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Das Rollenspiel >> Die Stadt Talyra >> Der Westflügel der Steinfaust
(Thema begonnen von: Olyvar von Tarascon am 15. Okt. 2004, 22:36 Uhr)

Titel: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 15. Okt. 2004, 22:36 Uhr
Im äußersten Westflügel der Steinfaust liegen am Ende eines hohen, langen Ganges, der auch am Solar des Lord Commanders vorbeiführt, die Privatgemächer Olyvars und Dianthas von Tarascon. Dieser Gang ist mit schmalen Bogenfenstern hinaus zum Inneren Zwinger versehen und des Nachts von zahlreichen Fackeln in eisernen Wandhaltern erhellt und endet schließlich vor einer breiten, hohen Tür aus eisenbeschlagener polierter Steineiche in deren Mitte ein schlanker Anklopfer in Form eines stilisierten Blattes prangt.

Öffnet man diese Tür, gelangt man in eine kleine Vorhalle, etwa fünf Schritt breit und drei Schritt lang. Ihre verputzten Wände sind halbhoch mit honigfarbenen Holzkassetten verkleidet und darüber befinden sich eiserne Haken in geschwungenen Formen für Umhänge, Mäntel und Capes. Zwischen den Haken wechseln sich an den Wänden Laternen mit Borden und Ablagen ab, und an der rechten Längswand lädt eine Bank aus sandgescheuertem Holz mit geschnitzter Rückenlehne und weichen Kissen zum Sitzen ein. An der gegenüberliegenden Längswand ist ein Alkoven mit einem tief gesetzten, breiten Fenster das auf den Inneren Zwinger hinausgeht. An der Wand gegenüber dem Eingang ist eine weitere Tür aus hellem, mit Intarsien verziertem Eichenholz, die in eine sicherlich zwanzig Schritt lange und zehn Schritt breite Säulenhalle führt, die eine hohe Decke mit offenem Dachgebälk trägt.

Die Wände der großen Halle sind in einem warmen, verblichenen Pergamentgelb gestrichen. Sechs wuchtige Säulen aus altersbleichem, silbergrauem Steineichenholz tragen die Decke. Ihre Kapitelle gehen nahtlos in die offenen Dachbalken über und sie sind von unten bis oben über und über mit verschlungenen Mustern verziert. Der Boden der Halle ist aus glatten, hellen Natursteinplatten, doch anstatt mit Binsen ist er mit dicken azurianischen Teppichen in dunklen Blau-, hellen Elfenbein- und zarten Silbertönen ausgelegt.

Durch mehrere, hoch gesetzte Bogenfenster an der linken Längsseite fällt genug Licht ein, so dass der Raum trotz der Säulen mit ihren wuchtigen Schnitzereien und des verwaschenen, pergamentfarbenen Tons der Wände selbst an düsteren Tagen immer hell wirkt. Die Halle hat schon wegen ihrer Größe zwei imposante Kamine, einen sehr breiten in der kurzen Wand der Stirnseite gegenüber dem Eingang, und einen etwas kleineren an der rechten Längswand.

Beide Kamine besitzen verschwenderisch üppig gestaltete Rahmen aus hellem Stein und werden eingefasst von Weinranken und Rosen, Seharim und Ältesten Wesen, springenden Hirschen, Feen, Laub und Kobolden - ein wenig skurril und absonderlich im Detail, vor allem da die Kobolde mit den merkwürdigsten Dingen beschäftigt sind -, aber durchaus schön anzusehen. An der Stirnseite der Halle, ein ganzes Stück links neben dem Großen Kamin, geht eine weitere intarsienverzierte Tür aus hellem Holz ab, an der rechten Längswand der Halle zu beiden Seiten des Kamins befinden sich ebenfalls zwei Türen, die in die angrenzenden Räume des Westflügels führen.

Im vorderen Teil der Halle, zwischen den mächtigen grauen Säulen, steht ein langer Tisch umgeben von hochlehnigen Stühlen aus dem gleichen hellen Holz, in dem alle Möbel der Halle gehalten sind. Über dem Tisch hängt an einer Eisenkette von einem der Balken des Dachgewölbes ein sehr schlichter runder, eiserner Kronleuchter, auf dem zwölf dicke, elfenbeinfarbene Kerzen prangen. An den Wänden links und rechts des Eingangs und unter den hoch gesetzten Fenstern an der linken Längsseite finden sich halbhohe Geschirrschränke und Wandborde aus gewachstem, honigfarbenem Pinienholz mit zierlichen schmiedeeisernen Beschlägen und Griffen, in welchen Steingut, kostbares Glas, Silber, Kelche, Tischwäsche und Geschirr aufbewahrt werden. Um diesen, den vorderen, Teil der Halle bei förmlichen Anlässen vom Wohnbereich des Lord Commanders und seiner Familie abzutrennen, können vom hohen Gebälk der Decke aus drei schwere Gobelins zwischen den Säulen herabgelassen werden. Hauptsächlich in sattem Blau und glänzendem Silber gehalten, dienen sie mit ihren märchenhaften Motiven voller Sagengestalten und Fabelwesen zum einen als beeindruckender Schmuck, zum anderen sind sie aber auch so dick, dass sie sich hervorragend als Raumteiler eignen. Im Alltag sind sie in der Regel hochgezogen.

Im hinteren Teil der Halle, zwischen den hinteren Säulen und dem großen Kamin, finden sich unter einem zweiten schlichten Eisenkronleuchter zwei niedrige, aber ausladende azurianische Diwane. Sie sind bezogen mit rötlichem Kamelleder und belegt mit blausilbernen Kissen und weichen, hellen Pelzen. Zwischen ihnen steht ein kniehoher azurianischer Tisch mit nach innen gebogenen Füßen und feinen Intarsien aus Elfenbein an den Seiten. Auch hier bieten Kassettenschränke und Holztruhen an den Wänden Platz für Kinderspielzeug und Decken, Schnitzwerkzeug und allerlei Alltagsgerätschaften, außerdem stehen an der rechten Längswand zwei schmale hohe Regale mit etwa zwei Dutzend kostbaren ledergebundenen Büchern jeder Form und Größe. Allgegenwärtig sind tagsüber auf den Diwanen, dem Tisch oder dem Boden auch noch hölzerne Bauklötze, Stock-und-Ball, Kreisel, Rasseln und Flickenpüppchen, Marionetten, Murmeln und kleine Tiere aus Kastanien und anderen Nüssen (letztere mehr oder minder bunt bemalt oder von Hundezähnen angekaut) - auch wenn das Spielzeugchaos der Kinder allabendlich wieder ordentlich in die dafür vorgesehenen Kisten und Körbe geräumt wird.

Ein - durch zwei Kinder mittlerweile arg mitgenommener, aber einst prächtiger -  Kamelsattel mit ziemlich ramponierten Nähten und abgewetztem Leder steht neben dem Kamin und ein kostbares Schachspiel aus Ebenholz, Elfenbein und Perlmutt hat seinen Platz auf einer der höheren Kommoden, in sicherer Entfernung von allen neugierigen Kinderhänden. Anmutig geschwungene Öllampen aus bemaltem Ziegenleder spenden warmes Licht, das sich auf blanken Waffen an den Wänden spiegelt oder auf alten Gobelins, die Geschichten von Cobrin dem Priester und seinen Rittern erzählen, die Farben zum Leuchten bringt. Kunstvoll bemalte Kharsifziegel und fremdartige Masken aus Azurien an den Wänden, Rotholzschnitzereien aus Tarascon, eine uralte, bemalte Bodhran und eine immerfroster Bandurka, Kerzenständer aus poliertem Speckstein, Schatullen aus Holz, Perlmutt und Silber, Rauchwerkschalen und duftendes Honigweingras in glasierten Tontöpfen geben der Halle trotz ihrer Größe etwas wohnliches.

Die Tür an der Stirnseite der großen Kaminhalle führt durch einen kurzen Gang und eine halbrunde Steintreppe hinauf in ein Schlafgemach, dessen Erkerfenster an der Stirnseite nach Norden und an der Längswand nach Westen gehen und über Wehrgänge und Festungsmauern hinweg weit über das Larisgrün hinausblicken. Die bleigefassten Fensterscheiben sind facettiert, die inneren Rahmen aus goldbraunem Holz und mit ebenso üppigen Schnitzereien und Mustern versehen wie die Säulen und Kamine der Großen Halle - und die Fensternischen in den dicken Festungsmauern so breit, dass man bequem auf ihnen sitzen kann. An der Türwand ist rechts neben dem Eingang ein halbhoch gemauerter, offener Kamin, dessen steinerne Einfassung zierliche Blattornamente aufweist, flankiert von zwei hohen, aber schmalen, mit Fächern und Laden versehenen Wäschekommoden aus dunkel glänzendem, fein gemaserten Walnussholz.

Gegenüber dem Nordfenster wird die Längswand von einem breiten Himmelbett auf einem niedrigen Podest eingenommen. Seine wuchtigen und doch eleganten Pfosten, die ein sanft geschwungenes Dach gleich einem lichten Baldachin tragen, bestehen aus in sich gedrehten Säulen mit Einlegearbeiten aus graugrünem Marmor und Moosachat, gehalten von geschnitzten Ranken. Das hochgezogene Betthaupt und das geschwungene Fußende sind ebenso üppig, doch mit klaren Linien verziert und lassen die Maserung des feinen Nussbaumholzes wirken. Ein Schrank aus dem gleichen Holz, sowie eine mit Intarsien aus Rosenachat verzierte Truhe vervollständigen die Einrichtung des Schlafgemachs. Der Boden besteht hier aus glänzenden Dielen sehr dunklen Holzes und ist mit weichen Wolfspelzen und einem großen, silbriggrauen Fell vor dem Kamin versehen. Die Wände sind schlicht und weiß getüncht und wie in der Halle auch mit - wenn auch kleineren - Gobelins geschmückt. Am Kopfende des Bettes, über dem hoch gezogenen Haupt, zeigt ein kunstvoll bestickter, mit Silbergarn gefasster Wandteppich das Wappen der Tarascons, den weißen Hirschen, silbrig auf dunkelblauem Grund. Zwischen den Fenstern an der Westseite und dem Bett steht die große alte tarasconsche Wiege.

Die erste Tür, die von der Großen Halle auf der rechten Längsseite abgeht, führt zu einem zwölf Schritt langen und recht breiten Gang, dessen Wände unverputzt, doch dafür halbhoch mit Holz vertäfelt sind. Gleich rechts im Gang führt eine gewendelte Steintreppe in ein achteckiges Erkerturmzimmer hinauf und drei weitere Türen auf der rechten Seite führen zu einem Gastgemach und zwei weiteren, hellen Räumen, den Kinderzimmern. Links gehen schmälere Spitzbogentüren zu kleineren Kammern und einem Waffenraum ab. Zwischen den Türen stehen Korbtruhen und halbhohe Kommoden, in denen Wäsche, Leinen, Leder, Umhänge und ähnliches verstaut ist. Am Ende des Ganges ist eine Holztür mit Eisenbeschlägen und einem runden, bleigefasstes Bernsteinglasfenster, die zu einer überdachten, holzgeschnitzten Laube führt, die auf einem allseits ummauerten, grünen Innenhof blickt. Die Laube ist klein, hängt wie ein Bienennest am Mauerwerk und ihre wundervollen Schnitzereien sind zu zwei Dritteln überrankt von Blauregen - aber sie bietet Platz für zwei Stühle und einen kleinen Tisch aus Korbgeflecht. An der linken Seite der Laube lässt sich eine Wand öffnen und eine lange, von Witterung und Alter verblichene Holzstiege mit Handlauf geht in den ummauerten Garten hinab. Der rechteckige Innenhof ist nicht sehr groß, aber auch nicht klein, mit Gras bewachsen, ein paar uralte Obstbäume in seiner Mitte spenden Schatten und an den Mauern entlang ranken sich wild wuchernde Himbeeren.  

Das Turmzimmer ist ein hoher Raum. Es besitzt acht Wände und sechs schmale, tief sitzende Fenster. Die Decke reicht bis unter das spitze Turmdach und die wuchtigen Balken dort sind mit holzgeschnitzten Tiergesichtern geschmückt. Gegenüber dem Eingang steht ein breites Bett aus dunklem Holz mit gedrehten Pfosten und einem Baldachin aus buttergelben Gazeschleiern. Unter einigen der Fenster finden sich Kleidertruhen und die beiden fensterlosen Wände werden von zwei Seidenteppichen geschmückt. Der eine ist ganz in rauchigem Grau-, Schwarz-, Bronze- und Goldtönen gehalten und zeigt einen hohen, erloschenen Vulkankegel mit steilen Flanken umgeben von einem Wald rotblättriger Bäume, der andere ist vornehmlich mit Blau, Grün und Silber bestickt und zeigt eine vieltürmige Stadt zwischen Hügeln, über der silberne Drachen kreisen.  

Das Gemach für Gäste ist schlicht, doch elegant gehalten: ein kheyrisischer Teppich bedeckt den Boden aus glänzenden, dunklen Dielen, die Wände sind weiß verputzt und werden von einigen alten, verblichenen Wandfresken geschmückt. Ein Bett, eine Kommode und ein Wäscheschrank aus rötlichem Holz, ein Waschtisch und ein geflochtene Korbtruhe aus verschiedenfarbigen Gräsern vervollständigen die Einrichtung.  

Die beiden Kinderzimmer sind im gleichen, warmen orangegelb getüncht wie die Wände der Großen Halle und um die breiten, halbrunden Bogenfenster - in jedem Zimmer je zwei an den Längswänden - zeigen bunte Wandmalereien zart schillernde Feen, grinsende Kobolde, Thymeon Silberschild auf seinem weißen Pferd in seiner glänzenden Rüstung, ein Elbenschiff, das mit geblähten Segeln über ein stilles, blaues Meer gleitet, Caidfaêr und Lorfaêr, Drachen, die über einen Morgenhimmel dahin ziehen, einen Frosch mit einer goldenen Krone und einer goldenen Kugel und andere Gestalten aus der geheimnisvollen Welt immerlandscher Legenden. Die Möbel in den Kinderzimmern sind aus hellem, sandgescheuertem Holz, ebenso wie die Bodendielen, die mit weichen Lammfellen und dicken, hellen Wollteppichen ausgelegt sind. In jedem Raum stehen ein Bett, eine Kommode mit breitem Aufsatz und ein Wäscheschrank und ein paar Kisten mit Spielzeug, sonst jedoch noch nicht viel.  

Gegenüber der Kinderzimmer liegt neben den Kammern auch Mattis' Raum - ein kleineres Zimmer, das einfach, aber gemütlich eingerichtet wurde und das - neben der persönlichen Habe des Knappen - ein breites Bett mit Baldachin, einen Waschtisch, eine Truhe mit Bronzebeschlägen und einem hellen Kassettenschrank mit Intarsien aus Mooreiche enthält. Den Steinboden bedecken statt Binsen einige weiche Felle und vor dem schmalen Bogenfenster steht ein Schreibpult mit einem hochlehnigen Stuhl.

Die zweite Tür, die von der Großen Halle des Westflügels abgeht, führt ebenfalls in einen Gang, dieser jedoch ist ganz anderer Art: schmal und gewunden mit eisernen Fackelhaltern an den Wänden, endet er nach etwa fünfundzwanzig Schritt an einer gewendelte Steintreppe, die zu einem der überdachten Wehrgänge und von dort aus auf den Inneren Zwinger der Steinfaust hinunter führt. Gerüchte besagen, von diesem Gang führe irgendwo ein Geheimtunnel in andere Bereiche der Festung, doch ob etwas Wahres daran ist, weiß niemand zu sagen - und wenn doch, schweigt man sich darüber aus.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 18. Okt. 2004, 22:46 Uhr
In Olyvars Solar/Im Westflügel


>Nein!< Kizumu rückt so heftig von ihm ab, daß er fragend eine Augenbraue in die Höhe zieht. Wahrscheinlich schwankt sie gerade zwischen der Möglichkeit, ihm einen der Schließkörbe um die Ohren zu hauen oder ihm vors Schienbein zu treten und nur für alle Eventualitäten tritt er einen halben Schritt zurück. Als sie die beiden Pagen hinausgeschickt hat, scheint ihr Unmut jedoch verflogen und sie verkündet mit breitem Lächeln, daß sie noch heute umziehen würden. Sie hat noch nicht ausgeredet, als sie sich zusammenkrümmt und Olyvar bleibt für einen Moment fast das Herz stehen. Er hilft ihr in einen halb unter Schachteln und Kisten begrabenen Sessel und starrt sie erwartungsvoll an, aber schließlich schüttelt sie den Kopf und winkt ab. Den Göttern sei Dank.

"Bleib sitzen. Nein, Sgáileanabh, du kannst hier nicht mehr herumzappeln wie ein Fisch im Netz. Lass mich das machen. Also, wo soll das hier hin?" Sie grollt, aber sie fügt sich und die nächsten zwei Stunden verbringt Olyvar damit, auf ihre Anweisungen hin Truhen und Körbe vollzuschlichten und sie den schwitzenden Jungen mitzugeben, die alles in den Westflügel schaffen. Die Sonne geht bereits unter, als Mattis erscheint und ihn die Nachtmahl-Frage erlöst. Bis auf zwei schwere, eisenbeschlagene Truhen und zwei kleinere Körbe ist sein bisheriges Gemach leer und Kizumu entscheidet huldvoll, alles sei bereit, das Abendessen würde im Westflügel stattfinden. Mattis eilt grinsend hinaus, um sich darum zu kümmern und Olyvar hilft ihr aus dem Sessel. "Bereit, mo cridhe? Dann ab mit dir und zeig mir endlich unser Zuhause. Seit Wochen sterbe ich vor Neugier und du herzloses Wesen hast keinen Pieps verraten. Komm schon, a leannan.  Aber lauf mir nicht davon, ich bin ein alter Mann."

Kizumu streckt ihm die Zunge heraus, aber sie schmiegt sich dankbar an ihn und stützt sich erleichtert auf seinen Arm, bis sie vor der Tür zum Westflügel stehen. Dann muss er sie loslassen und die Augen schließen. Einen Moment lang mustert er sie amüsiert, aber er tut, worum sie bittet und dann fühlt er sich sacht vorwärtsgezogen. Der schwache Duft von Orangen, Bienenwachs und Holz steigt ihm in die Nase... und noch etwas blumigeres, das er nicht definieren kann - dann darf er die Augen öffen. Staunend blickt er sich um und im ersten Moment ist er im wahrsten Sinne des Wortes fassungslos. Er steht inmitten dessen, was vor noch nicht allzulanger Zeit eine leere, staubige Halle gewesen war - zu groß, zu kalt und mit zuvielen Rissen im Putz. Jetzt blickt er in einen riesigen, von Kerzenlicht durchschimmerten und von prasselnden Kaminfeuer anheimelnd warmen Raum, der sich völlig verändert hat.

"Sgáileanabh... das ist... " Er dreht sich einmal um sich selbst, versucht, soviele Eindrücke wie möglich aufzunehmen und läßt sich - immer noch entgeistert - von ihr durch die Halle führen. Je mehr er zu sehen bekommt, desto mehr erkennt er, daß Kizumu nicht einfach nur ein paar Räume hergerichtet hatte: sie hatte ihnen ein Zuhause geschaffen. "Das ist... wundervoll geworden, mo cridhe." Sie zeigt ihm die Große Halle, die Vorhalle, das Schlafgemach, Ieras Erkerturmzimmer, die Kinderzimmer, Mattis Kammer, die Gänge und Räume und die Laube zum ummauerten Garten hinab, von dem er nichts sehen kann, da die Sonne längst untergegangen ist. Als sie nach einem ersten, kurzen Rundgang wieder in die Halle zurückkommen, steht das Nachtmahl bereit und Mattis hat sich zurückgezogen - jedenfalls ist der Bengel nirgends mehr aufzutreiben. "Laß uns etwas essen, Kiz, und dann muss ich mir unbedingt alles genau ansehen." Und während er, das Kaminfeuer fast schon unangenehm warm im Rücken, Brot und Fleischeintopf ißt, wird ihm klar, daß er zum ersten Mal in seinem Leben ein wirkliches Heim hat. Kizumu ißt nur wenig, aber sie sitzt nahe bei ihm und lehnt sich lächelnd zurück. Es hatte ihr sichtlich gefallen, ihn sprachlos gemacht zu haben - aber als sie seinen Blick bemerkt, wird auch sie ernst. "Wir haben ein Zuhause, a leannan. Und die Kinder..." er streckt die Hand aus und legt sie auf ihren Bauch, straff wie die gespannte Haut einer Trommel. "...werden  bestimmt nicht mehr lange auf sich warten lassen. Bald hast du es überstanden. Ein wenig mußt du noch durchhalten, mo muírninn... nur noch ein bißchen. "

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 22. Okt. 2004, 19:15 Uhr
Die Nacht vergeht, ohne das Kizumu den Weg in die stille Dunkelheit ihrer elbischen Trance findet. Ihre Gedanken huschen zwischen dem heutigen Tag mit all seinen großen und kleinen Arbeiten und dem beklemmendem Gefühl in ihrem Bauch hin und her.
Olyvars Atem geht ruhig und bildet eine beruhigende Geräuschkulisse für ihre Gedanken. Das Ergebnis ihrer wochenlangen Arbeit hatte ihn sichtlich überascht und er hatte sich sämtliche Räume nach dem Abendessen noch einmal ausführlich zeigen lassen. Mehrere Male hatte sie sich schwer auf den Arm ihres Mannes stützen müssen, denn immer wieder machten sich die Kinder mit einem heftigen Ziehen bemerkbar, das ihr die Beine schwach werden ließ. Er hatte sie besorgt angesehen, und die Angst in seinen Augen war auch auf ihre beschwichtigenden Antworten nicht vergangen. Die Elbin hatte gelächelt und ihre eigene Angst sorgsam verborgen, hatte ihn auf die kleinen Details aufmerksam gemacht und war schließlich totmüde ins Bett gesunken.

Und jetzt liegst du hier und kannst nicht schlafen... Kizumu schüttelt sacht den Kopf über sich selbst, streicht mit der Rechten über die hohe Wölbung ihres Bauches und ahnt, dass Olyvars Worte vom Abendessen sich bewahrheiten würden. Nicht mehr lange, ihr Zwei. Die Anfänge der Geburt Ierás´ hatte sie nur noch vage im Gedächtnis, hatte sie sich doch bis zur ersten, wirklichen Wehe in tiefer Trance befunden. Doch jetzt ist sie hellwach und die Angst, die sich ihr in einem eiskalten Netz ums Herz legt, schnürt ihr die Luft ab.
Kizumu rollt sich zur Seite, zieht die Beine an und versucht leise zu sein um Olyvar nicht zu wecken, während die erste Wehe sich in ihre Eingeweide krallt, sie einmal umzustülpen scheint und die Elbin zitternd und erschöpft zurücklässt. Sie hat die Zähne zusammengebissen und die Hände zu Fäusten geballt, doch die Wehe verhallt so rasch, wie sie gekommen ist. Ihr Mann tastet im Schlaf mit einer Hand nach ihr, doch er scheint nicht aufzuwachen. Vorsichtig schiebt sie ihre Hand in seine, drückt sacht und horcht tief in sich hinein. Die erste Wehe hatte sie überascht, aber sie ahnt, dass die nächste sich noch Zeit lassen würde. Kein Grund, ihn aufzuwecken. Die Nacht verblasst bereits, als Kizumu schließlich die Augen schließt und in eine sehr leichte Trance sinkt.

Anders als im Schlafzimmer des Solares dringen hier keine Stimmen und Geräusche aus dem Inneren Zwinger herauf; nur ein oder zwei Mal hatte sie in der Nacht die Stimmen der wachhabenden Gardisten gehört die auf dem Wehrgang entlang gegangen sind. Dafür ertönen bereits kurz vor Sonnenaufgang leise Vogelstimmen.
Kizumu driftet eine ganze Weile nur von den leisen Geräuschen des Waldes begleitet an der Grenze zur wachen Welt entlang, ehe das dumpfe Ziehen in ihrem Bauch sie schließlich ganz aus der Trance reißt. Olyvar schläft noch immer und noch immer sind ihre beiden Hände fest ineinander verschlungen. Sie lächelt, während sie das im Schlaf völlig entspannte Gesicht neben sich betrachtet. Sein sonst oft hart wirkender Mund ist jetzt weich, ein klein wenig geöffnet und die Elbin widersteht dem plötzlichen Drang, ihn zu küssen. Stattdessen folgt sie mit dem Blick seinen Gesichtskonturen; fährt an seinen Wangenknochen entlang, streift die gerade Nase und verliert sich schließlich richtungslos im rotbraunen Gewirr seines Haares.
Eine winzige Veränderung im Raum holt sie aus ihren Gedanken und als sie den Blick senkt, findet sie ihren Ehemann wach vor. Sie wechseln ein kleines Lächeln und für die Dauer dieses Lächelns, vergisst die Elbin das Ziehen in ihrem Unterleib und die kalte Angst in ihrem Herzen. "Guten Morgen." Ihre Stimme ist leise, ein wenig heiser und er antwortet ihr mit schlaftrunkener Stimme. "Gut geschlafen?" Seine Antwort ist ein wohliges Seufzen, während er sich streckt und sie dann in seine Arme zieht. Kizumu schmiegt sich einen Moment an ihn, ehe das Ziehen in ihrem Bauch stärker wird. Er sieht sie fragend an und wieder schleicht sich die Sorge in seine Augen, doch sie schüttelt nur leicht den Kopf. "Es ist nichts; es dauert nicht mehr lange, aber jetzt noch nicht." Sie versucht ein aufmunterndes und zuversichtliches Lächeln, aber sie ist sich beinahe sicher, dass es ihr völlig misslingt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 23. Okt. 2004, 10:19 Uhr
Olyvar spürt das Verkrampfen ihrer Muskeln so deutlich an seinem Bauch, daß er erstarrt. Eben noch im Halbschlaf, ihre weiche Haut dicht an seiner, die Nase voll vom Geruch nach grünen Äpfeln und Frühling, ist er von einem Moment auf den anderen hellwach. Kizumu schüttelt den Kopf, aber ihre Worte sind alles andere, als beruhigend - zumindest für ihn. Und ihr mißlungenes Lächeln erst recht. >...es dauert nicht mehr lange, aber jetzt noch nicht.< Olyvar fährt aus dem Bett wie von der Tarantel gestochen. "Wie? Es dauert nicht mehr lange, aber jetzt noch nicht? Heißt das, es beginnt? Jetzt? Hast du Schmerzen?" Kizumu starrt ihn an, als rede er von fliegenden grünen Kühen oder etwas ähnlich wirrem - aber dann wird ihr Lächeln echt. Sie versichert ihm ein dutzend Mal, daß sei vollkommen in Ordnung und nein, die Geburt beginne wohl noch nicht wirklich und er müsse sich keine Sorgen machen. Außerdem braucht sie zehn Minuten, um ihm auszureden, den greisen Maester Ballabar aus dem Bett zu werfen und ihn notfalls an den Ohren herzuschleppen, und muß ihm hoch und heilig schwören, ihm sofort zu sagen, wenn die Wehen wirklich einsetzen. Sie gehen gemeinsam zum Morgenmahl, beide wachsam, lauschend, wartend, doch in Kizumus Bauch herrscht tiefe Stille. "Die Ruhe vor dem Sturm, mo cridhe?" Kizumu verzieht ihr Gesicht zwischen Honigbrot und Tee aus Himbeerblättern (Maester Ballabar hatte darauf bestanden, daß das der beste Tee für Frauen kurz vor der Niederkunft wäre) zu einem schiefen Grinsen und murmelt etwas von "schon möglich". Als sie sich nach dem Frühstück noch einmal hinlegt, weil sie die halbe Nacht wach gelegen hatte, glaubt Olyvar wirklich an die Ruhe vor dem Sturm. "Schlaf ein bißchen, mo muírninn.Wenn die Kinder wirklich bald kommen, dann brauchst du deine Kraft." Er bringt sie nach oben zurück und ins Bett, schiebt sie sorgsam an den warmen Platz unter den Decken, den er vorhin so aprubt geräumt hatte und wird dann von einem aufgeregten Mattis gerufen. Der Knappe bringt ihm eine Botschaft von Crabb, der Dunkelelb wünsche ihn zu sprechen und Olyvar nickt. "Ich muß nur rasch in den Kerkerturm, Kiz. Mattis bleibt solange bei dir, wenn du etwas brauchst." Er nickt dem Jungen zu, der, ganz erfüllt von seiner heiligen Pflicht, eifrig nickt und in der Halle Posten bezieht. Olyvar gefällt es überhaupt nicht, sie jetzt allein zu lassen, aber ihm bleibt nichts anderes übrig und Kizumu ruht ohnehin, also... nach einem letzten Blick auf ihr blasses Gesicht mit den dunklen Schatten der Erschöpfung unter den Augen verläßt er sein Schlafgemach und den Westflügel und macht sich auf in den Kerkerturm.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 25. Okt. 2004, 07:57 Uhr
Sie hat noch immer den Geschmack des Himbeerblättertees im Mund, als Olyvar sie mit den noch warmen Decken zudeckt. Mattis betritt leise wie immer das Schlafgemach und bringt seinem Herrn eine Nachricht des Kerkermeisters, woraufhin dieser sich mit der Ermahnung, sofort Bescheid zu sagen wenn sie etwas benötigt, auf den Weg in den Kerkerturm macht.
Mattis huscht genauso leise wie er gekommen war wieder hinaus und die Elbin bleibt mit sich und den Kindern allein. Sie fühlt sich erschöpft und müde und doch schafft sie es wieder nicht, ganz in die Trance zu sinken. Immer wieder erwacht sie; einmal ist sie allein, ein anderes Mal streckt Mattis gerade seinen Kopf zur Tür herein, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist und dann ist sie wieder allein.
Die Kinder sind unruhig und werfen Wellen über die gespannte Haut ihres Bauches. Mehrere Male wird das Ziehen in ihrem Unterleib stärker und sie kann nichts anderes tun als sich um ihren Bauch herum zusammenzurollen, die Arme um ihre Mitte geschlungen. Sie weiß nicht genau, wieviel Zeit vergangen ist, seit Olyvar zum Kerker aufgebrochen ist, doch sie ahnt, dass es noch nicht besonders lange her sein kann. Er soll wiederkommen... Je heftiger die Schmerzen in ihrem Bauch werden; und sie weiß, dass das noch gar nichts gegen das kommende ist; um so stärker wird die Angst und der Wunsch, ihren Mann an ihrer Seite zu wissen.

Der Vormittag vergeht in dumpfem Schmerz und die Elbin dämmert immer wieder in eine leichte Trance, die jedoch selten länger als eine Viertelstunde andauert. Mattis ist, nachdem er mehrere Male in das Schlafgemach gelugt hatte, schließlich ganz bei ihr geblieben und es hat sie einige Mühe gekostet, ihn davon abzuhalten sofort Maester Ballabar zu holen. "Es dauert noch, mach dir keine Gedanken." Der Junge wirkt nervös und auf dem Sprung und als sie das zweite Mal von einer Wehe überrascht wird, läuft er ohne ein Wort zur Tür heraus.
Die Elbin hat nicht die Luft, ihm hinterher zu rufen und ihn aufzuhalten und so ist eine halbe Stunde später der alte Heiler der Steinfaust im Westflügel; wie immer von einem seiner jungen Gehilfen begleitet.
Er tastet vorsichtig über ihren gespannten Bauch, seine Hände angenehm kühl und trocken und das Gesicht eine stumme Maske. Einmal runzelt er die Stirn, drückt mit einem seiner Finger etwas fester, aber dann lässt sich wieder nichts aus seinem Gesicht ablesen. "Hm, sie sind ein wenig früh dran, aber bisher scheint alles normal zu sein." Er tätschelt ihr beruhigend den Arm, wendet sich dann an seinen Gehilfen und beauftragt ihn mit leiser Stimme einen Tee aus Kamille, Ringelblume und Baldrian zu bereiten. Kizumu bekommt von dem gemurmelten Gespräch kaum etwas mit, ihre Gedanken sind völlig und ausschließlich auf ihr Inneres gerichtet, erst als die Tür hinter dem Gehilfen des Maesters leise ins Schloss fällt, kehrt sie ins Hier und Jetzt zurück.
Ballabar hat sich auf die Bettkante gesetzt und hält noch immer ihre Hand, während sein blinder Blick nachdenklich auf ihrem Bauch ruht. Mattis hockt an der Tür, bereit noch einmal loszustürmen um Olyvar zu holen, doch der alte Maester schickt ihn mit verständnisvollem Lächeln Wasser holen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 27. Okt. 2004, 22:34 Uhr
Als Olyvar im Westflügel ankommt, ist es bereits später Vormittag - er war länger im Kerkerturm bei dem Dunkelelben, als er angenommen hatte und er hat es eilig, zurück zu Kizumu zu kommen. Seit dem Morgen mit ihren vagen Andeutungen, die Kinder kämen bald und ihren Schmerzen, vergeht er fast vor Angst... und gleichzeitig empfindet er eine seltsame Mischung aus erwartungsvoller Spannung, Mitleid, Stolz und unterdrückter Vorfreude. In der Großen Halle ist alles ruhig, aber über dem Feuer des Großen Kamins hängt an eisernem Haken ein großer Kessel, in dem Wasser simmert und Olyvars Herz schlägt plötzlich schneller. Also war es wirklich soweit. Einen Moment lang verharrt er, starrt den Kessel an, als könne der ihm verraten, was hier geschehen würde... der Tag, auf den sie beide fast zehn Monde gewartet hatten, scheint da. Zu früh! Der vage Gedanke wirbelt durch seinen Kopf, dann fällt ihm ein, daß Ballabar gesagt hatte, es würde früher soweit sein. Und Kiz auch... Kiz! Er hastet den kurzen Gang mit der Treppe hinauf, vorbei an einem stotternden Mattis, der etwas von "wollte Euch holen, Sire, aber..." stammelt ins Schlafgemach und findet seine Frau im Bett vor, ein paar Kissen in den Rücken geschoben. Maester Ballabar blickt auf, als er hereinkommt und durch die blinden Augen huscht ein nachsichtiges Lächeln.

Sein Gehilfe jedoch schnalzt mißbilligend mit der Zunge, rührt heftig in einem dampfenden Teebecher und murmelt etwas davon, daß sich das nun wirklich nicht gehöre - ein Mann im Geburtszimmer, woraufhin Olyvar ihn anblafft, was er dann hier zu suchen habe, Maesterlehrling hin oder her. Als der Mann zu einer Antwort ansetzen will, hebt Olyvar warnend die Hand. "Ich bleibe hier, ganz egal, was sich gehört oder nicht. Bei der Zeugung war ich schließlich auch anwesend. Und jetzt seid so gütig, angehender Maester und gewährt mir einen Augenblick unter vier Augen mit meiner Frau. Den Tee könnt Ihr auch im Gang aus dem Becher rühren." Mit empörten Schnalzlauten rauscht Ballabars Gehilfe an ihm vorbei hinaus und der greise Maester lehnt sich zurück. Er würde das Gemach ganz gewiß nicht verlassen... ohne einen jungen, kräftigen Gehilfen an seiner Seite, der ihn stütze, sowieso nicht. Olyvar setzt sich zu Kizumu, die recht erfolglos ein Kichern unterdrückt, nur um gleich darauf schmerzerfüllt ihr Gesicht zu verziehen und seine hastig ergriffene Hand blau zu quetschen. "Kiz... Sgáileanabh... könntest du... ahm... das... hör mal, mo cridhe... ich weiß ja, daß es weh... autsch!" Ihre Fingernägel graben sich in seinen Handrücken, während sie in seine Augen starrt und er kann nichts tun, als das Brennen zu ertragen und sie anzulächeln. "Gleich hast du's überstanden." Es dauert entsetzlich lange, bis Kizumu sich wieder entspannt, der Druck auf seine Finger nachläßt und sie schnaubend in die Kissen zurücksinkt.

"Vorbei?" Sie nickt. "Warum hast du mich nicht holen lassen, mo muírninn? Ich wäre sofort zu dir gekommen... ich hätte gar nicht erst gehen sollen. Wie lange... wie lange hast du schon Wehen?" Er sieht von ihr zu Ballabar und wieder zurück zu ihr. Sie lächelt tapfer, aber ihre Augen glänzen verdächtig blank und ihr Mund bebt ein ganz klein wenig. Schließlich ist es Ballabar, der antwortet. "Oh, eine Weile, Mylord. Macht Euch keine Sorgen. Sie ist kräftig und gesund. Natürlich..." die warme Stimme des alten Mannes wird ernst, "natürlich ist so eine Geburt sehr anstrengend, noch dazu, wo es zwei Kinder sind. Ihr werdet sicher ein paar Frauen um Euch haben wollen, Mylady. Ich werde Rhordris Gemahlin herbitten und ihre Töchter. Sie hat selbst acht Kinder geboren und zahllosen zur Welt geholfen - und mir schon oft bei einer Geburt zur Seite gestanden. Es sollte alles gut gehen, aber Ihr seid... schlank, Mylady. Ihr habt ein schönes Stück Arbeit vor Euch. Wenn Ihr Euch gut fühlt, solltet Ihr aufstehen und herumlaufen, so lange es geht. Das hilft den Kindern, aus dem Leib zu gleiten." Olyvar lauscht Ballabar ebenso aufmerksam wie Kizumu und wird das Gefühl nicht los, der greise Maester habe statt "schlank" etwas ganz anderes sagen wollen. Ballabars Gehilfe steckt auf einen leisen Ruf seines Meisters hin den Kopf zur Tür herein, bringt Kizumu den Tee und nimmt dann nickend halblaut gemurmelte Befehle entgegen. Als er wieder verschwunden ist, zweifellos um auszuführen, was man ihm aufgetragen hatte, wendet Olyvar sich an Kizumu. "Was meinst du, kannst du aufstehen?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 27. Okt. 2004, 23:27 Uhr
Die Erleichterung, als Olyvar das Schlafgemach betritt, treibt ihr, ebenso wie die nächste heftige Wehe, das Wasser in die Augen. Olyvars misslungener Versuch ihr seine Hand wieder zu entziehen entlockt ihr ein belustigtes Schnauben, aber sie lässt ihn nicht los.
Ballabars Stimme ist warm aber ernst, als er ihr vorschlägt Morna und ihre Töchter herbei zu holen. Dieser Vorschlag soll sie mit Sicherheit beruhigen, aber er bewirkt ganz das Gegenteil. Sie mag Morna, auch wenn deren über- mütterliche Art ihr in den letzten Monden oft auf die Nerven gegangen war, aber jetzt, in diesem Moment verspürt sie keinen Funken Lust, die Frau um sich zu haben. "Das hat sicher noch Zeit.. oder?" Sie wirft einen raschen Blick zu Ballabar, doch dann wendet die Elbin sich an ihren Ehemann. "Ja, ich..also.. hilf mir auf, bitte."

Einige Zeit vergeht, in der Kizumu sich schwer auf den Arm ihres Gemahles stützend, im Schlafgemach umherwandert. Sie kann die Sorge die von ihm ausgeht, sehr deutlich spüren und auch ihre eigenen Ängste dringen wieder an die Oberfläche. Sie hatte den Unterton in Ballabars Stimme sehr wohl bemerkt und sie weiß genau was er meint.
Schlank.. Pah... Andere schaffen es auch.. Sie beißt die Zähne zusammen, als sich eine neue Wehe ankündigt. "Olyvar? Versprichst du mir etwas?" Sie schaut nicht zu ihm auf und spürt sein zustimmendes Nicken nur. "Lass Ierás und Kea holen, wenn es schlimmer wird, ja? Und..Uh!" Sie krümmt sich zusammen und krallt die Fingernägel in seinen Unterarm. Olyvar atmet zischend ein, aber er greift ihr mit der anderen Hand stützend unter den Arm. "Und bitte.. liefere mich.. nicht Morna aus. Sie..ah Götter verdammt, ich weiß ja das ihr hinaus wollt, aber geht das nicht auch schneller und weniger schmerzhaft?!" Die Elbin richtet sich schweratmend wieder auf und tritt wütend in die Luft vor sich. Olyvars beruhigende Worte bekommt Kizumu gar nicht richtig mit, sie ist viel zu sehr mit Schimpfen beschäftigt.
Nach einigen kurzen Schritten hat sie sich jedoch wieder beruhigt und auch ihr Atem geht wieder halbwegs gleichmäßig. Sie schaut zu ihrem Mann auf, der sie beinahe belustigt ansieht und lediglich die deutliche Sorge in seinen Augen hält sie davon ab, ihn wütend anzufahren. "Kannst du Niniane holen lassen? Bitte... ich..ich will sie da haben." Ihre Stimme wird brüchig, während ihr wieder die Tränen in die Augen steigen und sie schmiegt sich trostsuchend an Olyvars Arm.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 29. Okt. 2004, 08:31 Uhr
"Alles, was du willst, mo cridhe. Schsch... nicht. Komm, gehen wir noch ein Stück, wenn du wieder atmen kannst." Olyvar drängt sie sanft vorwärts und so ziehen sie ihre Runden. Die Stunden schleppen sich dahin, aus dem Vormittag wird Nachmittag und schließlich ein kühler, nebliger Herbstabend - und noch immer wandern sie Arm in Arm durch den Westflügel. Längst haben sie ihre langsamen Streifzüge auf die Große Halle ausgedehnt, ziehen ihre Runden durch alle Räume... nach dem Mittagsmahl haben sie sogar ein paar Stunden warme Herbstsonne im ummauerten Innenhof des Westflügels unter den Aprikosenbäumchen verbracht, nur wäre Kizumu auf dem Rückweg beinahe nicht mehr die Holzstiege hinaufgekommen, also machen sie um den Garten bis auf weiteres einen Bogen. Die Stunden schleppen sich dahin und mit ihnen zieht sich die Geburt. Längst weiß in der Steinfaust jeder Mann, jede Frau, jedes Kind Bescheid. Rhordri hat im Solar des Lord Commanders Posten bezogen, um Olyvar zu vertreten, Vareyar hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Soldaten und Handwerker, die sich immer wieder auf dem Inneren Zwinger zu kleinen Gruppen versammeln und sorgenvolle Blicke in Richtung Westflügel des Bergfrieds werfen, wieder zu zerstreuen und zurück an ihren Dienst zu scheuchen und Achim, rücksichtsvoll wie er ist, läßt das Singen am Waldtor heute ausnahmsweise einmal sein. Kizumus Wehen werden stärker und folgen schneller aufeinander, doch es scheint auch nach mehr als zehn Stunden kein Ende in Sicht. Im Westflügel ist neben Maester Ballabar und seinem Gehilfen und einem immer blasser werdenden Mattis, Morna längst eingetroffen, hält sich jedoch im Hintergrund, sorgt für heißes Wasser, Geburtslaken, eine nie abreißende Flut von verschiedenen Tees, Brühen und Tränken, die Kizumu bei Laune halten und ihr Kraft geben, Olyvar beruhigen, dem Maestergehilfen Weisheit verleihen und dem greisen Maester wach halten sollen. Als es Nachmittag geworden war, hatte Olyvar Botenjungen zu Ieras und Kea in die Schmiede und zu Lady Niniane  geschickt - Ieras und Kea kommen sofort, treffen bei Sonnenuntergang mit dem zurückkehrenden Botenkind ein, doch Niniane erreicht keine Botschaft und der Junge kehrt unverrichteter Dinge wieder zurück und meldet, die Protektorin sei nicht zu Hause. Als am Eingang leise Stimmen laut werden, Kea und Ieras, die eben den Westflügel betreten und von Mattis hereingelassen werden, ist Olyvar mit Kizumu gerade vor dem kleinen Kamin an der rechten Hallenseite. Maester Ballabar hat ihr erlaubt, sich ein wenig hinzusetzen und Olyvar kann die Sorge in seinen Augen langsam nicht mehr wirklich verbergen... immerhin ziehen sich die Wehen nun schon über elf Stunden, nichts scheint wirklich voranzugehen außer den immer heftiger werdenden Schmerzen und Kizumu erschöpft sich immer mehr. "Ieras und Kea sind hier, Sgáileanabh. Aber Niniane hat der Botenjunge nicht erreicht... vielleicht ist sie zur Jagd geritten. Jetzt ist die Zeit, wo die Büffel nach Westen ziehen. Komm, hoch mit dir, a leannan. Du musst laufen, hat Maester Ballabar gesagt."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 04. Nov. 2004, 18:42 Uhr
Ihr gelingt ein kleines Lächeln, als ihr Sohn und seine Gefährtin durch die breite Tür des Westflügels treten. Die Nachricht, dass Niniane nicht zu erreichen ist betrübt sie, hätte sie die Freundin doch gerne um sich gehabt. Sobald das hier vorbei ist, muss ich sie endlich einmal besuchen. Im allgemeinen Trubel ihrer Hochzeit war ihr zwar aufgefallen, dass die Halbelbin ohne Cron gekommen war, aber sie hatte nicht die Zeit gefunden in einer ruhigen Minute mit der Waldläuferin zu reden. Und jetzt kommt schon wieder der Winter..
Mühsam kämpft die Elbin sich aus dem Lehnstuhl empor, begrüßt die beiden jungen Leute mit einer kurzen Umarmung über ihren Bauch hinweg und nimmt dann gemeinsam mit Kea, Olyvar und Ierás wieder ihre Wanderungen auf.

Mattis bringt allen Anwesenden ein spätes Abendessen, das in aller Stille eingenommen wird und danach ziehen sich die Wanderungen, die kurzen Pausen; die mit der Zeit immer länger werden; und die Untersuchungen bis weit in die Nacht hinein.
Maester Ballabar ist vor zwei Stunden im Gästezimmer zu Bett gegangen und Morna hat sozusagen die Nachtschicht übernommen. Kizumus Beine beginnen zu zittern und sie muss jeden Schritt aus sich heraus quälen, ehe sie endlich die Erlaubnis bekommt, sich in einem der Lehnstühle auszuruhen. Olyvars Augen sind voller Sorge, ebenso wie Ierás und Kea´s und auch wenn Morna immer wieder betont, das alles normal sei; es sich eben nur ein wenig länger hinzöge, kann sie doch auch in deren Gedanken die Sorge spüren.

Gegen Mitternacht, sie befinden sich gerade auf dem Rückweg von Ierás Zimmer zur großen Halle, krümmt Kizumu sich unter Schmerzen zusammen und spürt die Wärme des Fruchtwasser an ihren Beinen herabrinnen. Ierás dreht sich erschrocken um und starrt mit offenem Mund auf die größer werdende Pfütze zu Füßen seiner Mutter, während Kea nach einem kurzen, prüfendem Blick ein erleichtertes Gesicht macht. "Die Fruchtblase." Die Stimme des Mädchens ist zwar leise aber in der Stille im Gang deutlich zu vernehmen. Olyvars Griff um ihren Oberarm erschlafft für einen kurzen Augenblick, doch wenig später hat er sich gefasst, greift der Elbin wieder fest unter die Arme und sie machen sich langsam auf den Weg in das Schlafgemach.

Mattis kommt ihnen in der Halle entgegen und wird sofort weiter geschickt, Ballabar zu wecken. Der Knappe, immer noch bleich eilt mit großen Augen an ihnen vorbei und seine hastigen Schritte verhallen. Kizumu krümmt sich während ihres kurzen Marsches zweimal unter den heftigen Schmerzen der Presswehen und ist unendlich erleichtert, als sie sich schließlich auf ihr Bett legen kann. Sie fühlt sich zu Tode erschöpft und die Angst schnürt ihr beinahe die Luft ab.
Die ganze Zeit in der sie von sorgenvollen Gesichtern umgeben war, hatte sie es geschafft, Zuversicht auszustrahlen und die Angst weit von sich zu halten, doch jetzt, als die Geburt endlich voranzugehen scheint, greift die Furcht mit großen, eisigen Händen nach ihr. "Wasser." Ihr Mund fühlt sich plötzlich staubtrocken an und die Anstrengungen der letzten Stunden zehrt an ihren Kräften.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 04. Nov. 2004, 19:15 Uhr
Kea ist äußerst erstaunt gewesen, als der Bote der Steinfaust plötzlich vor ihrer Türe gestanden hat, aber gezögert hat sie auch keinen Moment, sondern nur die Pferde verstaut, geschaut dass es dem Schwarzen gut geht und ist dann mitsammt Ierás und dem Boten zur Steinfaust geeilt.
Im ersten Moment ist sie einfach nur nervös und aufgeregt geworden, aber mit jedem Schritt hat sich Kea etwas mehr beruhigt, auch wenn eine gewisse Aufregung natürlich geblieben ist.
Der junge Bote im Gegenzug hat nur mehr gestottert und war froh gewesen, dass Kea und Ierás nicht lange auf sich warten ließen.

Als sie den Westflügel betreten und in die große Halle kommen, kann Kea nicht verhindern, dass ihr trotz der Situation in diesem Moment ein Grinsen über das Gesicht huscht.
Der Westflügel ist überhaupt nicht mehr damit zu vergleichen als Kea ihn das letzte Mal betreten hat und doch, der große Tisch weckt einige Erinnerungen an die Nacht nach Kizumus Hochzeit in ihr. Doch jetzt ist etwas ganz anderes wichtig, die Elbin stemmt sich mühsam aus ihrem Lehnstuhl als Kea und Ierás auf sie zu kommen. Sie umarmt die beiden kurz, aber verständlicher Weise nicht so herzlich wie sie es sonst tut, Kea kann sich denken, dass Kizumus Nerven auch nicht mehr die stärksten sind. Sowieso werden die meisten Frauen am Ende der Zeit ungeduldig und wenn es dann soweit war hatte Kea schon einige erlebt, die das große Ereignis angesichts der Schmerzen doch lieber noch etwas hinaus gezögert hätten.
Aber die Kinder kommen wenn sie kommen wollen und so wandern Ierás und Kea zusammen mit Olyvar und Kizumu durch die große Halle, bis das Abendessen aufgetragen wird. Viel Hunger kann Kea nicht aufweisen, ein Zeichen für ihre Nervosität, ihren Magen kann sie in dieser Hinsicht niemals belügen.
Nach dem Essen setzen sie ihre Wanderung fort und Kea sieht durch die Fenster, dass es immer dunkler wird. Überall werden die Leuchten entzündet und der warme Schein des Feuers gibt dem Zimmer eigentlich eine angenehme Stimmung, doch an diesem Abend will diese niemand so richtig bemerken.
Die untergehende Sonne und schließlich der aufsteigende Mond macht Kea unruhig. Die Wehen dauern schrecklich lange und das Mädchen weiß, dass der Bote sie und Ierás nicht gleich zum Beginn der Wehen geholt hat. Als endlich die Fruchtblase platzt ist Kea regelrecht erleichtert und endlich können sie Kizumu ins Schlafgemach bringen.

Der junge Knappe scheint froh zu sein hinaus laufen zu dürfen und er eilt um Maester Ballabar zu holen. Kea sieht ihm lächelnd nach und schaut dann auf als Kizumu um Wasser bittet. Die Stimme der Elbin klingt etwas rau. Kea sieht sich um, Morna die gute Seele hat schon alles vorbereitet und unter anderem auch an etwas zu trinken gedacht. Kea gießt etwas Wasser in eine Becher und reicht ihn Kizumu, auch wenn sie ihn nicht ganz auslässt, für den Fall, dass Kizumus Hände zu sehr zittern, oder sie eine neue Wehe überkommt.
Den angsterfüllten Blick aus mütterlichen Augen hat Kea schon oft gesehen, wohl jedes Mal wenn sie bei einer Geburt dabei gewesen ist und obwohl auch die Schmiedin erst sorgenvoll drein geblickt hat, weiß sie jetzt, dass es nichts bringt Kizumu wie ein Spiegel entgegen zu sehen. Sie lächelt die Elbin also zuversichtlich an und nimmt ihr dann den Becher ab, ohne damit wirklich weit von der werdenden Mutter weg zu gehen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 04. Nov. 2004, 21:53 Uhr
Die Stunden schleppen sich immer gleich und immer unverändert dahin: laufen, laufen, laufen... Längst stolpert Kizumu, erschöpft und todmüde, über ihre eigenen Füße und Olyvar schleppt sie mehr vorwärts, als daß sie aus eigener Kraft geht. Kea und Ieras waren gekommen und hatten mit ihnen ein leichtes Nachtmahl eingenommen - und dann hatten sie sich an Kizumus Seite abgewechselt, während der Abend zur Nacht geworden war. Morna, so müde wie sie alle, war stets irgendwo dezent im Hintergrund anwesend, aber der greise Maester und sein pingeliger Gehilfe schlafen längst den Schlaf der Gerechten und schnarchen sich in den Gästeräumen des Westflügels die Seele aus dem Leib. Rhordris matronenhaftes Eheweib bemüht sich sichtlich, Gelassenheit zu verbreiten und Ruhe auszustrahlen, doch Olyvars nagende Unruhe hat sich längst in nackte Angst verwandelt. Wenn dieses dumme Weib mir noch einmal erzählt, es sei alles in bester Ordnung, es dauere nur etwas länger, dann drehe ich ihr eigenhändig den fetten Hals um! Kizumus Wehen dauern nun schon über achtzehn Stunden und sie ist völlig entkräftet... dabei hat die eigentliche Geburt noch nicht einmal begonnen. Längst ist sie in kalten Schweiß gebadet, hat sich bis auf das leinerne Untergewand entkleidet und irrt mit blutunterlaufenen Augen und wachsbleichem Gesicht stolpernd an ihn gelehnt durch die Räume des Westflügels.

Es ist spät, fast Mitternacht, als sich auf dem Weg zurück in die Halle ein dunkler Fleck auf dem gebleichten, feinen Leinen von Kizumus Nachtgewand ausbreitet und sie mit einem schnaubenden Schmerzlaut und zitternden Knien, gekrümmt von einem heftigen Krampf, stehenbleibt. Olyvar nimmt ihre Arme und sie lehnt sich an ihn. Die Wehe dauert lange und er kann sie durch den dünnen Stoff deutlich spüren - und die Pfütze, die sich zu ihren Füßen sammelt, ist nicht klar, sondern rot. Seine Zunge klebt am Gaumen und seine Stimme ist mittlerweile so rauh, als sitze ihm Rost im Hals, aber irgendwie gelingt es ihm sogar, sie unbekümmert anzulächeln, obwohl sich ihm in Wahrheit vor Angst der Magen umdreht. "Komm. Ich bringe dich hoch ins Bett. Du solltest dich jetzt hinlegen." Er sieht Ieras besorgtes Gesicht und Keas bemühte Zuversicht, aber er hört nicht einmal, was sie sagen. In der Großen Halle erwacht Morna, gerade als sie vorbeikommen, von einem kurzen Schlaf auf dem Stuhl am Kamin und ihre Augen weiten sich entsetzt, als sie die Spur aus roten Tropfen sieht, die Kizumu hinter sich herzieht. Olyvar schickt Mattis, der ihnen verschlafen entgegenkommt, zu Ballabar. "Hol den Maester. Sofort!" Seine Eingeweide haben sich zu einem eisigen Knoten in seinem Inneren verschlungen und sein Herz schlägt ihm irgendwo zwischen den Mandeln.

In ihrem Schlafgemach angekommen, bringt Kea Kizumu etwas Wasser, während Ieras Morna zur Hand geht und der greise Maester mit wirr abstehendem Haar und sorgenvoll gefurchtem Gesicht hereinkommt - von einem Augenblick auf den nächsten breitet sich hektische Aktivität aus und Olyvar kann nichts tun, als vollkommen hilflos an Kizumus Seite zu sitzen und ihre Hand zu halten. Alles ist vorbereitet: die Geburtslaken, samtweiche, lederne Tücher, heißes Wasser - auf einem Hocker eine silberne Schale mit gesegnetem Wasser und zwölf schlanke Phiolen in verschiedenen Farben mit heiligem Öl. Totenöl. Olyvars Magen verkrampft sich bei dem Anblick und er versucht, zu beten, aber ihm fallen keine Worte ein. Noch während Ballabar mit sanften, kundigen Fingern ihren Leib abtastet, bäumt sich Kizumus Körper unter der nächsten Wehe auf, verkrampft sich schrecklich und ihrem Mund entringt sich ein halberstickter Laut, der Olyvar vorkommt wie das letzte Piepsen eines erwürgten Vogels. Kizumu ist bleich wie der Tod. Überall auf den Laken ist jetzt mehr Blut als Fruchtwasser, hell und rot und mit jeder Wehe wird es mehr. "Götter im Himmel, tut endlich etwas!" Olyvars heisere, halbgeknurrte Worte gelten dem greisen Heiler ebenso wie dem ganzen Raum, den Göttern, dem Schicksal. Ballabar blickt nicht auf, aber das runzelige Gesicht mit den milchig-blinden Augen ist unverkennbar entsetzt. Olyvar starrt seinen greisen Maester an und begreift mit kalter Gewißheit. Irgendetwas stimmt nicht - irgendetwas ist im Begriff ganz böse danebenzugehen.

Er sieht Kea, Ieras und einen schreckensbleiche Morna an, die gerade einen Kessel voll Wasser hereinbringt, während Kizumu keuchend um Atem ringt und sich über ihren umherirrenden Blick fiebriger Glanz legt.  "Holt Morgana, die Heilfrau. Es ist mir egal wo sie ist, schleift sie wenn es sein muß an den Haaren hierher, ich..." Ballabar unterbricht ihn. "Nein. Morgana könnte hier gar nichts tun, Mylord. Ieras, geh und hole Loba aus dem Faeyristempel." Ieras nickt nur und rennt hinaus, dicht gefolgt von einer Gebete murmelnden Morna, während Kea an Ballabars Seite eilt und mit gefasster Stimme ihre Hilfe anbietet, ihre Mutter sei eine erfahrene Hebamme gewesen. Der alte Maester nickt. "Eines der Kinder kommt jetzt, wenn Lady Kizumu die nötige Kraft dafür noch hat. Aber ich fürchte, das andere liegt falsch. Ich kann es nicht drehen. Es bewegt sich auch nicht mehr so kräftig wie vorher und ich kann sie nicht aufschneiden, um es herauszuholen."
Aufschneiden? "Hei...hei...ßt das sie stirbt?" Einen Moment ist es bis auf Kizumus rasselnden Atem totenstill im Schlafgemach, als halte gleichsam die ganze Welt um ihn her den Atem an, dann nickt Ballabar sacht. "Nein. Nein, nein, nein! Sie darf nicht sterben. Sie..." Kizumus wimmernder Atem unterbricht ihn und mit der nächsten Wehe wird daraus ein Schrei, der ihm jeden einzelnen Blutstropfen in Eis verwandelt. Er setzt sich ans Kopfende des Bettes und richtet Kizumu ein wenig auf, so daß er sie in den Armen halten und stützen kann... und erstickt schier daran, zur Hifllosigkeit verdammt zu sein. "Nein." Er drückt einen Kuß auf ihr schweißnasses Haar, weigert sich, Maester Ballabar oder Kea auch nur anzusehen und schüttelt Kizumu sacht. "Komm schon, Sgáileanabh. Jetzt bist du dran."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 05. Nov. 2004, 23:01 Uhr
>Komm schon, Sgáileanabh. Jetzt bist du dran.< Ihr Körper verkrampft sich in einer neuen Wehe und sie hat das Gefühl, als würde etwas an ihren Eingeweiden zerren, sie zerreißen um sie wund, verletzt und ausgelaugt zurückzulassen. Ihre Finger krallen sich in Olyvars Arme und ein weiterer Schrei entringt sich ihrer Kehle. Bei allen Göttern, ich schaffe es nicht.. ich.. Ihr Sohn ist auf Ballabars Befehl vor einigen Minuten hinausgerannt um Loba zu holen und die Tatsache, dass er nicht einfach nach Morgana schicken lässt, trägt nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Eines der Kinder kommt jetzt.. Die Worte des alten Maesters geistern durch ihren Kopf, verwirbeln sich mit ihren Gedanken, die sich allesamt in ihrer Angst verstricken.
Eine weitere Wehe, noch mehr Schmerzen und alles was sie tun kann ist schreien und pressen. Ballabar setzt sich mit einem leisen Ächzen auf das Bett und schiebt das Laken, das ihren Unterleib bedeckt ein Stück beiseite. "Mädchen, komm du musst mir helfen." Kea folgt seiner Aufforderung, kniet sich mit blassem Gesicht vor das Bett und tastet vorsichtig über Kizumu´s gespannte Haut. "Atmen, Mylady. Vergesst das atmen nicht."
"Jajaja, ihr..habt..gut.. reden!" Kizumu presst die Worte zwischen den zusammengebissenen Zähnen heraus, während sie sich für die nächste Wehe wappnet und sich ganz auf den metallenen Geschmack des Blutes in ihrem Mund komzentriert. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie sich die Lippen blutig gebissen hatte, doch jetzt ist es ein guter Fixpunkt für ihre Gedanken.
Die nächste Wehe kommt, reißt ihr Inneres auseinander, stülpt es um und sie hat nicht einmal die Zeit, sich zu wundern woher sie die Kraft nimmt, noch zu pressen. Aber es gelingt ihr und das ermunternde Gemurmel Olyvars, Keas und Ballabar gehen im nächsten Schrei der Elbin unter. "Oh.. Olyvar.." Sie findet wieder Atem und ihr Gesicht wird zu einer Grimasse. "Nie wieder.. Du!" Ihr Blick findet den ihres Mannes und die Sorge in seinen Augen lässt unsinnige Wut in ihr aufsteigen. "Du Bastard! Nie wieder fässt du mich an, das schwöre ich!" Die nächste Wehe nimmt ihr den Atem, wirbelt alles in ihr herum und sie spürt das Kind deutlich vorwärts drängen. Kea gibt einen kurzen Ausruf von sich und Ballabars warme Hand gleitet über ihren Bauch.
Als die Wehe nachlässt, lässt Kizumu sich in Olyvars Arme zurückfallen, dreht den Kopf zur Seite und atmet seinen Geruch. "Oh bei allen Göttern, ich schaffe es nicht.. Olyvar, halt mich, bitte.." Die Elbin stößt die Worte zwischen mehreren heftigen Atemzügen hervor, ehe die nächste Wehe sie schier zu zerreißen scheint.

Ihr Blick findet über ihren gewölbten Bauch und zwischen ihren Beinen hindurch Kea´s. Sie spürt die kleinen, aber kräftigen Hände der Hufschmieden auf ihrer Haut, sieht den gebannten Blick und das kleine Lächeln das in die dunkeln Augen des Mädchens steigt, als die nächste Wehe den Kopf des Kindes austreten lässt. "Noch einmal." Kizumu atmet hechelnd ein und aus, während ihre Finger sich in die Arme ihres Mannes graben. Noch einmal.. ein Kind kommt jetzt. Die letzte Wehe wütet wie ein wildes Tier in ihren Eingeweiden, schwemmt jeden Gedanken und jede Furcht fort und ihr Körper ergibt sich dem Äonenalten Lauf der Dinge.

Die Dunkelheit, die sie umfängt ist gnädig, warm und schmerzfrei und sie nimmt Olyvars besorgtes Gesicht als Erinnerung dorthin mit.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 06. Nov. 2004, 00:17 Uhr
Ihre Hilfe bietet Kea schon ganz instinktiv an, obwohl nun fast schon ein ganzer und ein halber Zwölfmond seit der letzten Geburt liegen bei der sie dabei gewesen ist, kann sie einfach nicht still daneben sitzen. Der alte Maester nimmt ihr Angebot auch so gleich an, nach dem sie ihm versichert hat, dass das wirklich nicht die erste Geburt ist bei der sie hilft.
Sie schiebt die Ärmel nach oben und verabschiedet sich in diesem Moment schon einmal gedanklich von ihrem Kleid. Sie wäscht die Hände in der Wasserschale die auf dem Tisch steht und atmet tief durch. Kea weiß, dass sie kalkweiß im Gesicht sein muss, aber sie kann nichts dagegen tun, sie fürchtet um Kizumu. Auch wenn es scheinbar jemanden gibt der ihr helfen könnte, Loba, die wohl eine Priesterin ist und von der Kea noch nichts gehört hat. Auf jeden Fall kann sie mit dem Namen im Moment nichts anfangen. Die Schmiedin weiß nicht wie diese Loba helfen sollte, denn ihre Mutter hatte Kea immer gesagt: "Es gibt zwei Möglichkeiten wenn eine Frau von innen heraus blutet, entweder es hört auf, oder nicht!" Im zweiten Fall würde die betreffende Frau sterben. So wie Keas leibliche Mutter bei der Geburt der Schmiedin gestorben war.

Keas Hände sind kalt und sie hält sie einen Moment fast schon ins Feuer um sie anzuwärmen, damit sie nicht eisig auf Kizumus Haut sind. Dann kniet sie sich hin, während Maester Ballabar sich auf das Bett setzt. Ihre Hände tasten vorsichtig und Kizumu ist damit beschäftigt erst den Maester und dann Olyvar anzufauchen und ihm zu versprechen, dass er sie wohl nie wieder anrühren dürfte. Für einen Moment vergisst Kea die Problematik bei dieser Geburt und lächelt, an solche Versprechen hielten sich für Gewöhnlich die wenigsten Frauen.
Schließlich ist es soweit, der Kopf tritt zum Vorschein auf dem schon der weiche Haarflaum zu erkennen ist. Bei der nächsten Wehe befreit sich erst eine Schulter, dann die zweite.
"Noch einmal!" Keas Blick und ihre Stimme sind auffordernd, auch wenn sie weiß, dass Kizumu mit ihren Kräften am Ende sein muss. Als ihr das Baby aber dann doch in die Arme gleitet und sie es sicher und fest hält, atmet Kea erleichert auf. Der Schrei den es ausstößt ist kräftig und klingt gesund. Morna bindet die Nabelschnur ab während Kea das Kind hält und durchtrennt sie.
"Ein Mädchen, es ist ein Mädchen!" ruft Kea schließlich aus und wickelt sie schon einmal in eines der frischen Leinentücher. Doch als sie aufblickt, sieht sie, dass Kizumu sie gar nicht hört und auch Maester Ballabar und Olyvar mit ihren Gedanken ganz wo anders sind. Kizumu ist ohnmächtig geworden und nun beugen sich beide Männer über die Schwangere.
Keas Blick schweift automatisch zur Tür aus der Ierás verschwunden ist. Beeil dich bitte! Kea weiß nicht wie weit Ierás entfernt ist und über welche Entfernung sie ihm ihre Gedanken schicken kann, aber sie versucht es und hofft nur, dass er sie hören kann.

Die Halbelbin drückt das schreiende Bündel kurz sacht an sich und beginnt dann das kleine Mädchen zu waschen. Vorsichtig wischt sie ihm Nase und Augen aus, begutachtet auch den kleinen Mund und achtet darauf, dass das Wasser, das auf eine angenehme Temperatur angewärmt wurde die Kleine nicht sofort wieder zum Husten und Prusten bringt. Als das Mädchen fertig gewaschen ist und Kea auch sicher ist, dass alle Finger und Zehen richtig und in voller Zahl angewachsen sind, wickelt sie das Kind wieder ein, gibt bekannt, dass die Kleine gesund scheint und steht etwas abseits, weil Kizumu das Bewusstsein noch immer nicht wieder erlangt hat.
Sacht wiegt sie die Kleine hin und her, sie hat aufgehört zu schreien und nuckelt an Keas Finger, wobei die Schmiedin mit einem freien Finger über den weichen kastanienbraunen Haarflaum streicht. Die Augen schauen jetzt klar neugierig und blau zu Kea nach oben, verwundert was die Welt für seltsame Sachen für sie bereit hält.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 06. Nov. 2004, 00:47 Uhr
Kizumu stemmt sich gegen ihn durchgerüttelt von Schmerz und Wehen, der Geburt vollkommen ausgeliefert - und er kann nichts tun, als sie festzuhalten. Ihre Schreie haben nicht mehr viel menschliches an sich, hallen im Westflügel wieder und bringen vermutlich die ganze Steinfaust aus der Fassung... auf jeden Fall bringen sie ihn aus der Fassung: sein Gesicht ist so bleich wie ihres und über sein Kinn rinnen Schweißtropfen. Dennoch hält er sie eisern fest, auch wenn er nicht mehr weiß, wer von ihnen beiden jetzt mehr zittert. Er würde sein Leben und seine Seele hergeben, wenn er ihr etwas von diesen Schmerzen nehmen könnte, aber er kann es nicht. Noch immer hat er Ballabars todernsten Blick vor Augen und sein Magen ist ein einziger Eisklumpen. Er erinnert sich an jene Nacht in Liam Cailidh voll bittersüßem Schmerz, tiefer Verzweiflung und Liebe - jene Nacht, in der sie das hier begonnen hatten, und ihm kommt der merkwürdige Gedanke, daß auch diese Nacht voll von all dem ist. Sie wird nicht sterben, sie wird nicht sterben, sie wird nicht sterben...

Kizumus Fingernägel lösen ihm das Fleisch von den Knochen und hinterlassen tiefe, blutige Spuren auf seinen Unterarmen, aber er nimmt es nicht einmal wahr - woher sie überhaupt noch die Kraft nimmt, mit Ballabar und Kea zu reden oder ihn zu beschimpfen ist ihm ebenso wenig klar, wie es ihr gelingt, diese Schmerzen zu ertragen. Dennoch läßt ihn ihr wildes Fluchen lächeln, auch wenn ihm die Angst um sie  die Kehle zuschnürt. Meine Schuld. All das hier, meine Schuld. Götter bitte, helft ihr... helft ihr... "Verdammt nochmal, Frau, wirst du einmal tun, was man dir sagt!" Flüstert er in ihr wirres, rotes Haar und schließt die Augen, unfähig sich ihr Leid noch länger mit anzusehen. Quälend langsam wird das erste der beiden Kinder geboren, und Kizumus verkrampfter Körper fällt nach einer letzten gewaltigen Anstrengung schwer und weich in seine Arme zurück, doch er hat keinen Blick für das winzige, nasse, blutige Bündel in Keas wartenden Händen - er sieht nur in Kizumus totenbleiches Gesicht und ihre dunklen Augen.

Ihr umherirrender Blick findet seinen und einen Moment lang sieht sie ihn mit einer seltsamen Mischung aus Erleichterung, Angst und Verwunderung an, dann lächelt sie schwach, ein kaum merkliches Zucken der Mundwinkel. Ihre Brust hebt und senkt sich krampfhaft, aber ihr Atem, eben noch laut und rasselnd, ist kaum mehr zu hören. Olyvar hebt mit zitternden Händen ihr Gesicht an, schiebt ihr schweißfeuchte Haare aus der Stirn und hört irgendwo leise ein Baby weinen, ohne es wirklich wahrzunehmen. Er legt seinen Mund auf ihren, als könne er ihr den Atem geben, um den sie ringt, kühlt ihre fiebrigen, aufgesprungenen Lippen mit seinen, damit sie wieder lächeln kann. "Sgáileanabh, verlaß mich nicht." Er hält sie fest und wiegt sie wie ein Kind in den Armen. "Du mußt wach bleiben. Bleib bei mir. Du mußt bei mir bleiben. Bitte, bitte..." Sie lächelt nicht wieder. Gerade eben ist sie noch bei ihm - und im nächsten Augenblick nicht mehr.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Loba die Wölfin am 06. Nov. 2004, 11:21 Uhr
Als Loba keuchend und rennend hinter einem hastig vorandrängenden Ieras in der Steinfaust ankommt, ist die große Festung Talyras von tausend Fackeln und Nachtfeuerkörben taghell erleuchtet. Überall auf den Höfen, dem Äußeren und dem Inneren Zwinger, den Wehrgängen und Türmen, den Gängen, Treppen und Hallen haben sich die Blaumäntel versammelt - jeder Mann, jede Frau und jedes Kind der Stadtwache scheint auf den Beinen. Dennoch herrscht Totenstille in der Festung und alle starren mit bleichen Gesichtern und bangen Blicken hinauf zu den Erkern und Fenstern des Westflügels, um die schneidend kalt der Nachtwind singt und von denen herab bis vor wenigen Augenblicken noch Kizumus Schreie zu hören gewesen waren. Man macht ihnen bereitwillig Platz und Loba kann halbgemurmelte Gebete und Segenswünsche hören, während sie hinter Ieras Treppen und Gänge hinaufhastet, vorbei an langen Reihen sorgenvoller, mitleidiger Gesichter. Ieras führt sie durch einen Gang, eine Halle und weitere Gänge, bis er schließlich eine Tür öffnet und schreckensstarr verharrt bei dem Bild, das sich ihm bietet.

Loba in ihrem dicken, blauen Wollumhang schiebt ihn entschlossen beiseite und erstarrt dann selbst für einen Augenblick. Kizumu liegt reglos in den Armen des Lord Commanders, der sie sacht hin und herwiegt und überall um sie her ist Blut: auf ihren Beinen, den Laken, der Kutte des blinden Maesters, auf dem Gewand eines Mädchens, das ein kleines Bündel im Arm hält und im Umkreis von einem Schritt um das Bett auf dem Fußboden. Einige der Kerzen flackern und verlöschen im plötzlichen Luftzug, bis Loba die Tür wieder schließt. Sie schlägt die nebelfeuchte Kapuze zurück und enthüllt schlohweißes Haar über einem scharfen Raubvogelgesicht und riesigen gelben Eulenaugen. Sie legt den schweren Umhang ab, dann einen silbriggrauen Schal und faltet beides sorgfältig zusammen. "Zündet die Kerzen wieder an, Mylord," weist sie Ieras an mit einer Stimme, die beinahe so tief und rauh ist, wie die Olyvars und die keinen Widerspruch duldet. Unter ihrem strengen Blick sorgt Ieras dafür, daß wieder alle Kerzen brennen, starrt aber immer noch zu Tode erschrocken auf seine reglose Mutter in den Armen des Tarascon auf den blutdurchtränkten Laken. "Ich danke Euch, Mylord," erwidert Loba höflich und nickt in Richtung von Rhordris Gemahlin hinüber. "Schickt Morna jetzt nach Hause zu ihrem Gemahl, es zieht ein Sturm auf und wir brauchen sie hier nicht mehr. Und dann kommt ans Bett und haltet mir zwei der hellen Kerzen." Sie wendet sich an Maester Ballabar. "Und du tust dasselbe. Du, Mädchen. Stell dich hierher zu mir, du musst dich gleich um noch ein Baby kümmern." Sie wirft dem Lord Commander einen langen, scharfen Blick zu. "Ich kümmere mich um Lady Kizumu." Sie tritt ans Bett, drängt sich am Tarascon vorbei, fühlt den Puls der Elbin, tastet ihren gewölbten Leib ab und eine steile Falte erscheint zwischen ihren scharfgezeichneten Brauen. "Das Kind, das sie schon geboren hat, ist es in Ordnung?" Olyvar von Tarascon sieht nicht einmal auf, aber Maester Ballabar nickt schwach und seine blinden Augen irren merkwürdig zielsicher durch den Raum. "Es ist ein Mädchen, es geht ihr gut. Kea hier hat sie gut versorgt."

An einer Kordel um Lobas Taille hängen ein gutes Dutzend kleiner Lederbeutel in unterschiedlicher Färbung. Aus einem von ihnen zieht sie eine dunkle Phiole aus geschliffenem Glas, kaum größer als ein Zeigefinger, dann beugt sie sich über Kizumu. Mit der rechten Hand hebt sie ihren Kopf ein wenig an, mit der linken flößt sie ihr eine Flüssigkeit ein, schwarz und dick wie Tinte. Die Elbin leckt sich schwach mit der Zunge über die aufgesprungenen, blutigen Lippen und Loba läßt ihren schweißnassen Kopf mit einem leisen Lächeln wieder zurück auf Olyvars Arm sinken, der bei den schwachen Regungen seiner Frau erstarrt. Lobas dunkle Stimme summt eine Melodie, die keine ist. Knotige, kräftige und doch schlanke Finger fahren über Kizumus Hals und Stirn, ziehen die Augenlider hoch und lassen sie nach einem prüfenden Blick wieder über die Pupille gleiten. Dann zieht sie aus einem weiteren Leinenbeutel eine Specksteindose, die ein schneeweißes Pulver enthält und einen Tiegel mit einer cremigen Paste. Beides, Pulver wie Salbe, reibt Loba mit ruhigen, kreisenden Bewegungen in die zum Zerreißen gespannte Haut der Elbin ein... nicht gerade einfach, da der Lord Commander sie immer noch festhält und keine Anstalten macht, seinen Platz zu räumen. Maester Ballabar und Ieras stehen mit ihren Kerzen still wie Statuen, doch der blinde Maester ist mehr als aufmerksam und Ieras verfolgt mit seinem Blick jede ihrer Bewegungen. Olyvar von Tarascon hingegen hat für nichts Augen, als für das bleiche Gesicht seiner Frau.  "Ich werde sie jetzt festbinden, damit sie sich nicht verletzt, Mylord Commander. Sie ist ohne Bewußtsein und sie hat sehr viel Blut verloren, aber wenn wir jetzt nicht handeln, wird sie ganz sicher sterben. Ihr müßt sie jetzt loslassen." Einen Moment lang glaubt sie, Olyvar habe sie gar nicht gehört, dann läßt er widerstrebend los und legt Kizumu sacht in die Kissen des Bettes zurück. Loba atmet auf. Sie schlingt ein paar feste Stricke, die sie ebenfalls um die Taille getragen hat, um Kizumus Knie und Schultern und bindet den  Körper der Elbin an den geschwungenen Bettpfosten fest. "Mylord Commander? Olyvar? Ihr müsst sie festhalten." Ihre gelben Augen wandern von Maester Ballabar zu Ieras und weiter zu dem Mädchen - Kea. "Sie wird schreien, doch keinen Schmerz verspüren. Ganz gleich, was geschieht, ihr rührt euch nicht von der Stelle.  Ich brauche das Licht der Kerzen. Mylord Commander, haltet sie jetzt. Sie darf sich nicht bewegen."

Loba wartet, bis der große, schwere Mann die Elbin an den Schultern hält und sie sicher sein kann, daß diese sich unter seinem Gewicht nicht mehr regen kann, dann nimmt sie ein schmales Messer zur Hand. Sie reinigt es sorgfältig im kochenden Wasser, das noch immer im Kessel über dem Kaminfeuer simmert, wischt es an etwas ab, das sie aus einem ihrer Leinenbeutel gezogen hat und schlitzt dann mit einer einzigen entschlossenen Bewegung Kizumus Bauchdecke auf. Der Schrei der Elbin ist schwach wie das Maunzen eines Kätzchen, aber hoch und dünn und voller Pein, und er ist noch nicht verklungen, als Loba auch schon ein blutverschmiertes, regloses Neugeborenes in den Händen hält. Sie bläst dem Säugling zwei,- dreimal in den Mund und das Kind fuchtelt plötzlich mit den Armen und gibt ein empörtes Quietschen von sich - laut und deutlich und ganz und gar lebendig. Maester Ballabar flüstert ein Ehrengebet an Faeyris und ein schneller Schnitt trennt die Nabelschnur durch, dann legt Loba das Baby in Keas wartende Arme und wendet sich wieder Kizumu zu. "Haltet die Kerzen höher. Ihr könnt sie loslassen, Commander. Ihr habt einen kräftigen Sohn. Tretet jetzt zur Seite, Mylord und geht zu Euren Kindern. Ihr steht im Weg." Der Tarascon bewegt sich keinen Sekhel, bis Kea ihn schließlich sacht am Ärmel zupft und einfach vom Bett wegzieht und der Mann bewegt sich wie ein Schlafwandler, die Schatten dunkel und voller Leid auf seinem Gesicht. Als hätte ihn jemand im Dunkeln erschossen und er wüßte nur noch nicht, daß er tot ist. Loba hat keine Zeit, auf ihn zu achten. Ihre Hände und Finger bewegen sich schnell und sicher, sie weiß, ihr bleibt jetzt nicht viel Zeit. Noch einmal flößt sie Kizumu etwas von dem dunklen Trank ein und träufelt dann eine farblose Essenz in die klaffende Bauchwunde. Ab und an blitzt ihr Messer auf, während sie Blut und Gewebeteilchen entfernt und dafür sorgt, daß nichts von den Nachgeburten zurückbleibt. Dann näht sie den langen, halbmondförmigen Schnitt zielstrebig und so rasch wie möglich mit einer winzigen, gekrümmten Nadel und hauchdünnen Fäden zu, stets von heiserem Gemurmel begleitet... und schließlich atmet sie auf. "Gut." Noch einmal prüft sie Kizumus Atem und ihren Herzschlag... beides erschreckend schwach, aber noch spüren. "Ich habe getan, was mir möglich war. Ieras, schickt mir einen Knappen oder eine Dienstmagd. Ich brauche heißes Wasser, Rinderbrühe, frische Laken, jemand muß hier saubermachen. Ich wasche sie jetzt und dann packen wir sie in Leintücher und warme Decken. Wenn sie die Nacht und den Morgen übersteht, dann wird sie leben. Sie hat viel Blut verloren und sie ist schwach. Sie braucht Honigwasser, starke Brühe und ich werde einen Trank bereiten, der ihr hilft, neues Blut zu bilden doch jetzt... jetzt können wir nur noch warten."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 06. Nov. 2004, 18:16 Uhr
Die Türe fliegt so plötzlich auf, dass Kea erschrocken zusammen zuckt. Ein erstarrter Ierás steht da und schaut auf seine bewusstlose Mutter und das viele Blut. Doch all das dauert nur einen Moment, dann wird er von einer großen Frau zur Seite geschoben, auch sie scheint kurz erschrocken zu sein, doch sie fasst sich schnell und eilt hinein um zu helfen.
Sie hat schlohweißes Haar und ungewöhnlich große und vor allem gelbe Augen. Kea steht stumm da und weiß nicht was sie tun soll, noch immer hält sie Kizumus kleine Tochter in ihrem Arm und drückt ihr schützend einen sanften Kuss auf die Stirn, während sie die Kleine äußerst sanft und vorsichtig wiegt.
Dass Loba Ierás mit "Mylord" anspricht entgeht ihr nicht und sie versucht sich irgendwie darüber klar zu werden warum diese seltsame Frau das tut. Natürlich, Ierás ist weit mehr als ein einfacher Junge... mehr als ein halber Drache, er ist Ruans Sohn, er ist Thronfolger! Aber er will doch den Thron nicht!
Ein Schauer läuft Kea über den Rücken, ihr wird immer unwohl wenn sie auch nur über den Drachenthron nachdenkt, aber in diesem Moment hat sie ohnehin nicht viel Zeit dafür. Ierás schickt auf Lobas Befehl hin Morna aus dem Raum und zu deren Gemahl. Ierás und Ballabar halten die Kerzen um Licht zu spenden für Lobas Tätigkeit.  
Die Priesterin ruft Kea zu sich und das Mädchen sieht sich kurz um, noch immer hat sie das Baby in den Armen und sie legt sie auf den Tisch, fest umschlossen von einigen Leinentüchern, damit ihr auch nichts geschehen kann. Die Hände frei für das nächste Kind tritt sie zu Loba, die ihnen allen befielt still zu halten und nichts zu tun, da Kizumu schreien, aber nichts spüren würde. Kea spürt, dass sie trotz der Hitze im Raum zittert, sie weiß nicht was Loba vor hat und die Unsicherheit macht sie beinahe rasend.
Der Schrei den Kizumu ausstößt durchdringt Mark und Bein, Kea hätte sich am liebsten die Hände auf die Ohren gepresst und die Augen geschlossen, aber sie hält völlig still, so wie Loba es von ihnen verlangt hat. Sie atmet nicht schneller, nicht lauter, sie schluckt nicht, sie schüttelt sich nicht, sie hat sogar aufgehört zu zittern und beobachtet gespannt war passiert.
Mit kundigen Händen holt Loba den kleinen Jungen zum Vorschein und legt ihn in Keas Arme. Dass er gesund und munter ist grenzt für die Schmiedin an ein Wunder und sie kann ihn erst nur ansehen, ohne es wirklich glauben zu können.
Olyvar ist starr bei Kizumu, auch als Loba ihn weg schickt rührt er sich nicht. Kea berührt ihn sacht am Arm, doch der Lord Commander scheint sie nicht einmal wahr zu nehmen.
"Olyvar!" Ihre Worte sind leise und sie schließt ihre Hand um seinen Arm, zieht etwas und verstärkt schließlich den Druck, stößt damit allerdings erst einmal nur auf Gegendruck.
Soll ich mich jetzt darauf einlassen Seilziehen mit dem LordCommander zu spielen? Keas Gedanken sind irrwitzig und unnötig, denn im gleichen Moment gibt Olyvar nach und folgt ihr. Sein Blick ist immer wieder nach hinten zu seiner Frau gerichtet und auf das Blut, das scheinbar überall im ganzen Raum verteilt ist.
Kea badet den kleinen Jungen, welcher wütend strampelt und schreit, er biegt sich nach hinten durch als wolle er durchbrechen. Sein Gesichtchen ist rot vor Zorn und er beruhigt sich erst langsam als Kea ihn ebenfalls in frische Leinentücher wickelt und seinem Vater in den Arm legt.
"Er ist gesund und munter!" Kea streicht ihm noch ein Stück Stoff aus dem Gesicht und lächelt kurz über den kleinen Jungen der seinen Vater mit großen blauen Augen ansieht. Danach nimmt Kea Olyvars und Kizumus Tochter wieder ansich und versucht Olyvar damit ebenfalls etwas abzulenken.
Auch ihre Angst um Kizumu ist nicht verschwunden, aber nichts zu tun würde sie höchstens wahnsinnig machen und hier ist junges Leben um das man sich kümmern muss. Über Olyvars Gesicht liegt ein Schatten und eine unbeschreibliche Trauer, immer wieder wandert sein Blick von seinem Sohn fort zu seiner Frau, die noch immer auf dem Bett liegt, den Bauch aufgeschnitten umringt von Kerzenschein und Blut.

Instinktiv hat Kea angefangen leise Gebete vor sich hin zu murmeln, für das Mädchen, für den Jungen und schließlich für Kizumu und nur noch Kizumu, dafür, dass alles gut werden würde und dass die Elbin am nächsten Morgen noch am Leben ist. Loba schickt Ierás hinaus um eine Magd oder einen Knappen zu holen, der Raum muss gesäubert werden und Kizumu ebenfalls. Kea beginnt damit die Leinentücher die sie nicht für die Kinder gebraucht hatten auf den Boden zu legen, damit das Blut aufgesaugt wird. Auf dem Arm hält sie immer noch das Mädchen und ihre Füße bewegen sich wie in Trance.
Es scheint ewig zu dauern bis die Dienstmagd endlich auftaucht, frische Leinentücher, warme Decken und weiche Lederlappen auf dem Arm, gefolgt von zwei Knappen die einen Kessel mit Wasser mit sich bringen und ihn aufs Feuer stellen. Ierás ist ihnen voran gegangen, mit düsterer Miene und einem Schatten über den Augen den Kea von ihm noch nicht kennt. Die Magd macht sich sofort daran den Raum zu säubern, während Olyvar Kea seinen Sohn in den Arm legt und wieder zu seiner Frau eilt.
Kea drückt den Jungen ansich und geht dann die wenigen Schritte die sie von ihrem Geliebten trennen, auf Ierás zu. Sie hätte gerne seine Hand genommen und ihm gezeigt, dass sie für ihn da ist, aber sie hat in jedem Arm ein Baby, Ierás Geschwister, den Göttern sei Dank gesund und wenn es Wille der Götter ist keine Halbwaisen, einen Tag nach ihrer Geburt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 06. Nov. 2004, 19:52 Uhr
Sein Herz hämmert seitdem sie die Steinfaust betreten haben ein morbides Zu spät.zu spät. und als er die Tür zum Schlafgemach öffnet, hat er das Gefühl, als hätte ihm jemand großes und starkes in den Magen geboxt.
Seine Mutter liegt bleich und völlig still in roten Laken und Olyvars Gesichtsausdruck lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. Zu spät.. Nein, bei allen neun Höllen nein! Er möchte schreien, toben, weinen und auf irgendetwas lebendiges einschlagen, doch alles was er tut ist zur Seite zu treten, Loba herein zu lassen und dann wie ein wandelnder Toter ihren Anweisungen zu folgen.
Zu Spät, wir sind zu spät.
Mit wächsernem Gesicht verfolgt er jede Bewegung die die Priesterin macht und lässt seine Mutter dabei doch nie aus dem Blick. Die Ermahnung Lobas, ja keine Bewegung zu machen, sie brauche das Licht wirbelt durch seine Gedanken und hält ihn an seinem Platz als seine Mutter einen hohen und doch so leisen Schrei von sich gibt. Sein Blick hat sich auf ihr Gesicht geheftet und es zerreißt ihm das Herz, sie so zu sehen.
Er nimmt nicht einmal wahr, das Kea das Kind; seinen Halbbruder; nimmt, es säubert und schließlich zu Olyvar tritt um ihn Loba aus dem Weg zu holen. Die Hohepriesterin kümmert sich um Kizumu, versorgt die große Bauchwunde und erst als sie sich mit einem weiteren Botengang an ihn wendet fällt die Starre von ihm ab.
Ohne noch jemandem einen Blick zu schenken ist er hinaus, findet Mattis in der kleinen Eingangshalle, hin und her gerissen zwischen Pflichtgefühl und Angst und sie machen sich schweigend auf den Weg die benötigten Dinge zu holen.

Ihr Gang führt sie an unzähligen Menschen vorbei, die ihnen fragende, mitleidige und ganz allgemein besorgte Blicke zuwerfen. Ierás Gesicht ist eine Maske aus Selbstbeherrschung; der Drang irgendwen niederzuschlagen ist noch immer unbändig in ihm, doch er reißt sich zusammen und treibt stattdessen das Gesinde unerbittlich an, die sich beeilen alles benötigte so rasch wie möglich zusammen zu suchen.

