seine angestaute Frustration ein Ventil zum entweichen sucht. Noch hat er sich unter Kontrolle, aber die Grenzen zwischen Selbstbeherrschung dem kompletten Verlust über das Wirken seiner Kraft sind oft verschwommen und unklar.
Schlagartig ist es windstill in dem kleinen Hain geworden, selbst der Ruf der Käuzchen ist verstummt. In der Luft liegt ein leises Knistern, wie kurz vor einem starken Gewitter.
Für einen kurzen Augenblick zögert der junge Mann, doch der Wunsch endlich wieder einmal das zu tun, was seiner Meinung nach seine Bestimmung ist, ist viel zu stark, als das er seine Kraft jetzt noch im Zaum halten könnte. Und ehrlich gesagt will er es auch gar nicht. Aus dem Kribbeln wird ein Ziehen und Zerren, das sich von seiner Körper Mitte immer weiter in Richtung Arme ausbreitet. Plötzlich erscheint eine kleine, hellblau schimmernde Flamme auf seiner Handfläche, die immer größer und größer wird, bis ihre gleißenden Lichtstrahlen den Hain durchfluten und in ein grelles unnatürliches Licht tauchen. Die leuchtende Flamme lässt Nathan noch bleicher und unheimlicher als gewöhnlich erscheinen.
Erst als sich die ersten Schweißperlen auf seiner kalten Stirn bilden, schließt Nathan seine Hand. Fast gleichzeitig verschwindet auch das magische Leuchten und die Dunkelheit erhält wieder Einzug im Hain. Zu Frieden und auch ein wenig erschöpft geht er in die Knie. Zum ersten Mal seit vielen Siebentagen fühlt er sich entspannt, all der Druck ist von ihm abgefallen und ein wunderbarer Zustand der Inneren Leere macht sich in ihm breit.
Erst jetzt fällt ihm auf, dass gleichsam mit ihm selbst auch die Natur inzwischen zum Leben erwacht ist. Der kurze, gepresste und kratzende Gesang eines Hausrotschwanzes kündigt den baldigen Sonnenaufgang an. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird Vinyamar wieder aufwachen und der Alltag wird von dem Anwesen Besitz ergreifen.
Ein kaum sichtbares Lächeln huscht über sein Gesicht.
Und ein Schweinstall wartet schon sehnsüchtig darauf, von ihm ausgemistet zu werden.


Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 10. Mai 2008, 14:23 Uhr
~ Eine Nacht im Eisfrost  ~



Arúen schlägt abrupt die Augen auf, und ist ohne die übliche Benommenheit sofort hellwach. Verwirrt setzt sie sich auf und spähte in das dunkle Zimmer. Rialinn ruht friedlich in ihrem Zimmer nebenan, sie atmet tief und gleichmäßig. Es ist ein ruhiges, vertrautes Geräusch, das Arúens Ruhe nicht gestört hätte. Sie reibt sich die Augen und fährt sich mit den Fingern durch die Haare, die sich irgendwann in den letzten Stunden aus dem Zopf gelöst haben müssen. Sie ist todmüde und ihr Körper fühlt sich irgendwie taub an, so als weigere er sich, zusammen mit ihr wach zu werden. Aber was hat sie geweckt? Es ist kein Geräusch gewesen, sondern mehr ein Gefühl, eine Veränderung irgendwo in der Nähe. Das Denken fällt ihr schwer, nur langsam lassen sich ihre Gedanken sortieren, so als wate sie durch knietiefen, zähflüssigen Honig. Mit einem leisen Seufzen lässt die Elbin ihren Kopf wieder nach hinten gegen das Polster des Sessels sinken. Erst jetzt wird ihr bewusst, dass sie nicht in ihrem Bett liegt, wie es zu dieser Stunde eigentlich der Fall sein sollte, sondern noch immer im Sessel am Kamin sitzt. Und den Schüsseln auf dem Tisch vor ihr nach zu urteilen, muss sie mitten beim Essen in Trance geglitten sein. Die Essenreste sind inzwischen längst kalt, auch das Feuer im Kamin ist fast völlig heruntergebrannt, nur noch die roten Augen kleiner Glutnester schimmern halbverborgen aus der Asche. Auris und Nevis liegen wie stets des Nachts auf ihrem Platz, auf dem Teppich vor Arúens Bett. Die abrupte Bewegung der Elbin hat die beiden Hündinnen nun allerdings aufgeschreckt. "Iriaon." Das leise Wort genügt, um die beiden Hündinnen sich wieder niederlegen zu lassen, auch wenn die wachsamen Blicke der beiden noch immer auf Arúen gerichtet sind. Mit geschlossenen Augen versucht sie herauszufinden, was sie geweckt hat, aber außer diesem bleiartigen Gefühl von Müdigkeit ist da nichts. Müdigkeit. Ein Gefühl, das in den letzten Wochen ihr ständiger Begleiter geworden ist.

Frustriert, weil sie weder den Grund für ihr Wachwerden finden kann, noch einen Weg zurück in die Trance findet, wendet Arúen ihre Gedanken anderen Dingen zu. Zumindest versucht sie das, bleibt dann aber ärgerlicherweise bei einem unfreiwilligen Rückblick auf die letzten Tage und Wochen hängen. Das Leben auf Vinyamar selber hatte seinen ruhigen, winterlichen Gang genommen. Iestin, der neue Knecht hatte sich nach und nach in das Leben eingefügt, auch wenn er unverändert schweigsam und zurückhaltend ist und außerhalb der Arbeit gerne für sich bleibt - böse Zungen würden ihn vielleicht sogar als eigenbrötlerisch beschreiben. Aber er erledigt seine Arbeiten stets ordentlich und zuverlässig, und sowohl Cassandra als auch Ullmar haben sich auf Arúens Nachfrage dafür ausgesprochen, den Mann zur Faêyrisnacht für ein weiteres Jahr in Dienst zu nehmen, was die Elbin dann auch getan hat. Ebenso wie sie alle anderen für einen weiteren Zwölfmond auf Vinyamar behält. Weniger erfreulich ist dann allerdings die Nachricht gewesen, die nach der Nacht der Mondfrau die Runde durch die Weltenstadt gemacht hatte: Eine weitere Frauenleiche wurde gefunden, dieses Mal direkt vor dem Waldtor der Steinfaust. Nur zu gut kann die Elbin sich an das blasse Gesicht Nualas erinnern, als diese vor wenigen Tagen mit diesem Gerücht vom Einkauf auf dem Marktplatz zurückgekehrt war, und wie Cassandra daraufhin prompt und kategorisch erklärt hatte, dass ab sofort keines der Mädchen das Anwesen nach Einbruch der Dämmerung mehr alleine verlassen werde. Auch im Tempel hatte dieser neuerliche Mord für Aufregung und viel Gerede gesorgt. Auch wenn Thrandar der Vorsteher des Anukis-Tempels ist, und obendrein der Vertreter der Priesterschaft im Stadtrat, im Laufe des letzten Jahres sind viele seiner Aufgaben auf Arúen als ranghöchste Priesterin des Tempels übergegangen. Und so hatte sie zusammen mit der Novizenmeisterin Frau Eluna zahlreiche und scheinbar endlose Gespräche mit besorgten Eltern jener Kinder geführt, die den Winter über als Schüler im Tempel verbringen. Manche von ihnen hatten aus lauter Sorge ihre Kinder mit sich zurück auf ihre außerhalb der Stadt gelegenen Höfe genommen, andere hatten sich wieder und wieder versichern lassen, dass ihre Sprösslinge den Tempel nicht ohne Aufsicht durch einen der Priester verlassen würden. Und viele der Kinder, die direkt in Talyra wohnen, und die sich sonst jeden Tag alleine auf den Weg zum Unterricht im Tempel gemacht haben, werden nun von ihren Eltern oder erwachsenen Geschwistern morgens gebracht und abends wieder abgeholt.
Obendrein war dann vor drei Tagen eine der ältesten Priesterinnen in der Morgenandacht mit einem Herzanfall zusammengebrochen, von dem sie sich nicht wieder erholt hat. Auch die Heilerinnen, die sie aus dem Tempel der Faêyris gerufen haben, haben nicht mehr tun können, als der Frau die Schmerzen zu nehmen und es ihr leichter zu machen. Über neunzig Sommer hatte sie gelebt, davon alleine ein halbes Jahrhundert im Tempel hier in der Weltenstadt. >Ohne sie wird etwas fehlen.> ist wohl der meist geäußerte Satz, den man im Tempel an jenem Tag und auch danach noch zu hören bekommt. Es ist eine schmerzliche Erfahrung für Arúen gewesen, sie in ihren letzten Stunden zu begleiten und zu erleben, wie von ihr Abschied genommen wird. Viele der Priester kennen sie seit dem ersten Tag als Novizen im Tempel, mehrere Generationen von Novizen und Priestern hat sie kommen, lernen und an Körper und Geist wachsen sehen. Großmütterchen haben alle sie genannt, ein Kosename, den jeder mit solchem Respekt ausgesprochen hat, dass es eher ein Ehrentitel gewesen ist. Mit der Abenddämmerung ist sie dann gestorben und zusammen mit einigen anderen Priestern hatte Arúen sie hergerichtet, sie mit den heiligen Totenölen gesalbt, die zwölf schwarzen Kerzen entzündet und sie in der Seitenkapelle aufgebahrt. Sie haben die Totenwache gehalten und am nächsten Morgen sind viele Tempelangehörige den Schweigenden Schwestern gefolgt, als diese gekommen sind, um die Tote abzuholen und auf dem Sithechacker zur letzten Ruhe zu betten.

Obendrein quält Rialinn sich seit vorgestern mit einem neuen Zahn, der dem Kind - und damit auch Arúen - die Nachtruhe raubt. Alles in allem hat die Elbin in den letzten Tagen kaum mehr als drei oder vier Stunden zur Ruhe gefunden, was nun langsam aber sicher seinen Tribut fordert. Da sie weder den Grund für ihr Aufwachen finden kann, noch einen Weg zurück in die Ruhetrance findet oder sich zumindest irgendwie vom Grübeln ablenken kann, beschließt sie, die Reste des kalten Essens hinunter in die Küche zu bringen. Wenn ich schon nicht ruhen kann, kann ich wenigstens etwas nützliches tun. Ein wenig steif rappelt sie sich auf, räumt die Sachen auf dem Tablett zusammen und macht sich auf den Weg hinunter in die Küche. Leise verlässt sie ihr Zimmer um bloß das Kind nicht zu wecken und macht sich durch die nachtdunklen Flure Vinyamars auf den Weg in die Küche im Erdgeschoss. Zu ihrem Erstaunen ist sie nicht die einzige, die zu dieser Stunde noch wach ist. In der Küche trifft sie auf Ullmar, der mit einer flackernden Kerze in der Hand die Gesindepforte zu kontrollieren scheint. "Ullmar!? Was machst Du um diese Zeit hier? Ist etwas passiert?" Sofort sind Arúens Gedanken wieder bei dem merkwürdigen Gefühl, das sie geweckt hat. Hat dieses Was-auch-immer auch den Großknecht geweckt? "Lady Arúen. Nein, es ist nichts passiert. Ich wollte nur sehen, welchen Schlüssel er genommen hat." "Iestin?" "Hmmja." Das ist nichts Neues. Der Mann hat schon öfter mitten in der Nacht seine Kammer verlassen und manchmal Stunden draußen zugebracht, ganz gleich bei welchem Wetter. Aber er hat nie das Anwesen verlassen. "So langsam solltest Du wissen, dass er in solchen Nächten Vinyamar nicht verlässt, Ullmar." Ein müdes Lächeln huscht durch Arúens Gesicht als sie ihren Großknecht ansieht, der genau wie sie selber alles andere als wach und ausgeschlafen aussieht. "Geh' wieder schlafen, der Morgen ko-" Zwischen zwei Atemzügen ist da wieder dieses Gefühl der Anspannung, wie die Luft, die sich vor einem Gewitter auflädt und zu knistern scheint, ehe sie sich in einem Blitz entlädt, und die Elbin verstummt mitten im Wort. Ullmar mustert sie besorgt. "Mylady? Alles in Ordnung?" Es dauert etwas, ehe Arúen ihm antworten kann. "Ich weiß es nicht. Es ist als... nein, nein, da ist nichts, es ist alles in Ordnung." Sie zwingt sich zu einem unbefangenen Lächeln. Sie ist sich sicher, dass es genau das gewesen ist, was sie auch geweckt hat, aber das wird sie Ullmar nicht auf die Nase binden. Der würde dann nämlich augenblicklich Teir wecken, damit der das Anwesen absucht, ob wirklich alles seine Ordnung hat. "Ich räum das hier nur eben noch weg, dann gehe ich auch wieder schlafen." Sie deutet auf das Tablett, das sie auf dem Tisch abgestellt hat. Zögernd, aber mit einem Nicken verlässt der Mann schließlich die Küche und lässt Arúen mit dem Tablett und der flackernden Kerze zurück.

Die Elbin wartet noch einen Augenblick, bis sie sicher ist, dass er seine Kammer erreicht hat, dann lässt sie Tablett Tablett sein und verlässt das Haus durch die Gesindepforte. Was genau sie da eben gespürt hat, da ist sie sich nicht sicher, aber sie ist sich sicher, dass es seinen Ursprung nicht im Haus aber irgendwo in der Nähe hat. Der eiskalte Nachtwind dringt fast augenblicklich durch ihre Gewänder und kurz ist sie versucht, ins Haus zurückzukehren und sich erst einmal einen Mantel zu holen, verwirft den Gedanken dann aber gleich wieder. Ihr Blick wandert zum Himmel, nicht eine einzige Wolke verhindert die Sicht auf die Sterne. Und dem bleigrauen Saum am Horizont nach zu urteilen kann es nicht mehr lange hin sein bis zur Morgendämmerung. Regungslos im Wind zu stehen lässt sie nur noch mehr frieren, also macht sie sich auf den Weg und umrundet das Haus. Vorne ist nichts Ungewöhnliches zu finden, Tor und Mannpforte sind fest verschlossen, und außer auf den Wegen ist im Schnee nirgendwo auch nur eine Spur zu finden, die nicht dorthin gehören dürfte. Arúen folgt dem geräumten und gefegten Kiesweg um die Südseite herum und will sich schon fast über die Terrasse zurück zur Küchenpforte wenden, als dieses Gefühl wieder da ist. Doch dieses Mal ist es stärker und eindeutiger. Dieses Mal erkennt sie es als das, was es ist: Jemand wirkt arkane Magie. Und er tut es innerhalb des Bannkreises, den sie zu ihrer eigenen und Teirs Beruhigung nach dem dritten Mord um Vinyamar gelegt hat. Arkane Magie! Schlagartig erfassen Wachsamkeit und Anspannung die Elbin. Auf die Idee, zu senden und Teir zu rufen kommt sie nicht. Stattdessen nähert sie sich vorsichtig dem kleinen Hain in der Mauerecke des Gartens, in dem sich die Quelle der Magie zu befinden scheint. Mit tonlosen Worten und raschen Gesten formt sie einen Zauber, den sie zwischen ihren Händen bereithalten und jederzeit einsetzen kann. Und sie umgibt sich selber mit einem Schutzzauber. Wenn sie etwas aus dem Dämonenangriff auf Talyra gelernt hat, dann das: Vernachlässige nie Deinen Schutz.

Ein kaltes, gleißend blaues Licht erfüllt den kleinen Hain, lässt die Bäume und Büsche unnatürlich scharfe Schatten werfen. Vorsichtig, Schritt für Schritt nähert sie sich der kleinen Lichtung mit der Anukis-Statue. Gerade, als sie aus der Lücke zwischen zwei Bäumen tritt und jenen Fleck erreicht, der ihr so oft als ruhiger Ort für Meditationen dient, erlischt das Licht schlagartig. In seinem letzten Gleißen kann sie jedoch noch das Gesicht des Mannes erkennen, der hier eben noch arkane Magie gewirkt hat. "Iestin!" Den Namen auszurufen ist eher ein Reflex als eine bewusste Handlung, und Arúen kann weder Überraschung noch Anspannung aus ihrer Stimme heraus halten. Das Licht der Sterne genügt zwar, dass sie den Mann erkennen kann, jetzt wo ihre Augen sich an die neuen Licht- oder vielmehr Dunkelheitsverhältnisse angepasst haben. Aber die Elbin will das Gesicht und die Augen des Mannes sehen können, der als Knecht in ihren Diensten steht und bei dem sie nicht den Hauch einer Ahnung hatte, dass er ein Magier ist. Ganz abgesehen davon, dass er selber kein Sterbenswörtchen davon auch nur angedeutet hatte. Ein leises, ärgerliches Wort und eine knappe Geste später erhellt ein sanftes Licht das Innere des kleinen Hains ohne bis hinaus in den Garten zu dringen. "Was im Namen der Zwölf treibt Ihr hier?" Sie schreit ihn nicht an, sie hebt nicht einmal wirklich ihre Stimme, aber ihr Tonfall macht unmissverständlich klar, dass er jetzt besser eine sehr gute Erklärung parat haben sollte. "Wer oder was seid ihr?" Wachsamkeit liegt in ihrem Blick und das grüne Siegel der Anukis zeigt sich flammend auf ihrer Stirn. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass Arúen die Macht ihrer Göttin zu sich gerufen hat. Und sie wird nicht zögern, sie auch zu benutzen, sollte sie sich dazu gezwungen sehen um sich, ihre Tochter oder die Angehörigen ihres Haushaltes zu schützen.  

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 12. Mai 2008, 10:40 Uhr
Lächelnd kniet Nathan am Boden und lässt das nasse Laub durch seine Finger gleiten. Wer hätte gedacht, dass ihm das herbeirufen, dieses einfachen Lichtes so gut tun würde. Der Frust, der sich die letzten Monde bei ihm angesammelt hat ist verflogen und zum ersten mal seit Tagen......
<“Iestin“>, hallt plötzlich eine klare Stimme durch Hain und lässt Nathan vor Überraschung zusammen zucken. Sofort ist er auf den Beinen und blickt verwundert in die Richtung, aus der sein Name so unerwartet gerufen wurde. Der Tonfall der Stimme lässt einen schalen Beigeschmack zurück, der ihn an frühere Zeiten als Kind erinnert, wenn er dabei ertappt wurde etwas Verbotenes zu tun, wie zum Beispiel heimlich vom Honig oder der frisch eingemachten Marmelade zu naschen. Irritiert sucht er die Schatten, der sich sanft im Wind hin und her wiegenden Bäume nach dem Besitzer der anklagenden Stimme ab, doch noch sind seine Augen nicht an die Dunkelheit gewöhnt, die sich nach dem erlöschen seines gleißenden, blauen Lichtes wieder wie ein Schleier über den Hain gelegt hat.
Augenblicke werden zu Stunden, während das Rascheln der Blätter als einziges Geräusch die Stille des Waldes durchdringt. Nathan schärft sein Sinne, späht nach der fremden Person, die im Dunklen versteckt lauert und ihn zu kennen scheint. Instinktiv hebt er die rechte Hand und sammelt seinen Geist, bereit bei der kleinsten Gefahr, die Kraft der Magie, die selbst nach dem beschwören der Lichtflamme immer noch greifbar in seinen Adern fließt, zu seinem Schutz zu nutzen.
Bevor er dem Fremden entgegen rufen kann, sich endlich zu zeigen, vernimmt er ein leises Flüstern. Einen Lidschlag später erhellt ein sanfter Lichtschein das Innere des Hains und somit auch den Unbekannten, der sich zu Nathans großer Überraschung als Lady Arúen herausstellt.
Arúen?

Völlig verdutzt lässt Nathan die rechte Hand sinken. Fast gleichzeitig versiegt seine Konzentration und damit auch das magische Pulsieren in seiner Brust. Er kann zwar nicht sagen mit wem oder was er gerechnet hat, aber ganz sicher nicht mit der Herrin Vinyamars und dann schon gar nicht in diesem Aufzug. Faszinierend und gefährlich beschreibt wohl am besten den Anblick, den Arúen da bietet. Der Wind zerrt an ihren langen Haaren und an ihrem Gewand, über dem sie trotz der winterlichen Kälte keinen Mantel trägt. Ihre Augen mustern ihn wachsam und ein seltsames Siegel, das eindeutig nichts Gutes verheißt, leuchtet grün auf ihrer Stirn. Aruéns ganze Körperhaltung verrät, dass sie gewappnet ist sich gegen jeden und alles zu verteidigen, der sich ihr entgegen stellt.
<"Was im Namen der Zwölf treibt Ihr hier?">, fragt sie ihn ohne Umschweife und in einer Tonlage, die unmissverständlich klar macht, dass er eine passende Antwort parat haben sollte. <"Wer oder was seid ihr?">
„Was ich hier treibe?“, antwortet Nathan nach einigen Sekunden der Stille zögernd. Noch immer blickt er sie unverwandt an, doch sein überraschter Gesichtsausdruck ändert sich merklich. „Ihr wollt wissen was ich hier treibe?“, wiederholt er langsam, während seine Augenbraue nach oben wandert.
„Ein gute Frage. Allerdings sollte ich sie eher an Euch richten, Arúen. Schließlich bin nicht ich derjenige von uns beiden, der den anderen gerade droht, ihn bei der kleinsten falschen Bewegung zu pulverisieren!“
Eine zarte innere Stimme regt sich in Nathans Kopf und fleht ihn an, vielleicht ein wenig vorsichtiger zu sein und die vor Magie nur so sprühende Priesterin bloß nicht zu reizen. Doch Nathan wäre nicht Nathan, wenn er irgendwelche mahnende Stimmen beachten würde. Stattdessen verschränkt er die Arme und legt seinen Kopf leicht schief, während er Arúen keinen Moment aus den Augen lässt. Bei dem ganzen Trubel merkt er nicht einmal, dass er plötzlich das förmliche Lady fallen gelassen hat und stattdessen sein Gegenüber schlicht bei seinem Namen nennt.
„Könnt Ihr Euch noch an den Tag erinnern, an dem Ihr mich in Eurem Haus aufgenommen habt? Der Tag, an dem Ihr meine falsche Identität und die Gründe meine wahre Herkunft zu verschweigen, akzeptiertet habt und mir verspracht, darüber zu schweigen?“, fährt er mit ernster Stimme fort „Nun, vielleicht war es nicht ganz ehrlich von mir nicht nur meine Herkunft, sondern auch die Tatsache, dass ich der Magie fähig bin, vor Euch zu verschleiern. Aber ich hatte meine Gründe, die damals wie heute noch bestehen. Und je länger ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich verstehen, dass Euch die Erkenntnis über mein magisches Talent so in Aufregung versetzt. Vielleicht sollte ich es einfach als Kompliment an sehen, dass Ihr in mir tatsächlich eine Gefahr seht.“ Seine Augen funkeln herausfordernd und seine Lippen sind zu einem dünnen Lächeln verzogen, als er ihr den letzten Satz entgegen schleudert.