Dann sind sie wieder im Westflügel und für einen Augenblick erscheint ihm die ganze Situation unwirklich und er fragt sich, wie er den Weg zurückgelegt hat.
Mattis und ein Junge dessen Namen er nicht kennt tragen den Wasserkessel mit bleichen Gesichtern und das Mädchen macht sich mit niedergeschlagenen Augen und einem traurigen Zug um den Mund daran, die Laken zu wechseln und den Boden zu säubern.
Olyvar ist bei seiner Mutter, hat sie wieder im Arm und einen Moment spürt er eine unsägliche Wut auf diesen Mann. Er war Schuld, er hatte seiner Mutter dies alles angetan, er war für all das hier verantwortlich. Und doch beneidet er den großen, traurigen Mann um seinen Platz an der Seite seiner Mutter.

Ein leises Wimmern in seiner unmittelbaren Umgebung reißt ihn aus seinen widersprüchlichen Gedanken und als er jetzt den Blick senkt, blickt er direkt in zwei rote, zerknautschte Gesichter mit blauen Augen, die ihn richtungslos und doch so direkt ansehen. Sein Blick wird düster und er beißt sich fest auf die Unterlippe, so fest, dass er den metallischen Geschmack von Blut nicht nur in der Nase, sondern auch im Mund hat.
"Gesund?" Seine Stimme klingt hohl, nicht wie er selbst und er sieht den Zweifel und die Sorge im Gesicht seiner Gefährtin als sie nickt. Meine Geschwister... Eine Mischung aus plötzlichem Mitgefühl, brüderlicher Zuneigung und Wut überschwemmt ihn und reißt ihn einen langen Augenblick mit sich fort. Doch dann findet sein Blick Keas und zumindest die Wut verblasst für den Moment.
"Gib mir eines." Sie wirft ihm einen stillen Blick zu, reicht ihm dann aber den Jungen, der noch immer mit den winzigen Armen fuchtelt und leise wimmert. Der Kleine ist unglaublich leicht und Ierás hält ihn unsicher im Arm. Das Baby strahlt Wärme aus, lediglich die winzigen Hände mit den noch winzigeren Fingernägeln sind eisig. Er beugt den Kopf zu dem Kind herunter, atmet den warmen Geruch den es ausstrahlt und weiß nicht, was er tun oder sagen soll. Das leuchtend rote Haar des Jungen treibt ihm die Tränen in die Augen.
Loba beobachtet Kizumu sehr genau und Ballabar hat sich auf die andere Seite des Bettes gesetzt, das Gesicht von Erschöpfung und Sorge gezeichnet. Die beiden Knappen sind dem Mädchen zur Hand gegangen und kaum eine halbe Stunde später sieht das Gemach wieder aus wie vorher; nur die stummen, sorgenvollen Gesichter passen nicht recht zu dem beinahe friedlichen Bild, dass die ohnmächtige Kizumu bietet.

"Olyvar.." Er hatte nicht bemerkt, das er sich bewegt hat und doch ist er jetzt neben dem Bett und blickt auf den rotbraunen Haarschopf herab. Doch der Mann reagiert nicht, streicht nur immer wieder über Kizumus Wange und so legt Ierás ihm schließlich seinen Sohn auf den Schoß. "Olyvar, komm..." Er weiß nicht was er sagen soll und er kann nichts gegen die aufsteigende Flut aus Tränen tun, die in seinen Augen brennt. Die Angst um seine Mutter schnürt ihm die Kehle zu, droht ihn zu ersticken und er gibt einen leisen Kehllaut von sich, während seine Hand noch immer auf seinem Halbbruder ruht.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 06. Nov. 2004, 21:23 Uhr
Es existiert nichts, bis auf eine dumpfe Stille, warme Dunkelheit und Frieden. Die Schmerzen, die Erschöpfung und die Angst der letzten Stunden verblassen zu Erinnerungen, gesellen sich zu denen von Freude, Liebe und Geborgenheit, bis auch sie schließlich in der Schwärze um sie her nicht mehr als wabernde Schemen sind, die sie irgendwann zur Gänze hinter sich lässt.

Gedanken scheinen so fern wie Gefühle und was auch immer vorher war, ist nun nicht mehr wichtig. Sie ist die einzigste Bewegung, das einzigst lebendige in dieser allumfassenden Düsternis; und doch sie ist nicht allein, nicht einsam.. nur frei. Nichts was sie festhält oder bindet, kein Zwang irgendetwas anderes zu tun als nur zu sein.
Zeit existiert hier nicht mehr. Sie hat keinen Anhaltspunkt wo sie ist oder wohin sie sich bewegt.

Die Dunkelheit verblasst, wandelt sich von Schwarz zu einem dunklen Grau und schließlich zur blassen Kulisse sanftgeschwungener Sandhügel, die sich bis zum Horizont erstrecken. Es ist still um sie her, doch jetzt hat diese Stille nichts angenehmes mehr, sie ist erdrückend und betäubend. Sie spürt keinen Körper und sie hat auch kein Verlangen danach, aber irgendetwas zerrt am Rande ihres Bewusstseins und lässt sie nicht in Ruhe.
Ein spitzer, hoher Ton zerreißt die Stille, lang und voller Pein. Er hält nicht lang an, wird leiser bis er schließlich ganz verklingt.
Ehe sie begreift, wie ihr geschieht spürt sie ihre Füße und den Boden darunter, spürt kalten Sand zwischen nackten Zehen und die Erschöpfung kehrt zurück. Ihre Knie geben nach und der Sand, in den sich ihre tauben Hände krallen ist farblos. Sie wird sich der Kälte um sie her bewusst, im selben Moment in dem sie begreift das sie nackt ist. Jede Bewegung scheint zuviel zu sein, ihre Glieder fühlen sich bleischwer an und doch schafft sie es, sich hinzusetzen. Vorsichtig und unendlich langsam zieht sie die Beine an sich und umschlingt sie mit schwachen Armen.

"Sgáileanabh.."
Das leise Wispern, vom Wind herangeweht scheint von weit her zu kommen, doch sie hebt den Kopf, den sie erschöpft auf ihre Arme gelegt hatte. Unruhe macht sich in ihr breit, sie weiß, dass da etwas ist, was.."Sgáileanabh.." Die leise Stimme ist lauter geworden und ihrer Erschöpfung zum Trotz schafft sie es auf die Beine zu kommen und sich umzusehen. Doch da ist nichts außer Hügeln aus Sand und dem blassgrauen Horizont.
"Sgáileanabh.."
Sie weiß, dass dieses Wort eine Bedeutung hat, eine unendlich wichtige Bedeutung sogar, doch egal wie angestrengt sie sich zu erinnern versucht, sie will ihr nicht einfallen. Sie dreht sich im Kreis, ihr Blick irrt über die immer gleichbleibenden Hügel um sie herum und irgendwann, nachdem die Stille sich ihren Platz zurückerobert hat, bleibt sie stehen.

"Schattenkind, kleine Elbe aus dem feurigen Berg..wo bist du?" Kälte breitet sich in ihr aus und der Wind, der jetzt aufkommt hat nichts warmes, er ist nur eisig und sie spürt, dass sie nicht mehr alleine ist. Als sie sich jetzt umblickt schaut sie in ein Paar purpurner Augen, aus denen so etwas wie stille Freude und untröstliche Traurigkeit strahlt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 06. Nov. 2004, 21:31 Uhr
Er bemerkt Loba erst, als sie direkt neben ihm steht und als Kizumu sich kaum spürbar regt, flammt Hoffnung in ihm auf, so brennend, daß es ihm einen Moment lang den Atem nimmt. Loba ist hier. Sie hat mich gerettet. Sie wird sie retten... Von all dem, was um ihn her vorgeht, bekommt er kaum mehr mit, als vage Ahnungen, Schatten, die vorbeiwirbeln, Wortfetzen, die er hört, die ihm jedoch nichts bedeuten. Seine Welt ist auf Kizumus blasses Gesicht geschrumpft - aber ihr Schrei ist hoch und dünn und der Widerhall sagt sterben, sterben... Widerstandslos läßt er sich von Kea fortziehen, irgendetwas in den Arm legen, bekommt es wieder abgenommen - daß er eben zum ersten Mal seinen Sohn in den Armen gehalten hatte, wird ihm erst klar, als das kleine, wütende Gesichtchen wieder fort ist. Kinder... meine... Götter... Kiz... oh... Der Schmerz packt ihn so heftig, daß er laut nach Luft ringt, als er an ihre Seite zurückkehrt und sich neben sie auf das Bett setzt. Loba wäscht Kizumu, kleidet sie in ein frisches Nachtgewand, verbindet ihre Wunde, läßt das Bett abziehen und sorgt für frische Wäsche und Decken, Mägde scheuern den Boden, säubern das Schlafgemach. Mattis kleines, entsetztes Gesicht zieht an ihm vorüber, ebenso wie die Bruchstücke halbgemurmelter Gebete, Segenswünsche... Maester Ballabar wird hinausgeführt, Loba verspricht, sich in der Nähe zu halten und irgendwann wird es wieder ruhig, nur Kea und Ieras bleiben zurück.

Olyvar sitzt schweigend neben Kizumu, hält ihre Hand und irgendwie gelingt es ihm sogar, alles aus seinem Gesicht fernzuhalten - den unerträglichen Schmerz, die grauenvolle Angst, sie könne sterben, seine ohnmächtige Wut auf das Schicksal oder die Götter oder wen auch immer... und die kalte Gewißheit, daß er allein für all das hier verantwortlich ist. Ihre Finger sind so kalt wie Eis. Geh nicht fort, die unausgesprochenen Worte schnüren ihm die Kehle mehr zu als die Angst. Bleib bei mir. Er sitzt neben ihr und hält ihre Hand und ihm kommt der Gedanke, daß er sie irgendwie festhält, sie hier bei ihm im Leben hält. Wenn er bis Sonnenaufgang durchhalten würde, wenn er bis zum Morgen durchalten würde, würde alles gut werden...und wenn er sie losließe, wäre es das Ende. Wut regt sich in ihm, ein schwarzer, verzweifelter Zorn, gallenbitter auf der Zunge, irgendetwas, um den Schmerz zu bekämpfen... und ohne es zu wissen, fühlt er ähnliches wie Ieras: den verzweifelten Wunsch, auf irgendetwas oder irgendjemanden einzuschlagen, bis seine Fäuste taub und seine Arme müde wären... stattdessen hat er plötzlich ein Baby im Arm. >Olyvar... komm...< Er kann seinen Blick nicht von Kizumu abwenden. Was, wenn sie sich bewegte, wenn er nicht hinsah? Was, wenn sie die Augen aufschlug oder... was wenn sie... hör auf! Er hebt den Kopf und blickt in Ieras Gesicht, die Wangen tränennass, eine Hand noch immer stützend unter dem winzigen Windelhintern des Kindes, das er ihm gerade in die Arme gelegt hatte. Einen endlosen Augenblick lang sehen sie sich nur an, teilen dasselbe Leid, die gleiche Verzweiflung, die Wut, den Schmerz, die Hoffnung, ihre Mienen Spiegelbilder des jeweils anderen. Dann läßt Ieras sich neben ihm auf der Bettkante nieder und auch Kea tritt näher und setzt sich auf Kizumus andere Seite...wo immer sie hingehen würde, von ihnen fort oder zu ihnen zurück, sie sind bei ihr.

Er hat jedes Zeitgefühl verloren, während er wartet - aber nie war eine Nacht in seinem Leben kälter und einsamer gewesen oder langsamer verstrichen. Irgendwann nach Mitternacht waren die Kinder geboren worden und nun zieht fahl und grau die Dämmerung herauf und Kizumu neben ihm atmet noch immer. Ihr Gesicht ist weiß wie Milch, aber sie atmet. Ieras und Kea sind längst eingeschlafen, haben sich am Fußende des Bettes ausgestreckt und um das zweite Kind zusammengerollt, als wollten sie das winzige Leben schützen. Ihre Köpfe liegen Stirn an Stirn, ihre Hände ineinander um die winzigen Babyfüße verschlungen. Olyvar kann sehen, wie sich die weichen Tücher sacht bewegen, in die Kea es in der Nacht gewickelt hat. Das Kind in seinem Arm schläft. "Sgáileanabh..." Seine Stimme zittert und ist kaum mehr als ein heiseres Wispern. "Sgáileanabh... du mußt aufwachen. Du mußt aufwachen und dir deine wunderschönen Kinder ansehen. Sie brauchen dich. Ich brauche dich. Du bist Fleisch von meinem Fleisch, erinnerst du dich? Ich lasse dich nicht gehen. Wir sind eins, Sgáileanabh. Ich werde diese Liebe nicht überleben. Deshalb darfst du nicht vor mir sterben."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 07. Nov. 2004, 10:11 Uhr
Verzeih mir meine Lüge und lass mich ein Teil von dir sein.

Es dauert, ehe sie sich daran erinnert. An purpurne, traurige, auf so verwirrende Art bekannte und doch völlig fremde Augen die sie mit diesem Ausdruck ansehen. "Nenn mich nicht so." Sie weiß nicht, was sie stört, aber die Worte aus seinem Mund klingen so unendlich falsch, das sie schreien möchte. "Du hast kein Recht dazu."
Einen Herzschlag lang schauen sie einander nur an, jeder unfähig etwas zu sagen, bis er schließlich die Augen niederschlägt und seinen Blick über ihre Nacktheit wandern lässt. Sie versucht, sich mit ihren Händen zu bedecken und weiß doch, das es keinen Sinn hat. Nach einem letzten, langen Blick in sein blasses Gesicht wendet sie sich ab, macht einen müden Schritt von ihm fort und bleibt dann wie angewurzelt stehen. "Lass mich gehen." Ihre Stimme ist leise, aber sie weiß das er sie gehört hat. Er hält ihre Seele in seinen Händen, hatte sie von Anfang an durchschaut und erkannt und lässt sie jetzt nicht fort.
Dieser Erkenntnis folgt die nächste auf dem Fuß und sie vermag einen Teil ihrer Unruhe jetzt zu verstehen. Die purpurnen Flüsse warten, sie rufen, ich muss hinüber, muss ihnen folgen zu den Hallen.. Sie fühlt sich unendlich müde und ist versucht, sich einfach noch eine Weile hier auf den kalten Sand zu legen, die Augen zu schließen und später, wenn sie sich ausgeruht haben würde, dem Rufen zu folgen. Doch stattdessen dreht sie sich wieder zu ihm um und schaut ihn einen Augenblick aus fragenden Augen an, ehe sie begreift und Wut und  Enttäuschung sie erfassen, mit sich fortspülen und keinen Gedanken an die leise Stimme des Todes zurücklassen.
"Lügner. Du götterverfluchter Bastard von einem Lügner! Verdammt sollst du sein! Ich bereue den Tag an dem ich dich getroffen habe, lieber wäre ich auf den blanken Felsen zerschellt und mir wären deine Lügen erspart geblieben. Du Bastard! Lügner! Brudermörder!“ Ihre Stimme ist laut und hallt in der Weite der sie umgebenden Ödnis, aber nur das letzte Wort zieht ein wirkliches Echo nach sich und das schöne Gesicht ihres Gegenübers verzieht sich zu einer Grimasse aus Schmerz und Scham.
“Brudermörder!“ Sie spricht dieses eine Wort unendlich leise aus, doch erneut wiederholt es sich mehrfach, wabert an ihnen vorbei, umspült ihn und lässt ihn wanken. “Wie konnte ich dich lieben?“ Sie erwartet keine Antwort von ihm und er kann ihr keine geben, blickt sie nur aus diesen traurigen Augen an und sie wendet sich mit einem leisen Kopfschütteln von ihm ab. “Lass mich gehen, sie rufen mich.“ Doch wieder erhält sie keine Antwort und als sie sich noch einmal umdreht ist er fort.

Die Einsamkeit kehrt mit dem kalten Wind zurück, der an ihren Haaren zerrt, sich ihr unerbittlich entgegenwirft, bis sie schließlich erneut zu Boden geht.
“Nenn meinen Namen, gib mir  meinen Namen... du kennst ihn, nur du kennst ihn und nur du wagst es noch, ihn auszusprechen... Gib mir meinen Namen zurück, lass mich hier nicht namenlos zurück.“ Seine Stimme dringt von weit her und in ihr schwingt soviel Pein und Verzweiflung mit, dass es ihr die Tränen in die Augen treibt. Verzweiflung überkommt sie, vermischt sich mit Einsamkeit, Wut und der Erinnerung daran, wie es ist, nicht mehr weiter zu können, nicht mehr weiter zu wollen und doch jeden Tag von neuem aufzustehen, zu essen, zu reden, wie eine Marionette ferngesteuert vor sich her zu leben. Und doch. Da ist etwas, was noch immer am Rande ihrer Aufmerksamkeit zupft, wie ein kleines Kind am Rockzipfel seiner Mutter, doch egal wie sehr sie sich darauf konzentriert es will und will ihr nicht einfallen.
“Ich trage deinen Namen, hast du das vergessen? Leid. Du hast dich Leid genannt und hast es über mich gebracht.“ Sie spricht wie zu sich selbst, so leise dass der eisige Wind ihr die Worte vom Mund zu pflücken scheint und sie mit sich fortnimmt und doch weiß sie, dass er sie hört, jedes Wort, jeden Gedanken und jedes Gefühl. “Leid? Leid für den Brudermörder, Leid für... Gib mir meinen Namen!“ Der Wind trägt ihr die Worte zu und sie schließt die Augen, um die Ödnis um sie her aus sich auszuschließen. “Gib mir meine Seele! Du hast sie mit dir fort genommen und ich bin ohne sie kalt und allein und verwehe im Sturm meines Lebens...“ Sie bricht ab, spürt ihre eigene, warme Haut unter ihren Fingern und all die Worte die eben noch in ihr waren, sind fort, verweht wie der Wind um sie her.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 07. Nov. 2004, 11:48 Uhr
Die Nacht an Kizumus Bett scheint ewig zu dauern, streicht unendlich langsam voran. Nur am Mond lässt sich erkennen wie spät es eigentlich schon ist. Noch liegen Stunden vor ihnen bis der Morgen kommt und Kea fühlt sich einfach nur mehr müde und erschöpft. Das Mädchen in ihren Armen schläft, einen gerechten Schlaf nach der Anstrengung die hinter ihr liegt. Das rotbraune Haar schimmert im Schein der Kerzen und das Licht scheint durch die dünnen Ohrspitzen. Ganz vorsichtig fährt Kea mit einem Finger über die leicht angespitzten Ohren, gerade so wie ihre eigenen.
Die Schmiedin weiß nicht mehr wann, aber irgendwann hat sie gespürt, dass die Erschöpfung zu groß ist, als dass sie die Tränen noch weiter zurück halten kann. Sie wollte stark sein für Ierás, für die Kinder und auch für Olyvar, dass es den Anschein hat als würde wenigstens einer von ihnen die Fassung bewahren, aber sie hat es nicht geschafft.
Sie muss daran denken was Kizumu ihr einst gesagt hat, etwas das ewig her scheint, aber Kea hat es nie vergessen können.
>Ich möchte.. wenn du Probleme oder Sorgen hast, komm zu mir. Ich weiß, dass niemand eine Mutter ersetzen kann, aber<
Kea hat Kizumu auch nie als ihre Mutter angesehen, zwei vermeindliche Mütter waren ihr genug und es reichte ihr um sie zu trauern, aber als Freundin und Kea weiß dass sie nicht alleine war, wenn sie einmal sprechen wollte ohne, dass ein Mann dabei war, wenn sie ihre Probleme nicht mit Ierás teilen wollte, sondern mit einer Frau.
Die Tränen die über ihre Wangen rinnen sind heiß, aber stumm. Sie schluchzt nicht und sie hat nicht den Willen irgendetwas zu zerstören oder einfach nur zu schreien, sie fühlt sich plötzlich schrecklich alleine und noch viel Kleiner in der riesigen Welt als sie es ohnehin schon ist. Obwohl sie weiß, dass sie mit ihrem Schmerz nicht alleine ist, im Gegenteil, Kea kennt Kizumu lange nicht so gut wie Ierás oder Olyvar das tun, sie liebt Kizumu, aber die Liebe eines Sohnes oder die Liebe eines Mannes sind etwas ganz anderes. Ihr Schmerz ist anders, jeder Schmerz ist anders, jedes Leid und doch sitzen sie alle hier und weinen um die gleiche Person.
Kea weiß nicht mehr wann, aber irgendwann ist sie zu Ierás Seite gegangen und hat sich neben ihn gesetzt, seine Hand genommen und einfach fest gehalten. Sie hätte sogerne seinen Schmerz von ihm genommen, weiß sie doch wie es ist eine Mutter zu verlieren. Sieht sie doch den gleichen Schmerz in seinen wie in ihren Augen... Du fühlst was ich fühle, und ich fühle was du fühlst!
Nein, nein! Denk sowas nicht einmal, sie ist noch bei uns, sie lebt noch! Sie wird wieder gesund!


Mit der Dämmerung erwacht sie plötzlich, eigentlich will sie im gleichen Moment in die Höhe schießen, doch instinktiv hält sie irgendetwas zurück. Sie öffnet die Augen und weiß auch schon was es ist. Nicht Ierás Hand, aber ein kleines Halbelben Mädchen, das eingewickelt in weiche Leinentücher zwischen ihr und Ierás liegt. Sie bewegt sich und beginnt leise zu wimmern. Kea richtet sich langsam auf, löst ihre Hand aus Ierás Griff und hebt das Mädchen zu sich hoch, doch all das Wiegen und Streicheln nützt nichts mehr.
Sie sieht, dass auch der Junge den Olyvar im Arm hält, sich bewegt und zu wimmern beginnt.
"Olyvar, die Kinder haben Hunger!"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 07. Nov. 2004, 17:01 Uhr
Mach mir den Himmel rot; Brenn auf mein Gesicht lass die Seele erglühn; Kriech mir unter die Haut ich will das Feuer berührn; Mach mir den Himmel rot; Lass mich in dir verglühn*

Bis auf das leise Wispern des Windes und ihre eigenen Gedanken, die in ihr widerhallen, ist es still um sie her. Sie sitzt auf dem sandigen Boden, die Beine dicht an ihren Körper gezogen und die Arme um ihre Knie geschlungen. Sturm.. Sie weiß, dass dieses Wort etwas bedeutet, etwas wichtiges, etwas das sie herausfinden muss, da sie sich sonst keinen Sekhel mehr bewegen kann.  
Der Wind, der über die sanftgeschwungenen Hügel weht, ist wärmer geworden und mit jedem Mal, das sie das kleine Wort wiederholt, wird er wärmer, spielt sanfter mit ihrem Haar und als es ihr wieder einfällt, lässt er für einen Herzschlag völlig nach. “Ierás... Sturm.. Mein Sohn.. Unser Sohn.“ Der Wind kehrt mit einem langgezogenem Seufzen zurück, Wärme und Trost spendend. Mit der Erinnerung an ihren Sohn kehrt jedoch auch die Sehnsucht in ihr Herz zurück und lässt sie erbeben. Sie lässt sich zur Seite fallen, krümmt den Rücken und zieht die Beine noch näher an sich heran, die Hände, kalt und beinahe taub umfassen ihren Kopf. Lange erfüllt nichts als ihr Schluchzen die Weite um sie her und dann verlässt sie die Kraft, auch nur die Augen zu öffnen.

Warme, weiche Hände umfassen ihre Schulter, rütteln sacht an ihr, so lange bis sie endlich doch die Kraft findet, einen Arm zu heben und nach dem Störenfried zu schlagen. “Lass mich, lass mich in Ruhe.. Mein Sohn, er ist fort... ich.. ich bin fort und habe ihn allein gelassen...“ “Erzähl mir von ihm.“ Sie fühlt sich leicht angehoben, seine vertrauten Arme um ihre Mitte geschlungen und als sie sich erschöpft an ihn lehnt, vergeht die Verzweiflung und macht Platz für Erinnerung und Trost.
“Er ist erwachsen geworden, hat von uns beiden ein bisschen.. die Mädchen schauen sich schon nach ihm um, aber er bemerkt es nicht einmal er hat nur...Er ist so schnell gewachsen, manchmal habe ich solche Angst um ihn, er ist doch noch so jung, so unvorbereitet für diese Welt da draußen und ich habe ihn jetzt allein gelassen, ganz allein...“ Er wiegt sie wie ein Kind in seinen Armen und sie erinnert sich mit wehmütigem Lächeln an die Zeit vor seinem Tod, damals als sie frei und ungebunden durch die Immerlande gezogen waren, nur mit sich und ihrer Liebe allein. Doch dann war er das erste Mal gestorben, nicht ohne ihr zu versprechen, sie nicht allein zu lassen, da zu sein. Sie erinnert sich an ihre Ankunft in Talyra, daran wie stolz sie gewesen war, sesshaft zu werden, ihr eigenes Haus zu haben.. und an Malakai und all die anderen Freunde, die sie in dieser großen, lauten Stadt gefunden hatte. Ob sie mich vermissen? Doch unter all den geliebten Gesichtern, die an ihrem inneren Auge vorbei ziehen ist ein verwaschener, blasser Fleck. Sie weiß, dass dort jemand ist, jemand der ihr viel bedeutet und das mit ihm etwas anderes auf sie wartet, etwas wichtiges, etwas das sie nie vergessen wollte.
“Ich erinnere mich nicht.Warum bin ich hier?“ Er kann ihr auf ihre Frage keine Antwort geben und die Stille umarmt die beiden Gestalten von neuem.

Die Unruhe in ihr wird drängender, je länger sie da sitzen und jetzt, in seiner schweigenden Umarmung erinnert sie sich wieder daran, wo sie sich eigentlich befinden. Sie blickt sich suchend um, doch da ist nichts bis auf  die Monotonie der Hügel und des Windes, nichts als er und sie, allein. Doch je mehr sie sich auf ihre Umgebung konzentriert um so lauter wird die sanfte, rufende Stimme, die der Wind heranträgt. “Sie rufen nach mir. Ich soll zu ihnen kommen, mit ihnen gehen..fort..“ Sie ist selbst erstaunt darüber, wie weich und fern ihre Stimme klingt, aber der Wunsch, dem Drängen in ihr endlich nachzugeben ist groß und wird mit jedem Herzschlag größer.
Schließlich steht sie auf; nur mühsam aber aus eigener Kraft verlässt sie die schützende Umarmung ihres einstigen Gefährtens und macht sich, ohne sich nach ihm umzusehen in die Richtung auf, die das Drängen ihr vorgibt.
“Shunjalinn, Geliebte, min I..“ Sie bleibt abrupt stehen und wendet sich mit wehendem Haar zu ihm um, was ihn zum Schweigen bringt. “Shunjalinn? Das heißt Schattenkind... es ist mein Name, nicht wahr? Mutter hat mich so genannt und ich habe mich immer gefragt, wieso.“ Er nickt nur, ehe sie beinahe sinnierend  fortfährt. “Shunjalinn.. aber ich heiße auch Leid, oder? Das war dein Name.. einer deiner Namen... Kizumu?“ Seine Purpuraugen weiten sich und sie erkennt die Hoffnung darin, doch als es um sie her still bleibt und nur der Wind sein leises Lied singt, erlischt diese Hoffnung. “Ich habe noch einen Namen, du kennst ihn. Ierás ist mein Erbe, mein Sohn, gib seinem Vater seinen Namen zurück... und ihm sein Erbe!“ “Er will es nicht. Er will dein Erbe nicht, will keinen Krieg, keine Verwüstung und keinen Hass! Dein Sohn hat trotz seines jungen Lebens mehr Ehre im Leib als du jemals hattest in all deinen Jahren, ob tot oder lebendig.“ Die Sicherheit, die ihr diese Worte geben, gibt ihr Kraft und ihr Blick verhärtet sich. “Ich habe dich geliebt, Kizumu und ich hätte es getan, hättest du mir die Wahrheit gesagt aber du hast gelogen, mich und deinen Sohn, dein eigen Fleisch und Blut angelogen. Warum bist du noch hier und nicht schon lang über den Fluss und mit den Schiffen verschwunden? Du hast noch immer Angst davor deinem Bruder zu begegnen oder deinem Vater, nicht wahr? Du könntest seit so langer Zeit bei ihnen sein, stattdessen bist du hier und.. und wartest. Worauf? Auf ein Wunder dass dich von all deiner Schuld befreit?“
“Auf dich. Ich habe auf dich gewartet. Ich weiß, dass du mir nicht verziehen hast und die Götter haben es auch nicht getan. Ich.. ich muss so lang hier bleiben, bis sich jemand an meinen Namen erinnert...“ Das unausgesprochene du bist die einzigste die ihn noch kennt hängt einen Augenblick lang zwischen ihnen, ehe sie es schließlich mit einer rüden Handbewegung fortwischt.“Ich erinnere mich nicht, ich kannte nicht einmal mehr meinen eigenen Namen, geschweige denn das ich etwas über meinen eigenen Tod weiß! Verdammt Kizumu! Ich sollte nicht hier sein, ich.. ich sollte ganz woanders sein, etwas wichtiges tun, aber ich weiß nicht mehr was und alles was ich will ist mein Frieden in Sithechs Hallen. Ich kenne deinen Namen nicht mehr und ich will ihn auch nicht kennen!“ Sie wendet sich ab, die Augen geschlossen um sein Gesicht nicht mehr sehen zu müssen, lässt ihn und ihre Vergangenheit hinter sich und wendet sich den drängenden Stimmen zu.

(*Fiddlers Green - Tangerine, Zeilen gesungen von Eric Fish)

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 08. Nov. 2004, 00:31 Uhr
Olyvar blickt aus schattenverhangenen Augen auf und es dauert eine ganze Weile, ehe Keas Worte und das Jammern der Kinder zu ihm durchdringt. Noch immer hält er Kizumus Hand und er würde ihre kalten Finger nicht freigeben. Schon seit sie bewußtlos geworden war, hatte er das unerklärliche, aber drängende Gefühl, sie festhalten, ihr seine Hände auflegen, sie berühren zu müssen, doch er belastet seinen Verstand nicht mit der Frage nach einem "Warum". >Die Kinder haben Hunger, Olyvar.< "Nein, keine Amme," fährt er sie an. Seine Stimme ist so rauh und heiser, als hätte er die ganze Nacht geschrien, dabei hatte er nur geflüstert... eine bittersüße Geschichte, die mit einem klapprigen Zaun und durchgelaufenen Stiefeln angefangen und bis in eine Nacht voller Verzweiflung geführt hat. "Es sind Kizumus Kinder, keine andere Frau wird sie..." er bricht ab und schließt einen Moment lang die Augen, ehe er resigniert fortfährt. "Es tut mir leid. Tut mir leid. Ich... bin müde. Sie wird nicht sterben. Sie müssen... nur noch ein wenig durchhalten. Gib mir das Kind, Kea. Leg es neben sie. Und dann weck Ieras und geh mit ihm hinaus. Geht und... laßt euch von Mattis ein Morgenmahl bringen. Wenn Loba wach ist, schick sie her. Kizumu braucht ihre Heilkunst. Ich will... eine Weile mit ihr allein sein." Kea sieht ihn einen Moment lang aus dunklen Augen an, nickt dann aber und tut, worum er sie gebeten hat. Sie legt das Baby neben Kizumu, weckt dann mit leisen Worten Ieras und nimmt ihn mit sich hinaus. Kizumus Sohn wirkt einen Augenblick lang verwirrt, wirft einen besorgten Blick auf seine noch immer besinnungslose Mutter, doch als Olyvar den Kopf schüttelt, folgt er Kea widerstandslos.

Olyvar hört ihre Schritte draußen im Gang verklingen und bleibt allein mit Kizumu zurück... und mit ihren Kindern. Er legt das Baby, das er die ganze Nacht im Arm gehalten hatte, den Jungen, wie er glaubt, vorsichtig neben seine Schwester und steht mit vollkommen tauben Beinen auf, ohne Kizumus Hand loszulassen. Sein Hemd ist zerrissen, die Kratzer auf seinen Armen brennen wie Feuer und seine Kleidung ist noch immer voller Blutflecken, dunkel und halb getrocknet. Das jammervolle Hungerquäken der Kinder wird leise, als spürten auch sie die drückende Angst im Raum und er kann den Blick nicht abwenden von Kizumus stillem, wächsernem Gesicht im Licht der Morgendämmerung. "Hörst du deine Kinder, Sgáileanabh? Sie rufen nach dir. Sie brauchen ihre Mutter... Götter, Kiz, ich weiß, wo du bist. Es ist dunkel dort. Und leer. Und man verirrt sich so leicht... Ich weiß, wie es dort ist, denn ich war dort... und ich bin zu dir zurückgekommen, weil du auf mich gewartet hast. Hör nicht auf die Stimmen und geh fort von den Totenlichtern. Du mußt umkehren... du mußt." Er hebt ihre kalte Hand an sein Gesicht und legt sie an seine Wange, als könne nur ihre Berührung den Schmerz auslöschen. "Sgáileanabh. Shunjalinn. Schattenkind. Deine Mutter hat dir einen seltsamen Namen gegeben, mo cridhe, aber vielleicht hatte sie ja Recht. Du und das nächste Unglück, ihr gehört zusammen wie der Floh und der Hund... Aber es gibt keinen Schatten ohne Licht, a leannan, und auch das muß sie gewußt haben. Und du bist meine Sgáileanabh. Ich lasse dich nicht gehen. Ich lasse dich nicht." Er kann ihren Pulsschlag an seiner Wange fühlen, schwach und langsam, aber noch immer da. Bitte... du mußt. Du mußt einen Weg finden. Olyvar war noch nie ein gläubiger Mann, auch wenn er die Götter und ihre Kulte immer respektiert hat. Er hat selten einen Tempel besucht und sich kaum je mit einem Gebet persönlich an die zwölf Mächte gewandt - jetzt tut er es, lautlos, eindringlich, ein stummes Flehen in einem Inneren. Götter, nehmt sie mir nicht. Alles andere dürft ihr tun, nehmt mir alles andere, aber laßt mir Kizumu.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 09. Nov. 2004, 18:10 Uhr
Die Nacht vergeht in Stille, nur unterbrochen vom leisen Wimmern der Kinder und irgendwann fordert der lange Tag seinen Tribut. Kea und Ierás waren am gestrigen Morgen vor Sonnenaufgang auf den Beinen gewesen um sich um ihren Patienten zu kümmern und den Zaun der Hufschmiede zu reparieren und jetzt war es weit nach Mitternach. Irgendwann rollen sie sich schließlich am Fußende des großen Bettes zusammen, das kleine Mädchen schützend und wärmend zwischen sich.
Seine Träume sind voller bedrückender Bilder und hohe, wimmernde Schreie reißen ihn oft aus dem Schlaf. Wenn er für diese wenigen Herzschläge in die reale Welt zurückkehrt, lullt ihn Olyvars heiseres Flüstern wieder ein und seine Worte begleiten ihn in seine Träume um dort einen winzigen Ruhepol zu schaffen.

Es ist Keas weiche Hand die ihm über die Wange streicht und ihn weckt und für einen warmen, wundervollen und viel zu kurzen Moment hat er die gestrige Nacht vergessen. Doch der metallische Geruch des Blutes der noch immer in dem Schlafgemach zu hängen scheint holt ihn in die Realität zurück. "Was?" Binnen eines Augenblicks ist er auf den Beinen und Kea zuckt erschrocken zurück, während Olyvar nichts von seiner Umgebung wahrzunehmen scheint. Seine Mutter ist noch immer blass und still und ihr Anblick lässt ihm einen Moment das Herz stocken.
Er will gerade den kurzen Schritt an Olyvars Seite machen, als Kea ihn, leicht mit dem Kopf schüttelnd zurückhält und schweigend zur Tür führt. "Er will allein mit ihr sein.." Ihre Stimme ist leise, heiser und ihre Augen rot und verschwollen. Nach einem letzten, kurzen Blick auf das Bett folgt er ihr hinaus und legt die Arme um sie, noch ehe die Tür ganz geschlossen ist. Sie lehnt sich an ihn, umschlingt ihn und ihre Wärme in seinen Armen ist tröstlich und er presst sein Gesicht in ihr Haar. "Sie wird nicht sterben... sie kann nicht sterben." Er spricht leise und trotzig und er weiß genau, dass es nicht nach ihm geht, aber diese wenigen Worte helfen zu atmen, nicht an der Verzweiflung zu ersticken und die Hoffnung zu nähren.
Mit einem letzten, tiefen Atemzug atmet er ihren Geruch und schiebt sie dann ein kleines Stück von sich; nicht weit, nur soweit wie nötig ist, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Stille Tränen rinnen über ihre Wangen und der Schmerz in ihren Augen, nimmt ihm einen Moment den Atem. Ihre Mutter ist tot.. Noch einmal zieht er sie fest an sich, hält sie und ihr ein wenig Trost geben zu können, hält ihn selber aufrecht. "Weißt du eigentlich, wie gut du deine Sache gemacht hast, Neyá? Du hast meine Geschwister auf die Welt geholt.." Er flüstert ihr ins Ohr, spürt wie sie sich ein wenig entspannt und haucht ihr einen Kuss auf das schwarze Haar.

Sie wecken Mattis nicht; der Junge hatte ebenso wie sie die halbe Nacht auf den Beinen verbracht und war irgendwann völlig verstört ins Bett geschickt worden. Stattdessen machen sie sich auf den Weg zu den Küchen hinunter. Ihre Hände sind miteinander verschlungen und die Wut der letzten Nacht ist einer dumpfen Leere gewichen, in der nicht einmal die Verzweiflung noch viel Platz hat.
Die Steinfaust ist, für so ein riesiges Gebäude mit so vielen Menschen darin beinahe gespenstisch still; es wird nur das nötigste gesprochen und das auch nur sehr leise und jedes Gesicht, das ihnen begegnet trägt Sorge. Ierás fragt sich einen kurzen Moment zwar, woher die Männer anscheinend so genau über den Zustand seiner Mutter Bescheid wissen, aber dann erinnert er sich daran, wie sie ihm einmal von der Klatschhaftigkeit der Blaumäntel erzählt hatte. Lachend, unbesorgt und.. Untersteh dich und stirb! Tränen brennen in seinen Augen und er beißt die Zähne schmerzhaft zusammen. Denk nicht daran, sie wird nicht sterben, denk nicht daran, denk an etwas anderes..anderes.. irgendetwas! Nur mühsam kann er seine Gedanken in andere Richtungen lenken, sie kehren einfach immer wieder zum wächsernen Gesicht seiner Mutter zurück. Sie darf nicht sterben, sie darf einfach nicht.. ihr Götter, ihr dürft das nicht zulassen.. Wir brauchen sie doch.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 09. Nov. 2004, 19:52 Uhr
Kea ist froh, sich einen Moment an Ierás lehnen zu können als sich die Türe hinter ihnen schließt. Sie geben sich gegenseitig Halt und Trost und Kea spürt schon wieder wie die Tränen in ihr aufsteigen. Es ist nicht nur die Trauer und die Angst um Kizumu, obwohl diese erdrückend groß im Vordergrund steht, aber auch der Schmerz der letzten Monate der in Kea hoch kommt und schließlich in stummen, heißen Tränen über ihre Wangen läuft. Sie verbirgt das Gesicht in Ierás Schulter und hätte sich am liebsten an ihm fest geklammert als er sie ein Stück von sich schiebt um ihr ins Gesicht zu schauen. Ihre Finger krallen sich ein wenig in den Stoff seines Hemdes und sie muss sich zwingen die brennenden Augen zu öffnen um ihn anzusehen und seinen Worten zuzuhören.
>Weißt du eigentlich, wie gut du deine Sache gemacht hast, Neyá? Du hast meine Geschwister auf die Welt geholt…<
Seine Lippen sind unendlich sanft und Kea entspannt sich unwillkürlich bei seiner Berührung, doch trotz alle dem schüttelt sie den Kopf.
„Ich habe nur die Arme aufgehalten, das hätte jeder gekonnt! Loba, sie hat deinen Bruder zur Welt gebracht, ohne sie und ohne dich, wäre alles zu Ende gewesen!“
Kea schaut ihrem Geliebten in die grünen Augen, ein dunkler Schatten von Trauer und Schmerz liegt über seinem Blick und ein Gutteil Erschöpfung ist seit der Nacht nicht daraus gewichen. Es gibt Kea einen Stich ihn so zu sehen, die Augen so anders als sonst, ohne einen Funken Freude, ohne Energie darin. Er greift nach ihrer Hand und gemeinsam machen sie sich auf Loba zu finden.
Den jungen Mattis können sie nicht fragen und auch sonst treffen sie niemanden der die Heilerin gesehen hat. Kea wird unruhig und ihre schmale Hand klammert sich fester an die von Ierás. Die wenigen Leute die in den Gängen sind, starren sie mit traurigen und mitfühlenden Gesichtern an. Kea schlägt die Augen nieder um niemanden sehen zu lassen, dass sie geweint hat. Müssen sie sich alle sorgen um Kizumu? Woher wissen sie überhaupt was passiert ist? Was geht es sie eigentlich an?
Wie viele von ihnen kennen und lieben sie denn tatsächlich?
Zu gerne hätte Kea sie angeschrieen, sie sollen verschwinden und sie nicht anstarren. Plötzlich fällt ihr auf, dass überall an ihr noch Kizumus Blut klebt, eingetrocknet, aber über die Arme, den ganzen Oberkörper und teilweise auch auf dem Rock und dem Saum verteilt. Mit der freien Hand fährt sie über die Flecken und versucht sie weg zu wischen, obwohl ihr dir Vernunft hätte sagen müssen, dass ihr Unterfangen zum Scheitern verurteilt ist. Trotzdem wischt sie wild vor sich hin, schluchzt auf, bleibt sogar stehen weil sie am ganzen Körper zittert. Mit schwachen Händen zieht sie mitten am Gang ihr Überkleid aus und wickelt es zusammen, den Gürtel schlingt sie um die Mitte, einfach um das bodenlange Überkleid herum. Zwar ist der Saum des hellen Überkleides rötlich-braun von dem Blut das Kea mit den Leinentüchern aufgesogen hat, bevor die Magd und die Knappen gekommen sind und der Großteil der Flecken auf ihrem Oberkörper ist durch gedrungen und ist imme noch auf dem hellen Stoff zu sehen. Aber es ist nicht merh so schlimm wie vorhin und Kea hat langsam das Gefühl weiter gehen zu können.
Ierás schließt sie noch einmal in die Arme, hält sie fest, bis das Zittern ganz vorüber ist und dann gehen sie weiter. Hand in Hand, Seite an Seite, hinunter bis zur Küche, wo sie etwas zu essen bekommen und nach Loba fragen.
Doch die Priesterin war auch nicht dort, trotzdem hat sich die Kunde über die ungewöhnliche Frau die gekommen war um der Lady Kizumu zu helfen schnell verbreitet und jeder weiß von wem die beiden sprechen.
Im Speisesaal ist es wie auf den Gängen, unheimlich still. Alle Gesichter sind auf sie gerichtet und Kea versucht mit dem Arm die Blutflecken auf ihrem Oberkörper zu verdecken, auch wenn sie für den schmalen Halbelbinnenarm zu breit sind und sich nicht verdecken lassen, wie der untrügliche Beweis für das Leid der letzten Nacht.
Kea bringt unter den Blicken der Leute keinen Bissen hinunter und als sie zur Seite blickt und plötzlich ein Gardist neben ihr steht zuckt sie erschrocken zusammen. Jetzt sind alle Augen auf ihn gerichtet, die Ohren gespitzt und alle hoffen, dass er die Frage stellt die sie nicht zu stellen wagen und schon gar nicht an Kizumus Sohn.
„Wie geht es ihr?“ fragt er, leise und vorsichtig, aber Ierás und Kea schütteln nur den Kopf, nicht gewillt über irgendetwas der letzten Nacht zu sprechen, schon gar nicht zu den tratschenden Steinfaustgardisten. Sie verlassen den Speisesaal schleunigst, halten sich dabei fest an den Händen, bevor noch andere auf die Idee kommen Fragen zu stellen. Auf dem Weg nach oben haben sie das einzige Glück bis jetzt. Loba kommt ihnen entgegen, noch in der gleichen Kleidung wie am Tag zu vor, blickt sie ihnen mit ihren gelben Eulenaugen entgegen.
„Wir haben Euch gesucht!“ sagt Kea, ihre Stimme ist leise und rau und sie fühlt sich klein und schäbig gegenüber der Priesterin die eine Macht ausstrahlt die Kea selten erlebt hat.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Loba die Wölfin am 09. Nov. 2004, 21:19 Uhr
"Ich weiß. Guten Morgen, Kea. Ieras." Sie spricht das Wort "Mylord" hier vor aller Augen und Ohren nicht aus, aber irgendwie klingt es dennoch mit. "Ich gehe gleich zu ihr, ich wollte nur den armen Knappen des Tarascon nicht wecken und so kam ich her, um hier ein Morgenmahl zu bekommen und Rinderbrühe und Honigwasser für Lady Kizumu." Sie lächelt knapp, strahlt dabei jedoch soviel Zuversicht aus, wie sie wagt - und hofft, daß es ansteckend ist. Noch lebt die Elbin und mit jedem Augenblick, den sie weiteratmet, wird die Wahrscheinlichkeit größer, daß sie es übersteht. "Männer der Stadtgarde, geht wieder an Eure Aufgaben," wendet sie sich an die umstehenden Stadtgardisten. Ihre Stimme ist nicht laut, aber dennoch dringt sie mühelos in jeden Winkel des Raumes. Ihr Tonfall ist ernst und ein wenig melancholisch, aber doch auch bestimmt. "Die Geburt war sehr schwer, wie ihr alle zweifellos gehört habt, schließlich hat sie auch euch die ganze Nacht wachgehalten. Doch den Kindern geht es gut. Es sind Zwillinge, ein Junge und ein Mädchen und Lady Kizumu braucht Ruhe, um sich zu erholen. Betet für sie, damit helft ihr ihr am besten." Und betet für euren Lord Commander, denn ich weiß nicht, was er tun wird, wenn sie stirbt. In der Halle ist es bei ihren Worten so still geworden, daß man eine Nadel würde fallen hören und sie nickt allen einmal zu, dann dreht sie sich um und verläßt mit großen Schritten den Raum auf dem Weg zurück in den Westflügel.

Dort angekommen erhitzt sie in einem Kessel über dem Großen Kamin Wasser und bereitet aus verschiedenen Kräutern und Essenzen einen Trank, der duftet wie Kleehonig und aussieht wie flüssig gewordener Sommerhimmel - allerdings wird sein Geschmack mehr als widerlich sein, doch das ist nicht zu ändern. Sie verbrennt sich die Finger an dem kochendheißen Gebräu und trägt es dann so rasch wie möglich hinauf ins Schlafgemach des Lord Commanders. Olyvar von Tarascon sitzt noch immer an der Seite seiner Frau und hält ihre Hand. Der Schatten eines Bartes verdunkelt sein Kinn und Loba hat selten einen schrecklicheren Ausdruck auf dem Gesicht eines Mannes gesehen. Voller Trauer und Mitgefühl schüttelt sie den Kopf und tritt dann ans Bett. "Es wird Zeit, daß Ihr ein Bad nehmt, Mylord und etwas zu essen in den Magen bekommt. Ihr seid seit einem vollen Tag und einer Nacht auf den Beinen, Ihr müßt ruhen. Ich habe hier einen Trank, der ihr helfen wird und dann sollten wir... Mylord? Mylord Tarascon?" Er gibt keine Antwort, blickt nicht einmal auf und Loba verstummt. "Da Ihr Euch ohnehin nicht hier fortbewegen werdet, laßt mich meine Arbeit tun. Ich muß ihr den Trank geben, sobald er abgekühlt ist. Ein Page wird aus der Küche gleich einen Kessel mit Rinderbrühe und einen Krug Honigwasser heraufbringen. Sie muß beides bekommen, da sie sehr viel Blut verloren hat. Und Ihr solltet eine Amme für die Kinder..." Jetzt hebt er den Blick und das, Loba darin lesen kann, läßt selbst sie verstummen. Sie schlägt die Decken zurück, fühlt Kizumus erschreckend schwachen Puls, wäscht die Wunde auf ihrem Bauch dann mit lauwarmem Wasser aus und betupft sie vorsichtig mit einer Lösung aus einer kristallklaren Phiole. Die Narbe wenigstens sieht gut aus, ein wenig gerötet, jedoch nicht geschwollen und nicht entzündet.

Sie tastet die Wundränder ab, verbindet dann neu und stellt erleichtert fest, daß die Elbin zumindest nach der Geburt nicht noch weiterhin übermäßig Blut verloren hat. Sie flößt Kizumu das bittere Gebräu schluckweise ein und ist froh, daß Olyvar von Tarascon ihr wenn auch ohne ein Wort zu sagen, zur Hand geht und Kizumus Kopf hält. Der Page bringt eine Schale Rinderbrühe und das Honigwasser, trägt beides herein und stellt es auf einen Wink Lobas neben dem Bett ab.  Dann huscht er schnell wie ein Schatten wieder hinaus und Loba läßt Olyvar mit Kizumu wieder allein. Die Elbin hat den Trank fast gänzlich geleert und bis ihr Magen das verdaut hat, könnte sie ihr ohnehin nichts anderes geben. Jetzt gilt es nur, zu warten und das kann sie auch in der Großen Halle des Westflügels tun. Zum ersten Mal seit Ieras sie mitten in der Nacht aus dem Tempel geholt hat, hat sie Zeit, sich umzusehen. Auf dem Diwan vor dem Kamin schläft der Knappe des Tarascon, noch immer in den Kleidern, die er schon am Vortag angehabt haben mußte und Loba deckt ihn seufzend mit einer der rötlichbraunen Wolldecken zu, die auf den elbischen Sesseln bereitliegen. Faeyris, Mondmutter, Herrin der Nacht. Ich habe mich nicht oft an dich gewandt, um um etwas zu bitten. Der Wille der Götter geschehe, in Ayaresamrun, so auch auf Roha. Aber jetzt bitte ich dich, heilige Göttin. Der Tarascon braucht sie. Die Kinder brauchen sie. Der Sohn des Sturms, auch er ist noch nicht bereit, seinen Weg ohne sie zu gehen. Für die Mutter des Drachen, bitte ich dich... gewähre ihr Gnade.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 10. Nov. 2004, 07:30 Uhr
And i know that you´re gone, how can i carry on, without you i am lost*

Stille umgibt sie, aber noch immer hört sie seine Stimme, hört noch immer sein Flehen ihn zu erlösen, ihm Frieden zu schenken. Selbst als sie sich die Ohren zugehalten hatte, war er nicht verstummt. Sie hatte sich nicht zu ihm umgedreht, hatte sich weitergeschleppt, Hügel hinauf und hinunter, immer den Stimmen folgend. Bis sie schließlich nicht weiter kommt. Ihre Beine fühlen sich an wie Butter in der Sonne und selbst das auf dem Boden knien übersteigt ihre Kräfte.
Ein einziger, langgezogener Schrei der sie in ihrem Innersten durchrüttelt, der Verlust der an ihrer Seele zerrt und ihr Sohn, der einzige Anker, der sie am Leben erhalten kann. Und dann? Brennesseln die am Zaun emporwuchern und ein klappriger Zaun der dringend eine Reperatur benötigt und..

Sie kniet in der Kälte, das wenige Licht das herrschte als sie ihn im Niemandsland stehen ließ ist verblasst und die Schatten die bleiben, sind beängstigend und drängend. Der Erinnerungsfetzen verblasst genauso schnell wie er gekommen war und lässt sie zitternd und weinend zurück. “Komm zu mir zurück..“ Es bleibt still um sie her, selbst das drängende Rufen ist für den Moment verstummt und alles was bleibt ist Angst.
Graue Augen. Graue Augen und ein warmes, beinahe jungenhaftes Grinsen, das es schafft, ihr Herz zu erwärmen. Völlig kaputte Stiefel, für die jede Reperatur zu spät kommt und wieder die grauen Augen die ihre kleine, stille und dunkle Welt mit Wärme, Licht und Weite füllen. Eine kratzige Stimme; ihre eigene wie sie erschrocken feststellt, ein hohes Quietschen und seine warme, große Hand.

Von irgendwoher nimmt sie die Kraft, wieder aufzustehen und einen Schritt nach dem anderen zu machen. Das Drängen in ihr ist wieder erstarkt, aber irgendetwas ist nicht richtig daran, sie weiß es, spürt die Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Unruhe und geht doch weiter.
Was bleibt mir auch sonst... Iéras ist fort, Kizumu verflucht und.. und ich kenne nicht einmal den Namen, zweier grauer Augen..
Einen Schritt nach dem anderen machend erklimmt sie nur noch schemenhafte Sandhügel, stolpert vorwärts, rutscht und fällt und steht doch wieder auf. Sie ist weit über die Erschöpfung hinaus, lediglich der Wunsch nach Frieden und Ruhe hält sie noch auf den Beinen und lässt sie nicht ruhen.

Kleine, winzige Fische, die sie aus verführerisch duftendem Teig heraus und mit toten Augen anblicken und als sie den Blick hebt, zwei graue, lebendige und amüsiert dreinblickende Augen. Die Wärme, die sich in ihr ausbreitet kommt von ihm, von diesem Lächeln das ihr nicht aus dem Kopf zu gehen scheint. Seine Stimme ist tief, aber mit jenem warmen Unterton, der ihr leise Schauer über den Rücken rieseln lässt.
Ihre Geschichte, mit leiser Stimme erzählt und graue Augen voller.. ja.. voller Erstaunen aber ohne Misstrauen oder Ablehnung; der Mond groß und silbern über der Stadt und seine starken Arme, Trost spendend, festhaltend und verheißungsvoll. Frieden.


Der Skyrr ist in Sichtweite, sie kann das purpurne Schimmern deutlich sehen, auch wenn das Licht weiter versiegt ist. Die letzte Erinnerung, das letzte Gefühl lässt sie jedoch wieder innehalten. “Frieden.. ich hatte Frieden..“ Der Wind frischt auf, weht ihr das rote Haar ins Gesicht und sie wendet sich einen Augenblick vom Anblick des Flusses ab und der Weite, aus der sie gekommen ist zu. Sie runzelt die Stirn, kneift die Augen zusammen und versucht, irgendetwas in der Dunkelheit vor ihr auszumachen doch da ist nichts, nichts bis auf jene stille Dunkelheit, aus der sie kam.
“Shunjalinn, Schattenkind... ein Unglück folgt dem nächsten..“ Sie weiß, dass sie diese Worte schon einmal ausgesprochen hat, aber wann, wo und zu wem will ihr nicht einfallen. Darf ich gehen, ohne das vorher zu wissen? Der Zweifel, der sie erfüllt lässt die Unruhe, die sie zum Skyrr zieht verstummen, aber dafür wird das Drängen in die andere, ungewisse Richtung wieder stärker. Und doch, der Skyrr und der Frieden den er verspricht, sie sind so nah, sie braucht nur noch den letzten Hügel herunter zu gehen, nur noch so wenige Schritte und dann wäre alles still, ruhig und...
Ich bin allein....

Ihre nackten Füße berühren glattes Holz und ihr Blick schweift über die schwarze Gestalt des Fährmanns, weiter über das purpurn schimmernde Wasser und bleibt an ihrem verzerrten Spiegelbild im Wasser hängen. Sie verharrt mitten in der Bewegung und ist zu nichts anderem fähig als sich selbst zu erkennen.
Das Drängen, das sie hierher geführt hatte ist verschwunden, hat Platz gemacht für die auf sie einstürzenden Erinnerungen die sie auf dem schmalen Steg wanken lassen und ihr Herz wird schwer.

Die Nacht ist kalt, auch wenn mehrere Kohlepfannen für Wärme sorgen. In ihr ist es kalt und dort wo ihre Gedanken jetzt sind, kann keine Feuersglut sie erreichen. Sie hält eine große, vom Fieber heiße Hand zwischen ihren Fingern und klammert sich gleichsam an einen winzigen Funken. Ihre Stimme ist rauh von zu viel Sprechen und zu viel Tränen. Sie versteht nicht, was sie sagt, doch die Sehnsucht die in ihren Worten mitschwingt, nimmt ihr den Atem. Sie kennt diese Sehnsucht, aber ihr will beim besten Willen nicht einfallen wem sie galt.
Ob mich jetzt jemand so vermisst?


Die Purpuraugen Kyroms betrachten sie teilnahmslos, abwartend und der Archon regt sich auch nicht, als sie auf dem Holz vor ihm in die Knie geht. Ihre Hände umfassen das schmale Brett, das vom immer dunkler werdenden Ufer auf den Fährkahn führt. Einen kurzen Augenblick fragt sie sich, was wohl geschehen würde, wenn sie sich einfach fallen lässt, dann überspült sie auch schon die nächste Erinnerung.
Eine Nacht voll Freudenfeuer, angefüllt mit den verschiedensten Gefühlen; Trauer, Schmerz und pure Lebensfreude. Ein Zelt voller Schatten, lachende Männer die sich entfernen und er, fiebrig und voller Verbände; aber am Leben. „Du mußt diesen blöden Drachenprinzen endlich vergessen.“ Sie weiß, wen er meint und ihr fallen auch die Worte ein, mit denen sie ihm geantwortet hatte. „Ich habe noch nie jemanden vergessen, den ich einmal gekannt habe..“
Der Hohn ihrer jetzigen Situation schmeckt bitter und ihr purpurnes Spiegelbild zerfasert unter ihren Tränen. Sie spürt den Blick des Fährmannes unverwandt auf sich ruhen, aber ihr fehlt die Kraft aufzustehen, zu ihm zu gehen oder sich abzuwenden.
Unerträglich; die würgende Angst in ihrem Bauch und das Glühen ein Stück darunter. Heiß und kalt auf ihrer Haut, große Hände die sie umfangen, halten, vorwärtstreiben, loslassen und sie in seinen Armen stranden lassen. Schweigen, weil es keine Worte mehr gibt in dieser Nacht, Angst und Verzweiflung die sie wachhalten, sein müdes Gesicht neben ihr. Endlich mehr als nur ein paar graue Augen und ein lächelnder Mund. Rotbraunes Haar, sein Geruch; Mann, Leder, Pferd; das markante Kinn, die gerade Nase und die winzige Narbe an seinem Kinn die man nur erkennen kann, wenn man ihm ganz nahe ist. Doch immer noch kein Name.

“Gib mir meinen Namen.“ Es ist nicht mehr Kizumus Stimme, es ist seine, rauh und tief und flehend und sie weiß, dass sich hinter seinem Namen noch soviel mehr verbirgt, etwas das auf sie wartet. Sie hebt den Blick, schaut direkt in das Lodern in den Augen Kyroms und schmeckt Blut. Mit geschlossenen Augen versucht sie sich daran zu erinnern was vorher war, wer der große Mann mit den grauen Augen ist, doch noch immer fällt ihr keine Antwort darauf ein.
Sein Gesicht, so vertraut, so nah verschwimmt vor ihren Augen, wird wieder zu jenem blassen Fleck, der er vorher war und sie schlägt die Hände vors Gesicht. “Lass mich nicht allein, du darfst nicht gehen.. Komm zu mir zurück... Bitte.“ Der Wind ist aufgefrischt, kalt und drängend zerrt er an ihr, weht ihr das Haar ins Gesicht und die Kälte dringt ihr bis ins Herz. Sie spürt den Wind in ihrem Rücken, als wolle er ihre Entscheidung beeinflussen und das Drängen in ihrem Inneren, dass sie zurück in die Dunkelheit zieht, doch was sie auf ihrem Platz hält ist das Bild in den purpurnen Wellen des Skyrr.
Eine Rosskastanie in voller Blüte, hunderte Laternen in den Wipfeln der umstehenden Weiden und Apfelbäume, Blütenblätter die wie von Geisterhand getragen durch die Luft wehen und auf Sonnensegeln zu liegen kommen und zarte Muster auf das seidenweiche Gras zeichnen.
Ihre Freunde die dichtgedrängt stehen und lediglich einen schmalen Gang frei lassen, freudige Gesichter rund um sie her, hier und dort eine scherzhafte Bemerkung die sie mit einem Lächeln quittiert das ihr nicht von den Lippen weichen will. Ierás geht neben ihr, hoch aufgerichtet und einen seltsam stolzen und zugleich wehmütigen Ausdruck auf dem Gesicht und als sich die Reihe ihrer Freunde und Bekannten lichtet, erkennt sie am Fuße der großen Kastanie einen Altar und dann findet ihr Blick den des Mannes mit den grauen Augen und sein Lächeln lässt sie den Wind um sie her vergessen.
Meine Hochzeit, ich habe ihn geheiratet!
„Ich will dich nicht verlassen, noch von deiner Seite weichen. Ich will dich lieben, dich achten und dir die Treue halten, in den guten, wie den dunklen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, in Reichtum und Armut, in Freude und Leid... und nicht einmal der Tod soll uns trennen“


Der Wind hat sich jetzt völlig gelegt, selbst das leise Geräusch der Wellen die an den Fährkahn schlagen ist verstummt und alles was die Stille durchdringt sind ihre Gedanken. ..und nicht einmal der Tod soll uns trennen.
Morgana, die Priesterin und Heilerin, die sie voll Freude und liebevoller Belustigung ansieht, ihr eigener Geist in sich versunken, vorsichtig tastend, suchend und findend. Zwei winzige Auren, zart und verletzlich aber da und in ihr. Kinder, Babys. Meine.. Unsere..
Sie hatte, als der Wind auffrischte, die Arme um ihre Mitte geschlungen, hatte sich an sich selber festgehalten und als sie jetzt die Augen wieder öffnet, stellt sie zwei Dinge fest. Das Licht ist zurückgekehrt und Blut läuft ihr an den Armen herab. “Was?!“ Panisch tastet sie über ihren Körper und findet schließlich eine große, halbmondförmige Narbe auf ihrem Bauch, während der Wind von neuem erstarkt. Die Wellen schlagen höher an den Kahn und sie fühlt das Drängen in sich ebenfalls zunehmen. Aber diesmal ist es eindeutig.
Fort von Kyrom, dem purpurnen Fluss, dem verheißungsvollen Frieden, der Stille und Ruan.
Hin zu ihm, zu dem großen grauäugigen Mann, seinen warmen Händen, seinen starken Armen und hin zu dem Frieden den er bietet.
„Olyvar“
Die Liebe, der Schmerz, die Erschöpfung und eine ungewohnte Leere in ihr kehren zurück und sie heißt sie mit Tränen in den halbgeöffneten Augen willkommen.

(*Fiddlers Green Lullaby)

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 10. Nov. 2004, 12:36 Uhr
Der Morgen vergeht so zäh und langsam wie die Ewigkeit selbst und Olyvars Entsetzen kennt längst keine Grenzen mehr. Seine Angst auf dem Schlachtfeld oder in der kalten, dunklen Leere danach in jenem zyklopischen Labyrinth, in dem er gefangen war, ist nichts im Vergleich hierzu. Die Vorstellung, nie wieder ihr Lachen zu hören, nie wieder den Geruch nach grünen Äpfeln zu riechen, den ihre Haut immer irgendwie ausströmt, nie wieder diesen breiten, wundervollen Mund zu küssen oder ihre Nase sich verärgert kräuseln zu sehen, ist schlimmer als die Angst zu sterben.... und seine ganz persönliche Vorstellung vom tiefsten Kreis der Hölle wandelt sich von einem schwefelschwappenden, dämonischen Ort der Finsternis zu dem Gefühl hoffnungsloser innerer Einsamkeit.
Irgendwann erscheint Loba, die Kinder sind gerade wieder eingeschlafen und haben es für den Moment aufgegeben, nach Wärme und Milch zu jammern, untersucht Kizumu und flößt ihr einen dampfenden Trank ein, doch die Worte der Hohepriesterin dringen nicht zu ihm durch und als sie mit raschelndem Gewand wieder verschwindet, könnte er nicht einmal mehr sagen, was sie zu ihm gesprochen hat. Dann ist er wieder allein mit ihr, sitzt einfach still an ihrer Seite wie er seit der Dämmerung hier sitzt, hält ihre Hand, berührt ihr Gesicht, das wirre Haar, die kühle Haut und wünscht sich, er könne sie wie so oft mit seinem Körper umfangen, sie in die Arme nehmen, ihr seine Wärme geben. Sie ist soviel kleiner als er, er könnte sie umschließen und beschützen wie eine Rüstung... irgendwann tut er es einfach und hält sie fest, unendlich vorsichtig, um die genähte Wunde auf ihrem Unterleib nicht zu berühren. Ihr Körper ist kalt wie Flußwasser, ihr Herzschlag langsam, als sei sie erstarrt, ihr Atem flach und kaum spürbar. Er kann sie nicht loslassen. Er muß ausharren, ausharren und hier bei ihr bleiben, sie festhalten, sie bei sich halten, damit sie den Weg zurück finden kann.

Er weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, ob sie überhaupt noch vergeht, oder ob er selbst vielleicht inzwischen einfach gestorben ist und für alle Zeit verdammt wurde, weil er sie getötet hat. Die Kinder erwachen und beginnen zu weinen und ihr klägliches Jammern ist wie eine große Faust, die ihm das Herz zusammenpresst und ihn aus dem finsteren Wald von Gedanken zurück ins Hier und Jetzt holt. "Sgáileanabh, bitte. Sie haben Hunger und sie sind allein und sie brauchen ihre Mutter. Ich weiß, du bist noch dort, irgendwo. Wenn nicht für mich, dann such den Weg für sie. Bitte. Komm zurück, komm..." Er legt seine Hand an ihr Gesicht, um es zu sich zu drehen, die Haut elfenbeinweiß im hellen, grauen Winterlicht und plötzlich drückt die warme Luft um ihn her klamm und kalt gegen seine Haut. Etwas ist anders, fremd, endgültig und er weiß, der Tod ist mit ihm hier im Zimmer. Irgendwo beginnt Grau zu heulen. Kein Puls. Er richtet sich auf. "Nein." Er schiebt die Hand unter den Batist des Nachtgewandes und legt sie fest und warm auf ihre kalte Haut. Kein Herzschlag. "Komm zurück!" Kein Puls, kein Herzschlag. "Nein! NEIN! Nein, nein, nein!" Vollkommen verzweifelt packt er sie an den Schultern, hebt sie hoch und schüttelt sie heftig, als könne er sie so ins Leben zurückbringen. "Du hast es versprochen! >Ich will dich nicht verlassen, noch von deiner Seite weichen... und nicht einmal der Tod soll uns trennen<. Nicht einmal der Tod! Also komm zurück! Komm zurück, verdammt! Sgáileanabh!" Ihr Kopf rollt kraftlos von einer Seite auf die andere. Das wirre Haar hängt ihr in Strähnen ins Gesicht, fällt über dunkle, feine Brauen und Wimpern und legt herbstrote Striche über ihre farblosen Wangen. "Verdammt sollst du sein, wenn du mir hier unter den Händen wegstirbst, bringe ich dich um!"
Als sie die Augen aufschlägt, sind sie so blau wie der Himmel. Er kann ihren Namen nur noch flüstern und es dauert einen schier endlosen Herzschlag, bis er seinen eigenen zurückklingen hört. >Olyvar<

"Ich bin hier." Er schiebt ihr einen Arm unter die Schultern und hält sie fest, berührt mit der freien Hand ihr Haar, ihre Wangen, ihren Mund, ihr Kinn, sucht ihren Puls und findet ihn, schwach, aber warm und lebendig unter seinen Fingern. "Sgáileanabh... Kiz... du bist zurück. Du lebst. Ich dachte, ich hätte dich verloren. Ich dachte, ich hätte dich getötet. Ich dachte..." er kann sie nur festhalten und wiegen wie ein Kind, während ihre Haut langsam wieder Farbe annimmt und er zittert dabei wie Espenlaub. Ihr Körper ist weich und leicht und er kann spüren, wie die Kälte von ihr weicht, als erwärme sie sich, langsam wie Wachs - und er weiß, daß es vorüber ist. Sie würde nicht sterben. Sie war zurück und würde leben und atmen. Das schockartige Nachlassen der würgenden Angst und Verzweiflung der letzten Stunden läßt ihn schaudern. Er könnte lachen und fluchen gleichzeitig und er zittert jetzt so sehr, daß er sich dazu zwingen muß, nicht mit den Zähnen zu klappern. Das dünne, drängende Hungerweinen der Kinder dringt an sein Ohr und nicht nur an seines. Kizumu bewegt sich langsam, als bereite ihr jede Regung Schmerzen, aber sie dreht den Kopf und ihr Blick richtet sich auf die zwei empört strampelnden Bündel, die neben ihnen hochrot und zornig ihren Unmut in diese kalte, unfreundliche Welt schreien, in der man trotz aller Anstrengung einfach nichts in den Magen bekommt. Ihr Mund zittert und ihre Augen werden weich und Olyvar legt sie so vorsichtig in die Kissen zurück, als sei sie aus alayzer Rauchglas. "Ich habe hier jemanden für dich." Er nimmt eines der Kinder, er weiß nicht welches, aber es ist das, dessen Weinen am kläglichsten klingt, hoch und legt es in ihre Arme. "Sie sind gesund, mo cridhe. Beide."  Während sie mit tränenfeuchten Augen und einem zitternden Lächeln das Kind anlegt und zumindest ein Geschrei abrupt verstummt, nimmt er sich des anderen an und setzt sich damit neben sie, so daß sie beide ansehen kann. "Ich weiß nicht... nicht einmal welches welches ist, aber... es ist ein Junge und ein Mädchen."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 15. Nov. 2004, 22:10 Uhr
Loba nimmt ihnen die Entscheidung ab, ob sie den Blaumänteln etwas über den Zustand seiner Mutter sagen sollen, indem sie es einfach tut. Die Männer wirken danach nicht unbesorgter; einige schlagen die Augen nieder und leises Murmeln breitet sich in dem großen Saal aus. Die Hohepriesterin nickt ihnen noch einmal zu und eilt dann mit raschelnden Roben fort.
Einen Augenblick stehen sich die beiden jungen Leute stumm gegenüber, den Blick in dem des anderen versenkt, dann zieht er Kea nocheinmal fest an sich und birgt sein Gesicht in ihrem Haar.

Einige Zeit vergeht in der sie nichts anderes tun können, als durch die Gänge der Steinfaust zu gehen und zu warten. Schließlich lenken sie ihre Schritte wieder in Richtung Westflügel. Ierás zieht es zur Tür des Schlafgemaches seiner Mutter, doch noch immer herrscht dort völlige Stille. Loba sitzt in einem der elbischen Sessel und hat die Augen geschlossen, doch er fühlt sich dennoch beobachtet. Leise um die Priesterin nicht zu wecken, schlagen sie schließlich den Weg zu Ierás Zimmer ein, damit Kea sich dort umziehen kann.
Die vielen kleinen Details in der Einrichtung seines Zimmers treiben ihm erneut die Tränen in die Augen und er lässt sich erschöpft auf das breite Bett fallen. Er schlägt die Hände vors Gesicht und versucht tief und ruhig zu atmen, doch es misslingt gründlich. Sein Atem geht stoßweise und schluchzend. Erst als er Keas warme Hand auf seiner Brust fühlt, beruhigt er sich ein wenig und nimmt die Hände von seinem Gesicht. Sie hat sich neben ihn auf das Bett gesetzt, in eines seiner Hemden gekleidet und ihr Unterkleid in der linken Hand. Die fahle Wintersonne wirft weiches Licht auf ihr Haar, betont die Schatten unter ihren Augen und lässt sie blasser erscheinen als sie eigentlich ist und doch schlägt ihm sein Herz bis zum Hals. Vorsichtig und langsam hebt er die Rechte und legt sie auf ihre Wange. "Wir müssen zu Morgana, Neyá. Ich.. Götter ich.. Ich habe Angst um sie und ich spüre Olyvars Angst und.. und wenn ich solche Angst um dich haben müsste ich glaube ich würde verrückt werden." Seine Stimme ist heiser und Tränen brennen in seinen Augen. Ierás senkt die Hand und greift nach ihrer freien Hand um sie an seine Lippen zu führen. "Ich liebe dich, Kea."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 15. Nov. 2004, 22:52 Uhr
Wäre die Stimmung nicht so gedrückt und traurig, Kea hätte über Ierás Zimmer ins Schwärmen geraten können. Es liegt oben im Turm und hat sechs Fenster aus denen man hinunter auf die Steinfaust sehen kann. Dann das mächtige dunkle Bett mit dem hellen Himmel darüber weg und zu guter letzt die feinen Seidenteppiche. Etwas, dass Kea noch nie so genau betrachtet hat. Die Drachen auf dem Einen sagen ihr was darauf abgebildet ist, auch wenn sie es sonst nicht kennt. Laer Draconis, Keas Hände ballen sich unwillkürlich für einen Moment zu Fäusten, wenden sich aber dann der Kleidertruhe zu. Schön zusammen gefaltet liegen dort Hemden und Hosen, passend für Ierás, weit zu groß für sie selbst natürlich. Trotzdem ist alles besser als das blutige Kleid das sie trägt. Schnell fährt sie hinaus und zieht eines von Ierás Hemden über, das ihr bis zu den Knien reicht, als sie von hinter sich ein Schluchzen hört.
Ierás sitzt auf dem Bett, beide Hände vors Gesicht geschlagen und Kea tut es in der Seele weh ihn so zu sehen. Dass sie auf ihn zu geht scheint er gar nicht zu bemerken, erst als sie seine Brust berührt sieht er auf. Er legt seine Hand auf ihre Wange und seine Worte geben wieder woran auch Kea schon gedacht hat. Der Wunsch jemals Kinder zu haben ist in der letzten Nacht weit weg gerückt, statt dessen fürchtet sie die Geburt noch mehr als sie es ohnehin getan hat. Schließlich hat sie immer wieder Frauen sterben sehen, mehr noch, ihre leibliche Mutter war bei ihrer Geburt gestorben und es sind oft die kleinen, schmalen Frauen denen die Geburt schwerer fällt und die nachher die Kraft nicht haben um weiter zu leben.
>Ich liebe dich Kea<
Seine Lippen auf ihrer Hand überziehen ihre Haut mit einer leichten Gänsehaut. Mit den Fingern fährt sie sanft über seine Lippen. "Ich liebe dich auch!"
Kea lässt das Unterkleid, das sie in der linken Hand gehalten hat auf den Boden fallen und nimmt Ierás Gesicht in beide Hände. Sie rückt noch ein Stück näher an ihn heran und haucht ihm einen Kuss auf die Lippen.
"Du hast recht, wir müssen zu Morgana", sagt sie und auf ihrem Gesicht ist fast schon ein Lächeln zu sehen, nur ein kurzer Moment, dann ist es schon wieder verschwunden und es bleibt nichts zurück, dass darauf schließen lässt, dass es hier gewesen ist.
"Ich fürchte mich auch! Ich will nicht sterben und ich will, dass Kizumu lebt!" Sie schlingt beide Arme um seinen Hals und drückt sich fest an ihn. Seine Arme und Hände spürt sie stark durch den dünnen Stoff, als wären sie direkt auf ihrer Haut.
Sie schämt sich in dieser Situation auch nur daran zu denken, aber die vielen Nächte die Kea und Ierás nun nebeneinander verbracht haben ohne sich zu lieben verlangen ihren Tribut, doch das Mädchen drängt sie entschlossen zurück.
Etwas später liegen sie nebeneinander im Bett, halten sich fest und streichen mit den Händen über unverfängliche Körperteile des jeweils anderen. Immer wieder finden sich die Lippen der beiden und dazwischen reden sie leise.
"Erzähl mir irgendetwas, damit wir an etwas anderes denken. Erzähl mir von der Stadt, von Laer Draconis! Sind die Drachen dort wirklich silber? Was weißt du von ihnen, ich weiß nichts darüber, nur Schauergeschichten von Drachen die junge Mädchen fressen und Städte abbrennen. Sind sie so? Oder anders? Was ist wahr von all dem was die Leute sagen und was ist erfunden? Suchen sie nach dir? Wissen sie, dass dein Vater einen Sohn hat?"
Kea stellt einfach eine Frage nach der anderen. Dabei hat sie den Blick entweder auf Ierás oder auf den Wandteppich gerichtet und ist noch näher an ihren Liebsten heran gerückt. Ihre Hände finden ganz automatisch den Weg unter sein Hemd und es tut ihr gut seine warme Haut unter ihren Fingern zu spüren und sich direkt an ihm fest halten zu können.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 16. Nov. 2004, 21:54 Uhr
Der Schmerz in ihrem Körper ist dumpf, aber Olyvars Umarmung löscht ihn aus. Er zittert am ganzen Leib und sie würde ihn gern in den Arm nehmen und trösten, aber ihre Arme fühlen sich bleiern und schwer an; zu schwer um sie zu heben. Die Elbin schließt erschöpft die Augen und überlässt sich seiner Wärme.
Erst das jammervolle Wimmern der Kinder gibt ihr ein wenig Kraft und sie beugt sich vor um sie anzusehen. Sie kann nicht viel von ihnen erkennen, beide sind dick in Leinentücher gewickelt und liegen sehr dicht bei ihr. Was sie erkennt sind zwei rote, verzerrte Gesichtchen und zwei strubbelige, erstaunlich dichte Haarschöpfe; rotbraun und feuerrot. Meine Kinder.. Oh ihr Götter. Danke. Sie spürt die Tränen in ihren Augen brennen und das Kissen, das sie wieder umfängt, als Olyvar sie vorsichtig zurücksinken lässt. Er nimmt eines der Kinder, reicht es ihr und hilft ihr dabei es anzulegen. Ihre Brüste fühlen sich angenehm voll an und das warme Bündel in ihren Armen bildet einen kleinen Anker zur Realität. Das Jammern des Säuglings verstummt und Kizumu verliert sich in der Betrachtung ihres Kindes.

Jetzt wo es endlich etwas in den Magen bekommt, ist das Gesicht des Babys zufrieden und entspannt. Das rotbraune Haar klebt ihm am Hinterkopf, während es zur Stirn hin in wilden Kringeln absteht. Sie schafft es, den Arm zu heben und dem Kind vorsichtig über die runden Wangen zu streichen.
>Ich weiß nicht... nicht einmal welches welches ist, aber... es ist ein Junge und ein Mädchen.< Sie blickt mit tränenverschleierten Augen zu ihm auf und findet seinen Blick auf sich und das Kind in ihrem Arm gerichtet. "Oh, Olyvar.." Ihre Stimme versagt, das Glücksgefühl seinen Namen auszusprechen, sich an ihn zu erinnern und hier bei ihm zu sein schnürt ihr die Luft ab. Seine Worte, als er sie in den Armen gehalten hatte, hallen in ihrem Kopf wider und sie legt ihm langsam die Hand auf den Arm. Ich dachte, ich hätte dich verloren. Ich dachte, ich hätte dich getötet. "Ich.. ich war schon auf dem Weg diesen verdammten Kahn zu betreten.. aber dann warst du da, die Erinnerungen an dich, an uns und das hier.." Sie deutet mit dem Kopf auf die beiden Säuglinge, während sie mit heiserer Stimme weiterspricht. "Ich konnte nicht gehen.. ich.." Seine Hand umfasst die ihre und die Wärme seiner Haut lässt sie verstummen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 17. Nov. 2004, 00:36 Uhr
Kizumu ist noch immer geisterhaft blaß und wirkt so schwach wie ein neugeborenes Kätzchen - aber sie ist warm, wach und lebendig und trotz ihres Zitterns stillt sie ihr Kind. Sie atmet und bewegt sich und schmiegt sich an ihn und langsam läßt die grauenhafte Angst um sie ihn wieder aus ihrem eisigen Griff. Olyvar sitzt neben ihr, so daß sie sich an ihn lehnen und ihren Kopf an seine Schulter legen kann, unendlich erleichtert und wiegt ein quäkendes Bündel, bis Kizumu mit dem Füttern des ersten Schreihalses fertig wäre - und zum ersten Mal seit dieser endlosen Nacht voll namenlosen Entsetzens kann er sich seine Kinder ansehen. Das zappelnde Bündel in seinem Arm kommt ihm ungeheuer zerbrechlich vor, aber irgendwo in seinem Hinterkopf spukt Lobas Stimme noch durch seine Gedanken, die versichert hatte, sie wären beide kerngesund und prächtige Kerlchen... und die Hohepriesterin muß es schließlich wissen. Er schlägt die weichen Decken zurück und sieht in ein winziges Gesicht unter einem dichten Flaum feuerroter Haare. Zwei zarte Striche deuten die Augenbrauen an, die Augenlider selbst sind so schräg wie Kizumus elbische Katzenaugen. Weiche, rosige Wangen lassen die hohen Knochen darunter schon erahnen und links und rechts des kleinen Mundes schimmern, noch kaum sichtbar, aber unleugbar vorhanden, Grübchen. Er wickelt das Baby sacht aus den Decken, noch bevor er in Panik ausbrechen kann, weil er nicht die leiseste Ahnung hat, wie er mit einem Wesen umgehen soll, das so klein, so ungeheuer hilflos und so neu ist, um sich so viel wie möglich von ihm anzusehen. Vollkommen hingerissen zählt er Finger und Zehen, fährt mit den Fingern über dieses winzige Bißchen Mensch... Halbelb... betrachtet die perfekten Ohrmuscheln, zart wie zerknitterte Blüten, die in kleinen Spitzen enden und hat zum ersten Mal diesen ganz und gar einzigartigen, unverwechselbaren Geruch nach Neugeborenem in der Nase, der ihm absolut unwiderstehlich direkt ins Herz dringt. Seine Knie sind so weich wie Butter und hätte er nicht schon gesessen, hätten ihm jetzt vermutlich die Beine nachgegeben.

"Götter, Kiz, es... oh, er ist wunderschön. Ein verflucht gutes bairn, mo cridhe." Er reißt sich vom Anblick seines Sohnes los um ihren lächelnden Mund zu küssen und tauscht dann ein zappelndes Hungerbündel, das immer fordernder nach Milch jammert, gegen eines, das bereits satt und zufrieden scheint und mit riesigen Augen ins trübe, graue Spätherbstlicht blinzelt. "Dann ist das hier das Mädchen." Seine Tochter hat diesselben hohen Wangenknochen, schrägen Augen und Grübchen in den Wangen, wie ihr Bruder, nur ihr Haar ist dichter und dunkler, mehr wie seines, als das Kizumus. Seine Hand hebt sich wie von selbst und zeichnet in der Luft die Umrisse der runden Wangen, des winzigen Kinns, der Ohren und des zarten Näschens nach, voller Scheu diese rosige Zerbrechlichkeit direkt zu berühren. "Fáilte a leannan," flüstert er. Hallo Schätzchen. "Mo caileag...." Meine Tochter. . Er hebt das Baby an seine Schulter und legt einen Moment seine Wange an den samtweichen Haarflaum. Dann klopft er sacht den kleinen Rücken, was seine Tochter mit einem behaglichen Seufzen quittiert. Fast augenblicklich wird der winzige Körper schwerer in seinem Arm. "Sie schläft ein." So vorsichtig als halte er eine Amphore mit Loas Öl über glühende Kohlen und fast widerstrebend legt er sie neben sich auf die Kissen. Der Gedanke, dieses winzige Wesen meterweit fort in ihre Wiege zu legen, kommt ihm nicht einmal. Kizumu sieht zu ihm hoch und in ihren Augen schwimmen Tränen, dann legt sich ihre freie Hand federleicht auf seinen Arm. Im nebelgrauen Tageslicht von draußen und dem Schein der noch immer brennenden Stundenkerze neben dem Bett ist ihre Haut so golden wie Honig. >Ich.. ich war schon auf dem Weg diesen verdammten Kahn zu betreten.. aber dann warst du da, die Erinnerungen an dich, an uns und das hier... Ich konnte nicht gehen.. ich...< Er nimmt ihre Hand in seine und hält sie fest. Er weiß, wovon sie spricht. Niemand weiß das besser als er. Dann zieht er sie vollends in seine Arme, spürt die Wärme ihres Körpers und das Pochen ihres Herzens. "Gut so," erwidert er. Es hätte scherzhaft klingen sollen, kommt aber todernst über seine Lippen.

"Du hast mich zu Tode erschreckt, Sgáileanabh," fährt er leicht heiser und mit hörbar belegter Stimme fort. Er schweigt einen Moment, während Kizumu das Kind hochnimmt und ihm auf den Rücken klopft, bis es leise schmatzend und schlaff wie ein leerer Weinschlauch wegdöst. "Du sagst, du konntest nicht gehen. Ich weiß, was du meinst," fährt er leise fort. "Auf dem Schlachtfeld. Bei Liam Cailidh. Als ich im Dreck wieder zu mir kam... eigentlich hätte ich das nicht überleben können. Ich wurde von der Wucht der Explosion aus dem Sattel geschleudert, und ich weiß nicht, wieviele Schritt ich durch die Luft flog, aber ich bin auf der anderen Seite des Dammwegs wieder aufgewacht und ich hätte tot sein müssen. Ich sah den Himmel... und tausend Sterne, aber ich konnte nichts hören. Es war, als sei mein Kopf in Watte gepackt oder als wäre ich unter Wasser... da war nur dumpfes Rauschen, nichts sonst. Ich hatte keine Schmerzen und das hat mich... das hat mich am meisten beunruhigt. Es heißt immer, man merkt nicht, wenn man tödlich verwundet wird. Aber dann habe ich dich gehört und dein Gesicht gesehen." Ein schwaches Lächeln läßt seine Mundwinkel zucken. "Du hast mich angelächelt. Und du hast gesagt: Steh auf! also bin ich aufgestanden. Und nach der Schlacht war ich lange dort, wo du auch warst... ich trieb im Nichts immer weiter auf die Totenlichter zu, ohne Namen, ohne Sein, ohne Erinnerung. Alles wird einem gleichgültig, alles ist einerlei. Die Toten rufen und die Purpurflüsse warten, aber ich konnte damals nicht gehen, weil du hier auf mich gewartet hast. Und diesmal habe ich dich nicht gehen lassen. Wenn du..." sie legt einen Finger an seinen Mund und bringt ihn zum Schweigen. Er weiß nicht, was geschehen wäre, wäre sie wirklich gestorben. "Bin ich aber nicht," wispert sie und schmiegt sich wieder an ihn. "Bleibt es bei Connavar und Fianryn?" Sie nickt sacht und er streicht mit der freien Hand über ihr Haar und glättet die wirren, roten Strähnen. "Kiz, es tut mir so leid. Ich... Götter, ich wollte diese Kinder, aber ich wollte nicht, daß du so um sie leiden mußt."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 17. Nov. 2004, 21:02 Uhr
Ihre Hände sind ineinander verschlungen und ihre Finger sprechen eine ganz eigene Sprache, sanft, fragend und antwortend, verstehend. Die Stille im Raum hat nichts unangenehmes, sie ist tröstlich nach der Aufregung des letzten Tages. Kea schmiegt sich irgendwann sacht an ihn, während ihre Hände lediglich über seine Arme und seine Schultern gleiten und ihre Nähe macht ihn beinahe nervös. Himmel, wir müssen endlich diese Heilerin aufsuchen.. Den Gedanken Loba nach einer vernünftigen Verhütungsmethode zu fragen verschiebt er mit einem leisen Schnauben. Ihren fragenden Blick beantwortet er mit einem lächelnden Augenverdrehen, dann konzentriert er sich wieder darauf, Kea nicht an verfänglichen Körperstellen zu berühren.
>Erzähl mir irgendetwas, damit wir an etwas anderes denken. Erzähl mir von der Stadt, von Laer Draconis! Sind die Drachen dort wirklich silber? Was weißt du von ihnen, ich weiß nichts darüber, nur Schauergeschichten von Drachen die junge Mädchen fressen und Städte abbrennen. Sind sie so? Oder anders? Was ist wahr von all dem was die Leute sagen und was ist erfunden? Suchen sie nach dir? Wissen sie, dass dein Vater einen Sohn hat?< Ein Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht und er zieht die Hufschmiedin näher an sich. "Du stellst Fragen. Ich war noch nicht in Laer Draconis, aber ich glaube so," er deutet mit der freien Hand auf den Wandteppich." So, sah es zu der Zeit aus, als mein Vater und sein Bruder ihren letzten Kampf ausgetragen haben. Ich glaube aber, dass es immer noch eine wundervolle Stadt ist, nicht so schön wie Talyra.. aber naja das geht ja auch nicht immer." Er lacht leise, haucht ihr einen Kuss aufs Haar und fährt dann leise fort. "Ob alle Drachen silber sind? Ich glaube nicht, ich meine Vater und mein Onkel.. sie waren silbern, wenn sie sich gewandelt haben, sie waren ja nicht immer Drache. Eigentlich, zumindest hat es mir Mu... Mutter so erzählt, waren die Drachenkönige zum Großteil menschlich, auch wenn sie das Blut von Daythren, eines Sturmdrachen in sich trugen. Weißt du über die Zeit der Schande Bescheid?" Er schaut Kea fragend an und als diese mit dem Kopf schüttelt, fährt er lächelnd fort. "Naja, die Drachen wurden nach dem großen Krieg zu stolz und mussten ein Zeitalter unter den sterblichen verbringen und Daythren; er trug im übrigen den Beinamen Sturmsohn; verliebte sich in eine Prinzessin der Menschen und hat sie auch geheiratet. Wie es genau weiterging, weiß ich nicht aber ihre Nachfahren hatten lange den Drachenthron besetzt.. tja, bis.. naja du weißt schon. Also worauf ich hinaus will ist, sie waren keine richtigen Drachen, aber durch das Drachenblut in ihren Adern konnten sie sich wandeln und dann hatten sie wohl auch diese Kräfte. Und meine kommen auch von diesem Blut..."
Er atmet mehrmals tief ein und aus, der Gedanke an seine Magie jagt ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Das erste und zum Glück das letzte Mal als sie sich gezeigt hatte, hatte er beinahe das Haus seiner Mutter abgefackelt. Und einen Menschen getötet. Sein Magen krampft sich kurz zusammen, doch Keas warme Hand reißt ihn aus seinen Gedanken. "Uhm..kea!" Sie kichert als er rasch nach ihrer wandernden Hand greift. "Also wirklich.. und dann soll man Fragen beantworten." Ierás schüttelt den Kopf, ist aber erleichtert, dass Keas Fragen ihren Zweck erfüllt haben. Er denkt tatsächlich an etwas anderes.
"Ich glaube nicht, das Drachen alle so sind. Ich meine, so oft gibt es sie ja auch gar nicht und wenn sie alle so wären.. ich glaube nicht, dass es dann hier noch so aussähe. Außerdem haben sie mit Sicherheit aus ihrem Fehler gelernt, also die meisten jedenfalls." Er grinst und seine Finger verwirren sich in den Strähnen ihres schwarzen Haares. "Ob sie wissen das ich da bin? Nein, ich glaube nicht. Ich meine, sie halten ihn für Tod, sie wussten ja nicht das er nicht gestorben ist damals und sie wussten auch nichts von der Elbin die seine Seele trug.. Die einzigen die es wissen sind hier in der Stadt und Freunde meiner Mutter. Und die Priester die den Ritus vollzogen haben. Wenn sie es wüssten würden sie mich suchen, fürchte ich und ich könnte ihnen hundert Mal erzählen, das ich den Thron nicht beanspruchen möchte." Er spürt ihr Schaudern und haucht ihr einen weiteren Kuss auf die Wange. "Mach dir keine Sorgen, Neyá. Solange wir ein bisschen vorsichtig sind, werden sie es nicht herausbekommen." Loba fällt ihm ein und das, was Kizumu ihm einmal gesagt hatte. Sie und ihre Familie sind Anhänger meines Vaters.. Würde sie ihr Wissen nutzen? Vermutlich ja. "Hmpfm, irgendwie schaffen wir es nicht über angenehme Dinge zu reden, oder?" Er birgt das Gesicht in ihrem Haar und eine ganze Weile vergeht in Schweigen.