Doch das Funkeln in seinem Gesicht verschwindet genauso schnell wie es erschienen ist. Er holt tief Luft, hält einen Moment den Atmen an und atmet dann mit einem leisen Seufzer wieder aus. Am liebsten würde er sich selbst für seine Dummheit Ohrfeigen, hier mitten im Ulmenanwesen diese pikante Situation herauf beschwört zu haben. Er hätte es eigentlich besser wissen müssen. Aber nein, stattdessen steht er nun der Hohenpriesterin des Anukis gegenüber, die nicht so aussieht, als würde sie sich mit ein paar leeren Phrasen abspeisen lassen.
Statt weiter groß nach Worten zu suchen, die ihm eh nicht einfallen wollen, zuckt er nur kurz mit den Schultern, so als wolle er seinen vorangegangen Sätzen damit ein wenig an Schärfe nehmen und zieht sich dann völlig überraschend seine wollene Tunika über den Kopf.
„Bevor wir uns weiter unterhalten und ich Euch erzähle Wer oder Was ich bin, solltet Ihr besser das hier anziehen“, lenkt er schließlich in einem versöhnlicherem Tonfall ein und reicht ihr sein Kleidungsstück. „Ansonsten darf ich mir den ganzen Tag Cassandras Vorhaltungen anhören, dass ich Euch hier draußen die halbe Nacht in der Kälte habe stehen lassen. Und ganz ehrlich...die Aussicht ist schlimmer, als von Euch einen Kopf kürzer gemacht zu werden.“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 15. Mai 2008, 12:48 Uhr
Als sie seinen Namen ruft ist Iestin so schnell auf den Beinen, wie Arúen es sonst nur erlebt hat, wenn sie Silver bei einem heimlichen Abstecher in die Vorratskammern erwischt hat. In der Art und Weise, wie sein Blick über die Büsche und Sträucher wandert liegen Irritation und Wachsamkeit so dicht beieinander, dass die Elbin nicht zu sagen vermöchte, was davon die Oberhand hat. Der Wind ist unverändert kalt, doch hier, im Schutz des Hains erreicht er sie kaum, sondern begnügt sich damit, einige letzte trockene Blätter in den Ästen rascheln zu lassen. In dem Moment bevor ihr Zauber die kleine Lichtung in sanftes Licht taucht, kann sie spüren, wie die eben noch im verklingen begriffenen arkanen Mächte sich neu sammeln und an Kraft gewinnen. Und im fahlen Licht des Mondes schimmern die Konturen ihres gegenüber und sie kann schwach die Bewegung erahnen, mit der er eine Hand zur Faust ballt. Angriff oder Schutz? Was hat er vor? Schlagartig nimmt ihre eigene Wachsamkeit noch zu. Kaum entreißt das Licht das Innere des Hains der nächtlichen Dunkelheit, als ein doch recht überrascht aussehender Iestin die eben noch geballte Hand sinken lässt. Fast gleichzeitig erlischt auch das magische Pulsieren, das eben noch von ihm ausgegangen ist. Schutz. führt Arúen ihre eben noch offene Überlegung zu Ende. Wie um Zeit zu schinden wiederholt er ihre Fragen nach seinem Treiben hier im Garten zu dieser späten Stunde. Unverwandt hat er den Blick auf sie gerichtet, aber wo eben noch bloße Überraschung gewesen ist, mischt sich nun fast so etwas wie Vorwurf und Empörung über die Störung in seinen Blick. >Was ich hier treibe? Ihr wollt wissen was ich hier treibe? Ein gute Frage. Allerdings sollte ich sie eher an Euch richten, Arúen. Schließlich bin nicht ich derjenige von uns beiden, der den anderen gerade droht, ihn bei der kleinsten falschen Bewegung zu pulverisieren!< Bitte was? Arúen glaubt ihren Ohren nicht ganz trauen zu können. Als nächstes kommt ihr etwas in den Sinn, was die Höchstgeehrte Mutter der Erinnerung in Lomirion zu ihr gesagt hatte >Das erste, was eine angehende Hohepriesterin lernen sollte, ist Beherrschung. Wenn der Bär jedes Wiesel, das ihn von der Seite anfaucht, mit Brüllen und Pranken in die Flucht schlüge, wäre er bald heiser und müde. Abgesehen davon, dass man es im Wald vor lauter Lärm nicht mehr aushielte.< Es kostet sie ein wenig Beherrschung, aber dann verschleiert sie das Wesen der ihr anvertrauten Mächte soweit, dass nur noch das Siegel Anukis' auf ihrer Stirn schimmert. Selbst der Schutzzauber, mit dem sie sich unverändert umgibt, ist allenfalls noch schwach zu erahnen.

"Nun, da dies mein Haus und mein Garten sind, bin ich es aber, die die Frage stellt." Äußerlich ist ihr von nicht anzumerken, was sie gerade denkt oder was in ihr vorgeht, ihre Stimme ist ruhig wie immer, und ihre Miene so unergründlich wie meist. "Wenn diese simple Frage für Euch schon die Drohung mit der Verwandlung in Staub ist,... eine Möglichkeit, die ich bisher noch gar nicht in Betracht gezogen hatte, aber ihr bringt mich da durchaus auf Ideen... Dann stellt euch doch mal selber die Frage, wie es dann wohl aussieht, wenn ich wirklich vorhaben sollte, euch zu vernichten." Was auch immer sie als Reaktion auf ihre Worte erwartet hat, die herausfordernde Haltung, die der vorgebliche Knecht jetzt einnimmt sicher nicht. Und darüber bemerkt sie nicht einmal, dass der Mann sie nur mit ihrem Namen anspricht.
"Ja, ich erinnere mich an den Tag, als ich Euch in meine Dienste genommen habe. Ich sagte Euch damals, dass ich wüsste, dass Iestin nicht euer wahrer Name ist. Ich habe aber auch gesagt, dass ich die Gründe dafür nur so lange als Eure persönliche Angelegenheit betrachten und über diese Tatsache schweigen würde, wie IHR mir keinen Grund gebt, anders darüber zu denken. Und dass Ihr mir verschwiegen habt, dass ihr ein Magier seid, ist durchaus ein Grund, meine Haltung noch einmal zu überdenken, meint Ihr nicht?" Während ihrer Worte ist sie näher an ihn heran getreten, auch wenn zwischen ihnen noch immer einige Schritt Abstand liegen. "Seinen Namen nicht offen zu tragen, kann tausend und einen Grund haben, von "Ich mag den Namen nicht, den meine Eltern ausgesucht haben" über "Ich will mit meiner Familie nichts mehr zu tun haben" bis zu "Ich will oder muss unerkannt bleiben"." Vor allem der letzte Grund hatte Arúen selber über mehrere hundert Jahresläufe dazu gebracht, nicht den Namen zu führen, unter dem sie aufgewachsen war. "Es gibt viele Gründe, die einen jungen Mann von zuhause fort und auf Wanderschaft treiben können, und sie alle sind seine ganz private Angelegenheit. Zumindest so lange, wie sich daraus keine wie auch immer gearteten Gefahren für andere ergeben." So langsam kriecht die Kälte des winterlichen Bodens durch die Füße ihre Beine hoch und lässt sie sich unwohler fühlen, als es die Situation alleine ist. "Nicht ganz ehrlich?" Sie hat in den letzten Tagen eindeutig zuwenig Ruhe gefunden, denn bei seiner vorwurfsvollen und herausfordernden Art fällt es ihr ungewohnt schwer, ihre Beherrschung zu wahren. "Das ist noch reichlich untertrieben. Ich denke, es ist nicht zuviel verlangt, davon wissen zu wollen, wenn man einen Magier unter seinem Dach beherbergt. Vor allem dann, wenn er anscheinend darauf bedacht ist, nicht als der erkannt zu werden, der er ist." Sie hat ganz bestimmt nicht vor, ihre Geschichte vor diesem Knecht, Magier oder was auch immer er ist offenzulegen, nur um ihm zu erklären, warum sie damals bereit war, sein Schweigen zu akzeptieren und warum seine arkanen Talente sie nun an dieser Haltung zweifeln lassen.
"Eine Gefahr?" In ihr Gesicht schleicht sich ein Lächeln, aber es ist ein Lächeln dem nichts Sanftes anhaftet. Die Herausforderung in seinem Blick übergeht sie einfach. "Ob Ihr für mich eine Gefahr seid, Iestin, weiß ich nicht... noch nicht. Aber ich habe zu viele Sommer kommen und gehen sehen und zuviel erlebt, um den Fehler zu begehen, jemanden zu unterschätzen. Und das könnt Ihr sehen als was Ihr wollt."

Die herausfordernde Haltung ist ebenso wie das Funkeln in seinen Augen von einem Moment auf den anderen verschwunden. Ein Seufzen, dann das Schulterzucken. Arúen weiß nicht recht, was sie von diesem Mann halten soll. Erst recht nicht, als der dann auch noch seine wollene Tunika ablegt und meint, sie solle die besser anziehen, in einer Nacht wie dieser. Der Hinweis auf das, was ihn ansonsten an Vorhaltungen von der Obersten Magd Vinyamars erwarten würde - womit er Cassandra vollkommen richtig einschätzt - entlockt der Elbin kurz so etwas wie ein Lachen. "Soso, Ihr wollt Euch also lieber von mir einen Kopf kürzer machen lassen, als Euch Cassandras Vorhaltungen anzuhören, ja?" Als würde sie über die Möglichkeiten nachdenken legt sie den Kopf ein wenig schief und mustert eingehend den Menschen vor sich, der in seinem dünnen Leinenhemd mehr frieren muss als Arúen in der grünen Priesterrobe aus gutem Wolltuch, auch wenn er sich das nicht anmerken lässt. "Hmmm...," ein Hauch Boshaftigkeit mischt sich in die ansonsten völlig unschuldige Stimme, "vielleicht sollte ich sie tatsächlich anziehen und dann das Gespräch mit Euch hier draußen weiterführen. Nur um zu sehen, ob Ihr nicht doch Cassandras Vorhaltungen dem vorziehen wollt, was Euch erwartet, wenn Ihr Euch erkältet und Cassandra Eure Pflege übernimmt." Ihr Gesicht wird ansatzlos wieder ernst. "Behaltet Eure Tunika, so leicht macht mir Kälte nichts aus." Die Elbin wendet sich ein wenig zur Seite und bedeutet Iestin, sie hoch zum Haus zu begleiten. "Wir werden uns weiter unterhalten, jetzt, aber nicht hier draußen, sondern oben im Haus. Und dann will ich von Euch wissen, wer und was Ihr seid. Und wenn ich das weiß, wenn ich weiß ob Ihr eine Gefahr für meine Tochter oder für jemand anderen in meinem Haus seid, dann kann ich Euch auch sagen, ob ich weiterhin bereit bin darüber zu schweigen und Euch bleiben zu lassen. Ihr wollt, dass ich Euch vertraue, dann müsst Ihr auch mir vertrauen."

Zurück im Haus schließt Arúen die Gesindepforte hinter ihnen ab und hängt den Schlüssel zurück an seinen angestammten Haken. Die Kerze steht noch immer auf dem Tisch und flackert in der kalten Luft die die beiden mit sich gebracht haben leicht vor sich hin. Aber sie verbreitet ausreichend Licht, als die Elbin sie mitnimmt um ihnen den Weg durch das schlafende Haus zu leuchten. Gesprochen haben sie auf dem Weg vom kleinen Hain an der Ufermauer bis zum Haus kaum ein Wort mehr. Sie hat dem Mann die Zeit gelassen, seine Entscheidung zu treffen, ob und was er ihr erzählen wird. Und sie selber hat sich überlegt, wo sie sich mit ihm unterhalten will. Die Küche wäre zwar angenehm warm, aber dort befinden sich für ihren Geschmack eindeutig zu viele Messer und andere Gerätschaften, die sich als Waffe benutzen ließen. Das Schreibzimmer, in dem sie gesessen haben, als sie Iestin in Dienst genommen hat, ist ihr zu klein. Sollte Iestin die Dummheit begehen und sie tatsächlich in ihrem eigenen Haus angreifen wollen, könnte sie sich dort kaum richtig bewegen um ihm auszuweichen. Nach einigem hin und her hat sie sich für das große Kaminzimmer entschieden. Es ist groß genug um sich zu bewegen, sollte das nötig werden, es gibt dort außer einer großen schweren Vase nichts, das sich als Waffe einsetzen ließe. Und vor allem ist es weit genug weg von irgendwelchen neugierigen Ohren, die vielleicht zufällig etwas mithören.
Eine kurze Geste und einige leise Worte, dann brennen die Kerzen in dem bronzenen Halter am Kamin und Arúen kann das Talglicht aus der Küche löschen. Die Glut im Kamin ist heruntergebrannt und zur Nacht abgedeckt, aber es braucht nur wenige Handgriffe, um die Asche zur Seite zu schieben und Holz nachzulegen. Wenig später lecken Flammen über die Birkenholzscheite und verbreiten knisternd und knackend Wärme und Licht. Sie deutet auf den Sessel ihr gegenüber am Kamin und wartet, bis Iestin sich ebenso wie sie gesetzt hat. "Also... Iestin. Wer und was seid Ihr?"

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 17. Mai 2008, 12:50 Uhr
Wieder und wieder erwähnt Aurén das Wort Magier in seinem Zusammenhang, was Nathan nur ein kurzes Auflachen entlockt. Die Meisten ziehen diesen vermessenen Schluss, wenn sie von seiner magischen Begabung erfahren: als sei es die einzige logische Konsequenz, der Gemeinschaft der ewig ihre Nase in Bücher steckenden Zauberer angehören zu müssen. Wen wundert`s. Die Sippschaft der Weißbärte betreibt so lange er denken kann eine verleumderische Hatz gegen alles, was sich ihrer engstirnigen, ja fast bornierten Haltung gegenüber dem „richtigen“ Gebrauch von Magie zur Wehr setzt.
Aruéns klare Stimme holt Nathan wieder in das Hier und Jetzt zurück. Hab belustigt, halb genervt folgt er ihren Erwiderungen. Die Herrin Vinyamars lässt sich zwar nichts anmerken, aber Nathan ist sich mehr als bewusst, dass er langsam aber sicher ihre Gutmütigkeit überstrapaziert. Doch erst als sich ihr sonst so unergründbarer Gesichtsausdruck wandelt und ein dünnes Lächeln ihre Mundwinkel anhebt, kommt er zur Besinnung. Das herausfordernde Leuchten in seinen Augen verschwindet und macht einem unbeholfenem Schulterzucken platz. Unter Seufzen reicht er ihr seine Tunika. Eine Geste der Versöhnung in seinen Augen, die zusammen mit der Erwähnung von Cassandras recht harschen Zurechtweisungen bei Arúen zum ersten mal seid ihrem nächtlichen Zusammentreffen ein herzliches Lachen auslöst.
<"Soso, Ihr wollt Euch also lieber von mir einen Kopf kürzer machen lassen, als Euch Cassandras Vorhaltungen anzuhören, ja?">, erwidert sie, während sie ihn mit schief gelegtem Kopf eingehend betrachtet.
„Ich ziehe es zumindest in Erwägung“, brummt er als Antwort mit einem schmalen Lächeln im Gesicht. Die Tunika hält er der Elbin immer noch entgegen. Für einen kurzen Moment sieht es wirklich so aus, als würde sie über sein Angebot nachdenken, doch schon bald wird ihr Gesicht wieder ernst. Statt sein Kleidungsstück anzuziehen, deutet sie ihm ihr ins Haus zu folgen, wo sie beide in einer wärmeren und angenehmeren Umgebung das Gespräch fortsetzten werden. Dabei macht ihm die Herrin Vinyamars unmissverständlich klar, dass er sich schleunigst ein paar Antworten auf ihre Fragen einfallen lassen sollte. Von diesen Antworten wird sie ihre Entscheidung, über ihn zu schweigen und ihn im Ulmenanwesen bleiben zu lassen, abhängig machen. <„Ihr wollt, dass ich Euch vertraue, dann müsst Ihr auch mir vertrauen.">, fügt sie eindringlich an.
Das Wort Vertrauen verursacht eine steile Falte zwischen Nathans Augenbrauen. Es klingt so bedeutungsschwanger und edel, aber zu häufig hat er in den letzten Zwölfmondwechseln die andere Seite dieses beliebten und gerne eingeforderten Wortes kennen gelernt. Denn Vertrauen bedeutet auch Verpflichtung, Ehrlichkeit und zu allerletzt Verantwortung, nicht nur sich selbst, sondern auch anderen gegenüber: Versprechungen die Nathan schon so manches mal nichts anderes als Schwierigkeiten gebracht haben. Doch er schweigt über seine Ansicht und folgt Aruén mehr oder weniger in Gedanken versunken in Richtung Haus. Ein kühler Wind fegt durch den Garten, der ihn trotz seiner Tunika schlottern lässt.
Für einen kurzen Moment überlegt der Arúen stehen zu lassen und Vinyamar einfach zu verlassen. Eine Lösung, die er jedoch schnell wieder verwirft. Seine Besitztümer reduzieren sich immer noch auf ein paar Silberstücke, die ein längerfristiges Auskommen in Talyra wahrlich nicht sichern können. Doch selbst wenn er genug Geld besitzen würde, wo sollte er denn hingehen? Noch immer tappt er, was seine Verfolger angeht, genauso im Dunkeln wie bei seiner Ankunft in der Weltenstadt.

Gemeinsam betreten sie die Küche durch die Gesindepforte und setzen ihren Weg durch die stillen Korridore des Hauses in Richtung südlichen Anbau fort. Ihr Ziel ist das große Kaminzimmer, das um diese Uhrzeit genauso wie der Rest des Hauses noch völlig verweist und verlassen ist. Die Glut im Kamin ist für die Nacht abgedeckt und leuchtet nur noch schwach vor sich hin, als Nathan und seine Begleiterin den Raum betreten. Doch es Bedarf nur weniger Handgriffe von Seiten Arúens und schon verbreiten die Flammen ein angenehmes, wärmendes Licht.
Die Elbin deutet ihm mit einer kurzen Handbewegung, sich in einen der Sessel vor dem großen Kamin zu setzen. Eine Aufforderung der Nathan ohne lange zu Zögern nachkommt. Froh endlich wieder im Warmen zu sein, lässt er sich in den bequemen Sessel fallen. Seine klammen Finger reibt er mehrmals aneinander, während er drauf wartet, das Arúen das unausweichliche Gespräch eröffnet: <“Also... Iestin. Wer und was seid Ihr?“>
Halbfertige Sätze wälzen sich in seinem Kopf hin und her, die er jedoch schon sofort wieder verwirft. Bei allen neun Höllen, er ist noch nie ein besonders guter Redner gewesen. Besonders wenn von ihm verlangt wird, etwas von sich selbst Preis zugeben. Er atmet tief ein und aus, während er versucht seine Gedanken zu sammeln. Unterdessen suchen seine Augen die ihren. Er will in ihrem Gesicht die Reaktion auf seine Worte sehen können.

„Ihr kennt mich nun gut genug, um zu wissen, das Reden schwingen nicht zu meinen stärken gehört“, fängt er schließlich an. „Deshalb will ich es kurz machen. Meine Name ist Nathanael. Ich stamme aus Frithland. Dort habe einen Großteil meiner Kindheit verbracht. Meine Mutter arbeite auf einem kleinen Hof, ziemlich abseits von jeglicher größeren Siedlung. Ich hatte vielleicht 6 oder 7 Sommer gesehen, als ich zum ersten mal merkte, das ich irgendwie anders war....“
Es dauert eine Weile bis seine einsilbigen Sätze an Flüssigkeit gewinnen. Bilder aus vergangenen Zeiten ziehen vor seinem geistigen Auge vorbei und rufen längst vergessen geglaubte Erinnerungen wieder herauf. Seine Stimme wird fester und mit knappen, schmucklosen Worten berichtet er von der Zeit als sich seine magischen Kräfte das erste mal zeigten und dem Zeitpunkt, als die Angst der Hofbewohner einschließlich seiner Mutter vor ihm und den Dingen die er manchmal tat, obwohl er es gar nicht wollte, so groß wurde, dass sie ihn davon jagten. Die Mondwechsel danach waren geprägt von Hunger und Einsamkeit. Es ist für kein Kind einfach, sich plötzlich alleine durchs Leben kämpfen zu müssen, geschweige denn, wenn ihm eine Gabe in die Wiege gelegt worden ist, die von anderen als Werk des Dunklen und als böse Hexerei verschrien wird. Das Nathan letztendlich nicht zu Grunde gegangen ist, verdankt er dem schlichten Zufall, dass ein alter Mann sich seiner annahm. Ein Mann, der selber ein Teil der großartigen Welt der Magie war und ihm die Augen und Sinne für seine Kraft öffnete. Er lehrte ihn die Magie zu lieben und nicht zu fürchten. Und machte aus dem verängstigten Kind einen Jungen, der für sich selber sorgen und mit erhobenen Haupt durch die Welt gehen konnte. Als er in den Augen seines Lehrmeisters aus gelernt hatte, schickte er Nathan fort. Er sollte nun auf eigenen Beinen stehen und die Welt für sich entdecken. Seit diesem Zeitpunkt ist viel geschehen. Nathans magische Kraft wurde immer stärker, er bereiste viele Länder und bot den unterschiedlichsten beutenden und weniger beutenden Männern seine Dienste an. Manchen war es egal was, wie und warum er zaubern konnte, Hauptsache er erfüllte, die ihm aufgetragene Arbeit. Andere dagegen interessierten sich sehr wohl für die Herkunft und Quelle seiner magischen Kraft. Nathan stellte schon sehr bald am eigen Leib fest, das sein Meister nicht untertrieben hatte, als er sagte, dass man in manchen Situationen besser vorgab, etwas anderes zu sein als man in Wirklichkeit war. Mehr als einmal wurde er unsanft vor die Tür oder hinter Gitter gesetzt, weil er eben nicht eine dieser dämlichen Schulen besucht hatte, die als „Magierschmieden“ bekannt waren. Nun gut, eine gewisse Mitschuld an so manch unangenehmer Bekanntschaft mit dem Gesetz kann Nathan nicht leugnen, immerhin hatte er gerade in seinen Anfangsjahren aus Versehen schon die eine oder andere magische „Beinah-Katastrophe“ verursacht. Aber diese Patzer rechtfertigten in seinen Augen nicht die Verachtung und den Argwohn, der ihm sehr oft gerade von Seiten der Magierkaste entgegen schlug.
Seine Konsequenz aus diesen Erfahrungen war große Städte, die er sowieso hasste, zukünftig zu meiden und es sich eher auf dem Land in kleinen Städten und Dörfern gemütlich zu machen. Dort kannten sich die Meisten nicht mit Magie aus und nahmen es dementsprechend auch nicht so genau.

Sein Mund fühlt sich völlig ausgetrocknet an, als er schließlich seine „Geschichte“ mit den Worten beendet:
„Ich denke das dürfte Eure Frage nach dem Wer oder Was beantwortet haben.“
Müde reibt er sich die Schläfen, während er insgeheim hofft, dass Aruén die Tatsache ein „Hexer“ zu sein, als Erklärung für das Verschweigen seiner Identität reicht. Im flackernden Licht des Kaminfeuers wirkt ihr ebenmäßiges Gesicht noch unwirklicher als sonst. Doch viel wichtiger: ihr makelloses Gesicht verrät, ganz im Gegensatz zu seinem, in keinster Weise welche Gedanken sich hinter ihrer Stirn gerade verbergen.
Ihm ist es gar nicht aufgefallen, aber an keiner Stelle seiner für ihn doch ziemlich ausführlichen Rede erweckte er den Eindruck, sich für das was er ist und getan hat zu schämen. Die Tatsache, dass er anders als viele anderen magisch begabten Wesen ist, scheint ihm Gegenteil zu gefallen und fast Stolz zu machen.
Seine kohlrabenschwarzen Haare umrahmen sein schmales Gesicht. Er lässt sich tiefer in den Sessel rutschen und wartet auf die Reaktion seiner „Herrin“.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 18. Mai 2008, 14:30 Uhr
Sie hört dem Mann schweigend zu, während er erst stockend und dann immer flüssiger zu reden beginnt, um ihr eine Antwort auf die Frage nach dem Wer und Was zu geben. Nathanael also... So wie er es jetzt formuliert scheint es dieses Mal sein wirklicher Name zu sein, den er ihr nennt. Er fasst seine Lebensgeschichte in knappe, schmucklose Sätze, aber vielleicht wirkt es gerade deshalb umso eindringlicher - und ehrlicher -, als wenn er große Reden geschwungen hätte. So wenig die Elbin es sich auch anmerken lässt, sie kann ihm nachempfinden, wie er sich gefühlt haben muss, als er vom Hof seiner Kindheit vertrieben wurde. Angst und Einsamkeit, das Nichtverstehen des Warums und das Wissen irgendwie anders zu sein. Ihr Blick ist aufmerksam auf Nathanael gerichtet, und die Art, wie er ihrem Blick nicht nur nicht ausweicht, sondern ihn regelrecht zu suchen scheint, unterstreicht den Ernst seiner Worte noch. Was die Menschen nicht verstehen, das fürchten sie und was sie fürchten, das vertreiben sie. Von der eigenen Mutter vertrieben... Llaeron, manchmal sind die Muster, die Du webst nur schwer hinzunehmen... Und ich wüsste zu gerne, welche Fäden Du geknüpft hast, die Nathanael ausgerechnet nach Vinyamar und in mein Haus geführt haben. Der Mann ihr gegenüber weiß es nicht, und sie hat auch nicht vor, es ihm auf die Nase zu binden, aber er sitzt einer Elbin gegenüber, die seine Lebensgeschichte aus ihrer eigenen Erfahrung heraus besser nachvollziehen und verstehen kann, als ihr selber lieb ist. Ein wilder Magier, in keiner der Akademien ausgebildet... und er hat es anscheinend gelernt, seine Kräfte zu kontrollieren ohne darüber wahnsinnig zu werden oder sich selber umzubringen. Genau genommen hat er seine Kräfte sogar erstaunlich gut unter Kontrolle für jemanden, der nicht die übliche Ausbildung eines Magiers erhalten hat. Immerhin ist es heute das erste Mal seit seiner Ankunft auf Vinyamar gewesen, dass etwas davon für Arúen spürbar gewesen ist. Ebenso gut kann es aber auch sein, dass er zwar auf dem Ulmenanwesen bisher noch nie Magie gewirkt hat, anderswo in oder um Talyra aber schon. Eine Weile schweigt die Elbin, nachdem Nathanael geendet hat, ehe sie das Wort ergreift.
     