Graus Heulen zerreißt die Stille und holt ihn mit einem Schlag in die wache Welt zurück. Er hatte gar nicht bemerkt, das er eingedöst war und für einen Herzschlag ist er furchtbar verwirrt. Die Erkenntnis, was das Heulen des Wolfshundes bedeuten mag, trifft ihn wie ein Schlag, lässt seinen Atem stocken und sein Herz stolpern. "Nein!" Kea sitzt bereits aufrecht auf dem Bett, blickt sich verwirrt und verstört um und ihre Augen sind vor Schreck geweitet. "Oh nein Mutter... NEIN!"
Ierás springt auf, verheddert sich mit den Füßen in den Laken des Bettes und fällt wild mit den Armen rudernd zu Boden. "Verdammt! Nein!" Die Angst und die Gewissheit, das gerade etwas furchtbares passiert schnüren ihm die Luft ab und einen Herzschlag lang hat er nicht mehr die Kraft, aufzustehen. "Mama, nein, bitte nicht... lass mich nicht allein!" Tränen rinnen über seine Wangen und seine Finger krallen sich in den Teppich; doch dann ist Kea da, streicht ihm übers Haar und der Augenblick vergeht und nur Leere bleibt zurück.
"Mama.." Er liegt auf dem Bauch, unfähig sich zu bewegen und das Schluchzen schüttelt seinen Körper. Keas Hand auf seinem Kopf bemerkt er kaum; seine Gedanken kreisen einzig und allein um die Unmöglichkeit des Todes seiner Mutter, lassen keinen Platz für andere Überlegungen. Sie kann nicht sterben, sie darf mich nicht allein lassen.. sie kann einfach nicht...
Irgendwann verebbt das Schluchzen des jungen Mannes und wieder macht sich Stille in dem kleinen Erkerzimmer breit. Ierás atmet tief ein und aus und schickt seinen Geist vorsichtig tastend auf den Weg.
Sie kann nicht tot sein, meine Mutter stirbt nicht..."..Sie ist nicht tot." Die Erkenntnis lässt ihn zittern und wieder rinnen ihm Tränen über die Wangen. Er hatte Leere erwartet, aber er war auf ein schwaches Echo ihres Geistes gestoßen das langsam erstarkt. Mit einem Satz ist er auf den Beinen, zieht Kea an den Händen hoch und ist auf dem Weg zur Tür, ehe die Hufschmiedin begriffen hat, was geschieht.
Mit wenigen langen Schritten hat er den kleinen Flur durchschritten, ist die Wendeltreppe hinunter gestolpert und auch den Gang zur großen Halle durchquert. Er reißt die Holztür auf, stürmt durch die Halle und schließlich die Stufen zum Schlafgemach seiner Mutter hinauf. Dass er mit seinem Getöse die Hohepriesterin aufschreckt; die noch immer in dem hohen Lehnstuhl sitzt, bemerkt er nicht und es kümmert ihn auch nicht. Vor der schweren Tür des Schlafgemaches verharrt er mitten in der Bewegung und Furcht kommt in ihm auf. Was wenn das, was er wahrgenommen hatte, nur Einbildung gewesen war, wenn sie wirklich tot war? Wenn du hier herumstehst wirst du es vermutlich nicht so schnell erfahren... Mit einem letzten tiefen Atemzug legt er die Hand auf den Türknauf und drückt langsam die Tür auf.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 17. Nov. 2004, 22:40 Uhr
Ierás spricht von Laer Draconis, von seinem Vater, seinem Onkel von den Drachen und von allem was ihm dazu so einfällt, alles was er weiß. Warum sein Vater nicht nur die Gestalt eines silbernen Drachen hatte, sondern auch eine andere. Kea hört ihm still zu, sie will ihn nicht unterbrechen mit irgendwelchen Fragen, die sich wahrscheinlich sowieso in Luft auflösen wenn Ierás weiter spricht und das tun sie auch. Für diesen Moment bleiben keine Fragen über seine Herkunft mehr offen, über ihre eigene natürlich, da kann ihr keiner helfen, aber es ist ein beruhigendes Gefühl, so viel wie möglich über die Drachensippe zu wissen, zu wissen was sie einem antun können und wollen würden, wüssten sie, dass es Ierás gibt.
Nur eines bleibt, aber für diese Frage bleibt Kea keine Zeit. Bis jetzt hat Ierás noch nie etwas von seinen magischen Fähigkeiten erzählt.
Außer er meint, dass er die Fähigkeit hat sich zu wandeln und zu fliegen!
Lächelnd denkt Kea an den Tag im Schnee zurück, als er mit ihr in seinen Armen einfach ein Stück vom Boden abgehoben war.

Plötzlich dringt durch die Wände des Westflügels ein Hundeheulen. Kea fährt erschrocken hoch, versucht es zu deuten, so wie sie es mit den Lauten der Pferde tun kann, aber es bleibt ihr verschlossen. Es ist ihre eigene Angst die sie "Nein" sagen lässt, sie merkt gar nicht, wie sie mit den Augen durch den Raum irrt.
>Oh nein Mutter... NEIN!< Ierás ruft reißt sie aus ihrer Erstarrung, eben hat sie immer noch ihre Hand an ihm gehabt und ihn fest gehalten, jetzt versucht er sich neben ihr aus den Laken zu entwirren. Gleichzeitig will er auch schon aufstehen und losrennen, fällt aber dabei auf den Boden und verharrt dort.
Kea spürt erst, dass sie hinter ihm her ist, als sie mit ihren nackten Knien über den Boden schrammt und ihm über das lange Haar fährt. Er ist zwar schlank, aber trotzdem nicht allzu leicht und so schlägt Keas Versuch ihn zu sich hoch zu ziehen fehl. Stattdessen schlingt sie ihre Finger um seine Hand und legt ihren Oberkörper auf seinen, sodass er spüren kann, dass sie für ihn da ist. Sie spürt sein Schluchzen im ganzen Körper, innen und außen und auch ihre eigenen Tränen die lautlos auf den Boden tropfen. Langsam beruhigt sich sein Atem unter ihr, Kea rutscht seitlich neben Ierás, ihr Gesicht in seinem Haar vergraben und sie liegen wie zwei Tote auf den Boden, bis sie leise Ierás Worte zu sich dringen hört.
>Sie ist nicht tot.<
Ganz plötzlich ist der Junge auf den Beinen, mit einer Kraft die Kea in diesem Moment nicht von ihm erwartet hätte, zieht sie hoch und läuft los. In Keas Kopf kreisen die Gedanken, dass er versucht es sich einzureden, dass Kizumu noch am Leben ist und auch die Angst, dass er irgendetwas unüberlegtes tun könnte.
Mit diesem Gedanken im Kopf und der Angst um Ierás im Herzen, läuft sie einfach hinter ihm her. Ihre Gedanken sind so schnell durch ihren Kopf gezogen, dass er noch nicht einmal zur Tür hinaus ist als sie ihm folgt. Durch den Gang läuft er weit schneller als sie, mit den langen Beinen und scheinbar völlig kopf und haltlos.
Kea kann ihn gerade noch durch die Tür verschwinden sehen als sie um die Ecke biegt und folgt mit schnellen Schritten. Sie klopft nicht an der Tür, wartet keinen Moment, sondern stürzt einfach etwas ungehalten herein.
Das Bild das sich ihr bietet ist allerdings wirklich nicht das was sie erwartet hat. Der ganze Raum ist voller Leben, Kizumu mit ihrem Sohn im Arm, mit beiden Söhnen, denn Ierás liegt, den Kopf im Schoß seiner Mutter wie ein kleiner Junge. Die Töne die von ihm zur Tür herüber dringen und das Beben seiner Schultern, lassen schließen, dass er heult wie ein Schlosshund. Kizumu streicht ihm liebevoll übers Haar mit einem leicht überrumpelten Gesichtsausdruck.
Kea atmet erleichtert auf und spürt die Tränen wieder über ihre Wangen laufen, doch diesmal sind es Tränen der Freude und der Erleichterung, welche die Angst der bangen Stunden des Wartens davon spülen und in Vergessenheit geraten lassen. Jetzt zählt nur mehr, dass Kizumu und die beiden Kinder gesund und lebendig sind. Sie wischt sich mit einer Hand über das Gesicht, auch wenn das sinnlos ist, denn einer Träne folgt schon die Nächste. Als sie auf das Bett zugeht fällt ihr auf, dass sie immer noch nur das große Hemd trägt, aber sie drängt das aufkommende Gefühl von peinlicher Berührtheit von sich, in diesem Moment sind einfach ganz andere Dinge wichtig. Ierás, Olyvar, Kizumu und die beiden Kinder. Kea lässt sich am Fußende des Bettes nieder, ihre Beine sind weich und zittrig. Vorsichtig legt sie Ierás die Hand auf den Rücken und verliert sich dabei in der Betrachtung von Kizumu und ihren beiden Söhnen. Dem Großen und dem Kleinen, schwarzes und rotes Haar, ganz verschieden und doch wirken sie in diesem Moment beide schrecklich verwundbar und zerbrechlich.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 17. Nov. 2004, 23:06 Uhr
>Kiz, es tut mir so leid. Ich... Götter, ich wollte diese Kinder, aber ich wollte nicht, daß du so um sie leiden mußt.< Ihr Blick ist mit seinem verwoben, ihre Hand ruht auf dem weichen Körper ihres Sohnes und der Geruch nach Neugeborenem und Milch liegt in der Luft. Kizumu macht eine kleine, beinahe wegwerfende Geste und ein glückliches Lächeln breitet sich auf ihrem langsam wieder Farbe bekommendem Gesicht aus. "Sie sind es doch wert." Ihre Hand wandert vom vollen Bauch Connavars über seinen Arm und kommt auf ihrem Bauch zur Ruhe. "Alles, weißt du?" Der Blick der Elbin ist nach innen gerichtet und sie muss sich nicht bemühen, sich an die tristen Sandhügel und die purpurnen Fluten des Skyrr zu erinnern. Ich war nicht allein, Olyvar. Einsam, aber nicht allein. Soll ich dir sagen, wer dort wartet?
"Ich.." Sie setzen beide gleichzeitig zu sprechen an, verstummen und tauschen ein kleines Verschwörergrinsen, als sich die Tür zum Schlafgemach langsam öffnet. "Ierás." Ihr Blick löst sich aus dem ihres Mannes und findet zielstrebig den ihres Sohnes. Sie hatte ihn kurz gespürt, als sie Connavar gestillt hatte; ein leises vertrautes Gefühl am Rande ihrer Wahrnehmung doch dann war er verstummt. Sein Gesicht ist ängstlich und Schatten liegen unter seinen Augen, doch als er sie erkennt, am Leben und wach beginnt er zu strahlen. "Mutter.." Seine Stimme ist leise, heiser und er schafft es in diesem einen Wort drei Tonlagen zu treffen. Einen kurzen Augenblick lang blicken sich Mutter und Sohn schweigend an, dann streckt sie vorsichtig ihren Geist nach ihm aus und einen Herzschlag später liegt er auf dem großen Bett, den Kopf in ihrem Schoß verborgen. Seine Schultern beben, heiseres Schluchzen erfüllt den Raum und lassen sie den Schmerz in ihrem Unterleib verdrängen. Kizumu tauscht einen tränenfeuchten und mitleidigen Blick mit ihrem Ehemann, während ihre Hand sich auf den Kopf ihres Sohnes legt. Oh mein Sturm, es tut mir leid, dich so erschreckt zu haben.. Es ist gut, alles wird gut, versprochen. Ri´l. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr bei seinem zweiten Namen genannt und sie spürt, wie er ein wenig ruhiger wird.

Leises Rascheln lässt sie aufblicken und sie lächelt, als sie Kea erkennt. Auch das Mädchen weint, aber sie sieht erleichtert aber auch ein wenig besorgt aus. Die Hand der kleinen Hufschmiedin ruht auf Ierás Rücken und sie blickt versonnen auf den Haarschopf ihres Gefährten.
"Ich habe euch ganz schön auf Trab gehalten, hm?" Sie weiß, dass das schlechte Gewissen, das sich in ihr regt völlig unsinnig ist, aber der Drang sich zu entschuldigen ist zu groß. "Es tut mir leid." Kizumu schaut betreten auf das dunkle Haar ihres Sohnes, dann wandert ihr Blick über den roten Haarschopf Connavars, den Olyvars so ähnlichem Fianryns und bleibt schließlich an einem Paar grauer Augen hängen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 18. Nov. 2004, 16:27 Uhr
Ihr unbekümmertes Lächeln und die wegwerfende Geste, mit der sie sein Entsetzen einfach fortwischt, verwirren ihn völlig. Er hat noch immer einen Nachgeschmack seiner Angst um sie auf der Zunge, schwarz und gallenbitter und ihre Schreie würde er nie vergessen. "Götter, Kiz, wie könnt ihr Frauen das nur so leicht vergessen? Ich dachte... ich müsste... ich kann Schmerzen aushalten, aber dich so zu sehen war mehr, als ich ertragen kann." Kizumus Blick geht in weite Fernen, als sich ihre Hand auf ihren Leib legt, so als sehe sie für einen Moment eine vollkommen andere Welt - oder als blicke sie tief in sich hinein. >Ich...<
"Ich..." Olyvar öffnet den Mund, als die Tür sich mit einem leisen Knarren aufschiebt und Ieras hereinkommt, das Gesicht bleich, bang, voller Angst. Olyvar braucht einen Moment, bis er begreift, daß der Junge, von Graus Heulen aufgeschreckt, wohl mit allem gerechnet hat, aber nicht mit einer hellwachen und lebendigen Kizumu. Mit einem halb unterdrückten Aufschrei stürzt er zu seiner Mutter, das Bett ächzt unter seinem zusätzlichen Gewicht, vergräbt sein Gesicht in ihrem Schoß und klammert sich schluchzend an ihr fest. Olyvar tauscht einen Blick mit Kizumu und rückt ein Stück von ihrer Seite. Ieras scheint sie jetzt sie mehr zu brauchen, als er. Einen Moment lang starrt er den bebenden Rücken an und kann sich nicht entscheiden, ob er mitfühlend lächeln oder den Jungen beneiden soll. Und irgendwo tief in seinem Inneren wünscht er sich leise, er könne sich nur einmal ebenso gehen lassen, wie Ieras jetzt. Seit diese Geburt aus den Fugen geraten war, trägt er nichts als eine Maske der Beherrschung zur Schau - und unter dieser Oberfläche gärt es inzwischen gewaltig. Wenn das so weitergeht, werde ich irgendwann überkochen wie ein Schlachtkessel. Er unterdrückt ein belustigtes Schniefen über diesen Vergleich mit sich selbst, nimmt dann vorsichtig das schlafende Mädchen auf den Arm und steht auf, gerade als Kea nur im Hemd bekleidet, hereinstolpert.

Auch die Augen der kleinen Schmiedin gehen vor Erleichterung über, aber sie hat gar keinen Blick für ihn übrig, sondern starrt Kizumu, das Baby in ihrem Arm und Ieras an und setzt sich dann ans Fußende des Bettes, als sei sie sich nicht so ganz sicher, ob ihre Beine sie noch lange tragen würden. Olyvar zieht sich ein Stück vom Bett zurück, seine Tochter auf dem Arm, und tritt an eine der breiten, mit weichen Fellen und Kissen ausgelegten Fensternischen. Von hier aus kann er durch das bleigefaßte Glas auf den Inneren Zwinger und Teile des Äußeren hinunterblicken. Alles scheint seinen gewohnten Gang zu gehen, auch wenn sich auffallend viele Gesichter immer wieder umwenden, um besorgt heraufzustarren. Ich sollte mit den Männern reden, offiziell bekannt geben, das alles in Ordnung ist... oder ich schicke Mattis zu Rhordri, damit er das tut. Ein Geräusch hinter sich läßt ihn sich vom Fenster abwenden. Nach Ieras und Kea steckt nun auch Loba den Kopf zur Tür herein, die riesigen Eulenaugen noch verschleiert vom Schlaf, das schneeweiße Haar nur notdürftig geglättet. Sie sieht Kizumu, Ieras und Kea, die beiden Kinder und schließlich ihn an und zieht sich wissend lächelnd noch einmal zurück, während ihr Mund ein lautloses: "Ich komme später nocheinmal" formt. Olyvar nickt nur und tritt dann zu Kea. Er berührt die Schmiedin sacht an der Schulter. "Hier... an toigh leat... möchtest du sie einen Moment halten?" Er legt ihr das schlafende Baby in die Arme und versucht gar nicht erst gegen das völlig hingerissene Grinsen anzukämpfen, das sich beim Anblick seiner Kinder vehement in seine Mundwinkeln schleicht. "Darf ich vorstellen? Fianryn." Kea betrachtet das schlafende Babygesicht mit den wild abstehenden Haarstacheln über der Stirn und lächelt, auch wenn ihr immer noch Tränen über die Wangen laufen. "Hier." In Ermangelung eines Taschentuchs reicht er ihr ein Stück sauberes Linnen. "Ich muß mich bei dir bedanken, Kea. Ich war... ich habe zwar nicht viel um mich herum bemerkt, aber ganz blind war ich auch nicht. Du warst großartig, a nighean. Du hast Ballabar geholfen und später Loba, du warst stark für Ieras und stark für uns alle... tapadh leat. Chanail facal agam dhuibh ach taing." Ich kann nicht mehr sagen, als danke.

Er läßt ihr die Kleine, legt Holz im Kamin nach und schürt das Feuer neu. In der dunklen Wasserfläche des Kupferkessels, der an einem Eisenhaken darüber hängt, sieht er sein Gesicht und schüttelt den Kopf. Unrasiert, die Augen voller Schatten, vollkommen übernächtigt und mit tief eingegrabenen Linien von Schmerz und Schrecken bietet er nicht gerade einen rosigen Anblick. Sein Hemd ist voller Blutflecken, rostrot und eingetrocknet und sein rechter Ärmel ist obendrein zerrissen. Er blickt zum Bett, wo Kizumu leise mit Ieras flüstert, der sich inzwischen wieder beruhigt hat und seinen winzigen Bruder betrachtet, und Kea das Mädchen in den Armen wiegt. Alle drei tauschen lächelnde Blicke und einen Herzschlag lang fühlt er sich wie ein Eindringling in seinem eigenen Schlafgemach - dann schilt er sich einen Narren. Sein Blick findet den Kizumus und wird weich. "Ja, hast du. Aber das ist das Recht der Frauen im Kindbett, oder nicht?" Spöttelt er sanft. Dann tritt er an ihre Seite und nimmt ihr Kinn in die Hand, schüttelt es sacht und sieht ihr in die Augen. "Hör auf, Sgáileanabh. Du darfst nicht einmal daran denken, dich zu entschuldigen. Hast du Hunger? Ich meine auf etwas anderes als Rinderbrühe." Der plötzliche Gedanke, sie müsse nach all der Anstrengung und dem Stillen zweier Kinder bestimmt etwas in den Magen bekommen, geistert ihm durch den Kopf und er lächelt schuldbewußt, weil er bisher noch gar nicht daran gedacht hatte. "Ich muß ein Bad nehmen und mich umziehen, Sgáileanabh, und kann dir auf dem Rückweg etwas mitbringen, ich bin bald zurück." Sie nickt und er küßt sie, sanft, aber alles andere als nebensächlich, und verläßt sie und seine Kinder nur widerstrebend. Er sucht sich frische Kleidung aus dem Schrank und läßt Kiz in Ieras und Keas Obhut zurück - die beiden würden gut auf sie aufpassen. Im Gang in die Große Halle findet er Mattis auf dem Boden schlafend, also weckt er den Jungen und schickt ihn etwas essen, in die Badehäuser und ins Bett.

"Es ist alles wieder in Ordnung. Kizumu ist wach, die Kinder sind gesund. Geh und sag es Rhordri, bevor du dir etwas zu essen holst." Der Junge blinzelt müde, nickt dann aber vor Erleichterung grinsend und tappt davon, während Olyvar auch in der Halle Holz in beiden Kaminen nachlegt und sich dann auf den Weg in die Badehäuser macht. Überall auf den Gängen und den Treppen im Hauptgebäude begegnen ihm seine Männer, Offiziere wie einfache Wachsoldaten, Waschweiber, Mägde, Kämmerer und Botenjungen - und alle wollen wissen, wie es nun steht, ob seine Gemahlin wohlauf, was mit den Kindern sei und derlei mehr. Noch bevor er auf dem Inneren Zwinger anlangt, hat er bereits das Gefühl, Fusseln am Mund zu haben, auch wenn ihm das ehrliche Mitgefühl und Interesse seiner Leute das Herz wärmt. "Ja, Kizumu ist wohlauf... nein, die Geburt war sehr schwer. Ich weiß nicht. Ja, Zwillinge. Ein Junge und ein Mädchen. Doch, es geht ihnen gut... ja, beide über sechs Pfund. Wie groß? Keine Ahnung, sie sind klein wie alle Babys...rote Haare... nein, wir brauchen keine Amme, trotzdem danke. Ja, Loba ist noch bei uns. Nein, das Mädchen kam zuerst. Ja, Kizumu geht es den Umständen entsprechend gut. Connavar und Fianryn. Ja, das ist Elbisch. Es heißt soviel wie Goldregen. Nein, beide Kinder sind gesund. Ja, das Mädchen ist das Erstgeborene... " und so geht es in einem fort, bis er das Badehaus mit seiner höhlenartigen Halle erreicht und erleichtert die Tür hinter sich schließt. Die riesigen Steinwannen sind bis auf eine ganz hinten, in der zwei gichtgeplagte, alte Kämmerer sitzen, welche über den wabernden Dampfschwaden auf dem breiten Beckenrand würfeln, leer und dafür ist er ausgesprochen dankbar. Eine Weile allein mit sich und seinen Gedanken sein zu können ist ihm mehr als recht. Er entkleidet sich, wirft sein zerrissenes Hemd gleich fort und steigt ins heiße Wasser. Mit einem weichen Lappen wäscht er sich Blut und Schweiß ab, rasiert sich dann, wäscht sich das Haar aus und bleibt noch eine Weile in der Wärme liegen, hält die Augen geschlossen und läßt die Bilder der vergangenen Nacht an sich vorbeiziehen. Es hat ihn zerrissen, sie so zu sehen und doch war sie nie schöner gewesen und jetzt ist er Vater, etwas, das er noch nicht wirklich begriffen hat... wann auch, schließlich war er die ganze Nacht und den Morgen über am Rand des Wahnsinns entlangbalanciert.

Als er aus den Badehäusern kommt, sauber und in frischer Kleidung, fühlt er sich wie zerschlagen und euphorisch gleichzeitig, vor Erschöpfung und Erleichterung wie in Watte gepackt und angenehm abwesend vom Hier und Jetzt. Vareyar, die Götter mögen ihm ewig dankbar sein, treibt entschlossen bellend die kleine Menge Neugieriger auseinander, die sich prompt auf dem Inneren Zwinger gesammelt hat und Olyvar nickt ihm dankbar zu. Noch mehr Fragen hätte er jetzt im Augenblick nicht beantworten können. Himmelgötternochmal, ich schicke euch einen Herold herunter! Zurück im Bergfried der Steinfaust schnappt er sich einen umhereilenden Botenjungen und schickt ihn in die Küche, um ein Mittagsmahl für sich und Kizumu, und nur wenige Minuten später kommt ein Page mit einem Tablett verschiedenster Speisen. "Geht nur voran, Mylord Commander, ich bringe es Euch hinauf." Olyvar nickt ergeben. Er ist seit mehr als dreißig Stunden auf den Beinen und er weiß nicht mehr, wie lange es her ist, daß er zuletzt etwas gegessen hat - sein Magen knurrt jedenfalls vernehmlich. Zurück im Westflügel ist Loba bei Kizumu und Kea und Ieras verabschieden sich gerade, um sich notgedrungen auf den Rückweg in die Schmiede zu einem kranken Pferd zu machen. Immerhin hat Kea inzwischen eines von Kizumus Kleidern an, auch wenn es ihr viel zu lang ist. Zurück in seinem Schlafgemach, scheint sich alles in einem Zustand der Benommenheit abzuspielen. Von seinen Gefühlen und der bleiernen Müdigkeit, die sich nach dem Bad in ihm breit gemacht hat, ziemlich mitgenommen, nimmt Olyvar die Ereignisse eher wie Bilder wahr, die an ihm vorbeiziehen, merkwürdig scharf und klar, aber nicht als etwas, an dem er Anteil hat. Die Kinder sind in ihre Wiegen gelegt worden, wo sie sich leise schmatzend von der Anstrengung ihrer Geburt erholen können, satt und zufrieden. Zum ersten Mal fällt ihm auf, wie dunkel die Haut der beiden ist, rosig zwar, aber viel dunkler als die anderer Babies, die er schon gesehen hat, so als wären sie schon jetzt leicht von der Sonne gebräunt. Meine Haut, denkt er unzusammenhängend, während seine Augen Loba folgen, die Kizumu sorgfältig untersucht und die genähte Wunde frisch verbindet.

Ein freundlich lächelnder Page, dann Essen auf einem Tablett: gebratenes Fleisch, überbackene Nudeln, geschmolzener Käse, frisches Graubrot, Gemüse. Schwarzer Reis, gebackene Datteln mit Honig und Nüssen. Malzbier. Verder Dunkel, das ihm zweifellos völlig den Rest geben wird. Dann das ernste Gesicht der Priesterin, streng und raubvogelartig vor dem grauen Spätherbstlicht, und ihre rauhe Stimme, die knappe Anweisungen für die nächsten Wochen gibt, die Heiltränke und Kräutertinkturen, Wundbäder und strenge Enthaltsamkeit für zwei volle Mondläufe anordnet. Kizumu, die so erschöpft lächelt wie er, aber tapfer zu allem nickt und verspricht, sich genau an alles zu halten. Eine Magd, die frisches Feuerholz bringt und einen kleinen Vorrat an Kinderkleidung, Leibchen und Windeln herholt, damit man nicht dauernd mit den Babies quer durch den Westflügel laufen müsse, ein dampfender Becher heißer, bitterer Tee, der ihm das Blut in den Adern ersetzt. Die Kinder, die erwachen und noch einmal gestillt werden, wobei Loba Kizumu eine Möglichkeit mit untergelegten Kissen zeigt, beide auf einmal zu füttern -  und dann irgendwann endlich Ruhe. Die frühe Herbstdunkelheit zieht bald herauf und eisiger Regen prasselt leise gegen die Fenster, als Loba die Kinder noch einmal frisch wickelt und schließlich in ihre Wiegen zurücklegt. Sie verspricht, in den nächsten Tagen regelmässig nach Kizumu zu sehen, läßt Heilkräuter und sehr schwach dosierten Mohnblumensaft hier, falls der Wundschmerz unerträglich werden sollte und verabschiedet sich dann. Kizumu fallen die Augen zu, noch ehe die Hohepriesterin das Gemach verlassen hat. Olyvar schiebt die beiden Wiegen direkt neben das Bett und gibt die Anstrengung, wach zu bleiben auf, entkleidet sich und kriecht neben sie unter die warmen Decken. Im Schutz der Dunkelheit, seine Frau keinen Herzschlag von ihm entfernt, ist es so still und friedlich, daß er über dem beruhigenden Prasseln des Kaminfeuers und dem sachten Trommeln des Regens das leise Atmen seiner Kinder hören kann. Er tastet unter den Decken nach Kizumus Hand, nimmt ihre langen, schlanken Finger in seine, spürt das vertraute Gewicht seines Ringes an ihrer Haut und holt tief Luft. Und dann kann er die Maske endlich ablegen und weinen.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 20. Nov. 2004, 22:29 Uhr
Traumlose Dunkelheit umfängt, wärmt und beschützt sie und sie löst sich nur schwer daraus. Aber etwas wichtiges zerrt an ihrem Bewusstsein und sie in die wache Welt zurück. Olyvar hält ihre Hand in seiner, dicht an seinem erschöpften Gesicht und eine Welle der Zärtlichkeit lässt sie erschaudern. Er hat dunkle Schatten unter den Augen und auch wenn sein Mund im Schlaf entspannt ist, hat sich eine kleine Linie darum eingegraben deren Ursprung ihr erst klar wird, als sie das leise Jammern eines Kindes vernimmt. Ich bin Mutter geworden.. Ihr Mund verzieht sich zu einem glücklich- debilen Lächeln und sie drückt kurz die Hand ihres Ehemannes.
Sehr langsam und sehr vorsichtig versucht sie, sich aufzurichten ohne ihren Mann zu wecken. Die Wiegen der Kinder stehen zum Glück nicht weit vom Bett entfernt und sie kann halbwegs bequem nach Fianryn greifen, deren winzige Fäustchen sich ihr entgegenrecken. Das Licht der Stundenkerze flackert bei ihrer Bewegung und wirft unruhige Schatten auf das Gesicht ihrer Tochter. Ihre Brust fühlt sich voll an und beginnt zu prickeln, als sie den Geruch des Säuglings in die Nase bekommt. Sie legt das Mädchen an und lauscht verzückt dem leisen Schmatzen ihrer Tochter.

In den ersten drei Tagen sind die Kinder wahre Engel, doch dann scheinen sie sich dazu entschlossen zu haben, immer abwechselnd wach, hungrig oder sogar krank zu sein. Olyvar muss bereits am zweiten Tag wieder seine Pflichten als Lord Commander übernehmen und auch wenn er sich bemüht soviel Zeit wie möglich im Westflügel zu verbringen ist sie doch den Großteil der Zeit allein mit den Kindern und der jungen Magd, die ihr zur Hand geht.
Loba kommt wie versprochen vorbei, bringt Tinkturen, wechselt den Verband und gibt Ratschläge, die Kizumu in der ersten Woche auch noch mit Engelsgeduld erträgt. Sie nickt und lächelt zu den Geboten der Heilerin, steht nicht einmal auf um zum Abort zu gehen, aber irgendwann geht ihre Geduld zu Ende und ihre Laune wird zu einer harten Probe für Olyvars. Nach endlosen Debatten darüber, ob sie gesund werden oder einfach nur ihren Dickschädel durchsetzen wolle, hatte Kizumu einen Kompromiss geschlossen. Sie stand nur auf, wenn er im Solar oder anderswo arbeitete und war, solange ihr Ehemann anwesend war, eine brave Patientin.

Haroooooooooooooo Der widerhallende Klang der Hörner reißt Kizumu aus ihrer Trance. Sie sitzt noch immer in dem Lehnstuhl, in dem sie vor einer halben Stunde Connavar gestillt hatte, Fianryn in der Wiege neben sich. Unter ihren Augen liegen dunkle Schatten und in ihrem Kopf hämmert eine ganze Horde Zwergenschmiede. Zum Glück haben beide Kinder beschlossen den Lärm von draußen zu ignorieren und weiterhin satt und zufrieden vor sich her zu dösen. Connavar verzieht kurz das Gesicht, ballt die winzigen Hände zu Fäusten und entlockt ihr ein kleines Lächeln, als sie ihn neben seine Schwester in die Wiege zurück legt. Bis auf die aufgeregten Stimmen die aus der Steinfaust herauf dringen ist es völlig still in der großen Halle und die Elbin schließt erschöpft die Augen. In der letzten Woche hatten Olyvar und sie keine Nacht länger als eine halbe Stunde am Stück geschlafen, beide Kinder wurden von Fieber und Ausschlag gequält und kaum hatte sich eines beruhigt weggedöst, wurde das andere jammernd wach.
"Die Herbstkarawane ist da." Sie beugt sich über die doppelt belegte Wiege, streicht ihren Kindern über die runden Wangen ehe sie zu dem großen Kamin geht um Holz nachzulegen. Mit einem leisen Seufzen schaut sie zu, wie die Flammen nach dem trockenen Scheit greifen und an ihm zehren. Ihre Gedanken wandern zurück in den Herbst, in dem sie mit dieser Karawane aus dem Norden gekommen war, voller Hoffnungen, Wünsche und Erinnerungen. Kizumu war allein gekommen.. nun, beinahe allein und sie hatte nicht zu träumen gewagt, sich in Talyra einmal so heimisch zu fühlen. Sie hatte Freunde und einen Ehemann gefunden; Dinge an die sie damals noch nicht einmal denken wollte. "Und jetzt sieh dich an. Hausmütterchen.." Sie gibt ein leises, amüsiertes Schnauben von sich und richtet sich auf. In den letzten Tagen waren ihre Gedanken immer wieder in diese Richtung gewandert, schwermütig und sehnsüchtig.
Die Elbin wendet sich vom lodern der Flammen in ihrem Kamin ab und ihr Blick fällt auf die Wiege. Sie wissen es ja noch gar nicht. Sicher hatten die Blaumäntel; Olyvar hatte ihr von deren Anteilnahme und Glückwünschen erzählt, und all die anderen Ohrenbläser schon ganze Arbeit geleistet, aber ihre Freunde hatten noch nicht von ihr gehört, dass es ihr und den Kindern gut geht. Ein reumütiges kleines Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus, während sie Pergament, Feder und Tinte aus dem kleinen Sekretär hervorholt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 23. Nov. 2004, 20:45 Uhr
Als Olyvar, von den Hörnern der ankommenden Herbstkarawane für diesen Tag gnädig von weiterem Dienst befreit, in die Große Halle des Westflügels kommt, ist dort zu seiner Überraschung noch alles ruhig. Er hätte nach dem ganzen Spektaktel und den langanhaltenden Hornsignalen zwei brüllende Kinder und eine verzweifelte Kizumu erwartet, aber alles scheint friedlich. Kizumu hat die Wiege in die Große Halle bringen lassen, wo sie neben einer der Säulen in der Nähe des Sekretärs steht. Die Babys schlafen und Kizumu ist nicht im Bett, wo sie eigentlich hingehört, sondern sitzt mit Federkiel und Tinte über Bögen aus feinem Pergament und schreibt etwas. Nebelgraues Tageslicht fällt schräg in die Große Halle und malt helle Muster auf die Steinfließen des Bodens. Als er hereinkommt, blickt sie auf und lächelt, legt rasch die Feder an den Mund, zum Zeichen, daß die Kinder fest schlafen und er nickt. Als er aber zu ihr tritt und sie küßt, bringt er einen Hauch der Kälte von draußen mit und sie unterdrückt einen Aufschrei und ein verfrorenes "Brrrrr!"

"Ich mußte zu einigen Rittergütern in der Nähe und bin die letzten sechs Stunden über Stock und Stein geritten," flüstert er. "Ich habe keinen Hintern mehr. Götter schmeckst du gut, was ist das?" Er küßt sie noch einmal und sie hinterläßt den verführerischen Geschmack nach Äpfeln, Zimt und Orangen von den fernen Sommerinseln auf seiner Zunge. "Ich kam wieder in Talyra an, gerade bevor die Karawanen die ganze Südstraße verstopft hat und bin gerade noch durchs Händlertor geschlüpft. Sie haben Elefanten aus Azurien dabei, die will ich mir in den nächsten Tagen unbedingt ansehen, wenn ich dazu komme." Er löst sich von ihr und tritt an die Wiege. Er kann seine Kinder auch nach einer Woche noch nicht ansehen, ohne daß es ihm das Herz zusammenzieht und er gleichzeitig vor Stolz platzen möchte. Sie gedeihen trotz Fieber und Ausschlag prächtig, sie trinken gut und nehmen zu. Jeden Tag kann er es kaum erwarten, sie in die Finger zu bekommen, sie herumzutragen, sie zu baden oder die halbe Nacht leise mit ihnen auf Tamar zu flüstern.

Kizumu und er haben eine Art stillschweigender Übereinkunft: sobald die Kinder nachts aufwachen, und das tun sie beinahe Stündlich, ist er sofort hellwach, steht auf und holt sie ins Bett oder kümmert sich um trockene Windeln und reicht sie dann ihrer Mutter. Kizumu kann sie als einzige Füttern und hat mit dem Stillen zweier praktisch immer hungriger Zwillinge auch genug zu tun. Meistens wird Fianryn als erste wach und kaum schläft sie wieder, meldet sich Connavar - wenn die beiden gemeinsam aufwachen und miteinander gestillt werden können, ist das schon der reinste Luxus, denn umso schneller kehrt wieder Ruhe in ihrem Schlafgemach ein. "Sie sind gar nicht aufgewacht von den Hörnern. Ciamar a tha thu, a charaid?" Er fährt mit dem Zeigefinger sacht über die runde Wange seines Sohnes und schüttelt lächelnd den Kopf über die immer wild über der Stirn abstehenden Haarzwirbel Fianryns. "Was schreibst du, mo cridhe? Sieht aus wie Einladungen. Willst du ein Fest geben? Ich bin am Verhungern, man bringt uns gleich etwas zu Essen herauf. Wildragout mit schwarzen Pflaumen und deine geliebten Nudeln, aber frag mich nicht mit welcher Sauce. Ach ja, ich habe Prins mitgenommen heute, Mattis hat ihn ein bißchen bewegt, ich hoffe, du hast nichts dagegen. Er hat mich derart beleidigt angesehen, als ich Bayvard aus dem Stall geholt habe, daß ich ihn nicht zurücklassen konnte... und bis du wieder auf einem Pferderücken sitzen kannst, vergeht noch eine Weile, Sgáileanabh."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 23. Nov. 2004, 21:48 Uhr
Sie gibt ein leises, mitleidiges "Oh." von sich, als er ihr von seinem Ausflug ins talyrische Umland erzählt und greift dann nach einer seiner Hände um sie zu wärmen. Auch wenn sie momentan einiges dafür geben würde, hinaus in die Kälte zu können, ist sie für den Moment doch zufrieden mit der Wärme und Behaglichkeit ihres Zuhauses. Jetzt, wo Olyvar wieder bei ihnen ist, lässt auch die nagende Unruhe nach, die sie immer dann erfüllt, wenn er fort und nicht in der Steinfaust ist.
"Elefanten? Richtige Elefanten? Oh Olyvar das ist unfair." Sie kann sich gerade noch davon abhalten, nicht mit dem Fuß aufzustampfen, aber ihre Unterlippe schiebt sich schmollend vor. "Ich habe sie schon letztes Jahr nicht sehen können und dieses Jahr klappt es auch nicht." Er zieht sie einen viel zu kurzen Augenblick lächelnd in seine Arme, ehe er an die Wiege tritt und seine Kinder begrüßt. Ihr Lächeln wird weich und das Herz geht ihr über, als sie ihn so über die Wiege gebeugt beobachtet. Die Schatten um seine Augen sind noch immer dunkel, aber sie kommen nur noch vom Schlafmangel, nicht mehr von der Sorge um sie. Die kleine Linie, die ihr in der ersten Nacht nach der Geburt aufgefallen war, ist nicht verschwunden auch wenn sie ein wenig nachgelassen hat und wie immer spürt sie bei diesem Anblick einen bitteren Stich.
>Sie sind gar nicht aufgewacht von den Hörnern. Ciamar a tha thu, a charaid?< "Nein, aber vermutlich werden sie gleich beim leisesten Stühlerücken wach. Quängelig, müde und hungrig." Sie kann die Müdigkeit nicht ganz aus ihrer Stimme heraushalten, aber sie würde den Teufel tun und zugeben dass sie sich heute zuviel vorgenommen hatte. Olyvar wendet kurz den Blick von seiner Tochter ab und wirft ihr einen prüfenden Blick zu, den sie mit einem halben Grinsen erwidert. "Ein Fest? Hm, naja ich.. Mir ist eingefallen, dass ich Niniane, Arwen und all die anderen schon so lange nicht mehr gesehen habe und sie wissen ja auch noch gar nicht offiziell von den beiden." Sie tritt ein Stück an ihn heran, legt die Arme um seinen Hals und haucht ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich dachte, vielleicht könnte man sie alle hierher einladen, etwas essen, die Kinder herumzeigen.. und so." Er gibt ein leises Schnauben von sich, streicht den Kindern noch einmal über die Köpfe und richtet sich dann auf. Seine Arme umfangen sie und auch wenn noch immer ein wenig Kälte von ihm ausgeht, schmiegt sie sich mit einem Grinsen an ihn. Das Grinsen wird breiter als er das Essen erwähnt und ihr Magen meldet sich mit einem lauten Knurren. In den ersten zwei Tagen hatte sie nur Brühe, Brot, Honigwasser, bitterschmeckende Tinkturen und mehrere obskure Arten von Tee bekommen. Jetzt, mit zwei hungrigen Kindern und einem wieder erstarkendem Magen hat sie das Gefühl, nur noch zu Essen und so ist sie wirklich erleichtert, als Mattis das Essen hereinbringt.
"Nein, es ist völlig in Ordnung, wenn der Junge ihn bewegt, nachher verlernt er noch das Laufen oder so." Sie lacht leise, während sie sich etwas von dem Brot abbricht und das Essen vergeht in einer leisen Unterhaltung, ehe die Kinder aufwachen und nach ihrem Abendessen verlangen. Sie bringen die beiden nach oben in ihr Schlafgemach und Kizumu ist erleichtert, beide zur gleichen Zeit stillen kann, bedeutet es doch die Chance auf zwei Stunden Schlaf an einem Stück.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 25. Nov. 2004, 10:41 Uhr
>Elefanten? Richtige Elefanten? Oh Olyvar das ist unfair.Ich habe sie schon letztes Jahr nicht sehen können und dieses Jahr klappt es auch nicht.< Er bemerkt gerade noch rechtzeitig, daß er ihre hinreißenden Schmollmund anstarrt und sein Blick sucht grinsend ihre Augen, ehe er sich wieder die Kinder ansieht. "Naja, vielleicht doch. Wenn wir dich und die Kleinen warm in eine Sänfte einpacken und irgendwann in den Nächsten Tagen früh auf den Platz der Händler gehen, wenn der erste Ansturm auf die Karawane vorbei ist? Dann können wir uns die Elefanten zusammen ansehen." Sie kommt zu ihm und erzählt ihm von ihrem Vorhaben, ihre Freunde hierher einzuladen. Ihre Nähe bringt Wärme, Vertrautheit und selbst ihr unschuldiger Kuß auf seine Wange weckt kleine, unruhige Feuergeister unter seiner Haut. "Mach das, a leannan. Wir haben sie alle wirklich schon lange nicht mehr gesehen und es wird schön sein, ein wenig mit den Kindern anzugeben... und mit unserem Zuhause." Er läßt seinen Blick von der Wiege durch die Halle schweifen und denkt an all die Mühe, die sie sich - hochschwanger - gemacht hatte, um den leeren, staubigen Westflügel in dieses Nest aus warmen Farben, alten Möbeln und Behaglichkeit zu verwandeln. Einen Moment lang legt er die Hand an ihre Wange, zieht sie an sich und hebt ihr Gesicht leicht an. "Wenn du die Einladungen fertig hast, kannst du sie einem Botenjungen mitgeben." Ihr Magen knurrt so laut, daß er beinahe aufgelacht hätte, aber um keinen Preis will er die Kinder wecken, also unterdrückt er seine Heiterkeit tapfer. Mattis, der rettende Seharim, trägt allerdings schon auf und so muß sie nicht den Hungertod sterben. Sie ißt eine erkleckliche Anzahl ihrer geliebten Nudeln, während er sich an Wildragout hält. Selbst die Kinder benehmen sich mustergültig und schnarchen friedlich weiter, bis sie mit dem Essen fertig sind und sich bemühen, weder mit Geschirr noch mit Munddolchen und Löffeln herumzuklappern. Als sie zwei Stunden später in ihrem Bett liegen, die Kinder pappsatt und wieder friedlich schnarchend, unterhalten sie sich im flackernden Schein der Stundenkerze leise. "Wann soll dieses Fest stattfinden? In den nächsten Wochen sind die Herbstjagden und ich hab noch einiges zu tun, mo cridhe. Vielleicht im Langschnee?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 27. Nov. 2004, 12:50 Uhr
Sie streckt sich wohlig unter den warmen Daunendecken aus, wackelt mit den Zehen und vermeidet ihrem Mann beim Auskleiden zuzusehen. Während sie die Kinder gestillt hatte, war sie sich seiner Anwesenheit so bewusst gewesen wie schon lange nicht mehr. Die Schmerzen in ihrem Unterleib hatten nachgelassen und auch die Narbe verheilt gut und sauber Und seine Lippen sind so weich und.. Hör auf. Kizumu schüttelt mit einem leisen Grinsen den Kopf, schnürt die Bänder ihres Nachtgewandes züchtig zu und überprüft noch einmal, ob beide Kinder ordentlich zugedeckt sind.
Kurze Zeit später, die Stundenkerze als einzige Lichtquelle haben sie es sich nah beieinander ohne sich jedoch zu berühren bequem gemacht und ihre Worte wispern durch die Stille um sie her. >"Wann soll dieses Fest stattfinden? In den nächsten Wochen sind die Herbstjagden und ich hab noch einiges zu tun, mo cridhe. Vielleicht im Langschnee?< Kizumu überlegt einen kurzen Augenblick und ist froh, mit ihren Einladungen nocht nicht weit gekommen zu sein. Sie hatte eine ganze Weile überlegt und hatte schließlich mit einem einfachen Brief an Niniane begonnen. "Langschnee? Hm.. Ich würde sie am liebsten schon Morgen hierher einladen, aber das geht ja nicht." Ein Lächeln schleicht sich im Dämmerlicht auf ihr Gesicht und sie schiebt die Müdigkeit noch für eine kleine Weile von sich. "Aber vermutlich hast du recht. Sie müssen sich ja auch auf den Winter vorbereiten und all das. Also gegen Ende des Langschnees?" Er gibt ein zustimmendes Schnauben von sich und einige Herzschläge lang herrscht bis auf ihre leisen Atemzüge Stille in ihrem Schlafgemach. Ihre Hand wandert wie von selbst zu ihm hinüber, legt sich warm und weich auf seine Brust und verharrt dort einen Augenblick lang. Sie spürt seinen Herzschlag in sich widerhallen; beruhigend kräftig und gleichmäßig unter ihren Fingern und seine Wärme, die ihr einen Schauer über den Körper jagt. Der Moment vergeht und die Elbin zieht ihre Hand langsam wieder zurück. Fünf Wochen.. Einige Herzschläge herrscht angespannte Stille, die sie schließlich mit einem leisen Räuspern bricht. Sie wechseln noch einige Worte und der Elbin gelingt es schließlich, ihrem Ehemann das Versprechen sie zur Nyzamia mitzunehmen abzuringen. Dann herrscht wieder Stille und wenig später ist Olyvar eingeschlafen, wie sie an seinen tiefen Atemzügen erkennen kann.
Sie liegt so dicht wie möglich bei ihm, die Beine dicht an ihren Oberkörper gezogen und ihre Gedanken wandern zu der Nacht zurück, in der sie sich das letzte Mal hatten lieben können. Ihre Haut hatte sich zum Zerreißen gespannt angefühlt und jede seiner zarten Berührungen hatte ihr wohlige Schauer über den Körper gejagt. Das Wimmern eines der Kinder reißt sie aus ihren Gedanken und diesmal ist sie als erstes bei dem hungrigen Kind. "Schlaf weiter, es ist in Ordnung." Olyvar war wie immer aus seinem Schlaf aufgeschreckt und schon halb aus dem Bett, ehe er sie und Connavar auf dem weich gepolsterten Schaukelstuhl entdeckt. Sie spürt seinen Blick auf sich ruhen und lächelt ohne aufzusehen. Sie hört ihn nach einigen Herzschlägen wieder ins Bett zurückkehren, aber als sie den Jungen satt und schon wieder eingeschlafen in seine Wiege zurücklegt, ist er noch immer wach und beobachtet sie. Ihre Wangen röten sich, während sie ihr Nachtgewand wieder zuschnürt und in die Wärme des Bettes zurückkehrt. Einen Augenblick sehen sie sich beinahe nervös an, dann fühlt sie seine Arme um ihre Mitte, seine Brust an ihrem Rücken und die Müdigkeit die von ihm auf sie übergeht. Zufrieden lässt sie sich von der Wärme und seiner Nähe einlullen und schließt die Augen und gleitet in die traumlose Dunkelheit ihrer Trance hinab.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 28. Nov. 2004, 21:07 Uhr
Der Dramor vergeht und der Nebelmond schließt sich mit den allherbstlichen Hirschjagden und der Herbstkarawane an, die ganz Talyra eine Weile in Atem halten wird. Vier Wochen sind seit der Geburt der Kinder nun vergangen und die beiden Kleinen wachsen und gedeihen prächtig - und auch Kizumu kommt wieder zu Kräften. Ihre Wunde heilt gut und als die Kinder nach einer Weile wenigstens ein paar Stunden am Stück jede Nacht schlafen, ist das mehr als erholsam für sie beide. Feorna, die junge Magd, die Kizumu tagsüber mit den Babies zur Hand geht, erweist sich als Segen. Olyvar hat wie jedes Jahr um diese Zeit eine Menge zu tun, nicht nur wegen der vielen Fremden in der Stadt, welche die Karawane nach Talyra verschlagen hatte, sondern auch mit den letzten Vorbereitungen der Festung für den Winter und der Aufstockung der Stadtgarde. Mehr als zweihundert Jungen und Mädchen waren im letzten halben Jahr in Ausbildung genommen worden und jeden Mond durchstreift eine Abordnung Stadtgardisten die Dörfer und Weiler im Umland auf der Suche nach Straßenkindern, die ihr Schicksal ändern wollen, nach Waisen, die ein Zuhause brauchen oder jungen Adligen, die als Dritt- oder Viertgeborene keine große Zukunft in ihrer Familie zu erwarten haben. Ende des Nebelmonds melden die Wachposten auf den Mauern endlich die Rückkehr des Windschiffes nach Talyra und Olyvar nimmt sich fest vor, sobald wie möglich auf das Roßsteinsche Gut hinauszureiten, um endlich die Pferde in Augenschein zu nehmen.

Rhordri, sein Kastellan, ist vollauf mit der Einlagerung sämtlicher Vorräte beschäftigt und er selbst hat schon Ende des Sommers Sire Colevar mit Seharimzungen beschwatzt, seinen Hengst eine Weile Henry zu überlassen, damit der gute Filidh dort auf dem Pferdehof zur Zucht eingesetzt werden könnte. Aurian ist offenbar vollauf mit ihrer Lehre bei Maester Malakai beschäftigt, denn von der angehenden jungen Magierin sieht und hört man in der Steinfaust schon eine ganze Weile nichts mehr, und aus Blurraent ist endlich ein Botenrabe der dort ansässigen Schmiedegilde eingetroffen, die seinen Auftrag annehmen und ihm schwere Harnische und Rüstungen, Kettenhemden, Helme und Schilde für die Stadtgarde anfertigen würden - eine Nachricht die Olyvar mit seinen Offizieren und einem Faß Wein gebührend feiert, auch wenn Lystrato, der Münzmeister der Stadt, sich vor Ärger darüber in den Allerwertesten beißen dürfte... schließlich muß er das aus den Schatullen Talyras bezahlen. An einem trüben, nebligen Morgen Ende des Nebelmonds - in der vergangenen Nacht hatte es zum ersten Mal geschneit und nun liegt eine dünne weiße Schicht auf den Dächern, Türmen und Mauern der Stadt wie ein zarter Zuckerguß - wartet nach dem Morgenmahl eine Sänfte aus Rotholz mit dicken blauen Vorhängen und weichen Kissen auf dem Inneren Zwinger der Steinfaust auf Kizumu und die Kinder.

Connavar und Fianryn sind warm in weiche Lammfellsäcke eingepackt und Kizumu trägt über einem Winterkleid aus samtweicher laiginer Wolle einen dicken Winterumhang, ebenso wie er selbst. Diesmal reitet er nicht auf Bayvard, der sich mit anderen Pferden auf den Waldkoppeln im ersten Schnee des Jahres austoben kann, sondern setzt sich zu ihr in die Sänfte - auch wenn er es wenig leiden kann, auf diese Art durchgeschaukelt zu werden, so kann er ihr wenigstens eines der Kinder abnehmen. Für ihre Einkäufe und um jemanden dabei zu haben, der ihr mit den Kindern zur Hand gehen könnte, sollte es nötig werden, kommen Feorna und Mattis mit (die beide im Gegensatz zu Kizumu und Olyvar überhaupt nichts davon halten, Elefanten zu sehen und sich tunlichst von allem, was groß und grau sein würde, fernhalten wollen) und so brechen sie schließlich von der Steinfaust auf, um sich anzusehen, was dieses Jahr die Herbstkarawane an Besonderheiten mitgebracht hatte.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 12. Dez. 2004, 19:14 Uhr
Olyvar ist kaum eine Stunde fort, als Kizumu auch schon nichts mehr mit sich anzufangen weiß. Die Kinder schlafen friedlich in ihren Wiegen vor dem großen Kamin, Feorna hat sich an eine ihrer Stickereien gesetzt und ist, den Kopf konzentriert über ihre Hände und die Arbeit darin wohl für die nächste Stunde nicht mehr ansprechbar. Die Elbin tigert von einem Ende der Halle zum anderen, setzt sich mal hier, mal dort in einen der weichen Stühle nur um nach wenigen Minuten mit einem entnervten Seufzen wieder aufzustehen. Sie langweilt sich, ihre Gedanken kreisen träge umher und sie überlegt fieberhaft, was sie tun könnte bis Olyvar zurückkehrt.
Gerade hat sie sich dazu entschlossen der kleinen Kammer im Innenhof, wo sie ihre Werkstatt einrichten will einen kleinen Besuch abzustatten, als es an der Tür klopft. Kizumu wirft einen raschen Blick zu Feorna hinüber, die jedoch nur mit den Schultern zuckt, die Stickerei beiseite legt und aufsteht, bedeutet ihr dann jedoch sitzen zu bleiben. Eine willkommene Unterbrechung meines elenden Hausfrauen- Daseins. "Herein." Ein junger Blaumantel öffnet die Tür, tritt rasch ein und verneigt sich etwas ungeschickt vor ihr. "Verzeiht Mylady, aber eine Elbin namens Selket wünscht Euch zu sehen, sie wartet im Inneren Zwinger. Darf ich sie heraufführen?" Kizumu runzelt einen Augenblick die Stirn, ehe es ihr dämmert woher sie den Namen Selket kennt. Dann nickt sie, ein erfreutes Lächeln auf den Lippen. "Aber ja, bring sie herauf und lasst sie das nächste Mal nicht in der Kälte warten." Der Mann nickt, verneigt sich noch einmal und schließt dann leise die Tür hinter sich.

Er kehrt auf den Inneren Zwinger zurück, heißt Selket ihm zu folgen und führt sie dann durch die Gänge der Steinfaust zum Westflügel. Dort öffnet er der Elbin beide Eingangstüren und zieht sich dann leise wieder zurück.
Kizumu hat in der Zwischenzeit Feorna losgeschickt etwas heißes zu trinken zu besorgen und kommt der Heilerin nun mit einem Lächeln entgegen. "Euch schickt der Himmel Selket, ich vergehe schier vor Langeweile." Ihr Lächeln wird für einen Augenblick zu einem Verschwörergrinsen und sie deutet der Elbin, ihr an den Kamin und zu den gepolsterten Stühlen zu folgen. Trübes Winterlicht dringt durch die hohen Fenster in die große Halle herein, vermischt sich dort mit dem warmen Schein der Kerzen und dem Flackern des Feuers. Kizumu nimmt Selket ihren Mantel ab, hängt ihn in sicherer Entfernung zum Kamin über eine der hohen Stuhllehnen und wendet sich dann wieder der Elbin zu. Sie spürt den Blick der Heilerin auf sich ruhen und deutet mit einem weichen Lächeln zu den Wiegen hinüber. "Fianryn und Connavar." Sie kann den Stolz nicht ganz aus ihrer Stimme heraushalten und folgt Selket, als diese leise an die Wiegen tritt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Selket am 12. Dez. 2004, 21:49 Uhr
Selket ist sichtlich froh, als der junge Blaumantel sie aus der Kälte hinaus und in die wärmen Räumlichkeiten des westlichen Flügels der Steinfaust führt. Schweigend folgt sie ihm durch die Gänge des festen Bohlwerks bis sie die Räumlichkeit von Kizumu erreicht haben. Lady Kizumu von Tarascon, halt der vollständige Name der Elbe samt Titel durch Selkets Gedanken und die Heilerin ist sich nicht ganz schlüssig darüber wie sie die Frau des Lord Commanders ansprechen soll, wenn sie zu ihr vorgelassen wird.

Der überraschend herzliche und überschwängliche Empfang löst dieses Problem für Selket jedoch sogleich. Und so kann sie nicht umhin, Kizumus offenes Lächeln zu erwidern. Auch der Ernst, der sonst die Züge ihres Gesichts beherrscht, tritt nun etwas zurück und lässt die Elbe so weicher und milder erscheinen, als sie für gewöhnlich auftritt. Sie folgt ihrer Gastgeberin zu den gepolsterten Stühlen hinüber, welche nahe dem Kamin stehen und lässt sich dankbar den praktischen Reisemantel abnehmen. Während Kizumu den Mantel über eine Stuhllehne hängt, betrachtet die Heilerin die jüngere Frau.

Diese spürt den Blick der Heilerin intuitiv und deutet ihn sogleich richtig. Ein schönes Lächeln huscht über ihre Lippen, als sie auf die beiden Wiegen deutet, die ganz in der Nähe stehen und während Selket leichten Schrittes näher an die Wiegen herantritt, stellt sie ihre beiden Kinder mit dem natürlichen, liebevollen Stolz einer Mutter vor. Fianryn und Connavar. Zwillinge. Lächelnd betrachtet Selket die beiden Kinder. Wieder kehrt das eigenartige Wirrwarr der Gefühle zurück, welches die Elbe schon zuvor in Cerua befallen hat. Schweigend blickt sie auf die Zwillinge hinab und wendet das Auge erst von ihnen ab, als sie sicher ist, dass ihr nichts mehr von ihrer inneren Aufruhr anzumerken ist.

Die leichte Eifersucht, die sie während ihrer ersten Begegnung mit der Frau des Lord Commanders verspürte, ist diesmal ausgeblieben. Diesmal sind es vielmehr Freude sowie deutliche Angst, welche die Heilerin empfindet. Schließlich wendet sie sich Kizumu zu. „Zwillinge“, spricht sie leise, fast flüsternd. „Ich kann mir kaum vorstellen, wie glücklich Ihr sein müsst.“ Lächelnd sieht sie die stolze Mutter der Zwillinge an. „Ich gratuliere Euch zu Eurem Glück, Kizumu.“ Langsam geht sie zu den Stühlen zurück und setzt sich nahe dem Kamin. Ihr Blick wandert in die Flammen, als sie fort fährt zu sprechen. „Wie lange ist es her?“, erkundigt sie sich, löst sich vom Anblick des Feuers und sieht ihre Gastgeberin fragend an.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 12. Dez. 2004, 22:32 Uhr
Kizumus Blick ruht auf Selket während diese die Zwillinge betrachtet. Die Elbe wirkt ruhiger und ein wenig gelöster als bei ihrem letzten Zusammentreffen, aber noch immer scheinen ihre Gedanken weit fort zu sein. Sie lächelt als die Heilerin ihr gratuliert und folgt ihr dann zu den weichen Stühlen am Kamin wo sie sich Selket gegenüber setzt. >Wie lange ist es her?<
Einen Augenblick irrt ihr Blick irritiert über das Gesicht ihres Gastes ehe sie begreift was die Elbin meint. "Die Geburt? Zwei Monde." Feorna tritt leise ein, stellt ein kleines Tablett mit einer dickbauchigen Kanne und zwei Teeschalen darauf auf einen der Beistelltische und huscht auch schon wieder in ihre Ecke und zu ihrer Stickarbeit. Kizumu gießt den Tee in die Schalen und reicht Selket eine davon. Der Geruch nach Orange und Zimt steigt mit dem Dampf empor und Kizumu atmet mehrmals tief ein. Einige Herzschläge herrscht Schweigen in der großen Halle und sie beobachtet die Heilerin, die den Blick ein wenig nachdenklich in die Flammen gerichtet hat. "Gibt es einen bestimmten Grund für Euren Besuch?" Sie kann nicht genau den Finger darauf legen, aber etwas am Auftreten der Heilfrau ist seltsam. Selket hebt den Kopf und für einen langen Moment ruhen ihrer beiden Blicke ineinander. Wieder einmal hat Kizumu das Gefühl, dieses Gesicht schonmal irgendwo gesehen zu haben, aber wo will ihr beim besten Willen einfach nicht einfallen. Und sie wäre mir doch in Erinnerung geblieben.. Fianryns leises Jammer lässt sie den Blick von ihrem Gast wenden, doch ehe sie auch nur aus dem Stuhl aufstehen kann, ist Feorna bei der Kleinen, hebt sie aus der Wiege und zieht vielsagend die Nase kraus. "Ich mach das schnell." Das braunhaarige Mädchen gibt leise, tröstende Geräusche von sich, während sie mit dem Säugling auf dem Arm in Richtung Schlafgemach verschwindet. Die Tür fällt leise hinter ihr ins Schloss und Kizumu wendet sich wieder Selket zu.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Selket am 13. Dez. 2004, 09:15 Uhr
Zwei Monde. ... Die Elbe begegnet Kizumus Blick und ist dankbar, als fremde Frau, offenbar eine Bedienstete, den Raum betritt und ein Tablett hereinbringt, auf welchem sie eine Kanne mit dampfendem Tee sowie zwei Tassen balanciert. Einige Minuten des Schweigens setzen ein, während der Selkets Blick wieder in die Flammen gleitet. Einmal erinnert sich die Elbe unwillig an die Nacht des Sommerfestes, bevor ihre Gedanken hastig zu den Problemen des Frostzwerges sowie ihrer gemeinsamen Reise nach Vinnar wandern. Ich will nur noch fort aus Talyra. So weit wie es irgendwie möglich ist.
Dann, völlig unvermittelt, durchbricht Kizumus Stimme die Stille und die Heilerin hebt ihren Kopf. „Einen bestimmten Grund“, echot sie leise, ihre eigene Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Sie schüttelt unwirsch den Kopf und vertreibt alle unnötigen, störenden Gedanken daraus.

Eines der beiden Kinder beginnt in seiner Wiege zu wimmern, aber bevor ihre Gastgeberin aufstehen kann, ist die Bedienstete schon zur Stelle, um sich um das Kind zu kümmern. Das Mädchen verlässt, den Säugling auf dem Arm den raum, und als die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, wendet Kizumu sich wieder der Heilerin zu. Als diese nun zu sprechen beginnt, klingt ihre Stimme sicher und fest. Es ist ihr gelungen, sich von der Welt ihrer Gedanken zu lösen, vorerst. „Ja“, Selket nickt bestätigend, „In der Tat, es gibt einen Grund für meinen Besuch.“ Sie unterbricht sich kurz, um nach passenden Worten zu suchen, dann fährt sie fort.

„Ich muss Talyra für einige Zeit verlassen. Schon morgen Abend werde ich mich an Bord eines Schiffes begeben, welches im Morgengrauen des neuen Tages über den Ildorel übersetzen wird“, erklärt sie schließlich. „Doch noch ist ungewiss, wie lange ich fort sein werde.“ Wieder macht sie eine kleine Pause, um ihre Gedanken zu ordnen. „Dies ist auch der Grund meines Hier seins, denn ich komme mit einer Bitte zu Euch.“ Geradeheraus sieht sie Kizumu an und beobachtet, welche Reaktion ihre Worte bei der Elbe auslösen, doch noch bevor diese etwas sagen kann, spricht sie weiter. „Jemand muss während meiner Abwesenheit ein Auge auf Cerua haben“, erklärt sie schließlich und löst, während sie die Worte ausspricht, einen Lederbeutel von ihrem Gürtel, den sie anschließend lose in der Hand hält.

„Zwar lebe ich nun schon einige Zeit in Talyra, doch mein Bekanntenkreis ist nicht sonderlich groß und um ehrlich zu sein, außer Euch wüsste ich niemandem, dem ich die Schlüssel zu meinem Haus ohne Bedenken überlassen könnte.“ Sie lächelt und muss fast ein wenig lachen, als sie dem Blick der anderen Frau begegnet. „Auch wir kennen uns kaum, aber wem kann man noch vertrauen, wenn nicht der Frau des Lord Commanders?“, fragt sie heiter und zwinkert Kizumu unvermittelt zu. Sie öffnet den Lederbeutel und lässt zwei Schlüssel in ihre Hand fallen.

„Dieser ist für die Apotheke, jener ist für mein Wohnhaus. Ein dritter Schlüssel, welcher das Krankenlager verschließt oder öffnet, befindet sich augenblicklich im Besitz einer jungen Waldelbe namens Yana. Ich habe ihr gestattet das Haus so lange zu bewohnen, bis sie eine eigene Bleibe in der Stadt gefunden hat.“ Selket blickt auf und bemerkt den fragenden Blick ihrer Gastgeberin. „Selbstverständlich könnte ich auch Yana die Schlüssel anvertrauen“, erklärt sie. „Aber sie ist jung. Zudem habe ich sie in den letzten Tagen kaum zu Gesicht bekommen. Ich zweifele nicht an ihrer Aufrichtigkeit, doch bin ich nicht sicher, ob ich ihr die Verantwortung für mein Heim ohne weiteres aufbürden kann, zumal ich, wie schon erwähnt, nicht genau zu sagen vermag, wie lange ich fort sein werde … “

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 16. Dez. 2004, 21:36 Uhr
Je länger Selket mit ihrer Antwort zögert, um so sicherer ist sich Kizumu, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Elbin wirkt nachdenklich; noch nachdenklicher als bei ihrem letzten Treffen. Wenn das überhaupt geht.. Als Selket schließlich spricht, lässt sie Kizumu keine Gelegenheit zu antworten. Sie will fortgehen? Und weiß nicht für wie lange? "Aber.." Kizumu bricht ab und ihr Blick sucht den Selkets. Warum vertraut sie mir so? Sie hat damals gesagt, ich käme ihr ebenfalls bekannt vor.. ob es daran liegt?
"Selket, ich.. also ich fühle mich von Eurem Vertrauen wirklich geehrt und ich werde die Schlüssel für Euer Heim sicher verwahren." Sie ist verwirrt und in ihrem Kopf spuken bereits die irrwitzigsten Vermutungen über den Grund des Fortganges der Elbin herum, aber sie schenkt ihrem Gast ein warmes und ernstgemeintes Lächeln. Jetzt, wo sie scheinbar ihr Anliegen vorgebracht hat wirkt Selket ruhiger, wenn auch nicht weniger nachdenklich. "Ihr sagt, Ihr wisst nicht, für wie lange Ihr Talyra verlassen müsst, gibt es denn Dinge die getan werden müssen? Ich meine falls Ihr nicht vor dem Frühjahr zurückkehrt.." Oder gar nicht mehr? Was soll ich dann tun?Sie spricht ihre Bedenken nicht aus, aber sie ist sich sicher, Selket versteht was sie meint. Einen Augenblick herrscht Schweigen zwischen den beiden Frauen. Kizumu atmet mehrmals tief ein und aus, ehe sie sich erhebt.
"Ihr spracht von einer gewissen Yana, Ihr solltet ihr Bescheid sagen, wo die restlichen Schlüssel sind, nur für den Fall.." Sie lächelt und geht langsam zum Kamin hinüber um noch ein Holzscheit nachzulegen. Feorna betritt leise die Halle, eine frischgewickelte, gutgelaunte Fianryn auf dem Arm und Kizumu eilt ihr einige Schritte entgegen um ihr das Kind abzunehmen. Für einen Moment vergisst sie über das weiche, runde Gesicht ihrer Tochter die Elbin vor ihrem Kamin. Als sie sich schließlich vom Anblick Fianryns losreißt, legt sich eine leise Röte über ihre Wangen. "Verzeiht, ich bin furchtbar unhöflich." Sie kehrt zu ihrem Sessel zurück, setzt sich und ihr Blick findet Selkets. "Ich weiß, es ist ein wenig hm seltsam, wir kennen uns kaum aber.. Nunja, ich mag Euch und falls ihr auf Eurer Reise Hilfe benötigt, dann zögert nicht, Ihr wisst ja wo ich wohne."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Selket am 17. Dez. 2004, 12:42 Uhr
Selket setzt gerade zu einer Antwort auf Kizumus zahlreiche Fragen an, da kehrt die Bedienstete mit dem kleinen Mädchen – Fianryn – auf dem Arm zurück und die glückliche Mutter erhebt sich, um der Frau das Kind abzunehmen. Sie betrachtet das Mädchen lebevoll und als sie sich Selket wieder zuwendet, entschuldigt sie sich ein wenig verlegen. Die Heilerin winkt jedoch ab. „Nein, Ihr seit nicht unhöflich“, erwidert sie mit einem Lächeln auf den Lippen. „Nur eine Mutter, die sich um ihr Kind kümmert.“ Sie betrachtet Kizumu und faltet nun doch unbewusst die Hände über dem Bauch. Für sie sind es mittlerweile vier Monde, fasst fünf, doch noch lässt sich ihr Geheimnis ohne größere Schwierigkeiten vor den Augen anderer verbergen.

Wieder wirkt sie sonderbar nachdenklich. Kizumus Worte lassen zum ersten Mal echte Zweifel in ihr aufkommen. »Ihr sagt, Ihr wisst nicht, für wie lange Ihr Talyra verlassen müsst, gibt es denn Dinge die getan werden müssen? Ich meine falls Ihr nicht vor dem Frühjahr zurückkehrt…« Ja, wie lange wird es dauern? Mir bleibt gar keine andere Wahl, ich muss nach Talyra zurückkehren, auch wenn ich es nicht will. Und länger als bis zum Frühjahr darf ich damit keinesfalls warten. Schließlich blickt sie ihre Gastgeberin gerade heraus an.

„Ich denke länger als ein oder zwei Monde werde ich nicht fort sein. Wenn Ihr während meiner Abwesenheit hin und wieder in Cerua vorbeischaut, dürfte dies genügen. Oder schickt jemanden, dem Ihr vertraut. Ansonsten könnt Ihr den Park sich selbst überlassen. Mit Yana werde ich sprechen und Ihr sagen, dass sie sich an Euch wenden soll, falls irgendetwas ist. Ihr werdet Euch gewiss gut mit ihr verstehen.“ Freundlich lächelt die Elbe Kizumu an. Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Ich danke Euch für Euer Angebot, doch hoffe ich sehr, nicht darauf zurückkommen zu müssen. Ihr habt durch mich auch so schon genug Unannehmlichkeiten.“

Bei diesen Worten wirkt die Heilerin etwas verlegen, schließlich erhebt sie sich langsam. „Langsam sollte ich mich auf den Rückweg begeben, ich habe ohnehin schon genug Eurer Zeit gestohlen.“ Bedacht rückt sie kurz ihre relativ weiten Gewänder zurecht, um sich eher unbewusst nochmals zu vergewissern, dass ihr Geheimnis sicher ist, dabei plagt sie abermals so etwas wie ein schlechtes Gewissen, welches sie jedoch gleich darauf unwirsch beiseite schiebt. Auch ihre übrigen Sorgen behält sie für sich, sie vertraut Kizumu, auch wenn ihr selbst noch nicht ganz klar ist, weshalb dies eigentlich so ist, aber noch ist sie nicht bereit sich irgendjemandem anzuvertrauen. „Ich danke Euch, Kizumu“, erklärt sie schließlich.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 18. Dez. 2004, 16:11 Uhr
Sie beobachtet Selket über Fianryn hinweg sehr genau. Ihr entgehen die über ihrem Bauch gefalteten Hände der Elbin nicht und ein winziges, kaum wahrnehmbares Lächeln schleicht in ihre Mundwinkel. Kizumu kennt diese Geste und der Verdacht der sich in ihr regt lässt ihre Augen für einen Moment leuchten. Was gäbe ich jetzt für Morganas Fähigkeiten.. Sie schlägt die Augen nieder um zu vermeiden, dass Selket etwas von ihren Vermutungen errät und schilt sich ob ihrer Neugier.
"Oh. Nein, Ihr macht mir keine Unannehmlichkeiten. Durch Euch habe ich doch einen Grund mehr, die Steinfaust einmal zu verlassen. Ich komme im Moment nur selten hinaus." Ihre Stimme wird für einen Herzschlag leise, doch dann fällt ihr Blick auf den Säugling in ihrem Arm und das Lächeln findet seinen Weg zurück in ihr Gesicht. "Macht Euch darum bitte keine Gedanken. Ich freue mich, Euch helfen zu können und ich hoffe, Eure Reise verläuft ohne große Probleme." Selket erhebt sich und ihre Worte lassen Kizumu lächeln. Die Elbin zupft an ihrem weiten Gewand, rückt es zurecht und festigt mit dieser Handlung den Verdacht Kizumus. "Ihr habt mir keine Zeit gestohlen, wirklich nicht." Einen Augenblick stehen sich die beiden Frauen schweigend gegenüber, das einzige Geräusch, das den Raum füllt ist das leise Knistern des Feuers im Kamin. Kizumu bricht die Stille mit einem leisen Schnauben, schiebt alle neugierigen Gedanken beiseite und macht den kleinen Schritt auf ihren Gast zu. Sie umarmt Selket mit Fianryn auf dem Arm und ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. "Den Segen der Götter auf Eurem Weg, Selket, für Euch und das Kind." Kizumu spürt, wie Selket sich versteift, kann jedoch nicht sagen, ob es wegen der Umarmung oder ihren Worten geschieht. Sie tritt rasch einen Schritt zurück, rückt Fianryn auf ihrem Arm zurecht und ein wenig scheues Lächeln schleicht über ihr Gesicht.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Selket am 18. Dez. 2004, 17:36 Uhr
Kizumus Umarmung kommt für die immer eher zurückhaltende Heilerin vollkommen unerwartet. Die geflüsterten Worte treffen sie gänzlich unvorbereitet. Mehr reflexartig als bewusst, versteift sich ihr Körper ein wenig. Der leise Abschiedsgruß löst so etwas wie Endgültigkeit in Selket aus. Das Kind. Die Heilerin hat nicht mit der scharfen Beobachtungsgabe ihrer Gastgeberin gerechnet. Verlegen löst sich die Heilerin aus der leichten Umarmung und lächelt schwach. Kizumu hat selbst gerade erst erlebt, was sie nun erfahren darf. Nur zu vertraut sind ihr die verborgenen Zeichen, die sonst so leicht übersehen werden.

„Ich, danke Euch, Kizumu“, erwidert sie schließlich freundlich. Abermals lächelt sie und dieses Mal wirkt sie irgendwie erleichtert, geradeso als wäre eine schwere Last von ihren Schultern genommen worden. Das Wissen um das Kind mit jemandem zu teilen, hat etwas beruhigendes und tröstliches an sich. Und mit wem sonst könnte sie es teilen? Mit dem Vater  des ungeborenen Lebens? Nein, niemals … Allein der Gedanke versetzt Selket in unerträgliche Sorge und Angst, denn er lockt die schlimmsten Erinnerungen und Erfahrungen ihres Lebens zurück ans Licht, welche seit langer Zeit tief und fest in ihrer Seele verankert sind.

„Ich glaube, es war gut, dass ich zu Euch gekommen bin …“ Sie nickt der Elbe und ihrer Tochter freundlich zu. Sie zögert etwas, bevor sie fort fährt zu sprechen. „Manchmal frisst einen das Schweigen in der Einsamkeit auf“, murmelt sie nachdenklich. Dann lacht sie unvermittelt hell auf. „Früher wäre ich voller Stolz zu meiner Mutter gelaufen, um mich ihr anzuvertrauen und ihren Rat einzuholen." Ihre eben noch heitere Stimme nimmt mit einem Mal einen sehr bitteren Tonfall an. "Aber heute? Heute ist das aus so vielen Gründen vollkommen unmöglich geworden.“ Sie blickt nachdenklich auf Finaryn herab. „Doch ich frage mich, was nützt ein Geheimnis, wenn man es mit niemandem teilen kann?“ … und darf!, flüstert die warnende Stimme in ihrem Kopf. Vergiss das nicht, IHM darfst du nichts sagen … niemals!

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 19. Dez. 2004, 14:35 Uhr
Sie atmtet beinahe erleichtert auf. Die Elbin hatte ins Blaue hineingeraten, sich auf die winzigen Hinweise verlassen und Recht behalten. Zum Glück, das wäre peinlich geworden.. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen, verschwindet aber bei Selkets weiteren Worten sofort.
Die Elbin spricht von Einsamkeit und dem Schweigen das in dieser Einsamkeit oft allgegenwärtig zu sein scheint und aus ihrer Stimme klingt die Sehnsucht so stark heraus, dass Kizumu ein eisiger Schauer über den Körper kriecht. Sie kennt dieses Gefühl von früher, aber so wie sie sich an die Einsamkeit erinnert, erinnert sie sich auch daran, wie es sich anfühlt, wenn man plötzlich feststellt, dass diese Einsamkeit fort ist. Nicht mehr allein..
>Doch ich frage mich, was nützt ein Geheimnis, wenn man es mit niemandem teilen kann?< "Nichts, es ist eine Last." Ihre Worte sind leise, doch dann schleicht ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht. "Aber jetzt habt Ihr jemanden, mit dem Ihr zumindest dieses Geheimnis teilen könnt." Einem plötzlichen Gedanken folgend tritt sie wieder näher zu Selket und hält der Elbin ihr Kind entgegen. Kizumu lächelt aufmunternd und als Selket ihr den Säugling aus dem Arm nimmt, wird ihr Lächeln strahlend. Die Elbin hält das Kind sicher und Kizumu ahnt, dass Fianryn nicht der erste Säugling ist, den ihr Gast auf dem Arm hält. Sie beobachtet die beiden mit einem weichen Lächeln.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Selket am 19. Dez. 2004, 17:32 Uhr
Die freundlichen Worte ihrer Gastgeberin lassen Selket lächeln und als ihr Kizumu schließlich auch noch Finaryn reicht, nimmt sie die Kleine behutsam auf den Arm. Sie blickt auf den winzigen Säugling hinab und ihr Lächeln wirkt dabei wich und strahlend. Das Gefühl, welches sie immer überkommt, wenn sie das Glück hat, solch ein junges Leben zu halten, ist jedes Mal etwas Besonderes und unglaublich schön. Solche Augenblicke gehören für die Heilerin den Schönsten ihrer Erinnerungen und sie ist dankbar, dass sie schon einige Male helfen durfte, ein neues Leben auf die Welt zu bringen.

Während sie Finaryn auf dem Arm hat und betrachtet, fragt sich die Elbe mit einem Mal wie es sich anfühlen mag, ein eigenes Kind so zu halten. Wie mag es sein? Genauso schön? Schöner? Oder vollkommen anders? Einen Moment lang schaut sie den winzigen Säugling nachdenklich an, dann hebt sie den Kopf und schaut nun die Mutter des Kindes an. „Sie ist wunderschön“, erklärt sie leise, dann streckt sie die Arme aus und legt Kizumu, das Kind wieder in die Arme, ohne jedoch den Blick von Finaryn zu heben. Wie wird mein Kind aussehen?, fragt sie sich, während ihr die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter auffällt. Aber ebenso sind auch Unterschiede zu erkennen, welche daran erinnern, dass nicht nur das Blut einer Mutter, sondern immer auch dass eines Vaters in den Adern eines Kindes fließt.  

Dein Kind, flüstert eine sachte Stimme in ihrem Kopf. Fragst du dich wirklich wie es aussehen wird? Nein, nicht wahr? Du fragst dich vielmehr WEM es ÄHNLICH sehen wird, welches Erbe stärker ist. … Fast ein wenig gehässig hallen die Worte in ihrem Kopf wieder. Unwirsch versucht Selket sie abzuschütteln, bevor sie beinahe abrupt erklärt. „Nun sollte ich aber wirklich gehen.“ Bei diesen Worten wandert ihr Blick hinüber zu einem der Fenster. Der Nachmittag neigt sich schon ganz allmählich seinem Ende zu, man spürt, dass der Winter Einzug gehalten hat, denn die Tage werden von Mal zu Mal kürzer, so dass es immer eher dunkel wird. „Mögen die Götter Euch und Eure Kinder ebenso behüten“, verabschiedet sich die Heilerin schließlich leise, um sich zum Gehen zu wenden.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 19. Dez. 2004, 18:58 Uhr
Fianryn wedelt mit den winzigen Händen, als Selket sie wieder ihrer Mutter zurückgibt und beide Frauen lächeln. Kizumus Blick folgt Selkets zu einem der hoch gelegenen Fenstern, durch welche die Dämmerung hereindringt. "Ja, die Tage sind kurz, aber sie sind zumindest länger als die Wintertage meiner Heimat.." Der Blick der Elbin wandert über die hellen Wände der Halle, über Felle und Teppiche und die Flammen der Kerzen zurück zu ihrem Gast. Wann kehrt Olyvar zurück? Die leise Befürchtung, er könnte über Nacht auf dem Hof außerhalb Talyras bleiben, weil die Dämmerung ihn überrascht hat, macht sich in ihr breit und sie schüttelt den Kopf über das klamme Gefühl in ihrem Bauch.
Auch Selket wirkt nachdenklich, ihr Blick ist nach innen gerichtet. "Ihr seid willkommen, scheut Euch nicht, vorbei zu kommen, wenn ihr nach Talyra zurückkehrt. Passt gut auf Euch auf." Ihre Worte scheinen Selket aus ihren Gedanken zu reißen, doch sie wirkt wesentlich ruhiger als bei ihrer Ankunft. Die beiden Frauen blicken sich einen kurzen Augenblick unschlüssig an, dann tritt Kizumu wieder zu Selket und umarmt sie leicht. " Ayares isdiores ti, Selket." Sie tauschen ein Lächeln und Feorna überreicht der Elbin ihren warmen Mantel mit einem Knicks.

Nachdem Selket gegangen ist, herrscht wieder Stille in der großen Halle und Kizumu nimmt mit Fianryn, die partout nicht wieder einschlafen will auf dem Arm ihr herumtigern wieder auf. Irgendwann erscheint Mattis mit dem Abendessen, welches sie zu dritt einnehmen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 22. Dez. 2004, 23:04 Uhr
Als Olyvar in die Steinfaust zurückkehrt, ist es bereits Nacht. Die Feuer und Pechfackeln auf den Straßen und in den Gassen Talyras brennen hell, doch es ist klirrend kalt und der samtschwarze Himmel ist von einem Meer silberner Sterne überzogen, die mit eisigem Feuer auf sie herabsehen. Er war nicht mehr am Haus der Bücher vorbeigeritten, wo er zu solch später Stunde nicht mehr stören will, aber als er auf den Äußeren Zwinger einreitet, hört er bereits von den Wachen, daß Aurian noch immer verschwunden ist. Obwohl jeder einzelne Blaumantel die Augen und Ohren nach ihr offen hält, hatte man weder etwas über ihren Verbleib herausgefunden, noch irgendwelche Gerüchte gehört - und Cleyron, der Vampir, hat ein paar Tage dienstfrei, und ist ebenfalls nicht gesehen worden. Olyvar übergibt Bayvard dem Pferdeknecht und nickt nur - die Berichte würde er sich morgen früh ansehen, ebenso, wie er mit Rhordri sprechen und ein paar Suchtrupps zusammenstellen will. Aurian ist Botenmädchen der Steinfaust und angehende Magierin. Sie gehört zur Stadtgarde. Keiner meiner Leute verschwindet einfach so im Nichts. Er winkt eine der Bergfried-Wachen zu sich. "Seht zu, daß ihr Varin auftreibt. Wo ist mir egal und wenn ihr ihn von einem von Dancys Pfirsichen herunterholt: er steht morgen bei Sonnenaufgang vor mir oder ich lasse ihn suchen. Bringt mir Cleyron und Cedric - ich will jeden sehen, der mit Aurian zu tun hatte oder sie in den letzten Tagen vor ihrem Verschwinden gesehen hat. Und laßt Tallards Anwesen Tag und Nacht überwachen."

Als er in die Große Halle des Westflügels kommt, ist dort alles still und dunkel - bis auf eine Kerze, die auf dem langen Tisch brennt und rote Glut in beiden Kaminen. Er legt seinen Umhang ab und schlüpft aus den Stiefeln, ein Lächeln auf dem Gesicht - er weiß, Kiz hat die Kerze für ihn angezündet, wie sie es früher immer getan hat, wenn er erst spät in der Nacht zu ihrem Haus gekommen war. Sie hat immer eine Kerze ins Fenster gestellt. Jetzt scheint sie bereits im Bett zu sein - nur Grau tappt leise wuffend, aber dafür umso energischer wedelnd aus der Dunkelheit heran, streckt und dehnt sich, und streicht ihm dann um die Beine. "Du bist ein Hund, kein Kater," grinst er, doch er krault den - inzwischen beeindruckend großen - Wolfshund hinter den Ohren, bis er Ruhe gibt. Dann legt er Holz nach und erweckt das Feuer im Großen Kamin an der Stirnseite der Halle so zu neuem Leben, und geht anschließend mit leisen Schritten an den kleinen Kamin an der Längsseite, um auch dort nachzuschüren. Als das Feuer wieder brennt und er sich umdreht, sieht er Kiz in einem der runden, elbischen Sessel schlafen, zusammengerollt wie eine Katze, die Knie dicht angezogen. Sie trägt nur ein Nachtgewand aus dünnem Seidenmusselin, und die Decke, in die sie sich gekuschelt hatte, ist über ihre Füße nach unten gerutscht. Sie hat die Augen geschlossen und auf den ersten Blick könnte man glauben, sie schlafe wirklich wie ein Mensch. Ihr Haar ist lang geworden im vergangenen Jahr und fällt jetzt in weichen Locken über ihre Schultern und die Kissen, im flackernden Feuerschein eine Flut aus Kupfer, Karmesin, Burgund und Zinnober.

Er streckt lächelnd die Hand aus, deckt sie wieder zu und berührt dann ihre Wange. Sie murmelt seinen Namen, erwacht aber nicht wirklich. Eine Weile sieht er nur auf sie hinunter, sieht ihr zu, wie sie ruht, läßt die brennende Zärtlichkeit in seinem Inneren wachsen und sich ausdehnen - und balanciert dabei am Rand des Verlangens entlang, so heftig, daß es schmerzt. Die zwei Monde Enthaltsamkeit nach der Geburt, die Loba ihnen verordnet hatte, sind bis auf ein paar Tage vorüber... und die würde er auch noch überleben. Sie hatten sich beide daran gehalten und er würde sie um nichts in der Welt bedrängen. Die Geburt der Zwillinge war so schwer gewesen und Kizumu hatte so gelitten, daß es ihn nicht verwundert hätte, hätte sie ihn für alle Zeit zum Dunklen gewünscht und ihn nicht einmal mehr auch nur in die Nähe ihres Bettes gelassen - doch sie hatte es nicht getan, im Gegenteil. Und auch, wenn sie enthaltsam gewesen waren, sie hatten sich nicht gemieden. Es hatte Berührungen gegeben. Berührungen, Blicke und Worte, und er hatte sie jede Nacht im Arm gehalten auch wenn ihn das an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Sie überhaupt nicht zu berühren wäre noch unerträglicher gewesen. Ja, aber das ist nicht genug. Es ist nie genug. "Jedesmal wenn ich dich berühre, muß ich alles von dir haben. Und auch, wenn ich alles von dir habe, will ich noch mehr. Hört das je auf?" Er läßt sich neben ihr in die Hocke sinken und beobachtet ihr Gesicht. In ihrem Mundwinkeln liegt der Schatten eines Lächelns, doch ob sie ihn gehört und verstanden hat oder einfach in ihrer Trance lächelt, kann er nicht sagen. Eigentlich will er sie nur hochheben, um sie ins Bett zu tragen, doch als er sich vorbeugt, nimmt er ihr Gesicht in beide Hände und küßt sie, noch ehe er überhaupt merkt, was er tut. Atemlos, endlos, samtig und weich, sanft, köstlich zart und süß wie schmelzender Honig auf der Zunge.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 28. Dez. 2004, 22:52 Uhr
Elben träumen nicht. Sie weiß zwar, dass sie in keiner tiefen Trance ruht, aber die Wärme und das Licht die mit einem Mal die Dunkelheit durchdringen, kommt ihr beinahe vor wie ein Traum. Sie ruht gerade so tief, um die Geräusche, die Olyvar beim aufschüren des Feuers verursacht nicht zu hören aber seine Berührung lässt sie in ihrer Trance lächeln. >Hört das je auf?< Einen Herzschlag lang ist in der großen Halle nur das Knistern des Feuers und ihrer beiden Atem zu hören, ehe seine Lippen auf den ihren sie ein Stück in die wache Welt zurück holen. "Hm.. Ich hoffe nicht." Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Seufzen in der Weite der Halle. Olyvar atmet scharf ein, als er begreift, dass sie wach ist und will sich von ihr lösen, doch ihre Arme um seinen Nacken hindern ihn daran, zurückzuweichen. "Nein." Wieder nur ein Wispern; es perlt an ihrer Haut ab, jagt ihr kleine Schauer über den Körper und entfacht ein warmes Feuer in ihrer Mitte. Ihre Lippen finden die seinen und es dauert einen Augenblick, ehe Olyvar die Kraft findet, sich von ihr zu lösen. "Nein, das..Kiz..." Sie erstickt seinen Protest mit einem weiteren Kuss, schmiegt sich an ihn und spürt seinen Widerstand schwinden.
Der Stoff ihres Nachthemdes ist hauchdünn und sie spürt die Kälte die noch aus seinen Kleidern aufsteigt auf ihrer Haut. Ohne den Kuss zu unterbrechen schiebt sie ihn ein kleines Stück von sich fort und beginnt damit, die Verschlüsse seiner Kleidung zu öffnen. Er versucht noch einmal, sie von sich zu schieben, die letzten Reste seines Widerstands zusammenzukratzen, doch die Elbin lässt ihm keine Chance. Sie schlingt die nackten Beine um seinen Leib, zieht ihn so noch ein Stück näher an sich und schafft es, ihm das Hemd abzustreifen. Stiefel und Hose folgen, werden nur durch pures Glück davor bewahrt im Kamin in Flammen aufzugehen
Zwischen ihnen ist kein Platz mehr für klare und vernünftige Gedanken, was zählt sind seine Lippen auf ihren, seine Wärme und seine Hände auf ihrem Körper. Er hatte sie zwar in den letzten zwei Monden jede Nacht im Arm gehalten, aber es war einfach nicht dasselbe. Als er sie jetzt hochhebt und der Seidenmusselin ihres Nachthemdes unter seinen tastenden Händen nachgibt und mit einem leisen Seufzen zerreißt, versinkt die Welt um sie herum in Dunkelheit und allein seine Umarmung vermag die Finsternis um sie her aufzuheben.

Die Feuer im Kamin sind wieder heruntergebrannt und um die klein gewordene Kerze hat sich ein kleiner Wachssee gebildet, als sie schließlich schwer atmend und noch immer festumschlungen zur Ruhe kommen. Er küsst sie auf die schweißnasse Stirn und sie legt ihren Kopf erschöpft in seine Schulter. Ihr Schweigen füllt die Halle, doch sie genießen beide die Stille. Als Olyvar schließlich tief Luft holt ahnt Kizumu dass er sich bereits die Worte für eine Standpauke ob ihrer Ungeduld zurechtgelegt hat, aber noch ehe er etwas sagen kann, hebt sie den Kopf und verschließt seinen Mund mit einem Kuss. Seine tastenden, warmen Hände entlocken ihr ein Grinsen.

Er zieht eines der Felle über sie beide, die Elbin rückt noch ein Stück näher und bettet ihren Kopf erneut auf seine Schulter. Wieder einmal stellt sielächelnd fest, das diese Stelle wie für sie geformt scheint. Es ist kühl geworden in der Halle, doch sie beide strahlen genug Wärme aus um sie nicht frieren zu lassen. "Ich liebe dich, Olyvar." Ein Lächeln liegt auf ihren Lippen, doch dann übermannt sie die Müdgkeit und sie sinkt, nach einem letzten Kuss auf seine Schulter, in ihre Trance.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 17. Jan. 2005, 22:26 Uhr
Die Kinder liegen friedlich schlafend in ihren Wiegen vor dem großen Kamin und bis auf das Knistern der brennenden Holzscheite ist nichts in der großen Halle zu hören. Kizumu sitzt in einem der hohen Lehnstühle, ihr Blick ist auf ihre Hände gerichtet, in denen sie eine kleine, halbfertige Puppe aus weichem Leder hält. Sie hatte damit begonnen, weiches Kaninchenfell auf den Körper der Puppe zu nähen, doch sie ist noch nicht weit gekommen; erst ein Bein ist mit dem weiß- schwarzem Pelz verziert. Ihre Gedanken sind im Hafenviertel.
Mattis war am späten Nachmittag in den Westflügel gehetzt und hatte ihr kurz berichtet, dass Olyvar mit einer Hundertschaft seiner Männer zur Schmugglerjagd aufgebrochen ist und war dann wieder davon geeilt. Kizumu hatte mit sich selbst ringen müssen, nicht in ihr Schlafgemach zu eilen; wo ihre Waffen sicher und sorgfältig aufbewahrt sind; und ihrem Mann in dieses kleine Abenteuer zu folgen. Doch das Jammern Fianryns hatte jeden Gedanken an ein wenig Abwechslung und Aufregung vertrieben und sie war seufzend ihren Mutterpflichten gefolgt.
Feorna sitzt ihr gegenüber, völlig in ihre Stickarbeit versunken, nur ab und zu schweift ein rascher Blick zu den beiden Wiegen hinüber. Als die Elbin schließlich aufblickt, fängt sie einen dieser kurzen Blicke auf und ein weiches Lächeln schleicht über Kizumus Gesicht. Sie hatten mit Feorna wirklich einen Glücksgriff getan; die Magd ist fleißig, freundlich und so wie es scheint, völlig in die Zwillinge vernarrt. Ich hoffe, sie bleibt uns noch eine ganze Weile erhalten.. Als hätte sie Kizumus Gedankengang erahnt, hebt das Mädchen den Kopf und lächelt die Elbin zufrieden an.

Der Abend senkt sich über Talyra und Kizumu hilft Feorna beim Entzünden weiterer Kerzen und warmes Licht verbreitet sich in der großen Halle. Grau; der mittlerweile seine volle Höhe erreicht hat, beobachtet sie von seinem Platz dicht vor dem Kamin und wedelt sacht mit dem Schwanz, als die Elbin zu ihm tritt und ihm über den wuchtigen Schädel streicht. Er versucht mit seiner Zunge über ihre Hand zu lecken und als sie ihm den Fang zuhält, rollt er sich auf den Rücken und streckt die langen Beine in die Luft. Sie lacht und krault den dargebotenen Bauch.
Ein lautes Klopfen durchbricht die Stille in der Halle und Kizumu runzelt die Stirn und für einen winzigen Moment gerät ihr Herzschlag ins Stolpern.  Und jetzt kommt jemand und sagt dir, dass du Witwe geworden bist... Die Elbin schiebt diesen Gedanken mit einem unwilligen Schnauben beiseite, schüttelt den Kopf und versucht ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. "Herein." Die Tür öffnet sich und Cedric Fitzroy streckt mit einem kleinen Grinsen den Kopf durch den Türspalt.

"Mylady, ich glaube ich habe hier eine kleine Überaschung für Euch." Die Tür öffnet sich ganz und Kizumu stockt der Atem, als sie die Person die hinter dem Blaumantel eintritt, erkennt. Für einen irrwitzigen Moment hat sie das Gefühl in einen Spiegel zu blicken und ihre Augen werden groß. "Sefra.." Der Name ihrer Schwester kommt nur leise über ihre Lippen, nicht mehr als ein Flüstern, doch er scheint ihnen beiden einen Schlag zu versetzen. Grau erhebt sich und macht witternd einen Schritt auf die Neuankömmlinge zu, doch er bleibt abrupt stehen, als Kizumu plötzlich losstürmt.
Mit wenigen, langen Schritten ist sie an der Tür angelangt und fällt ihrer Schwester stürmisch um den Hals. Im Hals der Elbin klemmt ein riesiger Kloß, der ihr die Luft zum Atmen nimmt und ihr die Tränen in die Augen treibt.
"Oh bei allen Göttern, Sefra.. was tust du denn hier?" Mit diesen Worten tritt Kizumu einen winzigen Schritt zurück und schaut Sefra aufmerksam und fragend ins Gesicht. Ihre Hände ruhen auf den Oberarmen ihrer Schwester; sie kann sie einfach nicht loslassen. Die Angst, sie könne sich genauso plötzlich wie sie aufgetaucht war, wieder in Luft auflösen, lässt ihren Herzschlag stocken.  
Wie lange hatten sie sich jetzt nicht gesehen? Wie war es Sefra auf ihrer Reise nach Talyra ergangen, wie hatte sie hierher gefunden und was hatte die familienliebende Elbin dazu gebracht, den Berg und ihre Eltern zu verlassen? "Oh.. ist etwas mit Mutter oder Vater?" Zum zweiten Mal binnen weniger Minuten spürt sie die kalte Faust der Angst sich um ihren Magen schließen. Sie war nicht einvernehmlich von ihren Eltern fortgegangen und sie hatte sich in all den Jahren nicht einmal mit ihnen in Verbindung gesetzt und doch hatten die Jahre der Trennung der Liebe zu ihrer Familie nichts anhaben können. Kizumu hat die Augen, in denen die Tränen erneut aufsteigen, weit aufgerissen und atmet laut aus, als ihre Schwester wortlos den Kopf schüttelt.

Während die beiden Schwestern einander ansehen, Erinnerungen mit dem was ihre Augen jetzt sehen vergleichen und die Veränderungen bei der jeweils anderen feststellen, winkt Cedric die Magd zu sich und die beiden verlassen die Halle. Der Blaumantel schließt die Tür sehr leise, doch das Geräusch der sich schließenden Tür weckt eines der Kinder.
Sefras Augen werden groß und ihr fragender Blick entlockt Kizumu ein mehr als breites Grinsen. Sie greift nach der Hand ihrer Schwester und zieht sie zum Kamin hinüber, wo Connavar die winzigen Arme und Beine in die Luft reckt und mit leisen Unmutslauten auf sich aufmerksam macht. Kizumu hebt ihren Sohn aus der Wiege und als sie zu Sefra aufblickt, leuchten ihre Augen vor Stolz und Freude. "Connavar und Fianryn, dein Neffe und deine Nichte."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Sefra am 18. Jan. 2005, 02:03 Uhr
Die Tür schwenkt ganz auf, nachdem der Blaurock mit einem gespannten Grinsen eine Überraschung angekündigt hat, und gibt freie Sicht auf eine große Halle mit einer hohen Decke, die gut mit warmen Kerzenlicht beleuchtet ist. Die Elbin tritt in den Raum ein und hat gar keine Zeit, sich umzuschauen und zu staunen. Sie blickt geradewegs in das Antlitz ihrer Schwester, das dem ihren so sehr gleicht, als wären sie Zwillinge, und nur nahestehende Personen sie beide auseinander halten können. Etwas unsicher lächelnd zögert Sefra zuerst, als sie Shunjalinn so anschaut. Das Herz der Elbin schlägt ihr bis zum Hals in diesem Moment. Lange hat sie diesen Moment herbeigesehnt und nun ist er gekommen. Kaum kann sie einen Gedanken fassen, als dann ihre Schwester auch schon im nächsten Augenblick unterwegs ist, um sie stürmisch zu begrüßen. Eng drückt sie ihre Schwester an sich und will sie ebenso kaum loslassen, so dass es eine Weile dauert, bis sie sich voneinander lösen. Tränen sammeln sich unter den geschlossenen Augenlidern und rennen hemmungslos die vor Aufregung heissen Wangen herab, als sie die jung anmutende Frau vor sich wieder ansieht. Shunjalinn! Es tut so gut, Dich zu sehen, Sylla!

Der Kloß, der sich ebenfalls auch in ihrem Hals festgesetzt hat, macht es ihr einfach unmöglich zu antworten. Sie lächelt nur entschuldigend und beisst sich auf die Unterlippe, während sie kopfschüttelnd um ihre Fassung ringt. Sie hat es endlich geschafft. Ein Zwölfmond ist nun für eine Elbin, die ewig lebt, nicht von nennenswerter Länge, doch für Sefra ist es ein zweischneidiges Schwert. Sie musste ihre Familie verlassen um nach ihrer Schwester zu suchen, die sie lange nicht gesehen hatte. Als sich Kizumu nach ihren Eltern erkundigt, etwas schlimmes vermutet, kann sie nur erneut den Kopf schütteln und hält sich die Hand vor den Mund um aufkommendes Schluchzen zu ersticken. Einige Augenblicke braucht sie um tief durchzuatmen und ihre Selbstbeherrschung wiederzuerlangen, ehe sie ihre Worte wiederfindet: "Zu Hause ... ist alles in Ordnung ... Ich musste ... wollte Dich nur einfach sehen." Ihre Stimme schwankt etwas, was sie mit einem Lächeln wieder wett machen will. Jetzt ist kaum die Zeit über ernste Dinge zu sprechen, ersteinmal will sie diesen Moment des Wiedersehens auskosten und genießen.

Ein leises protestierendes Quäken ist zu vernehmen, das Sefra nur zu bekannt vorkommt. Die Augen der Elbin weiten sich, als sie begreift, was das dieses Geräusch bedeutet. Groß und fragend blickt sie ihre Schwester an, denn schliesslich hatten alle, einschließlich ihr, nur gegenteiliges in Erinnerung. "Was ...?", doch Kizumu lässt ihr keine Zeit, ihre Frage zuende zu stellen, sondern zieht sie zum Kamin hin, an dem zwei Wiegen stehen.
Erstaunt und verwundert blickt sie auf die beiden Kinder herab, wovon eines herausgehoben wird und das andere friedlich schlummernd in seinem Bettchen liegt. Sie schluckt, als die beiden Winzlinge ihr als ihr Neffe und ihre Nichte vorgestellt werden: "Connavar und Fianryn ...", flüstert sie nur leise und blickt den Kleinen in Kizumus Arm bewundernd an, während sie staunend eine Hand ausstreckt und die winzigen Fingerchen berührt, die sich im Greifreflex um Sefras Finger schließen. Entzückt hebt die Elbin den Blick zu ihrer Schwester hinauf und spürt wieder Tränen aufsteigen.
"Das ist ... ja wundervoll, Sylla ..." Ihre Stimme ist noch immer nur ein Hauchen, da sie sich zu mehr nicht imstande fühlt und auch die Befürchtung hat, die Kleine in ihrer Wiege zu wecken, der sie sich nun auch zuwendet und mit federleichten Berührungen über den zarten Flaum streicht. "Bei den Göttern Shunjalinn ... ich hatte gedacht, dass Du nie ...", sie verstummt und presst beide Lippen aufeinander, da sie weiss, dass sie es nicht aussprechen muss. Ihre Schwester würde auch so wissen, was sie meint und selbst nur dieser Ansatz es zu erwähnen war eigentlich überflüssig.
Sefra lächelt liebevoll, als sie Connavar wieder anschaut. Er hat sich wieder beruhigt, nachdem ihn seine Mutter aus der Wiege genommen und ihn ein wenig im Arm gewogen hat. Der Blick der Elbin wird bittend, den sie auf ihre Schwester richtet: "Darf ich ihn mal halten ...?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 08. Feb. 2005, 14:03 Uhr
Sefra reagiert mit angemessenem Staunen auf die Zwillinge, was Kizumu ein seliges Lächeln entlockt. Ihre Schwester hatte sie früher oft getröstet, wenn der Kummer über ihre Kinderlosigkeit zu groß geworden war um ihn alleine zu ertragen. "Was meinst du, wie überrascht ich war.." Sie flüstert nur, lächelt auf ihren Sohn herunter und reicht ihn dann an seine Tante weiter. Connavars Haar steht in winzigen Locken und Kringeln von seinem Kopf ab und er schaut mit großen, babyblauen Augen zu Sefra auf. "Ich habe es gar nicht wahrhaben wollen, als eine Freundin es Olyvar und mir erzählt hat, ich hab es nicht bemerkt.." Sie zieht die Augenbrauen in die Höhe und grinst verschmitzt, ehe ihre Miene wieder weich wird. Sefra hält den Säugling sicher und beinahe routiniert und tausend Fragen huschen durch Kizumus Gedanken, doch sie schweigt und verliert sich für einen Moment in der Betrachtung ihrer Schwester. Sie hatte sich kaum verändert; ihr Gesicht ist vielleicht ein wenig weicher geworden und jetzt wo sie ihren Neffen im Arm hält strahlen ihre Augen eine Wärme aus, die Kizumu einen wohligen Schauer über den Körper jagt. Die Elbin macht einen kleinen Schritt auf ihre Schwester zu und beugt sich ein wenig über ihren Sohn. Conn bricht in sein hinreißendes, zahnloses Grinsen aus, was beiden Frauen ein Lächeln entlockt.
Erst jetzt fallen ihr Sefras gerötete Wangen und der dicke Wollumhang den ihre Schwester immer noch trägt auf und sie fährt erschrocken zurück. "Oh, Himmel Sefra! Du musst ewig unterwegs gewesen sein, sicher hast du Hunger und bist erschöpft." Noch ehe ihre Schwester etwas erwidern kann, eilt Kizumu zur Tür der Halle und findet Feorna auf einer der bequemen Sitzbänke wartend vor. "Ist Mattis irgendwo in der Nähe?" Die Magd schüttelt den Kopf und erhebt sich bereits. "Gut. Hat Olyvar ihn etwa mitgenommen? Na, egal. Geh bitte und bring etwas zu essen und Wein, ja? Und dann richtest du bitte eines der Gästezimmer her, meine Schwester wird eine Weile hier bleiben." Sie lächelt dem Mädchen freundlich zu und schaut ihr einen kurzen Augenblick nach. Dann kehrt sie zu Sefra zurück, nimmt die mittlerweile ebenfalls quängelnde Fianryn aus der Wiege und die Kinder auf dem Arm gehen sie zu den hohen Lehnstühlen hinüber. Grau folgt ihnen schwanzwedelnd und rollt sich vor dem Kamin zusammen, wobei er möglichen Funkenflug und damit verbundene Brandlöcher in seinem Pelz einfach ignoriert.
Einige Augenblicke schweigen die beiden Frauen und lassen die plötzliche räumliche Nähe der jeweils anderen auf sich wirken. Ihr schwirren die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf, doch sie schweigt und betrachtet ihre Schwester im sanften Schein des Kaminfeuers. Schließlich bricht Sefra das Schweigen und beginnt langsam und mit leiser Stimme von ihrer Reise zu erzählen. Kizumu spürt die Unruhe ihrer Schwester, versucht jedoch nicht über den Grund nachzudenken sondern lauscht ihren Erzählungen.
Irgendwann kehrt Feorna zurück, Mattis im Schlepptau, der ein Tablett mit frischem, warmen Brot, kaltem Braten, mehrere Orangen und eine Karaffe mit Rotwein vom Ostufer des Ildorel trägt. Der Knappe Olyvars macht große Augen, als er Sefra entdeckt, doch er ist zu gut erzogen um Fragen zu stellen oder die Elbin weiter anzustarren. Der Junge stellt das Tablett auf dem Tisch ab und hilft dann Feorna dabei, den Tisch zu decken.

Der Abend ist weit vorangeschritten, doch Olyvar ist noch immer nicht zurück und langsam beginnt sie sich ernsthafte Sorgen zu machen. Sie hatte Mattis erklärt um wen genau es sich bei ihrem Gast handelt und ihn und Feorna dann zu Bett geschickt. Die Kinder schlafen satt und zufrieden in ihren Wiegen, während die Schwestern sich leise unterhalten. Sie haben die beiden Stühle gegen ein weiches Fell vor dem Kamin getauscht, auf dem sie beide bäuchlings liegen. Grau, eifersüchtig auf jede Ablenkung seines Frauchens hat es sich zwischen ihnen bequem gemacht und genießt die kraulenden Hände der Elbinnen.
Die Zeit vergeht begleitet von wehmütigen und fröhlichen Erinnerungen und einer zweiten Karaffe Wein, die die beiden Schwestern gut gelaunt aus den Wirtschaftsräumen holen.
"Weißt du noch, wie wir Rotberg damals immer in den Wahnsinn getrieben haben?" Kizumu greift nach dem Weinglas, das vor ihr auf dem Boden steht und bricht bei den Worten ihrer Schwester in ein leises Lachen aus. "Oh wie könnte ich sein Gesicht vergessen. Erinnerst du dich daran, wie du ihn einmal in dieser Felsenkammer eingeschlossen hattest? Herrlich, wie er da getobt hat." Die beiden Frauen lachen, was Grau ein begeistertes Schwanzwedeln entlockt. Für einen Augenblick herrscht Schweigen zwischen ihnen, ehe Kizumu es mit einem weiteren "Weißt du noch?" bricht.

Sie spürt den Wein in ihren Adern kreisen und genießt die bleierne Müdigkeit die sich über ihre scheinbar knochenlos gewordenen Glieder legt. Ihr Blick ruht auf Sefras Gesicht, das halb von Graus riesigem Schädel verdeckt wird und ihre Gedanken schleppen sich träge dahin. Sie ist einfach aufgebrochen, ohne eine Vorstellung davon, was sie hier draußen erwarten könnte, hat Mutter und.. und Vater verlassen, nur um mich zu suchen.. Sefras Augen sind geschlossen, ihre Wimpern werfen lange Schatten auf ihre weißen Wangen und Kizumu.. Shunjalinn kann die Tränen, die ihr den Blick verschleiern nicht aufhalten. Sie weint leise, will ihre Schwester, die offensichtlich vor Erschöpfung und Weinseligkeit in ihre Trance hinübergeglitten ist, nicht wecken und birgt ihr Gesicht in Graus zottigem Fell. Die Erinnerungen an ihre eigene Reise ziehen an ihrem geistigen Auge vorbei und die Angst um ihre Schwester setzt jetzt nachträglich ein. Sefra, eigentlich die Ältere von ihnen beiden, war immer so sanft und zart gewesen, jemand, den man vor allem beschützen wollte. Und jetzt hatte Mutters Lämmchen den Berg verlassen und war in die Weite der Immerlande aufgebrochen. "Oh Sefra.." Ihr leises Flüstern verhallt ungehört und die Hand in das Fell des Wolfshundes vergraben gleitet sie in ihre Trance.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 15. Feb. 2005, 20:40 Uhr
Als Olyvar sich endlich aus seinem Solar loseisen kann und in den Westflügel kommt, findet er Kizumu mitten in der Großen Halle selig schlummernd auf den Fellen vor dem Kamin - und nicht nur sie. Für den Bruchteil einer Sekunde hat er das Gefühl, doppelt zu sehen. "Was?" Fragt er verwirrt und tritt näher. Zuerst glaubt er, seine überreizten Nerven spielen ihm einen Streich. Vor dem Kamin liegen tatsächlich zwei Kizumus - oder zumindest eine Frau, die seiner gleicht wie ein Zwilling. "Was?" Wiederholt er erneut und mustert verblüfft die beiden Rotschöpfe zu seinen Füßen. Er kann nicht viel von ihren Gesichtern sehen, aber aus der Nähe gleichen sie sich nicht mehr wie ein Ei dem anderen und Kizumus Geruch nach Frühling ist ohnehin absolut unverwechselbar.... der nach Rotwein allerdings auch, wie er mit einem belustigten Schnüffeln feststellt. Zwei leere Karaffen und ebenso leere Becher stehen unweit der beiden ruhende Elbinnen und Olyvar schüttelt grinsend den Kopf. Wer immer die Fremde war, sie ist offensichtlich nahe mit Kizumu verwandt und die beiden hatten ein feuchtfröhliches Wiedersehen gefeiert. Er breitet eine Decke von einem der Sessel über ihre mysteriöse Besucherin und hebt Kizumu dann hoch. Sie murmelt verschlafen etwas an seinem Hals, wacht aber nicht auf und so trägt er sie in ihr Schlafgemach hinauf und legt sie dort ins Bett. In einer der Fensternischen sitzt Feorna, die schlafenden Kinder bewachend, und nutzt das helle Licht dort, um zu sticken. Als er hereinkommt, rutscht sie grinsend von der Fensterbank und geht dann mit raschelnden Röcken hinaus. Olyvar wirft einen Blick in die Wiege aus der synchrones Babyatmen ertönt, streift Kizumu dann die Schuhe ab und läßt sich ächzend neben sie fallen. Gerade, als er die Augen schließt, ein Bein über ihre gelegt, wacht sie aus ihrer weingeschwängerten Trance auf und dreht sich zu ihm um. "Kann die Augen nicht mehr aufhalten," murmelt er und hört ein leises Glucksen. "Muß ein paar Stunden schlafen, war die ganze Nacht wach.... muß bei Sonnenuntergang im Solar sein. Besprechung. Wichtig." Mit größter Anstrengung klappt er ein Auge auf und tastet dann nach ihrer Hand. "Hab dich vor dem Kamin gefunden, mo cridhe. Mit deiner Doppelgängerin."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 17. Feb. 2005, 15:25 Uhr
Schneehelles Morgenlicht weckt sie und es braucht einen Augenblick, ehe ihr weingeschwängertes Hirn begreift, dass sie nicht wie erwartet auf dem Fell vor dem Kamin liegt, sondern in ihrem Bett. Warme, starke Arme halten sie und ein Lächeln schleicht auf ihre Lippen. Die Elbin öffnet mehrmals ohne einen Laut von sich zu geben den Mund und verzieht dann angewidert das Gesicht; sie hat das Gefühl als sei über Nacht etwas kleines, pelziges hineingekrochen und hätte es sich in ihrem Mund gemütlich gemacht.
Vorsichtig und sehr, sehr langsam dreht Kizumu sich zu ihrem Mann um, schmiegt sich in seine Arme und beschäftigt ihre durch Honig watenden Gedanken mit der Frage, wo er die ganze Nacht gewesen war. Doch Olyvar kommt ihrer Frage zuvor, murmelt etwas von Schmugglern, Piraten und singenden Ogern und Kizumu kommt nicht umhin, prüfend an ihm zu schnuppern. "Hey, wer von uns beiden hat gestern getrunken, hm?" Er grinst, zieht sie noch ein Stück näher an sich und öffnet ein Auge. >Hab dich vor dem Kamin gefunden, mo cridhe. Mit deiner Doppelgängerin.< Sein einäugiger Blick findet ihren und ein strahlendes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. "Oh.. Ja. Sefra. Olyvar! Meine Schwester, sie ist hier. Sie ist ganz allein aus dem Riathar fortgegangen, nur um mich zu finden und jetzt ist sie hier. Ganz allein, Olyvar, den ganzen weiten Weg!" Das zweite Auge klappt nun ebenfalls auf und er schaut sie einen Herzschlag lang einfach nur an. Du hast es doch auch geschafft. scheint der Blick seiner grauen Augen zu sagen und sie verzieht das Gesicht. "Ja, aber bei Sefra ist das etwas anderes.. sie, sie ist so.." Sie zögert, bemerkt sein Lächeln und die Erheiterung in seinen Augen aufblitzen und knufft ihn leicht in den Bauch.

Zehn Minuten später verlässt Kizumu ihr gemeinsames Schlafgemach, die Kinder auf dem Arm und ein kleines Lächeln auf den Lippen. Olyvar ist kaum das sie eine Minute geschwiegen hatte eingeschlafen und war auch nicht aufgewacht, als die Elbin sich vorsichtig aus seiner Umarmung gelöst hatte.
Sefra liegt noch immer vor dem Kamin, von einer Decke und dem schlafenden Grau gewärmt. Kizumu bleibt einen Moment vor ihrer Schwester stehen, betrachtet die fein geschwungenen Augenbrauen, die ihrer eigenen so ähnlichen Nase und das zarte Rot des Mundes. Die Kinder sind wach und geben leise, glucksende Geräusche von sich und Kizumu setzt sich mit ihnen in den breiten, weichen Lehnstuhl, auf dem sie so oft während des Stillens sitzt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 27. Feb. 2005, 23:48 Uhr
Es ist weit nach Mitternacht, als Olyvar endlich in den Westflügel kommt - das Gesicht versteinert von den Nachrichten, die er nachdem der Elb abgeführt worden war, von Rhordri und Vareyar bekommen hatte. Und als ob das noch nicht ausgereicht hätte, war Cedric wutschnaubend in sein Solar geplatzt, hatte ihm von Aurians Zustand berichtet und ihm eine Botschaft Borgils überbracht, die das Faß endgültig zum Überlaufen gebracht hatte. Olyvar war sichtlich fassungslos in seinen Sessel gesunken und hatte endlose Augenblicke gebraucht, das alles zu fassen... dann hatte er die Nachricht des Zwergen wortlos an Rhordri weitergereicht, der sie halblaut vor sich hinmurmelnd vorgelesen hatte und kalkweiß geworden war. Vareyar hatte mit grimmigem Gesicht dreingeblickt und Olyvar waren tausend Gedanken durch den Kopf geschossen, alle umhüllt von lähmendem Entsetzen und schockartiger Trauer. Er hatte seinen nicht minder entgeisterten Kastellan und Waffenmeister mit leisen Worten und den wichtigsten Befehlen entlassen und sich dann schwerzen Herzens auf den Weg in seine Gemächer gemacht... wie bei allen Göttern, soll er Kizumu erklären, daß Phelan, Calyra, Caewlin und Raven tot sind? Sie waren alle auf unserer Hochzeit, götterverdammt, sie waren unsere Freunde. In der großen Halle des Westflügels ist es still und düster und die Liege am Kamin ist leer... offenbar war Kizumus Schwester inzwischen in eines der Gästezimmer umgezogen. In seinem Schlafgemach begrüßt ihn Connavar mit leisem Gebrabbel und hellwachen, zirpenden Lauten, so daß er ihn hochnimmt und eine ganze Weile umherträgt, bis er an seiner Schulter wieder einschläft und irgendwann schlaff und schwer wie ein Weinschlauch über seinem Arm hängt.

In der Dunkelheit hatte Olyvar Zeit, seine Gedanken zu ordnen - Fianryn schläft und Kizumu ist tief in elbischer Ruhetrance. Er würde sie nicht wecken... morgen früh wäre noch genug Zeit, ihr die traurigen Nachrichten zu erzählen. Mit den beiden immer hungrigen Zwillingen bekommt sie ohnehin nie genug Ruhe des Nachts, da muß er ihr die wenigen Stunden bis zur Dämmerung nicht noch verderben. Irgendwann legt er Conn in seine Wiege zurück, entkleidet sich und kriecht zu seiner Frau unter die weichen, warmen Pelzdecken. Er zieht sie fest an sich, schmiegt sich an ihren Rücken und spürt mit einem Lächeln, wie sie ihre warmen Füße an seine kalten drückt, um ihn zu wärmen. Sie wacht nicht wirklich auf, auch wenn sie seine Rückkehr mit einem leisen Laut zur Kenntnis nimmt... aber Olyvar liegt noch lange wach und findet keinen Schlaf. Seine Gedanken sind bei den Toten, den Ereignissen, die Borgil ihm kurz geschildert hatte und bei dem Mann, der Calyra von Sturmende erschlagen hatte und der jetzt in den Kerkern der Steinfaust sitzt... und den er nicht richten soll und darf, weil Cron von Tronje sein Leben gefordert hatte. Der nächste Morgen dämmert kalt und klar herauf und der Frost malt glitzernde Eisblumen an die Fenster. Connavar quäkt pünktlich zum ersten Sonnenstrahl und seine Schwester schließt sich ihm an, so daß er mit müden Augen und fahrigen Bewegungen nach viel zu wenig Schlaf erst einmal eine halbe Ewigkeit mit frischen Windeln und ebensolcher Wäsche beschäftigt ist, ehe er ihr die Kinder zum Stillen bringt. Nachdem das erledigt ist und beide an Feorna übergeben sind, die sie mit in die Große Halle nimmt, Kizumu sich angekleidet und er sich mit eiskaltem Wasser gewaschen hat, um wenigstens halbwegs aufzuwachen, gibt es keine Gründe mehr, das Unvermeidliche noch länger hinauszuschieben. Er war ohnehin schon so schweigsam und in sich gekehrt, daß Kizumu ihn mehrmals fragend angesehen hatte, aber jetzt nimmt er sie am Arm und führt sie zu einer der mit Kissen ausgelegten Fensternischen.

Draußen taumeln daunenfeine Schneeflocken durch die Luft und die Sonne flammt eben golden über den Morgendunst und die Dächer der Stadt. "Sgáileanabh, setz dich," er drückt sie sanft, aber nachdrücklich in den Alkoven und nimmt ihre Hände. "Ich habe keine Ahnung, wie ich dir das beibringen soll, aber du mußt es erfahren. Kiz, mo cridhe... " Noch einmal holt er tief Luft, wappnet sich und dann berichtet er ihr stockend von den Geschehnissen in den Tunneln, von dem Versuch Caewlins, Borgils und Phelans Raven zu retten und vom Tod ihrer Freunde. Sie lauscht ihm schweigend, aber ihre Augen werden immer größer und füllen sich mit Tränen, während sie ihm entgeistert ins Gesicht starrt und Olyvar kann nur nicken. "Es tut mir so leid... es tut mir so leid, a leannan. Phelan ist tot. Er starb in der Harfe, seine... seine Verletzungen waren zu schwer. Morgana ist... Morgana ist in den Faeyristempel gebracht worden. Sie hat seinen Tod nicht verkraftet. Caewlin und Raven wurden in den Tunneln verschüttet und Calyra von einem Mann dieses.... dieses Whytfisk, den sie gejagt haben, im Seeviertel erschlagen, keine fünfhundert Schritt von ihrem Zuhause entfernt. Das ist alles, was ich bisher weiß. Aber Aurian, Aurian ist wieder... sie haben sie in den Kerkern der Kanalratten gefunden und befreit, Borgil, der Sturmender und die anderen. Sie ist zurück, Cedric hat sie hergebracht... aber..." Er zuckt hilflos mit den Schultern und hält sie fest, als sie mit einem halbunterdrückten Schmerzlaut gegen ihn sinkt und ihre Finger sich in den Stoff seines Hemdes graben. "Es geht ihr nicht gut," schließt er lahm und legt die Wange an ihren Kopf. Er weiß nicht, wie lange sie so stehen, einander festhalten und tröstend wiegen, aus dem Fenster ins helle, buttergelbe Winterlicht starren und ihren Schmerz teilen.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Sefra am 01. März 2005, 15:29 Uhr
Nicht einmal eine Nargenhorde hätte Sefra wecken können, als Olyvar seine Schwägerin zudeckt und seine Gemalin in ihr gemeinsames Schlafgemach bringt, während sie dort am Kamin allein liegen bleibt und sich etwas tiefer unter die Decke kuschelt. Der große Wolfshund legt sich brummend an ihre Seite und legt seinen Kopf mit einem fast schon schwermütigem Seufzen auf seine Vorderpfoten als die Elbin ihren Arm um ihn schlingt und mit den Fingern das zottige Fell krault.
Sie kann nicht mit Bestimmtheit sagen, was sie aus ihrer Trance weckt. Vielleicht ist es die Sonne, die ihr wärmend auf das Gesicht scheint, vielleicht aber auch das Kitzeln in ihrer Nase, verursacht von den zottigen Hundehaaren des Grauen, der noch immer genauso untergeben daliegt, wie er sich in der Nacht zu ihr gesellt hat. Der pelzige und schale Geschmack auf ihrer Zunge lässt sie einen Moment glauben, sie hätte sogar ein Stück Fell des Wolfhundes in ihrem Mund. Sefra schlägt blinzelnd die Augen auf um sich davon zu ueberzeugen, doch schnell kneift sie diese wieder zu, als sie feststellt, dass die Sonnenstrahlen doch zu hell sind. Leise stöhnend dreht sie ihren Kopf zur Seite und bedeckt die Augenpartie mit ihrer Hand, die noch eben auf dem Hundeleib geruht haben.
Einen Moment lang bleibt sie so liegen, während sie langsam dämmernd den leisen schmatzenden und glucksenden Geräuschen gewahr wird, die aus einer Ecke der Halle zu ihr ans Ohr dringen. Sie weiss genau, was das diese Geräusche bedeuten, obwohl es nun auch schon wieder 12 Jahre her ist, seitdem sie ein Kind gestillt hat. Nein ... es müssten nun 13 Jahre her sein ... Wehmut umfasst ihr Herz, als sie an ihre Familie in der Ferne denkt. Ein Jahr mag für Elben nicht sonderlich lang sein, doch für die familienbezogene Sefra hat sich jeder einzelne Tag ohne ihre Kinder und ihren Angetrauten wie eine kleine Ewigkeit angefühlt. Ihr wird klar, wo sie sich befindet und was die Ursache der Hintergrundgeräusche sind. Sie hegt schon beinahe ein schlechtes Gewissen für den Gedanken an Heron in der Gegenwart ihrer Schwester, der sie nun ihr Gesicht auch zuwendet, während sie sich vor dem erkalteten Kamin aufrichtet. Ein liebevolles Lächeln, das ihr entgegengebracht wird, verstärkt einen Moment lang das flaue Gefühl in der Gegend des Solarplexus. Sie erwidert das Lächeln dennoch tapfer und betrachtet still die beiden Kleinen in den Armen der jungen Mutter. Ich habe mir eigentlich nichts vorzuwerfen ... Sie ist glücklich jetzt wie es ist ... Und es sind lange Jahre hergewesen, bevor sich Heron mir zugewandt hat ... Für diesen Morgen kann sie es sich wieder schönreden, was sonst so oft erfolglos ist.

Nachdem sie sich etwas umständlich hochgerappelt hat und die etwas steifen Glieder streckt, legt sie die Decke von Olyvar auf einer Liege ab. Der graue Wolfshund wirft ihr erst vorwurfsvolle Blicke zu, erhebt sich dann aber auch, streckt sich und trottet zunächst zu seiner Herrin um ein paar Streicheleinheiten einzuheimsen. Sefra grinst leicht und verlegen als sie auf Kizumu und die Zwillinge zugeht, die beiden betrachtet und endlich Worte findet: "Guten Morgen Shunjalinn ... Guten Morgen ihr beiden Hübschen!" Ein weiteres Strecken und verhaltenes Gähnen folgt. Nach einem kurzen Geplänkel, darüber, ob sie sich gut von dem Wein erholt hätten und dass Olyvar seine Ehefrau ins Bett geholt hatte, nachdem er Sefra zudeckte, ruft die Gastgeberin Feorna herbei, die scheinbar immer irgendwie in der Nähe ist, um etwas Frühstück vorzubereiten und in die Halle zu bringen.
Bald darauf sitzen sie gemeinsam an einem kleineren Tischchen, auf dem heisser Tee dampft und die verschiedensten Köstlichkeiten darauf warten in ihren Mägen zu landen. Sefra selbst isst nicht sonderlich viel, nippt an ihrem Tee, nascht etwas von dem Obst und kaut auf etwas mit Honig bestrichenem Brot herum, während auch ihre Schwester nicht viel dazu kommt, etwas einzunehmen, da sie sich mehr um die Kleinen kümmert. Die Magd nimmt ihr auch eines der Kinder ab, redet mit dem aufmerksamkeitsbedürftigen Connavar, der sich nicht damit abfinden kann, dass sich seine Mutter mehr mit seiner Tante beschäftigt. Fianryn scheint mehr als satt und zufrieden zu sein. In diesem Moment scheint es ihr zu genügen, sich mit dem Haar oder dem Saum der mütterlichen Kleidung zu beschäftigen, während das sanfte Timbre Kizumus Stimme beruhigend auf sie einwirkt.

Die beiden Schwestern unterhalten sich lange über die Reise, die Sefra auf sich genommen hatte. Die Gefahren, Erlebnisse, die Strecke und welche Orte sie dadurch kennengelernt hatte. Um wieviel Erfahrungen sie reicher geworden ist und was sie dazu überhaupt veranlasst hatte, nach Shunjalinn zu suchen. Viel haben sich beide zu erzählen, das nicht nur den Morgen über geht sondern auch den ganzen Tag einnimmt.
Nach dem Frühstück lässt Kizumu Sefras Gepäck holen und in ein Gästezimmer bringen, da sie in der vergangenen Nacht niemanden mehr aus den Betten holen wollten um das zu erledigen. Die Langgereiste nutzt die Gelegenheit, sich etwas in ihrem Zimmer einzurichten und frisch zu machen. Ein heißes Bad in einem kleineren Zuber, der extra für sie in den Raum gebracht wird, wird für sie vorbereitet, indem sie all den Dreck der vergangenen Wochen oder sogar Monate abwaschen kann. Auf einer langen Reise hat man nicht oft Gelegenheit mehr außer Gesicht, Hände und vielleicht sogar die Haare zu waschen, wenn nicht gerade ein Fluß oder See in der Nähe ist. Noch weniger im Winter. So nutzt sie es voll aus, genießt die duftenden Öle und hüllt sich anschließend in sauberere Kleidung, die aber eher einfach und praktisch gehalten ist. Weiches dunkelgrünes Wildleder von Hosen und einer Weste, das ihrem kupferfarbenem Haar den passenden Kontrast bietet und worunter sie ein dichtes grünes Wollhemd trägt. Die feuchten Haare flechtet sie sich zu einem lockeren Zopf, der dann lose auf ihrem Rücken fällt. Die Elbin betrachtet sich nur knapp in einer polierten Silberplatte, wobei sie sonst kaum eitel ist. Doch ein wenig will sie auch ihrer Schwester gefallen, die sich unterdessen mit Feorna weiter um die Kinder kümmert, diese anzieht und fertig macht um einen kleinen Spaziergang zu wagen. Shunjalinn hat ihr versprochen einiges von ihrem zu Hause und der Umgebung zu zeigen. Dann kann ich auch gleich nach Sanjar schauen ...

Sie verlässt das Zimmer und folgt dem kurzen Weg, der wieder zu der Halle führt, in der ihre Schwester bereits schon geduldig wartet. Gemeinsam beginnen sie den Spaziergang der einmal quer durch die Steinfaust führt, den inneren Zwinger und die Ställe, in dem Sefra ihrem Pferd einen Besuch abstattet um sich davon zu überzeugen, dass es gut versorgt wird und sich wohlfühlt. Sie wirkt beeindruckt von dem großen Stall, der soviele Pferde beherbergen kann und soviele Stallburschen beschäftigt, die alle Hände voll zu tun haben. Amüsiert tauschen die beiden Schwestern die Blicke, als sie die irritierten Blicke der Arbeitenden bemerken, als die Lady von Tarascon und ihr Ebenbild über den Hof schlendern und den Stall betreten.
Interessiert lauscht sie den Erzählungen, wieviele Leute ihr Schwager in der Steinfaust beschäftigt, dass sogar die seltsamsten Wesen in seinem Dienst stehen, wie gut Olyvar das alles im Griff zu haben scheint, aber auch viel von seiner Zeit beansprucht wird. Dabei betrachtet die Elbin ihre Schwester etwas mitleidig, da sie genau weiss, wie es ist, nicht zu wissen, wann der Liebste in ihr gemeinsames Bett kommt oder ob er sich bei seinen Ausflügen nicht etwas antut oder heil zurückkehrt. Ihr ist klar, dass die Ehefrau des Lord Commanders, auf dessen Schultern soviel Verantwortung lastet, es nicht immer leicht hat. Soetwas bringt eine Ehe immer mit sich ... Immer sind solche Aufgaben nicht nur für den Verantwortlichen belastend ...
Sie lässt sich auch Kizumus Gerbarbeiten zeigen, bewundert die gute Qualität des Leders und beschließt, sofern es ihre Schwester erlaubt, sich etwas davon nach Hause als Geschenk für ihre Eltern mitzunehmen. Daraus würden sich sicherlich nützliche Sachen herstellen. Wenig später stapfen sie mit den Kindern auf den Armen in die Richtung des verschneiten Larisgrünes. Ohne Unterlass unterhalten sie sich, lachen und tauschen sich über das Leben der jeweilig anderen aus. Viel muss nachgeholt werden. Und erst gegen Abend kehren sie erschöpft und hungrig von dem Ausflug, der Gespräche, dem Zeigen, Staunen, Bewundern und den ganzen Eindrücken, die auf Sefra einstürzen, in den Westflügel zurück. Während der gesamten Zeit hat es die Elbin jedoch nicht geschafft Kizumu zu sagen, weswegen sie sie wirklich aufgesucht hat. Sie wollte die Unbeschwertheit nach so langer Zeit nicht stören, obwohl sie oft daran dachte und sich zeitweise schlecht fühlte. Es ist noch genügend Zeit, es ihr in einem stillen Augenblick zu sagen ...

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 08. März 2005, 21:29 Uhr
Der gestrige Tag war ruhig gewesen, durchdrungen von klarer, kalter Winterluft, Sonnenschein und der Anwesenheit ihrer Schwester. Diese war, nachdem Kizumu sie einige Zeit in ihrer Trance beobachtet hatte, erwacht. Sie hatten etwas gegessen, Sefra hatte ein Bad genommen und dann waren die beiden Schwestern gemeinsam mit Feorna, den Kindern und Grau in den kleinen Innenhof gegangen, hatten sich die Gerbarbeiten angesehen, waren über den Inneren Zwinger gewandert und schließlich mit dem Hund im tiefverschneiten Larisgrün angekommen. Dabei hatten sie sich immer wieder kleine Anekdoten ihrer Reisen erzählt. Während all dieser Gespräche hatte die Elbin zwar noch immer das Gefühl, ihre Schwester würde ihr nicht alles verraten, und schon gar nicht den wirklichen Grund ihres Hierseins, aber sie drängt Sefra nicht.
Olyvar war erst spät in der Nacht aus dem Solar zurückgekommen und Kizumu war mit dem Gedanken, dass sie es noch immer nicht geschafft hatte ihren Mann ihrer Schwester offiziell (und wenn beide wach waren) vorzustellen, in ihre Trance hinabgeglitten. Irgendwann war er zu ihr ins Bett gekommen, kühl und vertraut und dann graut auch schon wieder der Morgen.
Sie fühlt sich furchtbar zerschlagen und unausgeruht und sie kann nicht genau sagen, woran das eigentlich liegt. Die Zwillinge hatten beinahe durchgeschlafen und der gestrige Tag war auch nicht übermäßig anstrengend gewesen. Olyvar ist schon auf den Beinen, wickelt gerade Fianryn und reicht ihr schweigsam einen gut gelaunten Conn. Der Junge scheint die rauchgrauen Augen seines Vaters zu bekommen und sein Lächeln entlockt ihr leise, gurrende Laute. Während sie ihren Sohn stillt wirft sie Olyvar, der Fianryn durch ihr Schlafgemacht trägt, immer wieder fragende Blicke zu. Irgendetwas musste gestern vorgefallen sein, etwas das ihn jetzt so beschäftigt, dass er kaum Worte für seine Tochter findet.
Auf ihrem Weg in den Stall hatten die beiden Elbinnen mitbekommen, dass das gesuchte Botenmädchen zwar lädiert aber lebend zurückgekehrt war. Vielleicht hängt es damit zusammen?

Nachdem auch Fianryn satt ist, nimmt Feorna die Kinder mit hinaus in die Halle und sie sind allein. Im Nachhinein wünscht sich Kizumu, sie wäre einfach mit ihren Kindern mitgegangen, denn was sie jetzt, nachdem Olyvar sie auf eine der Fensterbänke gesetzt hat zu hören bekommt, zerreißt ihr das Herz. Sie spürt die Tränen in ihren Augen aufsteigen und bei seinen letzten Worten ist Olyvar nur noch ein verschwomener Schemen, an den sie sich schließlich verzweifelt klammert. Ihre Gedanken sind gelähmt, werden von einem einzigen Wort übertönt, das ihr den Atem nimmt. "Nein.."
Die Sonne geht klar und buttergelb, aber ohne viel Wärme über den Dächern Talyras auf und Kizumu bleibt irgendwann nichts, als den Gedanken an den Tod ihrer Freunde zuzulassen. Dumpfe Trauer umhüllt sie, lässt ihr gerade genug Raum um zu atmen und einige, wenige Gedanken zu fassen. "Brynden? Ihr Götter, wo ist Brynden?" Sie fährt auf, sieht Olyvar mit rotgeränderten Augen an und sinkt, als er erklärt, der Junge würde sich bei Niniane befinden, wieder gegen seine Brust. Himmel, nein, es kann einfach nicht wahr sein. Sie können doch nicht..Doch sie können, einfach so, für immer fort.

Kizumu weiß nicht genau, wie lange sie so dagestanden haben, die tröstliche Wärme und das beruhigende Schlagen seines Herzens haben ihr jegliches Zeitgefühl geraubt. Die Trauer um ihre Freunde hat sich wie ein Stein auf ihr Herz gelegt und es gelingt ihr nur mit viel Mühe, sich aus seiner Umarmung zu lösen. Den Gedanken, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem sie um Olyvar trauern muss, schiebt sie nach Atem ringend beiseite. Ich werde ihm folgen und dann wird die Unendlichkeit für uns sein.
Die Elbin streicht sich das Haar aus dem Gesicht, wischt sich über die rot- geschwollenen Augen und atmet mehrmals tief ein und aus. Es fällt ihr nicht leicht, die traurigen Gedanken an die Toten beiseite zu schieben und sich den Lebenden zuzuwenden, doch das leise Wimmern eines Säuglings dringt an ihr spitzes Ohr. "Fian.." Einen Herzschlag verharrt sie, eine Hand auf seiner warmen, breiten Brust und den Blick mit seinem verwoben, dann streicht sie sich unnötigerweise erneut das Haar aus dem Gesicht, schluckt den Kloß in ihrem Hals herunter und eilt zur Tür. Die Hand schon auf der Klinke bleibt sie stehen, wendet sich zu Olyvar um und wieder verfängt sich ihr Blick in seinen Augen. "Ich liebe dich, oh Himmel.." Das Wimmern des Kindes verstummt hinter der dicken Tür und keinen Wimpernschlag später liegt sie in seinen Armen, Trost suchend, Trost spendend und die Wärme seiner Haut in sich aufnehmend.

Wieder ist die Sonne ein ganzes Stück gewandert, ehe sie gemeinsam das Schlafgemach verlassen. Ihr Atem hat sich noch nicht ganz beruhigt und seine warme Hand in ihrer lässt die Erinnerung an die letzte Stunde mit jedem raschen Schlag ihres Herzens in ihr pulsieren. Sie hatten sich mit derselben Intensität wie vor dem Feldzug im letzten Winter geliebt; nur durch den Körper des anderen in der Lage die grausame, atemraubende Angst um ihn zu beruhigen.
In der Halle brennt wie immer ein warmes Feuer, Grau kommt ihnen schwanzwedelnd entgegen und Kizumu bleibt stehen, um das Bild das sich ihr bietet tief in ihrem Gedächtnis zu verankern. Sefra, der das rote Haar weich und in leichten Wellen über die Schultern fällt, sitzt in dem hohen, weichgepolsterten Lehnstuhl und hält Fianryn im Arm. Der Säugling ist wach, die winzigen Hände öffnen und schließen sich immer wieder und versuchen, nach einer vorwitzigen roten Strähne zu greifen, wobei sie jeden Versuch mit kleinen, glucksenden Geräuschen kommentiert. Das Lächeln ihrer Schwester ist weich und warm und dieses friedliche Bild vertreibt für einen Augenblick die Trauer aus ihrem Herzen. In all ihren Gesprächen hatte Sefra nie über einen Mann oder Kinder gesprochen, doch so wie sie Fianryn jetzt in den Armen hält, der leise Hauch von Wehmut in ihren Augen und die leisen, nur gemurmelten Worte, lassen Kizumu glauben, dass Muttergefühle ihrer Schwester nicht fremd sind.
Sie scheut sich, die Stille und den Frieden dieses Augenblicks zu stören, doch hat sie jetzt, nach beinahe zwei Tagen endlich die Gelegenheit Olyvar ihrer Schwester vorzustellen. "S´ljea, min Relis.." Ihre Stimme ist leise und weich und Sefra blickt lächelnd auf, als sie den Kosenamen ihrer Jugend vernimmt. "Ich möchte dir endlich meinen Mann vorstellen; Olyvar, meine Schwester Sefra." Über Kizumus Gesicht huscht eine leise Röte, doch das warme, liebevolle Lächeln erreicht ihre noch immer geröteten Augen nicht ganz.

Tage und Wochen vergehen wie im Fluge, die Kinder wachsen jeden Tag ein kleines Stück, Olyvar hat alle Hände voll mit dem nahenden Frühling, Instandsetzungen in der Steinfaust und dem üblichen Verwaltungsaufwand einer so großen Festung zu tun und die beiden Schwestern streifen oft stundenlang durch Talyra. Mehrmals hatten sie versucht in der Hufschmiede vorbei zu schauen, doch immer hatten sie Pech gehabt und die beiden jungen Leute waren fort gewesen.
Keine zehn Tage nachdem Olyvar seiner Frau vom Tod ihrer Freunde erzählen musste, kommt von Borgil die erlösende Nachricht, das Raven und Caewlin aus den Kanälen zurückgekehrt seien. Die Erleichterung darüber vertreibt für Momente die Trauer aus ihren Herzen, doch Calyra und auch Phelan sind tot und Kizumu erzählt ihrer Schwester viel über die Bardin. Sie hatten so viel miteinander erlebt und die Elbin wird jedesmal nachdenklich, wenn die Sprache auf jenen Abend kommt, an dem die Drachentätowierung von Calyra auf Ierás übergegangen war. Wo hatte ihr Sinn gelegen? Wenn Ierás der Drache zustand, wem war dann die Schlange zugedacht gewesen? Doch der Schnee, der immer wieder vom Himmel fällt und einfach nicht tauen will, ihre Schwester, die noch immer nicht wirklich mit der Sprache herausgerückt war, die Kinder die wuchsen, dass einem Himmelangst wurde, Grau der sich bei einer wilden Hatz durch den Hochschnee eine Pfote vertreten hatte und mit mitleidsheischender Miene vor dem Kamin liegt und die grausame Welt zu verfluchen scheint vertreiben diese Gedanken oft genug.
In der ersten Trauer um ihre Freunde hatte Kizumu gar nicht weiter danach gefragt, was Olyvar mit seinem "..es geht ihr nicht gut.." über Aurian eigentlich gemeint hatte, doch später hatte er es ihr erzählt und die Wut hatte über das Mitleid gesiegt. "Was ist mit dem Mann, der ihr das angetan hat? Weißt du wo er ist?" hatte sie gefragt, doch er hatte nur mit dem Kopf schütteln können. Noch war Aurian anscheinend nicht in der Lage mit Olyvar oder jemand anderem zu sprechen. Ich muss sie einmal besuchen, wir können sie nicht alleine lassen.. und so nett die Männer hier sind, sie sind wohl nicht gerade die beste Gesellschaft für jemanden der...
So vergehen Silberweiß und Eismond und der Taumond kommt mit der ersten leisen Ahnung des Frühlings. Einige Vögel kehren zurück und auch wenn sie noch von Schnee und Kälte begrüßt werden, bleiben sie und ihre Stimmen füllen den nahen Wald.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 01. Apr. 2005, 00:06 Uhr
In der Großen Halle des Westflügels, nach den Hinrichtungen


"Hm... wenn Ihr eine Botschaft sicher und zuverlässig in den Westen schicken wollt, dann wendet Euch am Besten an Lady Niniane oder an die Elben von Vinyamar... soweit ich weiß, haben sie regelmässig Kontakt nach Lomirion im Grünen Tal von Erryn. Ich glaube, sie würden ein Botschaft weiterleiten, wenn Ihr mit ihnen sprecht... aber versprechen kann ich das nicht." Er zuckt mit den Schultern, muß aber lachen, als Máel ihn auf Lieder in Tamar anspricht. "Oh, ich kenne eine Menge Lieder in Tamar. Allerdings wollt Ihr nicht wirklich, daß ich sie Euch vorsinge. Zu den Bemerkungen über Uuma kann Olyvar nur nicken. "Ich habe nicht mit ihr selbst gesprochen... hätte sie nur ungern belogen und wollte das Risiko, irgendjemandem von Pumquats Plan zu erzählen einfach nicht eingehen, auch wenn Uuma kaum etwas mit all dem hätte anfangen können... sicher ist sicher." Als er Elb jedoch das Gespräch auf die Zwillinge lenkt und von jener entsetzlichen Nacht spricht, in der Kizumu sie auf die Welt gequält und so um sie gelitten hatte, werden Olyvars Züge weich... nur im Grau seiner Augen zeigt sich ein Schatten der Erinnerung an seine Angst in den langen, langen Stunden der Geburt... die ganze Steinfaust hatte in dieser Nacht den Atem angehalten und er...  "Fünf Monde," erwidert er leise. "Und sie halten die ganze Festung auf Trab, vor allem aber ihre Mutter, die sie als einzige füttern kann," aus seinem vagen Lächeln wird ein Grinsen.

"Aber sie haben sich wirklich gut gemacht. Conn, mein Sohn, hat schon einen Zahn und Fianryn versucht sich im Sitzen, viel zu früh. Und inzwischen schlafen sie, den Göttern sei Dank, auch durch... jedenfalls meistens... ihr werdet sie nachher kennenlernen. Die Geburt allerdings war mehr als schwer," fährt er leiser fort und weiß eigentlich gar nicht, warum er diesem fremden Elb das erzählt. "Sgáileanabh... Kizumu... wäre fast gestorben." Nein, eigentlich war sie tot und du weißt bis heute nicht, warum sie nicht über die Purpurflüsse ging. "Zum Glück war Loba die Wölfin in der Stadt - es gibt niemanden, der mehr von Heilkunst versteht, nicht einmal Morgana. Diese Priesterin hat auch mich nach der Schlacht von Liam Cailidh wieder zusammengeflickt, fragt mich nicht, wie sie das angestellt hat... sonst säße ich jetzt nicht hier." Olyvar schüttelt sich, als wolle er die Gedanken und Erinnerungen daran vertreiben und das ansatzweise Lächeln kehrt in seine Mundwinkel zurück. "Und was die Revanche angeht... wenn Ihr irgendwann ein eigenes Heim habt, kommen wir gern. Ansonsten könntet Ihr einstweilen hin und wieder die Zwillinge in den Schlaf singen - damit sichert Ihr Euch bei meiner Frau einen Stein im Brett so groß wie der Berg von Crannhyr."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Mael Duinc am 01. Apr. 2005, 15:25 Uhr
„Lady Niniane…“, murmelt Máel grüblerisch den Namen, denn Olyvar als erstes nennt, „Ich habe von ihr gehört. Sie wohnt in einem Baum im Larisgrün, nicht wahr?“ Sein elbisches Erbe schlägt bei dieser Vorstellung durch, als er sich das Spiel der Farben vorstellt, das die sanften Braun- und Grüntöne im Zusammenspiel mit dem Sonnenlicht hervorzuzaubern vermögen. „Am Vinyamar-Anwesen bin ich hin und wieder vorbei gekommen, wenn ich einen Ausritt mit Pferd am Strand unternommen habe. Wirklich ein sehr schönes Haus! Lady Arwen und Nadir wohnen dort, soweit ich weiß.“ Er nickt dem Lord Commander zu. „Vielen Dank für den Tipp!“

Máel ist sichtlich erfreut, dass Olyvar einige Balladen in seiner Heimatsprache beherrscht, auch wenn er sie zur Sicherheit des teuren Porzellans lieber nicht vortragen möchte. „Warten wir ab! Vielleicht lockern sich Eure Stimmbänder später noch eine wenig, wenn wir dem vorzüglichen Verder Kupfer noch etwas zugesprochen haben!“ Mit einem flüchtigen Augenzwinkern fordert er den Lord Commander schon fast heraus. Was erträgt ein neugieriger Barde nicht alles, um sein Repertoire zu erweitern. „Aber eventuell finden wir später die Gelegenheit, dass ihr mir zumindest die Liedertexte näher bring.“

Als das Gespräch auf die Geburt und Kizumus Kampf mit dem Tod kommt, fällt für einen Moment die eiserne Maske Olyvars, uns auch ohne seine empathischen Fühler vermag Máel in seinen Augen zu lesen, welche Qualen der hünenhafte Blaumantel gelitten haben muss, so dass der ehemalige Dieb es schon fast bedauert, das Thema angeschnitten zu haben. Auf seinem Gesicht mischen sich Mitgefühl und tiefe Trauer, weil er sich damit selbst unbeabsichtigt an seine eigenen Verluste erinnert hat, die er unwiederbringlich erlitten hatte. Salz in die Wunden eines sinnlosen Lebens… „Haltet immer ein Auge auf die Menschen, die ihr liebt… Während meiner mehr oder weniger freiwilligen Haft in Eurem Kerker habe ich erfahren, dass Lorne, fast meine Tochter an Kindes statt, und Shehera vermisst werden und höchstwahrscheinlich tot sind. Von She fehlt jede Spur und man hat Lornes Rucksack Tagesreisen von hier im Schnee gefunden.“ Er schweigt, bevor er leise flüstert: „She trug unser Kind unter dem Herzen, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Es hätte vor ein paar Wochen Shenrahs Licht erblickt. Das Glück einer Familie ist mir offenbar nicht vergönnt…“ Der Glanz in seinen Augen schimmert nur kurz, bevor er seine Schultern strafft und einen Schluck des malzigen Bieres trinkt, während er seine Gedanken mit aller Kraft auf die Dinge richtet, die er jetzt vor sich hat, doch seine Hand wandert wie von selbst in seine Hosentasche, um eine kleine, weiße Muschel zu umklammern.

Mit Stolz in der Stimme berichtet Olyvar von seinen Kindern, und Máels Trauer fällt von ihm ab, als er von der Begeisterung des Blaumantels mitgerissen wird. „Ich freue mich, wenn Ihr meine Vorabeinladung bereits annehmt, ohne zu wissen in welchem Bretterverschlag ich möglicherweise einziehen muss.“ Ein breites Grinsen lässt Máels Zähne blitzen. „Aber ich würde mich freuen, wenn ich Fianryn und Conn eine Weile zum Publikum hätte, um Euch und Lady Kizumu ein wenig Entlastung zu verschaffen. Ich hoffe, ich kann die Beiden Milde stimmen. Vielleicht versuchen wir auch ein Duett auf Tamar?“ Sein Grinsen wird zu einem Lachen. „Eure Frau wird sicher begeistert sein, wenn Ihr schief und ich mit einem fürchterlichen Dialekt um die Wette singen!“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 03. Apr. 2005, 17:50 Uhr
>Lady Niniane. Ich habe von ihr gehört. Sie wohnt in einem Baum im Larisgrün, nicht wahr?< Olyvar nickt, auch wenn er bei diesen Worten ein amüsiertes Schnauben unterdrücken muß. Wohnt in einem Baum klang so nach Feenkobel oder Koboldsnest. "So ungefähr, ja. Sie wohnt am Smaragdstrand nördlich der Stadt, ihr äh... Baum steht auf einer großen Lichtung ziemlich nahe am See. Ihr könnt ihn auf keinen Fall verfehlen, wenn Ihr sie aufsuchen wollt. Und nein, ich werde ganz bestimmt nicht singen, weder jetzt noch später, so betrunken kann ich nicht werden." Das fehlt mir gerade noch zu meinem Glück, ein sprachversessener, sangesfreudiger Barde... Der Schatten, der bei den nächsten stockenden Worten über Máels Gesicht huscht und sein völlig veränderter Tonfall sprechen ihre ganz eigene Sprache, obwohl seine kurze Erklärung über Lorne und die Geschichtenerzählerin fast sachlich bleibt - kein Heischen um Mitleid, kein verzweifeltes Flehen, sie zu suchen, kein mühsam gebremster Tatendrang, sich sofort auf den Weg zu machen, um ihre vagen Spuren zu verfolgen.

Olyvar fasst den Elben scharf ins Auge und glaubt, seinen Ohren nicht zu trauen. Das Gerücht vom Fortgang der Geschichtenerzählerin hatte in Talyra bereits die Runde gemacht - aber sie war nicht als vermißt gemeldet, denn sie hatte die Stadt freiwillig verlassen. Von einem Kind namens Lorne hatte er noch nie gehört. "Während Ihr in meinem Kerker gesessen... warum erzählt Ihr mir das erst jetzt und nicht schon viel früher?! Ifrinn! Ich meine, wenn Ihr das wußtet, warum habt Ihr nicht ein Wort gesagt? Ich hätte Euch sofort gehen lassen - irgendeinen Weg hätten wir schon gefunden, dem Rest der Welt vorzugaukeln, Ihr säßet noch im Kerker oder Pumquat hätte Euch eine Tarnkappe verpasst oder was weiß ich!" Er fährt sich durch das kastanienbraune Haar und läßt dann mit einer halb empörten, halb hilflosen Geste die Hand wieder sinken. "Wenn ich erfahre, meine Frau, meine schwangere Frau und ein Kind, das ich als meines ansehe, werden vermißt, sind verschwunden... vielleicht tot oder irren mitten im Winter allein im Wald herum, dann setze ich mich doch nicht wochenlang in einen Kerker und drehe Däumchen! Soll ich... wollt Ihr sie su..."Bevor er den Satz zu Ende bringt, dröhnt metallisch klappernder Hufschlag von den Höfen der Steinfaust zu ihnen herauf und Olyvar spitzt die Ohren. Gleich darauf ertönt das Schlagen und Trappeln zahlloser Stiefel, Warnrufe und Schreie werden laut. "Was zur Hölle..."

Er steht auf und eilt durch die Halle, wo die breiten Spitzbogenfenster zwar groß, aber viel zu hoch in der Wand sind, als daß man hinaussehen könnte, in die Vorhalle, um von dem breiten Alkoven aus hinunter auf den Inneren und Äußeren Zwinger der Festung zu spähen. Gleich darauf taucht der Elb neben ihm auf und sieht ebenso angestrengt hinunter. Scharen von Blaumänteln strömen auf dem Äußeren Zwinger zusammen - den Grund für den Tumult kann Olyvar erst nicht sehen, bis ihm ein riesiges, graues Schlachtroß ins Auge sticht, das eben von Faron, dem Faun, vor dem Stall in Empfang genommen wird - den armen Knecht, der es am Zügel hat, hilflos hinter sich herschleifend. Er kennt dieses Pferd und den Mann, dem es gehört - auch wenn von dem Sturmender nichts zu sehen ist, er ist hier -  und unterdrückt einen leisen Fluch. "Ifrinn! Verdammt! A dhia! Mael, es tut mir leid, ich muß hinunter. Ich erkläre Euch alles später... ich hoffe, ich bin bald zurück." Olyvar dreht sich auf dem Absatz um und eilt in Richtung Tür davon, doch auf der Schwelle wendet er sich noch einmal an den Elben. "Bleibt hier. Genau hier und stellt um Himmels Willen nichts blödes an. Und falls meine Frau auftaucht, erklärt Euch, denn sie hat keine Ahnung von Eurem Hiersein."

-> Steinfaust

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Mael Duinc am 05. Apr. 2005, 13:11 Uhr
Olyvar beschreibt die Lage von Ninianes „Baum“ noch ein wenig genauer, so dass Máel sicher ist, dass er ihn ohne Probleme finden wird. Auf dem Gesicht des Lord Commanders liegt dabei jedoch ein amüsierter Ausdruck, als er die Bezeichnung „Baum“ wiederholt, so dass sich Máel sicher ist, dass es eine sehr unzulängliche Beschreibung für Ninianes Heim am Smaragdstrand ist. Von Máels zarten Hoffnungen, ihm doch noch ein paar Töne aus der Kehle zu locken, hält Olyvar jedoch weiter nichts und Maél muss sich wohl oder übel in Geduld fassen. Aha, so betrunken könnt Ihr also gar nicht werden, dass Ihr ein Ständchen zum Besten gebt?! Das sollte man bei Gelegenheit überprüfen! Verschwörerisch schielt der neugierige Elf, den obersten Blaumantel über den Rand seines Becher an, als er ihn zum trinken an die Lippen hebt.

Stumm und ohne Unterbrechung lässt von Tarascon Máel aussprechen, doch seine Mienenspiel zeigt deutlich, dass er mit dem Stillschweigen des Elfen nicht einverstanden ist, was Lornes und Shes Verschwinden angeht. Und so überrascht es den Elfen nicht weiter, als er sich einem aufgebrachten, pflichtbewussten Gardisten gegenüber sieht, der ihm die Leviten liest, warum er nicht früher etwas gesagt hat. Máel setzt gerade zu einer erklärenden Antwort an, als ein Tumult auf dem Zwinger ihrer beider Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ohne viel Federlesens springt Olyvar auf, um Halle zu durchqueren, deren hohe Fenster keinen freien Blick auf den Äußeren Zwinger gewähren. Als Máel neben den Blaumantel ans Fenster tritt, bietet sich ihnen ein Bild des Chaos. Gardisten drängen sich in einem unorganisierten Haufen vor dem Eingang zum Kerkerturm und recken vorwitzig ihre Hälse, um nur ja alles mitzubekommen, während ein hünenhafter Faun und ein Knecht sich darum bemühen, einen gewaltigen, grauen Hengst zu besänftigen.

Wie von tausend Furien gehetzt wirbelt Olyvar herum und wirft Máel noch schnell ein paar Worte zu, dann eilt er auch schon mit langen Schritten durch die Halle in Richtung Tür, allerdings nicht ohne an der Schwelle noch einmal anzuhalten.  >>Bleibt hier. Genau hier und stellt um Himmels Willen nichts blödes an. Und falls meine Frau auftaucht, erklärt Euch, denn sie hat keine Ahnung von Eurem Hiersein.<<, verhallen seine Worte noch, als die Türe schon wieder mit viel Schwung ins Schloss gefallen ist. Wie kommen bloß immer alle darauf, dass ich etwas Blödes anstellen könnte?!, denkt Máel mit ein wenig Verwunderung, als ihn seine inner Stimme schon fast spöttisch darauf hinweist, dass heute schon eine Hinrichtung vorgetäuscht wurde, um ihn aus seinen Schwierigkeiten zu befreien. Was freilich genau passieren wird, wenn Lady Kizumu samt Familie in ihren Privatgemächern erscheint und einen wildfremden Elfen dort vorfindet, wird sich zeigen. Máel hofft nur, dass er auch die Gelegenheit hat, sich tatsächlich zu erklären, bevor die Wachen mit einem gellenden Schrei alarmiert werden.

Gedankenversunken wendet sich Máel wieder der Szene auf dem Hof zu, wo sich das Chaos, dass Olyvar gerade halbwegs zu ordnen versucht, noch steigert, als ein weiterer mächtiger, schwarzer Hengst auf den Zwinger prescht. Was den Elfen indes mehr erstaunt, ja sogar ein wenig belustigt, ist das mit ihm erschienene Reiterduo. Ein dunkel gewandeter Nordmann hebt seine zierliche Begleitung aus dem Sattel, der die langen, schwarzen Haare wild zu Berge stehen. Als wäre das noch nicht genug, trägt sie außer einem Umhang und einem dünnen Leinengewand noch wirklich bildschöne, gelbschwarz geringelte Socken, naja wenigsten einen, und auch den nicht mal richtig! Auf jeden Fall spricht ihr Blick Bände, und Máel ist sich sicher, so wütend wie sie offensichtlich ist, könnte sie den fast doppelt so breiten Mann mit Leichtigkeit mit ihren funkelnden Augen niederstrecken. Ein breites Grinsen schleicht sich auf seine Lippen, während er den beiden mit Blicken folgt, als sie sich erst einen Weg zu Olyvar durch die Menge bahnen, um dann im Kerkerturm zu verschwinden.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Sefra am 05. Apr. 2005, 17:11 Uhr
Die Zeit im Westflügel der Steinfaust vergeht für Sefra ruhig und ohne viel Aufregung. Indem sie sich mit den Kindern ihrer Schwester beschäftigt lenkt sie sich etwas ab. Von den Beweggründen ihres Hierseins. Obwohl die beiden Zwillinge sie schmerzlich an ihren eigenen Nachwuchs erinnern. Doch hingebungs- und liebevoll kümmert sie sich und nimmt Kizumu und Feorna freudig einiges von der täglichen Arbeit ab. Sie tut es einfach gern. Immer wieder spürt sie die fragenden und prüfenden Blicke ihrer jüngeren Schwester auf sich ruhen, versucht es jedoch so weit es geht zu ignorieren um nicht antworten zu müssen oder entgegenet diesen mit einem einfachen Lächeln.

Einen Vormittag findet die Elbin die kleine Fianryn weinend in ihrem Bettchen vor, während ihr Bruder seelenruhig weiterschläft. Feorna und Shunjalinn sind weit und breit nicht zu sehen und kurz lugt Sefra zu der verschlossenen Tür des Schlafgemachs ihrer Schwester und ihres Schwagers, wo sie Stimmen und leises Weinen vernimmt. Streit ...? Mit einem Seufzen tritt sie an das Kinderbettchen heran und hebt ihre kleine Nichte, die so leicht wie eine Feder erscheint, heraus um sie zu trösten. Beruhigend wiegt Sefra das Kind in ihren Armen und flüstert ihr sanfte Worte in ihrer Sprache zu, streichelt dabei mit einem Finger die geröteten Wangen. Das Wimmern hört bald auf und Fian blickt sie aus vor Tränen schwimmenden Augen zu ihr herauf und greift mit einem winzigen Händchen nach dem streichelnden Finger. Sefra lächelt einfach nur, murmelt weiter im sanften Timbre beruhigend auf die Kleine ein, wiegt sie dabei sanft und geht einige Schritte in der Halle auf und ab. Betrachtet die Bilder der Szenen auf den Gobelins an den Wänden und hin und wieder bleibt sie an einem Fenster stehen um hinauszuschauen, während sie weiterhin das Bündel in ihren Armen wiegt. Schließlich lässt sie sich in einen der hohen Lehnstühle nieder und lehnt sich tief zurück, indem sie sich mit der Kleinen beschäftigt. Dabei hat sie immer ein spitzes Ohr in Richtung des anderen kleinen Bettchens gerichtet, in dem Connavar ruht. Aber auch das Geschehen hinter der dicken Tür lässt sie nicht unberührt. Ein wenig spitzt sie ihr Ohr auch in diese Richtung. Doch zu leise ist das Gemurmel und Fian's Gebrabbel, welches mittlerweile vergnügter klingt, lässt ihr auch keinen Raum um wenigstens etwas von der Stimmung aus dem Gemach einzufangen. Was wird wohl sein ...? Aber es scheint sich jedenfalls etwas beruhigt zu haben ...

Winzige Fingerchen grabschen freudig nach den roten Strähnen, doch Sefra hindert sie gerade noch daran, sich wie an einer Liane daran hochzuziehen. "Aua, nicht ziehen! ... Das tut doch weh, Liebes ... nicht doch!" Halb tadelnd, halb kichernd entzieht sie ihr Haar Fianryn's erstaunlich festem Griff mit zwei Fingern.
Eine Weile betrachtet sie nachdenklich ihre Nichte und streicht über den rötlichdunklen Flaum des kleinen Kopfes. Wie lange ist es her, dass ich Siranria zuletzt so gehalten habe ...? Sie werden so schnell groß ... Und jetzt verpasse ich sogar einen wichtigen Teil ihres Lebens ... Wehmut liegt in ihrem Blick und als Fian sie staunend groß anschaut, als habe sie die Gedanken ihrer Tante erraten, fängt sie an zu lächeln: "Du erinnerst mich wirklich an meine eigenen Kinder ... Aber die sind schon so groß, dass sie nicht mehr auf meinen Schoß passen ..." Den schmerzlichen Unterton versucht sie zu unterdrücken und ein leises Kichern zustande zu bringen. Beides mag ihr nicht so sehr gelingen. "Aber das soll Dich nicht bedrücken, meine Kleine ... "
Sie lässt Fian wieder mit einer ihrer Haarsträhnen spielen und passt diesmal auf, dass sie nicht zu fest daran reisst. Inzwischen scheinen Shunjalinn und Olyvar sich ausgesprochen zu haben. Die Tür zum Schlafgemach öffnen sich und nur kurz hebt Sefra ihren Blick, da Fian ihre Freude daran hat, sich die roten Strähnen in den zahnlosen Mund zu stecken "S´ljea ... Ahhh ... das lass mal schön bleiben ... iss du lieber Deiner Mutter die Haare vom Kopf und nicht mir!", leise lachend entwendet sie dem Kind wieder die Strähne und erhebt sich vorsichtig aus dem Stuhl um den hochgewachsenen Mann an Kizumus Seite gegenueberzutreten. >Ich möchte dir endlich meinen Mann vorstellen; Olyvar, meine Schwester Sefra.<
Sefra mustert ihn mit freundlichem Lächeln und nickt ihm grüßend zu. Einen Mann an der Seite ihrer Schwester zu sehen ist für sie eigentlich kein ungewohnter Anblick. Doch diesmal ist es nicht Heron, sondern ein anderer. Und Heron ... Sie führt den Gedanken nicht zu Ende, sondern rückt das Bündel in ihrem Arm zurecht, dessen Greiferchen sich wieder verdächtig den begehrten roten Strähnen nähern. "Endlich lernen wir uns auch einmal kennen, wo wir uns die ganze Zeit verpasst haben ..."
Sefra wendet sich ihrer Schwester zu und bemerkt erst jetzt die noch immer rotgeränderten Augen Also habe ich mich nicht verhört ... sie hat geweint ... Es tut ihr leid, sie so zu sehen. Sie hat es nie gemocht, wenn einer ihrer Lieben unglücklich ist.
Nachdem sich Olyvar entschuldigt, er müsse noch einigen Pflichten nachgehen und sich dann von den beiden Frauen verabschiedet, legt Sefra ihre Nichte wieder zurück auf das Lager und lässt sich von Shunjalinn erzählen was sie bedrückt. Sie erzählt von den verlorenen und totgeglaubten Freunden. Oft und lange reden sie über sie und auch über das Geschehen. Während sie am Kamin sitzen oder spazieren gehen. Später auch über Kizumus ältesten Sohn Ireás.
Als die frohe Nachricht kommt, es haben doch noch einige überlebt - Raven und Caewlin - so versucht sie weiterhin dennoch den Schmerz ihrer Schwester durch Zuhören zu lindern. Wie oft hat sie bei ihrer Mutter gesessen, die sich nach ihrer jüngeren Tochter gesehnt und immer wieder über sie beide als Kinder gesprochen hat. Oder auch Shaeria, wie sie unter ihrem Liebeskummer litt. An Heron mag sie erst gar nicht denken, obgleich ihre Gedanken immer wieder zu ihm zurückkehren. Immer hat sie versucht die geschlagenen Wunden zu lindern und ihre Liebsten aufzufangen. So wie jetzt bei ihrer Schwester.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Mael Duinc am 10. Apr. 2005, 20:48 Uhr
Neugierig verfolgt Máel das Schauspiel, das sich unten auf dem großen Platz abspielt. Der Auflauf der Blaumäntel, der sich dicht gedrängt vor dem Eingang zum Kerkerturm gebildet hat, strahlt eine ein fast greifbare Aura der Anspannung aus. Nur halblautes Gemurmel ist zu hören, während Olyvar Armbruster und Bogenschützen Aufstellung nehmen lässt. Welcher Schrecken der Neun Höllen soll durch diese Türe treten?, fragt er sich ein wenig ratlos, nachdem doch eben erst der kriegerisch aussehende Nordmann und die seltsam gewandete, zierliche Frau freiwillig dort hinein gegangen sind. Und schneller als erwartet, soll er eine Antwort darauf erhalten. Als erstes erscheint ein augenfällig verschreckter Crabb, der sich mit wildem Armrudern an den Lord Commander wendet, und damit wohl zum Ausdruck bringen will, er >>solle die Leute hier wegschaffen<< Zumindest interpretiert der Elf seine Körpersprache so, und Olyvars aufgebrachtes Schnauben bestätigt das.

Und dann spürt Máel die dunkle, bitter Welle aus Zorn und Wut, die gegen seine emphatischen Sinne brandet, noch bevor laut krachend die massive, eisenbeschlagene Tür gegen die dicken Mauern des Kerkerturms kracht. Als wäre er einer Flamme zu nahe gekommen, verzieht der ehemalige Dieb das Gesicht und kneift seine Augen zu engen Schlitzen zusammen, als der Sturmlord wie der Rachegott selbst aus den Tiefen der Festung emporsteigt. Das wimmernde, blutige Bündel, das er hinter sich herschleift, ist kaum noch als Mann zu erkennen, und eine Blutspur färbt das Pflaster des Äußeren Zwingers dunkel, wo der zerschlagene Körper über den Boden rutscht. Wie ein Weizenfeld im Wind, teilt sich die Schar Blaumäntel vor dem hünenhaften Nordmann, um sich hinter ihm, der jungen Frau und dem anderen Norman wieder zu vereinen und ihnen in respektvollen Abstand zu folgen. Irritiert bemerkt Maél die Eisenschelle, die die Rechte Hand des Mannes ersetzt, dessen blutbesudelte Kleidung wie eine zweite Haut an seinem Körper klebt.

Niemand stellt sich ihm in den Weg, hält ihn mit einer Frage auf, als er sich ein Seil schnappt, und für Máel ist klar, welchem Zweck es dienen soll. Siebeneinhalb Fuß groß, wie ein Berg aus Muskeln und rasender Wut, gliche vermutlich auch jeder Versuch dem Nordmann in den Weg zu treten einem Selbstmord. Oder Federlesens schlingt er das dicke Seil um den Hals seines Opfers, um ihn aufzuknüpfen und qualvoll ersticken zu lassen. Kurz darauf ist das schaurige Spektakel beendet, als die Nordmänner auf ihren Pferden die Steinfaust verlassen, wobei die schwarzhaarige Frau diesmal jedoch mit dem Einhändigen auf einem Pferd sitzt, während der andere die Leiche aufgeladen hat. Der Auflauf der Gardisten zerstreut sich langsam, und Máel will sich bereits abwenden, als er Olyvars Gefährtin bemerkt, die sich mit den Kindern und zwei weiteren Frauen dem Lord Commander nähert. Wenigstens jage ich ihr keinen Schrecken ein, als wenn sie unvermittelt vor mir gestanden hätten., denkt er gerade noch, als Olyvar in Richtung Tor davon geht.

Nach einem Augenblick kommt er wieder in Máels Blickfeld, und was der Elf sieht, lässt ihn pfeifend die Luft zwischen den Zähnen einziehen. Uuma und Ben! Unschwer erkennen seine Sinne die Gefühle, die in der kleinen Wilden toben, und sein Kopf ist wie leergefegt, als er sich krampfhaft zu überlegen versucht, was er ihr sagen könnte. Er hatte nicht damit gerechnet, so unvermittelt vor einem Menschen zu stehen, dem etwas an ihm liegt, Wie soll ich ihr das erklären?! Die Zeit rast, und noch während er hilflos wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft ringt, vernimmt er bereits die Schritte von Olyvar und seiner Gefolgschaft auf dem Flur vor der Tür. Angespannt richtet er seine Kleidung und streicht sich fahrig durchs Haar, während er versucht einen halbwegs vernünftigen Eindruck zu machen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 11. Apr. 2005, 21:21 Uhr
Die Wachen vor der schweren, eisenbeschlagenen Tür nehmen Haltung an, als sie erkennen, daß der Lord Commander mit seiner Familie, der Kindermagd und einem Gast (samt Hund) sich seinen Gemächern nähert. Olyvar weiß wirklich nicht, welcher Dämon ihn geritten hat, das kleine Wildlingsmädel mit hierher zu schleppen und ihr höchstpersönlich einen Geist zu zeigen, aber irgendwie hat er auch das schwer zu erklärende Gefühl, daß sie von allen möglichen früheren Bekannten Maéls den Mund würde halten können... woher diese Hoffnung kommt, kann er allerdings keineswegs sagen. Mit respektvollem Kopfnicken öffnen die Wachmänner ihnen die Tür und lassen sie eintreten und der junge Cernd wird dank Kizumus Lächeln in seine Richtung so rot wie eine von Ballabars schönsten Tomaten, was Olyvar mit einem kleinen Schnauben zur Kenntnis nimmt. Noch im Hineingehen nimmt er Feorna beiseite und reicht der Magd seinen Sohn, dann tritt er als erster in die kleine Vorhalle, wo Mael immer noch im Alkoven steht, dort, wo er den Elb zurückgelassen hatte. "Feorna, nimm die Kinder und bade sie einstweilen." Die Magd läßt sich von Sefra Fianryn in ihren freien Arm legen, knickst leicht und eilt dann davon, ohne dem fremden Elben auch nur einen weiteren Blick zu schenken. Olyvar nickt sacht - ob sie ihn erkannt hat oder nicht, er weiß, daß er die Kindermagd wird einweihen müssen und hat deswegen wenig Bedenken. Feorna ist ungeheuer schüchtern und alles andere als ein Klatschweib. Wenn er ihr sagte, daß sie den Mund zu halten hat, dann würde ihr nicht einmal Sithech höchstpersönlich von Maéls Anwesenheit im Westflügel der Steinfaust erfahren. Kaum ist Feorna davongehuscht, nimmt er Kizumu leicht am Arm und gibt Uuma hinter sich endlich den Blick auf Maél frei, der sich hastig um einen möglichst respektablen Eindruck bemüht. "Uuma..." Olyvar wendet sich halb um und weicht dem schwarzfelligen Bärenhund aus, der sich wild schwanzwedelnd und jappend zwischen ihm und Kizumu hindurchdrängt, um zu seinem Herrn zu kommen. "Ich habe dir eine Erklärung versprochen - bitte, hier ist sie." Er tritt zur Seite, Kizumu im Arm, dann wendet er sich an Maél, bevor der Elb vollends unter der Begrüßung seines Hundes zu Boden geht. "Ich habe Euch jemanden mitgebracht, wie Ihr seht. Und das hier ist  Kizumu, meine Frau. Und ihre Schwester Sefra, die uns für eine Weile besucht, meine Schwägerin. Myladies: Maél Duinc. Er wird noch ein Weilchen hierbleiben müssen, aber nicht mehr lange."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Sefra am 12. Apr. 2005, 00:13 Uhr
Die nach Blut schmeckende Luft schlägt den drei Frauen geradezu entgegen, als diese die Steinfaust betreten. Als wäre gerade das frische kupfernde Rot wie Blütenstaub in der Luft zerstäubt worden. Obwohl Shunjalinn ihrer Schwester zuvor erklärt hatte, dass heute Verbrecher hingerichtet werden, wirkt Sefra reichlich von der Stimmung verwirrt. Zudem herrscht noch eine gedrückte Atmosphäre zwischen den Männern, die sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren versuchen. Sie folgt Kizumu besorgt in den Inneren Zwinger und drückt ihre kleine Nichte sanft an sich, als ob es sie vor etwas zu schützen gilt. Sie steuern auf Olyvar und zwei Offziere zu, wobei Sefra mit Feorna ein Stückchen zurück bleiben und etwas entfernt zum stehen kommen. Die Elbin erkennt den einen Blaurock, der wohl Cedric heisst, wieder. Sie empfindet es aber nicht als passend ihn deswegen mehr oder weniger euphorisch zu begrüßen und darüber einen Plausch zu halten, das die Suche nach ihrer Schwester letztendlich Erfolg hatte. Stattdessen nickt sie ihm stumm zu und richtet ihre Aufmerksamkeit auf ihren Schwager, der gerade erklärt wie es zu diesem blutigen Chaos gekommen ist. Sie kann sich daran erinnern, was ihr ihre Schwester über Caewlin und seine verstorbene Frau erzählt hatte und kombiniert das mit Olyvars Satz >Caewlin war hier und hat sich den Mörder seiner Frau geholt<.
Ihr ist der Gedanke der Rache nicht fremd. Sie kann ihn sogar gut verstehen, auch wenn sie bisher nie in dieser Lage war, sich an jemanden rächen zu müssen. Doch allein der Gedanke, dass jemand ihrer Familie etwas antun könnte, macht sie schier rasend. Doch wird hier - in einer geordneten Stadt und zwischen all den Soldaten - zugelassen, dass jemand so blutig, wie es hier aussieht, Rache nimmt? Ich hätte erwartet, dass soetwas wie Blutrache nicht zugelassen wird - egal wie verständlich das ist. Den Gedanken behält sie allerdings erstmal für sich. Es ist weder der passende Augenblick, noch der passende Ort über solche Dinge Zweifel laut werden zu lassen.
Olyvar widmet sich knapp einem jungen Mädchen und einem großen Hund führt diese kurzerhand in Begleitung ihrer Schwester mit sich zu den beiden zurück um gemeinsam in den Westflügel zurückzukehren. Sefra versteht diese Vorgänge nicht ganz, hat kaum etwas von den Problemen mitbekommen, mit denen sich der Lord Commander der Steinfaust täglich herumschlagen muss. Doch sie beschließt, dass ihr Schwager offensichtlich alles im Griff hat und trabt mit Feorna und Fianryn voraus in die privaten Gemächer.