"Ja, das beantwortet meine Frage," ein kurzes Lächeln huscht über ihr Gesicht, als sie nachsetzt, "aber es wirft auch einige neue Fragen auf." Ihr Blick ist unverändert aufmerksam, und die Wachsamkeit, die sich während seiner Erklärungen eingeschlichen hat, weicht nur langsam wieder. "Dass weder ein Sucher auf Euch aufmerksam wurde, noch Eure Mutter oder jemand anderes Euch zu einer der Akademien geschickt hat, ist traurig... es hätte Eure Kindheit sicher einfacher gemacht." Ihr tiefes Atemholen erinnert an ein Seufzen. "Was die Leute nicht verstehen, das fürchten sie. Und was sie fürchten, das vertreiben sie." Wenn man genau hinhört, kann man bei diesen Worten ein Vibrieren in Arúens Stimme erahnen, dass darauf hinweist, dass sie diese Worte wohl nicht ausschließlich auf Iestin und seine Erfahrungen bezieht. "Aber alles in allem habt Ihr noch Glück gehabt, dass ihr jenen Magier getroffen habt und er Euch gelehrt hat. Andernfalls wäre es Euch vermutlich ergangen so wie vielen anderen, die mit Mana im Blut geboren werden, aber keine Ausbildung erhalten: Sie bringen sich entweder mit einem missglückten Zauber selber um, jemand anderes bringt sie um, weil ihre unkontrollierte Magie zur Gefahr wird, oder sie werden schlicht wahnsinnig. Wie jede Begabung kann auch Mana Segen oder Fluch sein... das kommt ganz auf die Sichtweise an."
Jetzt zeigt sich tatsächlich so etwas wie ein Lächeln auf dem bisher so unbewegten Gesicht der Elbin. Sie zumindest scheint die Tatsache, dass der Mann, den sie als Knecht eingestellt hat das ist, was landläufig als Hexer oder wilder Magier bezeichnet wird, nicht von vornherein als Fluch zu betrachten. Wie könnte sie auch, immerhin war sie so lange sie unter dem Fluch stand, der von ihrer Mutter auf sie gekommen war für ihre Umwelt eine größere Gefahr als ein unausgebildeter Magier wie Iestin es zu sein scheint. "Dafür, dass ihr nicht die übliche Ausbildung eines Magiers erhalten habt, habt ihr Eure Kräfte anscheinend gut zu kontrollieren gelernt. Aber... nach allem, was ich üb- ... Als was bezeichnet Ihr Euch selber, Nathanael?" unterbricht sie sich selber, "Als Hexer oder als wilden Magier?" Ihr Blick bei dieser Frage ist offen und ohne jedes Misstrauen oder Abwertung, die diesen Bezeichnungen so oft anhaftet. "Etwas möchte ich noch von Euch wissen, ehe ich eine Entscheidung treffen kann. Welchem Element gehört Eure Magie an? Vorhin im Garten habt ihr ein sehr helles Licht erzeugt, aber es schien mir kein Feuer zu sein. Oder? Und ich wüsste gerne, wie stark Eure Kräfte sind und wie gut ihr sie beherrscht, also ob es vorkommt, dass sie ungewollt freigesetzt werden. Solche Beinahe-Katastrophen, wie ihr sie erwähnt habt, passiert Euch das heute auch noch?" Sie wartet seine Antworten ab, um dann noch eine Frage nachzusetzen. "Eine letzte Frage von mir... und eine ehrliche Antwort von Euch: Wie schätzt Ihr Euch selber ein, Nathanael, stellt Eure Magie für dieses Haus und seine Bewohner eine Gefahr dar?"

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 19. Mai 2008, 22:09 Uhr
Die Zeit verstreicht und Nathan wird sich der erwartungsvollen Stille zwischen ihm und Arúen unangenehm bewusst. Erst eine halbe Ewigkeit später, zumindest kommt es Nathan so vor, erlöst die Elbin ihren recht missmutig dreinblickenden Gesprächspartner mit einem flüchtigen Lächeln und den Worten: <"Ja, das beantwortet meine Frage. Aber es wirft auch einige neue Fragen auf.">
Tja, das habe ich schon vermutet...denkt Nathan wenig begeistert und lauscht Arúens folgenden Worten, die bei ihm nur bodenlose Verwunderung hervorrufen. Ungläubig legt er den Kopf schief. Bitte was? Was sagt sie da? Er hat ja mit vielem gerechnet: Ablehnung, Verachtung meinetwegen auch Misstrauen, aber nicht mit Verständnis. Wer oder Was bei allen zwölf Göttern ist diese Frau, die bei einer Geschichte wie der seinen eher Anteilnahme zeigt, statt ihn in die Schublade „Vorsicht, wahnsinniger Hexer!“ zu stecken?
Kopfschüttelnd und mit einem ungläubigen Funkeln in den Augen registriert Nathan Arúens Lächeln. <"Dafür, dass ihr nicht die übliche Ausbildung eines Magiers erhalten habt, habt ihr Eure Kräfte anscheinend gut zu kontrollieren gelernt. Aber... nach allem, was ich üb- ... Als was bezeichnet Ihr Euch selber, Nathanael?">, unterbricht sie sich selber, <"Als Hexer oder als wilden Magier?"> In ihrem Gesicht spiegeln sich weder Misstrauen noch Abwertung als sie die geläufigen Bezeichnungen Hexer und wilder Magier benutzt.
„Als was ich mich selber bezeichne?“ wiederholt er perplex. Seine Stirn ist in Falten legt, als er nach den richtigen Worten auf ihre Frage sucht. „Es mir ist gleich, was andere in mir sehen oder meinen mich nennen zu müssen. Hexer, Hexenmeister, Chaosmagier, Beschwörer, Unglückswirker, Wilder Magier...das sind doch alles nur armselige Worte, erschaffen von Leuten, die in Menschen wie mir eine „GEFAHR“ sehen wollen. Ich bin was ich bin. Was andere denken interessiert mich nicht!“

<„Etwas möchte ich noch von Euch wissen, ehe ich eine Entscheidung treffen kann“>, setzt Arúen das Gespräch weiter fort. <„Welchem Element gehört Eure Magie an? Vorhin im Garten habt ihr ein sehr helles Licht erzeugt, aber es schien mir kein Feuer zu sein. Oder? Und ich wüsste gerne, wie stark Eure Kräfte sind und wie gut ihr sie beherrscht, also ob es vorkommt, dass sie ungewollt freigesetzt werden. Solche Beinahe-Katastrophen, wie ihr sie erwähnt habt, passiert Euch das heute auch noch?">
„Beinah-Katastrophen?“, lachend fährt sich Nathan durch das Haar und streicht sich ein paar Strähnen hinter das Ohr. „Nunja...mein letzter üblerer Patzer ist schon ein paar Jahre her und ehrlich gesagt, will ich darüber nicht groß reden. Aber eins kann ich euch gerne verraten. In all den Jahren, in denen ich mich nun schon mit meiner magischen Kraft herumschlage, habe ich gelernt, nicht nur mit ihr zu leben, sondern sie auch zu schätzen. Wisst ihr, es ist etwas anderes Magie in ein enges Korsett zu zwängen, sie kontrollieren und ihr den eignen Willen bis zum letzten Quäntchen aufzwingen zu wollen, oder …… ihr einfach Freiraum zu geben. Sie fließen zu lassen.
Die magische Energie über die ich verfügen kann, ist ein Teil von allem. Sie steckt in Euch, in mir, ja selbst in diesen Sesseln auf denen wir sitzen. Ich kann sie spüren, ich kann sie in gewisser Weise für mich nutzen, aber ich will sie nicht beherrschen!
Das ist der große Unterschied zwischen mir und einem gewöhnlichen Magier!“ Bei dem Wort Magier verdüstert sich sein Blick kurzzeitig.
„Seht her...“, er hebt seine rechte Hand und hält sie offen vor sich hin. „Ihr wollt wissen welchem Element ich mich verbunden fühle? Der Energie, die Essenz von allem und in allem. Ich könnte ihr jetzt befehlen, einen winzigen Lichtpunkt zu bilden, einen Punkt, der nur wenige Momente leuchtet und der pulsieren soll wie der Herzschlag meines Körpers. Oder.....ich befehle ihr einfach nur Licht zu sein. Ich nutze meine Mana und schenke der Magie die Freiheit ihre Form selber zu finden, sich selber zu entwickeln. Das ist meine Art des Zauberns!“
Im selben Moment erscheint eine kleine flackernde, blaue Lichtflamme, die unverkennbar derselben Natur entspringt wie das gleißende Licht, dessen Zeuge Arúen im Hain geworden ist. Nathan konzentriert sich. Seine Hand schließt sich wieder und sofort ist das Licht verschwunden.
„Ein „geschulter Magier“ würde natürlich sagen: Das ist Stümperhaft", fährt er weiter fort. „Das ist nicht das wahre Können eines Zauberers. Wisst Ihr was? Es ist mir verdammt noch mal egal! Ich will nicht gebieten! Ich will mir die Zauberkraft nicht Untertan machen. ICH sehe in meiner Magie ein Synergie zwischen geben und nehmen. Ich sehe in ihr Freiheit, die Freiheit die ich mir selbst wünsche.“
Nathans Wortwahl, sein blasses Gesicht, ja selbst seine Körperhaltung spiegeln eine Ernsthaftigkeit wieder, die sonst nur selten an ihn zu sehen ist.

<"Eine letzte Frage von mir... und eine ehrliche Antwort von Euch: Wie schätzt Ihr Euch selber ein, Nathanael, stellt Eure Magie für dieses Haus und seine Bewohner eine Gefahr dar?">
„Ihr stellt fragen, Lady Aruén…“, antwortet er, während er es sich wieder im Sessel bequem macht. Er überlegt ein wenig, reibt sich nachdenklich am Kinn. Schließlich stiehlt sich ein spitzbübisches Grinsen in sein Gesicht. „Nunja...Gerion ist eine Quasselstrippe, der ich nur zu gern den Mund stopfen würde und über Cassandra brauche ich nicht zu reden, oder? Eine verwundete Bärin, die ihre Jungen beschützen will, ist handzahmer als Eure erste Magd....und aus Euch selber kann ich auch nicht schlau werden. Hmmm,…eine Gefahr….“, mit einem Lächeln in den Mundwinkel schaut er schließlich auf und spricht weiter. „Ich gebe es nur ungern zu, aber ich habe Euer Haus und seine Bewohner langsam gern gewonnen. Zumindest zu gerne, um ihnen irgendetwas antun zu können.“
Aus seinen letzten Worten spricht weder Hohn, noch Lüge. Die schlichte Wahrheit, die ihn ihnen steckt, verwundert Nathan selbst. Dass verschmitzte Lächeln aus seinem Gesicht verschwindet und er wird wieder ernst. „Ich mache mir nichts vor, Lady Arúen. Ich werde nicht alt. Irgendwann wird die Energie in mir zu stark sein... zu stark, um sie zu kontrollieren und das wird mein Ende sein. So ist das....und so ist es auch gut so! Aber wenn es soweit sein sollte, werde ich ganz bestimmt nicht hier in eurem Haus sein. Das ist zumindest etwas, was ich Euch versprechen kann.“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 22. Mai 2008, 21:45 Uhr
Ihre Reaktion auf seine Erklärungen und seine Lebensgeschichte ist anscheinend nicht das, womit Nathanael gerechnet hat. Zumindest schließt Arúen das aus seiner so offensichtlichen Verwunderung. Und sie kann sich auch denken, womit er gerechnet haben muss. Misstrauen, Ablehnung und Verachtung wenn man Glück hat. Vertreibung und Schlimmeres, wenn man Pech hat. Manches davon kennt sie aus eigener Erfahrung. Der Unglaube steht dem jungen Mann offen ins Gesicht geschrieben, als er mit einem Kopfschütteln auf ihre Worte reagiert. Was wiederum Arúen lächeln lässt. Sie weiß, dass ihre Reaktion und ihre Handlungsweise durchaus ... ungewöhnlich... ist. Und ihre Frage danach, als was er sich selber bezeichnet, scheint ihn nun völlig aus dem Konzept zu bringen und er braucht eine Weile, ehe er die richtigen Worte gefunden hat. Das glaube ich Euch nicht, dass es Euch wirklich egal ist, was andere in Euch sehen und wie sie Euch nennen. Dazu reagiert Ihr viel zu heftig auf diese Frage. Aufmerksam ruht ihr Blick auf ihm, aber von ihren Gedanken ist ihr nichts anzusehen.

Die Frage der Elbin nach seinen Beinahe-Katastrophen lässt ihn auf eine Art und Weise reagieren, die sie nicht erwartet hat, und die ihn von einem Moment auf den anderen sehr jung, fast jungenhaft wirken lässt. "Das glaube ich, dass Ihr nicht darüber reden wollt... wer würde das schon wollen," nickt Arúen und folgt seinen weiteren Worten und Erklärungen dazu, wie er seine Magie erlebt und mit ihr lebt. Ja, da habt Ihr nicht unrecht, Nathanael. Man schlägt sich mit seiner Begabung herum, und es dauert, ehe man gelernt hat sie zu akzeptieren, mit ihr zu leben und sie einfach hinzunehmen und sein zu lassen. Und es wird mit der Zahl der Jahre nicht einfacher. Mit einem tonlosen Seufzen erinnert sie sich an all die Jahre, in denen sie mit ihren eigenen Kräften gerungen hatte, wie sie in ihnen nur den Fluch sehen konnte, aber nie ein Geschenk der Götter. Sie hatte sich wahrlich lange mit ihnen herumgeschlagen, ehe sie gelernt hatte, sie zu akzeptieren und zu schätzen. Der dunkle Schatten, der durch sein Gesicht huscht, als er das Wort 'Magier' ausspricht, lässt sie kurz wissend die Braue heben. Soso, es ist Euch also egal wie man Euch nennt, ja? "Ich denke, Euch nicht als Magier sondern als Hexer zu bezeichnen wird eher dem gerecht, was Euch an der Art wie Ihr Magie wirken lasst wichtig ist." Ihre ganze Körperhaltung hat sich unterdessen sichtlich entspannt. Sie ist noch immer aufmerksam, aber die Wachsamkeit ist deutlich in den Hintergrund getreten.

>Der Energie, die Essenz von allem und in allem.< Für einen Augenblick ist da der Gedanke, dass er vermutlich nicht einmal weiß, wie nahe er damit dem kommt, wie viele Priester die Macht der Zwölf wahrnehmen: Der Odem der Götter, er durchdringt alles, alles was war, alles was ist und alles was sein wird. Die kleine Vorführung, wie er seine Magie wirken lässt, ist trotz - oder gerade wegen - ihrer Schlichtheit beeindruckend. Die kleine flackernde Flamme verbreitet ein kaltes, klar abgegrenztes Licht, aber sie ist kalt, keine Wärme geht von ihr aus. Energie,... nicht Feuer. Was Arúen allerdings auffällt, ist, dass es ihn anscheinend mehr Konzentration kostet, die Flamme verschwinden zu lassen, als sie zu erschaffen.
>Ich will nicht gebieten! Ich will mir die Zauberkraft nicht Untertan machen. ICH sehe in meiner Magie ein Synergie zwischen geben und nehmen. Ich sehe in ihr Freiheit, die Freiheit die ich mir selbst wünsche.< In diesem Augenblick hat Arúen das Gefühl, als habe er zum ersten Mal für einige Herzschläge wirklich die Maske fallen lassen, die er sonst so sorgsam um sich und sein Geheimnis aufgebaut hat. Freiheit. Wer wünscht sich das nicht? Und für jeden ist sie etwas anderes. Für mich bedeutet Freiheit, den Fluch los zu sein. Was bedeutet sie für Euch. Nathanael? Euch und Eure Magie verbergen zu müssen und nicht offen sein zu können, was ihr nun einmal seid, ist vermutlich das Gefängnis, dem Ihr zu entkommen versucht. In diese und ähnliche Richtungen gehen ihre Gedanken, während sie ihn bei seinen Worten ansieht. Er spricht davon mit dem stillen Ernst, der immer dann da ist, wenn es um Dinge geht, die wirklich Wichtig sind, und von deren Richtigkeit man im tiefsten Herzen überzeugt ist. Man WEISS einfach, dass sie wahr sind, auch wenn man sie nicht beweisen, messen, zählen oder wiegen kann.

Aber schon mit ihrer nächsten Frage bringt sie ihn anscheinend wieder aus der Fassung, denn er muss überlegen und reibt sch nachdenklich das Kinn ehe er schließlich mit einem spitzbübischen Lächeln antwortet. >Ihr stellt fragen, Lady Aruén…< "Ja, tue ich," erwidert sie, um dann bei seiner Antwort aufzulachen. Und dieses Lachen erreicht auch ihre Augen und lässt silberne Funken darin aufschimmern. "Gerion ist noch jung... und neugierig. Er will alles, aber auch wirklich ALLES wissen. Ullmar behauptet immer, der erste ganze Satz seines Neffen sei 'Warum ist das so?' gewesen.... " Der Vergleich von Cassandra mit einer waidwunden Bärin lässt Arúen schmunzeln. Das ist ein Vergleich, den sie vermutlich sogar schmeichelhaft fände. "Cassandra ist... Sie hat tatsächlich das Herz einer Bärin, sie würde alles tun, um ihre Jungen zu beschützen und dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht. Vinyamar hier ist ihr Revier und wir alle sind ihre Jungen. IHR übrigens auch, Nathanael, ob es Euch nun gefällt oder nicht." Noch immer schimmert ein leises Lachen im Gesicht der Elbin. Es ist unübersehbar, dass sie ihrer Obersten Magd ein großes Maß an Sympathie entgegen bringt, dass sie vermutlich mehr darüber weiß, was aus Cassandra die Frau gemacht hat, die sie heute ist - und dass sie darüber Schweigen wahren würde. "Ihr werdet aus mir nicht schlau?" Ansatzlos wird Arúen ernst. "Ihr meint, weil ich Euch nicht aus dem Haus werfe? Euch nicht als verlogenen und wahnsinnigen Hexer verjage?" Für einen Moment ist es nun an ihr, nach den richtigen Worten zu suchen. "Vielleicht versteht Ihr es, wenn ich Euch sage, dass es Zeiten in meinem Leben gab, in denen ich selber nicht in der Lage war, die Kräfte in mir zu kontrollieren. Diese Zeiten sind vorbei, aber ich habe sie nicht vergessen. Ich kann also ziemlich gut nachvollziehen, wie es Euch mit Eurer Magie geht, und wie sich die Reaktionen Eurer Umwelt darauf auf Euer Leben ausgewirkt haben... Erinnert Ihr Euch noch an den ersten tag hier? Ich sagte Euch damals, dass die Götter es gut mit Euch gemeint haben müssen, als Sie Euch nach Vinyamar geführt haben."
Wer weiß, vielleicht wird er älter, als er heute denkt, eben WEIL er seine Magie nicht zu kontrollieren und zu zwingen versucht, weil er sie sich selber Form und Weg suchen lässt. Vielleicht braucht er einfach nur genügend Gelegenheit, die sich sammelnden Kräfte abzubauen, das Mana zu verbrauchen, das sich in seinem Blut sammelt.

Schließlich trifft Arúen ihre Entscheidung. "Ich nehme Euer Versprechen an, Nathanael. Ihr könnt bleiben, alles bleibt, wie es ist. Und bis auf Lord Teir werde ich keinem der anderen etwas von Eurer Begabung erzählen. Er allerdings muss es wissen, da er für die Sicherheit von mir und meiner Tochter verantwortlich ist." Wie und warum Arúens Sicherheit oder die ihrer Tochter in Frage stehen sollte, lässt sie offen, das tut nichts zur Sache, und ihrer Miene ist anzusehen, dass sie darüber kein Wort zu verlieren gedenkt. Im Stillen wägt sie bereits ab, ob sie vielleicht auch ihrem Vater oder vielmehr ihrem Bruder im nächsten Brief davon berichten sollte.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 26. Mai 2008, 21:54 Uhr
Nathan hat das Kinn auf seine Handfläche gestützt, während er Arúen beobachtet. Ihr Lachen zaubert ein silbernes Leuchten in ihre Augen. Als die Elbin erwähnt, das Cassandra alle Hausbewohner, unter anderem auch ihn, als ihre Jungen ansieht, kann sich Nathan ein Grinsen nicht verkneifen. So hat er es selber noch nie gesehen, aber Arúen hat vermutlich Recht mit ihrer Behauptung. Nun, wenn man das so betrachtet, wird die „Bärenmama“ mit ihrem wortkargen und eigensinnigen Nachwuchs noch viel Freude haben, denkt er sarkastisch in sich hinein lächelnd.
Arúens Bekenntnis, dass auch sie in früheren Zeiten ihre Kräfte nicht unter Kontrolle hatte, verwundert einmal mehr den „Hexer“. Ja natürlich, ihre Reaktion auf seine Lebensgeschichte ist ungewöhnlich, aber er wäre nie auf die Idee gekommen, dass die Hohepriesterin in ihrer Vergangenheit selber ähnliche Erfahrungen durchmachen musste wie er.
„Hmmmm….“, brummt er mit gerunzelter Stirn. „Ihr überraschst mich immer wieder!“
Einen kurzen Moment überlegt er, ob er Arúen nach den Jahren, in denen sie ihre Kräfte nicht bändigen konnte fragen soll, doch er entscheidet sich dagegen, auch wenn es ihn brennend interessiert, wie sie es geschafft hat, die Magie zu beherrschen und sogar eine Hohepriesterin des Anukis zu werden. Es ist sein verqueres Verständnis von der Höflichkeit, die Vergangenheit von anderen unangetastet zu lassen, gerade weil er selbst nur ungern über sich redet und am liebsten die Schatten der vergangenen Jahre im Dunkeln lässt.

<„Erinnert Ihr Euch noch an den ersten Tag hier?“>, reißt ihn Arúen aus seinen Gedanken. <“Ich sagte Euch damals, dass die Götter es gut mit Euch gemeint haben müssen, als Sie Euch nach Vinyamar geführt haben.">
„Ich habe mir früher wenig Gedanken über den Lauf meines Lebens oder auch meines „Schicksals“, wenn ihr es so nennen wollt, gemacht. Zu Leben und Überleben hat mich genug beschäftigt. Aber ihr habt recht…die letzten Zwölfmonde waren so verworren und verstrickt, dass es ein Wink der Götter gewesen sein muss, der mich in Euer Haus geführt hat. Ich…..“
Ein Moment der Stille legt sich über die beiden, während Nathans Kopf fieberhaft vor sich hin arbeitet.
Soll ich es ihr sagen oder nicht, murmelt er in Gedanken immer wieder hin und her. Die Erinnerung an Mandreds Tod und an die Brutalität seiner Verfolger beschleunigt seinen Entschluss. Nein! Der Stein und alles was damit zusammenhängt ist ganz allein sein Problem. Es ist schon damals ein Fehler gewesen, andere in seine Angelegenheiten hinein zu ziehen. Ein Fehler, den er nicht noch einmal begehen wird. Je weniger Arúen und die restlichen Hausbewohner wissen, um so sicherer sind sie. Auch wenn er sich nicht wohl bei dem Gedanken fühlt, der Elbin diese wichtige Information zu verheimlichen, ist es die einzige logische Konsequenz aus dem was er erlebt hat: Lass niemanden an dich ran, das ist das Beste für dich und die anderen!
„Ich weiß nicht wie lange ich bei Euch bleiben werde. Ich war selten für längere Zeit am selben Ort. Aber bevor ich wieder aufbrechen kann, muss ich mir erst noch klar werden, in welche Richtung mein zukünftiger Weg gehen soll.“
Und davon habe ich zur Zeit nicht einmal den kleinsten Schimmer!

Nathans Blick fällt durch die großen Fenster hinaus in den Garten, wo inzwischen die Nacht einem dämmrigen Morgen gewichen ist. Leise Vogelstimmen verkünden den neuen Tag, der wärmer und sonniger zu sein verspricht, als die letzten kalten und windigen Eisfrosttage.
<"Ich nehme Euer Versprechen an, Nathanael“>, verkündet schließlich Aruén zu Nathans Erleichterung ihre Entscheidung. <“Ihr könnt bleiben, alles bleibt, wie es ist. Und bis auf Lord Teir werde ich keinem der anderen etwas von Eurer Begabung erzählen. Er allerdings muss er es wissen, da er für die Sicherheit von mir und meiner Tochter verantwortlich ist.">
Sicherheit? Neugierig hebt er eine Augenbraue. Das erklärt ihr Verhalten bei ihrem gemeinsamem unfreiwilligen Zusammentreffen vorhin im Hain. Nathan erinnert sich an das komische Gefühl, dass er gehabt hat, als er der magisch bis an die Zähne bewaffneten Elbe gegenüber gestanden ist. Sie hat sich also bedroht gefühlt. Irgendetwas oder irgendwer scheint etwas gegen sie oder ihre Tochter im Schilde zu frühen. Interessant....
Aber auch diesmal entscheidet er sich zu schweigen, statt die Hausherrin nach der Ursache für die Gefahr zu fragen, die es nötig macht, einen Beschützer an ihrer Seite zu haben. Ganz nebenbei macht Aruén auch nicht den Eindruck, als würde sie ihm bereitwillig darüber Auskunft geben wollen. Ihr Gesicht ist wieder ernst und rätselhaft zugleich, wie zu Beginn ihres Gespräches. Das Teir von seinen magischen Kräfte erfahren soll, stört den magisch begabten Knecht nur wenig. Den Elb hat Nathan in den letzten Monden eher als stillen Zeitgenossen erlebt, so dass sein kleines Geheimnis bei ihm bestimmt ebenso gut aufgehoben ist wie bei Arúen.
„Erzählt es ihm, wenn ihr müsst, Lady Arúen. Für mich ändert es nichts.“ meint Nathan schulternzuckend.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 01. Juni 2008, 09:19 Uhr
Der Morgen kündigt sich bereits mit einem lavendelfarbenen Band am Horizont an, als Nathanael mit einem trockenen Zucken der Schulter erklärt, dass es ihm nichts ausmachen würde, wenn sie Teir über seine Begabung und seinen wahren Namen in Kenntnis setzt. . Iestin, korrigiert sie ihre eigenen Gedanken. Iestin heißt er für die anderen, vergiss das bloß nicht und sprich ihn womöglich falsch an, wenn jemand dabei ist... Arúen quittiert seine Antwort mit einem stummen Nicken. Es ist soweit alles gesagt, was gesagt werden wollte und musste. Er hat sich ihr (notgedrungen) mit seinem wahren Namen und seiner arkanen Begabung erklärt, und sie glaubt ihm, was die Tatsache angeht, dass er Vinyamar und seinen Bewohnern nicht vorsätzlich Schaden zufügen würde und dass er soweit er es heute weiß, seine Kräfte dahingehend beherrscht, dass sie nicht ungewollt und unkontrolliert ausbrechen. Oder dass er es zumindest so rechtzeitig im Vorwege spürt, dass er sich soweit von anderen entfernen kann, dass er sie nicht gefährdet. Sie hofft, dass das auch so bleiben wird, wenigstens so lange, wie er hier auf Vinyamar oder in Talyra bleibt.

Der Blick der Elbin wandert kurz zu den Fenstern, wo das langsam aber sicher das erste Morgenlicht durch die Fensterläden zu sickern beginnt und blasse Linienmuster auf den Boden zu malen beginnt. "Es ist spät geworden, Iestin," sie wechselt ganz bewusst wieder zurück zu dem Namen, den er für seine Anwesenheit hier gewählt hat, "oder früh, je nachdem wie man es sehen will. Ich denke, wir sollten sehen, dass wir in unsere Zimmer zurückkommen. Wenn wir Glück haben, bleiben uns noch ein paar Minuten für einen kurzen Schlaf, ehe uns das Tagwerk wieder aus den Betten holt." Sie erhebt sich aus ihrem Sessel und entlässt ihn mit einem nicht unfreundlichen Nicken, ehe sie sich noch einmal kurz dem Feuer im Kamin zuwendet. Ganz abdecken, wie sonst zur Nacht wird sie es nicht, dazu sind die Stunden zu weit vorgeschritten, das tägliche Leben würde in weniger als einer Stunde auf dem Ulmenanwesen ohnehin erwachen. So zieht sie die Scheite nur auseinander und deckt sie ein wenig mit der Asche zu, damit das offene Feuer keine Gefahr für das Haus werden kann, sich aber nachher schnell wieder voll entfachen lässt.

Als sie das Kaminzimmer verlässt und über die Treppe zurück nach oben in ihre eigenen Gemächer geht, ist es im ganzen Haus noch ruhig und friedlich. Nun ja, zumindest so lange, bis sie die Tür zu ihrem Zimmer öffnet. Rialinn ist ganz offensichtlich unterdessen aufgewacht und aus ihrem eigenen Bett in das ihrer Mutter umgezogen. Auris und Nevis, die ansonsten die Nacht meist auf dem Vorleger im Zimmer der Kleinen verbringen, sind folglich auch umgezogen und liegen nun zufrieden dösend, aber mit den sacht zuckenden Ohren offensichtlich aufmerksam bei dem Elbenkind auf dem Fell vor dem Kamin in Arúens Zimmer. "Mama war weg," klingt es ihr mit der ganzen kindlichen Empörung von fast vier Jahresläufen entgegen. "Ja, min Lora, Mama war noch mal weg," sie setzt sich zu ihrer Tochter auf das Bett. Den Gedanken an etwas Schlaf vor dem eigentlichen Aufstehen kann sie nun wohl abschreiben. "Aber ich war nicht weit weg, nur unten in der Küche." Sie streicht Rialinn die schlafwirren Haare aus dem Gesicht, während die Kleine auf ihren Schoß klettert und sich in ihre Arme kuschelt. "Wieso bist du denn schon wach? Es ist doch noch ganz früh. Oder hast Du tut der neue Zahn wieder weh?" Besorgt sieht sie ihre Tochter an, die sich schon seit einigen Tagen mit einem neuen Zahn plagt. "Nein, tut nicht mehr weh. Aber ich hab Durst, und mein Becher war weg, und Mama auch." "Ach min Arzaen, stimmt, deinen Becher haben wir gestern Abend vergessen." Im Stillen ist Arúen froh, dass Rialinn sich bloß in ihr Bett verkrümelt hat, anstatt selber zu versuchen an den großen Krug auf der Anrichte zu kommen, um sich dann etwas in einen von Arúens Bechern zu füllen. Das wäre vermutlich eine schöne Überschwemmung geworden. "Na dann komm mal mit, dann wollen wir mal ganz schnell was gegen deinen Durst tun. Hm?" Ihre Tochter auf dem Arm verlässt sie das Bett also wieder, setzt sie sich seitlich auf die Hüfte, damit sie eine Hand frei hat und füllt ein wenig Wasser in einen Becher. Die Kleine hat tatsächlich großen Durst, denn der ganze Becher ist ruckzuck leer und muss noch einmal nachgefüllt werden, ehe das Kind seine Mutter zufrieden und ein wenig müde anlächelt. "Und jetzt? Was hältst du davon, wenn wir uns noch ein wenig hinlegen, ehe Cassandra uns wecken kommt?" "Mmmhmmm," nuschelt es zustimmen, um dann nachzuschieben, "darf ich in Mamas Bett?" In der Hoffnung, dann schneller zu ein wenig Ruhe zu kommen, stimmt Arúen erheblich schneller zu als sonst, wenn ihre Tochter mit in ihrem bett schlafen will, und was sie für das Kind nicht zur Gewohnheit werden lassen will. "Also gut, ausnahmsweise darfst du mit in mein Bett." Es dauert nicht lange, bis die beiden schwarzhaarigen Elbinnen unter den Decken verschwunden sind und sich friedliche Stille im Zimmer ausbreitet.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 04. Juni 2008, 19:17 Uhr
Vinyamar im Grünglanz



„Bist du soweit, Iestin?“ fragt Gerion über beide Wangen strahlend. Fertig angekleidet und mit einem leeren Sack aus Bast über die Schultern geworfen, steht der junge Knecht vor der halb geöffneten Gesindetür der Küche. Seine Augen leuchten und die mit vielen Sommersprossen verzierte Nase ist vor Ungeduld in Falten gelegt „Kommst du?“ drängt er erneut. Unruhig verlagert er sein Körpergewicht mal auf das rechte, mal auf das linke Bein.
„Ja...ja“, erwidert der Angesprochene träge. „Der Marktplatz läuft uns schon nicht weg und die „Kleine“ vom Filzerstand mit der prächtigen Oberweite wird den ganzen Tag über ihre Waren anbieten. Du wirst sie schon noch zu Gesicht bekommen.“ Ein spitzbübisches Grinsen stiehlt sich in Nathans Gesicht, als unverkennbar Gerions Gesichtsfarbe in Richtung Tomatenrot wechselt.
„Hab ich’s mir doch gedacht, dass der Grund für deine Eile, an der „imposanten Auslage“ der einen oder andern Marktfrau liegt.“
„ Ach…das stimmt so gar nicht“, behauptet Gerion etwas weniger enthusiastisch. Seine roten Wangen zeugen allerdings von dem genauen Gegenteil. „Bist du endlich so weit? Sonst ist vor Kummeders Stand wieder so viel los..und..wir..wir haben noch viel zu erledigen.“
Nathan brummt so etwas Ähnliches wie: “Ich bin ja schon fertig!“ Dann schnappt er sich, begleitet von einem herzhaften Gähnen einen der Säcke, die auf dem Küchentisch liegen und folgt dem jungen Knecht in den Garten.

Ein schöner frühsommerlicher Tag erwartet die beiden Bediensteten außerhalb des Hauses. Die Sonne hat in den letzten Siebentagen an Kraft gewonnen und die Außenanlagen Vinyamars samt seinen Gemüse- und Blütenbeeten in ein buntes Meer an Farben und Formen sowie in eine unversiegbare Quelle an Arbeit verwandelt. Nuala macht sich gerade daran Salat und frische Kräuter zu ernten, als sie Gerion und Nathan vor der Gesindetür entdeckt und ihnen zum Abschied zuwinkt.
„Bis später!“ ruft Gerion ihr hastig zu und stürmt mit weit ausladenden Schritten den Kiesweg entlang. Er ist wirklich nicht zu bremsen, denkt Nathan schmunzelnd. Schließlich hebt auch er kurz zum Abschied die Hand und folgt dem Jungen, allerdings sichtlich weniger dynamisch, in Richtung Pforte.
Gerions Vorfreude, das Ulmenanwesen einmal wieder zu verlassen und Besorgungen in der Stadt zu erledigen, kann Nathan nur bedingt teilen. Die Straßen und besonders der Marktplatz Talyras gehören nicht gerade zu seinen Lieblingsorten: zu laut, zu eng, zu dicht gedrängt und schlicht und einfach zu viele Leute treiben sich für seinen Geschmack dort herum. Darüber hinaus ist er heute hundemüde. Die letzte Nacht war kurz und anstrengend gewesen, wie immer wenn sich Arúen die Zeit nimmt, ihr fast grenzenloses Wissen über Magie mit ihm zu teilen. Sie ist eine strenge, aber auch gute Lehrmeisterin, die seine Fähigkeiten sich auf seine Magie und den steten Fluss der Energie zu konzentrieren, in den vergangenen Monden auf erstaunliche Art und Weise erweitert hat.
Kopfschüttelnd erinnert er sich an den Abend Ende Eisfrost, an dem sie ihm völlig überraschend den Vorschlag unterbreitete, ihn zu unterrichten. Hätte man ihm noch vor ein paar Monden erzählt, dass er in einem elbischen Haushalt den Diener spielt und ganz nebenbei von der Hausherrin, die zufälligerweise eine Hohepriesterin mit einem Faible für eigenbrötlerische Hexer ist, im Umgang mit Meditation und Konzentration geschult wird, hätte er denjenigen wohl ohne lang zu Fragen den Hals umgedreht.
So richtig kann er sich immer noch nicht erklären, was ihn damals geritten hat, ihren sonderbaren Vorschlag anzunehmen. Denn seine erste, intuitive Reaktion auf die ihm angebotene Hilfe, war harsche Zurückweisung gewesen. Warum sollte er sich von einer Priesterin unterweisen lassen? Er war Jahre lang mit seinen Kräften zurechtgekommen und zwar allein! Er brauchte niemand, der ihm sagte wie man sich sammelt, seine Gedanken auf sein Innerstes fokussiert und nicht die Kontrolle verliert. Nathan und eine neue Lehrmeisterin. Gerade zu Lachhaft! Sein Stolz erteilte Arúen eine schroffe Abfuhr.
Doch der Gedanke an ihr Angebot ließ ihn nicht mehr los. Vielleicht lag es an ihrer freundlichen Art, an der sich trotz seiner ruppigen Ablehnung nichts änderte oder einfach an der Erkenntnis, dass wenn er sich nicht ewig hinter den dicken Mauern Vinyamars verstecken wollte, seine Kräfte brauchen würde. Denn ob er wollte oder nicht, irgendwann würde der Zeitpunkt kommen, sich diesen Malsebior-Schweinen zu stellen und dann waren seine Zauberkräfte sein einziger Weg zum unwahrscheinlichen Sieg und die einzige Möglichkeit für Rache! Für dieses Ziel war es Nathan wert, seinen Stolz für ein paar Abende zu unterdrücken und sich von Arúen helfen zu lassen.

Müde reibt er sich die Schläfen. Es plagen ihn stechende Kopfschmerzen, die wohl erst im Laufe des Tages verschwinden würden. Sie sind ein untrügliches Zeichen, dass er gestern wieder zu viel auf einmal wollte. Arúen warnt ihn jedes Mal nicht zu übertreiben, sich seine Kräfte einzuteilen und Maß zu halten. Aber das ist nicht seine Art. Genauso direkt wie die Wahl seiner Worte, ist auch sein Umgang mit Magie. Er ist niemand, der sich zurück hält oder nur 60% Prozent gibt, wo man auch 120% geben könnte. So lange der Preis nur aus ein paar Kopfschmerzen besteht, ist er gerne bereit ihn zu bezahlen.
Die Morgensonne, die sich über die die Kronenspitzen des kleinen Hains schiebt, blendet ihn. Wie schmale Dolchklingen bohren sich die Strahlen durch seine Augen und verursachen einen pochenden Schmerz hinter seinen Liedern.
„Verdammt“, flucht er leise. Der Gedanke an die überfüllten Straßen Talyras, erscheint ihm immer weniger verlockend. Doch Gerion ist unerbittlicher als ein Sklaventreiber. Schon hat der junge Knecht die Pforte erreicht, wo er ungeduldig im Schatten der großen Ulmen auf seinen Weggefährten wartet. War ich früher auch so voller Tatdrang wie dieser junge Kerl? Nein, ganz sicher nicht. Auf jeden Fall kann ich mich nicht daran erinnern!
Die Augen zu schlitzen verengt beeilt Nathan sich, den Abstand zwischen sich und Gerion zu verringern.


--> Marktplatz von Talyra

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 23. Aug. 2008, 15:22 Uhr
~Vom Grünglanz bis in den Beerenreif~



Die Tage und Wochen vergehen auf Vinyamar im gleichmäßigen Rhythmus der Arbeiten in Haus und Garten und auf den Feldern, die dem Lauf der Jahreszeiten und Amitaris Krone folgen. Dem Grünglanz folgen Goldschein und Sonnenthron auf dem Fuß und der bringt mit sich die glühendheißen Hundstage und den Auftakt der Erntearbeiten auf den Feldern vor der Stadt. Den Anfang im Garten machen Erdbeeren und Frühkirschen, und was nicht sofort auf dem Tisch oder in Cassandras Rumtopfansatz landet, wird zu Marmelade gekocht, zu Saft und Most verarbeitet oder gedörrt. Blaubeeren, Johannisbeeren und Himbeeren folgen ohne Pause, und der Ofen in der Küche beginnt nach endlosen Tagen des Einkochens fast zu glühen. Auf Vinyamar herrscht in diesen Monden rege Geschäftigkeit, von Sonnenaufgang an und oft bis tief in die Nacht - so wie auf jedem Hof, Gut oder Landsitz zu dieser Zeit des Jahres.
Obst, Gemüse, Kräuter, Pilze, die Keller unter dem Ulmenanwesen füllen sich langsam aber stetig mit süßen und pikanten Marmeladen, Würzpasten, Musen, Gelee, Trockenfrüchten und Dörrgemüse, Flaschen und Amphoren mit Saft, mit Töpfen, Tiegeln und Krügen voller Eingekochtem und Eingemachtem. In den Sparren des Dachbodens hängen zahlreiche Kräuterbündel zum trocknen, ehe Arúen Blätter, Blüten oder Samen in kleine Beuteln oder Tiegeln in den Regalen auf dem Kräuterboden hoch oben unter dem Dach sortiert. Aber sie setzen nicht nur Kräuter und Gewürze in Öl und Essig an, als die Himbeeren reif sind, finden auch von ihnen einige den Weg in Flaschen mit Essig. Und jedes einzelne Vorratsgefäß wird ordentlich verschlossen, mit Wachs versiegelt und feinsäuberlich beschriftet.

In der Hitze des Sommers folgt der Beerenreif, und mit ihm die Getreideernte. Dieser Zwölfmond hat fast ein Übermaß an Sonne gebracht, das Getreide reift früh und golden. Die Fuder der ersten Heumahd sind längst eingebracht, und ob es in diesem Jahreslauf, bei dieser Hitze und dem fehlenden Regen eine zweite geben wird, und wie sie ausfallen wird, so es denn eine gibt, wagt niemand auf Vinyamar vorauszusagen - nicht einmal Ullmar, der sonst mit seinen Ernteprognosen stets ein gutes Händchen hat. Außer Cassandra findet man in diesen Zeiten tagsüber jedoch ohnehin selten jemanden auf dem Ulmenanwesen. Die Oberste Magd ist mit dem tagtäglichen Dörren und Einmachen von Obst und Gemüse beschäftigt. Alle anderen, Mägde wie Knechte und sogar Natie mit ihren zehn Jahresläufen sind draußen auf den Feldern vor der Stadt. Es ist die Zeit der Getreideernte, da wird jede Hand gebraucht: Zum Mähen, zum Halten und Binden der Garben. Zwei Tagelöhner hat Arúen für diese Zeit als Schnitter in Dienst genommen, und selbst Teir lässt sich von Ullmar in die Geheimnisse von Sense, Reff und Dengeln einweisen. Die Gerste macht den Anfang, ihr folgt der Hafer für die Pferde und dann schließlich auch Roggen und Weizen. Strich um Strich arbeiten sich die Schnitter über die Felder, und Garbe um Garbe wird von den Mägden gebunden und zu Hocken aufgestellt. Der Beerenreif hat seine Mitte erreicht, als das Korn eingebracht ist und Ullmar das Fuhrwerk mit Knechten und Mägden zurück gen Talyra lenkt. Und wie stets haben sie auf jedem der Felder die letzten Garben für Arme und Mittellose zurückgelassen.
Aber nicht, dass das heißen würde, dass es nun keine Arbeit mehr auf Vinyamar gäbe, mitnichten. Die ersten Äpfel, Birnen und Pflaumen sind reif und müssen geerntet, verarbeitet und eingelagert werden. Und bis auch die Nüsse reifen und darauf warten, dass ihnen ihr Teil an Aufmerksamkeit zukommt, ist es nicht mehr lange hin. Aber nicht bei allen Früchten von Feld und Garten steht es zum Besten. Der fehlende Regen, um den viele schon seit Monden beten, und der sie jeden Tag aufs Neue vergeblich nach Wolken Ausschau halten lässt, gefährdet die Ernten von Kartoffeln, Mais und Feuermelonen.

Arúen selber wird in diesen Siebentagen und Monden mehr im Dienst ihrer Göttin gefordert als je zuvor seit ihrer Berufung. Niniane hatte im Grünglanzmond den Rat der Priester darüber informiert, dass es sich bei dem umgehenden Frauenmörder, jenem dem auch Muriel zum Opfer fiel, um einen Diener des namenlosen Dreizehnten handelt, einen Dunklen wenn nicht gar um einen Finsteren, einen hochrangigen Nekromanten, der obendrein noch über ein Artefakt verfügt, dass ihn und sein Wirken selbst vor jemandem wie Niniane verbirgt. Nicht gerade Informationen, die dazu angetan sind, die Priesterschaft zu beruhigen. Noch am selben Tag beginnen die hochrangigen Priester zusammen mit den Mächtigen unter den in Talyra lebenden arkanen Magiern damit, das magische Gewirr in und um die Weltenstadt abzuschirmen und jedes Reisen in ihm unmöglich zu machen. Ein Unterfangen, das nicht geringe Kraft und Zeit bindet, und das Tag um Tag, Nacht um Nacht. Und mit jedem Sonnenaufgang werden die Gebete lauter, mit denen die Hilfe der Götter erbeten wird, damit der Mörder endlich gefasst wird.