Nach dem Spaziergang ist Sefra erleichtert wieder zurück in den Gemächern zu sein, obgleich sie es auch genossen hat, draußen zu sein. Während der Reise nach Talyra hat sie sich daran gewöhnt die meiste ihrer Zeit unter dem offenen Himmel zu verbringen. Doch genießt sie auch die warme Sicherheit der Gemäuer, die sie schon allein wegen ihrem Faible für Gestein schätzt. Hin und wieder hat sie sich schon in den Gedanken verloren ein wenig den Stein der Gemäuer zu bearbeiten, ihre Vorstellungen gingen von den ausladend gebauten Kaminen die sie in Gedanken noch mehr verziehrt, als sie eh schon sind, bis hin zu kleinen Ausbuchtungen der Außenwände in Form von Erkern, die sicherlich auch gut in das Bild der großen Säulenhalle passen würde. Die Gobelins findet sie zwar an sich sehr schön, doch sie reizt einfach der Gedanke, die Szenerien in den bloßen Stein zu formen. Warum eigentlich nicht?, hatte sie gedacht Ich kann doch dann alles wieder Rückgängig machen, wenn ich wieder abreise ...
Wehmütig gibt sie ihre Nichte an das Kindermädchen ab und bleibt unschlüssig am Eingang der Vorhalle stehen. Olyvar spricht einige Worte mit dem jungen wildaussehenden Mädchen und wird letztendlich einem fremden Elben vorgestellt >Maél Duinc. Er wird noch ein Weilchen hierbleiben müssen, aber nicht mehr lange.<
Dieser steht am Fenster und blickt ihnen angespannt und erwartungsvoll entgegen, um sich dann im nächsten Augenblick grüßend zu verneigen, als ob er sich seiner Manieren erst jetzt wieder entsinnt. Doch die Aufmerksamkeit gilt vorerst mehr dem kleinen Wildfang und dem großen aufgeregten Hund, der ihm schwanzwedelnd entgegenläuft um ihn stürmisch zu begrüßen.
Sefra mustert den fremden Elben in der ganzen Aufruhr des Hundes und des jungen schwarzhaarigen Mädchens aus einiger Entfernung an der Seite ihrer Schwester und deren Gemahl und nickt grüßend. "Khel Dar ..."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Uuma am 12. Apr. 2005, 11:29 Uhr
Uumas Schritt wird ungewollt langsamer, als sie sich Blaumänteln nähern, die vor einer großen Türe Wache stehen, die so blank ist, wie Uuma noch nie Holz gesehen hat. Unauffällig streckt Uuma einen Finger aus  und berührt das glatte Holz, als sie den anderen in die Privatgemächer des Anführers folgt und grübelt, wie man das hingekriegt hat, denn selbst das Öl der Fische vermag ihres Wissens kein Holz so glatt zu bekommen. Sofort fällt Uuma linkerhand die Ausbuchtung des Raumes nach   draußen auf und am liebsten würde sie zu dem niedrigen Fenster laufen, um raus zu gucken und zu sehen wo sie ist, doch sie rührt sich nicht vom Fleck und wartet, bis die bisher auffällig stille Frau mit den beiden kleinen Kindern auf dem Arm davoneilt. Dabei kann Uuma das Gesicht der vorangeschrittenen Rothaarigen sehen und blickt überrascht von ihr zur Frau des Anführers und glaubt ihren Augen nicht zu trauen. Frauen sehen aus gleich!?. In ihrem Stamm und auch auf ihrer Reise hat Uuma noch nie Zwillinge gesehen und wieder grübelt sie, diesmal, wie das möglich ist, dass die beiden Frauen so gleich aussehen.
Dann folgt Uuma den anderen durch die zweite Türe und der Anblick des Raumes lässt sie sich mit schneller schlagendem Herzen umsehen. Den Grund ihres Hierseins hat sie in diesem Augenblick vollkommen vergessen, bis Ben sich von ihrem Griff in seinem Nackenfell losreißt und losstürmt. Uuma will ihn gerade zurückrufen, als der Anführer mit seiner Frau zur Seite tritt und ihr somit den Blick in den ganzen riesigen Raum freigibt, der eigentlich eine Halle ist und sie von der Bauart spontan an die Ställe der Burg erinnert.

>>"Ich habe dir eine Erklärung versprochen - bitte, hier ist sie."<< Während Uuma noch auf die kostbaren weichen Teppiche blickt, auf denen Ben mit seinen großen und wahrscheinlich schmutzigen Pfoten drüberspringt, hört sie die Worte des Anführers und blickt zu ihm auf, doch dann registriert Uuma eine weitere Person, die in diesem riesigen Raum, der voller kostbarer Möbel und ebenso kostbaren Einrichtungsgegenständen und wunderschönen Teppichen an den Wänden, wie Uuma das noch nie gesehen hat, vor einer weiteren, nach draußen gebauten großen Niesche steht und von Ben gerade umgesprungen wird. Das helle Sonnenlicht und der warme Ton der Wände taucht die Person in ein sanftes Licht und Uuma schluckt.

Das nicht können sein! durchfährt es sie schmerzlich. Uuma steht wie angewurzelt da, streckt den Kopf etwas vor, guckt nochmal hin, als würde sie eine Baumkatze im dichten Laub einer Baumkrone mit ihrem Blick verfolgen und dreht sich abrupt zu den beiden rothaarigen Frauen um, die absolut gleich aussehen, dann wieder zu der Person am Fenster. Das auch seien Doppel? fragt sich Uuma mit bangem Herzen und geht langsam auf die Person zu. Uuma geht dabei, ohne es bewusst zu tun, um die kostbaren Teppiche herum, über die Ben unbekümmert drübergesprungen war und bleibt vor den beiden stehen.

Grüne Augen mit unzähligen kleinen Goldsprenkeln darin funkeln sie schuldbewusst an, aber auch gleichzeitig so warm und lebendig und dann ist da noch sein Geruch, auch wenn er weniger stark ist, als im Haus. Vorsichtig streckt sie ihren Finger aus, stubst ihn an und erntet ein Lächeln, das schon mehr einem belustigten Grinsen ähnelt und sie ist sich sicher: Das seien Schlanker, lebendig...  "Aber wer..." seien Kopf auf Tor? fragt sie sich leise und in Gedanken. Doch dann schnappt Uuma nach Luft und, als hätte sie eine Tarantel gestochen, entläd sich ihr ganzer Kummer, ihr Selbstvorwurf und der durchlittene Verlustschmerz über ihn und sie faucht los.

"Wie können Schlanker Uuma erschrecken so?!" Uuma stößt mit beiden Händen voll gegen seine Brust und befördert den Elben dabei wieder unsanft auf seinen Hosenboden, der  gerade von Bens Attacke auf die Beine kommen wollte. "Erst Schlanker retten Uuma, dann Schlanker Uuma erschrecken halb tot und jetzt seien hier und Augen... Augen... seien lebendig wie... wie.... kleiner Junge der spielen mit Uuma!" Hastig kommen die letzten Worte über ihre Lippen und sie packt ihn an den Schultern, weil sie gerade in der richtigen Höhe sind, wie er da  vor ihr auf dem Boden sitzt und schüttelt ihn außer sich vor Freude und Zorn gleichzeitig, bis ihre Hände langsam von seinen Schultern abrutschen und sie zum zweiten Mal an diesem Tag auf die Knie sinkt und gegen ihre Tränen ankämpft.

Uuma hat vollkommen vergessen, wo sie sich befindet, vergessen, wer sich hinter ihr in dieser prächtigen Halle befindet, sie fühlt nur die erdrückende Last von ihren Schultern weichen, die sie seit jenem Moment mit sich schleppt, als sie seinen Kopf auf dem Torbogen sah.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Mael Duinc am 12. Apr. 2005, 14:39 Uhr
Als sich die dicke, polierte Holztür öffnet, muss Máel hart schlucken, doch zu seiner großen Erleichterung erblickt er als erstes Olyvar, was ihm eine kurze Gnadenfrist einräumt. Der oberste Blaumantel schickt die Magd, die seine Frau Kizumu und deren Schwester Sefra begleitet hat, mit den beiden Kindern fort, so dass sie ungestört sind, und Feorna entfernt sich pflichtbewusstt, ohne einen neugierigen Blick auf den ehemaligen Dieb zu riskieren. Máel lächelt den beiden Damen an Olyvars Seite freundlich entgegen, doch als der Lord Commander zur Seite treten möchte, um Uuma durchzulassen, nutzt Ben seine Chance, um auf Máel zu zuschießen, wie ein Pfeil von einer Bogensehne! Alles „Halt, Stop, AUS!“ verhallt unbeachtet, und mit der puren Kraft seines Gewichts reißt das schwarze Ungetüm den Elfen von den Beinen. In einem wenig würdevollen Knäuel aus Händen und Pfoten versucht sich Máel prustend vor Ben überdimensionaler, feuchter Zunge in Sicherheit zu bringen. Vergebens natürlich!

Gerade als der überrumpelte Elf es geschafft hat, sich von seinem treuen Gefährten zu befreien, werden ihm Kizumu und Sefra vorgestellt. >>Ich habe Euch jemanden mitgebracht, wie Ihr seht. Und das hier ist  Kizumu, meine Frau. Und ihre Schwester Sefra, die uns für eine Weile besucht, meine Schwägerin. Myladies: Maél Duinc. Er wird noch ein Weilchen hierbleiben müssen, aber nicht mehr lange.<< Máel rappelt sich bis auf seine Knie auf, wobei er sich Staub und schwarze Haare von seiner Kleidung streicht, und erwidert Sefras elbischen Gruß: „Khel dar…“, wobei er die verblüffende Ähnlichkeit der beiden Elbinnen bemerkt, doch weiter kommt er nicht, denn Uumas Augen werden groß als sie den knienden Elfen erblickt. >>Ich habe dir eine Erklärung versprochen - bitte, hier ist sie.<< durchbricht Olyvars Stimme die kurze Pause, in der niemand etwas sagt, und langsam, fast ängstlich, tritt die kleine Wilde an Máel heran.

In ihren Augen mischen sich Unglauben, Freude und Wut zu einem Strudel, der Máels grüngoldene Augen völlig gefangen nimmt, bis sie auf verschlungenen Wegen um die dicken Teppiche und Läufer schließlich vor ihm steht. So vorsichtig, als würde sie eine zerbrechliche Figur aus Zuckerguss berühren, stupst sie dem Elfen mit einem Finger vor die Brust, als könne sie ihren Augen alleine nicht trauen. >> Aber wer...<<, kommt es stockend über ihre bebenden Lippen, bis sie mit einem empörten Aufschrei >>Wie können Schlanker Uuma erschrecken so?!<< mit beiden Händen gegen Máels Brust stößt, was ihn erneut auf seinen Hosenboden schickt. Wie Wasser aus einer Quelle sprudeln die Worte aus ihr heraus. >>Erst Schlanker retten Uuma, dann Schlanker Uuma erschrecken halt tot und jetzt seien hier und Augen... Augen... seien lebendig wie... wie.... kleiner Junge der spielen mit Uuma!<< In einem wilden Stakkato trommeln Uumas kleine Fäuste gegen ihn, während Máel verzweifelt versucht, beruhigend seine Arme um sie zu schließen, was ihm erst gelingen will, als sie sich den Tränen nah von ihm entfernen will.

„Schhhh…schhh…alles ist gut…beruhige Dich…“, seine melodische, eindringliche Stimme vollbringt das kleine Wunder, Uumas Tränen nicht unkontrolliert über ihre erhitzten, geröteten Wangen laufen zu lassen, während er sie sanft wiegt. „Mir geht es gut, und es tut mir sehr Leid, dass wir Dir nicht gleich alles sagen konnten.“ Er rückt sie ein wenig von sich ab, um in ihre Augen zu sehen, deren Brauen sich vorwurfsvoll zusammen ziehen. „Ich erkläre es Dir später, aber Du kannst mir glauben, dass ich Dich nicht gern so getäuscht habe. Aber Du darfst niemandem sagen, dass ich lebe und hier bin!“ Als er sich geschickt erhebt, und Uuma dabei mit auf die Füße zieht, hat er seine Fassung wieder gewonnen. Ben streicht immer noch um seine Beine, bis er ihn mit einem leisen „Sitz! Benimm Dich gefälligst!“ zur Ordnung ruft. Mit einer geübten Bewegung richtet Máel schnell seine zerwühlten Haare, was erstaunlich gut gelingt, und tritt zu den beiden Damen. „Lady Kizumu, verehrte Sefra, ich bin erfreut Eure Bekanntschaft zu machen und bin Euch ebenso wie Lord von Tarascon für Eure Gastfreundschaft zu Dank verpflichtet.“ Mit einer galanten Verbeugung und einem frechen Grinsen fügt er augenzwinkernd hinzu: „Die Gerüchte sind also wahr! Euer Gemahl versteckt die beiden schönsten Frauen Talyras  hier zu seinem alleinigen Vergnügen!“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 13. Apr. 2005, 08:02 Uhr
Sie folgt ihrem Mann zum großen Tor der Festung, wo sie auf eine kleine, sehr zierliche Frau, beinahe noch ein Mädchen und einen riesigen, schwarzen Hund treffen. Olyvar geht vor der Frau, die die dünnen Arme um den kräftigen Hals des Rüden geschlungen hat, spricht leise und beruhigend auf sie ein und nimmt sie schließlich in den Westflügel hinauf. Auf dem Weg dorthin erklärt er ihr die breite Blutspur und während er spricht, wird ihr Herz schwer. Sie hatte Caewlin schon mehrmals im Kampf gesehen, hatte seine tödliche Präzision gesehen und sie hatte gesehen, was er mit dem Mann, dessen Bande sie auf ihrem Weg nach Liedberg zerschlagen hatten angestellt hatte. Sie war nie zimperlich gewesen, hatte sich oft genug ihrer Haut gewehrt, aber die Brutalität dieser Blutrache lässt selbst sie schwer schlucken.
Olyvar hüllt sich grinsend in Geheimnisse, als er von einem Geist spricht, den sie in ihren Gemächern vorfinden würden, stiehlt ihr einen Kuss und den erwachenden Conn aus den Armen und geht schließlich voran. Sie lächelt den beiden Wachen, die rasch Haltung angenommen haben freundlich zu, bemerkt jedoch das Erröten des jungen Mannes nicht. Sie ist zu sehr auf den `Geist´in ihrer Halle gespannt und in Gedanken noch immer bei Caewlin.
In einem der Alkoven kann sie einen Elben erkennen, der hastig seine Kleidung in Ordnung bringt, was ihm jedoch wenig nützt, da der große Hund sich, kaum das Olyvar einen Sekhel zur Seite getreten ist auf ihn stürzt und ihn freudig begrüßt. Olyvar schickt Feorna mit den Kindern hinaus, während Sefra, er und Kizumu die kleine Szene zwischen dem Elben, dem Hund und der kleinen Frau schweigend beobachten. Die Frau scheint die Gemeinsprache nur bruchstückhaft zu beherrschen, doch die wenigen, einfachen Worte drücken ihre Gefühle deutlich genug aus. Sie scheint zuerst ungläubig, dann wütend, was Kizumu nicht weiter verwundert. Die Elbin hatte nur einen kurzen Blick über die Köpfe der Hingerichteten schweifen lassen, doch sie glaubt in dem jungen, äußerst lebendigem Elben in ihrer Halle einen der Männer wieder zu erkennen. Doch schließlich überwiegt die Freude der Wilden und der als Máel Duinc vorgestellte nimmt sie in den Arm und wiegt sie tröstend hin und her. Als die Tränen der Erleichterung Uumas langsam versiegen, erhebt sich der Elb, zieht das Wildlingsmädchen mit sich auf die Füße und macht die wenigen Schritt auf Olyvar und die beiden Elbinnen zu. Er verneigt sich galant, während er die beiden Frauen begrüßt und Kizumu wechselt einen amüsierten Blick mit ihrer Schwester. Soso, die beiden schönsten Frauen.. Sie spürt Olyvars Nähe, seinen warmen Körper dicht an ihrem und sie braucht sich nicht umzusehen, um zu wissen, das sein Gesicht nach Máels Worten eine unverbindliche Maske geworden ist. Die Elbin verlagert das Gewicht von einem auf den anderen Fuß, mehr ist nicht nötig um ihren Mann ganz zu berühren, während ein kleines, freundliches Lächeln auf ihren Lippen ruht. "Es freut mich, Euch kennen zu lernen, aber ich wäre jetzt wirklich neugierig zu erfahren, was für ein kleines Geheimnis Ihr mit meinem Mann teilt." Kizumu wendet sich halb zu Olyvar um und blickt ihn fragend an. Auch Uuma, die sich mittlerweile beruhigt hat, scheint auf eine Aufklärung dieser ganzen Scharade zu warten.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 15. Apr. 2005, 08:50 Uhr
"Aye," schnaubt Olyvar belustigt, während Kizumu sich an ihn lehnt und er beide Arme um ihre Mitte schlingt, "natürlich. Ich kann sie schließlich nicht frei in einer Stadt herumlaufen lassen, in der gutaussehende Elben mit Honigzungen unterwegs sind, nicht wahr?" Kizumu tritt ihm grinsend sacht, aber nachdrücklich, auf den Fuß und bohrt ihm ihren Ellenbogen in den Magen. "Ifrinn! Da seht Ihr es. Geschieht allein zu eurem Schutz." Er fängt ihre Hände ein, drängt sie ein paar Schritt vorwärts, ohne sie dabei loszulassen und Wärme füllt sein Inneres. Ein - zweifellos nur nett gemeintes - Kompliment von einem Fremden, aber sie hatte trotzdem sofort seine Nähe gesucht. Seine Finger verschränken sich mit ihren. "Komm, gehen wir hinein, Sgáileanabh, bevor du vor Neugier umkommst. Uuma, begleitest du uns? Dann hörst du die Geschichte von Maél dem Geist auch gleich." Er nickt in Richtung der Großen Halle hinüber und Sefra ist so nett, mit einem amüsierten Schmunzeln voranzugehen und ihre Gäste hineinzuführen. Als sie schließlich zusammen an einer Hälfte der langen Tafel vor dem großen Kamin versammelt sitzen, Ben sich schnuppernd und jappend mit Grau bekannt macht und die Kinder ihren Nachmittagsschlaf halten, die Frauen für eine Kanne dampfenden Tees sorgen und irgendwoher einen Früchtekuchen zaubern, müssen Olyvar und Maél schließlich mit der Sprache herausrücken - beobachtet von drei gespannten Gesichtern.
Uuma sitzt dicht bei dem Elben, Kizumu neben Olyvar an der Stirnseite des Tisches, Sefra dem Elben und dem Wildlingsmädchen gegenüber. Die Hunde haben sich mittlerweile an den Kamin verzogen und führen leise grollende, nasenzuckende Hundegespräche. "Naja, das ganze fing mit dieser Piratengeschichte auf dem Ildorel an..." Olyvar erzählt kurz von ihrer denkwürdigen Schmugglerjagd, was sowohl bei dem Elben, als auch bei Uuma, die ja dabeigewesen waren, trotz aller dramatischen Ereignisse in dieser Nacht immer wieder Kichern auslöst, vor allem bei der Erinnerung an Achims Ogerarien mitten im Fluss und ihre Verkleidung, um das Schiff zu kapern. Dann berichtet Olyvar von dem gefälschten Steckbrief aus Ambar, ohne dabei näher auf Maéls Vergangenheit einzugehen, denn es ist Sache des Elben, darüber zu reden oder nicht, und endet mit Pumquats "Plan." "Maél hat mir seine Geschichte erzählt und ich wußte, daß der Steckbrief falsch ist. Ich wollte ihm helfen, aber ich wußte nicht recht wie, bis Pumquat - er hat das Ganze mit angehört und du kennst ihn ja, Sgáileanabh - auf die Idee kam, ihn doch sterben zu lassen, wenn Ambar schon sosehr seinen Tod wünscht. Eine andere Möglichkeit, Maél Ruhe vor seinen ambarianischen Verfolgern zu verschaffen, fiel uns nicht ein, also ist er tatsächlich gestorben. Einer der Piratenführer, die zum Tode verurteilt worden sind, wurde von Pumquat so verzaubert, daß er aussah wie unser Elb hier und den Rest der Geschichte könnt ihr euch ja denken. Wir müssen nur dafür sorgen, daß die Geschichten über seine Hinrichtung auch zuverlässig am Meer der Ruhe landen und wenn ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist, kann er in Talyra offen sein Leben führen."  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Uuma am 15. Apr. 2005, 21:39 Uhr
Als Schlanker seine Arme beruhigend um sie schließt spürt Uuma wieder die Seelenwärme, die ihr selbst in seinem spitzbübischen Lächeln entgegen strahlt, und sie weiß, warum sie der Gedanke, Schlanker verloren zu haben, so niedergeschmettert hatte. Talyra ohne sein Lächeln, ohne seine offene lebenslustige Art, wäre für sie wie der Dunkelwald ohne ihr Stamm, ohne jemanden in der großen Stadt, der ihr das vertraute Gefühl der Unbeschwertheit vermittelt, die sie sich zuhause fühlen lässt. Uuma nickt zu seiner Erklärung und grübelt über das Warum, als Schlanker sie auch schon auf die Füße hebt und Uuma erst einmal stehen bleibt, wo sie ist. Uumas Nachdenklichkeit währt jedoch nicht lange, denn schon lenken seine Gesten und Worte ihre Aufmerksamkeit zu den Menschen, die sie kurzfristig einfach vergessen hatte. Sie beobachtet den Anführer, der seine Frau zärtlich umarmt und Uuma saugt die Eindrücke in sich auf, denn das liebevolle Verhalten zwischen ihnen berührt sie, aber sie tut es unauffällig.

>>"Komm, gehen wir hinein, Sgáileanabh, bevor du vor Neugier umkommst. Uuma, begleitest du uns? Dann hörst du die Geschichte von Maél dem Geist auch gleich." Bei den ersten Worten beobachtet Uuma die beiden Verliebten noch, doch dann erschrickt sie innerlich als sie angesprochen wird, weil sie sich ertappt fühlt und schnell nickt sie zustimmend. Während sie alle bedenkenlos über den kostbaren Teppich zum Tisch gehen, kostet es Uuma regelrecht Überwindung, ihnen darüber zu folgen. Auf Zehenspitzen schleicht sie, obwohl ihre Echsenlederstiefelchen schon längst die Erde vom Platz der Händler auf den Kopfsteinen verloren haben, hinter ihnen her und atmet erleichtert auf, als sie endlich den langen Tisch erreicht, an dem sich alle nieder gelassen haben. Uuma setzt sich auf einen, der ihr ebenso kostbar vorkommenden Stühle, ganz außen neben Schlanker, der, wie sie gerade mitbekommen hat, "Maél Duinc" heißt. Maél Duinc, wiederholt sie stumm und schüttelt den Kopf. Name Maél nichts sagen aus über Schlanker, nur seien Klang, entscheidet Uuma kurzerhand für sich. Du-inc gefällt ihr schon besser, denn die beiden Silben hören sich irgendwie lustig an und passen zu seinem spitzbübischen Lächeln.

Während Uuma sich noch mit den beiden Namen von Schlanker auseinandersetzt werden Kuchen und Tee gereicht und dankbar trinkt Uuma von dem angebotenen Getränk und isst von dem wunderbar durftenden und genauso köstlich schmeckendem Kuchen und achtet dabei darauf, dass sie es genauso tut, wie die beiden Frauen, um nicht unangenehm aufzufallen. Immer wieder muss sie leise lachen, wenn der Anführer von Begebenheiten erzählt, die Uuma im Nachhinein wesentlich lustiger vorkommen, als in der Nacht. Dabei fällt ihr auf, wie genau er alles beobachtet hat und sie stellt sich vor, was für ein guter Jäger er im Dunkelwald wäre und muss im nächsten Moment amüsiert darüber lachen, was aber durch die allgemeine Heiterkeit nicht weiter auffällt.

Als das Gespräch auf die Hilfe zu sprechen kommt, die Schlanker durch den Anführer und dessen Schreiberling zuteil wurde, ist sie überrascht und staunt, wie ein Zauber einen anderen Mann, wie Schlanker aussehen lassen kann. Was sie aber noch mehr verwundert ist, dass Schlanker in einer fernen Stadt Feinde hat, die ihn tot sehen wollen, was ihr eine Gänsehaut über den Körper jagd. Wie können Menschen wollen haben Schlanker tot? fragt sie sich und sieht ihn besorgt von der Seite an und es gefällt ihr überhaupt nicht, während ein weiteres Stückchen Früchtekuchen genüsslich in ihrem Mund verschwindet.


Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Mael Duinc am 18. Apr. 2005, 13:59 Uhr
Kizumu reagiert auf Máels Schmeichelei mit einem vergnügten Blick zu ihrer Schwester, doch macht sie mit einem fast unsichtbaren Zeichen klar, zu wem sie gehört. Olyvar schließt sie in seine Arme, als sie sich sanft gegen seine Brust lehnt, und verschmitzt antwortet er für seine Gemahlin. >>Aye, natürlich. Ich kann sie schließlich nicht frei in einer Stadt herumlaufen lassen, in der gutaussehende Elben mit Honigzungen unterwegs sind, nicht wahr?<< Máel setzt bereits zu einer spitzbübischen Erwiderung an, als Kizumu das Wort ergreift. >>Es freut mich, Euch kennen zu lernen, aber ich wäre jetzt wirklich neugierig zu erfahren, was für ein kleines Geheimnis Ihr mit meinem Mann teilt.<< Skepsis und Neugierde sind aus ihrem Gesicht zu lesen, denn sie ist es offenbar nicht gewohnt, so lange von ihrem Lebensgefährten im Unklaren gelassen zu werden. Máel wird schnell ernst und neigt leicht seinen Kopf. „Selbstverständlich, Mylady.“

>>Komm, gehen wir hinein, Sgáileanabh, bevor du vor Neugier umkommst. Uuma, begleitest du uns? Dann hörst du die Geschichte von Maél dem Geist auch gleich.<< Sefra, die sich bisher ein wenig im Hintergrund gehalten hat, führt die kleine Schar zu der langen Tafel vor dem Kamin, wo sich Grau und Ben vorsichtig beschnuppern, bevor sie beschließen sich zu mögen. Wie von Zauberhand stehen schon bald Tee und Früchtekuchen bereit, sind die Kinder versorgt, und sehen sich Olyvar und Máel drei Paar wissbegieriger Augen gegenüber. Während von Tarascon von den Geschehnissen der schicksalhaften Nacht auf dem Ildorel erzählt, entstehen vor Máels Augen die Situationen neu, die aus der zeitlichen Ferne betrachtet einen gewissen Spaß vermitteln, doch sein Lächeln erstirbt, als sein Blick auf Uumas zierliche Hand fällt, die trotz all des Lachens der Dunkelwäldlerin unübersehbar ein Zeichen dieser Nacht trägt. Ein fehlender, kleiner Finger!

Der Elf bemerkt den fragenden Ausdruck in ihrem Blick, als Olyvar mit seinem Bericht geendet hat. Dankbar nickt der ehemalige Dieb ihm zu, weil er es dem Elfen überlässt, ob er Einzelheiten seiner unrühmlichen Vergangenheit preisgeben möchte. Mehr an Uuma als an Sefra oder Kizumu gewandt, führt er Olyvars angedeutete Hintergründe ein wenig weiter aus. „Mein altes Leben ist mit dieser Theateraufführung gestorben, und ich weine ihm sicher keine Träne nach. Fassen wir meine Vergangenheit damit zusammen, dass ich auf schmerzliche Weise lernen musste, dass sich Verbrechen, egal aus welchen edlen Motiven, nicht lohnt und nur Kummer und Leid über die Menschen bringt, die man eigentlich damit vor eben diesem bewahren wollte.“ Alter Schmerz färbt seine meergrünen Augen dunkel, und den feinen Sinnen der Elbendamen bleibt der Kummer, der bei den Erinnerungen in seinem Inneren wütet, nicht verborgen. „Aber das ist jetzt vorbei! Talyra hat mir Dank Eures Gemahls eine zweite Chance gewährt, die ich zu nutzen gedenke.“, dann wendet er sich direkt an die kleine Jägerin, „Wenn Ben vielleicht noch einige Tage bei Dir bleiben könnte, würdest Du mir einen großen Gefallen tun, Uuma. Ich befürchte, ein Dauergast reicht Lady Kizumu und Lord von Tarascon vollauf.“

„Ich muss mich für die ganzen Unannehmlichkeiten entschuldigen, die ich bereitet habe, und…“, er wird von Kindergeschrei unterbrochen, das gedämpft durch die geschlossene Tür des Schlafgemachs an seine spitzen Ohren dringt, „,…mir wurde schon ein Weg aufgezeigt, mit dem ich mich erkenntlich zeigen könnte.“ Máel grinst Olyvar vielsagend an, um sich dann mit einer Entschuldigung zu erheben. „Wenn Ihr erlaubt?!“, richtet er sich an den obersten Blaumantel.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 21. Apr. 2005, 22:17 Uhr
Als die beiden kleinen Quälgeister das Teekränzchen in der Großen Halle des Westflügels unterbrechen, ist Kizumu schon halb aufgestanden, als Maél sich erbietet, sich darum zu kümmern. Olyvar tauscht einen Blick mit seiner Frau, doch nach kurzem Zögern nickt sie schließlich und er ebenfalls. "Versucht Euer Glück," grinst er. "Aber wenn sie Hunger haben solltet Ihr sie doch besser Kizumu überlassen. Dafür seid Ihr nicht ausgerüstet." Wie sich herausstellt, wünschen die Zwillinge keine Milch, sondern Unterhaltung und die bietet der Elb ihnen reichlich. Nach einer Weile erscheint er wieder in der Halle, in jedem Arm ein kicherndes Bündel Halbelb, ausgeschlafen, gut gelaunt und – netterweise - frisch gepudert und gewickelt. Und das auch noch so gekonnt, dass Olyvar nicht umhin kommt, sich zu fragen, woher ein Mann mit Maéls Vergangenheit eigentlich soviel Erfahrung im Umgang mit kleinen Kindern hat. Er mag Kinder ebenfalls, sehr gern sogar, aber gerade das Wickeln war zu Anfang ein Buch mit sieben Siegeln gewesen. Uuma zeigt sich mindestens ebenso hingerissen von seinem Sohn und seiner Tochter wie der Elb. Conn und Fianryn genießen die allgemeine Aufmerksamkeit sichtlich und verbringen den Rest des angebrochenen Nachmittags gurrend, sabbernd und krakeelend auf ihrer weichen Lammfelldecke auf dem Boden, umgeben von einem kindervernarrten Spitzohr, einem verzückten Wildingsmädel und zwei Hunden, die sich alle vier ständig gegenseitig damit übertrumpfen, der gefragteste Spielpartner zu sein. Die Zwillinge, gute fünf Monde alt und kräftig mit dem Zahnen beschäftigt, üben Greifen, spielen mit bunten, weichen Bällen aus gefärbtem Leder, mit Stoffhunden aus noch bunteren Flicken und mit allerlei Rasseln und Ringen aus Balsaholz.

Olyvar, Kizumu und Sefra beobachten das Treiben mit einer Mischung aus Belustigung und dem ungewohnten Gefühl, irgendwie überflüssig zu sein, zumindest für den Moment, ehe sie die Gelegenheit beim Schopf packen, sich einmal ungestört und vor allem jenseits aller Eltern- oder Tantenpflichten, zu dritt unterhalten zu können. Sefra erzählt viel von ihrem Zuhause, jener geheimnisvollen, sagenumwitterten Stadt unter einem Berg, wo die Feuerelben, die Riatar'ya, seit dem Ende des Vierten Zeitalters leben, von Kizumus und ihrer Familie, von alten gemeinsamen Freunden oder Erlebnissen... aber selbst Olyvar sieht den vagen Schatten in ihren Augen und spürt die Zurückhaltung in ihrer Stimme, selbst wenn sie und Kiz praktisch ununterbrochen lächeln. Was auch immer sie hergeführt hat, schlichte Sehnsucht nach ihrer Schwester war das nicht..
Nach dem Nachtmahl, als die Sonne sinkt verabschiedet sich Uuma und nimmt den Hund des Elben mit sich, allerdings nicht ohne Olyvar das hochheilige Versprechen abzunehmen, "Schlanker" auch ganz bestimmt am Leben zu lassen, und Kizumu nimmt Maél die Kinder ab, um sie zu füttern und ins Bett zu bringen. Sefra zieht sich ebenfalls zurück, recht nachdenklich, wie Olyvar meint und er selbst unterhält sich bei einem Krug Wein noch eine Weile mit Maél am Kamin, der ihn wissbegierig über das Alte Tamar ausquetscht und alle Gegenden, in denen es noch gesprochen wird. Zum Singen bringt er ihn allerdings nicht. Als Olyvar irgendwann vor Mitternacht schließlich in sein eigenes Schlafgemach kommt, zwei selig schlummernde Babys aus seiner Hälfte des ehelichen Bettes in ihre Wiegen verfrachtet und dann zu seiner Frau unter die glatten, warmen Kammgarnlaken kriecht, liegt er noch lange wach. Kizumu hat sich in ihrer traumlosen Elbentrance fest an ihn geschmiegt, einen Arm quer über seine Brust und ein schlankes Bein über seine Knie gelegt, macht allerdings keine Anstalten, auch nur ein Auge zu öffnen, doch das ist es gar nicht, was ihn so wach hält... jedenfalls nicht nur. Er fragt sich, wieso Sefra ihre Schwester den ganzen Tag über so nachdenklich, ja fast abwägend beobachtet hatte, immer dann, wenn Kiz sie gerade nicht angesehen hatte.

Die nächsten Tage und Wochen nach dem blutigen Auftritt des Sturmenders vergehen in der Steinfaust den Göttern sei Dank recht ruhig... oder zumindest ruhiger als so manch andere, und das, obwohl das baldige Inarifest sich langsam aber sicher ankündigt - vor allem mit zahllosem fahrenden Volk, das von überall her in die Stadt strömt, als gäbe es in Talyra etwas umsonst. Und fahrendes Volk bedeutet für die Blaumäntel nichts als Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit.  Im Westflügel verläuft das erweiterte Familienleben überraschend harmonisch. Sefra gehört, trotz ihrer Verschwiegenheit, was die wahren Gründe ihres Hierseins angeht, zur Familie und was immer sie hergeführt hat, weder Olyvar noch Kizumu drängen sie. Kiz genießt die Gesellschaft ihrer Schwester ohnehin sehr, denn wer weiß, wann sie wieder abreisen würde und verbringt jede freie Minute mit ihr – im Westflügel, in der Festung, im Larisgrün, mit und ohne Kinder. Maél erweist sich als erstaunlich angenehmer Gast, der kaum Ansprüche stellt, Charme und Witz beweist und stets bemüht ist, sich irgendwie nützlich zu machen. Olyvar stellt fest, dass unter der stets leichtfertigen und unbeschwerten Art, die der Elb an den Tag legt, ein durchaus ernsthaftes Wesen steckt und außerdem findet er endlich jemanden, mit dem er Schach spielen kann, das "Spiel der Könige" aus dem tiefen Süden. Allerdings ist Olyvar kein Spieler... niemand, der raffinierte, hochkomplizierte Winkelzüge plant und ausführt... er schlägt zu und räumt das Feld ab, weswegen er sich auch ständig tadeln lassen muss. Schach sei ein Spiel für Spielernaturen, für Strategen, für Künstler... und wenn er erwidert, dass sei ihm egal, schließlich gewinne er (und das tut er auch meistens), verdreht Maél nur über soviel menschliche Ignoranz die Augen und erklärt, genau da liege der Unterschied zwischen Elben und Menschen und um das Gewinnen gehe es schließlich überhaupt nicht, nur um den Weg.

Um den Weg geht es auch, als schließlich in der zweiten Hälfte des Sturmwindmonds, der Talyra nach einem langen, harten und schneereichen Winter gleich mit sommerlicher Hitze im Frühling beehrt, der Tag kommt, an dem Maél Abschied nimmt und endgültig in die Freiheit entlassen wird. Zumindest über seinen Weg in der naheliegenderen Zukunft. Immer wieder war in den vergangenen Siebentagen das Gespräch auf seine mögliche Dienste für die Steinfaust gekommen und Olyvar hat irgendwann entschieden, ihm vertrauen zu können... etwas, das er bei niemandem leichtfertig tut... und sein Angebot anzunehmen. Sie vereinbaren dennoch zunächst recht zwanglos, dass Maél sich im Lauf des Frühlings noch einmal deswegen bei ihm melden würde - denn dass der Elb zuerst einige private Dinge zu erledigen hat, die dringender sind als eine zukünftige Arbeit, ist ihnen beiden klar. Abgesehen davon würde Olyvar mit dem anstehenden Inarifest und all dem, was eine so große Feierlichkeit stets mit sich bringt - Huren, Taschendiebe, überfüllte Gasthäuser, Schlägereien, Pferderennen in den Tausendwinkelgassen und ähnlichem, erst einmal genug um die Ohren haben. Nach dem Morgenmahl packt Maél also seine wenigen Siebensachen, verabschiedet sich mit ehrlichem Bedauern von Kizumu, den Kindern und Sefra und wird dann von Olyvar durch ebenso lange, dunkle und verschlungene Geheimgänge aus dem Westflügel der Steinfaust geschleust, wie er hineingekommen war. Diesmal endet der Tunnel mitten im Larisgrün unter einer uralten Tanne, deren Äste so tief herunterhängen, dass sie eine natürliche Höhlung bilden. Den Ausgang markiert ein ganz und gar harmlos aussehender, moosbewachsener Findling, der sich jedoch erstaunlich leicht zur Seite schieben lässt. Olyvar steigt über eine rostige Eisenleiter nach oben in die milde Frühlingsluft und wartet, bis Maél ihm gefolgt ist, ehe er den Schutz der Tanne verlässt. Ringsum ist nur Wald, durchtränkt von grüngoldenem Morgenlicht und dem hektischen Gezwitscher balzender Vogelscharen.

"Wendet euch nach Osten und folgt dem schmalen Saumpfad, den ihr bald findet dann nach Norden und ihr kommt irgendwann nach einem Tausendschritt etwa ans Nordtor." Er überreicht dem Elben seinen Freibrief, eine Urkunde, die besagt, dass er ein freier, unbescholtener Bürger Talyras mit all den Rechten und Pflichten eines solchen ist, unterzeichnet mit roter Tinte von drei Ratsmitgliedern - Borgil, Uliaris (die nicht weiter gefragt hatten) und Olyvar selbst und versehen mit dem Siegel der Stadt - nur für alle Fälle. "Ich bin kein Freund großer Abschiedsszenen. Es war schön, Euch eine Weile bei uns zu haben und wir würden uns freuen, wenn Ihr uns irgendwann besucht. Slan lead, Stiorlach."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Uuma am 22. Apr. 2005, 13:59 Uhr
Uuma lauscht den Worten von Schlanker, auch wenn sie nicht alle versteht, so begreift sie doch, worum es geht und sie fragt sich, was Schlanker genau in der fernen Stadt gemacht haben mag, denn der Schmerz und die Unruhe, die bei seinen Worten in seinen Augen flackert ist nicht zu übersehen. Uuma kommt jedoch nicht lange zum Grübeln, denn die beiden Kleinen werden wach und verlangen nach ihrer Mutter. Als Schlanker sich spontan anbietet, sich um sie zu kümmern kann Uuma sich nach den Worten des Anführers, den Schlanker ´Lord von Tarascon´ genannt hatte:  >>"Versucht Euer Glück," - "Aber wenn sie Hunger haben solltet Ihr sie doch besser Kizumu überlassen. Dafür seid Ihr nicht ausgerüstet." - nur amüsiert lachen und sie kichert noch, als er wirklich davonstapft. Als er mit den beiden Kleinen zurück kommt staunt sie dann nicht schlecht, wie gut ihm in jedem Arm ein kleines Kind steht und Uumas Augen beginnen zu leuchten, denn auf seinen Armen sind sie ihr innerlich näher, auch wenn sie weiß, dass es nicht seine Kinder sind.

Uuma kann nicht umhin, als die Kleinen auf ihren dicken weichen Fellen liegen, sich zu Schlanker zu begeben, nachdem sie sich mit fragendem Blick an die Mutter gewand hat, die ihr ein freundliches, zustimmendes Lächeln schenkte. Sanft streicht sie dem Mädchen über die rosigen Bäckchen, lässt es ihren Finger ergreifen, doch ihn als Beißwerkzeug zu benutzen, lässt sie dann doch nicht zu und reicht ihr lieber den Holzring. Uuma vergisst die Welt um sich herum und die Zeit, während sie mit Schatten bei den Kindern sitzt und einfach nur da ist, wie im Dunkelwald, und eine lange nicht da gewesenen Wärme durchströmt sie und manches Mal schaut sie Schlanker auch nur zu, und den Hunden, und ist stille Beobachterin.

Ein Geräusch von draußen lässt sie aufblicken und sie schreckt auf, als sie sieht, dass es schon langsam dunkel wird. Behutsam legt sie das Stofftier neben das Kleine und erhebt sich verlegen. "Uuma müssen zurück zu Pferd, seien in Haus und Uuma müssen sorgen für Pferd," sagt sie leise und blickt ein wenig verlegen in die Runde, doch dann bleibt sie noch zum Nachtmahl und verabschiedet sich erst danach von Schatten und den beiden gleich aussehenden Frauen und dankt dem Anführer, der sie zur Türe begleitet. Uuma hängt an der großen Türe  mit besorgt fragendem Blick an seinen Lippen und kann sich einfach nicht abwenden, bis er ihr noch einmal versichert, dass Schlanker wirklich nichts mehr zu befürchten hat und verlässt dann erst wirklich beruhigt das Riesengemäuer mit Ben, der ihr erst nur widerstrebend folgt, weil er seinen Herren nicht wieder verlassen will.

"Ben bald seien bei Schlanker, Uuma versprechen," und sie klopft dem großen schwarzen Hund liebevoll auf den Kopf und ihr wird plötzlich bewusst, was das für sie bedeutet, denn Ben war ihr ein guter Kamerad geworden, der nicht von ihrer Seite wich, wie MoM früher, und der noch wesentlich verspielter ist als MoM es jemals war. Mit einem tiefen Seuftzer setzt sie ihren Weg fort und legt immer wieder liebevoll ihre Rechte auf seinen großen Kopf und spielt mit ihren Fingern in seinem weichen Fell.


Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Mael Duinc am 25. Apr. 2005, 12:21 Uhr
Mit Kizumus und Olyvars Erlaubnis macht Máel sich auf den Weg, um das Schlafgemach des Ehepaares zu betreten und sich um die Kinder zu kümmern. Auf seinem Gesicht liegt ein heiterer Ausdruck, als ihm der Lord Commander scherzhafte den Rat mit auf den Weg gibt, dass er ein paar Mutterpflichten doch lieber Kizumu überlassen soll. „Das klingt, als hättet Ihr es bereits versucht?!“, kontert er mit einem frechen Zwinkern, bevor er durch die Tür verschwindet. Hinter der Tür erwartet ihn ein kurzer Gang, an dessen Ende sich eine Wendeltreppe nach oben schlängelt, über die er das Schlafzimmer erreicht. Große Fenster bieten eine wunderschöne Aussicht, wobei den nördlichen Fenstern das Larisgrün zu Füßen liegt. Ein Meer aus sprießenden Blättern wiegt sich im lauen Frühlingswind, und der Elf glaubt einen Moment das Rascheln des Laubes hören zu können. Sehnsucht ergreift ihn, als er sich daran erinnert fühlt, dass es ihm schon seit Wochen nicht möglich ist, sich frei zu bewegen. Bald…, denkt er versonnen und nimmt sich vor, Pferd einen Ausflug unter den aus dem Winterschlaf erwachten Baumkronen zu spendieren.

Flüchtig wandern seine Mandelaugen durch das Zimmer. Wolfspelze, die über den polierten Dielen liegen, schlucken jedes Trittgeräusch, als er sich den Wiegen nähert, die zwischen zwei Fenstern mit ausladenden Bänken stehen. Hauchdünne, bronzefarbene Seidenschals sind um die Fenster drapiert und bewegen sich bei jedem Luftzug, die den Duft des Frühlings durch ein leicht geöffnetes Fenster herein tragen. Conn und Fianryn sind wach, als er sich über ihre Bettchen beugt, und sie sehen das unbekannte Gesicht aus großen Augen an. Die fünf Monde alten Kinder zeigen sowohl elbische als auch menschliche Merkmale, die auf die unterschiedlichen Völker ihrer Eltern hinweisen, und auch wenn Máel nicht weiß, in wieweit ihnen die Empathie mit in die Wiege gelegt wurde, sendet er beruhigende Worte, während seine melodische Stimme mit einem Wiegenlied ihre Gemüter zu besänftigen versucht. Den Grund für Fianryns Geschrei hat er schnell gefunden oder eher gerochen, als er das kleine Bündel hochhebt. „Wie schafft ihr es nur immer wieder, solche Duftnoten zu entwickeln?!“, fragt er sie leise mit einem Naserümpfen, um sich dann mit geübten Griffen daran zu machen, den beiden die Windeln zu wechseln. Schon immer konnte er gut mit Kindern umgehen, und seine Zeit im Haus der Geschichten hatte dieses Talent vervollkommnet.

Als er mit Conn und Fianryn in den Armen schließlich in das Kaminzimmer zurückkehrt, fesseln die gut gelaunten Zwillinge schnell die Aufmerksamkeit der Besucher samt die der Vierbeiner, so dass für Kizumu, ihre Schwester Sefra und Olyvar Zeit bleibt, um sich zu unterhalten. Hin und wieder wandern ihre Blicke zu den beiden Sprösslingen, die sich, eingekreist von Uuma, Máel, Ben und Grau, im Krabbeln üben und das Übermaß an Aufmerksamkeit sichtlich genießen. Uuma bleibt viel länger, als sie eigentlich vorhatte, denn ihr Pferd muss noch versorgt werden, doch erst nach dem Nachtmahl macht sie sich zusammen mit Ben auf den Heimweg, natürlich nicht ohne sich ausdrücklich noch mal versichern zu lassen, dass der Kopf des Elfen bleibt, wo er jetzt ist, auf seinem Hals! Máels pelziger Freund versteht nicht wirklich, warum er nicht bei seinem Herrn bleiben darf, doch Uuma ist ihm inzwischen so vertraut, dass er nach kurzem Zögern gehorsam hinter ihr hertrottet. Der gemütliche Abend klingt harmonisch aus, als Olyvar und Máel sich bei einem Krug Wein am Kamin niederlassen, und der Elf trotz aller Bemühungen erfolglos bleibt, dem Lord Commander auch nur einen Note zu entlocken.  Allerdings beherrscht er nach diesem Abend genug Tamar, um sich anständig Vorzustellen und ein Bier zu bestellen, also genug um zu überleben.

Einige Wochen vergehen, in denen Olyvar ziemlich von seinen Pflichten eingenommen wird, denn das Inari-Fest steht vor der Tür und zieht neben ehrlichen Händlern und Gauklern auch wie immer viele Tagediebe und zwielichtiges Gesindel an, und dem Lord Commander mit seinen Blaumänteln obliegt die anstrengende Arbeit, die Spreu vom Weizen zu trennen. Máel fügt sich so gut er es vermag in den Tagesablauf ein, wobei er immer froh ist, wenn er sich um Fianryn und Conn kümmern darf, was Kizumu und Sefra viel Gelegenheit gibt, sich ungestört zu unterhalten. Abends widmen sich Olyvar und er dem Spiel der Könige, wobei sich ihre Herangehensweise gänzlich unterscheidet. Während Máel kunstvolle Fallen stellt, deren überraschendes Zuschnappen dem Lord Commander das ein oder andere Schnauben abverlangt, räumt dieser schnellstmöglich die gegnerischen Spielsteine vom Brett. Eine Taktik, die er vorzüglich beherrscht, wie der Elf anerkennend zugeben muss, denn häufig gehen die Siege an den gekonnt taktierenden Blaumantel. Die philosophische Diskussion, ob der Weg das Ziel, oder eben das Ziel das Ziel ist, können die beiden allerdings nicht endgültig klären.

Die Siebentage vergehen viel zu schnell, und schon bald kommt die Zeit des Abschieds, was Máel aufrichtig bedauert, denn Olyvar und seine ganze Familie haben ihn liebevoll aufgenommen. Erfreut hatte der Elf darauf reagiert, dass es Olyvar schließlich in Betracht zieht, Máels Fertigkeiten für die Steinfaust einzusetzen. Ein Vertrauensbeweis, der den ehemaligen Dieb mit ein wenig mit Stolz erfüllt. An einem sonnigen Morgen ist es dann soweit, und zusammen schreiten sie erneut durch die verschlungenen Eingeweide der Steinfaust, bis sie unvermittelt vor einer rostigen Leiter stehen, deren ächzende Tritte sie am Ende ins Larisgrün entlässt. Ein vergnügtes Vogelkonzert begrüßt sie, als sie sich unter den tiefhängenden Ästen einer altehrwürdigen Tanne hindurch bücken, unter denen sich der getarnte Zugang zum Labyrinth befindet. >>Wendet euch nach Osten und folgt dem schmalen Saumpfad, den ihr bald findet dann nach Norden und ihr kommt irgendwann nach einem Tausendschritt etwa ans Nordtor.<<

Dann überreicht er  Máel seinen Freibrief, den der Elf dankbar entgegen nimmt. Ein simples Blattpapier, wie vorher sein Steckbrief, das sein Leben ebenso radikal zu verändern vermag. Diesmal zum Guten hoffentlich! Neben Olyvar gibt es noch zwei weitere Unterzeichner. Borgil ist ihm als Wirt der Harfe bestens bekannt, doch die letzte Unterschrift sagt ihm nichts. Wie der Blaumantel es angestellt hatte, Uliaris dazuzubewegen war Máel ein Rätsel.  >>Ich bin kein Freund großer Abschiedsszenen. Es war schön, Euch eine Weile bei uns zu haben und wir würden uns freuen, wenn Ihr uns irgendwann besucht. Slan lead, Stiorlach.<<, verabschiedet sich Olyvar. Sie beide schütteln sich die Hände. „I cara ti, Lord Olyvar von Tarascon. Ich stehe tief in Eurer Schuld“ antwortet Máel mit einer Verbeugung, „und der eurer Familie, die mich klaglos ertragen hat! Te Dar îhior ôr ti.“, fügt er mit einem Lächeln an. „Einen Besuch werde ich Euch sicher abstatten, und mich findet ihr einstweilen in der Harfe, bis ich mir ein anderes Quartier gesucht habe.“ Er hat sich mit einem Winken bereits halb umgedreht, als er Olyvar verschmitzt angrinst. „Wenn Ihr beim Inari-Fest noch nichts vorhabt, könnten wir da unser Gespräch über Schach und Tamar fortsetzen. Falls Ihr Lust habt, lasst es mich wissen!“ Mit einem letzten Gruß verschwindet Máel zwischen den Bäumen in Richtung Tor.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 04. Mai 2005, 22:47 Uhr

Die Tage und Wochen vergehen; Mael fügt sich ohne große Probleme in den Tagesablauf des Westflügels und kümmert sich rührend um die Kinder, während Sefra und Kizumu die wärmer werdenden Tage in dem kleinen Innenhof verbringen. Sie nutzt die sonnendurchfluteten Nachmittage dazu, sich wieder einmal intensiv mit den Fellen und Häuten in ihren Gerbzubern zu beschäftigen, während ihre Schwester ihr die Fortschritte gezeigt hatte, die sie im Steinformen erzielt hatte.
Kizumu streicht mit bebenden Fingern die feingeschwungenen, steinernen Züge ihrer Mutter nach und schluckt den Kloß in ihrem Hals hinunter. Als Sefra diese Skulptur angefertigt hatte, war ihr Blick so offen und weich gewesen, das Kizumu nicht mehr an sich halten konnte und sie nach dem wirklichen Grund ihres Hierseins gefragt hatte. Der liebevolle Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Schwester war wie fortgewischt gewesen und das, was sie stattdessen in deren Augen gesehen hatte, hatte sie erschreckt. >Ich.. Shunjalinn ich.. gib mir noch Zeit, nur noch ein wenig, ja?< Die Elbin hatte genickt und den Rest des Nachmittages hatten sie geschwiegen. Das erste Mal seit über dreihundert Jahren hatte etwas zwischen den Schwestern gestanden und auch wenn sie beide sich Mühe gegeben hatten, sich davon nicht irritieren zu lassen; etwas hatte sich verändert.
Und jetzt ist schon Inari..
Der Morgen war frisch und klar gewesen und versprach einen wundervollen Festtag. Sefra würde sich gemeinsam mit Feorna, die bei dem bloßen Gedanken an die Huldigungen Inaris leuchtend rot geworden war, um die Zwillinge kümmern. Nicht, dass sie es ihrer Schwester nicht zutraut, für die Kinder zu sorgen; das hatte sie schon öfter getan, aber heute würde sie die Kinder das erste Mal wirklich lange allein lassen und sie kommt nicht gegen das ungute Gefühl und die Sorge in sich an. Du bist albern, Shunjalinn. Ierás war jünger, als du ihn das erste Mal für ungewisse Zeit allein gelassen hast und heute geht es nur auf den Marktplatz Talyras... Das Klappern der Tür reißt sie aus ihren Gedanken und ein Lächeln glimmt in ihren Augen auf. Olyvar.. Sie hatte ihm das Versprechen abgenommen, sich am heutigen Tag frei zu nehmen, doch er war noch vor Sonnenaufgang auf den Beinen gewesen um die letzten Dinge zu regeln. Die Elbin war in dieser Zeit in die Badehäuser hinunter gegangen, hatte sich den kleinen, abgeschiedenen Zuber gesichert und sich ein langes, heißes Bad voller wohliger Erinnerungen an eben jenen Zuber und ihren Ehemann gegönnt.
Sein Haar ist noch feucht und er riecht nach Seife und Sandelholz und sie schmiegt sich vertrauensvoll in seine Arme. "Weißt du noch.. letztes Jahr? Oder vorletztes?" Olyvar schnaubt belustigt, zieht sie noch ein Stück näher und entzündet einen Funken irgendwo in ihrem Bauch.

Eine halbe Stunde später ist Kizumu gerade dabei die Bänder ihres Kleides zu schließen, während Olyvar, bereits fertig und aufbruchbereit noch einmal nach den Kindern, Sefra, Feorna und Mattis sieht. Im nächsten Jahr wird Mattis sich wohl nicht mehr in der Steinfaust einschließen lassen.. Sie schmunzelt über ihre Gedanken und betrachtet sich wohlwollend im Spiegel. Die Schwangerschaft hatte, bis auf die große halbmondförmige Narbe auf ihrem Bauch keine Spuren hinterlassen; ihre Figur war wieder beinahe die alte. Naja.. bis auf das da.. Ihr Blick ruht skeptisch auf ihrem Ausschnitt, der dank zweier immer hungriger Mäuler noch immer Gardemaße aufweist. Das Kleid das sie trägt betont diesen Umstand; das weiche Mieder stützt aber engt nicht ein, wofür die Elbin wirklich dankbar ist und hört auch schon kurz unter dem Rippenbogen auf um von dort in mehrere weiche, halbdurchsichtige Schleier überzugehen. Auch die Ärmel bestehen aus dem luftigen Stoff und reichen bis kurz über den Boden. Kizumu trägt das rote Haar in weichen Wellen offen bis über die Schultern und das moosgrün des Kleides spiegelt sich sacht im Blau ihrer Augen. Schließlich reißt sie sich mit einem theatralischen Seufzen von ihrem Spiegelbild los, greift noch einmal nach der weichen Bürste und ist dann endlich aufbruchbereit.
Olyvar wartet in der großen Halle, Conn auf dem Arm der seine verwandelte Mutter mit großen Augen anstarrt. "Ja, da guckst du, hm?" Sie streckt lächelnd die Hände nach dem Jungen aus, doch Olyvar schüttelt lediglich den Kopf und reicht Conn an Feorna weiter. "Wir müssen los, das Festessen beginnt gleich."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Sefra am 29. Juli 2005, 18:12 Uhr
Das Inarifest ist längst vorbei und und der Alltag ist nach einigen Siebentagen wieder in die Stadt eingekehrt. Mittlerweile hat sich Sefra recht gut im Westflügel der Steinfaust eingelebt, genießt dabei die Zeit mit ihrer Schwester und findet Vergügen daran, ihrer Nichte und ihrem Neffen beim wachsen zuzusehen, sie zu betüdeln und sich sorgsam um sie zu kümmern, während Kizumu und Olyvar etwas Zeit für sich brauchen. Doch bei jedem Mal, an dem sie die Kinder ihrer Schwester sieht fühlt sie sich an ihre eigenen erinnert. Die Elbin spürt wie sich dadurch mehr und mehr die Erwartung auf einer Aussprache in Shunjalinn aufbaut, die längst ahnt, dass ihrer älteren Schwester etwas auf dem Herzen liegt. Sefra schleicht um das Thema immer wieder herum, wagt in Gedanken, es anzusprechen und schreckt doch zurück, wenn sie sieht, wie beschäftigt Kizumu mit den Kindern oder ihren eigenen Gedanken ist. Oft sitzt sie in ihrem Schlafgemach, mit dem Brief ihrer gemeinsamen Mutter in der Hand und versucht allen Mut aufzubringen. Was ist daran schon so schlimm? Sie hat nun zwei ... nein, drei prächtige Kinder .. Was soll sie jetzt noch daran verletzen? Letztendlich legt sie das Papierstück doch wieder zur Seite, indem sie sich sagt, es wird schon der richtige Zeitpunkt eintreten. Sie wird es verstehen ... versucht sie sich dann immer zu beruhigen.
Die Tage werden länger und die Sonne erwärmt mehr und mehr die Luft, so dass es letztendlich am frühen Morgen und Abends am angenehmsten ist. Doch das hindert Shunjalinn nicht daran, mehr Zeit mit sich und ihrem Pferd Prins zu verbringen und mit ihm mehrere Stunden, oft einen halben Tag auszunutzen, um den Hausfrauenalltag zu entfliehen, während Sefra auf die Kinder aufpasst und für ihre Schwester den Haushalt regelt, als wäre es ihr eigener.

Nachdem Olyvar zu Phelan's Beerdigung aufgebrochen war, kam das Thema jedoch endlich zur Sprache. Die beiden Elbinnen saßen an einem Abend am offenen Fenster, um die laue Luft zu genießen und den Kindern neue Kleidung anzufertigen, wobei sie diese schon weit aus größer nähen mussten, da sie sonst auf Grund des schnellen Wachstums der Kleinen kaum hinterherkämen. Kizumu hatte ihre Schwester fragend angeschaut, als diese einen Brief aus den Rockfalten hervorzog und ihr hinhielt. Nur zögernd hatte sie das Papier entrollt, nachdem Sefra ihr die Herkunft bekundete: "Von Mutter ... Nein, keine Angst, ihnen geht es gut!", beruhigte sie ihre Schwester gleich darauf und beobachtete ihre Gesichtszüge mit flauem Gefühl in der Magengegend und auf der Unterlippe herumkauend. Dabei hatte sie mit verkrampften Fingern den Hosenstoff zerknittert, an dem sie gerade nähte, um die Hände einigermaßen still zu halten und der jüngeren den Brief nicht gleich wieder zu entreissen. Die Elbin wusste nicht genau, was auf dem Pergament steht, sie hatte nur in etwa eine Ahnung, dass ihre Mutter über Heron und die Kinder berichtete. Sie wusste genauso wenig wie ihre Schwester auf die Nachricht reagieren würde und ging einfach von dem schlimmsten aus, dass passieren konnte. Sie sah sich schon in Gedanken die Sachen packen und Sanjar satteln.
Doch kam es nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte. Sie wurde jedenfalls nicht aus dem Westflügel verwiesen. Shunjalinn zeigte sich schon irgendwie schockiert, aber mehr aus dem Grund, dass sie wohl nicht erwartet hatte, dass sich ausgerechnet ihr ehemaliger Geliebter und ihre Schwester sich einander zuwenden würden. Dass dabei drei Kinder entstanden sind war wohl ein weiterer Schockmoment, doch Kizumu zeigte sich mehr gerührt, dass Sefra extra deswegen den langen Weg auf sich genommen hatte, um ihr persönlich die Nachricht zukommen zu lassen. Es war letztendlich ein recht heiterer Abend, an dem die Elbin der Lady von Tarascon von ihren Kindern berichtete, die ihre Mutter ja nun schon seit über einem Zwölfmond nicht mehr gesehen hatten. "Ich hatte mir nie träumen lassen, dass Heron und ich ...", verlegen hatte sie beiden Worten die Augen zu ihren im Schoß verschränkten Fingern gesenkt und den Satz nicht mehr zu Ende geführt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 19. Aug. 2005, 15:01 Uhr
Ein leises Brabbeln und ein ungerichtetes Senden ziehen sie aus der warmen Dunkelheit ihrer Trance und als sie die Augen öffnet, muss sie wegen der unerwarteten Helligkeit blinzeln. Es regnet zwar, wie sie mit einem raschen Blick zum grauen Rechteck des Fensters feststellt, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es schon mitten am Tag sein würde, wenn sie erwacht.
Con und Fian liegen neben ihr und ihr Sohn schenkt ihr ein herzerwärmendes Lächeln, während er seine kurzen Arme nach ihrem Gesicht ausstreckt. Sie hatte die Kinder in den frühen Morgenstunden zu sich ins Bett geholt um sie in der Wärme der Decken zu füttern. "Da sind wir wohl alle wieder eingeschlafen, hm?" Ihr Lächeln wird strahlend, als er ihr mit einem vergnügten "Da" antwortet. Fian ruht noch immer zufrieden in ihrer eigenen Mischung aus elbischer Trance und menschlichem Schlaf und sie deckt das kleine Mädchen vorsichtig zu. "Gabglah.." Conn scheint an diesem Morgen mehr als gesprächig zu sein und windet sich leise Quietschend auf dem Laken hin und her. "Schsch, du weckst noch deine Schwester du kleiner Wildfang." Sie streicht ihm lächelnd über die runden Wangen und fährt durch das wirre, rote Haar. Es war in den Monden nach der Geburt deutlich dunkler geworden, hatte einige kupfer- und zimtfarbene Strähnen bekommen und schimmert, wenn die Sonne darauf fällt in allen möglichen Rot-, Gold- und Brauntönen. "Du siehst aus wie ein gescheckter Hund, Conn." Der Junge antwortet ihr mit einem amüsierten Gluckser, ehe er seine Schwester mit einem ungezielten Tritt unsanft aus ihrer Trance reißt. Fian schaut mit großen, rauchig- grauen Augen zu ihrer Mutter auf, doch ehe sie sich lautstark über diese doch sehr rüde Art der Behandlung beschweren kann, zieht es dem Mädchen wieder die Augen zu. "Hm, auch gut. Conn, was hältst du davon, auch noch einmal ein bisschen zu schlafen, dann habe ich die Chance mich anzuziehen und etwas zu frühstücken?" Doch Conn scheint von dieser Idee wenig überzeugt zu sein und hält gerade lang genug still, bis Kizumu sich ein weites Hemd Olyvars übergeworfen hat.

Regen rauscht in den Wipfeln der Bäume des Larisgrünes und Kizumu sitzt in ihrer Schlafkammer an einem der Fenster. Sie hat die Lederhaut fortgeschoben und hat so einen freien Blick auf zwei Nachtfeuer und jede Menge dunklen, nassen, kalten Wald. Es ist still in der Steinfaust, nur diejenigen, die wirklich müssen halten sich jetzt dort draußen auf und ihre Gedanken wandern mitleidig zu ihrem Mann und den Freunden, die jetzt noch irgendwo dort draußen im Larisgrün sind. Ob alles gut gegangen ist? Sicherlich, was soll schon passieren und selbst wenn, sie sind alle geübte Kämpfer.. Ach, hör auf, es ist nichts passiert, das wüsstest du doch. Draußen schleicht sich unbemerkt durch den ohnehin dunklen Regenhimmel die Dämmerung heran und hier drinnen herrscht das weich- goldene Licht dreier Kerzen. Die Kinder schlafen bereits, Sefra hat sich ebenfalls früh zurückgezogen und Kizumu genießt die Stille um sich her.
Der Tag war angenehm ruhig verlaufen, sie alle waren von Conn´s Wutanfällen; in all ihrer Drolligkeit doch furchtbar anstrengend für alle; verschont geblieben, Fian hatte kaum über den kommenden Zahn geklagt und war auch ohne zu klagen eingeschlafen und Sefra und Kizumu hatten viel Zeit zum reden gehabt. Noch immer trägt sie den Brief ihrer Mutter dicht an ihrem Herzen und sie kennt jedes Wort auswendig. Langsam und leise erhebt sich die Elbin und geht zu der Truhe mit all ihren privaten Kleinigkeiten darin, hinüber. Vorsichtig hebt sie den Deckel und lehnt ihn gegen die Wand. All dieser Kleinkram, das scheinbar unbrauchbare und doch für sie essenziell wichtige lässt sie zufrieden lächeln. "Wie eine Elster die sich ihr Diebesgut besieht." Grinsend schüttelt sie über sich selbst den Kopf, dann holt sie den Brief hervor und legt ihn vorsichtig, als handelte es sich um ein rohes, mit Loas Feuer gefülltes Ei obenauf. Dann schließt sie die Truhe wieder und steht nach einem kurzen Augenblick des Nachdenkens auf. Nach einem raschen Blick in die beiden Wiegen beginnt sie damit, sich für die Nacht umzukleiden. Rasch hat sie sich der einfachen Kleidung entledigt und schlüpft noch rascher und fröstelnd aus ihrer Leibwäsche und in eines der hellen, weiten Nachthemden. Die Lederhaut, die normalerweise vor dem Fenster hängt, ist noch immer zurückgeschlagen und kühle Nachtluft dringt in das Schlafgemach. Sie betrachtet die Gänsehaut, die sich auf ihrem Körper bildet mit einem kleinen Lächeln, dann geht sie zum Fenster hinüber, schlägt die Haut davor und nestelt sie an den Befestigungen fest.
Einen Augenblick bleibt die Elbin vor dem geschlossenen Fenster stehen, den Blick starr auf das Leder gerichtet, dann dreht sie sich zu dem großen Bett um und legt sich, ohne wirklich Müdigkeit zu verspüren hinein. Es ist immer noch sehr still in der Steinfaust und doch bekommt Kizumu kein Auge zu. Nach einiger Zeit schlägt sie die Decken mit einem leisen Murren beiseite. Er wird heute heimkommen... Olyvar hatte ihr nicht den genauen Zeitpunkt ihrer Rückkehr mitteilen können aber mit einem Mal ist sie sich so sicher, dass es sie nicht mehr in ihrem Bett hält.

Die Halle liegt in nächtlicher Dunkelheit und Kizumu entzündet auch kein Licht; das wenige Licht das durch die hochliegenden Fenster fällt genügt ihren elbischen Sinnen um sich zurecht zu finden. Zielstrebig und ohne gegen etwas zu stoßen geht sie zu einer der Kommoden hinüber und ihre Fingerspitzen streichen über das glatte Holz. Leise zieht die Elbin eine der Schubladen auf, nimmt eine der Bienenwachskerzen heraus und stellt sie in den kleinen Kerzenhalter, den sie noch aus dem Katei mitgenommen hatte. Eine Kerze, die nur für ihn leuchtet.. Ein kleines, versonnenes Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen, als sie an die Zeit zurückdenkt, in der Olyvar oft erst spät in der Nacht zu ihr ins Katei gekommen war. Sie entzündet die Kerze und geht mit plötzlich klopfendem Herzen zu dem großen Esstisch hinüber. Das goldene Licht der Flamme lässt die Strähnen, die sich aus ihrem groben Zopf gelöst haben aufglimmen und mit einem Mal ist die Nachdenklichkeit und die Melancholie verschwunden und haben einen leisen Frieden hinterlassen. Die Flamme flackert im Windzug ihrer Bewegung, lässt die Schatten an den Wänden tanzen und beruhigt sich erst wieder, als sie den Kerzenhalter vorsichtig auf die Tischplatte stellt.
Der Lehnstuhl in dem sie sonst zum Stillen der Kinder sitzt knarrt leise, als sie sich hinein setzt. Verwundert spürt sie dem friedlichen Gefühl in sich nach, während die Zeit vergeht und die Flamme das Wachs der Kerze schmilzt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 29. Aug. 2005, 18:25 Uhr
Nach der Rückkehr von Phelans Bestattung am Ende des Grünglanzmondes



Nach einem langen, heißen Bad fühlt Olyvar sich schon fast wieder wie ein Mensch. Er war lange im Badehaus geblieben, hatte sich das Haar ausgewaschen und den kratzigen Dreitagebart abgenommen und war dann einfach im heißen Wasser liegen geblieben und hatte seine Gedanken treiben lassen, bis Mattis ihm einen Stapel frischer Kleidung gebracht hatte. Du schindest nur Zeit... Als er jetzt auf den äußeren Zwinger hinaustritt, regnet es noch immer und der weite, gepflasterte Festungshof liegt inzwischen vollkommen leer und verlassen unter einem pechschwarzen Himmel, nur die Nachtfeuer flackern zischend in den schweren Eisenkörben. Auf den Wehrgängen sind Bewegungen in der Dunkelheit nur zu Ahnen, hier und da ein Lichtschimmer, wenn Fackelschein auf eine Lanzenspitze oder einen Stahlhelm trifft...  doch Olyvar weiß, dass die Männer am Tor und im Torhaus und auf den Gängen der Burgwälle ihre Wache stehen, auch wenn er sie nicht sieht. Im Bergfried sind die Fenster der Großen Halle noch hell erleuchtet, wo gerade mehrere hundert Mann beim Nachtmahl sitzen, würfeln oder Unterhaltungen führen und im Branturm schimmert es ebenfalls golden aus hohen Bogenfenstern hervor... doch als er zum Westflügel hinaufblickt, ist dort alles dunkel. Die Wachen am Bergfriedtor nehmen Haltung an und öffnen, als sie ihn erkennen, und Olyvar tritt durch das eisenbeschlagene Tor ins Innere... inzwischen wieder so nass, als sei er eben erst aus dem Bad gekommen. Rhordri stiefelt an ihm vorbei, einen ganzen Packen zusammengerollter

Manuskripte und Pergamentrollen in den Armen, wohl auf dem Weg zum Archiv, und brummelt etwas von "Was für ein verregneter Sommer..." und Olyvar wechselt noch hier und da ein paar Worte mit dem ein oder anderen Blaumantel, während er über breite Treppen und durch lange Gänge zum Westflügel der Festung hinaufsteigt. Du schindest immer noch Zeit... Vor seinem Solar, an dem er auf dem Weg vorüberkommt, stehen wie immer zwei Gardisten Wache und auch bei ihnen hält er sich kurz auf... aber dann liegt da nur noch eine eisenbeschlagene Tür aus polierter Steineiche zwischen ihm und seiner Familie, seinem Sohn, seiner Tochter... seiner Frau. Er hatte sie die ganzen letzten zwei Siebentage schrecklich vermisst, ihr Fehlen wie eine ständig nagende, kleine kalte Leere in seinem Inneren gespürt, und dennoch zögert er jetzt fast. Er will verdammt sein, wenn er weiß, was ihn hinter dieser Tür erwartet, so wie Kizumu und er sich getrennt hatten. Und ich will ebenso verdammt sein, wenn ich noch länger hier draußen herumstehe!

Entschlossen drückt er die Tür auf und fast vollkommen Dunkelheit umfängt ihn in der Vorhalle. Die vertrauten Gerüche nach Zitronengras, Verbenen und blühenden Orchideen wehen ihm schwach aus der Finsternis entgegen, doch dann schießt Grau heran, jappend und winselnd, springt hektisch an ihm hoch, wirft sich vor ihm auf den Boden, streicht wedelnd und toll vor Aufregung um seine Beine und gibt leise grollende Laute von sich... das Bellen zu Unzeiten oder wenn ein Familienmitglied nach Hause kam, hatte Kizumu ihm, nachdem er damit ständig die Zwillinge geweckt hatte, erfolgreich abgewöhnt... aber brummende Grunzlaute sind erlaubt, wenn sie leise sind, also grunzt er - hingebungsvoll. "Na wenigstens du freust dich, mich zu sehen, Pelzgesicht," murmelt Olyvar leise und krault den Wolfshund ausgiebig, klopft ihm die Flanken und zerwuschelt das dichte Fell am Hals, so dass es wild in alle Richtungen absteht. Grau verdoppelt seine Anstrengungen, ihm bei lebendigem Leib die Kleider und die Haut zu zerfetzen nur noch, bis Olyvar ihn irgendwann entschlossen fortscheuchen muss, will er die Wiedersehensfreude halbwegs lebendig überstehen. "Aus, Liath! Sheas, genug jetzt!" Grau trollt sich hechelnd und verschwindet wieder in der Dunkelheit und als Olyvar sich durch die Tür zwischen Vorhalle und Halle des Westflügels tastet, sieht er das kleine, warme Licht in der Finsternis hinter den Säulen schimmern. Sie hat eine Kerze für mich angezündet... Einen Moment bleibt er stehen. Der Regen trommelt gegen die bleigefassten Scheiben der hohen Bogenfenster in der linken Hallenwand, aber obwohl in beiden Kaminen noch schwach rote Glut schimmert, ist es bis auf die Kerze auf dem langen Tisch vollkommen dunkel in der Halle... dunkel, und bis auf das Rauschen des Regens still. Ein Tropfen rinnt ihm kalt in den Nacken und bahnt sich seinen Weg zwischen den angespannten Schulterblättern hindurch und das reißt Olyvar aus seiner Starre. Sie war nicht auf dem Hof, um mich willkommen zu heißen, obwohl unsere Rückkehr bestimmt nicht unbemerkt geblieben sein kann, aber hier brennt eine Kerze... Er war ohnehin schon unsicher gewesen, wie er zu Hause empfangen werden würde, aber jetzt weiß er endgültig nicht mehr, woran er ist... in den vergangenen Tagen hatte er, vor allem auf ihrem langen, verregneten Rückweg, genug Zeit zum Nachdenken gehabt, aber was immer dabei in seinen Gedanken herumgegeistert war, eine Erklärung für den Abgrund, der sich irgendwie in diesem Frühling zwischen ihnen aufgetan hatte, hat er dabei nicht gefunden. Er hatte sich tausend Fragen gestellt, aber jede hat nur noch mehr aufgeworfen.

Liegt es an mir? Ist Kiz nicht glücklich mit ihrem Leben? Vertraut sie mir nicht mehr? Sind es die Kinder? Ist es Sefra? Etwas aus ihrer Vergangenheit? Ein anderer Mann? Unzufriedenheit mit sich selbst? Die Arbeit, die ihr fehlt? Ihre frühere Ungebundenheit? Ieras? Ieras Vater? Dieser Heron? Dieser Caid? Der Hund? Der Westflügel? Ihr neues Leben? Ihr altes Leben? Ist es meine Schuld? Ist es meine Schuld? Einen langen Augenblick steht er einfach nur in der stillen Dunkelheit der großen Halle des Westflügels, dann tritt er langsam an den Tisch und hebt die Hand, als wolle er die Kerze löschen, lässt sie jedoch wieder sinken. Er will nach den Kindern sehen und dann nach ihr, aber er fühlt sich nur noch müde, müde und erschöpft und seltsam festgewachsen, als könne er seine Füße nicht überreden, sich auch nur einen Sekhel von der Stelle zu bewegen. Kurz kommt ihm der Gedanke, ob es nicht besser wäre, wenn er heute nacht im Gästezimmer schlafen würde, aber er verwirft ihn mit einem erbosten Schnauben sofort wieder... Am Tag, an dem alle Neun Höllen zugefroren wären, würde er sich vielleicht aus seinem Schlafgemach aussperren lassen, aber sicher keinen Herzschlag früher. "Aye..." er fährt langsam mit dem Finger durch die kleine Kerzenflamme, hin und her, immer am Rand des Schmerzes entlang und fragt sich, wann er eigentlich zuletzt mit seiner Frau gesprochen hatte... wirklich gesprochen, über die Anliegen von zahnenden Zwillingen, Alltag und Haushalt oder Gesinde hinaus - seit Monden nicht mehr. Seit Sefra hier ist, nein schon früher... das hat mit Sefra kaum etwas zu tun. Wir leben einfach aneinander vorbei, das ist es... Er erinnert sich an die Inarinacht vor fast einem Monat, als er sie im Mondlicht mitten im Park von Cerinitys Cerua einfach genommen hatte... nicht wirklich ein Akt aus Liebe. Aus Verlangen, ja, so blind wie gefährlich, aber vor allem aus Verzweiflung. Seither hatte er sie nicht mehr angerührt und sie hatte sich ihm nicht zugewandt... und der Abgrund zwischen ihnen scheint mittlerweile ins bodenlose gesunken zu sein. Oh, er liebt Kizumu, nach wie vor und mehr als alles andere, wenn er etwas weiß, dann ist es das. Vielleicht ist genau das das Problem, meldet sich prompt eine nüchterne Stimme in seinen Gedanken. Du erwartest einfach zu viel. Du willst alles haben, ihr Herz und ihr Körper und ihr Leben reicht dir einfach nicht. Du musst ihre Seele haben, ihre Gedanken, ihre Wünsche, ihre Träume, ihre Lügen, ihre Wut, ihren Schmerz, ihr Lachen, ihre kleinen, geheimen Phantasien, ihr Leid, ihre Vergangenheit, ihre Zukunft, ihr Innerstes und ihr ein und alles. Und wenn sie das nicht hergeben kann? Oder nicht hergeben will?

"Shunjalinn." Inzwischen hat er eine Brandblase so groß wie ein Kupferling am rechten Zeigefinger, aber er kann es einfach nicht lassen, durch die Kerzenflamme zu fahren. "Sgáileanabh." Skaljannah Er könnte sich umdrehen und durch die eisenbeschlagene Tür und die wenigen Stufen in ihr Schlafgemach hinaufgehen. Er könnte sich entkleiden und zu ihr ins Bett kriechen und seine Hand auf ihre warme, weiche Haut legen und wahrscheinlich würde sie ihn nicht einmal abweisen... aber er tut es nicht. Wann immer ihnen bisher in ihrer Beziehung die Worte ausgegangen waren, hatten sie sich geliebt, im Feldlager, in der vergangenen Inarinacht... als könnten sie beide aus ihrer Haut, als könnten sie so vergessen, wer sie sind. Aber Leidenschaft, ganz gleich wie stark oder blind sie sein mag, ist nur eine Brücke über einen Abgrund, sie füllt ihn nicht. Man kann darüber gehen und sich finden, oder man kann dabei in der Dunkelheit abstürzen. Aber da ist die Kerze, und er weiß, dass Kiz sie nur für ihn angezündet hat... eine kleine Geste auf ihn zu. Sie hatte ihm immer eine Kerze ins Fenster gestellt, als sie noch in ihrem alten Häuschen mit dem windschiefen Zaun und der ewig quietschenden Gartentür gewohnt hatte. Wieder fährt er mit dem Finger durch die tanzende Flamme und seine leisen Worte richten sich diesmal an die stumme Bienenwachskerze. "Und, was sollst du mir sagen? Dass ich... autsch!" Die Blase an seinem mittlerweile rußschwarzen Finger platzt auf und er zieht mit einem schmerzerfüllten Zischen die Hand zurück. "Ifrinn. Auch das noch." Dann hätte er beinahe über sich selbst gelacht, wenn auch reichlich freudlos, schließlich war er ganz allein an seiner blutigen Trophäe schuld, was hatte er auch solange mit dem Feuer herumspielen müssen. Er steckt den blutigen Finger in den Mund, schmeckt Eisen und Schmerz auf seiner Zunge und wirft der Kerze einen bösen Blick zu.

'Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich die Finger...' so oder so ähnlich ging das alte Sprichwort doch, das hatte er jetzt davon. Was? Erkundigt sich die nüchterne Stimme von eben, diesmal jedoch mit einem eindeutig spöttischen Unterton. Willst du jetzt abergläubisch werden und das als Omen sehen, besser die Finger von deiner Frau zu lassen, bevor du dir noch mehr verbrennst?
"Den Teufel tue ich," knurrt er und dreht sich um, nur um geradewegs in Kizumus Augen zu blicken. Sie sitzt in ihrem Lehnstuhl, hat die Beine übereinandergeschlagen und sieht ihn an, aber er will verdammt sein, wenn er ihren Gesichtsausdruck im schwachen Kerzenschein deuten kann. Den Göttern sei Dank hatte er wenigstens noch den Finger aus dem Mund genommen, ehe er sich umgewandt hatte.... das verflixte Frauenzimmer musste die ganze Zeit klammheimlich im Dunkeln hinter ihm gesessen haben und hatte kein Wort gesagt. Olyvar verharrt mitten in der Bewegung, wirkt aber eher verblüfft, als erschrocken und einen Moment lang sieht er sie nur stumm an. Einen Herzschlag lang sucht er in ihren Augen, in ihrem Gesicht nach einer Regung, die ihm verraten würde, was in ihr vorgehen mag, woran er ist... aber dann erlaubt er sich doch ein vages Lächeln und bleibt stehen. "Ich dachte, du schläfst. Du warst nicht unten auf dem Hof und hier war alles Dunkel." Er setzt sich halb auf die Tischkante, stützt die Hände auf und kreuzt seine Beine. "Wie..." Vielleicht ist es der absolut falsche Zeitpunkt, vielleicht gibt es keinen besseren, vielleicht gibt es überhaupt nie einen richtigen und vielleicht würde er wieder keine Antworten erhalten, aber... er würde es zumindest versuchen. Fürs erste beschränkt er sich jedoch auf Fragen mit einer zuverlässigen Oberfläche. "Wie ist es dir gegangen hier? Was machen die Kinder? War hier... alles in Ordnung?"  


Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 29. Aug. 2005, 21:39 Uhr
"Du hast gefehlt." Ihr Blick ruht in seinem, krallt sich gleichsam darin fest doch nach wenigen Herzschlägen schleicht sich ein scheues Lächeln hinein. Sie war irgendwann  eingedöst, doch Graus Jappen hatte sie geweckt und aus irgendeinem dummen Grund hatte sie nicht gewagt, sich bemerkbar zu machen und war so Zeugin Olyvars Zwiegespräch mit der Bienenwachskerze geworden. Und es hatte sie geschmerzt ihn so zu sehen. Sie ahnt, was in ihm vorgeht und sie weiß, das er das Recht auf Erklärungen hat. Aber seine Fragen bieten vorerst einen sicheren und leichten Einstieg für ein Gespräch. "Den Kindern geht es gut, Fian bekommt wieder einen Zahn, aber diesmal scheint es sie nicht so zu schmerzen. Conn hatte ein wenig Fieber vor ein paar Tagen, aber das ist wieder weg..." Sie schweigt und noch immer ruht ihr Blick in seinem, abwartend und bange. Ihre Hände ruhen auf den Armlehnen ihres Stuhles und auch wenn sie entspannt wirken, krallt die Elbin sich am Holz fest. "Es tut mir leid... ich wollte herunter kommen. Ich hab gespürt, das du heut heimkehrst und deshalb habe ich die Kerze entzündet und wollte warten, aber ich fürchte ich bin eingedöst..." Langsam, mit raschelndem Nachtgewand steht sie auf und mit wenigen Schritten ist sie bei ihm. Vorsichtig aber bestimmt greift sie nach seiner Hand und besieht sich den verbrannten Finger, als hätte sie nie etwas interessanteres gesehen. Jetzt, wo er ihr so nahe ist, sie die warme Haut seiner Finger, nach dem Bad von den meisten Schwielen von den Lederzügeln befreit, spürt wagt Kizumu es nicht mehr, ihm in die Augen zu sehen. Erleichtert, das er ihr die Hand nicht entzieht, pustet die Elbin vorsichtig über die aufgeplatzte Brandblase. Sie spürt das Beben das der sachte Luftzug in ihm hervorruft auf sich übergehen und die Entschlossenheit endlich Antwort zu erhalten die ihn vollständig einhüllt.

Ihr Blick ruht noch immer wie festgeklebt auf seinem Zeigefinger, ihre Finger schließen sich warm um seine Hand und dennoch fühlt sie sich für einen eiskalten Augenblick einsam und allein. Aber dann hört sie ihn ausatmen und als ihr bewusst wird, das er seit sie seine Hand ergriffen hat, die Luft angehalten hatte, ist er ihr nah, ganz da und es ist egal, wie groß die Leere um sie herum ist.
"Es tut mir leid." Kizumu atmet tief ein und dann wieder aus, aber es ändert nichts an dem Kloß in ihrem Hals. "Himmel!" Er steht still und dicht vor ihr, gibt keinen Ton von sich, aber sie spürt seinen fragenden Blick auf sich ruhen. "Ich liebe dich, mehr als ich sagen kann, aber manchmal.. manchmal möchte ich schreien. Schreien bis mir die Stimme wegbleibt, bis ich keine Luft mehr bekomme und ohne zu wissen, warum. Und dann sehe ich in dein Gesicht, sehe deine Liebe, unverändert und stark und fühle mich schuldig, weil ich so unglücklich bin, obwohl du doch bei mir bist und immer bei mir bleiben wirst." Ihre Augen füllen sich mit Tränen und sie ist froh, dass er ihr nicht ins Gesicht sehen kann. Auch wenn es der Elbin nicht ganz gelingt, diese Tränen aus ihrer Stimme herauszuhalten fährt sie fort. "Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf, spüre deine Wärme neben mir, höre dich atmen.. leben und fühl mich dabei selbst so tot. Und das einzigste was mir zeigt, das ich doch noch lebe ist die Angst in meinem Herzen, wie sie sich in mir einnistet, mich durcheinander wirbelt und mich ohne Orientierung zurücklässt. Ich habe Angst. Angst, das du irgendwann einfach verschwindest, mich allein lässt und ich nichts mehr mit mir anfangen kann, weil ich nur durch dich vollständig bin und ohne dich gar nichts. Das ist mir in den letzten Tagen klar geworden. Seit ich dich kenne, ist kein Tag vergangen, an dem du nicht in meinen Gedanken warst und ich kann kaum atmen bei dem Gedanken, dass du irgendwann nicht mehr an meiner Seite bist. Ich.. Himmel, ich rede wirr." Sie schnieft und wischt sich mit der freien Hand die Tränen von den Wangen und wagt es schließlich, zu ihm aufzublicken. "Ich fühle mich nutzlos ohne deine Nähe." Ihr Blick findet seinen, verwebt sich damit und lässt ihn nicht mehr los. "Ich brauche dich Olyvar, aber ich brauche.. brauche auch mehr von mir.. irgendwo in den letzten Monden habe ich mich verloren. Ich weiß nicht, wie ich zu mir zurückfinden kann aber ich weiß ich schaffe es nicht ohne dich an meiner Seite, nicht mit diesem Graben zwischen uns." Sein Atem geht rauh und die Muskeln seiner Hand sind fest unter ihren Fingern, aber er hält noch immer still, hört zu und sie kann es hinter seiner Stirn arbeiten sehen. Noch immer ringt sie tapfer mit den Tränen, sie will ihn nicht auch noch damit belasten. "Hilf mir, Olyvar. Bitte. Ich will wieder zu mir finden.. und zu dir, an deine Seite, in dein Leben an den Platz der mir zusteht."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 31. Aug. 2005, 18:34 Uhr
>Du hast gefehlt.< Olyvar erstarrt für einen Herzschlag, während ihr Blick seinen sucht in seinen Augen forscht, als suche sie darin etwas. Sie sieht nicht fort und irgendwann kräuseln sich ihre Mundwinkel sogar zu einem kleinen Lächeln, wenn es auch reichlich unsicher wirkt. Was immer er erwartet hat, ein so offenes Eingeständnis nicht und einen Moment lang kann er sich nicht entscheiden, ob er sich darüber freuen oder besser auf der Hut sein soll - das Fehlen des kleinen, möglicherweise aber entscheidenden Wortes "Mir" in ihrem Satz ist ihm nicht entgangen. Bevor er jedoch irgendetwas erwidern kann, flüchtet sie sich geradezu in die Beantwortung seiner Fragen. Er nickt nur, was die Kinder angeht, aber plötzlich vermisst er die beiden so sehr, dass es schmerzt. Conn und Fian sind sein, sein Fleisch und sein Blut. Seit er sie in jener endlosen, alptraumhaften Nacht, in der Kizumu sie zur Welt gebracht hatte und beinahe daran gestorben war, zum ersten Mal gehalten hatte, war keine Ruhe mehr in ihm gewesen - nicht in der Festung, nicht bei seinen täglichen Aufgaben und Pflichten, nicht in der Stadt oder bei einer Ratssitzung noch sonst wo. Kein Augenblick seiner Tage war vergangen, in dem er nicht sehnsüchtig an sie gedacht hätte, daran sie zu sehen und zu fassen und dicht an sich zu fühlen, sie einfach bei sich zu haben und ihr Leben neben sich zu spüren. Er holt tief und zittrig Luft und widersteht dem Drang, ins Schlafgemach zu hasten und in die Wiegen zu spähen und Kizumus Worte holen ihn ins Hier und Jetzt zurück. >Es tut mir leid... ich wollte herunter kommen. Ich hab gespürt, das du heut heimkehrst und deshalb habe ich die Kerze entzündet und wollte warten, aber ich fürchte ich bin eingedöst...< Sie steht auf und macht Anstalten, auf ihn zuzugehen, und Olyvar  erhebt sich gleichzeitig von der Tischplatte, doch bevor er ihr ausweichen kann, hat sie nach seiner Hand gegriffen und ihr Atem streicht kühlend über die pochende Brandwunde. Damit hat sie ihn festgenagelt - er kann sich ihr nicht entziehen, will er sie nicht verletzen und er spürt, wie ihre Finger sich sanft und fest um seine schließen. Als fühle sie sein Zögern, sein Misstrauen, vielleicht auch seine Angst davor, die Kluft zwischen ihnen noch tiefer einzureißen. "Kiz..."
Sie schüttelt den Kopf, als wolle sie ihn zum Schweigen bringen, aber sie sieht ihn nicht mehr an, sondern starrt angestrengt auf seinen blutigen Zeigefinger. >Es tut mir leid.< "Mir auch", hätte er beinahe trocken bemerkt, aber er schluckt es hinunter und wartet. Er kann sehen, wie es in ihr gärt und arbeitet, auch wenn sie den Kopf gesenkt hält, ihr ganzer Körper bebt wie eine angespannte Bogensehne. >Ich liebe dich, mehr als ich sagen kann, aber manchmal.. manchmal möchte ich schreien. Schreien bis mir die Stimme wegbleibt, bis ich keine Luft mehr bekomme und ohne zu wissen, warum. Und dann sehe ich in dein Gesicht, sehe deine Liebe, unverändert und stark und fühle mich schuldig, weil ich so unglücklich bin, obwohl du doch bei mir bist und immer bei mir bleiben wirst.<

Er zwingt sich, ruhig stehen zu bleiben und sie anzuhören, aber er kann nicht verhindern, dass er hörbar einatmet. Manchmal möchte ich schreien.... und fühle mich schuldig, weil ich so unglücklich bin, obwohl du doch bei mir bist...?! Echoen seine wild durcheinanderwirbelnden Gedanken. Dann ist es meine Schuld, hämmert sein Herz. Meine Schuld. Doch meine Schuld.
>Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf,< fährt sie fort und sieht ihn immer noch nicht an. Olyvar blickt auf ihren gesenkten Kopf hinunter. Sie trägt das glitzernde Kerzenlicht, gebrochen von seinem großen Schatten, wie einen Heiligenschein in ihrem roten Haar und er hätte beinahe gelächelt, doch ihre nächsten Worte treffen ihn wie eine eisengepanzerte Riesenfaust in seinem Magen. >spüre deine Wärme neben mir, höre dich atmen... leben und fühl mich dabei selbst so tot.<  Tot?! Er schließt die Augen für einen Moment und presst die Zähne so fest aufeinander, dass sich die Haut über seinen Kiefernmuskeln spannt. Bitter und immer bitterer. Was für ein Kompliment. Sie liegt neben dir und fühlt sich tot und an deiner Seite möchte sie schreien, weil sie so unglücklich ist... Er war wild entschlossen gewesen, sie zur Rede zu stellen und er hat bestimmt nicht erwartet, dass ihm das, was sie zu sagen hätte, sonderlich schmecken würde - aber er hatte auch nicht damit gerechnet, dass sie ihm ein glühendes Messer mitten ins Herz rammen würde. Plötzlich will er gar nichts mehr hören, will sich ihr nur noch entziehen, fort von hier und fort von dem Schmerz, der sich in seinem Inneren ausbreitet, aber Kizumu scheint nichts von seinen Gedanken zu ahnen... oder vielleicht doch?... denn sie fährt beinahe hastig fort: >Und das einzigste was mir zeigt, das ich doch noch lebe ist die Angst in meinem Herzen, wie sie sich in mir einnistet, mich durcheinander wirbelt und mich ohne Orientierung zurücklässt. Ich habe Angst. Angst, das du irgendwann einfach verschwindest, mich allein lässt und ich nichts mehr mit mir anfangen kann, weil ich nur durch dich vollständig bin und ohne dich gar nichts. Das ist mir in den letzten Tagen klar geworden. Seit ich dich kenne, ist kein Tag vergangen, an dem du nicht in meinen Gedanken warst und ich kann kaum atmen bei dem Gedanken, dass du irgendwann nicht mehr an meiner Seite bist. Ich.. Himmel, ich rede wirr.< Ihre Wort erreichen ihn durchaus, aber er ist zu verwirrt und zu verletzt, um ihr jetzt noch vernünftig und ruhig zu folgen. Glaubst du, nur du hast Angst? Hätte er am liebsten gebrüllt. Was ist mit mir? Wie glaubst du, fühle ich mich, wenn du mich mondelang anschweigst und mir dann DAS sagst? Erst, als sie vernehmlich schniefend Luft holt, hört er das Schluchzen in ihrer Stimme und registriert ihre Tränen, aber sie wischt sie bereits fort. Als sie den Kopf hebt, schwimmen ihre grünblauen Augen in kleinen, überlaufenden silbrigen Seen und ihr Blick hat etwas so dringliches, dass er reglos stehen bleibt und sie anhört, obwohl der Schmerz in seinem Inneren so heftig ist, dass er sich am liebsten zusammengekrümmt hätte.