Es ist ein Morgen im Beerenreif, Arúen kehrt mit der Morgendämmerung nach Vinyamar zurück. Alleine - was ihr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen der in den letzten Siebentagen so häufig vorkommenden zornigen Vorwürfe Teirs bescheren wird. Gut, zugegeben, sie ist daran alles andere als unschuldig, da sie sich wiederholt ohne seinen Geleitschutz auf den Weg vom Tempel nach hause gemacht hat. So wie heute. Dass sie sich dabei stets und immer in starke Schutzzauber hüllt, nimmt der junge Ritter zwar zur Kenntnis, es ist aber für ihn kein ausreichender Ersatz für bewaffneten Geleitschutz seinerseits. Arúen weiß, dass das nicht unbedingt vernünftig von ihr ist. Sie weiß auch, dass seine Befürchtung nicht völlig von der Hand zu weisen ist, dass sich Khelenars Gefolgsmann diese Mordserie zu Nutzen machen könnte, falls er noch in der Stadt ist. Aber neben den alltäglichen Aufgaben als Priesterin, ihrem Anteil an der Blockade des magischen Gewirrs, dem Führen eines Haushaltes wie Vinyamar und der Zeit die an jedem Tag ganz alleine ihrer Tochter Rialinn gehört, bleibt ihr schon seit Monden bis auf die wenigen Stunden der Ruhetrance keine Zeit mehr für sich selber. Sie braucht diese wenigen Augenblicke der Ruhe und des Alleinseins mit sich und ihren Gedanken so dringend wie die Luft zum Atmen. Und die stets daraus resultierende Vorwürfe Teirs nimmt sie als kleinen Preis dafür in Kauf.
Die Elbin lenkt ihr Pferd im langen Schritt um das Haus herum und weiter hinunter zu den Ställen. Müde und in Gedanken versunken hat sie für Gerion, der ihr noch ein wenig verschlafen entgegen kommt nur ein Nicken über, als er ihr Shur abnimmt. Schweigend führt ihr Weg sie über den hellen Kiesweg hoch zum Haus. Arúen ist müde, entsetzlich müde. Seufzend lässt den Kopf kreisen um die verspannten Muskeln in ihrem Nacken zu lockern. Leider Vergeblich. Der Gedanke an Rialinn, die sie wie jeden Morgen begeistert begrüßen wird, zaubert ein Lächeln in das eben noch so angespannte Gesicht der Elbin, das ein silbernes Funkeln in die müden grünen Augen zaubert. Nur leider hält sich weder das eine noch das andere sonderlich lange in ihrem Gesicht, als sie die regen Stimmen hinter der Küchenpforte hört. Es ist die Zeit des Morgenmahls, sämtliche Angehörigen ihres Haushaltes würden in der Küche am Tisch versammelt sein. Also dann... Mit einem tiefen Atemholen strafft sie sich und betritt die Küche des Ulmenanwesens.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 27. Aug. 2008, 16:32 Uhr
Grünglanz bis Beerenreif


Siebentage kommen und gehen, die Sonnenstunden werden länger, die Nächte immer kürzer und schließlich erhält der Hochsommer Einzug in Talyra. Dachte Nathan, dass die wertvollen Stunden, die er für sich alleine und abgeschieden von den anderen Hausbewohnern verbringen konnte, schon spärlich gesät waren, so muss er nun die Erfahrung machen, dass der Hochsommer mit all seinen Erntearbeiten auf Feldern, Wiesen und Gärten die Zeit verschlingt, wie ein ausgehungerter Straßenköter.
Tag und Nacht vergehen in einem endlosen Zyklus aus kurzem Schlaf, Essen und der täglichen Arbeit auf Vinyamar. Dieser strenge Lebensrhythmus, den die Natur all jenen vorgibt, die mit aber auch von ihr Leben wollen, bestimmt nun auch den Tagesablauf des Hexers, ob er will oder nicht. So reduzieren sich fast nebenbei und doch unvermeidlich seine sowieso schon dünn gesäten Besuche in der Stadt und der Goldenen Harfe. Auch seine nächtlichen Wanderungen durch das Anwesen und die Stunden der völligen Zurückgezogenheit im Hain werden immer seltener. Meist fällt er, wenn er weit nach Mitternacht seine Kammer betritt, wie ein Stein ins Bett, unfähig auch nur noch einen Arm zu heben und viel zu müde, um auch nur einen Gedanken an den grünen Stein, die Malsebior oder an sonst etwas zu verschwenden. Seinen kurzen Besuch im Haus der Bücher vor ein paar Monden hat er schon fast vergessen. Andere, handfestere Dinge wie das Schneiden von Weizen und Gerste, das Wenden von frisch geschnittenem Heu und die Ernte von Obst und Gemüse bestimmen nun sein Handeln und sein Denken. Und statt von vollbusigen und meist spärlich gekleideten Weibern zu träumen oder von dem berauschenden Gefühl der Macht, wenn ihn die Kraft seiner Magie durchfließt, beherrschen nun Sichel und Sense seine nächtlichen Phantasien. Ein ziemlich armseliger Zustand, wie Nathan selbst findet.

Doch nicht nur Vinyamars Gesinde arbeitet die Sommertage über ohne Unterlass, auch Arúen ist kaum noch zuhause anzutreffen. Ihr Priesteramt scheint sie mehr den je zu fordern. Kein Wunder, wo noch immer die längst überfällige Aufklärung der Mordserie auf sich warten lässt und die angespannte Stimmung in der Stadt durch ein neues Opfer im Grünglanz weiter angeheizt wird. Kein gutes Bild was da die Oberbefehlshaber der Steinfaust abgeben, aber Nathan ist es gleich. Sein Interesse für die Belange der Stadt hält sich selbst nach den vielen Monden, die er nun schon in Talyra lebt, in Grenzen.
Viel mehr beschäftigt ihn, dass sowohl Arúenn, als auch er durch die viele Arbeit auf den Ländereien kaum mehr Zeit für ihre gemeinsamen Stunden der Schulung seiner magischen Fähigkeiten finden. So wenig er sich am Anfang dafür begeistern konnte, so sehr hat er nun den Unterricht zu schätzen gelernt. Doch er würde sich eher die Zunge abbeißen, als Arúen drauf anzusprechen und sie darum zu bitten, ihre selten freien Abende auf Vinyamar mit ihm zu verbringen. Ganz abgesehen davon, dass er sich selbst nach einem langen Arbeitstag alles andere als munter und kräftig genug fühlt, sich seiner wachsenden Magie zu stellen.
Bisher hat er Dank seines Könnens und des neu dazugewonnenen Wissens die Magie in ihm immer unter Kontrolle halten können. Doch es gibt Tage an denen er förmlich spürt wie die Energie ihn durchströmt und es in ihm brodelt und kocht wie in einem Suppenkessel. Es sind meist Tage an denen Nathan mit tiefen Schatten unter den Augen aufwacht und ihm jeder Handgriff unendlich anstrengend erscheint. Es sind Tage an dem ihm selbst das gemeinsame Morgenmahl in der Küche beengt und er froh ist, wenn er keinen der Bewohner des Haushaltes zu Gesicht bekommen muss. Zum Glück sind dies Momente der düsteren Stimmung und des Frustes nur kurz und enden meist ohne größeren Schaden an Haus, Hof und Bewohnern angerichtet zu haben. Die Angehörigen Vinyamars haben Nathans Eigenarten und sein oft seltsam und abweisend anmutendes Verhalten zu akzeptieren gelernt, genauso wie er sich langsam, fast widerwillig auf das Zusammenleben mit der großen „Familie“ eingelassen hat. Immer öfter erwischt er sich dabei, wie er sich gemütlich am Küchentisch zurücklehnt und das beschauliche, häufig auch fröhliche Treiben um sich herum genießt. Dann ist ihm das Zusammensein mit Ullmar, Gerion und den anderen keine Last, sondern ein Teil seines Alltags, ja vielleicht seines Lebens und er kann sogar Gerions Witze statt mit einem genervten Grunzen mit einem herzlichen und lauten Lachen quittieren.

Der Sommer brachte außerdem noch eine weitere Veränderung mit sich. Anfang Goldschein wurde es Nathan irgendwann zu dumm, seinen störrischen Sitechraben Rix vor dem Haushalt versteckt zu halten. Mal ganz abgesehen davon, dass Rix ohnehin durch ihr hartnäckiges Geklopfe an Nathans Fenster zu sämtlichen Tag und Nachtzeiten die Aufmerksamkeit Vinyamars auf sich gelenkt hat und den meisten Bewohnern sehr bald klar war, dass das schwarze Vogelvieh zu Nathan gehören muss. Zu Rix großer Zufriedenheit darf sie seitdem ihren Lieblingsplatz, nämlich auf Nathans linker Schulter, wieder einnehmen, den sie nur zum Schlafen gehen, beim Essen oder für ihre Erkundungsflüge für ein paar Minuten aufgibt. Zwischen Gerion, der ohnehin einen guten Draht zu Tieren hat, hat sich nach ein paar Tagen des gegenseitigen Beschnupperns eine innige Freundschaft entwickelt und Rixs freches Mundwerk und ihre erstaunliche Begabung genau die richtigen Sätze zu plappern, sorgt regelmäßig für die eine oder andere Belustigung am Küchentisch.
Auf Cassandras Frage warum er den Vogel nicht von Anfang an mit ins Haus gebracht habe, kann Nathan nur mit einem Schulterzucken antworten. Wie soll er ihr begreifbar machen, dass er in Sorge war, Rix könnte es seinen Verfolgern erleichtern ihn in Talyra aufzuspüren. Ganz abgesehen davon, dass er ihr nichts über die Malsebior erzählen will, kommt ihm die Begründung nach all den ruhigen Monden hier auf Vinyamar selber sehr weit hergeholt vor. Denn noch immer gibt es keine Anzeichen dafür, dass sie ihm wirklich immer noch auf den Fersen sind. Wahrscheinlich haben sie schon weit vor Talyra seine Spur verloren.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Teir am 28. Aug. 2008, 20:10 Uhr
Der Morgen ist noch jung; viel zu jung für Teirs Geschmack; als sich der gesamte Haushalt des Ulmenanwesens zum Frühstück in der Küche versammelt. Naja, fast der ganze Haushalt. Shura Arúen hatte die Nacht wie so oft im Tempel verbracht, um dort an der Abschirmung des magischen Gewirrs mitzuwirken und war offensichtlich noch nicht zurück gekehrt. Sie wird wieder allein nach Hause gehen. Er weiß nicht genau, wie oft sie sich in den letzten Siebentagen deswegen gestritten hatten und für einen Moment ist er versucht, ihre Anweisung bei Rialinn und im Haus zu bleiben zu missachten, um ihr entgegen zu gehen. Wenigstens hat sie die Hunde mitgenommen.
Er setzt sich mit einem leisen Seufzen an den Küchentisch und nickt Nuala dankend zu, als sie eine Schale mit Honig gesüßtem Gerstenbrei vor ihn auf den Tisch stellt. Als schließlich alle sitzen, murmelt Cassandra ein kurzes Dankgebet und sie beginnen mit einem ungewöhnlich stillen Morgenmahl. Der Mörder Muriels ist noch immer nicht gefasst und immer wieder lastet diese Tatsache auf den Gemütern der Bewohner Vinyamars. Die Ermittler, die der Lord Commander ausgeschickt hat, müssen doch bald einmal vernünftige Ergebnisse vorweisen können. Wann immer Teir die Mägde des Anwesens auf den Marktplatz begleitet, eine Aufgabe die er sich seit Muriels Verschwinden mit Ullmar, Iestin und Gerion teilt, hört er die neuesten Gerüchte über die Fortschritte der mehr als ungewöhnlichen Ermittlertruppe. Beim Gedanken an den Zwischenfall mit dem verfluchten Buch, eine Geschichte die sich wie der Wind unter den Tratschweibern des Marktplatzes verbreitet hatte, wandert sein Blick wieder einmal nachdenklich zu Iestin hinüber. Seit Arúen ihm von der magischen Begabung ihres neuen Knechtes erzählt hatte, ertappt er sich immer wieder dabei, den Mann aufmerksam zu beobachten. Und wie jedes Mal, wenn er sich bei solchen Gedanken erwischt, schilt er sich auch an diesem frühen Morgen einen Narren; Iestin oder Nathan hatte sich in den Monden die er jetzt schon auf Vinyamar lebt und arbeitet nichts zuschulden kommen lassen und sich sogar recht gut eingelebt. Was aber auch gar nicht so schwer war, schätze ich. Die letzten Monde waren ganz von den sommerlichen Arbeiten auf dem Feld und den Gärten bestimmt gewesen und selbst Teir hatte alle Hände voll zu tun bekommen. Und mehr über Erntearbeiten gelernt, als ich je wissen wollte. Ullmar hatte dem jungen Ritter am ersten Tag der ersten Heumahd wie im letzten Jahr eine Sense in die Hand gedrückt und dem Elben war nichts weiter übrig geblieben als sich in den langsamen Rhytmus der anderen Männer einzufügen. Und trotz des schmerzenden Rückens, den protestierenden Schultern und den rasch ermüdeten Armen hatte er diese einfache Arbeit unter freiem Himmel genossen.
Teir wirft Gerion, der an diesem Morgen offensichtlich mit einem gemeinen Muskelkater zu kämpfen hat, ein schiefes Grinsen zu, als Arúen gerade die Küche durch die Gesindetür betritt. Er hatte sich erst vor wenigen Tagen von dem jungen Stallknecht dazu überreden lassen, ihm die Grundzüge des Speerkampfes beizubringen. >Dann bin ich nicht so nutzlos, wenn ich die Mädchen zum Markt begleite.< Also hatten sie sich jeden Abend, nachdem die täglichen Arbeiten erledigt waren, mit den zwei Übungsstecken in den hinteren Teil des großen Gartens zurück gezogen und er hatte dem Jungen nichts geschenkt. Es hätte auch keinen Sinn ihn zu schonen. Wenn er zu einer Waffe greift, sollte er sie so gut es geht beherrschen.
Cassandra stellt ihrer Herrin nach einer kurzen Begrüßung einen Becher mit heißem, süßen Tee vor die Nase und setzt sich dann ebenfalls wieder an den Tisch, wo sie dann auch gleich damit beginnt, die Arbeiten für den heutigen Tag zu verteilen. Zufrieden lehnt Teir sich auf seinem Stuhl zurück; ihn erwartet heute nur ein kurzer Vormittag und dann ein freier Nachmittag, den er in der Stadt zu verbringen gedenkt.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 31. Aug. 2008, 20:10 Uhr
Es gibt manchmal Tage, an denen man mit dem einem widerlichen Geschmack auf der Zunge und mit der Erinnerung an einen verwirrenden Traum erwacht. Tage an denen, man schon mit dem Beginn des ersten Augenaufschlags ganz genau weiß: steh nicht auf, bleib lieber liegen, die nächsten Stunden verheißen ohnehin nichts Gutes. Dreh dich einfach wieder um und schlaf solange bis dieser verdammte Tag vorüber ist. Der Nächste kann nur besser werden!

Der heutige Morgen zählt zu einem dieser schwarzen „Tage“, zumindest für Nathan. Schon weit vor Morgengrauen wacht er mit schwerem Kopf und noch viel müderen Gliedern in seiner Kammer auf. Ein dummer und völlig lächerlicher Traum hat ihn aufgeweckt. Statt wieder einschlafen zu können, liegt er unruhig in seinem Bett und wälzt sich von der einen auf die andere Seite, während Rix ihn vom Kopfende seines Bettes her mit wüsten Beschimpfungen überhäuft, da er mit seinem Gewühle den Raben ebenfalls von seinem wohl verdienten Schlaf abhält. Schon nach kurzer Zeit wird es Nathan zu dumm, nur herum zu liegen und murrig und alles andere als gut gelaunt steht er auf.
Es ist noch finster draußen, als er schließlich mit Rix auf seiner Schulter die Küche betritt. Noch schläft Vinyamar friedlich, doch schon bald werden sich alle Bewohner um den Küchentisch versammeln, um gemeinsam zu Essen und die Arbeiten des Tages einzuteilen.
Hmmmpf... Wenn es nach Nathan ginge, dann könnte er heute auf beides gut verzichten. Um nicht untätig in der Küche herum sitzen zu müssen, bis der Rest des Hauses endlich erwacht, beginnt er Schritt für Schritt das Morgenmahl vorzubreiten. Dabei lässt er immer wieder Kopf und Schulter kreisen, in der Hoffnung seinen verspannten Nacken zu lockern. Er stellt gerade die letzten Holzschalen auf den großen Küchentisch, als schließlich kurz vor Sonnenaufgang die ersten Hausbewohner in der Küche eintrudeln, unter ihnen auch Cassandra, die wohlwollend zu Kenntnis nimmt, dass neben dem fertig gedeckten Tisch auch schon ein Kessel mit Wasser für Tee und Gerstenbrei über der Feuerstelle vor sich hin köchelt.
Während die eine sich freut, nimmt der andere resigniert zur Kenntnis, dass es nun mit der Ruhe vorbei ist. Platz für Platz füllt sich der große Tisch bis schließlich alle Hausbewohner inklusive den Nachzüglern Arúen und Gerion sich versammelt haben, um „gemeinsam“ ihr Essen einzunehmen. Wie jeden Morgen wird eifrig diskutiert und debattiert, gelacht und gemunkelt. Normalerweise findet Nathan den morgendlichen Trubel  nicht störend, oft genug beteiligt er sich selber an den Gesprächen, deren Themen schneller wechseln als ein Wimpernschlag, doch heute ist ihm das Geschnatter und der Lärm eine Last. Immer wieder massiert er seine Schläfen, schließt die Augen oder setzt seinen schweren Kopf auf seine Hände auf.  Auf die Fragen seiner Tischnachbarn findet er selten eine Antwort, die aus mehr als einem Nicken oder ein paar Worten besteht. So ist er letztendlich sogar erleichtert, als Ullmar nach einer Weile seinen Löffel weglegt und die Arbeit der Knechte einteilt.
Wenigstens hat dann dieses Elend ein Ende, denkt Nathan griesgrämig. Doch seine Freude währt nur kurz.
„Nathan, du kümmerst dich um den Schweinestall. Tolan und Orean, ihr zwei helft mir beim Wenden des Heus. Heute Nachmittag widmen wir uns dann gemeinsam den Gemüsefeldern. Der Mais ist langsam fällig“, verkündet Ullmar mit fester Stimme.
Orean und Tolan nicken, während Nathans Gesicht sich bei dem Wort „Schweinestall“ sichtlich verdüstert. Die Aussicht den Stall auszumisten ist so ungefähr das letzte was er an einem Tag wie diesem brauchen kann. Wenn es eine Tätigkeit gibt, die er wirklich abgrundtief hasst, dann ist es diese. Das war schon früher so als noch ein kleiner Junge gewesen ist. Er hat immer gerne seiner Mutter im Pferdestall oder auch bei den Kühen geholfen, aber den Schweinestall, den hat er schon damals gemieden und dass obwohl seine bockige Haltung in der Regel Prügel mit dem Stock nach sich zog. Seine Abneigung gegen Schweine und dem ganzen drum und dran ist lächerlich, dass weiß er selber nur zu gut. Vielleicht hat er deshalb auch keinem der Knechte und Mägde des Ulmenanwesens davon erzählt.  Bisher hat er immer seine zugeteilte Arbeit ohne Proteste ausgeführt, manchmal war die fehlende Begeisterung ihm im Gesicht anzusehen gewesen, doch er hat sich noch nie groß darüber beschwert. Bisher...
„Habt ihr noch Fragen? Gut. Dann lasst uns mal loslegen. Wir hab`n heute noch viel zu tun und der Tag ist kurz.“  
Der oberste Knecht Vinyamars lächelt noch einmal aufmuntert in die Runde, bevor er selbst aufsteht und seinen Stuhl an den Tisch heranschiebt. Tolan und Orean folgen Ullmars Beispiel ohne groß zu Zögern. Auch Gerion springt, nachdem er hastig die letzten Reste Brei aus seiner Schüssel herausgelöffelt hat, auf. Nur Nathan starrt weiterhin auf seinen kaum angerührten Gerstenbrei, ohne sich auch nur einen Sekhelrin zu rühren. Seinen zusammengezogenen Augenbrauen ist anzusehen, das dem Knecht irgendetwas ganz gehörig gegen den Strich geht.
„Iestin?“ Ullmars kräftiger Bass ertönt hinter Nathan, doch er reagiert nicht. Irgendetwas in ihm ist gerade dabei all die Zügeln und Fesseln, die sonst seinen Verstand und seine Handlungen kontrollieren, aus den Händen gleiten zu lassen.
„Iestin!?!“ Nathan braucht nicht eimal von seiner Holzschale aufzusehen, um zu merken, dass nun nicht nur Ullmars Blick sich in seinen Rücken bohrt, sondern er nun auch die ungeteilte Aufmerksamkeit der andern Hausbewohner auf sich gelenkt hat. Und wenn schon!
„Soll doch Gerion den Stall säubern! Ich war das letzte mal dran“, hört sich Nathan mit einem beißenden Unterton in der Stimme brummen. Die Schroffheit, die in seinen Worten liegt, erstaunt ihn selber. Aber ist es nicht sein gutes Recht, zu verlangen das Gerion seine Arbeit übernimmt? Den letzte Dienst im Schweinestall hat er für den jungen Knecht erledigt, als der von Cassandra im Haus gebraucht wurde.
„Nein, Gerion wird bei den Pferden gebraucht. Heute kommt Berengar, um die Hufe neu zu beschlagen. Gerion wird ihm dabei helfen.“
„Achja....?“ Ein spöttisches Lächeln umspielt die Lippen des schwarzhaarigen Knechtes, als nach einigen Augenblicken der Stille schließlich anfügt: „Dann soll er sich eben um die Schweine und um die Pferde kümmern.“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 08. Sept. 2008, 10:26 Uhr
Es ist ein Morgen wie tausende zuvor und wie vermutlich noch zahllose folgen werden. Na gut, an nicht jedem wird Rialinn schon lange vor dem Morgengrauen erschreckend wach sein und ihrer Mutter mit vehementem "Erzähl mir was!" wach halten, nachdem die erst nach Mitternacht zur Ruhe gefunden hat - zumindest hofft Arúen das inständig. Entsprechend müde ist sie, als sie samt ihrer Tochter als Letzte am Frühstückstisch erscheint. Das allmorgendliche Durcheinander an Gesprächen, Scherzworten und Neckereien sorgt allerdings schnell dafür, dass sie endgültig und vollständig wach wird. Wie stets ist es gerade diese Alltäglichkeit der Gespräche, die sie sich entspannen und zuhause fühlen lässt. Rialinn sitzt neben ihr in ihrem eigenen Hochstuhl und widmet sich voller Hingabe dem Morgenbrei, von dem sie für ihr Alter unglaubliche Mengen verdrücken kann - allerdings, irgendwoher muss dieser kleine, nicht zu bremsende Wirbelwind seine Energie ja holen. Zufrieden und satt lehnt Arúen sich in ihrem Stuhl am Kopfende der Tafel zurück, hält die Schale mit dampfendem Pfefferminztee in beiden Händen und lässt ihren Blick über die bunte Tischrunde schweifen.

Daira und Nuala beratschlagen schon den ganzen Morgen, was sie einer befreundeten Magd zu deren Hochzeit schenken können. Tolan und Orean erörtern mit Ullmar eifrig, ob wirklich der gesamte Zaun der Pferdekoppel unten an der Seepforte noch vor dem Winter ausgetauscht werden muss, oder ob es nicht doch reichen würde, die Pfosten zu tauschen, die am stärksten angefault sind und die restlichen erst im kommenden Frühjahr zu ersetzen. Eine Überlegung, die für den Altknecht nicht einmal ansatzweise in Frage kommt, jetzt wo er bei seiner letzten Prüfrunde mit Teir an der Koppel eben festgestellt hat, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Der Koppelzaun würde noch vor dem Winter komplett ausgetauscht werden, erklärt er kategorisch und beendet damit jede Diskussion über dieses Thema, und wenn man dann ohnehin schon dabei sei, könne bei der Gelegenheit dann auch gleich das Weidegatter erneuern. Natie bekommt wie jeden Tag die Aufgabe, die Enten und Gänse an den Ildorel hinunter zu treiben, und außerdem das Versprechen, dass sie ihrer Mutter am Nachmittag beim Einkochen der Apfelbeeren helfen darf. Die Holzschüsseln leeren sich langsam, das Morgenmahl nähert sich seinem Ende und die Arbeiten für den Tag werden verteilt. Ullmar will mit Orean und Tolan raus auf die Wiesen vor der Stadt. Aller Trockenheit zum Trotz haben sie vor einigen Tagen doch noch ein weiteres Mal die Wiesen gemäht um Heu zu machen. Und auch, wenn diese Mahd deutlich magerer ausgefallen ist als die erste, sollte das Heu doch trotzdem über den Winter und bis in den nächsten Zwölfmond reichen. Das Gras sollte nach nun vier Tagen in denen Männer es täglich gewendet und gelüftet haben trocken genug sein, dass sie es zu Schobern aufschichten und dann in einigen Tagen (hoffentlich) trocken einfahren können. So sehr sie ansonsten für die Beete und Felder auch auf Regen hoffen, was das Heu angeht, hoffen sie alle, dass es noch so lange trocken bleibt, bis das Heu unter Dach und Fach ist.

Die restliche Verteilung der Aufgaben führt an diesem Morgen dann allerdings zu etwas, das Arúen noch nicht auf Vinyamar erlebt hat - zumindest nicht, soweit sie sich erinnern kann. Nicht nur, dass Iestin seinen Gerstenbrei kaum angerührt hat, schon den ganzen Morgen mehr als nur ein wenig wortkarg und kurzangebunden ist und nun nicht zusammen mit Ullmar und den anderen Knechten aufsteht. Nein. Jetzt erklärt er auch noch ohne auch nur den Blick von seiner Schüssel zu heben, dass er die ihm zugewiesene Aufgabe nicht zu übernehmen gedenke. Ein beißender Unterton liegt in der Stimme des Mannes, als er erklärt, dass er erst letztes Mal den Schweinestall entmistet habe, und dass diesmal doch Gerion das tun solle. Die Elbin beobachtet das Geschehen aufmerksam, aber sie macht keine Anstalten sich einzumischen. Die Verteilung der täglichen Arbeiten ist der bereich von Cassandra und Ullmar, und da wird sie sich in diesem Moment nicht einmischen und damit womöglich die Autorität der beiden mindern. Das Ganze ist ohnehin ein bisher undenkbarer Vorfall. Nie in den Jahren seit Vinyamar wieder bewirtschaftet wird, ist das Wort der Obersten Magd oder des Altknechtes je angezweifelt worden, oder hat jemand auf diese Art und Weise Widerworte gegeben. Insofern kann Arúen es vor sich selber nicht verleugnen, dass sie gespannt ist, wie die beiden damit umgehen werden und wie sich das entwickelt.

Ullmar ist gemeinhin ein ruhiger Mensch, man kann ihn nur schwer aus der Fassung bringen - die einzige, die es jederzeit und problemlos schafft, ihn sprachlos zu machen, ist Cassandra. Und die Male, an denen er vor anderen die Beherrschung verloren hat und laut geworden ist, könnte man an einer Hand abzählen. Aber wie es aussieht, scheint Iestin es an diesem Morgen darauf anzulegen, diese grenze Ullmars zu teste. Stimme und Tonfall, mit dem der Altknecht den Mann zur Ordnung zu rufen versucht, in dem er ihn beim Namen nennt, lassen eigentlich keinen Zweifel daran, dass er nicht vorhat, Widerworte zu dulden oder seine Anweisungen auszudiskutieren. Die Elbin kann sehen, wie er kurz die Hand zur Faust ballt, dann aber mit ruhiger Stimme erklärt, Gerion werde bei den Pferden gebraucht, weil der Schmied heute käme. Und Iestin werde daher eben den Schweinestall ausmisten. Dessen Erwiderung, dann solle der Bursche sich eben um Schweine und Pferde kümmern, sorgt dann dafür, dass Cassandra sich an ihrem Tee verschluckt, an dem sie sich bisher demonstrativ festgehalten hat. Den restlichen Knechten und Mägden ist anzusehen, dass ihnen diese Situation einerseits unangenehm ist, sie andererseits aber auch neugierig sind, wie das wohl ausgehen wird. Cassandra öffnet kurz den Mund, schließt ihn dann aber wieder ohne ein Wort gesagt zu haben, nachdem sie einen kurzen Blick mit Ullmar gewechselt hat.

"Für den Fall, dass es Dir nicht klar ist. Iestin: Das war weder eine Bitte noch ein Vorschlag meinerseits." Ullmar ist unübersehbar darum bemüht, nicht laut zu werden. "Du wirst da jetzt raus gehen, und den Stall der Schweine ausmisten."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 10. Sept. 2008, 16:49 Uhr
Auch wenn Ullmar sich bis jetzt noch unter Kontrolle hat, bemerkt Nathan sehr wohl das leichte Zittern in seiner Stimme, ein untrügerisches Zeichnen dafür, dass der Altknecht des Ulmenanwesens durch Nathans schroffes Verhalten erbost ist. Doch es ist nicht nur die kaltschnäuzige Art, mit der der schwarzhaarige Knecht Ullmar abserviert, sondern es auch eine Frage seiner Autorität, die Nathan mit der offen zu schaugestellten Weigerung den Stall auszumisten, vor allen anderen Bewohnern Vinyamars anzweifelt.
Nathan ist nur einen Hauch davon entfernt ein großes Durcheinander auszulösen. Um es zu verhindern, müsste er einfach nur aufstehen, Ullmar sagen, dass er verstanden habe und und sich um den verdammten Schweinestall kümmern. Alle Anwesenden würden dankbar ausatmen, ihre Teller stapeln und sich daran machen ihr Tagwerk zu verrichten, glücklich den Haussegen für den heutigen Tag gerettet zu haben.
Man würde arbeiten, lachen und…
Nein!
Nathans Augenbrauen wandern zu einem schmalen Strich zusammen. Mit einem lauten Knall lässt er den Löffel in die Holzschale plumpsen. Der kalte Gerstenbrei hinterlässt hässliche gelbbraune Spritzer auf dem großen Holztisch.
Heute nicht!
Heute ist es ihm egal, dass ihn alle anstarren als wäre er verrückt. Das Nuala kaum mehr den Mund zu bekommt vor Staunen, Cassandra sich mehrmals an ihrem Tee verschluckt und Aruén hinter ihrer ebenmäßigen Maske sowohl ihn als Ullmar genau beobachtet. Solln sie nur….
<"Für den Fall, dass es Dir nicht klar ist. Iestin: Das war weder eine Bitte noch ein Vorschlag meinerseits."> Ullmar ist unüberhörbar darum bemüht, nicht laut zu werden. <"Du wirst da jetzt raus gehen, und den Stall der Schweine ausmisten.">
„Werde ich das, ja?“, zischt er nach einem kurzen Moment der eisigen Stille, in der selbst das gleichmäßige Brummen einer Fliege die verzerrte Lautstärke eines Hornissenschwarms erlangt. Rix, die die schlechte Stimmung, die sich wie Gewitterwolken zwischen Nathan und Ullmar auftürmt, zu spüren scheint, hüpft nervös auf dem Boden auf und ab, während sie leise immer wieder „Ruhe! Ruhe“ ruft. Doch keiner schenkt der schwarzen Vogeldame Beachtung.
Noch nicht einmal ihr Besitzer Nathan, der anstatt sich um den Raben zu kümmern, sich ganz langsam auf seinem Stuhl herumdreht, um den obersten Knecht in die Augen sehen zu können. Sein Blick ist eisig, als er mit fast schon provozierend ruhiger Stimme erwidert: „Ich muss Euch leider enttäuschen, Ullmar. Gebt mir eine andere Arbeit und ich werde sie erfüllen, aber für den Schweinestall sucht Euch heute einen anderen Dummen.“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 21. Okt. 2008, 21:07 Uhr
Iestin scheint nicht im Geringsten gewillt zu sein, die angespannte Situation in der Küche des Ulmenanwesens zu entschärfen. Denn anstatt Ullmars erneuter Aufforderung umgehend Folge zu leisten und sich an die Arbeit im Schweinestall zu machen, stellt er die Anweisung des Alt-Knechtes zum zweiten Mal in Frage. Knechte und Mägde stehen angespannt herum, einige schon an der Küchenpforte, andere mitten in der Küche, Cassandra sitzt noch auf ihrem Platz am großen Küchentisch, Natie steht neben ihrer Mutter und scheint nicht so recht zu wissen, was sie von all dem halten soll. Teir und Arúen haben ihre Plätze ebenfalls noch nicht verlassen. Rialinn, die bis eben noch fleißig ihren Gerstenbrei gelöffelt hat, schaut ebenso aufmerksam von einem zum anderen wie ihre Mutter und scheint eifrig zu versuchen, all die unterschiedlichen Emotionen und unterschwelligen Strömungen aufzunehmen und zuzuordnen, die die Küche aufladen wie die Luft vor einem Gewitter. Die Hunde sitzen an ihrem Platz, aber sie sind sichtlich unruhig, ebenso wie der Rabe, der ebenso eindringlich wie erfolglos zur Ruhe ruft.

"Habt Ihr zuviel Zeit oder zuwenig Arbeit?" Ullmars Frage reißt das restliche Gesinde aus seiner Starre und sorgt dafür, dass Knechte und Mägde schleunigst die Küche verlassen und sich an die ihnen zugeteilten Arbeiten zu machen. Der Tonfall des Alt-Knechtes hatte unmissverständlich klar gemacht, dass er sofortiges und unwidersprochenes Befolgen seiner Anweisungen erwartet. Und was Iestin angeht... Nun, der heute so widerborstige Knecht hat wie es scheint den Moment verpasst, in dem er die Situation hätte retten können. Er hätte einfach nur von seiner Abneigung gegen Schweine und alles was mit ihnen zu tun hat erzählen brauchen. Aber so weiß niemand davon. Dass es ihm niemand als Schwäche oder alberne Macke angekreidet hätte - immerhin macht sich auch niemand über Gerion lustig, der kein Blut sehen kann und am Schlachttag immer andere Aufgaben zugewiesen bekommt, aber auf der anderen Seite gegen ein gutes Stück Bratenfleisch nichts einzuwenden hat -, tja, das wiederum scheint Iestin nicht klar zu sein.
Aber jetzt, wo das restliche Gesinde aus der Küche hinaus ist, wird alles nur noch komplizierter. Ullmar kann nun seine Anweisung nicht mehr zurücknehmen, ohne den Eindruck zu erwecken, dass sich Iestin gegen seine ursprüngliche Anweisung durchgesetzt hätte. Ein Signal, dass er so ganz gewiss nicht an das restliche Gesinde geben will. Die Anweisungen von Cassandra und ihm stehen schlicht und einfach nicht zur Diskussion. So ist es bisher immer gewesen, und nur das Wort der Herrin von Vinyamar würde daran etwas ändern.

Teir hat inzwischen die Küche verlassen. Immerhin hat er heute seinen dienstfreien Tag, und Arúen hat nicht vor, ihm den bloß wegen eines albernen Streites zu nehmen. Und für einen Moment bildet sie sich sogar ein, so etwas wie ein erleichtertes Aufatmen bei dem jungen Elben wahrzunehmen. Aber der Moment ist so kurz, dass sie sich das auch ebenso gut eingebildet haben kann. Was sie sich aber nicht einbildet, ist die stetig steigende Anspannung, die von Ullmar ausgeht. Die Elbin glaubt zu wissen, warum der Altknecht die anderen Knechte und die Mägde aus der Küche geschickt hat: Je weniger Leute anwesend sind, desto größer ist die Möglichkeit, dass sich die Situation doch noch ohne weitere Eskalationen auflösen lässt. Vielleicht in einem Vier-Augen-Gespräch nur unter Männern.... Arúen winkt Natie zu sich. "Natie, tu mir bitte einen Gefallen: Geh mit Rialinn ins Kaminzimmer. Ich komme gleich nach... Auris, Nevis, ihr geht mit." Eine knappe Geste genügt, und die beiden Hunde folgen der kleinen Elbin und dem Menschenmädchen wie Schatten. "Cassandra, bevor wir nachher die Einkäufe für diesen Siebentag durchsprechen, würde ich gerne eben noch die Vorräte im Keller sichten." Die Oberste Magd braucht einen Moment, stockt kurz in der Bewegung mit der sie ihre Teeschale zurück auf den Tisch stellen will, begreift dann aber, was ihre Herrin tatsächlich vorhat und nickt ein wenig zu eifrig. "Natürlich, sofort, Shu'ra." Seit Cassandra irgendwie mitbekommen hat, dass Iestin einige elbische Floskeln beherrscht, versucht sie bei jeder Gelegenheit, sich von Teir die eine oder andere Redewendung beibringen zu lassen - und zuallererst die elbische Anrede für die Hausherrin des Ulmenanwesens. Es dauert nur wenige Augenblicke, dann sind die beiden Frauen in der unterirdischen Etage Vinyamars verschwunden. Jetzt sind die beiden Männer alleine in der Küche.

"Also gut, Iestin. So wie ich das sehe, hast Du jetzt genau zwei Möglichkeiten." Ullmar beugt sich vor und stützt sich mit den Fäusten auf dem erst zur Hälfte abgeräumten Tisch ab. "Entweder du bewegst augenblicklich deinen Hintern nach draußen in den Schweinestall und mistest aus. Oder du lieferst mir einen verdammt guten Grund dafür, dir eine andere Aufgabe zuzuteilen. Und der sollte besser nicht lauten, dass Gerion schneller beim Ausmisten ist als Du. Denn das würde bedeuten, dass DU dringend noch Übung beim Misten brauchst, und das folglich die nächsten Monde alleine machen wirst." Eine Spur Boshaftigkeit in der Stimme begleitet den letzten Satz des Altknechtes.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 27. Okt. 2008, 16:05 Uhr
Nathan verfolgt mit düsterem Blick wie das Gesinde mit raschen Schritten die Küche verlässt. Kurz darauf springt Teir von seinem Stuhl auf, um dem Beispiel der Mägde und Knechte zu folgen. Auch die Hausherrin scheint der Ansicht zu sein, dass die beiden Männer ihre Auseinandersetzung am besten unter sich klären sollten. Statt Nathan für sein widerspenstiges Verhalten zu Recht zu weisen oder sich in sonst irgendeiner Art und Weise einzumischen, verschwindet Arúen samt den Kindern und der immer noch fassungslos dreinschauenden Cassandra im Schlepptau aus der Küche.
Die Ratten verlassen das sinkende Schiff, denkt Nathan böse lächelnd, während er sich im selben Moment erstaunt fragt, warum Arúen ihn nicht vor versammelter Mannschaft einen guten Kopf kürzer gemacht hat. Es ist zwar schon einige Jahre her seit dem er das letzte Mal den Dienst auf einem Hof verrichtet hat, aber ein großes Mundwerk und die Verweigerung der Arbeit wurde nirgendwo gerne gesehen. Im besten Fall endete ein Streitgespräch mit dem Alt-Knecht mit der Kürzung des sowieso schon knapp bemessenen Solds oder im schlimmsten Fall mit ein paar Stockhieben und einem Tritt in den Allerwertesten, der einem selbst samt des wenigen Hab und Guts vor die Tür setzt.
Da soll mal einer aus diesen Elben schlau werden. Egal...mir kann’s nur recht sein.
„Nein, nein….nein, nein“, krächzt es plötzlich von hinten. Nathan erkennt aus den Augenwinkeln wie Rix, sein Sitechrabe, wie wild auf und abhüpft. Die blauschwarzen Federn des Vogels sind leicht aufgestellt und Rixs Kopf zuckt nervös von rechts nach links.  Ehe sich Nathan versieht hat die Vogeldame auch schon flatternder Weise das Fensterbrett erklommen, um wie von einem Schwarm Hornissen verfolgt, durch das offene Küchenfenster nach draußen in den Garten zu entwischen. Ihr lautes Krächzen ist das letzte was Nathan von ihr zu hören bekommt,  bevor sich schließlich wieder eine unnatürliche Stille über die Küche legt. Die beiden Männer sind nun alleine….
Miststück, denkt Nathan mit zusammen gekniffenen Augen. Jedes mal wenn es brenzlig wird nimmt das schwarze Federvieh Reiß aus. Warte nur! Falls wir jemals wieder ohne Münzen und Essen dastehen, werde ich es mir dreimal überlegen, mein letztes Brotstück mit dir zu teilen. Vielleicht sollte ich dir dann besser einen Stock in den Hintern rammen und dich zu einem saftigen Braten verarbeiten.

Doch bevor Nathan weiter über sein fahnenflüchtiges Haustier nachdenken kann, beansprucht Ullmar und der der Streit um den Schweinestall wieder seine volle Aufmerksamkeit. Ganz genau beobachtet der aufmüpfige Knecht die Bewegungen seines Gegenübers. Mit böser Genugtuung nimmt er Ullmars krampfhaft geschlossene Fäuste wahr, mit denen er sich schwer auf den Tisch stützt. Der Alt-Knecht des Ulmenanwesens ist wütend, ohja, das ist er. Nathan dachte schon, dass diesen gradlinigen Mann nichts und niemand aus der Fassung bringen kann. Nun..heute ist wohl so etwas wie eine Premiere. Gut so. Dann ist Nathan wenigstens nicht alleine mit seiner brodelnden Wut im Bauch, für die es normaler Weise kein Ventil in diesem Hause gibt.
<"Also gut, Iestin. So wie ich das sehe, hast Du jetzt genau zwei Möglichkeiten. Entweder du bewegst augenblicklich deinen Hintern nach draußen in den Schweinestall und mistest aus. Oder du lieferst mir einen verdammt guten Grund dafür, dir eine andere Aufgabe zuzuteilen. Und der sollte besser nicht lauten, dass Gerion schneller beim Ausmisten ist als Du. Denn das würde bedeuten, dass DU dringend noch Übung beim Misten brauchst, und das folglich die nächsten Monde alleine machen wirst.“>

Ullmars Worte schlängeln sich durch Nathans Bewusstsein, während sich das blasse Gesicht des Knechtes immer weiter verdunkelt. Noch immer kann er nicht sagen, was ihn eigentlich so zornig macht. Der Schweinestall, das Ausmisten, Ullmar, das sind alles nur Auslöser für etwas, das was Nathan schon seit Monden innerlich zerfrisst. Er weiß nur, dass heute nicht der Tag für faule Kompromisse ist, dass selbst wenn er wollte, irgendetwas zwingt ihn das Spiel, das er am Frühstückstisch begonnen hat, nun auch zu Ende zu spielen.
„Seid ihr taub?“ fragt Nathan mit leicht vor Wut bebender Stimme. „Ich habe Gerions letzten Dienst im Schweinestall übernommen, als er von Cassandra im Haus gebraucht wurde. Wenn Gerion helfen soll die Pferde zu beschlagen, gut! Dann schickt einen der andern in den Schweinestall! Mir soll’s gleich sein...ICH bin dieses mal auf jeden Fall NICHT damit dran, diesen verfluchten Stall auszumisten!“
Nun richtet sich auch Nathan auf. Seine blauen Augen lassen Ullmar keine Sekunde aus den Augen, während er mit verschränkten Armen ihm am anderen Ende des Tisches gegenüber steht. Eine leise Stimme regt sich in seinem Kopf, mahnt ihn zur Umsicht und rät ihm endlich klein bei zugeben und sich zu entschuldigen, besonders da er doch Ullmar eigentlich über all die Monde zu schätzen gelernt hat. Doch Nathan ignoriert den schüchternen Aufruf seines schlechten Gewissens. Stattdessen treibt ihn der kalte Zorn die paar Schritte um den Tisch herum, bis er schließlich direkt vor Ullmar zu stehen kommt. Die Luft knistert förmlich vor Anspannung.
„So...was wollt Ihr nun machen? Nun, sagt schon Ullmar! Wollt Ihr mir den Sold kürzen, mich aus dem Haus werfen? Oder mich gar eigenhändig zu den Schweinen prügeln?“

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 05. Nov. 2008, 20:35 Uhr
"Oh nein.... DU bist es, der anscheinend taub ist, Iestin!" Nun, da der Mann ihm direkt gegenüber steht, kann Ullmar unschwer spüren, dass anscheinend in ihnen beiden die Wut brodelt. Allerdings scheint der heute so renitente Knecht deutlich eher bereit zu sein, alle Vernunftgründe zu ignorieren. Ganz so weit ist Ullmar nicht, noch nicht. Viel braucht es allerdings nicht mehr, bis er seine inzwischen recht wacklige Beherrschung verliert - und etwas tut, dass er dann hinterher vielleicht nicht einmal bereut. "Aber falls Du es an den Ohren hast, kann ich es gerne noch mal wiederholen: Entweder du bewegst augenblicklich deinen Arsch nach draußen zu den Schweinen und mistest aus. Oder dir fällt ein Grund ein, warum ich diese Anweisung zurücknehmen sollte... Ein verdammt guter Grund. Einer, der sich nicht nach weinerlichem Kleinkindergequengel von der Art 'Ich mag aber nich' anhört."
Er löst sich vom Tisch und verschränkt die Arme vor der Brust. Ullmar hat keine Ahnung, welcher Dämon den Kerl reitet, dass er sich so aufführt, aber er ist an einem Punkt angekommen, wo ihm das auch zunehmend egal ist. Wenn Iestin es auf ein Kräftemessen anlegt, gut, das kann der Bursche haben. Dass die Hausherrin sich zurückgezogen hat und den beiden Männern die Küche quasi als Schlachtfeld überlässt, ist für den Alt-Knecht kein Zeichen dafür, dass der Elbin womöglich gleichgültig ist, wie der Streit ausgeht. Für ihn ist es eher ein Zeichen, dass die Herrin von Vinyamar davon ausgeht, dass er sehr wohl in der Lage ist, die Situation alleine zu regeln - und zwar im Interesse aller Beteiligten. Wenn er von Iestins arkaner Begabung wüsste, würde er die Lage womöglich anders einschätzen, aber so...

"Falls es Dir in den letzten Monden noch nicht aufgefallen sein sollte, Bursche: Wir führen hier keine Strichlisten darüber, wer welche Aufgabe wie oft übernommen oder eben auch nicht übernommen hat. Und selbst wenn,... da Du als letzter hier in Dienst genommen wurdest, hättest Du eine Menge nachzuholen, was die Striche auf der Liste für das Schweinstallausmisten angeht."
>So... was wollt Ihr nun machen? Nun, sagt schon Ullmar! Wollt Ihr mir den Sold kürzen, mich aus dem Haus werfen? Oder mich gar eigenhändig zu den Schweinen prügeln?<
Für einen Augenblick stockt Ullmar, der letzte Vorschlag hat für einige Herzschläge einen nur zu verlockenden Klang. Aber dann hat er sich wieder im Griff. Gewalt ist hierfür ganz sicher nicht die Lösung - ganz gleich wie verlockend der Gedanke auch sein mag, seiner eigenen Wut auf diesem Weg Luft zu machen. Über einen möglichen Rauswurf entscheidet alleine die Hausherrin. Na gut, gelegentlich erst nach einer Beratung mit Cassandra vielleicht, aber es ist immer die Elbin, die solche Entscheidungen trifft. "Führ' mich nicht in Versuchung, Iestin..." Aber am Kragen packen und ihn zu den Borstenviechern schleifen wäre vielleicht eine Alternative... würde ihm engeren Kontakt zum Mist verschaffen... Alleine die bildliche Vorstellung, wie er Iestin hinter sich her schleift um ihn kopfüber in den Schweinemist fallen zu lassen, lässt die Wolken dunkler Wut sich ein wenig lichten.


Während die beiden Männer in der Küche ihre Meinungsverschiedenheit irgendwie so gar nicht einer Klärung zuführen, gehen Arúen und Cassandra im Keller die Regalreihen mit den Vorräten ab, die sie auf dem Ulmenanwesen nicht selber erwirtschaften und deshalb auf dem Markt oder dem Platz der Händler zukaufen. Im Schein einer flackernden Talglampe werden Krüge und Amphoren gezählt und die Anzahl von Säcken und Fässern auf einer Wachstafel vermerkt. "Meint Ihr wirklich, dass es eine gute Idee ist, die beiden da oben alleine zu lassen, Shu'ra?" Cassandra setzt in ihrer akkuraten Schrift die letzte Zahl für die Krüge mit Olivenöl auf die Liste. Nicht, dass sie die Entscheidung ihrer Herrin vor anderen anzweifeln würde, aber sie macht sich ehrlich Sorgen darum, was da oben wohl gerade passiert. "Für meinen Geschmack befinden sich einfach zu viele scharfe und spitze Gegenstände in der Küche," kommt es leise hinterher. Dass sich die Oberste Magd dabei mehr Sorgen um das Wohl Ullmars macht, als um den Unruhestifter Iestin, muss sie gar nicht aussprechen. Denn entgegen aller ihrer Behauptungen, macht sie sich sehr wohl etwas aus dem Alt-Knecht, der ihr nun schon seit Jahren den Hof macht. Und Arúen weiß das. Warum Cassandra das Werben allerdings nicht längst erhört hat, entzieht sich dafür ihrem Wissen und erstrecht ihrem Verständnis. Aber egal, das ist an diesem Morgen nicht von Belang. "Ich wollte seine Autorität nicht dadurch mindern, dass es so aussieht, als müsse ich das für ihn regeln, weil er das nicht alleine kann." Sie muss sich der Menschenfrau gegenüber nicht rechtfertigen, aber in all den Jahren, die sie nun schon in Talyra und auf Vinyamar lebt, hat sich irgendwann ein recht vertrautes Verhältnis zwischen den beiden Frauen entwickelt. "Wenn einer Ullmars Autorität ankratzt, dann ist es dieser Iestin. Die Götter mögen wissen, was heute mit dem los ist. So hat er sich bisher noch nie aufgeführt." Kopfschüttelnd verschließt Cassandra die Tür des Lagerraums hinter sich und der Hausherrin. "Ich denke eher, es würde Ullmars Position stärken, wenn er Ihr klar macht, dass Ihr dieselbe Ansicht vertretet wie er, dass Ihr dieselbe Anweisung erteilt, was das Stallausmisten angeht." Unruhig wandert der Blick der Frau zur Decke über ihnen, ganz so, als könne ihr Blick Mauerwerk und Gebälk durchdringen und sie erkennen lassen, was sich in der Küche abspielt. "Also gut, Cassandra, ich werde gehen und nachsehen, ob sie sich schon gegenseitig mit Bratpfannen oder Küchenmessern bedrohen." Die Menschenfrau kann das zwar nicht wirklich komisch finden, ringt sich aber trotzdem ein halbherziges, schiefes Lächeln ab. "Aber unter einer Bedingung: Wenn Ullmar dich wieder bittet, mit ihm zu Inari zum Tanzen zu gehen, dann gehst Du mit."