>Ich fühle mich nutzlos ohne deine Nähe. Ich brauche dich Olyvar, aber ich brauche.. brauche auch mehr von mir.. irgendwo in den letzten Monden habe ich mich verloren. Ich weiß nicht, wie ich zu mir zurückfinden kann aber ich weiß ich schaffe es nicht ohne dich an meiner Seite, nicht mit diesem Graben zwischen uns.< Sein Atem muss mittlerweile so rau und gepresst klingen, als wäre er meilenweit gerannt, aber er weiß, dass auf seinem Gesicht nichts von seinen Gefühlen zu sehen ist - wie so oft, wie immer, wenn er eine gleichmütige Maske trägt, die alles eisern dahinter verborgen hält, was in ihm vorgehen mag. >Hilf mir, Olyvar. Bitte. Ich will wieder zu mir finden.. und zu dir, an deine Seite, in dein Leben an den Platz der mir zusteht.< Er windet seine Hand aus ihrer und tritt einen Schritt zur Seite, langsam wie ein Schlafwandler oder als wäre er betrunken... genaugenommen fühlt er sich im Augenblick, als hätte ihn jemand mit einer Eisenholzkeule schonungslos verprügelt. Erst, als er die Tischkante zwischen Kizumu und sich gebracht hat, dreht er sich um. Er stützt die Hände auf das glatte, altersdunkle Holz des Tisches, ballt sie zu Fäusten, öffnet sie wieder und lässt sie dann mit einer fast hilflosen Geste sinken. "Willst du ihn überhaupt noch?" Fragt er leise und im Klang seiner Stimme liegt alles, was sich auf seinem Gesicht nicht zeigt. "Den Platz an meiner Seite, meine ich... Er gehört dir nach wie vor, aber ich frage mich... ob du ihn noch haben willst, wenn du dich dabei eigentlich kreuzunglücklich und tot fühlst. Das war... starker Tobak, Kizumu, das muss ich erst verdauen. Im Grunde heißt es doch, ich kann tun, was ich will, ich erreiche dich nicht. Ich mache dich nicht glücklich. Du sagst, du liebst mich und du weißt, dass ich dich liebe, Kiz, du weißt es. Aber was nützt einem die größte Liebe Rohas, frage ich mich, wenn sie den anderen nicht glücklich macht? Und das scheine ich ja nicht zu können. Ich weiß," er hebt die Hände, "ich weiß, du hast gesagt, es liegt an dir, nicht an mir, aber das ändert auch nichts an den Tatsachen, oder? Du bist unglücklich. Und ich will nicht, dass du unglücklich bist. Und ich will auch nicht, dass du dich tot fühlst. Nur... wenn ich... wenn ich dir nicht geben kann, was du brauchst, dann... " er verstummt und schluckt die beißende Enge in seinem Hals so entschlossen hinunter, dass er das Gefühl hat, daran zu ersticken. Dann solltest du besser gehen, hatte er eigentlich sagen wollen, aber er bringt die Worte nicht über die Lippen. "Manchmal habe ich das Gefühl, dich überhaupt nicht zu kennen. Als würdest du dein Inneres vor mir verbergen und eifersüchtig wegsperren... Dieser Graben zwischen uns..." er schüttelt sacht den Kopf und schluckt hart. "Vielleicht haben wir einfach zu oft geschwiegen. Wir haben überhaupt zuviel geschwiegen in letzter Zeit. Ich weiß nicht, wie er sich auftun konnte, Kiz, aber er ist da und ich kann nicht... ich kann ihn nicht allein überqueren."

Einen Moment lang schweigt er, spürt die Wärme der heruntergebrannten Glut, die nur noch schwach hier und da rot zwischen wolkenweißer Asche und pechschwarzer Kohle leuchtet. An der Kerze auf dem Tisch rinnen Wachstropfen wie dicke Tränen herab. Olyvar schweigt lange und ihre Worte hallen in seinen Gedanken wider und wider wie kleine, ruhelose Echos und ihre fast verzweifelte Bitte schneidet ihm ins Herz, mehr als all ihre vorherigen Erklärungen. >Hilf mir, Olyvar. Bitte. Ich will wieder zu mir finden.. und zu dir, an deine Seite, in dein Leben...<
"Kizumu, ich kann dich nur lieben. Ich kann... ich kann dich nicht zwingen, zu wissen, was du eigentlich willst. Ich kann dich nicht zwingen, etwas mit dir anzufangen oder deine Fähigkeiten zu nutzen... und ich kann dich erst recht nicht zwingen, zu leben." Er sieht auf seine Hände im flackernden Kerzenlicht. Es sind große Hände, rau und sehnig und voller Kraft, von der Sonne gebräunt und von der täglichen Arbeit mit Schwert und Leder gezeichnet. Diese Hände haben sie gehalten und getröstet, geliebt und geneckt und sie berührt, jetzt sind sie so leer, dass sie bei jedem Atemzug schmerzen. "Ich kann... versuchen, dir beizustehen. In guten, wie in schlechten Tagen, aye? Aber ich kann dich nicht für dich finden, verstehst du? Das kannst nur du selbst. Du musst wissen und entscheiden, was dir wichtig ist, was du willst im Leben... was du erreichen willst oder nicht, was du tun willst oder nicht. Und ob du es mit mir teilen willst."  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 31. Aug. 2005, 23:39 Uhr
Als er seine Hand aus ihrer windet, fühlt sie eisige Finger ihre Wirbelsäule entlangtasten und sich ihr um den Hals legen. Langsam, als bereite es der Furcht unendliche Freude, scheint sie zuzudrücken und ihr die Luft zum Atmen zu nehmen. Bleib! Lass mich nicht allein.. nicht allein.. mit mir... Da, wo ihre Haut sich berührt hat, wo seine Wärme und seine Sicherheit gewesen waren, ist jetzt nur noch Kälte und Leere und kein Olyvar mehr. Er bringt den Tisch zwischen sie beide und sie kann sehen, wie hart ihn ihre Worte getroffen haben. Es dauert einen Herzschlag, ehe seine Worte zu ihr durchdringen, doch dann kann sie nur den Blick senken und zuhören. Die Worte, die noch eben so aus ihr herausgesprudelt waren, sind verschwunden, fort und sie kommen nicht zurück. >Kizumu, ich kann dich nur lieben. Ich kann... ich kann dich nicht zwingen, zu wissen, was du eigentlich willst. Ich kann dich nicht zwingen, etwas mit dir anzufangen oder deine Fähigkeiten zu nutzen... und ich kann dich erst recht nicht zwingen, zu leben. Ich kann... versuchen, dir beizustehen. In guten, wie in schlechten Tagen, aye? Aber ich kann dich nicht für dich finden, verstehst du? Das kannst nur du selbst. Du musst wissen und entscheiden, was dir wichtig ist, was du willst im Leben... was du erreichen willst oder nicht, was du tun willst oder nicht. Und ob du es mit mir teilen willst.< Die Stille die seinen Worten folgt ist lastend und sie fühlt ihre Knie unter diesem Gewicht weich werden.

"Ja... ja, ich will mein Leben mit dir teilen, ich will dort sein, wo mein Platz ist, vor den Göttern und allen Völkern.. ich will ihn, weil ich weiß, wie gut es sich anfühlt, weil ich weiß, wie glücklich er mich macht.. du mich machst." Ihre Selbstbeherrschung, nur mit viel Kraft bei sich behalten verflüchtigt sich mit einem Mal wie Nebel im Sonnenlicht und jetzt kann sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Unwirsch wischt sie sich mit dem Ärmel über das Gesicht und schnieft um halbwegs Luft zu bekommen.
Als würdest du dein Inneres vor mir verbergen und eifersüchtig wegsperren... Ja, vielleicht ist das mein Problem, das ich.. ja was... Sie muss mehrmals tief und gründlich Luft holen, ehe sie weiter spricht und ihr Blick heftet sich auf die ruhige Flamme der Kerze zwischen ihnen.
"Ich.." Ihr Blick findet seinen erneut und der Schmerz in seinen Augen, die Anspannung seiner Kiefermuskeln lassen sie beinahe verzagen. "Mein Platz ist an deiner Seite. Ich will dorthin zurück, will glücklich sein und leben.. mit dir und den Kindern, hier in Talyra, in dieser Halle.. hier und bei dir. Und wenn irgendwann der Tag gekommen ist, dann will ich dir folgen, so wie ich es versprochen habe. Ich weiß, wo mein Platz ist und ich weiß, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen möchte. Ich weiß nur noch nicht, wie ich es.. Olyvar, du hast gesagt, du überlebst diese Liebe nicht und ich habe dir geglaubt, weil ich gesehen und gefühlt habe, aber ich.. ich war mir nicht bewusst, wie weh Liebe tun kann. Sicher, ich habe einiges erlebt in meinem Leben, aber es war noch nie so wie mit dir. Nie so.. ganz, nie so alles, nie so.. Du. Als ich damals das Ehegelübde abgelegt habe, da kamen mir meine Worte richtig vor, gut und so wie es sein soll, aber ich habe nicht geahnt, wie wahr sie sind. Ich kann nicht ohne dich und das macht mir Angst." Er sieht sie noch immer an und bei ihren letzten Worten gibt er ein leises Schnauben von sich. Sie erzählt ihm nichts neues, das weiß sie. Sie weiß auch, das er genauso fühlt und das er ihr dies alles mehr als einmal gesagt hatte, aber ihr waren all diese Dinge erst in den letzten Monden wirklich aufgegangen. "Ich habe noch nie so gefühlt und es war noch nie nötig und wichtig und richtig, mich irgendjemanden so ganz und gar zu zeigen. Die, die es wollten und konnten, haben mich gesehen, aber dir kann ich nicht so einfach meine Seele zeigen und ich bin so schlecht darin, sie zu erklären.. Ich weiß, das du dies alles weißt, das du von Anfang an wusstest, was diese Liebe für uns bedeutet, aber ich.. ich bin wohl etwas schwer von Begriff." Das Lächeln misslingt völlig und sie schüttelt verwirrt den Kopf. "Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll... meine Worte tun dir weh, das sehe ich und dass ich dir wehtue.. das will ich nicht..." Irgendwann in ihrem Wortschwall hatte sie die Finger ineinander verknotet um wenigstens ein wenig Halt an irgendetwas zu finden. Sie spürt die Kluft zwischen ihrem Mann und sich und die eiskalte Furcht kriecht noch immer über ihren Rücken und durch ihren Körper.
"Was soll ich tun? Ich liebe dich, ich liebe die Kinder die du mir geschenkt hast. Ich gebe dir keine Schuld an dieser Situation, die trage allein ich. Ich bin für deinen Schmerz verantwortlich, für diese Kälte zwischen uns und wenn ich es ungeschehen machen könnte, ich würde es tun." Die Tränen sind versiegt und ihre Kehle ist wie zugeschnürt, denn sein Blick ist noch immer starr und ohne ein Zeichen für sie. "Olyvar!" Sein Name kommt ihr laut über die Lippen und er hallt unangenehm laut in der nächtlichen Stille der Halle, doch ihre nächsten Worte sind kaum mehr als ein Flüstern. "Was soll ich tun? Bei allen Göttern, sag mir was ich tun soll und ich.. ich werde es tun. Ich brauche dich."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 02. Sept. 2005, 23:48 Uhr
Olyvar wartet mit stockendem Atem... überhaupt scheint ihrer beider Luftholen das einzige Geräusch auf der Welt zu sein, seiner schwer und langsam, ihrer abgehackt und durchsetzt von halbersticktem Schluchzen. Ansonsten ist es grabesstill in der Halle... so still, dass er sein eigenes Herz laut und hart in seiner Brust schlagen hören kann. Es vergehen nur wenige Momente, bis sie ihm antwortet, aber Olyvar kommen sie vor wie eine halbe Ewigkeit. > Ja... ja, ich will mein Leben mit dir teilen, ich will dort sein, wo mein Platz ist, vor den Göttern und allen Völkern.. ich will ihn, weil ich weiß, wie gut es sich anfühlt, weil ich weiß, wie glücklich er mich macht.. du mich machst.< Er tritt einen halben Schritt zurück, neben den Kamin, stochert in der Glut, nur um irgendetwas zu tun und hätte den schweren Schürhaken am liebsten brüllend gegen die Wand geschlagen, wieder und wieder, bis seine Arme taub und der gallenbittere Zorn, der sich in ihm zusammenballt und an ihm zerrt und zerrt verraucht wäre. Nicht aus Wut auf sie... oder doch ja, er ist auch wütend auf sie. Sein Zorn allerdings gilt vor allem ihm selbst. Glücklich? Hatte sie nicht gerade eben noch gesagt, sie sei unglücklich? Ja.. manchmal. Manchmal sind wir alle unglücklich, ich doch genauso... und das hat rein gar nichts mit ihr oder unserem Leben zu tun. Niemand kann immer nur glücklich sein. Kizumu holt einige Male Luft und ihre beinahe ungehaltene Miene angesichts ihrer bröckelnden Selbstbeherrschung und  der verräterischen Tränen, die sie sich fast grob von den Wangen wischt, hätte ihn fast lächeln lassen. Einen Moment lang ist sie noch fahrig und unsicher, sucht nach den richtigen Worten, sucht seinen Blick und forscht in seinem Gesicht. Was sie dort findet, scheint sie zu ernüchtern, aber sie fährt dennoch tapfer fort und sprudelt dann geradezu hastige, verwirrende Erklärungen hervor. Dazwischen versichert sie immer wieder und fast beschwörend, sie wolle bei ihm sein, sie wolle zurück an den Platz, der ihr gehört... so als hätte sie ihn irgendwann in den letzten Monden verloren oder als sei sie vom Weg abgekommen und in die Irre gelaufen und könne den Rückweg allein nicht finden.

>Ich weiß, wo mein Platz ist und ich weiß, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen möchte. Ich weiß nur noch nicht, wie ich es... Olyvar, du hast gesagt, du überlebst diese Liebe nicht und ich habe dir geglaubt, weil ich gesehen und gefühlt habe, aber ich... ich war mir nicht bewusst, wie weh Liebe tun kann. Sicher, ich habe einiges erlebt in meinem Leben, aber es war noch nie so wie mit dir. Nie so... ganz, nie so alles, nie so... Du. Als ich damals das Ehegelübde abgelegt habe, da kamen mir meine Worte richtig vor, gut und so wie es sein soll, aber ich habe nicht geahnt, wie wahr sie sind. Ich kann nicht ohne dich und das macht mir Angst.< Er schnaubt leise, aber vernehmlich. Ihre Worte erfüllen ihn mit einer sehr seltsamen Mischung aus... ja, aus was? Wärme und einer Art Triumphgefühl ganz ohne jede Häme, für das er sich einfach nicht schämen will, mit Verständnis, denn er weiß sehr gut, was sie meint, und auch mit leisem Schrecken... was, wenn sie vielleicht glaubt, er verlange das von ihr? Dass sie für ihn dasselbe empfindet? Diese Art von Liebe? Er hatte es sich vielleicht gewünscht, irgendwo tief verborgen im Innersten seines Herzens, hatte vielleicht auch darauf gehofft, aber... es zu fordern wäre vermessen und ihm nicht einmal im Traum eingefallen. Sein Herz gerät ins Stolpern. Hatte sie tatsächlich gerade gesagt... gestanden... sie fühle das gleiche wie er... für ihn?  Da steht sie, tränenüberströmt und händeringend, verzweifelt bemüht, ihm zu erklären, was sie fühlt und sein ganzer Zorn verraucht wie Morgennebel in der Sonne. Er stellt den Schürhaken langsam in die Halterung zurück, facht die Glut mit ein paar Händen Kienholz an und legt Holz nach. Flackernder Feuerschein breitet sich aus und füllt den Umkreis von vier Schritt um den Großen Kamin mit Wärme und Licht. >Ich habe noch nie so gefühlt und es war noch nie nötig und wichtig und richtig, mich irgendjemanden so ganz und gar zu zeigen. Die, die es wollten und konnten, haben mich gesehen, aber dir kann ich nicht so einfach meine Seele zeigen und ich bin so schlecht darin, sie zu erklären.. Ich weiß, dass du dies alles weißt, dass du von Anfang an wusstest, was diese Liebe für uns bedeutet, aber ich... ich bin wohl etwas schwer von Begriff. Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll... meine Worte tun dir weh, das sehe ich und dass ich dir wehtue... das will ich nicht...<

"Nein, sie sind wahr und die Wahrheit kann ich ertragen. Aber du musst sie auch sehen, Kiz. Ich bin nicht Heron oder Malakai oder dein verdammter Drachenprinz. Wie lange sind wir nun schon verheiratet? Ein Jahr. Und wie lange liebe ich dich? Noch einmal so lange... und dennoch haben wir im Grunde keine Ahnung voneinander. Ich bin dein Mann und ja, bei allen Göttern, es ist wahr, ich will alles von dir haben... aber ich bin auch nur ein Mensch. Ich kann deine Gedanken nicht lesen oder einfach so in deiner Seele herumspazieren, und wenn du willst, dass ich weiß, wie es tief in dir aussieht, in deinem Inneren und wenn du es wirklich mit mir teilen willst, dann wirst du es mir wohl sagen und erklären müssen." Sie ringt ihre Hände, ihre Finger verschränken und lösen sich nervös und wenn sie ihre Fäuste ballt, treten ihre Knöchel weiß hervor. "Ganz gleich wie gut oder schlecht du im Erklären sein magst, versuch es doch einfach. Für euch Elben mag es selbstverständlich sein, solche Dinge mit eurer Empathie zu klären... vielleicht ist das ganz normal, wenn man sie hat, diese Gabe... Wann immer Euch die Worte ausgehen, spielt es überhaupt keine Rolle, ihr könnt euren Gegenübern ja einfach zeigen, wie es in euch aussieht..." Sie zuckt zusammen, als er sich bewegt, aber Olyvar tritt nur zum Kamin und stößt mit dem Fuß einen großen Birkenscheit zurecht, dass die Funken stieben. Die Flammen sinken mit knurrendem Flackern wieder tiefer in sich zusammen und Licht und Schatten huschen in tanzendem Wechsel über sein Gesicht.

>Was soll ich tun? Ich liebe dich, ich liebe die Kinder die du mir geschenkt hast. Ich gebe dir keine Schuld an dieser Situation, die trage allein ich. Ich bin für deinen Schmerz verantwortlich, für diese Kälte zwischen uns und wenn ich es ungeschehen machen könnte, ich würde es tun. Olyvar!< Seinen Namen schreit sie fast, aber ihre letzten Worte sind so leise, dass er Mühe hat, sie zu verstehen. >Was soll ich tun? Bei allen Göttern, sag mir was ich tun soll und ich.. ich werde es tun. Ich brauche dich.< Er fährt herum, noch ehe sie die letzte Silbe ausgesprochen hat. "Dann tu es doch!" Er ist mit zwei, drei großen Schritten bei ihr, packt ihre Schultern und schüttelt sie leicht. "Mach es ungeschehen, tu es doch einfach, was hält dich denn zurück? Hör auf, dir selbst Angst zu machen, hör auf, mit deinen Vergrübeltheiten und lebe einfach, wie du willst. Tu was immer du willst, du hast alle Möglichkeiten. Teil dein Leben mit mir. Teil deine Ängste mit mir und dein Lachen, alles was dir wichtig ist. Und wenn du ab und an das Gefühl hast, schreien zu müssen, weil dir alles zuviel wird oder du dich unglücklich fühlst, dann schrei doch! Glaubst du, ich kenne das Gefühl nicht? Jeder kennt es, Kiz. Wir haben beide gerade festgestellt, dass wir uns lieben, mehr vielleicht, als gut für uns ist, aber wir empfinden das gleiche und was bei allen Neun Höllen soll falsch daran sein? Hör auf dagegen anzukämpfen und hör auf gegen mich zu kämpfen, verdammt!" Er schüttelt sie noch einmal. "Hat es dir die Sprache verschlagen? Verfluch mich oder küss mich oder nenn mich einen Lügner. Sag irgendetwas."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 05. Sept. 2005, 23:04 Uhr
Das Feuer wirft tiefe Schatten auf sein Gesicht und seine Hände ruhen noch immer auf ihren Schultern; fast hat sie das Gefühl als würde sie nur noch von diesen Händen zusammen gehalten werden. >Mach es ungeschehen, tu es doch einfach, was hält dich denn zurück? Hör auf, dir selbst Angst zu machen, hör auf, mit deinen Vergrübeltheiten und lebe einfach, wie du willst.< Seine Worte geistern in ihren Gedanken umher, bis sie schließlich einen winzigen Platz finden, an dem sie sich niederlassen und festsetzen. Du weißt, wie recht er hat.. Sie hat ihren Blick fest in seinem verankert und spürt ihr Herz hart gegen die Rippen hämmern. "Mistkerl..." Ein winziges Lächeln liegt in ihrer Stimme und dann, ehe er darauf reagieren kann, ist sie ganz bei ihm, ihre Körper dicht an dicht und ihre Arme schlingen sich um seinen Nacken. "Ich liebe dich." Das Lächeln, zuerst nur hörbar schleicht über ihre Lippen, als sie die Antwort auf ihre Worte in seinen Augen erkennt und verschwindet auch nicht, als sein Mund sich auf ihren legt. Ihr Herzschlag treibt seinen Atem durch ihren Körper und die Arme, die sich um sie legen, treiben ihren Puls in die Höhe. Die Gedanken; eben noch viel zu viele und viel zu verwirrend für ihren Verstand , sind wie fortgewischt und sie spürt seine Wärme auf sich übergehen. Sie wissen beide, dass dies nicht die Lösung ihres Problems ist, aber es ist ein Anfang. Und es verspricht Trost den beide nach diesem Gespräch gebrauchen können.

Mitternacht war schon vorbei gewesen, als Olyvar in den Westflügel gekommen war und sie hat völlig die Orientierung in der Zeit verloren. Ihre Hand ruht auf seiner Brust und das weiche Fell kitzelt ihren nackten Rücken. Im Kamin glimmt nur noch die Glut des Feuers und die Elbin hat die Augen geschlossen. Mit leiser, warmer Stimme spricht sie die Worte, die ihr durch den Kopf geistern aus und erzählt ihrem Mann vom Brief ihrer Mutter. "Ich vermisse meinen Vater, weißt du. Sie hat nicht viel von ihm geschrieben, aber irgendwie.. Sie schreibt, dass er nicht mehr so viel lacht wie früher. Wir haben so viel miteinander gelacht. Wenn er mir etwas gezeigt hat; er hat ja ständig versucht mich seine Schmiedekunst zu lehren. Naja, einen einfachen, hässlichen Ring würde ich wohl noch hinbekommen..." Sie spürt das Lachen in seiner Brust vibrieren und lächelt bei der Erinnerung. "Sefra hat Kinder, Olyvar. Das älteste ist beinahe einhundert Jahre alt.. und selbst wenn sie ihre Mutter nicht mehr so bitter nötig haben, ich weiß doch, wie sehr sie ihre Familie braucht." Seine Hand streicht über ihre Schulter, spielt mit ihrem Haar und sie genießt die Berührung und die durch die Dunkelheit geschützte Nähe. Die Elbin zögert einen Augenblick, ehe sie sich dazu durchringt, ihm von Sefras Grund für diese lange Reise zu erzählen. Lass ihn an dich heran, Shunjalinn. Und das gehört dazu. Sanft löst sie sich aus seiner Umarmung, stützt sich auf den Ellenbogen und sieht ihrem Mann ins Gesicht. Ob er sie so deutlich sehen kann, wie sie ihn weiß sie nicht genau, aber sie will wenigstens den Anschein von Blickkontakt. "Und weißt du wer der Vater ist? Heron. Sie haben einige Zeit nach meinem Fortgang zueinander gefunden und sie haben drei Kinder miteinander.. ironisch, oder?" Ihre Stimme ist jedoch frei von Ironie und sie lächelt vage. "Als sie mir das erzählt hat.. mir den Brief meiner Mutter gegeben hat, da war ich ganz schön getroffen und hab mir gleichzeitig gedacht, wie dumm ich doch bin. Ich meine, das ist so lange her und ich habe jetzt dich und die Kinder und Ierás und trotzdem war ich einige Momente wirklich eifersüchtig auf meine Schwester. Albern, oder?"
Leises Greinen dringt an Kizumus empfindliche Mutterohren und enthebt Olyvar einer Antwort. "Finn... du hattest noch nicht einmal die Chance, sie zu begrüßen.. Komm." Sie kämpfen sich vom Boden hoch, schlüpfen in Hose und Nachthemd und schleichen mit einem leisen Kichern in ihr eigenes Schlafgemach. Die Elbin entzündet kein Licht, sondern nimmt Olyvar bei der Hand und führt ihn zu seinen Kindern. "Schsch, min lorlyr. Schau wen ich dir hier mitgebracht habe." Lächelnd legt sie ihm seine unruhige Tochter in die wartenden Arme und malt sich den warmen Ausdruck in seinen Augen aus, denn selbst sie mit ihren feinen Sinnen kann in der Dunkelheit nur graue Umrisse erkennen. "Sie sind so wunderschön. Jedes Mal, wenn ich sie ansehe, habe ich das Gefühl absolut und vollkommen zu sein. Danke." Er wendet ihr den Kopf zu und sie meint, ein kleines Lächeln zu erahnen. Sie kann ihn scharf die Luft einziehen hören und im selben Moment nimmt auch sie den durchdringenden Geruch aus Fianryns Windel wahr. "Oha..." Die Elbin huscht zur Wickelkommode, entzündet eine Kerze und lächelt, als Olyvar näher tritt und damit beginnt, seine Tochter zu wickeln.

Er hält die Kleine im Arm, ihr kleiner Kopf ruht an seiner Schulter und sie hat die winzigen, schrägstehenden vertrauensvoll geschlossen, während ihr Atem gleichmäßig über Olyvars nackte Haut streicht. Eine seiner Hände ruht unter ihrem Windelhintern und sein Blick hat sich über die Länge des Raumes in ihren versenkt, bis sie sich schließlich lächelnd abwendet. Mit raschen Schritten ist sie bei der Truhe, in der sie all ihre kleinen Geheimnisse aufbewahrt. Sie spürt seinen Blick auf sich ruhen, während sie den Deckel hochstemmt.
Der Brief ihrer Mutter liegt obenauf, direkt darunter das weiche Leintuch mit dem darin eingeschlagenen Kurzschwert und darunter all der Kleinkram und Schmuck, den sie auf ihren Reisen gesammelt hatte. Vorsichtig nimmt sie die Pergamentrolle an sich und geht dann zu ihm hinüber. Er kann kein elbisch, das scheint ihr sein Blick sagen zu wollen, aber sie streicht ihm nur lächelnd über den Arm. Und während Shenrahs Auge langsam aber stetig über Roha aufgeht, übersetzt sie die weitgereisten Worte ihrer Mutter für ihren Gemahl und ihre schlafenden Kinder.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 08. Sept. 2005, 23:50 Uhr
Kizumu tut, was er gefordert hat. Sie sagt  irgendetwas: >Mistkerl...< tönt es unter seinem Kinn, aber ihr Tonfall straft das harsche Wort Lügen und ihr leises >Ich liebe dich< weitet die beklommene Enge in seiner Brust, so dass er wieder atmen kann. Ihr Lächeln ist so scheu, aber gleichzeitig auch so unwiderstehlich, dass er gar nicht anders kann, als es zu erwidern. Und er kann erst recht nicht anders, als ihrem sanften Drängen nachzugeben, als sie sich an ihn schmiegt und ganz wortlos um einen Kuss und mehr bittet. Auf diese Weise hatten sie sich schon immer am besten verständigen können - wenn sie sich lieben, ganz ohne jedes Wort, gefangen im stummen Tanz von Fleisch und Bewegung, wo sich Wut und Verzweiflung ebenso Bahn brechen, wie Hoffnungen, Sehnsüchte und Liebe. Ihre Körper kennen noch eine ganz andere Sprache, als die der Worte und in dieser verstehen sie einander so blind wie bedingungslos. Hier bleibt kein Platz für Fragen, Zweifel oder Unsicherheiten, hier sind nur sie, die Gewissheit ihrer Liebe und die Tatsache, dass sie einander gehören. Nackte Haut auf nackter Haut gibt es kein Halten mehr, keine Beherrschung und keine Geheimnisse und sie lieben sich im letzten Schein der sterbenden Glut, bis ihre verlorenen Seelen sich finden, bis sie besänftigt sind und still. Is too fool o mo chuishlinn, is too chnev de mo chnev. Is lahtsa mo vohaig, choom goom bee shinn nar n-aon. . Es ist wahr, sie sind eins... Das hat auch ihm am Anfang beinahe Angst gemacht und hin und wieder hatte er versucht, dagegen anzukämpfen, nur um zu sehen, ob er es könnte. Es ist ihm nie gelungen und er weiß längst, er kann es nicht... also hatte er es irgendwann einfach aufgegeben, sich selbst nicht verlieren zu wollen. Sie ist seine Frau, sein Fleisch, sein Herz, sein Leben. Warum sollte er sich über verlorenen Stolz den Kopf zerbrechen, wenn er bei ihr keinen Stolz zu verlieren hat? Sie dagegen scheint diese Erkenntnis erst jetzt gefunden zu haben... und er weiß, diesen Kampf wird sie mit sich selbst ganz allein ausfechten müssen. Kizumus warme Hand tastet über seine Haut und legt sich auf seine Brust, während ihr Haar in der Dunkelheit wie Spinnweben über sein Gesicht streift, als sie sich ihm zuwendet. >Ich vermisse meinen Vater, weißt du. Sie hat nicht viel von ihm geschrieben, aber irgendwie.. Sie schreibt, dass er nicht mehr so viel lacht wie früher. Wir haben so viel miteinander gelacht. Wenn er mir etwas gezeigt hat; er hat ja ständig versucht mich seine Schmiedekunst zu lehren. Naja, einen einfachen, hässlichen Ring würde ich wohl noch hinbekommen..< Er lacht leise über ihren indignierten Tonfall, aber er ist auch überrascht. "Du kannst schmieden?" Das hatte er bisher nicht einmal gewusst... er weiß nur, dass sie weichere Felle und geschmeidigeres Leder gerbt, als jeder andere Kürschner. Und plötzlich wird ihm fast schmerzlich bewusst, dass es so vieles gibt, das er nicht von ihr und sie nicht von ihm weiß.

Dann erinnert er sich an die Kette, den Silberschmuck mit den Obsidianeinlagen, den sie einst auf dem Platz der Händler an einem Schmuckstand entdeckt und den er ihr gekauft hatte... völlig unwissend, dass es von ihrem Vater stammt. Er streicht ihren Arm hinauf, spürt die Wärme ihrer Haut, umfasst ihre Schulter, die sich rund und perfekt in seine Handfläche schmiegt und gräbt seine Finger in das Haar in ihrem Nacken. >Sefra hat Kinder, Olyvar. Das älteste ist beinahe einhundert Jahre alt.. und selbst wenn sie ihre Mutter nicht mehr so bitter nötig haben, ich weiß doch, wie sehr sie ihre Familie braucht.< Olyvar kann ein belustigtes Schnauben nicht unterdrücken und wickelt sich ein paar Strähnen ihres weichen roten Haares um die Hand. "Einhundert Jahre...Götter im Himmel, Kiz, das ist mehr, als ein ganzes Menschenleben und du redest von Kindern!" Er schüttelt den Kopf. "Manchmal sind die Unterschiede zwischen Elben und Menschen so leicht zu vergessen, weil wir uns ähnlich sind. Und dann wieder scheint es, als trennten Welten die Schönen von den Sterblichen..."
Sie rückt ein Stück von ihm ab und setzt sich auf, aber ihr plötzliches Innehalten scheint nichts mit seinen Worten zu tun zu haben. Dann dreht sie sich auf den Bauch, stützt sich auf seine Brust und sieht ihn an. Es ist fast vollkommen dunkel in der Halle, aber die letzten Reste der roten Glut überziehen ihr Gesicht mit schwachem Leuchten und tiefen Schatten. >Und weißt du, wer der Vater ist? Heron. Sie haben einige Zeit nach meinem Fortgang zueinander gefunden und sie haben drei Kinder miteinander.. ironisch, oder? Als sie mir das erzählt hat.. mir den Brief meiner Mutter gegeben hat, da war ich ganz schön getroffen und hab mir gleichzeitig gedacht, wie dumm ich doch bin. Ich meine, das ist so lange her und ich habe jetzt dich und die Kinder und Ierás und trotzdem war ich einige Momente wirklich eifersüchtig auf meine Schwester. Albern, oder?<
Heron? Ihr Ehemann?! Nein, ihr einstiger Gemahl. Hmmpf. Verdammt. Fianryns leises, maunzendes Quietschen reißt sie aus ihrem Gespräch und einen Moment lang ist Olyvar beinahe froh darum... seine Antwort wäre wissen die Götter wie ausgefallen. Allein der Name Heron hatte tausend kleine, aber penetrante unruhige Geister unter seiner Haut geweckt. Heron... Ifrinn! Heron war ein Narr, dass er Kizumu gehen ließ... zu meinem Glück. Heron und Sefra also. Darum ist ihre Schwester hier wochenlang herumgeschlichen wie das personifizierte schlechte Gewissen. Darum hat sie sich dauernd benommen, als hätte sie... etwas gut zu machen. Seltsamerweise macht diese Erkenntnis den Gedanken an dieses Tausende von Meilen weit fort lebende Spitzohr keinen Deut besser. Heron. Soso. Er spürt es in ihm brodeln und im nächsten Moment möchte er über sich selbst lachen. Jetzt sieh dich an, stehst hier und schnaubst vor Eifersucht über einen dämlichen Feuerelben, der am anderen Ende Rohas irgendwo in einem Berg mit drei Kindern hockt, die er mit ihrer Schwester hat!

In ihrem Schlafgemach lotst Kizumu ihn im Dunkeln zu den Wiegen und legt ihm gleich darauf ein zappelndes, quäkendes Bündel in den Arm. "Sie ist schwer geworden… und groß!" Flüstert er beinahe erstaunt, als könne er nicht glauben, dass seine Tochter in den paar Tagen, die er nicht bei ihnen gewesen war, soviel gewachsen sein soll. "Herrje, was hast du ihnen zu Essen gegeben?" Fianryn, vollkommen unbeeindruckt von seiner Anwesenheit, rammt ihm die kleinen Knie gegen die Rippen und fuchtelt ungehalten mit den Ärmchen, während sie eine Reihe empörter "Glähs!" ausstößt. "A leannan, du bist müde und hungrig, ich weiß, ich weiß. Ich... oh. Puh! Äh... sie ist nicht müde und hungrig, sie hat die Hosen voll. Kiz, kannst du..." Er kann Kizumus wissendes Grinsen in der Dunkelheit nicht sehen, aber er ist sicher, dass ihr Gesicht jetzt einen genau solchen Ausdruck trägt. Kurz darauf flammt eine Kerze auf und der Duft von warmem Bienenwachs erfüllt das Schlafgemach mit seinem Wohlgeruch.. ganz anders als die Pestilenzwolken, die aus Fianryns Windeln strömen. Olyvar verpasst seiner Tochter eine frische Windel und offenbar war es wirklich das, was die Kleine geplagt hat, denn kaum ist sie frisch gewindelt und angezogen, döst sie sich an seiner Schulter schon wieder in den Schlaf. Während Kiz leise im Zimmer umhergeht, aus dem Kerzenschein verschwindet und nur noch als Schemen zu hören, aber nicht mehr zu sehen ist, wirft Olyvar einen Blick in die zweite Wiege, wo Conn seelenruhig vor sich hinschnarcht, dann setzt er sich aufs Bett, lehnt sich mit dem Rücken in die Kissen und streckt die Beine aus. Fianryn liegt immer noch an seiner Schulter und er streicht seiner Tochter sacht über den kleinen, runden Kopf und das seidenweiche Haar. "Das mit der Eifersucht ist überhaupt nicht albern." Hier, in den Schatten des Bettes, kann er sie irgendwo hinter dem hellen Kerzenschein überhaupt nicht mehr ausmachen, nur noch hören. Sie klappt irgendetwas auf und wieder zu, aber dann tritt sie mit dem Licht in ihrer Hand ans Bett und setzt sich neben ihn. Er sieht sie lange einfach nur an, ihr schmales, schönes Gesicht mit den riesigen grünblauen Katzenaugen, der eleganten kleinen Nase und diesem breiten, sanft geschwungenen Mund. Dann lächelt er. "Ich meine, das ist so lange her und du hast jetzt mich und die Kinder und Ierás und trotzdem war ich einige Momente wirklich eifersüchtig auf Heron. Genauso albern, oder? Und doch auch überhaupt nicht albern. Du hast Heron eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Du erinnerst dich nur an den Heron von früher und da hat er nun einmal zu dir gehört." Sein Lächeln bekommt etwas vielsagendes, als er nachdenklich die Stirn in Falten legt und dann fortfährt: "Würdest du ihn jetzt treffen und wärst dann eifersüchtig auf Sefra, dann... tja, ich schätze, dann müsste ich ihn leider ausweiden und an den Ohren an die Staupsäule nageln, aber so..." er zuckt mit den Schultern und klopft grinsend Fianryns weich gepolsterten Hintern.

"Sie schläft ein..." Kizumu wirft einen fragenden Blick auf die Wiege, aber Olyvar schüttelt den Kopf. "Nein, lass sie mir. Ich will sie noch eine Weile halten... ich habe sie so lange nicht mehr im Arm gehabt." Der einzige Grund, warum er Conn nicht auch noch zu sich holt, ist der, dass sein Sohn vermutlich aufwachen und erbost über diese Störung seines Schönheitsschlafes in infernales Gebrüll ausbrechen würde. Kizumu lächelt nur, dann entrollt sie ein dickes Pergament und beginnt leise daraus vorzulesen:

>Min Shunjalinn,

so viele Jahre sind ins Land gezogen. Ich weiß das du nicht tot bist; eine Mutter fühlt so etwas. Auch wenn niemand weiß, wo es dich hinverschlagen hat, muss ich diese Chance nutzen die Sefra mir bietet. Du hast dir die Worte deines Vaters sehr zu Herzen genommen und bist aus unserem Leben verschwunden, hast ein Loch in unserer Mitte hinterlassen das niemand füllen konnte. Und doch bin ich sicher, dass Sefra dich finden wird, etwas anderes bleibt mir ja auch nicht übrig. Sie hat gesagt, sie kehrt erst zu uns zurück, wenn sie dich gefunden hat. Darin wart ihr euch schon immer sehr ähnlich, eure Entschlossenheit und euer eiserner Wille; auch wenn ihr beides auf so unterschiedliche Weise ausdrückt.

Es ist einiges geschehen; dein Vater hat dein Fortgehen nie verwunden, er lacht nur noch selten und seine Gedanken sind stets in weiter Ferne und seit feststeht, dass auch Sefra uns verlässt, ist er nicht mehr derselbe. Trost findet er nur noch in seinen Enkelkindern. Sefra ist Mutter geworden. Dreimal. Sie heißen Riafian, Shaeria und Siranria und es sind wundervolle Kinder, Shunjalinn. Versteh mich bitte, ich möchte nicht an alten Wunden reißen, doch ich bin der Meinung, dass du etwas über deine Nichten und deinen Neffen wissen sollst und ich weiß nicht, ob du es von Sefra hören willst.
Die drei sind noch jung und auch wenn Riafian jedem, ob er es nun wissen möchte oder nicht, erklärt er sei erwachsen; der Fortgang seiner Mutter hat ihn schwer getroffen, ebenso wie seinen Vater. Er ist Jäger wie du es warst und er ist wirklich gut darin. Und sonst? Nun er ist ein Heißsporn, der versucht sich in der Welt der Erwachsenen zu beweisen und dennoch hält er viel auf die Traditionen unseres Volkes. Beides ist schwer zu vereinbaren und es macht ihm zu schaffen, aber ich denke, wenn Sefra zurückkehrt wird sie ihren Sohn kaum wieder erkennen.
Shaeria, unsere kleine Seharim. Sie ist so schwer zu beschreiben, aber ich will es versuchen. Als mittleres Kind hat man es nicht leicht, zumindest hat mir das einmal jemand gesagt, aber Shae ist da anders. Sie interessiert sich für die Schmiedekunst deines Vaters, was ihn natürlich ehrlich freut und sie macht schnell große Fortschritte. Auf der einen Seite ist sie, ähnlich wie ihr Vater und Großvater sehr traditionsbewusst; sie verehrt Enris geradezu und wann immer man Shae sucht, braucht man nur in in ihrer Nähe nach dem Mädchen suchen. Und auf der anderen Seite erkenne ich in ihren Augen dieselbe Sehnsucht, die ich auch in deinen so oft fand und manchmal bringt mich die Angst, sie ebenfalls zu verlieren schier um den Verstand. Aber sie ist auch nicht so, wie du es warst und wie es Sianria ist.
Sefras Jüngste ist ein Wildfang, immer überall und nirgends. Sie ist keine vierzehn Sommer alt und steckt voller Ideen, Hoffnungen und Träume. Und sie bringt es beinahe als einzigste fertig, deinen Vater zum Lächeln zu zwingen.

Min Shunjalinn.. Hast du dich eigentlich einmal gefragt, warum ich dir diesen Namen gegeben habe? Ich fürchte, ich bin dir eine Erklärung schuldig. Während deiner Geburt hatte ich eine Art Vision, kaum mehr als Gefühle und Vorahnungen. Ich habe Leid gesehen, Shunjalinn; Leid und großen Kummer, Schmerzen und Verzweiflung. Aber auch Freude, Freundschaft und vor allem Liebe. Eine, die Berge versetzen kann, den Tod überdauert und eine die ihn besiegt. Diese Liebe hat mir den Mut gegeben, deine Geburt durchzustehen, denn ich wusste ja das du dieses Leid ertragen wirst, es nicht alleine ertragen musst. Zuerst war ich erstaunt, als ich feststellte, das du diese Liebe nicht bei Heron fandest, doch dann zeichnete sich dein Fortgehen ab und ich verstand, dass du dein Leben nicht bei uns verbringen würdest.
Ich hatte noch nie Visionen, manchmal Vorahnungen, aber die hat wohl jeder einmal und sie trafen nur selten zu und ich teile Enris Meinungen, was Visionen und Voraussagungen angeht. Sie verleiten einen zu oft, sich gehen zu lassen, sein Schicksal nicht mehr selbst in die Hand zu nehmen und ich wusste damals schon, dass du deinen Weg gehen musst, sonst würdest du untergehen. Ich wusste und weiß es noch immer, du bist etwas besonderes. Du wirst jetzt sagen, nun das ist die Pflicht einer Mutter, dass sie so über ihre Kinder denkt, aber ich bin mir sicher, Faeyris hält ihre schützende Hand über dich.
Ich habe nie jemandem von dieser Vision erzählt und Regentanz war zuerst nicht sehr überzeugt von meiner Namenswahl. >Es fordert das Schicksal heraus, meinst du nicht?< Ich habe nur gelächelt und meinen Willen bekommen und du wurdest mein kleines Schattenkind.
Was soll ich sagen, ich habe seither nie wieder eine Vision gehabt, aber die Hoffnung, dass du in der Zwischenzeit diese eine Liebe gefunden hast, ist geblieben.<


Olyvar lauscht ihr schweigend, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen, auch wenn ihre Blicke sich immer wieder finden, wenn sie aufsieht... der seine ruht unverwandt auf ihr, während sie liest. Er kann an ihrer Stimme hören, was sie berührt, was sie amüsiert oder nachdenklich stimmt und er erfährt aus diesen wenigen Zeilen ihrer Mutter mehr über sie, als in der ganzen Zeit ihrer Ehe. Der östliche Himmel überzieht sich mit hellgrauen Schlieren und perlmuttfarbenem Licht, bis sie endet. Eine Jägerin. Ein Wildfang. Voller Träume und Hoffnungen. Ein Mädchen, das seinen Vater zum Lächeln bringt... die letzten Worte ihrer Mutter brennen sich ihm tief ein. Schattenkind. Über diesen Namen hatte er sich stets gewundert und ohne es zu wissen, hatte er ähnliche Gedanken gehegt, wie ihr Vater und sich immer gefragt, was ihre Mutter bewogen hatte, sie so zu nennen. Jetzt weiß er es. "Sgáileanabh. Shunjalinn. Schattenkind. Jetzt bist du mein Sgáileanabh, mo cridhe. Komm her zu mir." Sie lehnt sich an ihn, den Brief ihrer Mutter noch immer in den Händen, legt ihren Kopf an seine Schulter und schließt die Augen, während über dem Ildorel die Sonne aufgeht und ein neuer Morgen in Talyra anbricht.

Die nächsten drei Monde vergehen im ruhigen Gleichmaß friedlichen Alltags - so friedlich wie der Alltag mit zwei aufgeweckten Zwillingen sein kann - und ohne weitere Kämpfe gegen eigenen Stolz oder unbegründete Ängste. Es gibt schöne und schwierige Momente, sicher, aber was bei weitem überwiegt in diesem kurzen, süßen Frühsommer und dem verregneten Beerenreifmond ist das Gefühl des endgültigen Zusammenwachsens. Sie reden sehr viel und sehr lange und Kizumu ist jetzt oft mit den Kindern bei ihm, während er im Solar endlosen Pergamentkrieg führt oder in der Festung unterwegs ist. Sie unternehmen - ganz ohne Kinder - lange Ausritte ins Larisgrün, wann immer es ihnen Zeit und Wetter erlauben, sie besuchen Kea und Ieras, treffen allerdings in der Schmiede außer zwei gelangweilten Pferden niemanden an, stöbern sich durch talyrische Geschäfte, streifen hin und wieder über den Markt und den Platz der Händler oder faulenzen in der stillen Abgeschiedenheit ihres ummauerten Gartens mit den windverkrüppelten Aprikosenbäumen. Conn und Fianryn werden groß, produzieren in endlosen Nächten voller Geschrei, die sowohl Kizumu, als auch Olyvar den letzten Nerv kosten, eine Reihe perlweißer Zähnchen und beginnen zu krabbeln, als der Sonnenthron sich seinem Ende neigt. Das hat zur Folge, dass die unteren Fächer, Laden und Türen sämtliche Kommoden und Schränke im Westflügel nicht mehr sicher vor ihnen sind und Kiz und Feorna alles zerbrechliche oder kostbare, das möglichst nicht in neugierigen Kinderfingern landen sollte, nach oben räumen müssen. Sie beginnen jedoch mit dem Krabbelalter, auch immer mehr Brei oder Brot zu essen, bis sie schließlich beide im Beerenreif fast schon entwöhnt sind und Kiz nicht mehr die einzige ist, die sie füttern kann. Die Brust aufzugeben scheint den Zwillingen nicht schwer zu fallen... Kizumu dagegen trifft es hart, plötzlich eifersüchtig auf Brotrinde und zerdrückte Kartoffeln sein zu müssen, auch wenn Olyvar glaubt, dass sie auch froh über ein weiteres Stück zurückgewonnener Freiheit ist. Sie liebt die Kinder und sie kümmert sich liebevoll und mit unendlicher Geduld um die Beiden... aber es ist doch auch erleichternd, nicht mehr so angekettet an ihre unmittelbaren Bedürfnisse zu sein. Je weniger sie von ihrer Mutter abhängig sind, desto mehr kümmert er sich um sie - jeden Vormittag begleiten sie ihn jetzt in sein Solar und wenn er andernorts in der Steinfaust zu tun hat, nimmt er sie so oft es geht mit. Sein Sohn kennt sich nach zwei Wochen bestens in Rhordris Archiven aus und Fianryn weiß ganz genau, welche von Ballabars geheimnisvollen Schachteln, Truhen, Kisten und bauchigen Flaschen man gefahrlos angrapschen und nach Herzenslust öffnen und schließen kann, und von welchen man besser tunlichst die Finger lässt, wenn man keine Kröte werden will. So vergeht der Goldschein, der Sonnenthron und die Hälfte des Beerenreifmondes bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem Morganas Kate und das halbe Nordtor von einer ebenso gewaltigen, wie mysteriösen Explosion zerfetzt werden. Auch zwei Tage nach dem verheerenden und doch so glimpflich überstandenen Feuer ist man in der Steinfaust immer noch nicht schlauer, was seine möglichen Ursachen angeht. Alle Zeugen waren befragt worden, das Nordtor gesperrt, die Trümmer beseitigt und die Verwundeten erholten sich in den Tempeln... aber dass der Brand am Nordtor nur ein blasser Vorgeschmack war auf das, was Talyra noch bevorsteht, ahnt hinter den schrittdicken Festungsmauern und auch sonst in der Stadt niemand.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Arwen am 21. Okt. 2005, 12:57 Uhr
Langsam, so unendlich langsam als wate sie durch zähflüssigen Sirup, taucht Arwens Geist aus der Bewusstlosigkeit auf. Ihre Wahrnehmung setzt sich nach und nach aus zahllosen, kleinen Empfindungen wieder zusammen. Mir ist kalt. Das ist die erste Wahrnehmung, der erste bewusste Gedanke, der die Schwärze in ihr durchdringt. Ein kleiner Funke nur, und er flackert schwach und unstetig, aber er erlischt nicht wieder. Sie liegt auf etwas weichem. Heu…  sie kann es spüren und riechen. Ein Windhauch, der ihr über das Gesicht streicht, nimmt den Geruch nach Sonne, Kräutern und Gras mit sich fort und bringt dafür den Gestank von saurer Asche, Feuer und verbranntem Fleisch mit sich. Schlagartig wird Arwen übel, ein Gefühl als wolle sich ihr Magen nach außen stülpen. Sie will sich zur Seite drehen, will dem Drang sich erbrechen zu müssen nachgeben, aber sie kann nicht. Es ist so unendlich schwer, ihr Denken zu zwingen einen klaren Gedanken an den anderen zu reihen und ihren Muskeln die Befehle zu geben, sich so zu bewegen wie sie es will. Sie gibt das Ringen mit ihrem eigenen Körper auf, driftet kurz wieder in die Schwärze davon, die sie sanft einhüllt. Das Rattern eisenbereifter Holzräder auf unebener Straße dringt als nächstes zu ihr vor, dann nervöses Schnauben. Pferde…. Sie kann andere Personen in ihrer Nähe spüren, hört Stimmen, aber sie sind so undeutlich, als kämen sie aus weiter Ferne und durch dichten Nebel, zu fern, als dass Arwen sie erkennen oder jemandem zuordnen könnte, den sie kennt. Und je mehr sie versucht, sich durch den Nebel in ihrem Denken zurück ins Bewusstsein zu kämpfen desto dichter scheint der Nebel wieder zu werden, bildet Schlieren, die sich in wildem Taumel um sie drehen bis ihr schwindlig wird. Sie gibt ihre Bemühungen auf, lässt ihr Denken wie in Wattewolken einfach treiben, und gibt sich notgedrungen mit dem zufrieden, was der Nebel zu ihr durchlässt. Das Hufklappern verändert sich, ebenso die Geräusche der Räder. Holzplanken… Steine… Der Untergrund ändert sich rasch, denn auf das hohle Dröhnen beschlagener Hufe auf den Holzplanken der herabgelassenen Zugbrücke die den Zugang zum Vorwerk der Steinfaust freigibt, folgt das helle Klappern der Hufe auf dem steingepflasterten Äußeren Zwinger. Das Stimmengewirr um sie herum nimmt noch weiter zu. Aufgeregte Stimmen, Rufe, Befehle, erst nah, dann weiter weg, es rauscht an Arwen vorbei wie die Brandung in der Bucht von Ebenandra.

Dann endet der Hufschlag, auch das Knarren der Wagenräder verstummt, dafür nimmt direkt um sie herum das Stimmengewirr wieder zu. Eine Frauenstimme, leise nur  Sie klingt so müde...  und Arwen hat das Gefühl sie kennen zu müssen, aber ihr will einfach kein Name zu der Stimme einfallen. Dann die ruhige, tiefe Stimme eines Mannes, nicht minder müde, aber ihre Worte scheinen Ordnung in das Gewirr der anderen Stimmen zu bringen, die meisten sogar verstummen zu lassen. >… untersuchen …  Zimmer... Westflügel… nichts ernstes…< Wortfetzen erreichen sie, doch der Sinn will sich Arwen einfach nicht erschließen. Dann sind da Arme, die sie aus dem Heu heben. Das Geräusch von Stiefeln auf Steinboden in einem Gang, Stimmen und hastige Schritte, die an ihnen vorbei huschen. Das Wispern von festem Tuch, das an einer Mauer entlang streift, das steife Knarren von Leder und das Geräusch von Metall, das an Metall reibt. Das An- und Abschwellen von Stimmen als eine Tür sich öffnet und wieder schließt. Jede weitere Wahrnehmung holt sie weiter in die wache Welt zurück, ganz so wie Zunder den Funken zur Flamme wachsen lässt. Aber so sehr sie es auch versucht, es gelingt ihr nicht, ganz zu erwachen. Wieder öffnet sich eine Tür, und sie ist schlagartig einer solchen Flut von Stimmen, Weinen, Jammern, Schreien, Geräuschen und Gerüchen aussetzt, dass Arwens Geist sie nicht verarbeiten kann und sich fluchtartig wieder tiefer in den grauen Nebel vergräbt. Und so bekommt Arwen weder mit, dass sie für kurze Zeit der Obhut Maester Ballabars überlassen und rasch untersucht wird, noch dass man sie, nachdem nicht mehr als ein angeschlagener Schädel gefunden wird, in den Westflügel der Steinfaust in die privaten Gemächer des Lord Commanders bringt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Cassandra am 22. Okt. 2005, 18:13 Uhr
Der Weg durch die Straßen ist schlimmer als alles, was Cassandra sich vorgestellt hat. Gnädigerweise ist es dunkel in den Straßen, dunkler als sonst. Nicht einer der gewohnten Nachtfeuerkörbe brennt. Und da die meisten Brände in der Stadt unterdessen gelöscht sind, ist auch deren unheimlich roter flackernder Schein erloschen. Greg, wie der Bursche aus der Steinfaust sich unterdessen vorgestellt hat, geht voran und lotst sie am Rand des Marktplatzes entlang zur großen Straße, die zum Händlertor führt. Viel ist nicht zu erkennen, und Cassandra hat auch keine Zeit, sich großartig auf dem Marktplatz oder in den Straßen und Gassen umzusehen, immerhin hat sie Rialinn auf dem Arm und hat mehr als genug damit zu tun, auf ihren Weg zu achten. Als sie das zweite Mal schimpfend über eine Furche im Boden stolpert und Ullmar sie mit festem Griff davor bewahren muss, anschließend über einen undefinierbaren Höcker zu fallen, hält sie den Jungen zurück. "Was ist das, Greg? Die Straßen und der Marktplatz sind doch sonst nicht so zerfurcht wie ein umgepflügtes Feld. Was ist hier passiert?" Der Junge dreht sich zu ihr um, und das unfrohe Lächeln, das er sich ins Gesicht zwingt, kann Cassandra allenfalls ahnen, sehen kann sie es nicht, aber an seiner Stimme hören. "Ich glaube nicht, dass sie ihr das wirklich wissen wollt… Ihr seid nicht in der Stadt gewesen, als... es… passiert ist, oder? Nein… vermutlich nicht, nicht mit dem Kind, oder?... Ihr solltet froh, sein, dass es dunkel ist und man nicht alles sehen muss. Sie.. sie haben noch nicht alle Toten geborgen, nicht mal die, die man schon gefunden hat… Der Marktplatz, vorhin konnte man noch etwas davon sehen, man erkennt ihn nicht wieder, wie ein Schlachtfeld. Das Pflaster aufgebrochen, die Wagen und Stände verbrannt, geschmolzene Rinnen im Stein, der Harfengarten ist abgebrannt, und… und… Kommt, hier entlang, wir sollten uns beeilen, es sind zwar überall Blaumäntel auf streife in den Gassen, aber… keiner kann sagen, ob hier nicht doch noch Dinge unterwegs sind, denen wir lieber nicht begegnen möchten." Besorgt mustert Cassandra die sie umgebende Dunkelheit, so als würde ein Höllenhund im nächsten Augenblick um eine der Hausecken gesprungen kommen. Doch nichts passiert. Entspannter wird sie deswegen aber trotzdem nicht, auch wenn es etwas Beruhigendes hat, Ullmar bei sich zu wissen.
Sie hüllt Rialinn noch enger in ihren Mantel und presst sie fest an sich. Es muss sie niemand mehr auffordern, den Schritt zu beschleunigen. Du dumme Gans, was für eine Irrsinnsidee, mitten in der Nacht durch die Stadt zu laufen, nachdem hier ein Dämon gewütet hat, wie kann man bloß so dämlich sein. Und dass das Kind zu seiner Mutter muss, mag ja stimmen, aber Wahnsinn ist es trotzdem… schimpft sie mit sich selber, während sie weiter dem Jungen durch die verlassenen Straßen folgt. Der große Schatten vor ihnen, ein Schemen in der nächtlichen Dunkelheit muss das Haus der Bücher sein, denn er biegt von der großen Straße ab und wendet sich nach Nordwesten. Und nur wenig später können sie dann auch die Fackeln an den Toren und die Nachtfeuerkörbe auf den Mauern der Steinfaust sehen. Endlich atmet sie auf. Doch die Erleichterung schwindet eben so schnell wieder, als sie die Menschentraube vor dem Tor erkennt, Alte, Frauen, Kinder, Männer, verletzt, verstört drängen sie sich vor den wachhabenden Blaumänteln. Rufe klingen ihnen entgegen, Rufe nach einem Heiler, nach Hilfe und Obdach. Kopfschüttelnd bleibt Cassandra stehen und hält auch Ullmar zurück. "Da können wir nicht hin, in das Gedränge, nicht mit Rialinn." Doch der lässt sich nicht beirren, und schiebt sie weiter, Greg hinterher. "Wenn die Lady von Tarascon ihn geschickt hat, dann wird er wohl auch dafür sorgen können, dass wir da hinein kommen ohne vorher in der Schlange anstehen zu müssen." Zögernd lässt Cassandra sich vorwärts schieben, legt ihre Hand schützend um Rialinns Kopf und holt tief Luft. Insgeheim fragt sie sich schon seit ihrem Aufbruch, in welchem Zustand Lady Arwen ist, denn dazu hatte der Junge nichts sagen können. Aber wenigstens behält Ullmar Recht, Greg schiebt sich mit ihnen am Rand der Hilfesuchenden vorbei bis zu einem der Stadtgardisten, und sie gelangen in die Steinfaust ohne in größeres Gedränge zu geraten oder gröbere Stöße einzufangen; wozu sicherlich auch Ullmar beiträgt, der Cassandra kurzerhand an sich zieht und sich als lebende Pflugschar betätigt. Und das ist auch nötig, denn die Oberste Magd von Vinyamar ist wie erstarrt, als sie ein keines Mädchen sieht, kaum so alt wie Natie, den einen Arm voller nässender Brandblasen und der andere Arm endet nicht in einer kleinen Hand, sondern in einem Stumpf, der mehr als notdürftig mit Tüchern umwickelt und blutdurchtränkt ist. Götter im Himmel… Erst jetzt wird ihr so richtig bewusst, WAS sie dem Bannkreis verdanken, den die Elbin um das Haus gelegt hatte. Das da, das hätte ebenso gut Natie oder einer der anderen sein können. Mit einem erleichterten Aufatmen registriert sie, dass die Wache einen an deren Blaumantel heranwinkt, der das kleine Mädchen hochhebt ehe es von seinen wackeligen Beinen fällt und mit ihm irgendwo zwischen all den anderen im Inneren verschwindet.

Cassandra hat die Steinfaust noch nie von Innen gesehen - genau genommen  hat sie sie selbst von außen bisher kaum mehr als ein oder zwei Mal aus der Nähe gesehen. Aufmerksam sieht sie sich um, die hohen Mauern wirken von innen fast noch trutziger als von außen, ebenso die Wehrtürme. Gebäude, Lagerhäuser, Stallungen, die meisten Gebäude sehen im flackernden Licht der Fackeln und Wachfeuer fast gleich aus. Überall um sie herum laufen Männer, Knechte und Burschen, werden Verletzte gebracht und einer der Kämmerer treibt Knechte an, die Wagen zu beladen, die der Lord Commander zum Haus der Weißen Dame beordert habe. Zeit, sich das ameisenhaufengleiche, geordnete Chaos, in dem scheinbar doch jeder Weg und Aufgabe kennt zu erschließen, bleibt ihr jedoch nicht, Ullmar schiebt sie hinter Greg her, durch einen weiteren Torbogen in den Inneren Zwinger. Hier herrscht schon deutlich weniger Durcheinander, und der Junge bedeutet ihnen, ihm zu einem der Türme zu folgen, der hoch und wuchtig in den Himmel ragt, und aus dessen Fenster sich Licht wie suchende Finger in die Dunkelheit erstreckt. "Hier hat Maester Ballabar seine Räume, und hier ist auch das Lazarett." Ehe Cassandra ihn noch etwas fragen kann, ist er auch schon die ersten Stufen rauf, und ihnen bleibt nichts anderes über als ihm rasch zu folgen, wollen sie ihn nicht aus den Augen verlieren. Das Lazarett... Himmel, was ist mit ihr… was…was… Endlos scheint die Treppenflucht sich nach oben zu winden, vorbei an Türen und Kammern, folgen sie Greg und haben keinen Blick für jene, die ihnen entgegen kommen. An einer Tür bleibt der Junge endlich stehen und wartet, bis sie zu ihm aufgeschlossen haben. "Hier ist es... das Lazarett." Er öffnet die Tür und lässt sie in einen großen Raum eintreten, der sich fast saalartig über das ganze Stockwerk auszubreiten scheint. Cassandra verschlägt es die Sprache. Ein unglaubliches Stimmengewirr schlägt ihnen entgegen, das Weinen, Rufen und Schreien Verletzter, der penetrante Geruch von Blut, verbranntem Fleisch, dazwischen Gehilfen und Heilernovizen, Priester, die hier zu helfen scheinen, ein uralter Mann, der trotz seiner offensichtlich blinden Augen mit einer schlafwandlerischen Sicherheit zwischen den Liegen und behelfsmäßigen Lagern aus Decken umherwandert, die Leute untersucht und einem jungen Mann an seiner Seite Anweisungen erteilt. Das muss dieser Maester Ballabar sein… Götter, steht mir bei, wenn sie hier ist, in diesem Chaos, dann nehm ich sie auf der Stelle mit zurück nach Vinyamar, hier in diesem Lärm und diesem… Leid… hier lasse ich sie bestimmt nicht… Rialinn auf ihrem Arm beginnt sich in ihrem Tragetuch zu winden, wird langsam wieder etwas wacher, und Cassandra fleht stumm die Götter an, dass das Kind noch so lange in Trance bleibt, bis sie ihre Mutter gefunden haben.

Sie stehen neben der Tür, und warten auf Greg, der irgendwo in diesem Gewimmel verschwunden ist, als einer der Helfer zu ihnen tritt und sie eingehend mustert. "Seid ihr verletzt? Oder das Kind?" Er versucht an Mantel und Tragetuch vorbei einen Blick auf Rialinn zu erhaschen, was Cassandra das Kind instinktiv enger an sich drücken lässt. "Nein, wir sind nicht-" Der Mann lässt sie gar nicht erst ausreden. "Nicht verletzt, welcher Schwachkopf hat euch dann den Turm herauf geschickt? Wenn ihr kein Obdach mehr habt, gute Frau, dann meldet euch im Äußeren Zwinger, die Kämmerer dort geben euch einen Platz zum Schlafen. Oder kennt ihr euch mit Kräutern und Verbänden aus? Dann gebt das Kind einer der Frauen, wir können hier jede Hilfe brauchen, das seht ihr ja selber." Ein abschätzender Blick huscht über Cassandra und ihre auffallend saubere Haube - sie ist tatsächlich sauber du nicht mit Ruß und Asche verschmiert oder gar angesengt. "Nein, wir sind nicht hier, weil wir Obdach suchen, wir", jemand drängelt sich an ihnen vorbei und zur Tür hinaus. "Wir suchen nach jemandem." Fast hat sie das Gefühl, der Mann vor ihr würde sie auslachen, doch dann wird es nur ein reichlich schiefes Grinsen. "Suchen? Hier? In dem Durcheinander?" Er macht eine Geste mit der Hand, die den wimmelnden Ameisenhaufen hinter ihm und ganz Talyra einschließt. "Gute Frau, es werden Listen ausgehängt werden, mit den Namen der Verletzten.. und Toten.. die wir hier haben, morgen, vielleicht, wir wissen ja noch nicht einmal die Namen von allen, die hier bei uns liegen. Ich glaube kaum, dass ihr hier jemanden findet. Aber ihr könnt gerne herumschauen, vielleicht sind die Götter euch hold, und ihr finden, wen ihr sucht. Ich muss jetzt zurück, ich habe zu tun." Spricht, dreht sich um und ist verschwunden. Cassandra und Ullmar können ihm bloß sprachlos hinterher starren, sehen sich an, und schütteln beide den Kopf, als seien sie sich nicht sicher, was hier eben passiert ist. Doch dazu, sich zu fragen, was nun weiter geschehen soll, kommen sie nicht, den der junge Mann, den die Lady von Tarascon ihnen geschickt hatte, steht wieder vor ihnen. "Habt-" "Sie ist nicht hier, nicht mehr genauer gesagt. Aber keine Sorge, es geht ihr wohl recht gut. Maester Ballabar hat sie untersucht, und dann ist sie in den Westflügel gebracht worden, in die Gemächer des Lord Commanders. Ich bringe Euch hin… Und das hier hat mir einer der Gehilfen gegeben." Er drückt Ullmar etwas in die Hand, das in eine fadenscheinige, alte Decke eingewickelt ist. "Das ist das Rüstzeug von eurer Herrin, und ihre Waffen. Das hatte man wohl vergessen mitzunehmen." Ullmar und Cassandra wechseln nur einen stummen Blick aus großen Augen und sie haben vermutlich beide den selben Gedanken. Ihr Rüstzeug… entweder, hier sind alle blind, oder haben keine Ahnung, oder es ist so verdreckt, dass man es nicht erkennen konnte… ein Elbenschwert, das mehrere tausend Jahresläufe alt ist, und dazu das Rüstzeug aus Yalaris… Junge, in diesem unscheinbaren Bündel hier liegt ein Vermögen.

Jetzt geht es erst einmal die Stufen des Turmes wieder hinunter, diesmal entgegen des Stroms an Verletzten, die noch immer gebracht werden. Wie muss es erst in den Tempeln aussehen, wenn sie die Verletzten alle hierher bringen? Ob Calythia unter ihnen ist? Hier? Oder in einem der Tempel? Der Wind auf dem Inneren Zwinger ist nur schwach, und er trägt noch immer Asche und Brandgeruch mit sich, aber er ist trotzdem angenehmer als der Geruch nach Blut und anderen Körperflüssigkeiten, der dort oben im Lazarett geherrscht hat. Greg führt sie schnurstracks auf das große Gebäude am Nordende des Inneren Zwingers zu, durch eine hohe Tür hinein und dann weiter über schier endlose, verwinkelte, zugige Korridore und Treppen. Cassandra hat schon längst die Orientierung verloren. Dann sind sie auf einem langen, hohen Gang, und aus den hohen, schmalen Bogenfenstern kann Cassandra einen kurzen Blick hinunter in den Inneren Zwinger erhaschen. An einer der Türen stehen zwei Blaumäntel Wache, und Cassandra vermutet, dass das die Tür zu den Gemächern des Lord Commanders ist, doch Greg führt sie ohne seinen Schritt zu verlangsamen daran vorbei, grüßt die Wachen nur kurz. Verwundert sucht Cassandra den Blick Ullmars, doch der zuckt auch nur mit den Schultern, Doch sehr weit geht es nicht mehr, vielleicht zwanzig Schritt an der bewachten Tür vorbei, dann stehen sie vor einer breiten, hohen Tür, deren poliertes Holz mit Eisen beschlagen ist. Der Junge greift nach einem blattförmigen Anklopfer. Das Klopfen ist eigentlich nicht sonderlich laut, und doch hat Cassandra das Gefühl, es müsse durch die ganze Festung dröhnen, so ungewohnt klingt es.

Es dauert nicht lange, dann sind Schritte zu hören, die Tür öffnet sich und eine junge Frau steht vor ihnen und schaut aufmerksam von einem zum anderen. Sie sieht müde aus, und ihr Alter ist schwer zu schätzen, jünger als Cassandra, aber sicher älter als Gerion. Ihre Kleider sind sauber, also muss sie auch irgendwo in Sicherheit gewesen sein. Und sie steht so in der halb geöffneten Tür, dass klar ist, dass sie hier nicht jeden einlassen würde, und auch nicht zögern würde, die Wachen zu Hilfe zu rufen, die unweit an der nächsten Tür stehen. "Feorna, die Götter zum Gruße. Die Lady von Tarascon hatte mich nach Vinyamar geschickt. Wegen Lady Arwen. Das hier sind Cassandra und Ullmar, sie bringen das Kind der Lady und…" Er deutet vielsagend auf die Bündel, die die beiden mit sich führen, denn genau weiß er auch nicht, was Cassandra da zusammengepackt hat. "Oh, ja, kommt bitte rein", sie öffnet die Tür nun ganz und lässt die beiden eintreten. Cassandra ist schon halb an dem Mädchen vorbei, als ihr etwas einfällt, und sich umwendet, doch Ullmar hat schon seine Geldkatze gezückt und drückt dem Burschen seinen Botenlohn in die Hand. Und dann stehen sie in einem nur schwach beleuchteten Vorraum, aus dem das Mädchen, Feorna, wie sie sich mit leiser Stimme vorstellt, sie in einen großen hallenartigen Raum führt, angenehm warm ist es hier, Kamine verbreiten knisternde Wärme und flackerndes Licht, und ganz am Rande nimmt Cassandra auch den Geruch von Bienenwachskerzen und irgendwelchen Duftschalen mit Blütenblättern wahr. Doch im Moment hat sie nur Augen und Ohren für Feorna, die sie durch die Halle führt, vorbei an Säulen, Wandteppichen, Truhen und Kassettenschränken, weiter in einen kurzen Gang der nur schwach von Kerzen erhellt wird, und dann öffnet sie ihnen linkerhand eine Tür, die nur angelehnt ist.

Viele Möbel finden sich nicht in dem Zimmer, aber das ist Cassandra auch nicht wichtig, Wichtig ist im Moment nur Lady Arwen, die dort auf dem Bett liegt. Sie ist blass - soweit man das unter Russ und Staub überhaupt erkennen kann, denn anscheinend hatte noch niemand Zeit gefunden, sie zu waschen oder ihr die schmutzigen Sachen auszuziehen. Die Elbin ist offensichtlich nicht in Trance, sondern besinnungslos; sie ruht, das aber so verkrampft und angespannt, dass sich die Haut zwischen den Augenbrauen zu einer steilen Falte zusammenzieht, und ihre Augen zucken unruhig unter den geschlossenen Lidern. Ganz offensichtlich versucht sie aufzuwachen, schafft es aber aus irgendeinem Grund nicht. So wie ein Papierdrache haltlos im Wind treibt, dem die Halteleine fehlt. "Sie kann nicht aufwachen, wir müssen... habt ihr Federn da? Gänsefedern, irgendwelche, die wir anbrennen können?" Rialinn ist inzwischen wieder ganz wach, findet die fremde Umgebung hochgradig spannend, windet sich ungehalten in den Armen Cassandras und brabbelt energisch vor sich hin. Wovon keiner der Anwesenden auch nur ein Wort versteht, da sie sich ohrenscheinlich des Elbischen bedient. Als die Kleine merkt, dass sie mit dem Zappeln und Brabbeln keinen Erfolg hat, wird sie deutlich energischer. Mit einem kleinen, wütenden Schrei fängt sie an, auf Cassandras Schulter mit ihren kleinen Fäusten herumzutrommeln, um dann abgehackte Worte in der Gemeinsamen Sprache hervorzustoßen. "Runter… Rialinn runter… Mama will… ruuunteeeeer." Zu verblüfft darüber, dass das Kind in ihrer Sprache spricht, setzt sie sie tatsächlich auf den Boden, und sieht sprachlos zu, wie Rialinn sofort zum Bett läuft, auf die Matratze klettert, über die Decke krabbelt, sich regelrecht auf ihre Mutter wirft und die kleinen Arme um den Hals der Elbin schlingt, als wolle sie sie in diesem Zeitalter nicht mehr loslassen. Aber offensichtlich ist das Kind auch die Halteleine, die die Elbin braucht, um in die wache Welt zurückzukehren, den fast sofort glättet sich das angespannte Gesicht, verschwindet die Falte zwischen den Augenbrauen. Dann zucken die Hände der Elbin, um sich nur wenige Augenblicke später um ihr Kind zu schließen. "Die Feder brauchen wir wohl nicht mehr." So Recht Ullmar damit auch haben mag, seinen leicht spöttelnden Tonfall findet Cassandra gerade alles andere als angebracht, und funkelt ihn unter ihrer Haube heraus an. Was den jedoch nicht im Geringsten zu beeindrucken scheint.

Lady Arwen ist vielleicht immer noch nicht richtig wach, aber ganz offensichtlich ist auch nicht mehr völlig besinnungslos. Vorsichtig tritt sie näher an ihre Herrin heran, legt ihr die Hand auf die Schulter und nennt ihren Namen. Doch die Elbin reagiert weder, als Cassandra ihren Namen nennt, noch als sie ihr die Hand auf die Schulter legt. Sie schüttelt die Elbin, erst sanft, dann etwas fester. Sie kann sie regelrecht um das Aufwachen ringen sehen, ganz knapp steht sie vor der Schwelle zum Erwachen. Die Augen der Elbin Augen öffnen sich ganz plötzlich, kein Flattern der Lider kündigt es an, dunkles, schattiges Grün unter schwarzen Wimpern, und sie blinzelt verständnislos und verwirrt in das flackernde Kerzenlicht. "Mylady? Wie geht es euch?" Ihre Stimme ist leise, ganz bewusst, und sie kann unschwer erkennen, dass ihre Herrin die Frage nicht zu verstehen scheint, auch nach mehrfachem wiederholen nicht.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Arwen am 22. Okt. 2005, 18:18 Uhr
Watteweicher Nebel umfängt sie, hüllt ihr Denken und Fühlen ein, behütet, wärmt, und hält die kalte Wirklichkeit von ihr fern. Aber so verlockend diese sanfte Umarmung auch ist, Arwen will zurück in die wache Welt. Sie weiß nicht warum, und die Erinnerung an das was geschehen ist, fehlt ihr noch, aber da ist das drängende Gefühl, dass sie zurück MUSS, dass dort etwas, dass dort jemand auf sie wartet. Doch diesmal scheint der Nebel nicht gewillt zu sein, ihr Denken zurück an die Oberfläche zu lassen, nachdem es sich wieder tief in ihn hinein geflüchtet hat. Ihre Gedanken finden einfach keinen Halt, der ihr helfen würde aufzuwachen. Wenn sie könnte, würde sie schreien vor hilfloser Wut darüber, dass sie in ihrem eigenen Körper wie gefangen ist. Und dann sind da wieder Stimmen, Stimmen, die sie kennt, sie weiß, dass sie sie kennt, auch wenn ihr die Namen dazu fehlen. Die Worte die sie hört versteht sie nicht, aber sie sind auch unwichtig. Wichtig sind allein die Stimmen. Sie sind der Halt nach dem sie gesucht hat, und verzweifelt hält sie an ihnen fest… Und wird fast panisch, als die Stimmen leiser werden. Neinneinnein... ihr dürft nicht weggehen… wenn ihr weggeht, hat mich der Nebel wieder… Die Stimmen gehen nicht weg, sie verstummen zwar kurz, aber da ist plötzlich eine andere Stimme, leiser, höher… kindlicher… und sie spricht Worte, die Arwen selbst hier im Nebel  verstehen kann. Und zu dieser Stimme weiß sie auch den Namen. Rialinn! Etwas erschüttert den Nebel um sie herum wie plötzlich aufkommender Wind, zerreißt ihn und treibt ihn in Fetzen davon und lässt mehr und mehr ihrer Wahrnehmung zurückkehren. Sie liegt auf etwas weichem, einem Bett, sie kann weiche Kissen und Decken spüren, Kammgarnlaken... und dann etwas schweres, das ganz unerwartet auf ihr liegt, und von dem sie sofort weiß, was, nein, wer das ist: Ihre Tochter, Rialinn. Die Erschütterung des Nebels hat ihren Ursprung in der ganz realen Welt, das Lager auf dem sie liegt bebt unter dem etwas unbeholfenen Krabbeln ihrer Tochter über die Decken. Und dann ist Rialinn ganz nah, sie kann die weichen Haare an ihrem Hals spüren, die Arme, die sich an ihr festhalten, hört das schluchzende Luftholen. Und egal, wie sehr die Bewusstlosigkeit noch ihre Tentakel nach ihr ausstreckt und sie zu halten versucht, diesmal gelingt es Arwen ihre Muskeln unter ihren Willen zu zwingen, sie dazu zu bringen, das zu tun, was sie will, und ihre Arme legen sich fest um ihre Tochter, halten sie, bergen den kleinen Kopf an ihrem Hals.

So wie es jetzt ist, könnte sie noch endlos verharren, aber irgendetwas lässt sie nicht. Da ist noch eine Stimme, leise, sanft und namenlos, aber sie verlangt unerbittlich nach Aufmerksamkeit. Und ein Rütteln, das die entspannte Ruhe mit ihrer Tochter stört. Arwen will den letzten Schritt nicht machen, aber irgendwann kann sie sich nicht mehr wehren und öffnet die Augen - auch wenn es nur ist, um festzustellen, wer ihr da einfach keine Ruhe lässt. >Mylady? Wie geht es euch? < Die Worte sind wie Schall und Rauch, so wach ist sie nun doch noch nicht wieder, dass sie mehr als ihre Muttersprache verstehen würde. Außerdem stürmen mit dem Öffnen der Augen so viele Eindrücke gleichzeitig auf sie ein, dass Arwen die erst einmal sortieren muss. Flackernde Kerzen verbreiten rotgoldenes Licht und lassen graublaue Schatten über die Wände wandern. Ihr ist nicht mehr kalt. Ich kann sehen, denken, fühlen, hören… auch wenn ich kein Wort verstehe… also lebe ich… außerdem tut mir der Kopf weh… und meine Lehrer haben immer behauptet, nach dem Tod, wenn wir unsere Körper zurücklassen um in die Stillen Hallen zu gehen, dann gibt es keine Schmerzen mehr… wenn sie Recht haben, dann kann ich gar nicht tot sein… Außerdem ist Rialinn hier, und sie ist ganz bestimmt lebendig. Die Menschenfrau vor ihr gibt einfach keine Ruhe, wiederholt immer und immer wieder ihre unverständlichen Worte, bewegt die Hand vor Arwens Augen als wolle sie sicher gehen, dass die sie auch sieht. Mühsam sortiert Arwen sich, damit aus Gedanken auch gesprochene Worte werden. "Isqa… Isqa îhio i? … Ii? … Ia îhiot amenait?" Das Gesicht der Frau ist mindestens eben so verständnislos wie eben das der Elbin, an der es nun ist, die Frau anzusehen und auf eine Reaktion, eine Antwort zu warten. Irgendwo in den Tiefen von Arwens Denken regt sich dann doch ein Funke und bringt Verstehen mit sich. Sie hat Shidar gesprochen, die Frau ist eine Sterbliche, sie kann Arwen gar nicht verstehen, kann ihr gar nicht antworten. Und erst jetzt erreicht sie auch die Bedeutung der Worte, die die Frau zuvor zu ihr gesagt hat. "Wie es mir geht? Ich... ich weiß es nicht... mein Kopf... Was ist passiert? Wo bin ich hier?"

Ein anderes Menschenkind tritt nun neben Cassandra, nicht mehr ganz Mädchen, aber auch noch nicht Frau, mit einem schüchternen Lächeln im Gesicht und hellbraunen Haaren, die sich strähnenweise aus einem Zopf ringeln, als habe sie einen ziemlich üblen Tag hinter sich. "M'Lady, " ein Knicks begleitet ihre Worte. Und als Arwen den Kopf etwas dreht um sie besser sehen zu können, bemerkt sie auch das schlafende, rothaarige Bündel auf ihrem Arm, das hingebungsvoll an seinem kleinen Daumen nuckelt. Ein Kind… ist sie das Kindermädchen hier?... Hier… wo ist 'hier'… "Mein Name ist Feorna, und ihr seid hier in der Steinfaust, in den Gemächern des Lord Commanders. Lady Kizumu hat euch hier her bringen lassen, nachdem... nachdem Maester Ballabar… der Heiler hier, " setzt sie nach, als sie Arwens verständnislosen Blick bei dem Namen bemerkt, "nachdem er gesagt hat, dass euch nichts Ernstes fehlt. Wie... Wie geht euch, Mylady? Braucht ihr irgendetwas?" Während Arwen noch die Worte sortiert und Stück für Stück übersetzt, damit sie sie verstehen kann - so ganz richtig will ihr Denken noch nicht funktionieren - kann sie irgendwo außerhalb ihres Sichtfeldes noch ein anderes Kind hören, das zufrieden Brabbeln eines Kindes, das irgendetwas interessantes in die Finger bekommen hat und nun ausprobiert, ob es als Ersatz für den Beißring oder gar als Zwischenmahlzeit taugt. Und dann enthebt Cassandra sie einer Antwort, in dem ihre Oberste Magd recht entschieden meint, sie bräuchte heißes Wasser und Leinentücher um ihre Herrin zu waschen, denn SO könne die ja wohl nicht bleiben. Und ob sie etwas warme Milch für das Kind haben könne, das habe den ganzen Tag noch nicht… Der verschreckte Blick Feornas ob der resoluten Frau, lässt Arwen wider Willen schmunzeln, und jetzt ist auch der Name der Frau wieder da: Cassandra, ihre Oberste Magd. Und ehe das Mädchen vor Cassandra die Flucht ergreifen kann, kommt noch ein Mann dazu, der als Blitzableiter fungiert und das Mädchen beruhigt, er würde alles besorgen, wenn sie ihm nur sagt, wo er es her bekommen kann. Ullmar… zuvorkommend wie immer…

Für einige Augenblicke kehrt Ruhe ein, und Arwen versucht sich etwas in den Kissen aufzusetzen ohne dabei Rialinn aus den Armen zu lassen. Etwas, das sie besser nicht getan hätte, denn bei den Bewegungen verstärkt sich das Dröhnen in ihrem Kopf zu einem kakophonischen Konzert einer Hundertschaft wild gewordener Zwergenschmiede. Bunte Kringel tanzen hinter Arwens geschlossenen Lidern einen wilden Reigen, ihr ist schwindlig und sie hat das Gefühl, als müsse sie ihren Kopf mit mindestens vier Händen festhalten, weil er sonst in seine Einzelteile zerfällt. Sie hält die Augen geschlossen, versucht den Schmerz zu ignorieren und ganz tief und bewusst zu atmen, um das Schwindelgefühl in den Griff zu bekommen - vergeblich. "Cassandra mir ist... ich muss… " Anscheinend ist ihr Gesicht grün genug, denn obwohl sie sich abrupt zur Seite aus dem Bett beugt und den Satz nicht zu ende bekommt, hat Cassandra von woher auch immer rechtzeitig einen Nachttopf parat, der nun als Spuckkübel dienen muss. Die Elbin hat seit dem Morgen nichts mehr gegessen, und das Frühstück auch schon vor vielen Stunden von sich gegeben gehabt, als sie den Bannkreis um Vinyamar gelegt hatte, und so ist es jetzt nur Galle, die sie unter Krämpfen von sich gibt, ehe sie erschöpft in die Kissen zurücksinkt. Die Bewegungen haben ihrem Kopf alles andere als gut getan, und kalter Schweiß steht ihr auf der Stirn. Des ungeachtet wiegt sie sacht Rialinn, die sich vehement an ihr festklammert. "Schhhschhhschh, ist ja alles gut, min Lora, ist doch alles gut, ich bin doch wieder da, deine Mama hat nur ein wenig Kopfweh." Das ist die Untertreibung des Jahres. Ihr Blick sucht den ihrer Obersten Magd. "Was ist passiert, Cassandra? Auf dem Sithechacker, als wir uns dem Dämon gestellt haben?" So langsam kommen die Erinnerungen zu Arwen zurück, aber sie weiß nur noch, dass sie begonnen hatten, das Netz aus der Macht dreier Götter zu weben, dass Niniane dem Dämon einen seiner schattenhaften Schutzmäntel nach dem anderen herunter gerissen und die Macht des Dritten Hauses gerufen hatte, dann ist da nur noch Schwärze in ihrer Erinnerung. Niniane ist vom Blut Goldauge Thaylons, ihr stand noch die Macht weiterer neun Häuser offen, da Talyra anscheinend noch existiert, und Cassandra mit Rialinn hier ist, muss sie Erfolg gehabt haben, muss der Dämon vernichtet sein, aber… "Wo sind die anderen, die auch dort waren? Morgana, Niniane, Eade und die andere Wasserfee? Wie geht es ihnen?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 22. Okt. 2005, 22:01 Uhr
In den Krankensälen und im Westflügel


Weder Sefra noch sie sind ausgebildete Heilerinnen und doch kann man jedes noch so ungeübte Händepaar gebrauchen. Kräftigende Brühe oder Honigwasser werden an jene verteilt, die sie vertragen können, schmutziges Verbandsleinen muss eingesammelt und Nachttöpfe müssen entleert werden und mehr als einmal muss beim einrichten diverser Knochen der Patient festgehalten werden.
Sie sieht furchtbare Brandwunden, viele tiefe Bisswunden und Augen, in deren die vergangenen Schrecken noch deutlich zu sehen sind. Es bricht der Elbin fast das Herz, auf die vielen Fragen nach dem Verbleib geliebter Angehöriger immer nur Hoffnung zu bewahren und keine klaren Antworten zu haben. Kizumu bleibt immer wieder kurz an einer der Pritschen sitzen und spricht leise mit den Verletzten, spendet Trost wo sie es kann und wünscht sich, etwas mehr tun zu können. Einer der Gehilfen Ballabars sieht sie an einem der provisorischen Lager knieen und eilt mit besorgtem Gesicht auf sie zu. >Mylady, auf ein Wort.< Der Mann macht eine furchtbar wichtige und ernste Miene und Kizumu steht nach einem letzten Lächeln auf die junge Frau auf. "Was ist, kann ich irgendwo helfen?" >Nein, nein, ich wollte Euch nur beruhigen. Eurem Sohn und seiner Gefährtin geht es gut, Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen.< "Beruhi... Ierás und Kea sind hier?" Kizumu macht einen Schritt auf den Mann zu, die Augen weit und bereits auf der Suche nach zwei schwarzen Haarschöpfen, aber der Gehilfe legt ihr rasch und fest die Hand auf den Arm. >Nein, nein. Ich sagte doch, es geht ihnen gut. Sie waren am Nachmittag hier. Das Mädchen hat ein paar gebrochene Rippen und sie beide leichte Brandwunden, aber mehr fehlt ihnen nicht!< Bei den Worten des Mannes ist ihr schwarz vor Augen geworden und sie muss mehrmals sehr tief Luft holen, um diesen Schrecken zu verdauen. Oh, Himmel. Als sie die Augen wieder öffnet blickt sie direkt in die des Heilers, der sich scheinbar gerade fragt ob er mit seinen Worten für einen weiteren Patienten gesorgt hat. "Danke.. es, es geht. Sind sie im Westflügel?" Der Gehilfe nickt, wirft ihr noch einen letzten, abschätzenden Blick zu und verschwindet dann, ein paar leise Worte murmelnd.