Ehe die Oberste Magd widersprechen oder sonst etwas tun kann, außer empört nach Luft zu schnappen, ist Arúen bereits wieder die Treppe hinauf geeilt und nähert sich der Küche. Die Tür steht unverändert einen schmalen Spalt weit offen, und sie kann hören, was dort vor sich geht. Es klingt zumindest nicht so, als würden die Männer versuchen sich abzustechen. Auch arkane Magie kann sie keine wahrnehmen. Wenn sie ehrlich ist, hat sie sich ebenso Sorgen wie Cassandra gemacht, aber weniger wegen waffentauglicher Küchenutensilien als wegen Iestins Magie. Sie ist sich nicht wirklich sicher gewesen, ob er in einer Situation wie dieser  seine Kräfte wirklich unter Kontrolle hätte halten können. Aus diesem Grund hat sie Natie auch mit Rialinn ins Kaminzimmer und damit ans andere Ende des Hauses geschickt. Leise öffnet sie die Tür, die sich geschmeidig in den Angeln dreht, und betritt die Küche. Die Luft ist regelrecht aufgeladen mit offener und unterdrückter Anspannung, es fehlt nicht viel, und sie würde anfangen zu knistern vor lauter Energie. Wenn jetzt ein Blitz zwischen den beiden einschlägt, würde es mich auch nicht wundern. Es macht nicht den Eindruck, als wären die beiden Männer zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen. "Iestin... Es reicht." Ruhig wie immer spricht sie den Knecht an, hebt die Stimme in keiner Weise. Doch das leise Vibrieren, das unterschwellig darin mitklingt, sorgt dafür, dass beide Männer ihre Aufmerksam augenblicklich der Hausherrin zuwenden. "Wenn Ullmar gesagt hat, dass das Ausmisten des Schweinestalls heute in euren Aufgabenbereicht fällt, dann ist das so."

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 14. Nov. 2008, 19:02 Uhr
Nathans letzte Worte hängen wie ein funkelndes Schwert in der Luft. Mit einem abfälligen Lächeln auf den Lippen nimmt der aufmüpfige Knecht Ullmars deutlich hervorgetretene Halsschlagader zur Kenntnis. Um seinen provozierenden Worten mehr Nachdruck zu verleihen, macht er noch einen Schritt auf Ullmar zu. Neben dem muskulösen Alt-Knecht, wirkt Nathan schmal und zierlich. Auch wenn er durch die harte Arbeit auf Feld und Hof in einer so guten körperlichen Verfassung wie schon seid Jahren nicht mehr ist, kann er bei weitem nicht mit der Stärke des breitschultrigen Mannes mithalten. Sollte Ullmar wirklich der Geduldsfaden reißen und er die Fäuste sprechen lassen, so würde Nathan sich rasch eine blutige Nase holen.  
Und wenn schon…Alles ist besser, als jetzt den Schwanz einzuziehen und widerstandslos klein bei zu geben.
Nathans Hände ballen sich zu Fäusten. Seine Sinne sind zum Reißen gespannt. Tief in seinem Innern spürt er die magische Energie pulsieren, erst ganz leicht, kaum spürbar, dann immer stärker bis aus dem Pulsieren ein gleichmäßiges Brennen wird, das sich von seiner Körpermitte immer weiter in richtig Arme und Beine ausbreitet. Aber Nathan hat keine Lust seiner Magie den Weg zu ebnen, geschweige denn sich von ihr kontrollieren zu lassen. Diese Auseinandersetzung verlangt nach etwas ganz anderem als den Einsatz von übernatürlichen Kräften. Es ist eine Konfrontation Mann gegen Mann und Nathan kommt nicht einmal auf die Idee, seine geheimen magischen Fähigkeiten zu seinem eigenen Vorteil anzuwenden.
Mit einer Leichtigkeit, an die noch vor den regelmäßigen Konzentrationsübungen mit Arúen nicht zu denken gewesen wäre, bringt der schwarzhaarige Knecht seine Kräfte unter Kontrolle und wendet zufrieden grunzend seine ganze Aufmerksamkeit wieder Ullmar und ihrer „kleinen Auseinandersetzung“ zu.  
„Was ist Ullmar….Habt ihr nicht genug Mumm in den Knochen Eure Anweisungen, gegenüber einem einfachen Knecht durchzusetzen?“ zischt er dem Alt-Knecht provozierend entgegen. Das sollte doch nun eigentlich genügen, um den Ullmar endlich aus der Reserve zu locken.  

Nathan ist so damit beschäftigt dem ihm gegenüberstehenden Mann mit einer Mischung aus Zorn und Ablehnung zu fixieren, dass er weder das leise Öffnen der Küchentür, noch Arúens Schritte auf dem Küchenboden wahrnimmt. Erst als ihre ruhige, aber deswegen nicht weniger bestimmte Stimme durch den Raum hallt, und ihn vor Überraschung kurz zusammen zucken lässt, registriert er die Anwesenheit der Elbin und dreht sich langsam in Richtung Tür um.
<"Iestin... Es reicht. Wenn Ullmar gesagt hat, dass das Ausmisten des Schweinestalls heute in euren Aufgabenbereich fällt, dann ist das so.">
Stille senkt sich über den Raum.  
Der noch vor ein paar Momenten bis zum Zerreißen angespannten Stimmung in der Küche, wurde fast schlagartig jegliche Substanz genommen. Nathan hat keine Ahnung wie oder woher diese Frau die Fähigkeit nimmt, in jeder Situation die richtigen Worte, die richtige Tonlage zu finden. Allein ihre Präsenz und die kurze Ansprache genügen, um seinen vor Frust und Wut benebelten Kopf wieder klar werden zu lassen.  
Was soll das? Gerade eben hat sie sich sich mit den anderen zurückgezogen und jetzt kommt sie wieder, um sich einzumischen? Das macht doch überhaupt keinen Sinn? Meint sie Ullmar bekommt den Streit mit mir nicht alleine in den Griff? Hat sie Angst, dass eine saftige Prügelei dem Hausfrieden schadet oder macht sie gar Sorgen um ihren Ullmar?
Die Augen der Elbin und des als einfachen Knecht getarnten Hexers begegnen sich. Die vielen Fragen, die ihn bewegen, sind ihm förmlich ins blasse Gesicht geschrieben.  
Plötzlich trifft ihn eine Eingebung wie ein Hammerschlag: Sie glaubt, das ich Ullmar gefährlich werden könnte! Seine Gesichtszüge drohen bei dem Gedanken für einen kurzen Augenblick zu entgleisen. Sie meint wirklich, ich könnte ihrem Haus und Hofmeister absichtlich etwas antun?!
Nathan weiß gar nicht warum, aber die Überlegung, dass die Elbin ihn für eine Gefahr für ihren Haushalt halten könnte, trifft ihn mehr als es eigentlich dürfte.
Ein Hexer ist nun mal ein unkontrollierbarer Wahnsinniger, nicht wahr? Einem Hexer kann man niemals trauen. Ich bin ein Dummkopf, auch nur Ansatz weise geglaubt zu haben, das an dieser Tatsache sich jemals etwas ändern würde. Lächerlich....
Seine Lippen verziehen sich zu einem abschätzigen Grinsen, während er langsam seine Augen senkt.  
„Tja, Dann ist das wohl so….“, wiederholt Nathan nicht ohne eine Spur Hohn in der Stimme ihre Worte. Es ist ihm, dem Einzelgänger, noch nie leicht gefallen sich den Befehlen von anderen zu beugen, aber heute stellt ihn das Ullmenanwesen auf eine besonders harte Probe. Vor Widerwillen zieht es ihm die Eingeweide zusammen, doch die Elbin hat ihm jegliche Waffen genommen. Was bleiben dem im Hause geduldeten Hexer für Möglichkeiten, als sich dem Willen der Hausherrin zu beugen?
Die Hände immer noch zu Fäusten zusammen gepresst stiefelt Nathan an Aruén vorbei, ohne sie oder den Alt-Knecht  auch nur eines Blickes zu würdigen. Es kostet ihn alle Kraft, nicht vor Wut und verletzten Stolz die Tür hinter sich mit einem Knall zuzuschlagen. Aber das wäre nur ein weiteres Zeichen der Schwäche in seinen Augen gewesenen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 11. Jan. 2009, 15:44 Uhr
Der Besucher


Tock...Tock...
Nuala ist gerade dabei den Treppenaufgang, der von der geräumigen Eingangshalle in das obere Stockwerk führt mit warmem Wasser und einem alten Lumpen zu schruppen, als es plötzlich laut und unüberhörbar an der großen Eingangstür klopft.
Ein Besucher? Schon so früh? Verwundert reibt sich die Magd die feuchten Hände an ihrer Schürze trocken.
Da schon wieder. Tock ...Tock.
Der Gast vor der Tür scheint es eilig zu haben. Hastig rafft Nuala ihren Rock hoch und sputet die noch feuchten Treppenstufen hinunter, in der Hoffnung, dass der ungeduldige Besucher nicht das ganze Haus samt der Herrin mit seiner Klopferei zusammentrommelt. Ohne auch nur einen knarrenden Ton von sich zu geben, öffnet sich die rechte Seite der großen hölzernen Flügeltür und das runde sonnenbesprossete Gesicht der Magd wird sichtbar.
„Ja, bitte?“, fragt sie vorsichtig. Das Licht der aufgehenden Sonne blendet Nuala und zwingt sie,  die Augen zu engen Schlitzen zu verziehen. Im Schatten der Sonnenstrahlen erkennt sie eine hochgewachsene, schlanke Gestalt mit sehr hellen Haaren und weißer Haut. Ein Elb?
„Entschuldigt. Ich bin auf der Suche nach jemanden. Iestin. Er soll in diesem Anwesen leben und arbeiten. Bin ich hier richtig?“
„Oh...Iestin...Ja, natürlich.“ Überrascht, das sich jemand nach dem schwarzharrigen Knecht erkundigt, öffnet Nuala die Tür ein wenig weiter.
„Kommt doch bitte herein. Ich werde ihn für Euch holen.“
Mit einem freundlichen Lächeln auf den breiten Wangen führt die Magd den fremden Besucher in die Eingangshalle, deren hell getünchte Wände prächtige Wandteppiche zieren. Unsicher wirft Nuala einen kurzen Blick auf den fremden Besucher, denn erst jetzt im hellen Lichtschein der Kerzen und der aufgehenden Sonne, kann sie sein Gesicht erkennen. Es ist fein geschnitten und wäre ihr der Anblick von Elben nicht vertraut, so hätte man ihn wirklich mit einem jungen Mann aus dem schönen Volk verwechseln können. Erstaunlich und ein wenig befremdlich sind nur seine rot schimmernden Augen.
Was so jemand von Iestin möchte? Und dann zu so früher Stunde? Nuala kann sich nicht erinnern, dass in den letzten Monaten, irgendjemand nach Iestin gefragt oder der neue Knecht Vinymars je Besuch empfangen hätte. Aber das ist auch kein Wunder. Iestin erzählt ja sowieso niemanden etwas von sich. So ein verstockter und sturer Kerl ist ihr noch nicht unter gekommen. Anderseits.. manchmal kommt es vor, dass noch eine andere, tief in Iestin versteckte Seite zu Tage tritt: in solchen Augenblicken kann er freundlich, ja fast schon nett sein. Doch dann bekommt er nur ein paar Stunden später wieder nicht die Zähne auseinander und knurrt vor sich hin. Hübsch hin oder her, irgendwie ist ihr Iestin unheimlich und auch wenn sie sich manchmal dabei erwischt, wie sie ihm heimlich hinter her sieht, so ist sie doch immer froh, wenn sie nicht alleine mit ihm die alltäglichen Arbeiten verrichten muss.
„Wartet bitte hier...“, sagt sie schließlich an den Besucher gewandt und verschwindet hinter einer Tür, die zum nördlichen Anbau führt. Mit schnellen Schritten eilt die Magd in die Küche. Dort hat sie den Knecht das letzte mal gesehen, als sie ihr Putzwasser für die Treppen heiß gemacht hat. Er ist damit beschäftigt gewesen, Feuerholz klein zu hacken und mit etwas Glück befindet er immer noch beim Holzstoß vor Küche. Tatsächlich muss die Magd nicht lange Suchen. Durch die leicht geöffnete Küchenpforte, die nach draußen in den Garten führt, kann sie Iestins schmale Gestalt erkennen, die sich gerade mit dem Holzbeil abmüht.
„Äh....Iestin?“, fragt sie vorsichtig. Sie möchte ja nicht, dass sich der Knecht vor Überraschung ins Schienbein statt ins Holz hackt. „Da ist Besuch für dich.“
„Besuch?“ Verwundert hebt der schwarzhaarige Mann den Kopf. „Das muss eine Verwechslung sein!“, brummt er kurz darauf in einem Tonfall der keinen Widerspruch zulässt. Statt das Beil aus der Hand zu legen, angelt er sich das nächste Holzscheit und nach ein paar gezielten Schlägen hält der Knecht ein Bündel Kleinholz in der Hand.
„Nein, nein, dass ist keine Verwechslung. Der Mann hat nach dir gefragt.“, ruft Nuala aus. Erst jetzt fällt ihr siedend heiß ein, dass sich der Besucher mit den weißen Haaren ihr gar nicht vorgestellt hat und das sie selber in all der Hektik ganz vergessen hat, ihn danach zu fragen. So was dummes!
„Und was will er von mir?“, erwidert Iestin trocken, ohne auch nur kurz von seiner Arbeit aufzublicken.
„Das hat er nicht gesagt. Aber er sah so aus, als wäre er aus gutem Hause und....“
„Hmpf....“
„...und“, fährt Nuala weiter fort, ohne auf Iestins missbilligendes Grunzen einzugehen. „Er scheint es eilig zu haben!!“
Wieder greift der Knecht nach einem Holzscheit, doch statt es diesmal auf dem Block zu legen, ruht das Stück Holz für einen Moment in seiner Hand, bevor er es widerwillig wieder zurück auf den Holzhaufen auf dem Boden wirft.
„Kommst du nun? Der Mann wartet in der Eingangshalle.“ Langsam wird die Magd unruhig. Es ist unhöflich einen Gast so lange warten zu lassen. Besonders wenn man nicht weiß mit wem oder was man es zu tun hat. Doch endlich scheint Iestin begriffen zu haben. Zwar ist an seinem Gesichtsausdruck, ja sogar an seiner ganzen Körperhaltung abzulesen, das er keine große Lust verspürt diesem Fremden entgegen zu treten. Doch das kann Nuala egal sein. Wichtig ist nur, dass Iestin sich entschlossen hat, sich den Besucher einmal näher anzuschauen. Alles andere wäre auch ziemlich unverschämt und unhöflich gewesen!

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Njucon am 12. Jan. 2009, 20:41 Uhr
Langsamen Schrittes geht er ein kleines Stück, am Strand entlang, seinen Blick auf das weite Binnenmeer geheftet. Dies wäre ein wahrlich wundervoller Tag, um einfach einige Stunden am Strand zu verbringen und die Seele baumeln zu lassen, dem Rauschen der Wellen zu lauschen und ein paar Gedanken an seine verlorene Heimat zu verschwenden. Aber dem jungen Albino steht schon seit einiger Zeit nicht der Sinn danach und gerade jetzt, wo sich der langersehnte Erfolg eingestellt hat, schon gar nicht.

„Endlich!“, flüstert Njucon und ein breites gewinnerisches Lächeln zieht sich über sein Gesicht. Er ist am Ziel seiner Suche.
 Ja, endlich ist es soweit. Jetzt müssen wir geschickt vorgehen!
„Hm…wir?“ Njucon´s Lächeln verschwindet und er betrachtet nachdenklich das große Tor vor dem er stehen bleibt. Ganz beiläufig legt er seine linke Hand auf den Knauf des schwarzen Schwertes an seiner Seite.
„Ilai, Ihr müsst und werdet Euch zurückhalten, während ich den alles entscheidenden Schritt machen werde.“
Nun gut, mir bleibt wohl nichts anderes übrig, oder?
„Richtig!“ Kurz blitzt es in seinen Augen auf,  als er leicht bestätigend nickt und gleichzeitig das Tor öffnet.  „Und jetzt… schweigt, Ilai!“


Auch wenn Ilai viel dazu beigetragen hat, ihn zu finden, braucht der junge Albino einen klaren und vor allem ruhigen Kopf. Bissige Bemerkungen oder angeblich gut gemeinte Kommentare von Ilai sind das Letzte was er brauchen kann. Noch einmal geht er, auf dem Weg zum Haus, alles im Kopf durch. Gedanklich legt er sich seine Ansprache zurecht und klopft dann, mit einem frechen Grinsen bei dem plötzlichen Gedanken an seine allzu nette Nachbarin, an die Tür des Ulmenanwesens.
Es braucht nicht lange da öffnet ihm auch schon jemand und verspricht, die von ihm gesuchte Person zu holen. Gespannt wartet er eine Weile in der Halle.
Eine Sache noch Ilai! Njucon verzichtet bewußt darauf laut mit Ilai zu sprechen. Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihn jemand hört.Solche wichtigen Informationen wie z.B. das Ihr selbst diesen Mann im Haus der Bücher gesehen habt… und ihn vielleicht wieder erkennen könntet…solche wichtigen Dinge möchte ich in Zukunft früher erfahren!  Nein, ich will, so etwas sofort wissen, Ilai!! Verstanden!?!
Ja, das habe ich Euch doch schon versichert. Ich sah ihn in der Harfe und da…schwupps da war sie…die Erinnerung daran, ihn schon einmal gesehen zu haben und der Namen Iestin. Seht...da ist er!

Die junge Frau,  die ihm vorhin die Tür geöffnet hat, vermutlich eine Magd hier im Hause, betritt, gefolgt von einem großen schlanken Mann mit langen blauschwarzen Haaren die Halle und nickt ihm freundlich zu.
„Verzeiht, dass Ihr so lange warten musstet“, sagt sie knapp und lässt dann die beiden Männer in der Halle stehen, während sie ihren Wischeimer wieder aufnimmt und etwas weiter abseits wieder mit dem putzen beginnt.

Da seid Ihr also, Iestin! Ihr wisst ja gar nicht wie es mich freut Euch zu sehen.

Njucon unterdrückt sein grinsen und spricht ruhig und selbstsicher.„Nun, ich hoffe ich störe Euch nicht so früh am Morgen. Gestattet, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Njucon Aleris und ich arbeite im Haus der Bücher. Ihr seid Iestin, nicht war?“
Er läßt eine kleine Pause, in der er Iestin Gelegenheit gibt, sich zu äußern. Iestin nickt einfach und mustert sein gegenüber.
„Gut. Wie ich bereits sagte, ich arbeite im Haus der Bücher und…ich habe da etwas...entdeckt!“ Während Njucon weiter spricht holt er eine Schriftrolle unter seinem Umhang hervor. „Ich bin bei meinen Studien über eine sehr interessante Sache gestolpert, die wie Led mir sagte, Euch ebenfalls sehr interessiert. Aber seht selbst!“
Der junge Albino hält nun dem Knecht, der ihn immer noch mit wachen blauen Augen begutachtet, die Schriftrolle entgegen.  
   
Jetzt bin ich gespannt. Fragt Ihr mich, ob ich es Euch vorlese oder überspielt Ihr die Sache einfach und verzichtet auf die Bedeutung der Worte.


Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 15. Jan. 2009, 09:41 Uhr
Wenig begeistert folgt Nathan Nuala in Richtung Eingangshalle. Ein Besucher für ihn? Wer soll das bitte sein? Ja natürlich, hat er im Laufe der letzten Monde den einen oder anderen in der Stadt kennen gelernt. Aber mehr als seinen neu zugelegten Namen Iestin wussten die wenigsten von ihm. Seltsam, wirklich seltsam.
So ist es nicht verwunderlich, dass Nathan sogar mit ein wenig Neugier an Nuala vorbei in die große Eingangshalle schaut, als die beiden sie betreten. Was immer Nathan erwartet hat, der Mann den seine Augen dort entdecken, ist ein befremdlicher Anblick. Bleich, schlank, groß mit unnatürlich roten Augen, die ihn unverhohlen von oben bis unten mustern. Kaum das Nathan sich ihm genähert hat, stellt sich der Besucher als Njucon Aleris vor.
Njucon Aleris? Haus der Bücher? Was will so ein Vogel wie du von mir. Ich bin mir sicher, dass wir uns noch nie über den weggelaufen sind. An jemanden wie dich würde ich mich erinnern.
Nathan nickt einfach kurz und überlässt es dem Fremden sich weiter zu erklären.
<„Gut. Wie ich bereits sagte, ich arbeite im Haus der Bücher und…ich habe da etwas...entdeckt! Ich bin bei meinen Studien über eine sehr interessante Sache gestolpert, die wie Led mir sagte, Euch ebenfalls sehr interessiert. Aber seht selbst!“>, sagt das Bleichgesicht und überreicht ihm eine Schriftrolle. Seine roten Augen lassen Nathan dabei keinen Moment aus den Augen.
Für einen Moment stockt der schwarzhaarige Knecht.
Was soll das? Was habe ich mit irgendeiner dummen Schriftrolle zu tun? Und überhaupt wer oder was soll Led sein? Was für ein Unfug!
Doch gerade als er seinem ausgebleichten Gegenüber die Schriftrolle wieder zurückgeben möchte, hält er plötzlich mitten in der Bewegung inne. Haus der Bücher...interessante Sache...Led. Ein Gedanke durchzuckt ihn wie ein Blitz. Kann das wirklich sein?
Seine Augenbrauen wandern zu dunklen Strichen zusammen, als in das leicht lächelnde Gesicht des jungen Mannes starrt.
„Welche interessante Sache?“, fragt er mit einem eindeutig misstrauischen Unterton in seiner Stimme. Seine Finger umklammern die Schriftrolle, allerdings ohne irgendwelche Anstalten zu machen, sie zu öffnen, geschweige denn sie zu lesen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Njucon am 15. Jan. 2009, 10:30 Uhr
Njucon sieht wie es in dem jungen Mann arbeitet, wie er versucht aus den gewählten Worten von ihm herauszufinden, was dass alles zu bedeuten hat. >„Welche interessante Sache?“< kommt es schließlich aus Iestin heraus.
Er ist misstrauisch! Eindeutig. Hat es etwas mit den Malsebior zu tun oder versteht er noch nicht worum es hier geht?
„Nun schaut einfach in die Schriftrolle. Dann werdet ihr verstehen.“ Sagt er freundlich. Ich kann mich auch irren aber es scheint mir, als wäre es in seinem Sinne, nicht gerade hier vor anderen das Thema auszuweiten.  „Ich denke es wird auch in Eurem Interesse sein, dass wir uns, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, unter vier Augen unterhalten.“ Ganz beilläufig sieht Njucon zu Nuala hinüber. Ja, und das wäre auch in Njucons Sinne. Es gibt weitaus bessere Orte als diesen hier um darüber zu sprechen. Vor allem Orte wo einen niemand stört und keine fremde Ohren lauschen.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 18. Jan. 2009, 19:13 Uhr
Nathan folgt dem Blick des hochgewachsenen Besuchers zu Nuala, die immer noch damit beschäftigt ist die Treppenstufen von dem angesammelten Staub und Dreck zu säubern. Akribisch fegt sie jede einzelne der massiven Stufen bevor sie zu Lumpen und Besen greift, um wie versessen den Boden zu schrubben..Dabei pfeift sie leise, kaum hörbar, ein Liedchen vor sich hin.
Richtig, Fremder, wenn du wirklich aus dem Haus der Bücher stammst und mir Informationen über die Malsebior bringst, ist mein Bedarf dieses Wissen mit einem der anderen aus dem Haus zu teilen geringer als gering. Aber seltsam ist es schon!...Warum meldet sich das Haus der Bücher nach so langer Zeit und warum macht sich so ein Kerl wie du die Mühe, mir diese Schriftrolle zu überbringen?
Seine Eingeweide ziehen sich allein bei den Gedanken an diese schmierige Organisation namens Malsebior schmerzhaft zusammen.
Er muss vorsichtig sein. Niemand in Talyra darf ihn mit diesen Leuten in Verbindung bringen. Jetzt wo er hier in der Einganghalle mit dem diesem weißhaarigen Gesellen herumsteht, könnte er sich wahrlich für seinen leichtsinnigen Besuch im Haus der Bücher Ohrfeigen.
Er verzieht ein wenig das Gesicht und betrachtet die Schriftrolle in seiner Hand. Anderseits, vielleicht hat der „Bote“ oder was immer dieser Njucon Aleris ist, ja wirklich eine für ihn wertvolle Information entdeckt.
„Ich werde mir die Schriftrolle bei Zeiten ansehen“, brummt Nathan schließlich. „Wenn ich noch Fragen an Euch habe, weiß ich ja wo ich euch finden kann.“


Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Njucon am 19. Jan. 2009, 16:19 Uhr
Jetzt, nun sagt ihm wo ihr ihn zu treffen gedenkt und wie wichtig die Angelegenheit ist Ilais Gedanken reißen Njucon einen Moment aus seinen eigenen Gedanken. Er muss sein ganzes Schaustellerischen Talent aufbieten um Ilai nicht lautstark zu Recht zuweisen oder gar seine Miene zu verändern. Er kann es nicht riskieren vor diesem Iestin auch nur eine Sekunde seine Maske fallen zu lassen. Hatten wir nicht etwas besprochen, ILAI! In seinen Gedanken an Ilai gerichtet schwingt viel Zorn mit. Njucon selbst ist überrascht von diesem starken Gefühl. Doch nicht zu lange darf er sich darauf einlassen. Sogleich richtet er wieder sein Wort an Iestin und er klingt wie auch eben gelassen und selbstsicher als er spricht. „Ihr habt sicherlich einige Fragen, genau wie ich. Es wird bestimmt interessant werden.“ Njucon macht eine freundliche und einladende Geste mit der linken Hand bevor er sie auf Ilais Knauf setzt um einen erneuten Anflug von Gedanken ihrerseits zu unterbinden. Wagt es nicht!
Stille!

„Lasst es mich wissen wenn ihr Bereit seid, Iestin. Ja, ihr wisst wo ihr mich finden könnt, ebenso wie ich weiß wo ich Euch finden werde.“ Er wartet noch einen moment und richtet dann sein Wort an Nuala

„Ich finde allein hinaus danke!“ Sagt er mit einem lächeln der Frau entgegen, die sich schon drauf und dran machen wollte ihn zur Tür zu geleiten, da es ja Iestin wohl nicht in den Sinn zu kommen scheint seinen besuch zur Tür zu bringen. „Ich wünsche Euch noch einen guten Tag und freue mich, Euch Iestin bald wieder zusehen.“ Sagt er bevor er sich umdreht, zur Tür geht, sie öffnet und das haus verläßt.

Draußen angekommen lächelt Njucon verstohlen und macht sich auf den Weg zur goldenen Harfe.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 28. Feb. 2009, 17:01 Uhr
Njucons Handbewegung ist unauffällig. Beiläufig wandern die schmalen Finger des Besuchers an den Knauf seines schwarzen Schwertes, während Nathans Augen seiner Bewegung eher zufällig als bewusst folgen. Vielleicht wäre ihm das verschlungene Zeichen auf der Schwertscheide ohne die seltsamen Anspielungen des Fremden gar nicht aufgefallen, wer achtet schon so genau auf kleine Symbole auf Schwert und Scheide seines Gegenübers. Doch die Worte und das Auftreten Njucons haben Nathan in Alarmbereitschaft versetzt.
Für einen kurzen Moment stockt dem schwarzhaarigen Knecht der Atem. Er spürt wie ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht weicht und sein Herz plötzlich zu rasen beginnt, als befände er sich auf der Flucht. Dieses Zeichen auf dem Schwert - er kennt es nur zu gut. Manchmal verfolgt es ihn in seinen Alpträumen, dann wenn er an Mandred und die Nacht in dem kleinen abgelegenen Gasthof träumt und ihm sein Unterbewusstsein Bilder zeigt, die er eigentlich vergessen will.
Malsebior….Der Name der dunklen Loge halt wie ein Echo durch seinen Kopf.
Sie haben ihn gefunden!
<„Lasst es mich wissen wenn Ihr Bereit seid, Iestin. Ja, Ihr wisst wo Ihr mich finden könnt, ebenso wie ich weiß wo ich Euch finden werde.“>
Plötzlich erhalten Worte des Besuchers einen fahlen, metallischen Beigeschmack. Unfähig auch nur einen Satz über die trockenen Lippen zu bekommen, nickt Nathan einfach nur und verfolgt mit zu Schlitzen verengten Augen wie der Fremde das Haus verlässt.
Es ist also so weit, die Zeit des Versteckspiels ist vorüber. Unwillkürlich packen Nathans Finger die Schriftrolle in seiner Hand ein wenig fester.
„Stimmt etwas nicht mit dir, Iestin?“, Nualas sorgenvolle Stimme reißt den Knecht aus seiner Starre und lässt ihn kurz zusammen zucken. Stimmt ja, der Fremde und er waren gar nicht alleine in der Eingangshalle gewesen. Mit ein paar schnellen Schritten ist die Magd neben ihm und legt ihm vorsichtig ihre Hand auf seinen Arm. Ihre warme Handfläche hinterlässt ein unangenehmes Gefühl in Nathans Magengegend.
Ihr wisst, wo Ihr mich finden könnt, ebenso wie ich weiß, wo ich Euch finden werde….. Noch einmal hallen die so scheinbar belanglos daher gesprochenen Worte Njucons durch seinen Kopf. Dann reißt er mit einer groben Bewegung seinen Arm frei. Nuala stoplert durch den Schwung ein paar Schritte nach hinten. Nun ist es an ihr, vor Erstaunen den Mund weit aufzusperren und ihn anzustrarren.
„Kümmer dich um deinen eigenen Dreck,“ zischt er sie an. In seiner Stimme schwingt mehr Wut und Zorn mit als er eigentlich beabsichtigt hatte. Doch er hat nun wahrlich besseres zu tun, als sich um die Befindlichkeiten einer Magd zu kümmern. Als erstes muss er sein rasendes Herz beruhigen und einen kühlen Kopf zurück erlangen. Er darf sich nicht hinreißen lassen, nicht die Kontrolle verlieren.
Er ignoriert Nualas entrüstetes Japsen über sein ruppiges Verhalten und stürmt, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, Richtung Küche. Seine Gedanken galoppieren währenddessen wie wild in seinem Kopf hin und her.

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Nathan am 23. Apr. 2009, 19:31 Uhr
Mehr als einmal lässt Nathan den Handflächen großen Turmalin von der einen in die andere Hand gleiten. Selbst das schwache Mondlicht, das seine Kammer in ein dämmriges Licht taucht, reicht aus, um den Stein in all seiner Pracht funkeln und glänzen zu lassen. Ein grüner Stein, zu einem 20-seitigem Kristall geschliffen, wertvoll und ohne Zweifel ein Schatz und dennoch gleichzeitig die größte Bürde, die jemals auf seinen Schultern gelastet hat. Wenn er damals nur nein gesagt hätte, dann wäre vieles die letzten Zwölfmonden anders gelaufen.  
Hätte, wäre, wenn …. Ein Seufzer entfährt seinen Lippen als er schließlich den Stein zusammen mit einem Heller aus einfachen Eisen zurück in das Leinentuch legt. Doch für Selbstmitleid und trübselige Grübeleien ist nun wirklich nicht der passende Zeitpunkt. Er wirft noch einen letzten Blick auf das unscheinbare Geldstück, das er zusammen mit dem grünen Turmalin oben auf dem Dachboden versteckt hatte. Ein Heller, wie jeder andere, wäre da nicht dieses seltsame verschlungene Symbol auf seiner Vorderseite, das für Nathan wie ein kryptischer Taschenkrebs mit zwei stilisierten Greifzangen aussieht. Dasselbe Symbol, das er heute Morgen auf dem Schwert des Fremden entdeckt hat. Zufall? Nein….Nathan glaubt nicht mehr an Zufälle, zumindest was die dunkle Loge Malsebior und ihre Machenschaften angeht.
Hastig packt er seine Habseligkeiten in eine große Ledertasche. Die Schriftrolle, die er von Fremden namens Njucon erhalten hat, legt er als letztes dazu. In Augenblicken wie diesen zahlt es sich aus, dass er noch nie viel besessen hat. Zum ersten Mal seid einigen Monden trägt er wieder seine alte zerschlissene Lederkleidung. Sie ist sauber, die gröbsten Löcher sind geflickt und doch es ist nicht zu übersehen, dass die besten Zeiten seiner Hose, Jacke und der Stiefel schon längst vorbei sind. Sei’s drum. Es ist ein gutes Gefühl wieder die eigenen Sachen zu tragen. Seine Scheinidentität namens Iestin liegt ordentlich zusammengefaltet und zusammen mit den anderen Gegenständen, die er im Laufe der Zeit von Cassandra und Ullmar erhalten hat, auf dem Bett und er hat nicht vor, etwas davon mit zunehmen. Keine Andenken, keine Sentimentalitäten, keine Erinnerungen.
„Es ist so weit“, flüstert er leise Rix zu, während er sich die Tasche im den Hals hängt. Der Kleine Sitechrabe sitzt wie immer auf ihrem Lieblingsplatz, die linke Schulter ihres Herren und reibt vergnügt den Schnabel an Nathans Kopf.
„Es ist so weit.. Es ist soweit“, äfft sie munter seine Worte nach und lässt sich erst nach mehreren gezischten Shhhhhs und einem groben Klaps auf den Schnabel ruhig stellen.  
„Drecksvieh…“, brummt er leise.  
Bevor er jedoch die Tür seines Zimmers öffnet, überprüft er sicherheitshalber, dass Rix ihren verdammt Schnabel hält. Doch die Zeichen stehen gut. Der Rabe hat ihm den Hintern zugedreht und scheint ihn die nächste Zeit, durch Liebesentzug und Nichtbeachtung für seinen Schlag bestrafen zu wollen. Bestens…
Auf Zehenspitzen schleicht er durch die Tür und den dunklen Gang Richtung Küche entlang. Immer darauf bedacht, die knarrenden Bohlendiehlen vor seinem Zimmer so zu belasten, das sie so gut wie keinen Ton von sich geben. Nichts regt sich. Nur ganz leise vernimmt er irgendwo aus einer Kammer weiter hinten ein regelmäßiges, grunzendes Schnarchen. Erst als er die große Eingangshalle des Anwesens erreicht könnt Nathan sich und seinen Zehenspitzen ein kleine Verschnaufpause.  
Nun ist es also soweit, seine Zeit als Knecht Iestin auf Vinyamar neigt sich dem Ende zu. Doch bevor er verschwindet, will er noch etwas zu Ende bringen. Und dazu muss er in den ersten Stock des großen Hauses. Eigentlich ist es eine richtige Schnapsidee, die Hausherrin mitten in der Nacht aus dem Schlaf oder dem schlafähnlichen Zustand, in dem  Elben ihre Nächte verbringen, auf zu schrecken. Aber Nathan hat keine Lust, auf den nächsten Morgen zuwarten. Die Aussicht sich von allen verabschieden zu müssen, behagt dem Hexer überhaupt nicht. Arúen des Nächtens zu stören, allerdings auch nicht. Doch wenn er das eine gegen das andere abwägen muss, fällt es ihm nicht schwer eine Entscheidung zu treffen. Und mit ihr reden, das muss er, den sein Versprechen der Elbin gegenüber hat er nicht vergessen.
So schleicht Nathan leise die Steinstufen nach oben, immer bedacht keinen Lärm zu verursachen, bis er schließlich Arúens Privatgemächer erreicht. Mit angehaltenem Atem lauscht er in die Stille. Nichts. Vinyamars Hausherrin scheint zu schlafen. Also gut. Ohne längeren Zögerns klopft er gegen ihre Zimmertür. Erst einmal, dann zweimal…

Hier gehts weiter wenn Arwen wieder zurück ist. Inzwischen gehts weiter --> im Perlhafen

Titel: Re: Vinyamar Alalminórë
Beitrag von Arwen am 25. Feb. 2010, 19:06 Uhr
Im Eisfrostmond 510


Der Nannar, der Eisfrostmond macht seinem Namen alle Ehre und vergeht mit eisigem Frost und immerwieder auch mit neuem Schnee. Der Rasen im Garten ist unter einer dicken Decke aus Schnee und Eis verschwunden und die Bäume mit ihren eis- und reifüberkrusteten Zweigen wirken wie von Feenhand verzaubert. Selbst die Samenstände einiger Sommerblumen in den Beeten rund um das Haus werden von kleinen eisigen Tropfen und Kristallen verziert. Leiser Schneefall setzt an diesem Morgen aus dem stahlblauen Himmel wieder ein, ohne dass er das sanfte, goldene Licht dieses Tages trüben könnte, und weiße Flocken taumeln wie Daunen im sachten Luftzug zu Boden. Der Garten wirkt fast wie ausgestorben, als Arúen und Rialinn die gefegten Wege im Garten verlassen und sich einen stillen Platz zwischen immergrünen Ilexbüschen suchen. Eigentlich warten im Tempel genügend Pflichten - und lästiger Schreibkram - auf die Elbin, aber diesen Morgen hat sie ihrer Tochter versprochen. Die neueste Lieblingsbeschäftigung des fünfeinhalbjährigen Mädchens ist es in diesem Winter, all die gefiederten und bepelzten Mitbewohner und Untermieter im vinyamarschen Garten zu beobachten. Dummerweise ist sie nur meistens viel zu ungeduldig und zu zappelig, um dann tatsächlich mehr als bloß ein paar vorwitzige Meisen in dem von Cassandra  aufgehängten Futterhäuschen für die Vögel zu Gesicht zu bekommen. Und so hat sie ihrer Mutter das Versprechen abgenommen, dass die ihr zeigen würde, wie man das macht mit dem Beobachten, damit man auch was hat, was man beobachten kann. Gut verpackt in warme Lammfellstiefel, dicke Hosen und Tuniken unter pelzgefütterten Mänteln hocken Mutter und Tochter nun wohl verborgen zwischen Ilexbüschen. Jede hat eine möglichst bequeme Position gefunden und der verharschte Schnee knirscht auch nicht mehr unter ihren Füßen und Knien. Mit vor Aufregung funkelnden Augen dreht die kleine Elbin sich zu ihrer Mutter um und öffnet den Mund um etwas zu sagen, doch Arúen schüttelt sofort den Kopf. Schhh Rialinn, nicht... Von jetzt an müssen wir ganz leise sein und dürfen uns auch nicht mehr bewegen. Wir müssen warten, bis die Tiere, die uns haben kommen sehen, vergessen, dass wir hier sind. Und andere Tiere dürfen uns nicht bemerken, wenn sie kommen. Ein kurzes zustimmendes Senden kommt von ihrer Tochter, die sich aufmerksam dem Garten zuwendet und dann erstarrt, als sei sie einer der Eiszapfen, die im Morgenlicht an den Dachtraufen glitzern.

Arúen merkt, wie die Kälte ihre Finger kribbeln lässt. Ich hätte doch Handschuhe anziehen sollen. Rialinn hab ich ja auch ihre Fäustlinge gegeben. ärgert sie sich über sich selber. Es dauert eine ganze Weile, ehe sich etwas rührt, aber dann wuselt etwas Rotes durch Äste und am Stamm einer der Ulmen herunter. Rialinn, da... dort drüben, unter der Ulme... ein Eichhörnchen Im Gegensatz zu den beiden Elbinnen scheinbar völlig unbeeindruckt von der Kälte hockt ein Eichhörnchen unter dem Baum. Der quirlige kleine Kerl hat offensichtlich Hunger und deswegen seine Winterruhe unterbrochen. Jetzt hockt er da und gräbt unter der harten Schneedecke und dem angefrorenen Laub darunter nach versteckten Vorräten. Die hat er im Herbst angelegt und an verschiedenen Stellen - die er sich meist nicht merken kann - vergraben. Doch diesmal hat er Glück und findet seine Vorratskammer wieder: Eine Haselnuss. Das Tier nimmt sie zwischen die Vorderzähne, saust den Stamm wieder hinauf und klettert mit schlafwandlerischer Sicherheit bis in die äußersten Spitzen der Äste5. Der frische Pulverschnee vom Morgen rieselt von den Zweigen zu Boden, und einige Flocken verfangen sich an dem buschigen Schwanz und in den Ohrpinseln des Eichhörnchens und glitzern in der Sonne, als habe jemand dem Nager Kristalle ins Fell gestreut. Bei seinem oft waghalsig erscheinenden Turnen durch Äste und Zweige bewegt sich der possierliche Nager unglaublich geschickt und balanciert mit einer Sicherheit über die dünnsten Äste und Zweige, die einen Seiltänzer vor Neid erblassen ließe. Weiter geht es mit einem eleganten Satz auf den nebenstehenden Apfelbaum. Dort angekommen hockt sich der Nager hin, sichert kurz in alle Richtungen und macht sich dann daran, der Nussschale,  die ihn noch von seinem wohlverdienten Mahl trennt, mit scharfen Zähnen zu Leibe zu rücken.

Eama, Eama!... Schau, jetzt kommen die ganzen Vögel, die ich immer vom Fenster aus gesehen hab' Vor lauter Aufregung überschlägt sich die geistige Stimme des Kindes fast, und Arúen muss über die Begeisterung ihrer Tochter lächeln. Hoffentlich bewegt sie sich jetzt nicht vor lauter Aufregung, sonst fliegen sie alle wieder weg. Und DIE Enttäuschung würde sie ihrer Tochter gerne ersparen. Aufgeplustert sitzen überall Vögel in den verschneiten Zweigen.
Da, unter dem Vogelbeerbaum, das sind eine Amsel und zwei Buchfinken. Der Buchfink ist der mit dem blaugrauen Kopf und dem braunroten Bauch. Sie suchen nach runtergefallenen Beeren. Sofort folgt der Blick Rialinns den Worten ihrer Mutter. Das ist der Baum mit den roten Beeren, oder? Vogelbeerbaum... heißt der so, weil nur die Vögel die Beeren fressen? Daira hat gesagt, die sind giftig... und sie hat auch anders zu dem Baum gesagt... Krampetsbaum oder so... Fast hätte jetzt Arúen ihre eigene Anweisung, sich nicht zu bewegen, um die Tiere nicht zu verschrecken vergessen und sich zu ihrer Tochter umgedreht. Stimmt, weil die Vögel die Beeren fressen, nennt man ihn Vogelbeerbaum. Die Beeren sind nicht richtig giftig, aber man bekommt Bauchweh, wenn man sie roh isst. Aber man kann Marmelade aus ihnen kochen. Der Baum hat viele Namen. Krametsbeerbaum nennen ihn manche, so wie Daira, und wieder andere sagen Eberesche dazu. Und er hat bestimmt auch noch andere Namen, die wir nur noch nicht gehört haben.... Schau, da drüben, bei den Hagebutten... da sind noch mehr Buchfinken. Tatsächlich. Einige der bunten Gesellen haben die leuchtend roten Früchte der Heckenrose entdeckt. Lauthals zwitschernd machen sie sich über das Fruchtfleisch her und streiten keifend darum, wer denn nun die Größte der Früchte bekommt. Was dann letztendlich eines der unscheinbaren Weibchen ist, während die bunten Männchen noch streiten.
Auch in den Blumenbeeten auf dem Weg hoch zum Küchengarten herrscht trotz Schnee und Frost reges Treiben. Eama, was ist das für ein Vogel? Der da hinten,... Der Bauch von dem ist so gelb wie die Sonnenblume im Sommer Einen Augenblick muss Arúen suchen, ehe sie den Vogel sieht, den ihre Tochter meint. Sie hatte im Spätsommer nicht alle Sonnenblumen ernten lassen. Zwei der hochgewachsenen Blumen waren mit dünnen Stangen gestützt und für die Vögel stehen gelassen worden. Und einer von eben diesen Blütenständen wird nun von einem fleißigen Federträger besetzt, der versucht einen der Kerne zu erbeuten. Es dauert eine Weile, aber dann hat er Erfolg und flüchtet mit seiner Beute in einen nahegelegenen Baum. Das ist eine Kohlmeise, min Arzaen. Und bevor Du fragst: Nein, ich weiß nicht, warum der so heißt. Vielleicht wegen der schwarzen Haube auf dem Kopf.

Ein einzelner farbenprächtig gefiederter Vogel lenkt die Aufmerksamkeit ihrer Tochter aber schon wieder in eine andere Richtung. Eine einsame Distel neben dem Weidenflechtzaun des Küchengartens verliert ihre Samen an einen hungrigen Stieglitz. Hihi, Eama, der ist lustig, der sieht aus, als hätte er eine rote Maske im Gesicht und gelbe Streifen am Flügel. Kennst Du den? Ein stummes Seufzen, begleitet von einem Lächeln. Das Kind kann im Laufe eines Tages mehr Fragen stellen, als Arúen Antworten hat. Es ist manchmal schlicht unglaublich, was für einen unstillbaren Wissensdurst Rialinn hat. Und sie will Antworten. Prompt und unmissverständlich. Klar, das versteht jede Mutter. Schließlich ist sie ja allwissend, oder?! Das ist glaube ich ein Distelfink. Und dreimal darfst Du raten, warum man den so nennt... zwinkert die Elbin ihrer Tochter zu und bekommt prompt ein gedankliches Lachen zur Antwort. Weil der die Samen von den Disteln frisst.
Im Schneeball, einem Gehölz, das erst im Sommer mit seinen weißen Blütendolden seinem Namen gerecht wird und dafür jetzt im Winter leuchtend rotgelbe Fruchtdolden trägt, hat sich ein kleiner Schwarm Seidenschwänze niedergelassen, mit ihren bunten Schwanz- und Flügelspitzen sonst höchst seltene Gäste im winterlichen Garten, treibt sie dieser Winter dann doch auf ihrer Futtersuche in die Gärten der Stadt.
Die immergrüne Ligusterhecke mit ihren dunklen, fast schwarzen Beeren zieht dagegen auch andere Vögel wie Amseln und Rotkehlchen an. Und die roten Beeren des Feuerdorns, die bisher wie so oft im Winter verschmäht wurden, werden von den gefiederten Gästen nun, da die meisten der schmackhafteren Früchte verzehrt sind und der Winter noch immer andauert auch angenommen - notgedrungen.

Wenn es nach Rialinn ginge - was es in diesem Fall nicht tut - könnten sie die Vögel noch den ganzen Tag beobachten. Aber trotz der warmen Kleidung kriecht die Kälte aus dem Boden langsam durch Stiefel und Mantel in Arúens Beine. Ganz abgesehen davon, dass ihre Finger schon lange eiskalt sind. Ihre Tochter dagegen macht ihrem NamenFeuerkind alle Ehre, erklärt, ihr sei noch ganz warm, außerdem scheine die Sonne und es sei doch für Winter richtig warm. Und vom Hineingehen will sie schon gleich gar nichts hören. Aber es nützt alles nichts. "Rialinn, fang jetzt nicht an zu schmollen. Das nützt Dir auch nichts. Ich hatte Dir versprochen, dass wir heute morgen im Garten die Tiere beobachten. Und das haben wir getan," flüstert Arúen um nicht sofort alle Vögel in direkter Nähe aufzuscheuchen. "Aber ich habe Dir auch gesagt, dass ich noch vor dem Mittagessen in den Tempel muss, wenn wir heute Nachmittag zusammen zum Platz der Händler wollen. Du kannst es Dir aussuchen. Wenn ich jetzt noch hierbleibe, dann muss ich heute Nachmittag in den Tempel und wir können nicht zur Nyzemia." Das gibt dann doch den Ausschlag, dass Rialinn freiwillig mit ihrer Mutter ins Haus zurückkehrt. Denn den gemeinsamen Besuch der Nyzemia will sie sich auf keinen Fall verscherzen.



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