Irgendwann, es ist schon vor Stunden Nacht geworden, schreckt sie aus einer schwachen Trance auf und findet sich an einem Bett sitzend. Einen Augenblick lang ist die Elbin verwirrt, ehe sich ihr Geist mit einem fühlbaren Klick wieder mit ihrem Körper verbindet. Die Bilder des letzten Tages ziehen an ihrem inneren Auge vorbei, beschleunigen ihren Puls und die Sehnsucht nach ihren Kindern macht ihr das Herz schwer. Asche, Rauch und die Fratzen der Oger, Goblins und Höllenhunde werden durch zwei weiche, runde Gesichtchen mit leicht schrägen Augen, weichen Mündern und entzückend spitzen Ohren verdrängt. Das Seufzen eines schlafenden reißt sie aus ihren Gedanken und ihr Blick richtet sich auf das Bett, neben dem sie sitzt. Aurian liegt darin, blass unter all den Leinenverbänden, die unter der Decke hervorlugen. Einer der Gehilfen hatte ihr gesagt, dass das Mädchen Mohnblumensaft bekommen hatte und sie ist erleichtert darüber. Sie hatte die Wunden gesehen und sie kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie diese Wunden je verheilen sollen. Sie wird entstellt sein, für immer gezeichnet. Sie kann nichts gegen das Mitleid tun, das in ihr aufwallt und ist erneut erleichtert, dass Aurian tief schläft. Sie wird das Mitleid noch oft zu spüren bekommen... Sehr vorsichtig streicht sie eine Strähne schwarzen Haares aus dem zarten Gesicht, holt mehrmals tief Luft und steht schließlich langsam auf. Nach einem letzten Blick auf Aurian wendet sie sich ab und geht noch einmal die lange Reihe der Liegen und provisorischen Lagern ab.
Viele der Verletzten schlafen, entweder hat die pure Erschöpfung die Schmerzen besiegt oder eine gnädige Seele hat sie mit Mohnblumensaft versorgt. Hier und da reicht sie noch etwas Wasser oder Honigbrühe und bei zwei kleinen Kindern die gemeinsam auf einer Pritsche liegen setzt sie sich noch einmal. Das ältere der beiden, ein Mädchen von vielleicht zwölf Jahren, liegt mit blassem Gesicht, aus dem die braunen, weit offenen Augen hervorstechen, wie erstarrt da und es reagiert nicht einmal als die Elbin nach seiner Hand greift. Kizumu rutscht von dem kleinen Hocker und kniet sich vor das Bett, so dass ihr Gesicht dem des Mädchens ganz nah ist. Sie weiß nicht, was den Kindern geschehen sein könnte, aber die Elbin braucht nicht viel Phantasie um es sich vorzustellen. Die armen Kleinen.. Das jüngere Mädchen hat Brandwunden im Gesicht und, den Verbänden nach zu urteilen auch an den Armen und dem Körper, scheint aber ansonsten relativ unverletzt zu sein, während das andere einen Arm in der Schlinge trägt, Gesicht, Hals und Arme von Brandwunden überzogen sind und sich ein tiefer, jetzt genähter Schnitt vom rechten Wangenknochen zum Mundwinkel zieht. Wieder zwei Mädchen, die ihr Leben lang entstellt bleiben werden... Sie kann sich gerade noch ein leises Seufzen verkneifen, das war mit Sicherheit das letzte, was diese jungen Menschen hier gebrauchen konnten. Ihr Blick ruht in den rotgeäderten Augen des jungen Mädchens, dessen Gesicht völlig ausdruckslos ist. Kizumu singt nicht; sie hatte es seit beinahe einem Menschenleben nicht mehr getan und so tut sie das einzigste, was sie in Ermangelung eines Schlafliedes tun kann; sie erzählt mit leiser Stimme eine Geschichte.

Ihre Knie schmerzen, ebenso wie jede andere Faser in ihrem Körper und sie spürt die Müdigkeit ein weiteres Mal über sie hinwegbranden und sie stemmt sich ein weiteres Mal entschlossen dagegen. Leise geht sie noch einmal durch die Reihen, findet Sefra an einem Bett in ein flüsterndes Gespräch vertieft und die Schwestern tauschen ein kleines Lächeln. Auf ihre intuitive Art und Weise hatte Sefra, die noch nie in einem so großen Krankenlazarett gewesen war, begriffen, dass die Schatten und die Dunkelheit der Nacht der größte Feind der Verletzten sein konnte. Du siehst müde aus, geh zu den Kindern und ruh dich aus. Die Stimme ihrer Schwester erklingt in ihren Gedanken, während sie einer alten Frau mit leisen Worten einen irdenen Becher reicht. Die Alte nippt an der Honigbrühe und spürt der Süße in ihrem Mund einen Augenblick mit geschlossenen Augen nach, dann verziehen sich ihre faltigen Lippen zu einem dankbaren Lächeln.
Schließlich nimmt ihr eine der Mägde den Becher aus der Hand und schickt sie mit einem Lächeln und einem entschlossenen Nicken hinaus. Auf dem Weg zur Tür der Säle schaut sie noch einmal bei den beiden Mädchen vorbei. Auch das ältere Mädchen schläft jetzt, ihr Gesicht trägt zwar noch immer den Ausdruck vergangener Qual, aber die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen hat sich ein wenig geglättet. Sie zieht die aufgeworfene Decke der beiden Geschwister zurecht, streicht dem jüngeren Mädchen vorsichtig über die Stirn und reißt sich dann von ihrem mitleiderregenden Anblick los.

Sie hatte den Westflügel in seiner abgeschiedenen Stille verlassen, aber jetzt hört sie schon an der Eingangstür leise Stimmen aus dem Gästezimmer. "Wer..?" Sie kommt nicht weiter, denn ein ihr fremder Mann kommt aus dem Gang, der zu den Gästezimmern führt. Er stockt, als er sie sieht, verneigt sich dann aber kurz und eilt dann an ihr vorbei. Kopfschüttelnd folgt sie den Stimmen und erkennt Feorna, eine weitere Frau die ihr bekannt vorkommt, ein Kleinkind, zu alt für Fian und Conn und Arwen. Sie ist aufgewacht. Beim näherkommen hört sie die letzten, beinahe ängstlich ausgesprochenen Worte der Elbin und sieht durch den Türspalt Fians braunen Haarschopf auf einem Fell. Kizumu öffnet die Tür, greift nach der auf die Tür zustrebende Fianryn und hebt das Kind auf den Arm. "Arwen." Sie nickt Cassandra zu, lächelt auf den dösenden Conn in Feornas Arm herab und wendet sich dann der Priesterin im Bett zu. "Der Dämon ist besiegt, Niniane hat es geschafft." Mehr gute Neuigkeiten hat sie nicht und so schweigt sie einen kleinen Augenblick, in dem sie näher an das Bett heran tritt. Ihre Miene wird sehr ernst und ihre Stimme senkt sich, aber sie kommt in diesem Moment einfach nicht dagegen an, auch wenn sie noch so sehr Hoffnung und Optimismus verbreiten möchte. "Ich.. ich weiß nicht genau, wie es Niniane, Morgana oder dem anderen Priester geht. Olyvar hat sie nach TianAnmen gebracht." Sie bricht ab, ihr Gegenüber kann sich mit Sicherheit selber denken, was ihre Worte bedeuten. Und sie hat Recht, in den Augen ihres Gegenübers sieht sie Sorge und den Schreck aufglimmen. "Es tut mir leid, dir keine besseren Nachrichten bringen zu können. Olyvar ist noch nicht zurück, er wird uns sagen können, wie es um sie steht." Einige Herzschläge lang herrscht Stille, dann beginnt Conn auf den Armen des Mädchens zu greinen und Kizumu nimmt ihn Feorna, dem unbändigen Wunsch nachgebend, ihre Kinder ganz nah bei sich zu spüren, ab.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Arwen am 23. Okt. 2005, 21:31 Uhr
Die Tür öffnet sich, und dann ist Kizumu da, und hebt sich als erstes das Kind auf den Arm, das Arwen bisher nur hören, aber nicht sehen konnte. Es hat die gleichen Haare wie sein Vater, das ist das erste, was Arwen auffällt, nicht wie das andere Kind, das eindeutig Kizumus Haare geerbt hat. Und Kizumus Blick, der über das auf dem Arm des Kindermädchens dösende Kind wandert, den kann Arwen nur zu gut verstehen. Die Erleichterung einer Mutter, ihre Kinder sicher und heil bei sich zu wissen. >Der Dämon ist besiegt, Niniane hat es geschafft < Auch wenn sie es sich hat denken können - soweit ihr Kopf dazu schon wieder Willens und in der Lage ist - es aus dem Mund eines anderen zu hören, quasi als Bestätigung, dass die Tatsache, dass Talyra noch steht und sie alle Leben sind keine Illusion ist, hat etwas ganz Befreiendes. Erleichtert atmet Arwen auf und drückt ihrer Tochter einen sachten Kuss auf den Scheitel. Vorbei... es ist wirklich vorbei, und Niniane hat es geschafft Erst als der Gedanke Form angenommen hat, wird ihr bewusst, dass Kizumu abrupt schweigt, näher an das Bett heran tritt und sich ein Ernst auf ihre Züge legt, der Arwens Herz sich in banger Erwartung zusammenziehen lässt. Etwas stimmt nicht… das eben war nicht die ganze Wahrheit... was ist mit Niniane, dem Kind, den anderen? Was? Fast ist sie versucht, die Elbin vor sich anzuschreien, sie solle doch endlich mit der ganzen Wahrheit herausrücken und sie nicht mit ihrem Schweigen quälen, als Kizumu mit leiser, ernster Stimme fortfährt. >Ich... ich weiß nicht genau, wie es Niniane, Morgana oder dem anderen Priester geht. Olyvar hat sie nach TianAnmen gebracht.< Auf diese Eröffnung kann Arwen nur schweigen, das Einzige, was sie für lange Augengblicke hört, ist ihr eigenes Blut, wie es in den Adern rauscht. TianAnmen. Sie kennt diesen Namen, weiß auch zu welchem Ort er gehört ohne je selber dort gewesen zu sein. Und sie kennt die Gerüchte, die sich in der ganzen Stadt um die geheimnisvolle Herrin von TianAnmen ranken. Keine Gerüchte, wie sie sonst über den Markt und durch die Gassen wandern. Entweder kennt niemand ihren Namen, oder es wagt keiner ihn auszusprechen, man nennt sie einfach nur 'Die Weiße Dame', und selbst das meist nur im Flüsterton und mit einem Respekt, den mancher sonst nur den Göttern selbst entgegenbringt. Und in noch einem sind sich auch alle Gerüchte einig, sie soll eine Heilerin von ganz besonderer Art sein. Manche behaupten sogar, wenn jemals ein Einhorn menschliche Gestalt angenommen habe, dann müsse es die Weiße Dame von TianAnmen sein. Und dorthin hat man nun Niniane, Morgana und Eade gebracht.

Angst greift mit eisigen Händen nach Arwen und macht ihr das Atmen schwer. "Tian-An-Men?" Echot sie voller Schrecken. Arwen weiß, was das bedeutet, auch ohne dass Kizumu es ausspricht. Es steht schlecht um die Drei, sehr schlecht. So schlecht, dass sie Heilkunst der besonderen Art bedürfen, dass ihnen mit der gelehrten Heilkunst eines Maesters nicht mehr zu helfen ist. Wenn es nicht so wäre, dann hätte Olyvar sie auch in die Steinfaust zu Ballabar bringen können. >Es tut mir leid, dir keine besseren Nachrichten bringen zu können. Olyvar ist noch nicht zurück, er wird uns sagen können, wie es um sie steht.< Es dauert eine ganze Weile, bis Arwen die nächsten Worte die an sie gerichtet sind wahrnimmt, und dann noch einmal genau so lange, bis sie ihren Sinn versteht. Verzweifelt versucht sie sich einzureden, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn Olyvar noch nicht zurück ist, dass das bedeutet, dass sie noch leben, alle, hoffentlich, dass die geheimnisvolle Weiße Dame nicht vergeblich um die Leben ihrer Freunde und des Asrai kämpft. Und zur selben Zeit dröhnt mit jedem Herzschlag nur ein einiges Wort durch ihren Kopf Meine Schuld… Schuld… Schuld… Schuld… Lange Augenblicke kann sie gar nichts erwidern, hält sich nur mit starrem Blick an Kizumus Augen fest, als wäre irgendwo dort in den Tiefen des Blickes die Gewissheit auf Heilung für ihre Freunde. Doch alles was sie findet, ist die gleiche bange Sorge wie in ihrem eigenen Herz, die gleiche Angst, welche Nachrichten Olyvar bringen wird, wenn er zurückkommt. Das Kind auf dem Arm der Kindermagd wird unruhig und beginnt zu greinen. Und kaum hat es sich hören lassen, streckt Kizumu auch schon ihren freien Arm aus und holt auch das zweite Kind zu sich.
Dunkle Ringe liegen unter ihren Augen, und in ihren Bewegungen liegt nicht nur die Müdigkeit eines langen Tages voller Schrecken, sondern die hölzerne Erschöpfung eines langen Kampfes... oder vieler Kämpfe. Sie ist mehr als nur müde erkennt Arwen, und dann wird ihr auch klar, dass sie die Stimme der Elbin heute schon einmal gehört und die Müdigkeit darin gespürt hat. >Lasst sie bitte untersuchen und wenn es geht, bringt sie in eines der Gästezimmer im Westflügel, ich schätze das es nichts ernstes ist.< Das ist sie gewesen, vorhin... wie lange ist das her? .. sie war da schon müde… sie braucht Ruhe, bestimmt mehr als ich, die ich hier dumm herum liege. "Dann bleibt uns nur hoffen und beten, dass Olyvar bessere Nachrichten hat, wenn er kommt." Arwen versucht sich an einem Lächeln, doch angesichts der Sorge um ihre Freunde gerät es reichlich schief. "Du siehst mehr als nur müde aus, Kizumu. Und nach diesem Tag können wir alle hier sicher ein paar Stunden Ruhe gebrauchen. Und morgen kann ich dann vielleicht auch schon wieder geradeaus schauen." Mit ihrem letzten Satz hat Arwen nicht ganz Unrecht, denn momentan blinzelt sie immer wieder wie eine Eule, die jemand am helllichten Tag aus dem Nest geworfen hat, damit sie sich nicht dauernd zwei Kizumus mit jeweils vier Kindern auf dem Arm gegenüber sieht. Wie auf Kommando erscheint Ullmar in der Tür, räuspert sich verlegen, und schiebt sich an Kizumu und den beiden Kindern vorbei. Mit der einen Hand trägt er einen kleinen Kessel, aus dem das Wasser dampfende Schlieren ins Zimmer schickt, und in der anderen einen kleinen Krug auf dem er einen Holzteller mit einem Stück Brot balanciert.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 25. Okt. 2005, 20:00 Uhr
Die Augen der Priesterin verdunkeln sich bei ihren Worten, ebenso wie ihre Miene und es tut Kizumu ehrlich leid, keine tröstenden, aufmunternden Worte zu finden. Finn und Conn sind reale, warme Gewichte in ihren Armen und sie spürt ihre Muskeln vor Erschöpfung beben. Sie spürt Arwens Blick auf sich ruhen und öffnet die Augen, wobei sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen schleicht. >Dann bleibt uns nur hoffen und beten, dass Olyvar bessere Nachrichten hat, wenn er kommt. Du siehst mehr als nur müde aus, Kizumu. Und nach diesem Tag können wir alle hier sicher ein paar Stunden Ruhe gebrauchen. Und morgen kann ich dann vielleicht auch schon wieder geradeaus schauen.< Jetzt ist es an ihr, schief zu lächeln, denn Arwen hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie war müde, zum umfallen müde und sie weiß nicht so recht, wie sie es zu ihrem Bett schaffen soll. Aber da waren die Kinder, die nach ihrem Schläfchen wieder munter sind und die, trotz der beruhigenden Worte des Heilers vorhin, nagende Sorge um Kea und Ierás. Sie sind im Westflügel, hat er gesagt. Also vermutlich in seinem Zimmer. Die Elbin spannt die Muskeln in ihren Schultern an, rückt den zappelnden Conn zurecht und blickt dann auf, als der Mann von eben das Gästezimmer wieder betritt. Ihr Blick fällt auf den Kessel dampfenden Wassers und einen Augenblick verliert sie sich in der Betrachtung des Wasserdampes. Aber dann reißt sie sich los und sucht erneut Arwens Blick. "Du hast Recht, mehr können wir nicht tun. Ich denke, ich kann dich hier getrost allein lassen." Ihr Blick huscht über Cassandra und Ullmar und zu Rialinn, die sich vertrauensvoll an ihre Mutter schmiegt. "In der Halle, in den Truhen findet ihr Decken und Kissen, falls ihr über Nacht hierbleiben wollt. Ich.." Sie lächelt schwach, dann fällt ihr Blick auf das blasse Gesicht Feornas. Das Mädchen hat wie sie alle dunkle Ringe unter den Augen, die runden Schultern leisten den Ohren Gesellschaft und ihr Mund verzieht sich zu einem unterdrückten Gähnen. "Ich denke, es war für uns alle ein langer Tag. Wenn du etwas brauchst, ruf nur, Feornas Raum ist gleich nebenan. Aber jetzt sollte ich wohl erstmal diese beiden hier ins Bett bringen." Sie lächelt Arwen noch einmal zu, weitet das Lächeln auf Cassandra und Ullmar aus und verlässt dann, von Feorna gefolgt und einem letzten "Gute Nacht." das Gästezimmer.

Das dämmrige Kerzenlicht umfängt sie, als das Mädchen die Tür schließt und Conn gibt ein leises "Gläb" von sich. "Ierás und Kea sind im Erkerzimmer, ich will nur rasch nach ihnen sehen. Bring die Kinder schonmal in unser Schlafgemach, ja?" Feorna nickt und streckt die Arme nach den Kindern aus, woraufhin Kizumu ihr widerstrebend erst Conn und dann Fian reicht. Um die Kälte, die das plötzliche Verschwinden der warmen Körper an sie lässt, auszusperren, schlingt die Elbin die Arme um ihre Mitte. Das Mädchen drückt Conn kurz an sich, dann eilt sie mit raschen Schritten davon. Die Elbin bleibt noch einige Herzschläge lang stehen und spürt dem Gewicht ihrer Kinder nach. Dann reißt sie sich selbst aus ihrer Grübelei und wendet sich um, um nach ihrem Sohn und seiner Gefährtin zu sehen.
Die Tür zum Erkerzimmer ist nur angelehnt, aber dahinter herrscht Dunkelheit und Stille. Sie hört das Atmen zweier Personen, das leise Rascheln der Matratze als sich jemand herumdreht und diese friedlichen Geräusche treiben ihr die Tränen in die Augen. Schniefend nach Luft schnappend lehnt sich die Elbin an den Türrahmen und spürt wie die Anspannung und die Sorge, all die Gedanken, Vermutungen und der Schrecken des vergangenen Tages von ihr weichen. Ierás und Kea waren hier, in Sicherheit und halbwegs heil, ihre Kinder hatten von all dem vermutlich kaum etwas mitbekommen und sind ebenfalls sicher; ihre Schwester leistet den Verletzten Gesellschaft, Olyvar ist noch in der Stadt unterwegs...Aber in Sicherheit und am Leben. Ihre Beine haben sich von einem Moment zum anderen in Pudding verwandelt, doch sie zwingt sich, dem Drang sich hinzusetzen nicht nachzugeben. Vermutlich würde sie sonst die restliche, kalte Nacht hier sitzen müssen. Mit fahrigen Bewegungen wischt sich die Elbin übers Gesicht, aber sie kommt nicht gegen das überwältigende Gefühl von Erleichterung an.
Es dauert einige Zeit, ehe sie sich soweit gefasst hat, als das sie auch nur einen Schritt tun kann, aber dann eilt sie mit raschen Schritten den Gang entlang, am Gästezimmer aus dem Cassandras Stimme dringt vorbei und in die große Halle. Ullmar sitzt auf einem der Stühle am Tisch, die Hände ineinander verschlungen und auch er wirkt müde. Kizumu bringt ein Lächeln zustande, aber sie hat beim besten Willen nicht mehr die Kraft, sich mit dem Mann zu unterhalten. Alles was sie will sind ihre Kinder, ihr Mann und ein weiches, warmes Bett.

Zumindest zwei von diesen drei Dingen findet sie hinter der Tür ihres Schlafgemaches. Feorna hat die Wiegen ganz nah an das große Bett geschoben und die Kinder, frischgewickelt hineingelegt. Sie lächelt das Mädchen dankbar an und schickt sie dann mit einem Kopfnicken hinaus in ihr eigenes Bett. Mit einigen Handgriffen hat sie sich des Hemdes und der blut- und rußverschmierten Hosen entledigt und schlüpft in ein weiches, warmes Nachthemd. Leise tritt sie an die Wiegen heran und lächelt in die blauen Augen ihres Sohnes. Fian ist bei all dem hin und her kaum richtig aufgewacht, aber Conn scheint völlig wach zu sein. Vorsichtig hebt sie den Jungen aus der Wiege und setzt sich mit ihm gemeinsam auf das Bett. Er blinzelt glucksend zu ihr auf und lässt die wenigen vorhandenen Zähne aufblitzen als er lächelt.
Sie müsste sich waschen, nach ihrer Ankunft in der Steinfaust hatte sie sich nur den gröbsten Schmutz aus dem Gesicht gewischt, aber die weiche Matratze unter ihr und der gutgelaunte Conn auf ihrem Schoß vertreiben diesen Gedanken, so rasch wie er gekommen war. Langsam legt sie sich nach hinten, legt sich den Jungen auf den Bauch und schließt die Augen. Ihre Arme ruhen auf dem weichen Babyrücken und sie hatte beinahe erwartet, dass die Trance sie sofort umfangen würde, aber nichts dergleichen geschieht. Die andere Seite kommt ihr gähnend leer, furchtbar groß und unangenehm kalt vor und mit einem Zittern zieht sie Conn fester an sich. Komm heim.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Arwen am 27. Okt. 2005, 21:00 Uhr
Kizumu scheint ihr für einige Augenblicke gar nicht richtig zuzuhören, sieht gedankenverloren auf ihre Kinder, ist mit den Gedanken gleichzeitig anscheinend ganz wo anders und verliert sich anschließend in der Betrachtung des Dampfes, der aus dem Wasserkessen aufsteigt, den Ullmar gebracht hat. Irgendwann sind ihre Gedanken wieder im Hier und Jetzt angekommen und ihr Blick richtet sich mit einem müden Lächeln auf Arwen. >Du hast Recht, mehr können wir nicht tun. Ich denke, ich kann dich hier getrost allein lassen< Sie nickt nur leise zur Antwort, eine Bewegung, die Arwens Kopf sofort mit nachhaltigem Dröhnen und bunten Kringeln vor den Augen quittiert. Allein?... Rialinn, Cassandra, Ullmar... Allein ist etwas anderes… Auch wenn ihr schwant, dass Cassandra sie vorerst nicht in die Tiefen der Trance würde flüchten lassen, zumindest nicht sofort, aber das behält sie vorsorglich für sich. >Wenn du etwas brauchst, ruf nur, Feornas Raum ist gleich nebenan.< Arwens Blick wandert skeptisch zu der jungen Magd. Das Mädchen sieht aus, als würde es im nächsten Augenblick im Stehen einschlafen. Arwen würde ganz bestimmt nicht nach ihr rufen, nicht, sofern nicht irgendeine Katastrophe hereinbricht. "Gute Nacht", leise erwidert Arwen den letzten Gruß Kizumus und ihr Blick folgt der rothaarigen Elbin und deren Mädchen, bis sich die Tür hinter ihnen schließt.

Ebenso schweigend sieht Arwen zu, wie Ullmar den Inhalt des Kessels in die tiefe Schüssel des Waschtisches entleert und den kleinen Krug mit dem Teller auf die Kommode stellt. Der süße Duft von heißer Milch mit Honig zieht fast augenblicklich durch das Zimmer, als er den Teller mit dem Brot herunter nimmt und daneben stellt. "Honigmilch und Brot? Cassandra ich kriege nach diesem Tag keinen Bissen runter… Ruhe, das ist alles, was ich jetzt will, Ruhe, damit das Dröhnen in meinem Kopf wieder aufhört." "Oh, das ist nicht für euch, M'Lady. Das ist für die Kleine, für Rialinn. Sie hat den ganzen Tag noch nichts gegessen oder getrunken." Sie hat…was? Rialinn, min Nar, warum das denn? Du musst doch Durst haben, und Hunger." Die einzige Antwort von ihrer Tochter ist ein ziemlich heiseres 'Eama', mit dem sie sich energisch wieder fester an ihre Mutter schmiegt. "Schätzchen, was ist denn mit deiner Stimme passiert?" Besorgt streicht sie ihrem Kind über die Wange, ohne allerdings eine Antwort zu bekommen. Dafür antwortet ihr Cassandra mit einem reichlich betretenen Lächeln. "Sie hat geweint und geschrieen, seit ihr das Haus verlassen habt. Egal, was wir versucht haben, sie ließ sich einfach nicht beruhigen." Für einen Augenblick sehen Arwen und ihre Oberste Magd sich nur schweigend an, dann schleicht sich doch so etwas wie ein Lächeln in Arwens Gesicht. Das Kopfschütteln verkneift sie sich aber, sondern winkt nur mit der Hand ab. "Oh Cassandra, mach dir darüber keine Gedanken, niemand hätte sie beruhigen können, der nicht… Rialinn ist noch so klein, sie kann ihren Geist noch nicht gegen die Empfindungen und Gedanken anderer abschirmen. Wenn ich da gewesen wäre, hätte ich sie abschirmen können, ich oder ein anderer Shida'ya. Es ist also meine Schuld." Wie so vieles andere auch… Mit einem tiefen Luftholen zwingt sie sich die Gedanken an Niniane, Morgana und den Amur-Priester nicht an sich heran zu lassen und ihre Aufmerksamkeit auf etwas anders zu richten. Auf Cassandra, die sich mit beängstigend entschlossenem Gesicht Laken aus dem Wäscheschrank geholt hat, ein Leinentuch in dem heißen Wasser einweicht und Seifenschaum darauf verteilt. Ullmar verlässt wort- und lautlos den Raum, nie käme er auf die Idee, zuzusehen, wie die Elbin sich wäscht. Genau genommen, würde er keiner Frau beim Waschen zusehen, die nicht die seine ist.

Arwen dagegen versucht vergeblich, Cassandra größere Waschaktivitäten auszureden. Morgen, wenn ihr Kopf sich hoffentlich nicht mehr anfühlt als habe er die Größe der Stadthalle und er nicht mehr brummt wie ein aufgeschrecktes Hornissennest, dann könne man darüber reden, Haare zu waschen, aber heute Nacht, würde es doch sicher reichen Gesicht und Hände zu waschen. Aber die Menschenfrau ist mit der Elbin ebenso unerbittlich wie sonst mit Natie. Nachdem es ihnen gelungen ist, die elbische Klette Namens Rialinn von Arwen zu lösen und das Kind mit aufmerksamen Augen verfolgt, was seine Mutter da macht, hilft sie Arwen vorsichtig aus der verdreckten Kleidung. Staub, Asche, dunkle Erde Blut; Arwen muss ihr fast ein Dutzend Mal versichern, dass es gang gewiss nicht das ihre ist, sondern das von Boghaniks die sie getötet hat, ehe sie ihr glaubt. Und ihre Haare sehen keinen Deut besser aus. Arwen hat keine Ahnung wann, aber irgendwann müssen sich Zopf und Haarknoten gelöst haben, den wirbelnden Strömen priesterlicher Magie nicht mehr widerstanden haben. Sich zu waschen ist nicht all zu problematisch, auch wenn Arwen mehr als einmal schwindlig wird und sie sich benommen setzen muss. Aber das Waschen der Haare und erst recht hinterher das entwirren der Knoten und Kletten, das kämmen der langen Strähnen, es ist die reinste Tortur. Der Hornissenschwarm in ihrem Kopf wächst sich wieder zu einer Hundertschaft schmiedender Zwerge aus. Als Cassandra endlich fertig und die Haare wieder glatt und glänzend sind, will Arwen nur noch eines: Sich hinlegen und sich den traumlosen Tiefen der elbischen Trance überlassen. Doch Rialinn hält sie noch davon ab. "Eama, Valenis." Die Kleine hat Hunger, und als Arwen nach der inzwischen nur noch lauwarmen Milch und dem Brot greift, will Cassandra ihr das schon abnehmen um Rialinn zu füttern, doch Arwen hält sie mit einem Blick davon ab. "Lass nur, Cassandra. Das mache ich schon." Sie sieht die Frau dabei nicht an, ihre Augen kleben förmlich am Gesicht ihrer Tochter, die langsam ebenfalls müde wird und unbeholfen über die Decken zu ihrer Mutter und auf deren Schoß krabbelt. Sie hat ihre Tochter wieder, sie ist hier bei ihr, warm und lebendig in ihren Armen. Diesen Wunsch haben ihr die Götter allem anderen zum Trotz erfüllt. "Du musst auch müde sein, Cassandra. Ullmar wartet draußen, und du hast Lady Kizumu gehört, in den Truhen in der Halle sind Decken und Kissen, die könnt ihr euch zum Schlafen holen." Cassandra weicht ihrem Blick aus, redet davon, dass das nicht ginge, dass sie da, dass Ullmar und sie in der Halle schlafen würden, was solle denn der Lord Commander denken, wenn er nachhause käme, wenn da wildfremde Leute in seiner Halle schlafen, und überhaupt. Nach einigem Herumdrucksen rückt sie dann mit dem wahren Grund heraus: Sie möchte zurück nach Vinyamar, zu ihrer Tochter, die sie nach einem solchen Tag nicht alleine schlafen lassen will. Es ist mitten in der Nacht, keiner weiß wie sicher die Straßen schon wieder sind, und Arwen wäre es lieber, wenn die beiden hier blieben. Nicht, damit sie sie in Rufweite hat, sondern weil der Weg zurück vermutlich im Licht des nächsten Tages sicherer wäre. Aber sie kann die Frau verstehen, und der Wunsch bei der Tochter zu sein, ist vermutlich der einzige, den Arwen zu akzeptieren bereit ist.

Mit halbem Ohr hört sie leise Worte in der Halle, erwidert die Verabschiedung von Ullmar und Cassandra als sie aufbrechen mit einem Nicken, weil sie gleichzeitig dabei ist, Rialinn einen Becher Milch zum Trinken zu halten und ist dann endlich mit sich und ihrer Tochter alleine. Rialinn ist inzwischen so müde, dass sie fast während des Trinkens in Trance gleitet. Auch wenn sie an diesem Tag noch nichts gegessen und getrunken hat, hier, wieder bei ihrer Mutter, scheinen ein Schluck Milch und ein Bissen Brot schon mehr als genug zu sein. Behutsam legt Arwen sie in die Kissen, und erntet einen unmütigen Laut, der frappierend an das Maunzen eines Kätzchens erinnert, als sie sich kurz von Rialinn löst um Milch und Brot auf die Kommode zu stellen. Sie löscht die eine Kerze die noch flackerndes Licht verbreitet und schlüpft dann zu ihrer Tochter unter Decken und in weiche Kissen. Eingerollt wie eine kleine Schnecke drängelt Rialinn sich eng an sie, und ist von einem Augenblick auf den anderen weitweit fort. Arwen selber schließt zwar die Augen, aber sie findet einfach keinen Weg in die Tiefen der Trance. Zu unruhig sind ihre Gedanken. Zu viele Fragen warten auf Antworten. Und die Antworten, die sie hat, die drängen die so sehnsüchtig gesuchte Ruhe in unerreichbare Ferne. Krampfhaft versucht sie, sich zu erinnern, was auf dem Sithechacker passiert ist. Aber so sehr sie es auch versucht, sie kann sich nur noch erinnern, dass Niniane im Eingang der Gruft verschwunden ist. Dann nichts mehr, nur Schwärze. Du hast versagt, grausam versagt, und wie immer sind es andere, die für deine Fehler bezahlen… Du hast deine Kraft, deine Macht viel zu hoch eingeschätzt. Du hast versagt, noch bevor es wirklich angefangen hat. Du hast das Leben von ihnen allen auf's Spiel gesetzt, weil dir nicht klar war, dass du nichts weiter bist als eine dumme, kleine Priesterin, die nicht einmal die Novizenausbildung durchlaufen hat, sich aber einbilde, sich mit einem Dämonenrpinzen anlegen zu müssen… Und dann schlägst du dir auch noch den Kopf an, als du umkippst. Wie kann man bloß so dämlich sein? So leichtsinnig? Es ist ganz allein deine Schuld, dass es ihnen so schlecht geht, dass man sie nach TianAnmen bringen musste. Sie haben dir vertraut, deiner Macht vertraut. Niniane hat dir ihr Leben und das ihres Kindes anvertraut. Und du hast versagt, fürchterlich versagt. Aber sie ist es, die den Preis dafür zahlt, sie verliert womöglich ihr Kind und vielleicht auch ihr Leben… und du bist schuld… bist schuld… schuld… Scham. Verzweiflung. Gefühle und Gedanken, die Arwen tief in sich vergräbt, damit sie ihre Tochter nur ja nicht wecken. Es sind stumme Tränen, die sie weint bis sie irgendwann erschöpft in Trance fällt. Die Dämmerung ist nicht mehr fern, und es sind jene Momente, wo die Nacht am dunkelsten ist, ehe sich der neue Tag mit einem goldenen Schimmer am Horizont ankündigt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 28. Okt. 2005, 19:36 Uhr
Der Mohnblumensaft tut seine Wirkung wie immer ausgezeichnet. Eine ganze Nacht lang schläft Kea ruhig und ohne Schmerzen durch. Sie merkt nicht wie jemand sie nach oben in den Westflügel der Steinfaust bringt und sie fühlt keine von Ierás Ängsten die er neben ihr aussteht und die ihn lange Zeit wach halten. Nichts berührt sie in dieser Nacht, nicht einmal wirre Traumfetzen stören ihren Schlaf, ganz so, als wäre alles in bester Ordnung, als würde sie in ihrem Bett in der Hufschmiede liegen, unverletzt und mit einem ruhig schlafenden Ierás neben sich, die Pferde draußen im Stall friedlich dösend. Aber nichts von all dem ist jetzt noch Wirklichkeit für Kea. Die Pferde sind verschwunden, vielleicht sogar gar nicht mehr am Leben, die Schmiede ist ein halbes Schlachtfeld und es wird ihnen nicht möglich sein allzu schnell wieder dort einzuziehen.
Trotzdem haben sie noch Glück im Umglück gehabt, denn sie haben sich, lebendig und dazu nicht allzu schwer verletzt, etwas, dass viele andere die jetzt in den Krankensälen der Steinfaust liegen nicht von sich behaupten können.

Die Sonne ist schon aufgegangen, aber Hähne krähen an diesem Morgen keine in Talyra und selbst wenn, es gibt nicht viele die sie hören können oder würden. Viele der Leute die ins Larisgrün geflohen sind, sind noch in der Nacht von den Stadtgardisten zurück geholt worden und nach all der Aufregung und der Angst sind sie in ihre Häuser zurück gekehrt sofern ihnen das noch möglich war. Aber niemand muss in einer Nacht wie dieser draußen übernachten und jetzt schlafen sie alle, verdienterweise, denn es gibt wohl niemanden der nicht völlig erschöpft ist. Viele der Verletzten haben Mohnblumensaft zu sich genommen und sind betäubt, so dass auch sie ihren Schlaf finden können, aber auch Mohnblumensaft hört irgendwann auf zu wirken und bei Kea lässt die Wirkung schon relativ früh am morgen nach. Ierás und sie sind früher als die meisten in der Steinfaust angekommen und sie haben das Glück abseits schlafen zu können, in tatsächlicher Ruhe, ohne dass ständig jemand neben ihnen auf und ab rennt weil es einfach notwendig ist um den Verwundeten zu helfen, oder die Schreie und das Gestöhne von manchen die es schwerer getroffen hat.
Ein Lichtstrahl fällt Kea genau ins Gesicht als sie die Augen langsam und so weit wie möglich öffnet. Es ist schrecklich hell und aus irgendeinem Grund dröhnt ihr der Kopf ganz erbärmlich. Sie starrt auf die Decke über sich, die nicht so aussieht wie sie es eigentlich sollte und langsam kommt die Erinnerung an den gestrigen Tag zurück. In ihrem Kopf laufen die Bilder noch einmal ab und sie erinnert sich, in die Steinfaust gekommen zu sein, aber nicht an dieses Bett oder den Raum, nicht einmal an den Weg irgendwo hin.
Mit einem erschrockenen Atemzug fährt Kea in die Höhe, eindeutig zu schnell für die Erlebnisse die sie hinter sich hat.
„Wo bin ich?“ will sie eigentlich rufen und hoffen, dass sie dann irgendjemand hört und ihr antwortet. Aber stattdessen krümmt sie sich nur zusammen und aus ihrem Mund kommt nicht mehr als ein leises Wimmern. Langsamer und viel vorsichtiger lässt sie sich zurück in die Kissen sinken, die ihr, obwohl weich und komfortabel vorkommen als läge sie auf einem unebenen Geröllhaufen. Ihr Nacken ist steif und sie kann und möchte den Kopf eigentlich nicht drehen, aber wenn sie die Augen zur Seite bewegt, kann sie den Blick auf eine andere, ruhig atmende und friedlich schlafende Person erhaschen. Einer ihrer Mundwinkel zuckt in die Höhe als sie Ierás erkennt und eine Hand tastet vorsichtig nach seiner. Sie kann nicht richtig nach ihm greifen, denn ihre Handflächen sind verbrannt und außerdem bandagiert, so dass sie die Hände nicht einmal zu Fäusten ballen kann. Trotzdem kann sie es nicht lassen einfach ihre Finger auf seiner Hand ruhen zu lassen, leicht wie ein Schmetterling, denn mehr wagt sie nicht aus Angst ihn zu wecken. Sie starrt nicht mehr zur Seite, da es ihr noch mehr Kopfschmerzen bereitet als sie ohnehin schon hat, aber dafür einfach nach oben an die Decke. Nach dem sie das einige Zeit, völlig ruhig da liegend getan hat, hat sie auch den Westflügel erkannt und da sie sich auch keine weiteren Sorgen um Ierás machen muss, beginnt sie mit dem einzigen was sie jetzt sonst noch tun kann, einer Bestandsaufnahme ihrer Lage durchzuführen.

Zu aller erst versucht Kea fest zu stellen welche ihrer Körperteile ihr eigentlich Schmerzen bereiten und ob auch noch alle an dran sind damit sie schmerzen können. Die Antwort ob noch alles da ist, ist schnell gegeben und auch die zweite Frage ist relativ leicht und schnell geklärt: alle. Herauszufinden welche nun effektiv verletzt sind, ist schon weit schwieriger, denn dazu müsste Kea sich aufsetzen, aber dafür fehlt ihr die Kraft und auch die Motivation. Also liegt sie einige Zeit wieder einfach still da und wartet, worauf kann sie selbst nicht sagen. Aber nichts geschieht. Von draußen dringen keine Geräusche zu ihr herauf, niemand kommt, Ierás erwacht nicht und Kea möchte ihn auch nicht wecken. Es würde sich jetzt die Gelegenheit bieten über Ierás und die unschuldigen, aber vor allem, toten Menschen von gestern nach zu denken, aber das möchte Kea gerade noch weniger, denn dann müsste sie sich die gefährliche und ganz und gar nicht liebenswürdige Seite ihres Gefährten eingestehen, anfangen sie zu akzeptieren, mit ihr auszukommen oder völlig sinnlos darüber zu grübeln wie man sie ihm austreiben könnte. Kurz schließt sie die Augen und die Bilder tauchen sofort vor ihrem inneren Auge auf. Das grüne Feuer, der kalte Blick, die schreienden Menschen und wieder fühlt sie diese Kälte die von ihm ausgeht und sie wagt ja jetzt noch nicht einmal ihren Geist nach ihm auszustrecken aus Angst, dass sie nicht vollständig wieder verschwunden ist.
Sie reißt die Augen wieder auf und rafft sich, anstatt weiter zu daran zu denken, auf einen ihrer Arme anzuheben und dort zu beginnen nach etwaigen Verletzungen zu suchen. Ihr Arm fühlt sich von der Schulter bis zu der schmalen bandagierten Hand an, als wäre er mit Blei gefüllt anstatt mit Blut und söge sie tief in das weiche Bett hinein. Dabei sieht er eigentlich gar nicht so schlimm aus, etwas rot und blau, stellenweise leicht geschwollen, die Haut abgeschürft oder blutverkrustet und dort wo ihr nichts fehlt ist die Haut erschreckend grau, aber nichts, das nicht schon bald von ganz alleine wieder besser wird. Der zweite Arm sieht ähnlich aus, bis auf die Kratzspuren die sie dort abbekommen hat als sie versucht hat sich das letzte der Höllenhühner vom Leib zu halten.

Es dauert etwas, bis sie die Decke von sich geschoben und ihre Beine befreit hat. Mühsam stützt sie sich etwas nach oben, erschwert durch die Matzratze die immer unter ihrem Gewicht nachgibt. Dem linken Bein geht es wie ihrem Arm, das rechte ist allerdings nicht nur blau, sondern auch recht ballonartig angeschwollen. Im ersten Moment weiß Kea nicht einmal woher sie das nun wieder hat, aber als sie es so ansieht und Zeit hat darüber nach zu denken, fällt ihr ein, dass der Höllenhund versucht hat sie von seinem Rücken zu streifen und die dabei mehrmals gegen die Wand geknallt hat. Kea beißt sich kurz auf die Lippe als sie ihr Bein so betrachtet und verwünscht den toten Köter gleich noch einmal, ehe sie dann beginnt ihre Erkundungen in Richtung ihrer Mitte anzustellen.
Sie kann sich noch daran erinnern, dass ihr jemand die Verbände angelegt hat und diese verbergen auch die geschundene Haut über ihren Rippen. Nur stellenweise sieht man noch blau verfärbte Haut an den oberen und unteren Rändern der Verbände hervor lugen. Auch den langen tiefen Kratzer der sich von ihrer Schulter bis über ihre Brust hinunter zieht verdecken sie nur zur Hälfte. Ihr Gesicht kann Kea nicht sehen und auch nicht befühlen, aber nach dem sie den Rest von sich jetzt begutachtet hat, kann sie sich lebhaft vorstellen wie sie aussieht. Zerkratzt und zerhackt von Hühnerschnäbeln und Krallen, eine Platzwunde von ihrem Sturz und eine große Beule als sie gegen die Wand geschleudert worden ist. Ihre Lippen sind aufgesprungen und ein Augenlid fühlt sich seltsam geschwollen an, aber auch hier ist nichts zu fühlen, das mit der Zeit nicht wieder heilen würde.

Als sie endlich den Kopf wendet zu der nach Schmutz, Blut Schwefel und Hühnerkot stinkenden Person neben sich dreht, sieht Kea, dass Ierás neben ihr nicht viel besser aussieht. Er ist blau und zerschunden, wenigstens dort wo man seine Haut unter dem Dreck noch sieht, denn er ist einfach so wie er war ins Bett gefallen, nicht einmal die Schuhe hat er sich ausgezogen und das Schwert das er irgendwie mitgeschleift hat, hat er einfach an Ort und Stelle fallen lassen. Über sein Gesicht ziehen sich die gleichen Kratzer wie über ihr eigenes und seine Hände, aufgesprungen und mit Brandblasen übersäht, sind nicht gewaschen und schon gar nicht in Verbandslinnen eingepackt. Gedanklich schüttelt die Schmiedin den Kopf über ihren Gefährten. Wie kann er sich so um sie kümmern und nicht einen Gedanken an sich selbst verschwenden.
Vielleicht war er auch einfach zu müde dafür, er sah schon so fertig aus als er neben dem Wagen her ging.
In diesem Augenblick würde Kea ihn am liebsten einfach in die Arme schließen und fest halten, aber er schläft so ruhig, dass es ihr in der Seele weh tun würde in jetzt zu wecken. Andererseits möchte sie auch nicht, dass sich seine Wunden verschlimmern, nur weil sie niemand ausgewaschen hat.
Nur noch kurz, auf ein paar Minuten mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an!
Kea ist keine Heilerin, aber sie denkt, dass Ierás den Schlaf wohl fast genauso nötig hat wie die Versorgung seiner Verbrennungen. Ihr Augen ruhen auf seinem Gesicht, so ruhig, nicht einmal zuckt es auch nur im Schlaf und so lässt sie den Blick über seinen restlichen Körper streichen. Erst jetzt fällt ihr auf wie seltsam die Position seines Armes ist und schließlich sieht sie die tiefen Kratzspuren die er dem Höllenhund zu verdanken hat. Die Wunde ist recht tief, sieht gar nicht gut aus und ist genauso wie der Rest weder gewaschen noch sonst irgendwie versorgt und ist schließlich auch der Anlass dafür, dass Kea nicht länger warten möchte bis Ierás von selbst aufwacht.

Sie hat aber Glück und er nimmt ihr die Aufgabe ihn zu wecken doch noch ab, in dem er, gerade als sie ein Stück näher an ihn heran gerückt ist, von selbst die Augen öffnet und sie aus geröteten grünen Augen, immer noch müde und verschlafen, mit dunklen Ringen unter den Augen anblickt. Kea würde „Guten Morgen“ sagen, aber all diese Floskeln scheinen ihr bedeutungslos und leer zu sein angesichts der Tatsache dass sie gestern einige Male gedacht hat, dass sie nie wieder so nebeneinander aufwachen würden und so bringt sie nur ein etwas schiefes Lächeln zustande, das ihm zeigen soll, dass sie einfach froh ist, dass sie hier noch zusammen liegen können und dass sie das nur einander zu verdanken haben, dass sie ihn liebt und dass er jetzt am besten sofort aufsteht und etwas gegen seinen Zustand unternimmt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 28. Okt. 2005, 20:53 Uhr
Die Augen waren ihm irgendwann zugefallen und er war, so wie er war nach hinten in die weichen Kissen gesunken um dort wie ein Stein zu schlafen. Der stundenlange Kampf mit den Flammen, die Kämpfe mit dem Höllenhund und den Hühnern und zum Schluss das Wirken seiner Magie hatten ihren Tribut gefordert. Normalerweise schläft er wie jeder andere Mensch; und träumt auch, aber manchmal ist es ihm erlaubt in die elbische Trance hinabzugleiten, so dass er von den Bildern des vergangenen Tages verschont bleibt.
Aber sie werden nicht auf sich warten lassen.. Der Gedanke treibt irgendwo in seinem Geist herum, kurz bevor er die Augen öffnet. Doch als er sie öffnet, sieht er ersteinmal nichts als einen Betthimmel und er braucht einen Augenblick, ehe er sich wieder daran erinnert, wo er ist. Er spürt eine Bewegung neben sich und als er den Kopf wendet blickt er in Keas Gesicht. Die Schmiedin hat Prellungen und üble Kratzer im Gesicht und sie sieht noch immer müde und abgekämpft aus. In ihren Augen glimmt so etwas wie ein Lächeln, aber ihr Mund hat einen eindeutig besorgten Zug. Er kriegt keinen Ton über seine Lippen und für mehrere Herzschläge sehen sie sich einfach nur in die Augen, sich der Tatsache bewusst, dass sie dies nur dank einer Menge Glück noch tun können. Dann senkt Kea den Blick und lässt ihn auf seiner Schulter ruhen, wo sich tiefe, blutverkrustete Kratzer unter den Fetzen seines Hemdes verbergen. Der Arm beginnt, jetzt wo er sich auf die Wehwehchen seines Körpers konzentriert, höllisch zu brennen und er spürt die Brandwunden an seinen Händen.
Ierás räuspert sich umständlich und richtet sich sehr langsam und vorsichtig auf. Er fühlt sich nicht wirklich in der Lage aufzustehen und sich um die Versorgung seiner Wunden zu kümmern, aber andererseits fällt ihm sein Versprechen, ihr alles zu erklären wieder ein. Und aufstehen, sich die Wunden auswaschen und verbinden lassen klingt im Moment irgendwie verlockender. Sie sieht furchtbar aus, unter all diesen Verbänden lugt verletzte Haut hervor und er fühlt eine Woge des Mitleids in sich aufwallen. "Hast du Schmerzen?" Seine Stimme klingt von Rauch und Hitze heiser und er räuspert sich erneut. "Soll ich jemanden holen?" Er kann sich vorstellen, dass die Heiler und Helfer der Krankensäle genug um die Ohren haben aber er muss es ja wenigstens vorschlagen. Sie schüttelt den Kopf, sehr vorsichtig wie ihm auffällt und sie tauschen einen weiteren schweigenden Blick. "Hm... ich geh wohl besser mal, damit sich jemand das hier ansieht. Soll ich etwas zu essen mitbringen?" Sie nickt, schweigend und vorsichtig und er kämpft sich von der weichen Matratze herunter. Seine Muskeln protestieren mit wüsten Schmerzen gegen diese Bewegungen, aber er beißt die Zähne zusammen und macht sich auf den Weg in die Krankensäle.

Das Blut pulsiert in seinen Händen und er spürt jeden Herzschlag bis in die Fingerspitzen. Der Heilergehilfe hatte mit schnalzenden Mitleidslauten seine Hände genommen und sie völlig mitleidslos mit warmen Wasser und irgendeinem Alkohol behandelt. Auch den tiefen Kratzern an seiner Schulter hatte er dieselbe Aufmerksamkeit gegönnt und ihm schließlich mit diversen mehr oder weniger gut riechenden Salben eingeschmiert.
Jetzt balanciert er ein kleines Tablett auf den Unterarmen, auf dem Brot, eine Schale Brühe und zwei Becher Tee stehen. In der großen Halle des Westflügels herrscht noch immer völlige Stille. Er hatte nicht mitbekommen wann Olyvar und Kizumu zurückgekehrt waren und auch das Getümmel im Gästezimmer war spurlos an ihnen vorbei gegangen. Aber er glaubt fest daran, dass alle auf die es ihm ankam halbwegs unverletzt waren und so geht er eiligen Schrittes zum Erkerzimmer zurück.
Kea liegt mit geschlossenen Augen im Bett, die Decke nur nachlässig über sich gelegt und der Schmerz gräbt tiefe Falten in ihre Züge. "Neyá." Seine Stimme ist sehr leise, falls sie schlief würde er sie so wenigstens nicht wecken. Ierás tritt einen Schritt weiter ins Zimmer herein und beobachtet seine Gefährtin aufmerksam.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 28. Okt. 2005, 22:31 Uhr
Olyvars erster Gedanke, als er in die Steinfaust kommt, gilt den Badehäusern - er ist rot und schwarz von Kopf bis Fuß und auch Grau täte ein Bad nicht schlecht, außerdem könnte er sich bei der Gelegenheit gleich die Wunden des Hundes genauer ansehen, bevor er ihn Kizumu präsentieren würde, aber daraus wird nichts. Erstens ist er schon nach weniger als fünf Schritt durch das Äußere Tor von einer Traube Blaumäntel umringt, die Fragen auf ihn abschießen wie Erbsen aus einem Blasrohr und zweitens ringelt sich die Schlange vor den Badehäusern um den halben Inneren Zwinger. Diejenigen Talyrer, die vorübergehend in den leerstehenden Räumen der Festung Obdach gefunden hatten, scheinen die Gelegenheit für ein kostenloses heißes Bad nicht auslassen zu wollen. Er sieht arthritische Alte, Mütter mit Kindern, Väter, Söhne, dazwischen ein paar Blaumäntel, die bei den Löschtruppen gewesen waren, rußschwarz wie Kaminkehrer. Oh nein... Die Aussicht, mit all seinem Dreck ins Bett gehen zu müssen, ist nicht gerade sehr erbaulich, aber es ist mitten in der Nacht und es war für sie alle ein entsetzlicher Tag. Er wird ganz bestimmt nicht völlig erledigte Mägde oder Knechte durch die Gegend scheuchen, nur um ihm jetzt noch im Westflügel ein Bad zu richten - eine Schüssel mit warmem Wasser würde einfach genügen müssen. Während er sich also seufzend abwendet und sich seinen Weg über die Zwinger bahnt, verteilt er nach alle Seiten unzusammenhängende Erklärungen, knappe Befehle und gibt kurze Auskünfte - natürlich wollen alle wissen, wie es um die Protektorin und Morgana, die Heilfrau bestellt ist, oder um Borgil, Cron, Raven und den Sturmlord. Die Blaumäntel sind Soldaten und Gardisten, keine Klatschweiber, aber die Ereignisse auf dem Marktplatz und dem Sithechhain haben sich mittlerweile herumgesprochen, und alle sind in Sorge um jene, die es mit dem Dämon aufgenommen hatten. Einige seiner Männer hasten sogar  im Laufschritt neben ihm her und liefern knappe Berichte über die Lage hier in der Festung, und ein eilig herbeizitierter Gehilfe Maester Ballabars rattert herunter, wer alles inzwischen im Branturm versorgt wird. Außerdem erfährt Olyvar so auch, dass Lady Arwen im Westflügel sei, seine Gemahlin habe sie dorthin mitgenommen, und dass Aurian es überstehen würde, Ballabar kümmere sich um sie.

Vor dem Haupteingang des Bergfriedes angekommen, hält Olyvar Inne und wendet sich an die Offiziere, die ihm bis hierher gefolgt sind. "Aye, gut. Ich sehe morgen nach denen im Branturm und spreche mit Aurian, aber jetzt muss ich ein paar Stunden schlafen. Vareyar wird die Evakuierten noch in den nächsten Stunden in die Stadt zurückbringen. Bringt die Leute hier unter und fangt an, Verlustlisten zu schreiben und Vermisstenmeldungen aufzunehmen. Außerdem will ich die Namen aller, die ihr Heim verloren haben. Bis morgen abend will ich wissen, wieviele Tote wir vorerst haben, wieviele Verletzte in den Tempeln liegen, wieviele von ihnen es nicht überstehen werden und wer vermisst wird.  Rhordri ist noch auf dem Marktplatz, aber er müsste hier auftauchen, sobald alle einsturzgefährdeten Gebäude dort gesichert sind und die ausgebrannten Ruinen abgesperrt wurden. Er soll sich um die Listen kümmern und alle Botenkinder und Rekruten dafür einsetzen, wenn er muss. Wir müssen so rasch wie möglich wissen, woran wir sind. Schickt Patrouillen zu je einem Dutzend alle Stunde durch die Stadt - ich will keine Plünderungen. Grau, komm." Er hebt die Hände, eine unmißverständliche Geste, dass er keine weiteren Fragen mehr beantworten würde und verschwindet dann durch das breite, eisenbeschlagene Steineichentor ins Innere des Bergfrieds. Alle Gänge, Flure, Hallen und Treppengewölbe der Hauptgebäude sind von Fackeln und Öllampen erleuchtet, überall hasten Blaumäntel, Kämmerer und Knechte hin und her, und aus der gewaltigen Küche unter der Großen Halle dringen verlockende Essensdüfte - selbst die Köche schieben in dieser chaotischen Nacht Sonderschichten, um all die Flüchtlinge und pausenlos ihren Dienst versehenden Blaumäntel zu versorgen. Olyvar macht einen Abstecher in den höhlenartigen Raum hinunter, lässt sich eine Schale Fleischreste für Grau geben, die der Wolfshund praktisch einatmet und wäscht, während Grau frisst, mit ein wenig heißem Wasser die Wunden an den Flanken und der Brust des Hundes aus. Es sind nur Kratzer und Bisse, und nichts davon scheint wirklich gefährlich zu sein, aber Olyvar will vermeiden, dass die Wunden sich entzünden... ganz abgesehen davon, dass Kiz beim Anblick all des blutverkrusteten Fells vermutlich sofort in Panik ausgebrochen wäre.

Bevor er die Küche wieder verlässt, bekommt Olyvar selbst ungefragt ein Stück Schinken und einen Kanten Brot in die Hände gedrückt, und das verputzt er beides auf dem Weg in den Westflügel hinauf bis auf den allerletzten Krümel. Grau tappt gesäubert und mit gefülltem Magen neben ihm her, leckt sich aber dennoch alle zwei Schritt die Lefzen, versucht angestrengt, halb verhungert auszusehen, hypnotisiert den Schinken in seiner Hand und muss fassungslos hinnehmen, wie dieser bis auf den letzten Bissen im Magen seines Herrn verschwindet. Im Westflügel selbst ist es sehr viel ruhiger und stiller, als in der übrigen Festung, die allerorts summt wie ein Bienenstock, auch wenn vereinzelt Geräusche oder Stimmen auch hier heraufdringen. Olyvar atmet in der plötzlichen Ruhe auf und schickt den todmüden, vor der Tür zu seinen Gemächern Wache schiebenden Blaumantel mit einer knappen Geste ins Bett. "Verschwinde und schlaf dich aus, ich brauche bestimmt keine Wachen vor dem Westflügel, wenn hier alles drunter und drüber geht. Geh schon." Der Mann unterdrückt ein Gähnen, nickt dankbar und schlurft davon und Olyvar kehrt nach schier endlosen Stunden endlich nach Hause zurück. In der Vorhalle und der Halle selbst ist alles still und dunkel, die vertrauten Gerüche seines Heims umfangen ihn - Zitronengras, Orchideen, Orangenblüten und die Wärme eines halb heruntergebrannten Kaminfeuers. Grau verzieht sich sofort auf seine Felle vor dem kleinen Kamin und Olyvar legt in beiden noch einmal Holz nach und deckt die Feuer ab, ehe er gähnend und mit bleischweren Beinen ins Schlafgemach hinauftappt. Zu seiner Überraschung findet er Kizumu wach vor, ein schlafendes Baby auf ihrem Bauch, schlaff wie ein leerer Weinschlauch, alle Viere von sich gestreckt und leise milchblubbernde Atemgeräusche von sich gebend. Er nimmt ihr Conn ab und legt seinen Sohn in die Wiege, so vorsichtig, als wäre er hochentzündlich und obendrein mit Loas Öl gefüllt, dann lässt er sich auf den Bettrand fallen und streift ächzend seine Stiefel ab. "Götter, Kiz, ich bin erledigt..." Sie schmiegt sich an seinen Rücken und er greift nach ihr, zieht sie auf seinen Schoß und küsst sie, lange, fest und gründlich. Einen Moment hält er sie einfach nur an sich gedrückt, spürt sie atmen, ihre lebendige Wärme und dankt im Stillen sämtlichen Göttern, die ihm einfallen und allen, die es sonst möglicherweise noch gibt. "Ich muss mich zuerst wenigstens waschen, ich bin voller Dreck, Blut und Asche. Haben wir irgendwo Wasser hier?" Er schält sich aus seinem wattierten Wams und dem Hemd, schnallt den Gürtel auf, löst die Verschnürungen und Schnallen der Beinschienen und zieht sich dann mühsam die schweren, beschlagenen Lederhosen von den Beinen. "Ich wollte ein Bad nehmen, aber die Badehäuser sind voll wie ein Fass Heringe und ich hatte wirklich keine Lust, mit einer Horde gichtkranker alter Vetteln in einer Wanne zu landen..."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 02. Nov. 2005, 16:15 Uhr
Ierás verschwindet mit etwas steifen Schritten aus dem Erkerzimmer und lässt sie alleine in völliger Stille zurück. Von Aufstehen kann noch nicht die Rede sein, sie will ja gar nicht versuchen ob sie die Kraft dafür aufbringen kann, also bleibt sie liegen und schließt die Augen. Sie kann den Himmel des Bettes schon nicht mehr sehen, dabei ist sie noch gar nicht so lange hier. Kurz ist Kea versucht in Selbstmitleid zu versinken, aber dann gibt sie sich eine gedankliche Ohrfeige und denkt an die Leute, die schlimmer verletzt sind, ihre Familien verloren haben und an die, die tot sind.
Du hast noch mal Glück gehabt Kea! Großes Glück und du hattest Ierás, ohne ihn und ohne seine Magie…
Sie will nicht mehr weiter darüber nachdenken, sie lebt, er hat sie gerettet, aber drei andere sind dafür gestorben, unfreiwillig und unschuldig an all dem Übel.

Die Türe öffnet sich wieder und ein kleines Tablett kommt von Ierás gefolgt in den Raum hinein. Er ist sauberer, größtenteils, aber ein Besuch in einem Zuber voller heißen Wassers wird ihnen beiden nicht erspart bleiben. >Neyá< Seine Stimme ist leise um sie nicht zu wecken falls sie schläft, aber sie hält immer noch bloß die Augen geschlossen und lauscht den Geräuschen die er mit sich in den Raum geholt hat. Jetzt aber sieht sie ihn an und stützt sich etwas auf.
Jetzt ist es soweit, jetzt solltest du aufstehen!
Sie würde seufzen, aber das tut weh und im Moment kann sie sich auf nichts anderes als auf die verschiedenen schmerzenden Körperteile konzentrieren die sie jetzt belasten muss um aus dem Bett zu kommen. Es ist ein wenig mühsam, denn jedes Mal wenn sie sich aufstützen möchte zieht sie erschrocken die Hände wieder fort und wenn sie ihren Körper alleine mit ihrer Mitte hoch ziehen möchte, funktioniert das noch weniger. Schließlich und endlich sitzt sie aber und steht dann sogar auf, wobei ihr sofort der Kreislauf versagt und ihr schwarz vor Augen wird. Also sitzt sie noch einmal, wartet und erhebt sich zum zweiten Mal, was schon besser funktioniert. Sie humpelt schweigend an ihm vorbei, zu dem Tablett das er abgestellt hat und nimmt sich vorsichtig einen Becher mit Tee, den sie gleich darauf fast fallen lässt. Sie hat keinen Hunger auf Brot und die Brühe will sie nicht einmal riechen. Der heiße Tee schwappt ihr prompt über die Finger und ihre Laune sackt noch ein gutes Stück in Richtung Keller.
Sie muss sich beherrschen um Ierás nicht mit einem „sag doch was!“ anzuschnauzen, denn der steht da und sieht sie einfach nur an, mit einem Blick wie ein kleiner Junge der weiß, dass er etwas ausgefressen hat und jetzt auf seine Bestrafung wartet. Zurück beim Bett lässt sie sich wieder auf der Matratze nieder und zieht die Decke ein Stück über ihre nackten Beine, als wäre es ihr unangenehm wenn er sie so sieht und senkt den Blick auf ihren Tee.

Was ist los mit dir? Bist du auf den Mund gefallen? Hast du dir die Zunge abgebissen? Sag etwas zu ihm, du kannst ihn doch nicht ewig anschweigen, warum auch? Bist du wütend? Sie horcht eine Zeit in sich hinein, aber sie kann keine Wut in sich finden. Sie ist erschrocken, dass er zu so etwas fähig ist, aber sie fürchtet ihn nicht, sie ist enttäuscht, dass er ihr nichts davon gesagt hat.
Aber vielleicht hat er es selbst gar nicht gewusst, vielleicht hatte er keine Ahnung, dass er so etwas kann!

Schließlich sieht Kea doch zu ihm hoch und Ierás blickt einfach nur zurück.
„Denkst du wir können für ein paar Tage hier bleiben?“ Ihre Stimme ist so heiser von Rauch und Ruß wie seine und sie klingt aufgesetzt, weil es nicht die Frage ist die sie eigentlich stellen wollte. Ierás nickt wage und beißt dann von seinem Brot ab als wäre es so schmackhaft wie ein Stück Holz. Sein Blick schwankt, von ihr zu seinem Essen und hinaus aus dem Fenster.
„Hast du Kizumu gesehen? Geht es ihr gut?“
Er schüttelt den Kopf, seine Mutter hat er noch nicht getroffen seit sie hier sind. Kea nickt leicht und starrt wieder auf das heiße Gebräu im Becher vor ihr. Doch auch dort drinnen findet sie nicht den Mut den sie braucht und auch nicht die richtige Wortwahl um zu beginnen.
Ich kann ja wohl schwer anfangen mit: Ach und gestern, als du die drei Menschen umgebracht hast, wieso genau hast du das getan?
Die Verzweiflung wird noch ein bisschen stärker in ihr, denn alles was ihr sonst noch so zu sagen einfällt, enthält zwar andere Worte, läuft aber immer auf das gleiche hinaus. Sie will ihn keinen Mörder nennen, aber sie kann nicht verharmlosen was er getan hat.
Es war doch Notwehr! Nur etwas ungerichtet…
Wäre ihr Genick nicht so steif, sie würde den Kopf gleich noch ein Stückchen weiter hängen lassen. Sie stellt den Tee, ohne auch nur einen Schluck genommen zu haben auf den Boden zurück und sieht auf ihre Zehen. Ihr Gesicht sieht aus wie drei Tage Regenwetter und sie spürt schließlich wie Ierás vorsichtig seinen Geist nach ihr ausstreckt. Aber sie will nichts fühlen von dem was dort unter Umständen noch versteckt ist, nicht jetzt, und so verschließt sie ihren Geist, etwas das sie sonst nie tut. Kea hebt den Blick und die beiden sehen sich direkt in die Augen. Ein Paar grün und verwirrt und eines dunkelbraun und fragend, verstört und unsicher.
Nachdem Ierás immer noch schweigt, fasst Kea sich ein Herz.
„Gestern“, krächzt sie, hebt einen Arm, weil ihr die Worte fehlen. „Ich“, wieder weiß sie nicht was sie weiter sagen soll und streicht sich stattdessen eine Dreck und Blutverklebte Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Was,… bitte… sag was!“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 16. Nov. 2005, 12:38 Uhr
Olyvar schläft tief und traumlos bis zum nächsten Morgen und weit bis in den Tag hinein. Er wird in der Morgendämmerung einmal wach, weil die Kinder sich regen, wühlt sich komatös aus den Decken, holt Conn und Fianryn ins Bett und reicht sie ihrer Mutter. Die beiden rollen sich wie kleine Igel in die Arme Kizumus und nehmen schmatzend noch im Halbschlaf ihr erstes Frühstück zu sich. Voll gestillt werden sie längst nicht mehr, und beide essen auch mit Begeisterung vom Löffel - Hafergrütze mit Honig, zerdrückte Kartoffeln, weichen Gemüsebrei oder Brot, aber sie denken gar nicht daran, die Brust ganz aufzugeben, also füttert Kiz sie meist morgens und abends noch. Nachdem sie satt sind schlafen sie zu viert noch eine Weile, aber als die Kinder unruhig werden, holt er Feorna und schickt die Magd mit ihnen hinaus. Er muss noch ein wenig schlafen und Kizumu ist so tief in ihrer elbischen Trance versunken, dass neben ihr eine Bean-Sidhe hätte loskreischen können und sie wäre davon nicht aufgewacht. Als er endgültig die Augen aufschlägt, steht die Sonne bereits hoch am Himmel, jedenfalls verspricht das die Helligkeit draußen vor den Fenstern. Er blinzelt ein paarmal, schnuppert dann und verzieht angewidert das Gesicht - er hätte doch noch baden sollen. Leise, um Kizumu nicht zu wecken, steht er auf, sucht sich frische Kleidung zusammen, schlüpft in ein einfaches Hemd und weiche Lederhosen, schnappt sich seine Stiefel, seinen Waffengurt und einen Umhang und verlässt auf Zehenspitzen das Schlafgemach. In der Halle ist nur Feorna mit den Kindern und Grau. Die junge Magd sieht mitgenommen, aber ganz und gar lebendig aus und sie berichtet ihm leise, dass Lady Arwen noch hier sei und schlafe, und auch Ieras und Kea im Turmgemach wären. "Gut. Lass ein Mittagmahl heraufbringen, ich nehme die Kinder mit in die Badehäuser. Hol mir nur rasch ein paar frische Sachen für die Kleinen und lass die anderen schlafen. Kizumu ruht auch noch und ich will nicht, dass sie geweckt wird." Er wartet, bis Feorna ihm einen Korb mit Kinderkleidung und Windeln gepackt hat, pfeift dann nach Grau und stiehlt sich mitsamt seinen Kindern und dem Hund in die Badehäuser davon.

In der Steinfaust herrscht immer noch Hochbetrieb, aber kein Chaos mehr und alle, die gestern ihr Heim verloren hatten, sind in den leerstehenden Festungstrakten untergebracht. Auf dem Inneren wie dem Äußeren Zwinger drängen sich Mägde, Knechte, Bauern, Blaumäntel und Bürger, alle Tore stehen sperrangelweit offen und es herrscht ein unablässiges Kommen und Gehen, aber er bleibt wie duch ein Wunder unbehelligt, bis Conn, Fianryn und er selbst nach einer Stunde im heißen Wasser wieder sauber sind und nach Mandelmilch und Sandelholz duften. Als die Kinder trocken, frisch gewickelt und angezogen sind, schickt er Grau ins Wasser und das lässt sich der Arduner Wolfshund nicht zweimal sagen - für gewöhnlich bevorzugt er zwar Waldteiche, Tümpel oder den Flusslauf, der sich quer durch Talyra schlängelt, aber er ist auch einem warmen Bad nicht abgeneigt und lässt sich genüsslich den Dreck und das getrocknete Blut aus dem Fell spülen. Nachdem auch das geschafft ist, kehren sie alle vier ausgehungert wie Winterwölfe in den Westflügel zurück und Olyvar findet, auf jedem Arm ein Kind und einen noch feuchten Wolfshund vor sich herscheuchend, Lady Arwen mitsamt ihrer Tochter am Tisch in der Großen Halle vor, den ein paar Pagen unter Mattis so jugendlichen wie strengen Argusaugen gerade aufdecken. Weder von Kiz, noch von Ieras, Kea oder Feorna ist etwas zu sehen und so schickt Olyvar Grau auf seinen Platz vor dem Kamin, damit der Hund dort trocknen kann und setzt sich dann mit den quirligen Zwillingen an den Tisch. Die Elbin sieht zweifellos müde aus, mitgenommen und reichlich blass, die jadegrünen Augen heute eher grau und verschleiert... Von zu wenig Ruhe und zu vielen Erinnerungen, vermutlich. Und von tausend Fragen, wird ihm klar, als er ihr zunickt. Irgendwie gelingt ihm ein schiefes Lächeln. Er steckt einarmig und unter Mühen Conn, der sich unkooperativ windet wie ein Fisch und unmutige Grunzlaute von sich gibt, in seinen Hochstuhl und setzt auch Fianryn in ihren - frisch gebadet, wach und ausgeschlafen sind die Kleinen jetzt nur noch hungrig. Olyvar hört seinen eigenen Magen laut genug knurren, dass das Geräusch noch Liath vor dem Feuer wuffend den Kopf heben lässt und sein vages Grinsen bekommt etwas entschuldigendes.

"Ich habe seit gestern morgen nichts mehr gegessen - tut mir leid," murmelt er und winkt Mattis heran, der sich seufzend Fianryns abnimmt, während Olyvar selbst seinen Sohn füttert. Ein Löffel Haferbrei nach dem anderen wandert in den wie ein Vogelschnäbelchen aufgerissenen Mund und ihm gegenüber tut Arwen dasselbe mit ihrer Tochter. Die Elbin schenkt seinen aufrührerischen Eingeweiden nur ein nachsichtiges Lächeln und ihm selbst einen kurzen Blick, doch der genügt - ihre Augen sind voll von halbverborgenen Schuldgefühlen hinter den tausend Fragen, den Erinnerungen und der mangelnden Ruhe. Sie weiß es nicht! Maels wütende Worte vom Sithechacker kommen ihm in den Sinn. Und Kizumu kann es ihr nicht erzählt haben, denn sie wußte nichts davon... Er meint vage zu ahnen, woher die Zweifel oder was immer er sonst in ihren Augen zu sehen glaubt, kommen und schüttelt sacht den Kopf. "Wie fühlt Ihr Euch?" Er erinnert sich, dass irgend jemand ihm gestern nacht im Vorbeigehen berichtet hatte, dass Arwen von Ballabar untersucht worden sei und der Maester verkündet habe, die Elbin habe eine Gehirnerschütterung und sei erschöpft vom langen Gebrauch ihrer Kräfte, aber sonst fehle ihr nichts. "Ihr habt einen üblen Schlag auf den Kopf bekommen, Arwen," er zögert einen winzigen Moment, aber dann fällt er seine Entscheidung und spricht weiter, hofft einfach, die Elbin vor ihm richtig einzuschätzen. "Euer Glück, dass Azra so klein und schmächtig ist. Borgils Frau, vielleicht kennt Ihr sie, sie war... besessen fürchte ich. Sie geriet auf dem Marktplatz in die Fänge des Dämons und ist euch wohl bis zum Sithechhain gefolgt... ich kenne nicht alle Einzelheiten der ganzen verworrenen Geschichte, aber das meiste kann ich mir zusammenreimen. Schilama ist ihr auf dem Marktplatz begegnet. Sie sagt, Azra habe Euch und die anderen - Morgana und Niniane und wer sonst noch dort war -, belauscht,  und zu diesem Zeitpunkt muss sie schon in der Gewalt des Dämons gewesen sein. Vermutlich ist sie euch gefolgt, um euren Angriff auf das Höllenwesen zu vereiteln, aber das ist ihr ja letztlich den Göttern sei Dank nicht geglückt. Wie auch immer, Schilama hat es entdeckt und mir gesagt - und wohl auch Borgil, denn der Zwerg ist zum Knochenacker abgerauscht wie ein tobendes Wollnashorn, obwohl er verwundet war, zusammen mit dem Sturmender, Raven und Cron von Tronje.

Ich weiß wirklich nicht, ob Azras Shebarucblut sie anfällig für die Einflüsterungen des Dämons gemacht hat oder ob es schlicht jedem passieren hätte können, unter den Bann dieses... Dings zu geraten, aber ich habe sie in der Nacht danach, als alles vorbei war, in TianAnmen versorgt, und sie erinnert sich nicht an das Geringste mehr. Sie stand allerdings wegen Borgil auch ziemlich unter Schock, denn der Zwerg ist... er ist fast gestorben." Seinen eigenen Hunger hat Olyvar inzwischen vollkommen vergessen. Er füttert Conn mit süßem Brei und ist sich gar nicht bewußt, was er tut, tunkt einfach mechanisch den Löffel ein und schiebt ihm den Kleinen in den Mund... genauso wenig bemerkt er Mattis, der ihm gespannt lauscht und dabei Fianryn versorgt. Er erzählt einfach weiter, berichtet der Elbin von allem, was auf dem Markplatz und später auf dem Sithechacker geschehen ist, zumindest von dem, was er weiß oder selbst miterlebt hat... auch von Ninianes Zustand und von Borgil, dessen Leben am seidenen Faden gehangen war, bis TianShi sich beider angenommen hatte, vom Zusammenbruch Morganas, der jedoch bis auf ihre Erschöpfung wohl nichts weiter fehle und Tod des vierten Priesters, dessen Namen er nicht einmal kennt und dessen Leichnam zusammen mit irgendeinem Schausteller verschwunden war. "Die Stadt sieht aus, als wäre der Rote Zamzamah mitten hindurchgefegt, beim schwarzen Atem Sithechs... aber," endet er schließlich leise, "unsere Verluste sind wohl nicht so groß, wie zuerst befürchtet. Es hat einige hundert Tote gegeben, soweit ich das bisher überblicken kann, vor allem auf dem Marktplatz. Und noch einmal soviele Verletzte, von denen sicher noch einige sterben werden, die jetzt in den Tempeln und hier in der Steinfaust untergebracht sind, ebenso wie in TianAnmen. Doch alles in allem hält sich der Schaden in Grenzen. Ich habe noch keine endgültigen Zahlen, aber wenn Ihr nicht gewesen wärt, Ihr und Morgana und der tote Priester und Lady Niniane, die den Dämon wohl zur Strecke gebracht hat, denn wir leben alle noch... " er zuckt mit den Schultern. "Chanail facal agam dhuibh ach taing..." Alles was ich sagen kann, ist danke. "Auch im Namen Talyras." Ein melancholisches Lächeln begleitet seine Worte, dann wischt er seinem Sohn die Haferbreireste aus den rosigen Mundwinkeln und greift nach einem Stück Brot, gebackenen Kartoffeln und gebratenem Fleisch. "Sobald ich gegessen habe, muss ich gehen. Ich würde Euch gern noch Gesellschaft leisten, aber überall da draußen in der Stadt sind meine Männer auf den Beinen und tun ihren Dienst - und ich muss zu ihnen," er nimmt beiläufig einen Bissen Brot und fährt sich mit der freien Hand über Stirn und Augen.

"Ich habe viel zu lang geschlafen. Natürlich könnt Ihr und die Kleine hierbleiben, solange Ihr wollt oder Eure Verwundung es empfiehlt, aber wenn ihr nach Hause möchtet, dann schickt einfach Mattis hier nach einem Wagen. Mattis, du bleibst hier. Hol Feorna, sie soll sich um die Kleinen kümmern, aye? Und dann legst du dich auf's Ohr, der Himmel weiß, du warst die halbe Nacht wach. Das ist ein Befehl, verstanden?" Sein Page zieht einen Schmollmund, vermutlich weil er darauf spekuliert hatte, heute noch an seiner Seite auf den Marktplatz zu kommen, aber er trollt sich gehorsam davon und als Olyvar ein hastiges Morgenmahl, das eigentlich ein Mittagessen ist, beendet hat, erscheint auch Feorna in der Halle und nimmt ihm die Kleinen ab. Kaum ist seine Magd in der Halle, erscheint mit einem leisen Plopp ein müder, reichlich mitgenommen aussehender und obendrein rußgeschwärzter Pumquat direkt über Olyvars rechter Schulter und er zuckt mit einem leisen Fluch zusammen. "Ifrinn! Pumquat, das ist kein Tag für die üblichen Spielchen!"
"Nein, Mylord Commander, aber Traditionen muss man pflegen nicht wahr?"
"Wieso siehst du aus, als hättes du dich in einem Aschehaufen gewälzt?"
"Ah, ich hatte ein kleines Gräber-Goblin-Schattenhund-Problem, wenn Ihr versteht, was ich meine. Das kleine Volk war nicht untätig und diese Stadt ist schließlich auch unser Zuhause. Diese Höllenköter sind nur so unangenehm magieresistent... Mylord, ich habe hier die ersten Berichte und es ist schon ziemlich spät am Tag." Wie von Geisterhand erscheinen dicke Pergamentrollen in den kleinen Koboldshänden, Dutzende von Zetteln, die wirr durcheinander, tintenfleckig und zerknittert sind, aber Pumquat scheint sich in ihrem Wirrwarr bestens zurechtzufinden. Olyvar wirft Arwen ein gequältes Lächeln zu. "Ihr seht, ich muss gehen. Pumquat, mein Skriptor, Lady Arwen, Priesterin der Anukis," stellt er vor, während er aufsteht und noch nach zwei Äpfeln aus dem Obstkorb in der Tischmitte angelt - nicht viel, aber sie würden genügen müssen, wer weiß, wann er wieder etwas Essbares zwischen die Zähne bekäme. "Mylady, Ihr entschuldigt uns." Ein letztes Nicken, ein Pfiff, der Grau an seine Seite bringt, dann verlässt er den Westflügel, den schnatternden Kobold auf seiner Schulter wie einen übereifrigen Papagei und eine Menge staubiger Pergamentfetzen vor der Brust.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Arwen am 20. Nov. 2005, 17:20 Uhr
Es kommt Arwen vor, als habe sie ihre Augen gerade erst geschlossen, als seien nicht mehr als ein oder zwei Herzschläge seitdem vergangen. Doch Rialinn an ihrer Seite ist wach, und ganz offensichtlich der festen Überzeugung, ihre Mutter müsse das dann jetzt auch sein. Sie rangelt so lange in den Decken herum, drängelt sich von einem Arm Arwens in den anderen, legt sich ihr schließlich auf den Bauch und sieht ihr so lange ins Gesicht, bis Arwen zögernd erst das eine und dann das andere Augen öffnet - und in das helle Licht des hohen Tages blinzelt wie eine Eule die jemand mittags aus dem Nest geworfen hat. Der hämmernde Zwergenclan in ihrem Kopf ist verschwunden. Das heißt allerdings nicht, dass dort nun Ruhe eingekehrt wäre, mitnichten, an seiner Stelle ist ein aufgescheuchter Hornissenschwarm eingezogen. Das Licht von draußen ist entschieden zu hell, bohrt sich wie kleine, spitze Nadeln durch die Augen in den Kopf und lässt das Dröhnen der Hornissen noch anschwellen. "Hmmm?... Umpf, Rialinn, das ist meine Lunge, in die du da grad dein Knie gräbst… Was ist denn los, mein kleiner Lieblingsquälgeist? Du bist wach? Das sehe ich. Ja, ich bin jetzt auch wach." Zumindest hab' ich die Augen auf, wach ist glaub' ich was anderes. Rialinns Stimme ist zwar längst nicht mehr so heiser wie gestern, aber wenn sie spricht, klingt noch immer Sandpapier darin mit.
So sehr Arwen es auch versucht, ihre Tochter will sich einfach nicht ablenken oder zu einer Wiederaufnahme der Ruhe überreden lassen. Außerdem beginnt sie zu quengeln, dass ihre Windel nass ist, dass sie Hunger hat, wo ihr Stoffdrache ist, warum Cassandra wieder weg ist und wo sie hier sind, und, und, und… Mit einem schicksalsergebenen Seufzen gibt Arwen jede Hoffnung noch ein wenig zu ruhen auf und schlägt die Decken zurück um aus dem Bett zu kommen. Kaum ist sie aus dem Bett und dabei, Rialinn von ihrer nassen Windel zu befreien, klopft es leise an der Tür und Feorna steckt den Kopf herein um zu schauen, ob die Elbin noch ruht oder schon auf ist. Mit einem schüchternen Morgengruß bringt sie einen Krug mit heißem Wasser zum Waschen. Und während Arwen noch dabei ist, erst Rialinn und dann sich selber zu waschen, huscht das Mädchen so leise wie eine Maus umher, richtet das Bett und reicht Arwen frische Windeln für Rialinn. Leise berichtet sie, dass Lady Kizumu noch ruhe, der Lord Commander aber schon auf und mit den Kindern im Badehaus sei und dass es nicht mehr lange dauern würde, bis das Mittagsmahl in der Halle aufgetragen würde. Dann ist sie wieder hinaus, genau so leise und verhuscht wie eine Maus. Nur wenig später folgt Arwen ihr mit einer frisch gewickelten, angezogenen, hungrigen und erschreckend ausgeschlafenen Rialinn. Die schmutzigen Sachen der Elbin hatte Cassandra noch in der Nacht mit sich genommen, dafür aber zwei kleine Bündel mit frischer Wäsche und Kleidern für Arwen und Rialinn da gelassen. Und so finden sich Mutter und Tochter gewandet in fein gesponnener dunkelbrauner Seidenwolle in der Halle ein: Rialinn mit einer Tunika über Windeln, Leibchen, Hemd und Hosen, und Arwen in einem schlichten weiten Kleid mit kupferfarbenen Borten, das von einem geflochtenen Ledergürtel gehalten wird.

Lange sind sie nicht alleine in der Halle, dann taucht ein junger Knappe auf, der sich als Mattis vorstellt und die Pagen beaufsichtigt, die das von Feorna bereits angekündigte Essen bringen und den Tisch aufdecken. Rialinn immer wieder davon abhaltend, die Teller oder andere Teile der Gedecke als Spielzeug zu zweckentfremden, lässt Arwen den Blick durch die Halle wandern. Die Wände sind in einem hellen orangegelb getüncht, dass in dem einfallenden Licht strahlt und leuchtet, als lache Shenrah persönlich durch die hochgesetzten Bogenfenster herein. Die hellen Steinfliesen auf dem Boden werden von kostbaren azurianischen Teppichen bedeckt, und seidene Teppiche aus Ceresdor schmücken die Wände. Das honigfarbene Holz der Truhen und Schränke zwischen den Fenstern schimmert im weichen Licht, das durch die Fenster einfällt und das flackernde Licht der zwei Kamine lässt die Möbel tanzende Schatten an die Wände werfen. Ich war noch nie hier, bei Kizumu und ihrem Mann wird Arwen bewusst Seit ihrer Hochzeit haben wir uns nicht mehr gesehen.
Nur kurz nach Mattis erscheint auch Olyvar in der Halle, auf jedem Arm ein Kind und vorweg einen noch feuchten arduner Wolfshund, der augenscheinlich ebenso in den Genuss eines Bades gekommen ist… und der nun zum Trocknen auf seinen Platz vor einem der Kamine geschickt wird. Der Gruß, den Arwen und Olyvar tauschen ist vorerst nicht mehr als ein stummes Nicken, denn während er das einhändige Kunststück vollbringen muss, jedes der Kinder in seinen Hochstuhl zu setzen, wird Arwen von Rialinn in Anspruch genommen, die ihre kleine Hände nach einer Schüssel mit honigsüßem Haferbrei ausstreckt - und dabei keine Rücksicht auf Teller, Gläser oder Körbe mit Brot nimmt. Aber der Lord Commander scheint mindestens ebenso hungrig zu sein wie die Kinder, denn sein Magen knurrt so laut, dass sich sogar der Hund vor dem Kamin davon angesprochen fühlt. Etwas, das Arwen ebenso lächeln lässt wie das entschuldigende Lächeln, das ihr entgegen blickt. >Ich habe seit gestern morgen nichts mehr gegessen - tut mir leid< Sie tauscht nur einen kurzen Blick mit Olyvar, geht es ihr selber doch nicht viel anders, was den Zeitpunkt der letzten Mahlzeit angeht. Doch vorerst gilt es drei hungrige Kinder zufrieden zu stellen, was dann auch den Jungen, Mattis, ebenso beschäftigt wie Olyvar und Arwen. Die sich nach jedem Löffel wieder aufsperrenden kleinen Münder sind eine mehr als eindeutige Aufforderung für sättigenden Nachschub zu sorgen.

>Wie fühlt Ihr Euch?< Wie ich mich fühle? Gute Frage… Abgesehen davon, dass ich vor Scham am liebsten im Boden versinken würde… müde, in meinem Kopf ist ein Dutzend Zwerge mit Spitzhacken in Gange, ich habe Hunger und kann nichts essen, weil mir speiübel ist… Keinen dieser Gedanken spricht sie aus. "Wie nennen die Heiler es noch immer? 'Den Umständen entsprechend'. Nichts, was ein paar Tage Ruhe nicht heilen könnten, denke ich." Eigentlich soll ein Lächeln ihre Worte begleiten, doch das Dröhnen in ihrem Kopf lässt daraus nicht mehr werden als ein Schatten, der um ihre Lippen spielt, während ein Löffel Haferbrei nach dem anderen in Rialinns Mund verschwindet.
>Ihr habt einen üblen Schlag auf den Kopf bekommen, Arwen< Eine freundliche Umschreibung dafür, dass Hochmut und Selbstüberschätzung vor dem Fall kommen, bei dem man dann auch noch so dämlich ist und sich den Kopf anschlägt dass einem die Sinne schwinden. Arwen hält den Blick gesenkt, so als sei das Füttern Rialinns die komplizierteste Angelegenheit der Welt, um keinen Preis Rohas würde sie dem Lord Commander jetzt in die Augen sehen wollen. Sie ist so in ihren Gedanken verfangen, dass sie die nächsten Worte erst gar nicht mitbekommt. >Euer Glück, dass Azra so klein und schmächtig ist. Borgils Frau…< Buchstabenweise sickert das Gesagte in ihr Denken vor, setzt sich zu Worten zusammen, zu einem Satz, ergibt einen Sinn. Das Begreifen trifft Arwen dann allerdings mit der selben Heftigkeit, als habe ihr jemand vor die Brust geschlagen. Mit einem scharfen Laut, halb Keuchen, halb Zischen, atmet Arwen aus, und muss einige bange Herzschläge lang darum ringen, ihre Lungen zu zwingen, ihren Dienst weiter zu versehen. Ein Gesicht taucht vor ihrem inneren Auge auf, eine kleine, zierliche Halbelbin, mit Haut so hell und durchscheinend wie Schneekristalle und ebenso weißen Haaren. Shebaruc! Kalt wie Eis pulsiert das Wort durch ihren Kopf und hinterlässt ein dröhnendes Echo. Während die Elbin darum ringt, die Fassung zu wahren, ist sie mitten in der Bewegung erstarrt, hängt der Löffel mit Haferbrei kurz vor Rialinns Mund mitten in der Luft und rührt sich keinen Sekhel mehr. Rialinn maunzt ungnädig, reckt den Hals, kommt trotzdem nicht an den Löffel heran, quengelt, protestiert, und beschließt dann, die Sache im wahrsten Sinne des Wortes selber in die Hand zu nehmen, streckt kurzerhand den Arm aus, greift nach Mamas Hand mit dem Löffel und zieht ihn zu sich heran, bis sie ihn mit dem Mund erreichen kann. Das reißt Arwen endlich aus ihrer Fassungslosigkeit, und sie merkt, dass sie anscheinend einiges von Olyvars Erklärungen nicht mitbekommen hat.
>…Schilama hat es entdeckt und mir gesagt - und wohl auch Borgil, denn der Zwerg ist zum Knochenacker abgerauscht wie ein tobendes Wollnashorn, obwohl er verwundet war, zusammen mit dem Sturmender, Raven und Cron von Tronje.< Schweigend hört Arwen Olyvar zu, füttert mechanisch nebenher Rialinn und ist bei den Worten erleichtert zu hören, dass Cron dann anscheinend bei Niniane gewesen ist, als es vorbei war. >Ich weiß wirklich nicht, ob Azras Shebarucblut sie anfällig für die Einflüsterungen des Dämons gemacht hat oder ob es schlicht jedem passieren hätte können, unter den Bann dieses... Dings zu geraten, aber ich habe sie in der Nacht danach, als alles vorbei war, in TianAnmen versorgt, und sie erinnert sich nicht an das Geringste mehr. Sie stand allerdings wegen Borgil auch ziemlich unter Schock, denn der Zwerg ist... er ist fast gestorben< Mit einem Ohr folgt Arwen dem Bericht des Lord Commanders über die Geschehnisse am und auf dem Marktplatz und dem, was der auf dem Sithechacker selber miterlebte oder von anderen berichtet bekommen hat, schwankt zwischen Bestürzung über die verletzungen ihrer Freunde udn der Erleichterung,d ass anscheinend dank der Hilfe der Weißen Dame alle es überleben werden. Der andere Teil ihrer Gedanken beschäftigt sich mit dem, was er ihr über Azra gesagt hat, dass nicht Arwen versagt hat, sondern dass Azra sie niedergeschlagen hat, dass Borgils Frau besessen gewesen sei, keine Schuld an dem trage, was sie tat. So recht will sich bei Arwen keine Erleichterung darüber einstellen, dass sie nicht aus Selbstüberschätzung versagt hat sondern angegriffen wurde.

Es war leichtsinnig, die Schutzzauber fallen zu lassen, um alle Kraft in das magische Netz zu legen. In Arwen tobt ein heftiger Disput. Da ist eine Stimme die ihr sträflichen Leichtsinn vorwirft, dass sie nicht stärkere Schutzzauber um sich gelegt hat, dann wäre das nicht passiert, wäre sie nicht niedergeschlagen worden, hätten Morgana und Eade nicht ihren Anteil an dem magischen Netz zusätzlich aufrechterhalten müssen, etwas, das die beiden über die Maßen erschöpft haben muss. Irgendetwas sagt Arwen, dass Eade nicht starb, weil er versagt hat, oder gar den Versuchungen der Schatten unterlag, sondern dass er, gerade erst zum Priester geweiht, Kräfte rufen und freisetzen musste, die er nicht kannte, und die zu beherrschen seinen Körper auch noch den letzten Funken Lebenskraft kostete. Wenn du mehr Kraft auf deinen eigenen Schutz verwendet hättest, dann wären es drei Priester gewesen, die das Netz gewoben und gehalten hätten. Er hätte nicht einen Teil deines Netzes ersetzen, er hätte vielleicht nicht sterben müssen Eine andere Stimme hält dagegen, dass alles Hätte-Wäre-Wenn-Vielleicht sinnlose Grübelei ist. Niemand außer den Göttern könne sagen, was passiert wäre, wenn Arwen anders gehandelt hätte. Niemand kenne die Pläne der Götter, man kann nur versuchen seinen Platz und seine Aufgabe zu erfüllen so gut es eben geht. Mit dem Tod Eades zu hadern heiße den Ratschluss der Götter anzuzweifeln. Oder woher wolle Arwen denn wissen, dass Eade von den Göttern nicht genau für diese Aufgabe geschickt wurde, um den Dämon zu vernichten und Mordrens Sohn den Kreisen der Unterwelt zu entreißen? Mordrens Sohn… ob er es überlebt hat? Mordren… Shebaruc… Was Azra tat, hat vielleicht etwas mit dem Erbe ihres Blutes zu tun, aber die Shebaruc sind den Verlockungen des Dunklen schon auf den Tiansidha erlegen, Wie könnte gerade ich ihr den Fluch eines Erbes vorwerfen, das im Blut liegt, ein Erbe, das sich niemand aussuchen kann, und dem man sich nicht entziehen kann. Was auch immer es ist, das der Dämon in ihr geweckt hat um sie unter seinen Bann zu ziehen, es muss tief in ihr verborgen sein. Damals, in der Sithechnacht in der Harfe, als Borgil mich wegen Phelan hatte rufen lassen, da war sie bei ihm. Und ich habe nicht den geringsten Hauch von Dunkelheit oder Bösem an ihr spüren können. Es schien, als teile sie zwar das Aussehen der Shebaruc, aber nicht deren Freude im Dienst am Dunklen. Und sie ist nur zur Hälfte eine Blutelbe…. Wenn selbst Mordren, der Erste Jäger und Erwählte Nimrods unter die Schatten fiel, wie kann man dann einer kleinen Halb-Shebaruc vorwerfen, dass ein Dämonenprinz Macht über sie erlangte? Und wenn Olyvar sie in TianAnmen versorgt hat, kann was immer es auch ist nicht in ihrem Selbst liegen, denn nach allem was man erzählt, kann nichts Böses das Haus der Weißen Dame betreten. Olyvar ist mit seinem Bericht unterdessen bei der Versorgung der Verletzten angekommen, wie er Niniane, Morgana und Borgil nach TianAnmen hat bringen lassen, weil er nur dort Hoffnung sah, das Leben der Halbelbin und das des Zwerges zu retten. Und dass sie in der Gruft, aus der Cron Niniane geholt hatte noch eine Frau, eine Wasserfee, und einen Halbelben gefunden hätten. "Eade. Der vierte Priester hieß Eade und stand im Dienste Amurs. Er hatte seine Weihen gerade erst erhalten." Die Erinnerung an das Gesicht des Asrai, als der ihnen seine Hilfe angeboten hatte, den Blick seiner Augen, in dem klar zu lesen gestanden hatte, dass er um das Risiko für sich und sein Leben wusste und es trotzdem eingehen würde. Hat er es gewusst? Hat er gewusst, dass sein Leben der Preis sein würde? Hat er es gewusst und ist den Weg trotzdem gegangen?

>… aber wenn Ihr nicht gewesen wärt, Ihr und Morgana und der tote Priester und Lady Niniane, die den Dämon wohl zur Strecke gebracht hat..< Ruckartig hebt Arwen den Kopf. Er weiß es nicht! wird ihr schlagartig klar, und die Erleichterung, dass die Verluste an Leben wohl doch nicht so hoch sind wie befürchtet, und dass auch der Schaden an der Stadt sich wohl als behebbarer herausstellen wird als irgendwer zu hoffen gewagt hat, ist von einem Augenblick auf den anderen verflogen.  Er weiß nicht, dass es nicht einfach ein tobender Dämon gewesen ist, sondern ein halbelbischer Dämonenprinz. Er weiß weder, dass Niniane ihn nicht getötet, sondern ihn exorziert hat, noch weiß er, wer der Halbelb ist, den sie aus der Gruft geholt haben, dass er der Dämon war, bis Niniane… Götter im Himmel!... Er ist der Lord Commander, er muss es erfahren, er hat ein Recht es zu erfahren. Morgana und Niniane, sind die einzigen außer der Asrai und mir, die von dem Exorzismus wissen, nur Niniane und ich wissen, wer dieser blinde Seher, wer dieser Sethai ist, und sie waren noch nicht in der Lage es ihm zu sagen. Aber wie, Himmel, wie? Wie sagt man das, wie erklärt man so etwas? Götter, helft mir einen Weg zu finden… Der Dank, den er ausspricht wird von einem melancholischen Lächeln begleitet, und Arwen nimmt ihn schweigend und mit einem zögernden Lächeln entgegen. Zum einen ist ihr der Dank unangenehm, immerhin hat sie ihrer Meinung nach nicht mehr geleistet, als sich von einem Shebaruc-Mischling der ihr nicht einmal bis zur Schulter reicht niederschlagen zu lassen - Besessenheit hin oder her - und zum anderen sind ihre Gedanken noch zu sehr damit beschäftigt, die richtigen Worte zu finden, um Olyvar zu erklären, was Niniane dort in der Gruft vollbracht hat und dass sich der exorzierte Halbelb vermutlich hier in Talyra bei seiner Gefährtin, der Wasserfee Liade befindet. Dass ihr die Wahl der Worte so schwer fällt liegt nicht an der Person des Lord Commanders, oder daran, dass sie befürchtet, er könne anschließend losgehen um den Seher an der höchsten Zinne der Steinfaust aufknüpfen und anschließend verbrennen um sicher zu gehen, dass der Dämon in ihm auch wirklich vernichtet ist. So schätzt sie ihn zumindest nicht ein.

Arwen ringt noch immer mit sich um die rechten Worte, um das Wie des Erklärens, während Olyvar sich nach dem Füttern seines Sohnes längst den Forderungen seines eigenen Magens nach Sättigung nachkommt. Die Geste, mit der er sich über das Gesicht fährt, will nicht zu der Bemerkung passen, er habe schon zu lange geschlafen, vielmehr wirkt er, als bräuchte er noch den einen oder andern Tag Schlaf. Aber Arwen kann ihn verstehen, seine Männer sind da draußen, mindestens ebenso müde und hungrig, und sein Pflichtgefühl ruft ihn an ihre Seite. Das ist es, was seine Männer ihm bedingungslos folgen lässt, so wie damals gegen die Narge: Er verlangt nichts von ihnen, was er nicht selber genauso zu leisten bereit ist. Sie will gerade mit einer Erklärung ansetzen, als er schon weiterredet, ihr anbietet, als sein und Kizumus Gast zu bleiben so lange sie möchte oder ihr Kopf es erforderlich macht, oder auch nach hause zurückzukehren, seinen Knappen könne sie dann nach einem Wagen schicken. "Ich danke euch für eure Gastfreundschaft, Olyvar, aber ich werde nach Vinyamar zurückkehren. Und ehe ihr Mattis jetzt losschickt, ich brauche keinen Wagen, Ullmar wird nachher kommen und mich holen." Rialinn ist satt und döst sich zufrieden im Schoß ihrer Mutter weg. Die Übelkeit ist verklungen, und in der Hoffnung, dass das so bleibt, nimmt Arwen sich etwas von dem gebratenen Fleisch, glasierte Möhren und etwas Brot. Aber sie isst noch nicht, sondern setzt erneut an, um Olyvar zu erklären, was da über Talyra gekommen war, ehe nach seinem eiligen Mahl aufbricht. "Dieser Dämon, Olyvar, er-" Weiter kommt sie nicht. Anscheinend sind die Götter dagegen, dass sie dem Lord Commander Einzelheiten berichtet, denn wie aus dem Nichts erscheint ein aschestaubiger Kobold über der Schulter Olyvars und lässt den zusammenfahren. Mit einem nur halb verborgenen Schmunzeln lauscht Arwen dem nachfolgenden Wortgeplänkel der beiden, neigt grüßend den Kopf in Pumquats Richtung, und kann dann nur noch dem Lord Commander hinterher schauen, der samt Kobold, Hund und zweier Äpfel die Halle verlässt. Du solltest seinem Beispiel folgen, Arwen, und sehen, dass du nach hause kommst. Wer weiß, wie es auf Vinyamar aussieht, Cassandra hat es gestern tunlichst vermieden auch nur eine deiner Fragen danach zu beantworten.

Arwen ist noch nicht lange mit dem Essen fertig, und der Tisch ist noch nicht ganz wieder abgeräumt, als Ullmar dann wie verabredet erscheint. Rasch sind die Bündel mit ihren Sachen wieder verschnürt, Rialinn in eine warme Decke gehüllt. Und Arwen legt ihren Mantel an. Das Schwert in seinem Gurt auf dem Rücken fühlt sich über dem Kleid ungewohnt an, aber wenn sie Rialinn selber auf dem Arm tragen will (und laufen lassen wird sie ihre hochgradig neugierige Tochter hier in der Steinfaust bestimmt nicht) bleibt ihr keine andere Wahl, als den Waffengurt anzulegen, denn aus der Hand wird sie Virincala gewiss nicht geben. Kizumu ruht noch immer, und so trägt sie Feorna Grüße für die Elbin auf, Grüße und ihren Dank, dass Kizumu sich um sie gekümmert und sie in ihre Gemächer geholt hat, verbunden mit der Einladung, sie doch bei Gelegenheit auf Vinyamar zu besuchen, sofern ihr Arwen nicht mit einem Besuch hier im Westflügel zuvorkomme.
Und dann verlässt sie den Westflügel, vorbei an den Wachen vor dem Solar des Lord Commanders, durch Gänge in denen die Fackeln in ihren Halterungen in der frühherbstlichen Luft flackern, über schier endlose Treppen, bis hinaus in den Inneren Zwinger. Bei dem Bild das sich Arwen dort bietet, fühl sie sich, wie durch die Zeit zurück katapultiert. Erst einmal ist sie zuvor hier in der Steinfaust gewesen, an dem Tag, als der Heerbann von seinem Zug gegen die Narge zurückkehrte und sie Falcons Leichnam geholt hatte. Damals hatte das gleiche geordnete Chaos geherrscht wie jetzt. Und dort, wo damals der Karren mit dem toten Körper des Templers gestanden hatte, im Schatten des Wehrganges, hat nun Ullmar den Wagen mit der kleinen Stute davor abgestellt. Für einen Moment verharrt Arwen mitten im Schritt und muss die Augen schließen um ihre taumelnden Gedanken einzusammeln und sich wieder zu fangen. Und dann ist der Moment vorbei, sind die flackernden Fackeln verschwunden und von hellem Sonnenlicht abgelöst. Ullmar hilft ihr auf den Wagen, besteht darauf, ihr eine warme Decke über zu legen, setzt sich schweigsam wie immer neben sie und greift nach den Zügeln. Ein leises Schnalzen, die Stute setzt sich in Bewegung und der Wagen passiert erst das Tor zum Inneren Zwingern, überquert den Äußeren Zwinger mit den überall herum eilenden Mägden, Knechten, Blaumänteln, Kämmerern, Knappen, Pagen und Botenkindern und verlässt dann die Steinfaust endgültig.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 24. Apr. 2006, 23:13 Uhr
In einer Nacht irgendwann gegen Ende des Winters


Als Olyvar im Westflügel der Steinfaust ankommt, ist es bereits weit nach Mitternacht und jeder angenehme Weindunst hat sich längst wieder aus seinen Gedanken verflüchtigt... Nachdem er sich von Kaney vor der Harfe verabschiedet hatte und zum Hafen geeilt war, war er gerade noch rechtzeitig in der Hafenmeisterei erschienen, um Landunter vor dem Feierabend zu erwischen. In den folgenden vier Stunden war er bewaffnet mit einer Laterne, zwei eilig von der Kaimauer geholten, halbbetrunkenen Schauerleuten und einem Hafenmeister, dessen gesamter Wortschatz aus einem vagen "Hmph" zu bestehen scheint, durch ein zugiges Lagerhaus gekrochen und hatte Dutzende von Fässern, Ballen, Truhen, Schließkörben und Kisten geöffnet auf der Suche nach Irgendetwas, das ihm ein wenig mehr über Uumas geheimnisvolle Entführer verraten könnte. Gefunden hatte er rein gar nichts. Oh, die Waren an sich waren alle in einwandfreiem Zustand und teilweise ein wirklich guter Fang für Talyra... nur leider war absolut nichts darunter, das irgendwie aufschlußreich gewesen wäre: Zwei Dutzend Ballen Baumwolle, eine Menge kostbarer Gewürze aus den Südlanden, Tee und Cofea, ein paar kreischende Schädeläffchen in verschmutzten Käfigen und derlei mehr - nichts, das ein gewöhnliches Handelsschiff nicht auch geladen hätte, und alle absolut neutral verpackt. Olyvar hatte kein einziges verräterisches Siegel mehr gefunden, von Frachtpapieren ganz zu schweigen oder sonst etwas, das ihm verraten hätte, von welchem Handelsschiff was geraubt worden war oder aus welchem Hafen welche Fracht stammen könnte.

Er ist so in Gedanken versunken, dass er die wachsamen, angespannten Blicke der Wachen auf den Treppen zum Westflügel hinauf nicht einmal bemerkt, geschweige denn die verräterische Unruhe, die wie das warnende Grollen eines heraufziehenden Gewitters im Gang zu seinem Zuhause in der Luft zittert. Erst als er die Tür zur Halle öffnet, seine Stiefel im Vorraum auszieht, seinen Umhang ablegt und eintritt, fällt ihm auf, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt. Es ist mitten in der Nacht und die Große Halle des Westflügels ist nicht nur erhellt, sondern illuminiert... Es brennt nicht nur eine Kerze, sondern alle, und auf dem breiten Tisch vor dem Großen Kamin stapeln sich Gepäckstücke, Satteltaschen und Kleiderbündel. Sefra reißt mitten in der Nacht ab? Ist sein erster und gelinde gesagt ziemlich verwunderter Gedanke. Dann sieht er, dass es zwei Gepäckstapel sind, erkennt ein Paar der Satteltaschen als die seiner Frau, sieht ihr Schwert, ihren Umhang... und eine Gänsehaut kriecht ihm über Nacken und Schultern. Nein. Das tut sie nicht.
"Was..."
Eine Tür klappt und Feorna kommt in die Halle, bleich wie geronnene Milch, die Augen verquollen und rotgeweint, hinter ihr Mattis mit einem ähnlich verzweifelten Gesichtsausdruck. Sie stockt kurz, als sie Olyvar sieht, doch dann eilt sie auf ihn zu, seinen Knappen, der in diesem Augenblick frappierende Ähnlichkeit mit einem verschreckten Karnickel hat, noch immer im Schlepptau, und stammelt völlig unzusammenhängende Wortfetzen hervor. Ihr Anblick ist der Schock den er braucht, um in der Wirklichkeit anzukommen, und im nächsten Moment schüttelt er die arme Magd, dass ihr die Zähne klappern.

"Was zur Hölle geht hier vor? Wo ist Kizumu? Ist etwas mit den Kindern?" Feorna schüttelt wild den Kopf und windet sich so lange heulend und schniefend und mit schmerzverzerrtem Gesicht, bis Mattis ihm schluckend in den Arm fällt und stammelt: "M'lord, bitte! Sie packt."
"Wer packt?"
"Die La... Eure Frau, M'lord. Sie geht mit ihrer Schwester. Da war ein Bote, er kam am frühen Abend. Er hat eine Nachricht für sie gebracht, aber ich weiß nicht, was darin stand. Dann hat es angefangen..." er macht eine vage Geste, die den gesamten Gepäckstapel auf dem Tisch einschließt. "Wir hatten Euch einen Botenjungen in die Harfe geschickt, aber dort wart Ihr nicht und niemand wusste, wo Ihr seid, M'lord."
"Wo ist Sefra? Im Stall bei den Pferden sagst du? Gut. Mattis, nimm Feorna und bring sie hinaus. Geht in mein Solar und bleibt dort." Er muss nicht fragen, wo Kizumu ist, er weiß es. Einen Moment lang starrt er aus Augen so blank wie Silber auf die Tür an der Stirnseite der Halle, die durch einen kurzen Gang mit ein paar Steinstufen hinauf in ihr Schlafgemach führt, dann wendet er sich nach rechts. Er findet Kizumu in Connavars Zimmer, reisefertig, das Haar zu einem strengen Zopf gebunden. Sein Sohn schläft tief und fest in seinem Bettchen und sie starrt aus brennenden Augen auf ihn hinab. Olyvar bleibt im Türrahmen stehen und sagt lange Zeit kein einziges Wort. In ihm ist nichts, kein Schmerz, kein Wut, keine Trauer, nicht einmal grausame Verwirrung - gar nichts, nur eine Art leeres, hohles Summen. "Du gehst."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 26. Apr. 2006, 16:40 Uhr
Ihr Blick ruht auf Conns friedlichem Kleinkindgesicht, während ihre Gedanken sich in wilden Kreisen jagen und ein großer Kloß sich in ihrem Hals ausbreitet. Sie hatten die Betten der Kinder bereits vor einigen Wochen in ihre Zimmer gebracht und jetzt stand sie hier, um sich, vielleicht für immer, von ihnen zu verabschieden. Die Kinder waren in den letzten Wochen wieder um etliches gewachsen, hatten so viel Neues gelernt und es zerreißt ihr das Herz, fortzugehen. Damals auf der Liedbergreise hast du Ierás auch allein gelassen, er war nicht wirklich älter als die beiden es jetzt sind... Aber sie konnte unmöglich beide Kinder auf eine so weite, beschwerliche Reise mitnehmen wie sie ihr jetzt bevorstand.
Der Bote am frühen Abend hatte Sefra und sie in hecktische Aufruhr versetzt. >Kommt.< hatte in der Botschaft gestanden, nicht mehr als dieses eine Wort und es war die Handschrift ihrer Mutter gewesen. [/i]Woher wusste sie, wohin sie den Boten schicken musste?[/i] Ihr Sohn öffnet die zu Fäusten geballten Hände und die Tränen steigen ihr ein weiteres Mal in die Augen. Olyvar, komm endlich, bitte.
Sie waren schon seit beinahe zwei Stunden fertig, aber zu gehen, ohne Olyvar die Dinge irgendwie zu erklären, ohne ihn noch einmal zu sehen, zu sprechen, brachte sie einfach nicht übers Herz. Er wird mich so schon hassen.. ich lasse ihn im Stich.. ihr Götter, warum? Kizumu ahnt, dass es ihrem Mann nicht möglich sein würde, mit ihr zu kommen, er hatte mit der Steinfaust, dem Stadtrat und seinen Plänen für die Stadtgarde genug zu tun. Die Elbin ballt die Hände zu Fäusten, während sie versucht, wie schon bei Fianryn zuvor, sich jede Einzelheit des kleinen Gesichtes genau einzuprägen.

>Du gehst.< Sie hatte ihn hereinkommen gehört und doch trifft sie der Klang seiner Stimme bis ins Mark. Die Elbin hat die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen und versucht krampfhaft, Luft zu holen. Schließlich, nach einem letzten, verzweifelten Blick auf ihren Sohn dreht sie sich zu ihrem Mann um. Sie versucht gar nicht erst zu lächeln oder zu leugnen, die Taschen draußen in der Halle sprachen eine zu deutliche Sprache. Und das nach den letzten Wochen... Seine Augen sind hell und er verzieht keine Miene, als er ihren Blick beinahe kühl erwidert. "Olyvar..." Kizumu bricht ab, die Tränen klingen noch in ihrer Stimme mit und anstatt fortzufahren, reicht sie ihm das weitgereiste Pergament. "Meine Mutter..." Er wirft einen raschen Blick auf die Botschaft, dann findet sein Blick den ihren und Kizumus Knie geben unter ihrem Gewicht nach. Sie setzt sich hastig direkt ins Bodenstroh, weil sie befürchtet sonst einfach aus den Stiefeln zu kippen. "Olyvar.. ich.. Der Bote kam heute Abend, ich weiß nicht einmal woher sie weiß wo Sefra und ich zu finden sind, aber es kann nur dringend sein wenn sie...Wir müssen zurück, zum Riathar. Rasch." Ihr Blick sucht den ihres Mannes und sie weiß selbst, wie flehend ihr Blick ist. Himmel, verzeih mir, bitte... Ich weiß nicht was ich tun soll.. Hilf mir.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 26. Apr. 2006, 17:57 Uhr
Kizumu zuckt ein wenig zusammen, als er sie anspricht - aber ob sie erschrocken ist oder ob es sein Tonfall ist, der sie schaudern lässt, kann er beim besten Willen nicht sagen. Sie sieht allerdings nicht aus wie eine Frau, die mit kühler Logik beschlossen hat, ihren Mann und ihre Kinder zu verlassen und auch nicht wie eine, der vor lauter Verzweiflung nichts anderes übrig bleibt... obwohl sie unleugbar ziemlich durcheinander zu sein scheint - durcheinander, ratlos, aufgewühlt, traurig und wütend zugleich. >Olyvar...< beginnt sie fahrig, mit der gehetzten Ungeduld von jemandem, der etwas erklären muss, aber einfach nicht weiß wie und eigentlich auch überhaupt keine Zeit für lange Erklärungen hat. Dann reicht sie ihm statt weiterer Worte ein Stück feines, buttergelbes Pergament. >Meine Mutter...< Olyvar starrt auf die Nachricht in seinen Händen und weiß nicht, was er sagen soll. Kommt. Das ist alles, was dort steht, in einer geschwungenen, schnörkellos eleganten Schrift, nicht mehr und nicht weniger, nur dieses einzige Wort. Das ist nicht wahr. Das kann nicht wahr sein... Er liest es wieder und wieder, aber es erklärt nichts - und Olyvar fragt sich unablässig, wie bei allen Höllen er nur in diesem Alptraum landen konnte. Gestern war sein Leben noch in Ordnung... gut, nicht wirklich in Ordnung, aber immerhin war es noch sein Leben. Jetzt scheint es einem anderen zu gehören, nichts mehr passt zueinander, alles ist kalt und fremd. Nach einer halben Ewigkeit gelingt es ihm schließlich, seine Augen von den fünf Buchstaben aus rostroter Tinte wieder loszureißen, doch kaum sieht er Kizumu an, setzt sie sich so rasch, als wäre ihr plötzlich schwindlig. >Olyvar.. ich.. Der Bote kam heute Abend, ich weiß nicht einmal woher sie weiß wo Sefra und ich zu finden sind, aber es kann nur dringend sein wenn sie...Wir müssen zurück, zum Riathar. Rasch.<

Sie hat offenbar ebenso wenig Ahnung wie er, was es mit diesem mütterlichen Befehl... Kommt... auf sich hat, aber dennoch wirkt er so stark, dass sie bereit ist, alles deswegen aufzugeben - ihr Leben, ihr Zuhause, ihre Freunde, ihn und ihre Ehe, ihre eigenen Kinder, gerade sechzehn Monde alt. Götter... Ihm mag zwar im letzten Zwölfmond bewusst geworden sein, dass er seine eigene Frau eigentlich überhaupt nicht kennt, aber er weiß zumindest, dass ihr das niemals leicht fallen kann, dass sie das niemals leichtfertig tun würde... und dass sie ihre Entscheidung bereits getroffen hat. Dennoch weigert sich sein Verstand im ersten Moment, es zu glauben. Er sollte irgendetwas empfinden... Wut, Schrecken, Angst oder zumindest Trauer, aber in seinem Inneren ist nur ein langer, dunkler, dumpfer Ton, der an und abschwillt wie das Heulen des Windes, der nachts um die Mauern der Festung singt. Sie geht. Riathar. Riathar. Ihre Heimat. Tausende Meilen entfernt. Ihre Mutter ruft, und sie... verlässt ihre Kinder. Verlässt mich. Sie sieht ihn immer noch an, ihre Augen tränenverschleiert und voll stummen Flehens... einen Moment lang erwidert er ihren Blick, dann schüttelt er langsam, als koste ihn diese eine kleine Bewegung alle Kraft, den Kopf. "Wenn du das nicht weißt, Kizumu, dann frag nicht mich was du tun sollst." Sie presst ihre Lippen so fest aufeinander, dass ihr Mund nur noch einem dünnen, blutleeren Strich gleicht. "Wenn du gehen musst, dann geh... aber mach mir nichts vor. Und mach dir selbst nichts vor. Der Feuerberg ist so..." er holt ein wenig zittrig Luft, "so weit fort. Wir wissen beide, dass es in den Sternen steht, ob du je zurückkommst, also... lass uns... uns ehrlich zueinander sein."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Sefra am 26. Apr. 2006, 19:17 Uhr
In den vergangenen Mondläufen, die Sefra im Westflügel der Steinfaust bei ihrer Schwester verbracht hatte, konnte sie miterleben, wie die beiden Kleinen heranwuchsen, die scheinbar Tag für Tag ein Stückchen mehr an Substanz gewannen, immer mehr gelernt und alle somit in Erstaunen und Begeisterung versetzt hatten. Doch genauso wurde ihr auch Tag für Tag immer wieder bewusster, dass sie eigene Kinder hatte, die ebenso wie ihr Gemahl warscheinlich zu Hause sehnsüchtig auf sie warteten. Schon über zwei Zwölfmonde. Dazu würde es sogar noch einige Zeit dauern, bis sie endlich wieder zu Hause angelangt ist.
Vor einigen Abenden hatte sie es Kizumu schließlich bei ihrem gemeinschaftlichen Abendessen erklärt, dass es für Zeit wäre, nach Riathar zurückzukehren. Der Winter war endlich vorbei und somit das Reisen sehr viel angenehmer, als wenn sie gegen Schnee und Kälte ankämpfen hätte müssen. Die allgemeine Stimmung war - selbstredend - bedrückt. Sefra hatte gern diese Zeit in Talyra verbracht und auch ihre Schwester und Olyvar hatten sie ebenso gerne als Gast aufgenommen. Kizumu saß den Rest des Abends nachdenklich da und hatte von ihrem Teller kaum mehr etwas angerührt. Ähnlich wie am Abend der Ankunft, hatten die beiden Schwestern vor dem Kaminfeuer gehockt, lange geredet aber auch genauso lange geschwiegen.
Auch Sefra hatte sich schlecht dabei gefühlt, tut es auch noch immer, aber nun hatte sie es ausgesprochen - es war schlecht wieder rückgängig zu machen - und in ihrem Inneren weiss sie genau, dass es das richtige ist. Am liebsten hätte die Elbin ihrer Schwester den Vorschlag gemacht, sie zum Feuerberg zu begleiten, aber dafür sind die Kinder zu klein und sie kann gut verstehen, dass Shunjalinn sich nicht von Olyvar trennen kann - will. Genauso aber auch hatte Kizumu nicht den Versuch angestellt - obschon es ihr sicherlich auf den Lippen lag - , sie für einen noch längeren Aufenthalt zu überreden. Sie kennt Sefras Familienliebe dafür zu gut und den Drang so oft wie möglich mit Familie und Freunden zusammen zu sein.

Und dann kam der Brief. Kizumu zeigte diesen ihrer Schwester sofort. Mit einem bloßen aber genauso alarmierenden Kommt wurden sie beide zum Riathar zurückgerufen.
Oh Götter... was ist bloß geschehen? Sefra wurde von Panik ergriffen. Was? ...Wer? Sie traute sich kaum diese Fragen zuende zu denken.
Für beide Schwestern war sofort klar, dass eine Reise zwingend ist und sie unverzüglich aufbrechen sollten. Doch sie konnte der jüngeren ansehen, sie konnte es gerade zu spüren, wie sehr sie mit sich haderte, obwohl sie bereits dabei war zu packen, während Sefra noch mit dem Pergament in der Hand in der Tür stand.
>Willst Du nicht ersteinmal mit Olyvar darüber sprechen, Sylla? Du solltest nicht gehen, ohne Dich von ihm zu verabschieden...<
Es war überflüssig gewesen, dies zu erwähnen. Natürlich geht man nicht einfach, ohne ein Abschiedswort. Ohne ein letztes Wort, ein letztes Mal sich in die Augen blicken, einen letzten Kuss....

Nun, einige Stunden später, steht die Elbin im Stall und säuberte beide Pferde, Prins und Sanjar, muss sich den neugierigen, schnüffelnden und an den Haarspitzen knabbernden Mäulern erwehren, während sie noch einmal mit der Bürste über das Fell streicht, obschon es längst sauber ist und die Gefahr besteht, dass bald nur noch nackte Tiere vor ihr stehen. Sie hat mitbekommen, wie ihr Schwager die Richtung zum Westflügel eingeschlagen hatte. Sie will beiden Zeit für sich geben, die sie beide so nötig brauchen.
Langsamer als nötig trägt sie die Sättel und das Zaumzeug beider Pferde nacheinander herbei und macht sich mit aller Geduld und Ruhe daran, die Tiere zu satteln und zu zäumen, was trotzdem viel zu schnell geht. Seufzend überprüft sie nocheinmal ganz sorgfältig die Schnallen, Schlaufen und den Sitz der Riemen. Damit versucht sie nicht nur Zeit zu schinden, sondern sich auch von der quälenden Frage abzulenken.


Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 26. Apr. 2006, 21:06 Uhr
Er steht noch immer nur wenige Schritte von ihr entfernt und doch ist er ihr ein weiteres Mal unglaublich fern. Sie versucht nicht, irgendetwas von seinen Gefühlen aufzufangen, dass hatte sie früher schon versucht und es hatte nie funktioniert. So kann sie auch sein Kopfschütteln zuerst nicht deuten, doch dann fügt er mit leiser, etwas tonloser Stimme hinzu: >Wenn du das nicht weißt, Kizumu, dann frag nicht mich was du tun sollst.< Seine Worte fühlen sich wie Faustschläge an. Sie hatte Wut, Verzweiflung, Trauer, irgendetwas von all dem, was sie im Moment fühlt, erwartet, aber Olyvar scheint nichts dergleichen zu empfinden. und wenn, verbirgt er es wieder einmal vor mir.. Sie presst die Lippen aufeinander, schmerzhaft fest, aber der Schmerz ist ein guter Anker für ihre sich jagenden Gedanken. >Wenn du gehen musst, dann geh... aber mach mir nichts vor. Und mach dir selbst nichts vor. Der Feuerberg ist so..." er holt ein wenig zittrig Luft, "so weit fort. Wir wissen beide, dass es in den Sternen steht, ob du je zurückkommst, also... lass uns... uns ehrlich zueinander sein.< Die Elbin runzelt die Stirn, als verstünde sie nichts. Olyvar macht einen Schritt auf sie zu, bleibt dann aber erneut stehen und Kizumu findet irgendwie die Kraft, aufzustehen.

"Ehrlich zueinander?" Sie streicht sich eine Strähne hinter die Ohren und blickt dabei auf Conns friedliches Gesicht herunter. So ehrlich, uns einzugestehen, dass wir uns lieben, aber als Ehepaar völlig versagt haben? Oder das es mich umbringen wird, so lange von dir und den Kindern getrennt zu sein? "Ich liebe dich. Das ist und bleibt die Wahrheit, die einzige die ich wirklich kenne. Aber... das bringt uns hier auch nicht weiter, fürchte ich." Sie seufzt, zupft die Decke über ihrem Sohn zurecht und blickt dann wieder zu Olyvar auf. "Ich weiß nicht, weswegen Mutter uns ruft. Ich weiß nicht, was uns auf der Reise und schließlich am Riathar erwarten wird. Ich weiß.. ich weiß nicht, ob ich dich, Conn, Fian und Ierás je wieder sehen werde.. ich weiß nicht einmal ob ich das, was ich dir versprochen habe, werde halten können.. ich meine.." Sie bricht ab, plötzlich sprachlos und die eiskalte Faust in ihrem Magen nimmt ihr einen Augenblick lang den Atem. "Ich kann.. ich kann nicht von dir verlangen, dass du.. dass du dein Ehegelüb.. Gott mir ist schlecht." Kizumu schließt die Augen, wischt sich mit der Rechten, an der noch immer der Yalarisring steckt, über die Augen und hält sich nur mit Müh und Not auf den Beinen. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen und nur wenig getrunken und das macht sich jetzt, nebst der Aufregung, bemerkbar. Götter, Olyvar.. schweig mich nicht so an.. fluche, schreie, verbiete mir zu gehen.. mach mich wütend auf dich, damit es mir jetzt, für diesen Augenblick leichter fällt, dich so zu verraten... Jetzt steigen ihr endgültig die Tränen in die Augen und sie hat nicht mehr die Kraft, sie aufzuhalten. Ihre Wangen brennen, ebenso ihre Augen und sie ballt verzweifelt die Hände zu Fäusten.
"Ich.. wenn du es verlangst.." Ich kann das nicht.. ich kanns einfach nicht... "Olyvar.." Ihre Stimme klingt flehend und da wo einmal ihr Herz gewesen sein muss ist nichts mehr, als ein großer, blutroter Klumpen. "Ich kann dir nichts versprechen, so.. so sehr ich es mir auch wünsche.. ich wünschte, ich wäre dir eine bessere Frau gewesen..."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 26. Apr. 2006, 22:05 Uhr
>Ich liebe dich. Das ist und bleibt die Wahrheit, die einzige die ich wirklich kenne. Aber... das bringt uns hier auch nicht weiter, fürchte ich.<
"Ich weiß. Und du weißt, dass ich dich liebe, ich habe es immer getan. Aber Liebe war noch nie unser Problem," er hätte gern gelächelt, aber seine Mundwinkel sind so erstarrt wie sein Herz, seine Seele und der ganze Rest von ihm. "Und die größte Liebe hilft einem nicht weiter, wenn man einfach nicht... einfach nicht... miteinander leben kann, weil man..." er zuckt mit den Schultern und spricht nicht weiter. Tausend Worte hätten nicht ausgereicht, um das zu sagen, was er in seinem Inneren weiß. Alles an diesem Gespräch fühlt sich falsch an, auf entsetzliche Art und Weise nicht richtig, verdreht und ist so bitter... doch ein Zurück gibt es nicht, und es ist sehr wahrscheinlich ihre letzte, ihre einzige Gelegenheit. Kizumu ist bleich und unruhig, steht jetzt wieder neben dem Kinderbett und zupft fahrig Conns Decke zurecht. >Ich weiß nicht, weswegen Mutter uns ruft. Ich weiß nicht, was uns auf der Reise und schließlich am Riathar erwarten wird. Ich weiß.. ich weiß nicht, ob ich dich, Conn, Fian und Ierás je wieder sehen werde.. ich weiß nicht einmal ob ich das, was ich dir versprochen habe, werde halten können.. ich meine...< fährt sie leise fort, dann stockt ihr einen Moment lang der Atem. >Ich kann.. ich kann nicht von dir verlangen, dass du.. dass du dein Ehegelüb...<
Olyvar hebt die Hand, wie um ihr Einhalt zu gebieten. "Sag es nicht." Sie tut es auch nicht, stattdessen murmelt sie: >Gott, mir ist schlecht.< - und er hätte am liebsten geantwortet: Mir auch.

Eine ganze Weile ist außer ihrer beider rauhem Atem und Conns friedlich säuselndem Luftholen nichts zu hören... Olyvar sieht sie nur an, sieht ihren Schmerz, ihre Bitternis, aber auch ihre Entschlossenheit zu Gehen, ihr Zerrissensein - und hört mit einem leisen, dünnen Laut sein eigenes Herz in tausend scharfkantige, blutige Stücke zerspringen. Was er dann zu sagen hat, was er ihr sagen muss, ist das schlimmste, das er je ausgesprochen hat... und die Worte sitzen sperrig wie zersplitterte Balken in seiner Kehle. "Du bist frei. Ich entbinde dich von deinem Versprechen." Die verzweifelte Bitte, die er in ihren Augen lesen kann, kann er ihr einfach nicht erfüllen... nicht um diesen Preis, nicht in diesem Augenblick. Wenn es schon das letzte Mal ist, dass er sie sieht, dann wird er nicht im Zorn mit ihr auseinander gehen. "Lass mich... lass mich stattdessen dir eines geben. Du wirst dir nie Sorgen um deine Kinder machen müssen, um keines von ihnen, auch nicht um Ierás."
>Olyvar...< Ihre Stimme bricht fast und er ballt beide Hände zu Fäusten. Sie zu berühren würde er nicht ertragen, es kostet ihn so schon alle Selbstbeherrschung, die er aufbringen kann, ihr in die Augen zu sehen und diesen Abschied irgendwie zu überleben. >Ich kann dir nichts versprechen, so.. so sehr ich es mir auch wünsche.. ich wünschte, ich wäre dir eine bessere Frau gewesen...<
"Dann versprich mir nichts. Du warst meine Frau... aber das hier war nicht dein Leben. Du hast es versucht... ich habe es versucht... und wir sind beide gescheitert. Gib dir nicht die Schuld. Wenn wir irgendjemandem die Schuld geben müssen, dann... dann dem Wind und dem Regen. Nur eines noch... schick einen Botenvogel, wenn ihr angekommen seid, damit ich weiß... damit ich weiß, dass... Bitte."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Lady Kizumu am 27. Apr. 2006, 22:02 Uhr
>Du bist frei. Ich entbinde dich von deinem Versprechen.< Seine Worte treffen sie hart, auch wenn sie eben selbst das gleiche sagen wollte. Es geht nicht anders und wir beide wissen es. >Lass mich... lass mich stattdessen dir eines geben. Du wirst dir nie Sorgen um deine Kinder machen müssen, um keines von ihnen, auch nicht um Ierás.< Die Elbin schluckt den riesigen Kloß in ihrem Hals herunter, aber ihre Stimme klingt noch immer furchtbar belegt, als sie spricht. "Danke.. ich.." Kizumu schüttelt leicht den Kopf, ein winziger Teil ihres Verstandes will selbst jetzt noch nicht wahrhaben, was gerade geschieht. >Dann versprich mir nichts. Du warst meine Frau... aber das hier war nicht dein Leben. Du hast es versucht... ich habe es versucht... und  wir sind beide gescheitert. Gib dir nicht die Schuld. Wenn wir irgendjemandem die Schuld geben müssen, dann... dann dem Wind und dem Regen. Nur eines noch... schick einen Botenvogel, wenn ihr angekommen seid, damit ich weiß... damit ich weiß, dass... Bitte.< Sie schluckt und nickt, schluckt noch einmal und findet schließlich ihre Sprache ein Stück weit wieder. "Ja.. natürlich.. ich werde versuchen.. von unterwegs.. ich meine.." Sie kommt nicht weiter, denn Conn regt sich erwachend in seiner Wiege. Kizumu hebt den Jungen vorsichtig heraus, nimmt das Gewicht und die Wärme ihres Sohnes in ihre Erinnerungen von ihm auf und haucht dem Kleinkind einen leichten Kuss auf die Wange. " Tes Lyres hjir ti, Connavar. Vergiss nie, dass ich dich liebe." Ihre Stimme ist kaum mehr ein Flüstern und für einige Herzschläge scheint sie Olyvar völlig vergessen zu haben, doch dann wendet sie sich  wieder zu ihm um, Tränen in den Augen. Ich habe einfach keine Worte mehr für all das hier... Sie beugt den Kopf zu Conn, fährt mit der Nase über seine weichen, rosigen Wangen, durch das seidige rostrote Haar und atmet seinen Babygeruch tief in sich hinein. Dann gibt sie den Jungen an Olyvar weiter, der ihn behutsam entgegen nimmt.
Ihre Hände berühren sich dabei nicht, dafür versucht die Elbin sich jede Kleinigkeit in Olyvars Gesicht genau einzuprägen; der Bartschatten auf seinen Wangen, der bittere Zug der ihm auch sechszehn Monde nach der Geburt der Kinder noch um den wundervollen Mund liegt. Und er wird tiefer werden...
Einen Herzschlag lang betrachtet sie Vater und Sohn, dann wendet sie den Blick ab und nimmt ein Stück Pergament von einer der Kommoden. "Ich.. Darf ich dich noch um etwas bitten? Der Brief hier ist für Ierás. Sefra sattelt die Pferde und wir werden sofort aufbrechen..." Du kannst dich nicht einmal von deinem Sohn richtig verabschieden. Shunjalinn, du hast keinen Mut mehr... Olyvar nickt, während sein silberheller Blick noch immer auf ihr ruht. Kizumu legt den Brief an ihren Ältesten zurück auf die Kommode und nach einem Augenblick unschlüssigen Herumstehens macht sie schließlich den ersten, zögerlichen Schritt zur Tür. Ihr Blick sucht und findet  Olyvars und für einen endlosen Moment ist sie versucht, zu ihm hinüber zu gehen und sich in seine Arme zu werfen, doch sie verwirft den Gedanken rasch wieder. "Ich liebe dich." Sie flüstert nur und ist sich nicht einmal sicher, ob er es gehört hat. Ohne einen weiteren Blick, der vermutlich ihre ganze, mühsam aufrecht erhaltene Entschlossenheit zunichte machen würde, verlässt sie das Kinderzimmer.

Mattis hilft ihr mit gesenktem Kopf, das Gepäck auf den Inneren Zwinger hinunter zu schaffen, wo Sefra mittlerweile mit den Pferden wartet. "Ich danke dir, Mattis. Darf ich dich etwas bitten?" Der Junge nickt, hält den Blick aber noch immer auf seine Schuhspitzen gerichtet. "Pass auf ihn auf, ja? Ich.. es tut mir leid." Ihre Stimme ist belegt und zum ersten Mal nachdem der Bote angekommen war, blickt Olyvars Knappe ihr in die Augen. Er bringt kein Wort über die Lippen, deshalb nickt er einfach nur heftig und ein winziges Lächeln umspielt die Lippen der Elbin. "Und auf dich pass auch auf, hörst du?" Sie fängt einen raschen Blick von dem Jungen auf, ehe er nach einem letzten Blick auf Sefra, die Pferde und Grau zurück in den Westflügel eilt.
Kizumu atmet mehrmals tief ein und aus, aber der Kloß in ihrem Hals wird einfach nicht weniger. Sie lässt ihren Blick über die hohen Mauern der Steinfaust schweifen, bleibt für einige Herzschläge an den beleuchteten Fenstern des Westflügels hängen und wendet sich dann schließlich mit gesenktem Kopf zu ihrer Schwester um. "Lass uns.." Sie bricht ab, nimmt Sefra die Zügel ihres Ponys ab und steigt
auf. Ein kurzer Pfiff schallt über den Zwinger und Grau, der sich gerade in einer der dunklen Ecken herumgetrieben hatte, ist wieder an ihrer Seite.
Ohne einen letzten Blick zurück zu werfen, lenkt Kizumu Prins aus der Steinfaust, über dunkle, leere Straßen und zur Stadt hinaus.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Sefra am 28. Apr. 2006, 00:05 Uhr
Die Elbin wird der Bewegungen am Eingang zum Westflügel gewahr und hebt den Blick, als sie den beiden Tieren jeweils noch eine Rübe unterschiebt. Sie lächelt dem jungen Mattis sanft entgegen, als dieser das Gepäck herunter zum Stall schleppt. Er wirkt niedergeschlagen, was nun auch Sefra einen leisen Stich versetzt, als sie ihn und Kizumu so sieht.
Wie hart muss der Abschied erst von Olyvar gewesen sein.... Sie kann sich das gut vorstellen. Sehr gut sogar. Nicht anders erging es ihr damals mit Heron, als sie sich vor über zwei Zwölfmonden auf die Suche nach Shunjalinn gemacht hatte. Es war ihnen beiden klar, dass sie sich längere Zeit nicht mehr sehen würden, obwohl für Elben die Zeit nur etwas relatives ist. Sie unterdrückt das unbestimmte Bedürfnis Mattis an der Schulter zu berühren. Stattdessen nickt sie ihm nur aufmunternd zu, als sie ihm die Satteltaschen abnimmt, um diese auf den Pferderücken zu verteilen und zu befestigen. Viel Zeit hatte sie nicht mit dem Jungen verbracht und auch nicht oft oder besonders lange unterhalten. Aber er hatte viel Mut bewiesen, schon allein am Tag des Dämonenangriffs, wo sie zusammen im Tempel Schutz suchten. Er hatte sich gut behauptet und seine Aufgabe sehr ernst genommen, als es hiess, er solle auf die Frauen und Kinder acht geben.

Bei diesen Gedanken lässt Sefra doch etwas wehmütig ihren Blick über den Hof des Inneren Zwingers gleiten, der einigermaßen ruhig und dunkel da liegt. Grau stromert derweil in einigen Ecken herum. Es ist eine angenehm milde Nacht, nur laue Luft weht vom Ildorel ueber die Steinfaust hinweg, vermischt verschiedene Gerueche dieser Stadt, die kaum voneinander noch zu unterscheiden sind.
Es ist nur ein sehr kurzer Moment, denn Kizumu - Shunjalinn - hat es eilig auf Prins' Rücken und aus der Stadt zu kommen. Als Sefra ebenfalls aufsteigt, kommt es ihr in den Sinn, dass sie nicht genügend Zeit hatten, sich von allen zu verabschieden. Doch mit einem knappen Seitenblick auf das verschlossene Gesicht ihrer Schwester erkennt sie, dass sie es auch gar nicht kann, und daher verkneift sie sich die Frage. Sie hat es ebenso eilig, wie Kizumu zum Riathar zu kommen, doch im Gegensatz zu ihr, reitet Sefra ihrer Familie entgegen.
Beide reiten stumm nebeneinander durch die Straßen der Stadt. Die Stimmung ist noch zu gedrückt, als dass sie überhaupt ein Wort über die Lippen bringen können. Auch in der Verbindung herrscht Schweigen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 29. Apr. 2006, 14:52 Uhr
Vom letzten Eisfrost bis Ende Sturmwind


Die Tür zu Conns Zimmer fällt leise ins Schloss und ihr Klicken scheint nachzuhallen wie ein Echo, das ferner und ferner wird und schließlich verstummt. Olyvar bleibt zu Stein erstarrt stehen, wo er ist, seinen müde blinzelnden Sohn, dessen Gewicht schwer und warm an seiner Schulter klebt noch immer in den Armen. Conn dreht seinen kleinen Kopf hin und her, schlingt seine Ärmchen fest um Olyvars Nacken und murmelt schon halb wieder im Schlaf: "Am bheil thu ann, mathair?" Bist du noch da, Mutter? Ihm bleibt fast das Herz stehen und einen Moment lang ist seine Kehle so zugeschnürt, dass er keinen Ton herausbekommt, aber irgendwann gelingt es ihm dann doch, heiser zu flüstern: "Aye, is mise a tha ann, mo gille." Aye, ich bin hier, mein Junge. Er legt Conn zurück in sein Bett, deckt ihn zu und löscht die Kerze. Dann taumelt er langsam wie ein Schlafwandler ins Zimmer nebenan, sieht nach Fianryn, die unbekümmert und unberührt von allem weiterträumt, und geht dann in die Halle hinüber. Der Tisch ist leer, alles Gepäck ist verschwunden. Kizumu ist fort - endgültig, und dieses Wissen fällt wie Frost in seinen Körper. Bis zum letzten Augenblick hatte er irgendwo tief in seinem Inneren nicht daran geglaubt, es nicht glauben wollen, vielleicht gehofft, sie brächte es letztlich doch nicht über sich, wenn schon nicht um Seinet-, dann um ihrer Kinder Willen, aber sie ist gegangen - einfach so. Schlagartig kommt der Schmerz, stürzt sich auf ihn wie ein hungriges Tier, reißt und frisst und zerrt an ihm, wühlt knurrend und gierig in seinen Eingeweiden, so heftig, dass er sich nach Luft schnappend an einer der holzgeschnitzten Säulen festhalten muss. Mit der Qual kommt die Wut, so blind wie tödlich, schießt in ihm hoch, brennend, klar und lodernd... und tut so gut, weil sie den Schmerz betäubt. Aber es gibt kein Ventil, nichts in unmittelbarer Reichweite, das er zertrümmern, niemanden, den er zu Brei schlagen, nichts, das er zerstören könnte, also hämmert er seine Faust gegen den hölzernen Pfeiler, steinhart und altersglatt, wieder und wieder, bis seine Fingerknöchel roh und blutig und die Schnitzereien zersplittert sind... zumindest die vor seiner Nase. >Was mein ist, soll auch dein sein. Zu Deinem Haus will ich gehören und Deinen Namen will ich tragen. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Ich will dich nicht verlassen, noch von deiner Seite weichen. Ich will dich lieben, dich achten und dir die Treue halten, in den guten, wie den dunklen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, in Reichtum und Armut, in Freude und Leid... und nicht einmal der Tod soll uns trennen.<

Er hat die Worte von Kizumus Ehegelübde im Ohr, so deutlich, als hätte sie sie gerade erst gesprochen. Jetzt ist sie fort. Olyvar starrt auf seine zerschundenen Finger. "Ich will dich nicht verlassen, noch von deiner Seite weichen... das ich nicht lache." Sein Handrücken färbt sich bereits rot und violett, und von den aufgeplatzten Knöcheln tropft das Blut auf die Steinfließen. Pitsch. Patsch. Du hattest Recht, Shunjalinn. Der Tod hat uns nicht getrennt. Dafür ein Fetzen Pergament mit fünf verdammten Buchstaben. 'Kommt'. Du hast es mir mit deinem Blut geschworen - Fleisch von meinem Fleisch, Blut von meinem Blut... soviel waren deine heiligen Schwüre also wert. Diesem Gedanken ist nichts mehr hinzuzufügen - und der Rest der Nacht gehört Schmerz und Zorn, Wut und vollkommener Verwirrung, Ratlosigkeit, Selbstmitleid, tausend wilden Flüchen, verletztem Stolz, ein paar zertrümmerten Lehnstühlen und zweieinhalb Flaschen Uisge... und als er mit denen fertig ist, interessiert ihn keine Frau der Welt mehr, und wenn sie nackt vor seiner Nase herumhüpfen würde. Das Erwachen am nächsten Morgen ist entsprechend mörderisch. Er liegt immer noch neben dem Kamin in der großen Halle - um nichts in der Welt hätte er in ihrem Ehebett schlafen können, selbst wenn er nicht zu betrunken gewesen wäre, um überhaupt noch sein Schlafgemach zu finden, geschweige denn, die wenigen Stufen dorthin hinaufzukommen. Olyvar starrt aus blutunterlaufenen Augen auf die angerichtete Verwüstung um sich her - die zersplitterten Überreste von Stühlen, zwei leere Flaschen und die traurigen Scherben von etwas, das einmal eine glasierte Tonschale war, die das Pech gehabt hatte, mitten auf dem Tisch zu stehen. Und auf zwei Schuhspitzen unter einem braunen Rocksaum direkt vor seiner Nase - mehr kann er nicht erkennen. Er weiß, wem die Schuhe und die dazugehörigen Füße gehören, aber er kann nicht einmal den Kopf heben, um in Feornas zweifellos entsetztes Gesicht zu blicken. "Kümmeredichumdiekinderundverschwinde." Die Schuhe entfernen sich eilig, der raschelnde Rocksaum auch. Das gnädige Vergessen tut ihm allerdings nicht den Gefallen, noch ein Weilchen bei ihm zu bleiben, sondern zieht sich genauso hastig zurück wie die verängstige Magd. Sgaìleanabh. Ihr Name... Schattenkind... sein Kosename für sie in seiner Muttersprache, schneidet wie ein weißglühendes Messer durch sein Inneres. Fort. Hat dich verlassen. Hat ihre Kinder verlassen. Er kämpft sich auf die Füße und schafft es gerade noch zur Halle hinaus, durch den Gang und die Laube aus verblichenem Holz, die Stufen hinunter in den von hohen Mauern umschlossenen, grünen Innenhof des Westflügels, um sich dort geräuschvoll in die Himbeerstauden zu übergeben. "Oh Götter. Fahr zur Hölle, Kizumu."

Die nächsten drei Tage lang verläßt er den Westflügel überhaupt nicht. In seinem Solar stapeln sich zweifellos die Meldungen und alle Naslang will irgendeiner seiner Offiziere ihn dringend sprechen, aber Olyvar will niemanden sehen, nichts hören, nichts sagen. Er ignoriert jeden Versuch Feornas oder Mattis', ihn aufzumuntern, schickt jedes Essen, dass man ihm bringen lässt, unberührt zurück und tut nichts, als vor sich hinzubrüten und sich im Uisge zu ertränken. Seinen Knappen und die Magd hatte er mit den Kleinen zu Rhordri und Morna geschickt und sie gebeten, dort eine Weile zu bleiben - und beide hatten die Chance zur Flucht mit unleugbarer Erleichterung ergriffen. Immerhin hat er auch gerade noch genug Geistesgegenwart besessen, einen Botenjungen mit dem Brief Kizumus zu Iéras zu schicken. Bar jeder Verantwortung, allein, zutiefst verletzt und so zornig, dass er glaubt, daran ersticken zu müssen, mariniert er sich in Uisge, in Feuerwein, in Zwergenbrand, in azurianischem Hamadat, in allem, was er findet, ganz gleich, wie scheußlich es auch ist, wenn es ihm nur hilft, sich zu betäuben. Seine Verzweiflung wächst ins Unerträgliche, sein Schmerz, seine Wut und sein Selbsthass tun es auch. Warum war sie überhaupt gegangen? Warum hatte sie nicht einmal darüber nachgedacht, zu bleiben? Warum hatte sie selbst ihre Kinder im Stich gelassen? Warum war ihr alles andere wichtiger gewesen? Warum hatte er sie überhaupt gehen lassen? Weil du auch noch deinen Stolz hast, du völlig verblödeter Hornochse, wenigstens das - und dich keiner Frau aufdrängst, die dich gar nicht haben will. Nicht einmal deiner eigenen... Ist sie ja nicht mehr. Jetzt nicht mehr. Nie mehr. Irgendwann geht ihm der Alkohol aus und es kümmert ihn nicht einmal mehr... er hat inzwischen das Gästezimmer bezogen, in dem es stinkt wie in einer Uisgebrauerei und aussieht, als seien Asgrims wilde Horden durchgefegt. Auch das ist ihm vollkommen gleich - er liegt nur auf dem Bett, starrt an die Decke und hüllt sich in ein Leichentuch aus kaltem, dunklem Zorn. Vareyar erscheint am dritten Tag, hämmert eine halbe Stunde lang erfolglos gegen die Tür zum Westflügel, redet dann eine ganze Zeit lang eindringlich auf das eisenbeschlagene Holz ein und gibt es irgendwann wieder auf. Eine Weile später - Olyvar kann nicht einmal sagen, ob eine Stunde oder ein ganzer Tag vergangen ist - erscheint Rhordri und versucht sein Glück, nach ihm Colevar und noch einige andere. Danach lässt man ihn in Ruhe. Zwei weitere Tage später wankt Olyvar hohlwangig, völlig erschöpft, ausgelaugt von Wut und Leid und hungrig wie ein Wolf, aber wieder einigermaßen bei klarem Verstand in das Zimmer seiner Tochter.

Fianryn. Fianryn, die mit seinem Sonn und Feorna der Kindermagd bei Rhordri und seiner Familie ist, nicht hier bei ihm, wo sie hingehört. Den Göttern sei Dank, denn seinen Zustand kann man keinem Kind zumuten. Die Morgensonne scheint schräg und golden durch die Fenster, in ihren Strahlen tanzen Staubkörnchen, ein einsamer Stoffbär mit abgerissenem Ohr sitzt verloren in einer Ecke. Götter... das bin ich. Ein zerbrochenes Spielzeug, das irgendjemand im Regal vergessen hat... Es ist leer ohne die Kinder, leer und still. Zu leer und still. Irgendwann einmal hatte ich ein Leben... Der Gedanke geistert durch seinen Kopf und hallt leise nach - und in diesem Moment entscheidet er, dass er es wiederhaben will. Du brauchst etwas in den Magen. Und ein Bad. Er taumelt durch die Halle, die keinen Deut besser aussieht, als vor fünf Tagen, schleppt sich zur Tür, öffnet sie und wäre fast über Mattis gestolpert, der anscheinend davor auf dem Boden gesessen hat. "Was tust du... vergiss es. Geh und schick ein paar Mägde herauf, man muss hier sauber machen. Und besorg mir etwas zu essen und frische Kleidung. Ich gehe ein Bad nehmen, aye? Und Mattis... danke." Eine Stunde später ist er sauber, rasiert und fühlt sich bis auf das Loch in seinem Magen wieder halbwegs wie ein Mensch. Als er in den Westflügel zurückkehrt, ist es dort wieder erträglich - ein halbes Dutzend Mägde hat aufgeräumt, ausgefegt und gewischt, alle Fenster sperrangelweit aufgerissen und in den Kaminen Feuer geschürt, und sein Knappe rettet ihn mit einem ausgiebigen Mahl vor dem sicheren Hungertod. Er hätte die ganze Schweinerei liebend gern selbst beseitigt, aber er muss zugeben, dass er dafür einfach nicht in der Verfassung war. Am Abend des selben Tages bringt Feorna ihm die Kinder zurück und mit ihnen kehrt wieder so etwas wie Normalität in seinem Leben ein - ihretwegen muss er sich am Riemen reißen und kann sich nicht mehr gehen lassen, und er will es auch nicht mehr. Der Gedanke an Kizumu bringt nach wie vor bitteren Schmerz und ohnmächtige Wut, aber er liefert sich beidem nicht mehr aus. Sie hatte ihr Versprechen gebrochen und ihn verlassen - für ein einziges Wort auf einem Stück Pergament. Das ist eine bittere Erkenntnis und er weiß beim besten Willen nicht zu sagen, ob die Wunde in seinem Inneren tödlich ist oder nicht, aber es ist nun einmal geschehen - irgendwie würde er lernen müssen, damit zu leben. Er weiß noch immer nicht, was er getan hat, oder nicht getan hat, was er vielleicht hätte tun sollen... oder nicht tun sollen, irgendwann hatte sie wohl einfach aufgehört ihn zu lieben. Oh, sie hatte beteuert, sie liebe ihn, selbst als sie schon im Begriff gewesen war, ihn zu verlassen, etwas, das ihm jetzt im Nachhinein wie der blanke Hohn vorkommt, aber er glaubt ihr auch... zumindest ein Stück weit tut er das immer noch.  

Allerdings hatte sie ihn nicht genug geliebt, um zu bleiben und die Kinder... dass sie auch die Kinder verlassen hatte, ihre kleinen Kindern, siebzehn Monde alt, ihr eigen Fleisch und Blut, das ist etwas, das nach wie vor einfach nicht in seinen Kopf will. Seine Kinder aufzugeben oder sie mit dem Wissen zu verlassen, sie Monde, Jahre nicht zu sehen, nicht zu erleben, wie sie aufwachsen, das wäre ihm so unmöglich wie aufzuhören zu atmen. 'Kommt.' Das war alles, ein einziges kleines Wort, keine Erklärung, nichts - und doch hatte es genügt, um sie endgültig von seiner Seite zu reißen, sie alles vergessen und alles aufgeben zu lassen. Die nächsten Tage und Wochen vergehen in der Steinfaust den Göttern sei Dank alles andere als beschaulich. Als nach dem so langen, harten und schneereichen Winter zu Beginn des Taumonds endlich die Schneeschmelze einsetzt, droht schon das nächste Übel in Form anhaltenden Hochwassers, und die Stadtgarde ist tagelang nur mit dem Füllen von Sandsäcken und dem Errichten von Dämmen entlang des Llarelon beschäftigt. Olyvar und eine Handvoll Baumeister müssen sämtliche Brücken über den sonst so ruhigen, kleinen Stadtfluss, der sich dank des Tauwetters zu einem reißenden, braunen Wildwasser ausgewachsen hat, inspizieren und einige sogar für Fuhrwerke oder Eselskarren sperren. Zwei kleinere Stege werden glatt von den Wassermassen fortgerissen, und ein Mann, der sich unvorsichtigerweise zu nahe herangewagt hatte, ertrinkt. Kaum ist das Hochwasser überstanden und die drohende Überflutung der flußnahen Stadtteile abgewehrt, hält das bevorstehende Inarifest die ganze Stadtgarde in Atem - und Olyvar ist der einzige, der dankbar dafür ist. Arbeit ist das einzige, das ihn ablenkt und vergessen lässt - und so arbeitet er von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, ist überall in der Festung und der Stadt zur gleichen Zeit, legt allerorts mit Hand an, verbringt Nächte mit dem Erledigen des leidigen Pergamentkrams in seinem Solar, reitet jeden Tag hinaus ins Larisgrün, wo ganz nebenbei auch noch das Übungsgelände für die Blaumäntel rund um eine alte Dorfruine und einen noch älteren Steinbruch entsteht, prügelt sich täglich mit Vareyar auf den Waffenhöfen... und ist bei all dem so abweisend, grob und übellaunig, dass irgendwann alle, selbst Rhordri, nur noch vor seinem finsteren Gesicht zurückweichen. Die einzigen Wesen, die einen anderen Olyvar zu Gesicht bekommen, jenen Olyvar, der freundlich sein und lächeln kann, sind seine Kinder - der Rest Rohas muss sich mit einem knurrigen, einsilbigen, vollkommen humorlos gewordenen Lord Commander begnügen, der den Scherbenhaufen seines Herzens unter einem Stein begraben hat.

Gegen Ende des Sturmwindmondes ist es auch in Talyra endgültig Frühling geworden. Die Bäume haben ausgetrieben, gelbe Goldglöckchen, Palmkätzchen, die ersten Magnolien und Kirschen stehen in voller Blüte - und auf dem Boden gesellen sich Winterlinge, Krokusse, und Carsairbecher, Grasnelken, Tulpen in jedweder Form, Farbe und Größe, Buschwindröschen, Leberblumen und Anemonen dazu. Auf den Straßen der Stadt herrscht schon seit buntes Treiben und fröhliches, lärmendes Durcheinander. Gaukler, Barden, Spielleute, junge Männer und Frauen aus dem Umland sind in Scharne durch Talyras Tore geströmt, in ihrem Gefolge ein Rattenschwanz an Beutelschneidern, Taschendieben, Huren und Quacksalbern. Die letzten Tage vor dem heiligen Inarifest sind immer anstregend, gerade für die Stadtgarde. Alle Wachen an den Toren sind schon seit Anfang Sturmwind verdoppelt, die Nachtpatrouillen aufgestockt und die Dienstpläne bis zum Grünglanz von Olyvar bestimmt ein Dutzend Mal umgeschrieben worden - schließlich bemüht sich jeder Gardist zwischen sechzehn und sechzig schon seit Monden darum, in der Inarinacht dienstfrei zu haben - und die Bürger erwarten ganz selbstverständlich, dass die Stadt an diesem Tag aller Tage trotzdem genauso gut geschützt ist, wie zu allen anderen Zeiten auch. Das näherrückende Inarifest beschert Talyra also nicht nur allerlei fahrendes Volk, tausende von zusätzlichen Menschen, Gnomen, Zwergen, Feen, Kobolden, Elben und anderer Wesen innerhalb der Mauern, die alle versorgt werden wollen, und die Aufregung eines summenden Bienenschwarms, sondern auch Arbeit, Arbeit und nichts als Arbeit. Für die Blaumäntel bedeutet das in erster Linie eine Menge zusätzlicher Schichten, für Olyvar ebenso und er hat dieses Jahr hinter seinem Namen für die Nacht ein schlichtes diensttuend stehen - was soll er auch auf dem Inarifest. Kizumu ist seit zwei Monden fort und ihm steht der Sinn wirklich nicht nach Feiern oder irgendeinem namenlosen Rotfuß. Um das Festessen auf dem Marktplatz kann er sich allerdings beim besten Willen nicht herumreden, was ihm sowohl Borgil, der besorgt ein paarmal bei ihm vorbei sieht, als auch Uliaris ans Herz legen. Die Tatsache, dass Kizumu Talyra und ihn selbst auf unbestimmte Zeit verlassen hat, hat er zwar niemandem direkt auf die Nase gebunden, aber er hat es auch nicht verschwiegen und seine Blaumäntel sind nicht blind - mittlerweile pfeifen es vermutlich ohnehin die Spatzen von den Dächern. Der Nauarch Talyras ist eigentlich aus einem ganz anderen Grund bei ihm, nämlich um ihn davon zu unterrichten, dass das Schmugglerschiff, das Ragnarsson aufgebracht hatte, noch immer im Hafen vor Anker liegt und keineswegs von den Männern des Schiffbauers abgeholt wurde, und dass jeder Bote, den er deswegen zur Schiffswerft geschickt hatte, unverrichteter Dinge wieder zurückgekommen war. Olyvar verspricht, sich irgendwann nach dem Inarifest darum zu kümmern - vorher hat er beim besten Willen keine Zeit mehr dafür und gibt Uliaris schließlich entnervt und niedergeschlagen das Versprechen, sich wenigstens bis zum Entzünden der Festfeuer an Borgils Tafel auf dem Marktplatz sehen zu lassen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 30. Apr. 2006, 19:42 Uhr
Olyvar betrachtet sein Gesicht missmutig im Spiegel. Er ist frisch gebadet und frisch rasiert, doch wozu er sich die Mühe überhaupt gemacht hat, weiß er selbst nicht. Weil es ein Gebot der Höflichkeit ist, sauber und einigermaßen ansehnlich auf ein offizielles Fest der Stadt zu gehen, deshalb. "Mmpf!" Seine Tochter, die gerade hingebungsvoll auf einer noch leeren Geldkatze herumkaut, die er achtlos aufs Bett geworfen hatte, blickt bei diesem missmutigen Brummen ihres Vaters auf, lässt sich aber zu keinem kleinkindlich gebrabbelten Kommentar herab außer einem fragenden "Gläb?" Connavar steckt hinter ihm kopfüber in der untersten Lade der Kommode mit den Koboldsgesichtern - die mit den sauberen Strümpfen -, und räumt wild aus. "Lass das, a sìochair!" Olyvar hebt ihn vom Boden, nimmt ihm ein Paar Socken ab und setzt ihn zu seiner Schwester aufs Bett. Natürlich will Conn nicht dortbleiben und rutscht postwendend auf der anderen Seite wieder hinunter... wo der Waffengurt samt Dolch und Katzbalger am Bettpfosten hängt. Olyvar hechtet danach und schnappt seinem neugierigen Sohn das begehrte Objekt gerade noch vor der Nase weg. "Himmel! Lass das jetzt, mein Freund, das ist verboten, das weißt du genau!" Lautes Protestgeheul setzt ein. "Papiiiiiiii, 's toigh leam... Messer! Sgian! Nein, nein! Papi, will Messer!" Mit der Allgemeinsprache und Tamar aufgewachsen, bringt Conn mit seinem noch nicht allzu großen Wortschatz die Sprachen oft genug durcheinander und redet wüstes Kauderwelsch aus beiden... was ihn jedoch nicht daran hindert, sich lautstark zu artikulieren. "Auf gar keinen Fall, du Wildfang. Geh und spiel mit deiner Schwester, ich muss mich anziehen." Krokodilstränchen weinend und schmollend wird Conn wieder aufs Bett verfrachtet, wo er diesmal sogar sitzen bleibt und finster um sich starrt. Bis auf sein eindeutig rötlicheres Haar, sieht sein Sohn damit aus wie eine kleine Kopie von ihm selbst. So wie ich meinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten bin... scheint in der Familie zu liegen. Und Conns Augen sind eher blau, als grau, wie die seiner...
Er bringt den Gedanken nicht zu ende, schüttelt nur unwillig den Kopf und zieht sich ein paar saubere Beinkleider, ein frisches Leinenhemd, Strümpfe und Stiefel an... kein festlicher Schnickschnack, keine kostbaren Festgewänder, nur einfache, saubere, gut geschnittene Kleidung aus bestem Material.

Prunk und Pomp waren noch nie sein Fall, und wie manche dieser Adelsgecken sich gelegentlich aufrüschten, als wären sie alle Pfauen in der Balz, fand er schon immer ziemlich... zweifelhaft. Was kümmert es ihn überhaupt, wie er aussieht? Er könnte ebenso gut auch in Sack und Asche gehen, er geht ja ohnehin nur, weil er sich von Borgil und Uliaris hat breit schlagen lassen und die beiden legen bestimmt keinen Wert auf seinen Aufzug!  "Weil man zu einem Fest nun einmal einigermaßen ordentlich geht," gibt er sich selbst entnervt Antwort. Die Sonne steht bereits hoch am Himmel... er wird sich beeilen müssen, wenn er noch vor dem größten Andrang am Marktplatz sein will. Den Göttern sei Dank kommt Feorna - seit letztem Herbst die Braut eines jungen Gardisten namens Tolber, der dummerweise ausgerechnet heute Dienst hat - um die Kinder zu hüten. Mattis hatte sich zweifellos schon davongeschlichen, um mit den anderen jungen Pagen und Knappen, die noch nicht ganz das Alter erreicht haben, in dem man offiziell auf ein Inarifest gehen darf, im Tempelviertel hinter den Nebengebäuden des heiligen Hauses eben dieser Göttin im Stechginster (der seine Wirkung auch vor fünfzehn Jahren schon verfehlt hat) zu hocken und durch die Mauerritzen den Inarinovizinnen beim Baden zuzusehen. Götter, das waren noch Zeiten... der kleine Petyr, Varin, Colevar und er... was hatten diese Priester gezetert und geschimpft und wie hatte sein Vater ihn verwamst, als er mit glühenden Ohren (und noch ganz anderen glühenden Körperteilen) nach Hause verfrachtet worden war. Die Erinnerung bringt sogar ein Grinsen auf sein Gesicht, aber selbst das wirkt düster. Er verabschiedet sich von seinen Kindern, die selig sind, ihre Feorna einen ganzen Nachmittag lang für sich zu haben, verspricht der Kindermagd, bis spätestens nach dem Entzünden der Festfeuer zu Hause zu sein, damit Tolber und sie noch etwas von der Nacht hätten, füllt seine Geldkatze mit ein wenig Silber und macht sich dann mit finsterem Gesicht auf den Weg. Er will nicht dorthin... das Inarifest ist ganz bestimmt der letzte Ort, an dem er sein will, aber er kennt Borgil und Uliaris auch gut genug, um zu wissen, dass sie ihn notfalls mit Gewalt hinschleppen oder es zumindest versuchen würden und diese Blöße wird er sich nicht auch noch geben.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 28. Jan. 2007, 10:31 Uhr
Seit sie das Schiff betreten und von Olyvar, wie sich der Mann vorgestellt hat, die angebliche Wahrheit hörte, hat sie kaum noch geredet. Selli hatte alles was er ihr versicherte, nickend bestätigt und doch wusste Liomie nicht, was sie sie überhaupt noch glauben sollte und wollte. Zuviel hatte sich innerhalb kürzester Zeit geändert. Wieder hatte Olyvar diese seltsame Sprache gesprochen und wieder hatte sie ihn verstanden. Während des Kampfes hatte sie geglaubt, dass sie es nur Einbildung gewesen wäre, aber nachdem sie ihm in derselben Sprache antworten konnte, wurden ihre Gedanken und das Chaos hinter ihrer Stirn erneut kräftig durcheinander gebracht. > "Tha mi a'toirt dhachaigh."<, hatte er gesagt und zu gern hätte sie dem geglaubt, aber auch Selli und Jamar hatten ihr das damals gesagt. Sie würde nach Hause kommen, aber wo genau war dieses Zuhause? Hatte sie überhaupt eins? Möglicherweise war ihr Leben bislang eine einzige Lüge und jedes Mal, wenn die eine in die Brüche ging, wurde ihr eine neue aufgetischt? Sie hatte Jamar geglaubt und gerne würde sie auch Olyvar glauben, aber sie hat keine Kraft dafür. Was wenn sich am Ende der Reise herausstellen würde, dass auch er teil eines undurchschaubaren Spiels ist, bei dem die einzigen gleich bleibenden Figuren sie und Selli wären? Nur wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt, spricht sie mit der Besatzung oder ihren angeblichen Rettern. Die meiste Zeit verbringt sie jedoch schweigend an der Reling. Selbst bei leichtem Regen steht sie draußen und sieht starr auf das wogende Wasser hinaus. Die Kabine erscheint ihr zu klein und sie mag nicht auch noch tagsüber mit Selli in einem Raum sein.
Ihre angebliche Medizin, die laut den Erklärungen Olyvars gar keine solche ist, nimmt sie auch weiterhin brav und versucht sich damit anzufreunden, dass sie möglicherweise Shyada heißt und sie in Talyra endgültig erfährt, wer oder was sie ist. Gelegentlich, wenn Olyvar über das Deck schleicht, betrachtet sie den Mann und versucht allein durch seinen Anblick herauszufinden, ob er die Wahrheit spricht oder nicht. Er hat ihr viel erzählt und auch behauptet sie zu kennen. Das hatte vorher niemand getan. Nicht einmal Jamar, Ismael oder Darwik, die sie doch angeblich auch zu ihrer Familie hatten bringen wollen. Und doch bekommt sie fast ein Ohnmachtgefühl bei dem Gedanken, dass er Recht haben könnte. > Ich kann dir nicht versprechen, dass dir alles gefallen wird, was du in deiner Vergangenheit findest, aber ich werde dir helfen – wenn du das willst.< Wie eigentlich alles, was er ihr offenbart hatte, schwirrt auch diese Aussage unheilvoll durch ihren Kopf. Was würde sie denn finden? Weiß er, was sie erwartet und wagt es bloß nicht es auszusprechen, weil sie es sich anders überlegen könnte? Aber welche Alternative hätte sie denn schon groß? Und wie genau würde diese Hilfe aussehen? Gab es Probleme von denen sie jetzt noch nichts wusste und die so schlimm waren, dass sie sie allein nicht erledigen könnte? Egal wann und wie oft sie über dieses oder jenes nachdachte, die einzige Chance die sie hatte, um das Gewirr zu entflechten und vielleicht die Wahrheit herauszufinden, war Olyvar zu vertrauen und zu hoffen, dass er sie nicht anlog. Im Gegensatz zu Jamar scheint er offener und irgendwie besorgter, aber das könnte auch nur gespielt sein.

Da für sie jeder Tag auf dem Schiff einem gleichen eintönigen Ablauf folgt und sie sich ohnehin nicht dazu durchringen kann mit jemanden oder speziell Olyvar zu reden, erscheint es ihr fast wie eine lang ersehnte Erfüllung eines Wunschtraumes, als sich endlich wieder Küste in Sichtweite befindet und die Reise auf dem Schiff ein Ende findet. Man hatte sie weites gehend in Ruhe gelassen und doch hätte sie gerne einen Ort gehabt, an dem sie vollkommen allein sein konnte. Sie wollte sich ihre Unsicherheit von der Seele weinen, aber nicht hier. Nicht, wo man sie immer wieder beobachtete und leise tuschelnd die Köpfe zusammensteckte. Voller Erwartung und auch leiser Hoffnung, aber auch mit einem Knoten im Magen, sieht sie zu, wie das Schiff sich dem Hafen nähert. Die Ruhe des Ildorels ist vorbei und der Lärm der Stadt dringt schon seit längerem an ihr Ohr. Er ist unangenehm, aber er bringt Abwechslung und lässt einem kaum Zeit zum nachdenken, da es so vieles zu sehen gibt. Während das Schiff anlegt und sie von ihrer erhöhten Position aus das Treiben am Hafen betrachtet, schleicht sich sogar ein schwaches Lächeln auf ihr Gesicht. Endlich andere Personen und vielleicht ihr altes Leben. Wie auch immer dieses aussehen mag. Oder war es besser dieses zu leben? Selbst wenn sie weiß, dass es eine Lüge ist? Bevor sie sich aber wieder zu sehr in Fragen und Ängste verstrickt, wird alles für das Verlassen des Schiffes vorbereitet. Das Gepäck sammelt sich wieder an Deck und nacheinander tauchen die ungleichen Retter samt Selli auf und sind somit zum ersten Mal, seit sie das Schiff betreten haben, wohl wieder alle auf einem Fleck zu finden. Allerdings verlassen sie das Schiff nicht sofort, sondern warten weiterhin solange, bis ein Trupp Männer mit blauen Mänteln am Pier auftaucht. Unsicher wirft Liomie einen Blick in die Runde, wagt es aber nicht zu fragen. Stattdessen folgt sie brav den anderen und nimmt in der Sänfte die man ihr zuweist platzt.  Eigentlich ist sie froh darüber, dass sie nicht selber laufen muss, da ihre Beine schon bei den wenigen Schritten vom Schiff herunter stark gezittert haben, aber sie hatte auch gehofft, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und wird nun schon wieder hin und her geschaukelt. Zusammengekauert im Dunkel der Sänfte gibt es nichts was sie sich ansehen kann, so dass sie die Augen schließt und nur auf die Stimmen achtet. Gelegentlich dringt schwaches Licht durch ihre Lider. Wohl Laternen oder Fackeln, welche die nächtlichen Strassen erhellen sollen. Es ist eigentlich nicht kalt und doch beginnt sie leicht zu zittern. Sie hat Angst, da sie nicht weiß was sie erwartet und versucht sich daher vollkommen auf die Stimmen, den Klang der Hufe und dem Straßenlärm zu konzentrieren.

Erschrocken blickt sie auf, als man sie anspricht. Ohne dass sie es bemerkt hatte, war sie eingeschlafen und sieht nun ein wenig verwirrt zu dem ihr unbekannten Gesicht, dass ihr gerade erklärt, dass er sie zu ihrer Unterkunft begleiten wird. Meine Unterkunft? Ihr wird zwar die Hand hingehalten, doch sie ignoriert die Geste und steigt allein aus der Sänfte, nur um sich wenig später auf einem von Fackeln erhellten Kasernenhof wieder zu finden. Unsicher wirft sie Blicke in alle Richtungen. Sie weiß nicht, warum man sie ausgerechnet hierher gebracht hat. Doch wieder eine Lüge? Ich bringe dich nach Hause, hatte er gesagt. War ihr Zuhause der Kerker und würden ihr deswegen die Erinnerungen nicht gefallen? Doch zu ihrer Beruhigung wird sie weder in dunkle Verliese noch in dreckige Zellen geführt. Zögernd folgt sie dem Jungen, der ihr den Weg mit einer schwach leuchtenden Laterne erhellt. Von Olyvar ist im Augenblick nichts zu sehen. Auch die Frauen und der Oger sind nicht mehr da. Sie weiß, dass es albern ist, aber nachdem sie zwei Wochen mit ihnen auf dem Schiff verbracht hat, fühlt sie sich plötzlich verlassen und vollkommen allein. Um sich wenigsten ein wenig Sicherheit zu geben, schlingt sie die Arme um ihren Oberkörper und folgt dem Jungen dann stumm. Sie fühlt sich alles andere als wohl dabei, als sie das Innere des Steingebäudes betritt und das Licht die Schatten bedrohlicher wirken lässt. Ist das hier mein Zuhause? Die Frage lässt sie nicht mehr los, da sie nicht weiß, ob ihr die Antwort gefällt. Oder ist es nur eine Zwischenstation? Immerhin ist es spät und sie alle sind von der langen Reise erschöpft und müde. Auch wenn sie sich bereits nach dem zweiten Gang nicht mehr merken kann, woher sie gekommen ist, versucht Liomie sich irgendetwas Markantes einzuprägen. Sie glaubt zwar nicht, dass sie jemals von alleine aus diesem Gebäude herausfinden würde, aber die falsche Hoffnung gibt ihr trotzdem etwas mehr Sicherheit. Sie folgt dem Jungen weiterhin und wirft, als sie auf einen Gang mit Fenster zum inneren Zwinger kommen, verstohlen einige Blicke hinaus. Natürlich erkennt sie nichts außer Schemen und wage Konturen, aber wenigstens hat sie einen Anhaltspunkt. Zwar einen der ihr keine Orientierung ermöglicht, doch zumindest fühlt sie sich nicht mehr ganz so eingesperrt, wie noch vor wenigen Augenblicken. Sie bleiben an der nahen Tür stehen und nachdem der blonde Junge sie geöffnet hat, wird Liomie in einen kleinen Raum geführt, in welchem bereits Lampen an den Wänden warmes Licht spenden. Niemand ist anwesend, aber der Raum erweckt auch nicht den Eindruck, als seien sie bereits an ihrem Ziel angekommen. Der Junge hält schnurstracks auf die nächste Tür zu und gibt ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie auch mitkommen soll. Zu der Unsicherheit gesellt sich nun auch noch Nervosität. Würde dort hinter der hellen Tür jemand warten, der ihr früheres Leben kennt? Wäre dort ihre Familie? Unschlüssig, ob sie wirklich weitergehen will, setzt sie nur ganz langsam einen Fuß vor den anderen. Der Junge wartet geduldig mit einem freundlichen Lächeln. Mit jedem Schritt wird der Wunsch, einfach umzudrehen größer, aber sie hatte auf dem Schiff zugestimmt, als Olyvar ihr erklärt hatte, dass er ihr helfen will. Oder wartet dort der Heiler auf mich?

Doch nichts und niemand wartet in dem großen Raum auf sie. Fragend sieht sie zu dem Jungen, der ihr daraufhin erklärt, dass man sich gleich um sie kümmern würde, aber der Lord Commander müsste erst noch etwas anderes erledigen. Dann ist er auch schon weg und hat die Tür hinter sich geschlossen. Erschrocken zuckt Liomie zusammen. Der Klang des Türschlossklickens hat etwas Endgültiges. Eingesperrt., geht es ihr durch den Kopf. Sie widersteht dem Drang zu testen, ob sie verschlossen ist. Sie hätte Schlüsselklappern hören müssen und der Raum sieht auch alles andere wie ein Gefängnis aus. Und selbst wenn es doch eins wäre, so wenigstens ein gemütliches. Auch wenn von dem Raum mit den Säulen nichts bedrohliches ausgeht, traut sie sich nicht, sich zu bewegen oder einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Wie angewurzelt bleibt sie an Ort und Stelle stehen und erkundet den Raum von dort aus. Sie kann sich nur noch an die Absteigen während ihrer Reise mit Jamar erinnern und kann sich gar nicht vorstellen, warum man soviel von... ja von allem braucht. Überall steht etwas, was sie stundenlang betrachtet könnte, einfach weil es in ihren Augen so hübsch aussieht, doch die Kamine haben ihr es letztendlich dermaßen angetan, dass sie sich doch von der Tür wegbewegt. Mehrmals sieht sie sich um, um auch sicher zu gehen, dass außer ihr niemand in dem Raum ist und streckt dann die Hand aus, um über die kühle Oberfläche der Muster darauf zu fahren. Mit einem leichten Lächeln folgt sie den Linien. Die Abbildungen der Wesen sind so detailgetreu, dass Liomie fast erwartet, dass die Feen jeden Moment vor ihr wegfliegen. So versunken in ihren Betrachtungen hört sie die Schritte die dich nähern gar nicht und zuckt schuldbewusst zusammen, als die Tür erneut ins Schloss fällt. Hastig dreht sie sich um und sieht Olyvar. Ihr Mund öffnet sich reflexartig, weil sie etwas sagen will, aber dann fällt ihm wohl ein, dass er dies eigentlich die letzte Zeit vermieden hat und klappt wieder zusammen. Er? Ich dachte der Lord Comma.... Ist er das? Wohnt er hier? Aber wieso bin ich dann hier? Grübelnd betrachtet sie Olyvar. Ist das die Erinnerung die ihr nicht gefallen würde? Das er Lord Commander ist und hier wohnt... und sie vielleicht auch? Wusste er deswegen so viel über sie? Wenn es denn der Wahrheit entspricht. Ein unglückliches Lächeln, nicht viel mehr als ein Zucken der Mundwinkel, huscht über ihr Gesicht. „Bin ich hier zuhause?“ durchbricht sie die Stille und spricht Olyvar zum ersten Mal seit langer Zeit von sich aus an. Sie fühlt sich bereits jetzt erheblich unwohl und allein beim Gedanken an die nächste Frage, zieht sich leichte Röte über ihre Wangen, aber sie fragt trotzdem. „Mit di... mit Euch?“ Einen Moment hält sie seinem Blick noch stand, doch dann senkt sie ihren und bemerkt ganz nebenbei, dass ihre Hand noch immer auf dem Kamin ruht, die sie dann hastig zurückzieht und mit der anderen vor ihrem Bauch verknotet.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 31. Jan. 2007, 17:36 Uhr
Die Rückfahrt von Blurraent nach Talyra ist doch recht angenehm, das Wetter erträglich aber für Dianthas Gefühl zu warm und der Wind wie gemacht für eine Fahrt über den Ildorel. Die Stimmung an Bord ist nicht viel besser als auf der Hinfahrt, was diesmal aber weniger an Diantha als viel mehr an Shyada liegt. Diese hüllt sich in ein verbittertes Schweigen, genauso wie die Elbe und auch Selainee ist viel zu beschäftigt damit schuldbewusst durch die Gegend zu tapern als sich mit jemand anderem zu unterhalten. Der Oger ist wie erwartet wieder in die Küche verschwunden, sodass Olyvar sich sogar dann und wann die Mühe macht, Diantha um ein Würfelspiel zu bitten. Den Gefallen tut sie im zunehmend gerne, denn der Mann stellt sich als guter Spieler heraus und sie hat lange keine Gesellschaft mehr gehabt, mit der sie hätte würfeln können. Nach ein wenig Übung bekommt sie es sogar wieder ganz gut hin, trotzdem gewinnt er die Mehrzahl der Spiele.
Ich würfle mit dem Offizier der talyrischen Stadtache, wer hätte gedacht, dass es jemals dazu kommen könnte, ich und ein Offizier in friedlicher Gesellschaft. Es ist merkwürdig, doch seit sie bei Shyadas Rettung geholfen hat, fühlt sich Diantha besser und sie muss sich eingestehen, dass sie mittlerweile gar nichts mehr gegen die Gruppe an sich hat. Zu einem ernsthaften Gespräch mit Olyvar kann sie sich dann aber doch nicht durchringen, dazu steht er dann doch zu weit auf der anderen Seite des Gesetzes. Worüber sollte sie auch schon mit ihm reden? Das Reden war ja noch nie so sehr ihre Stärke und freundliche Konversationen erst recht nicht. Beim Essen lässt sie gar ein oder zweimal verlauten, dass es gut geschmeckt hat, was von Achim dann sogar gnädig zur Kenntnis genommen wird. Diantha versucht die Gedanken an ihre Zukunft zu verdrängen, die immer noch wie ein schwarzer Schlund vor ihr aufklafft. Wie soll mir Olyvar da schon helfen? Ich habe keine Ahnung, wie groß sein Einfluss ist und ob er überhaupt dazu bereit wäre, sich um meine Belange zu kümmern. Ich hasse es zu betteln! Vielleicht sollte ich Talyra einfach verlassen. Aber in welche Richtung? Ich kann doch nicht immer nur von einem Ort zum anderen ziehen, ohne irgendwelche Ziele, ohne irgendeinen Sinn im Leben. Verdammt noch mal: WAS SOLL ICH TUN? Sie versucht einfach in den Tag zu leben, solange sie noch auf dem Meer sind gibt es kostenlos genug zu essen und das stetige Schwanken des Schiffes ist äußerst angenehm.
Doch jede Fahrt ist einmal vorbei und so erblickt auch Diantha am zwölften Tag der Rückreise Talyra, eine Stadt, die ihr Leben auf den Kopf gestellt hat. Dort angekommen stehen sie erst einmal eine weile blöd rum, weil Olyvar mit Shyada in diesem Zustand nicht durch die Stadt gehen, was die Immerfrosterin schon irgendwie nachvollziehen kann, aber so wirklich begeistert ist sie davon nun auch wieder nicht. Erst überlegt sie, ob sie nicht einfach gehen soll, aber der Offizier hat sie gebeten doch noch mit in die Steinfaust zu kommen, vielleicht will er auf die Rettung noch anstoßen oder etwas in der Richtung. Also beobachtet sie höchst interessiert wie die Streirösser von einigen Rittern aus einem nahen Schiff auf den Pier geführt werden. Ja, ein Pferd, das wär doch mal was. Reiten hätte ich wirklich ganz gerne gelernt, aber das ist wohl nur was für reiche Leute.
Dann schließlich kommen ein paar Leute mit einer Sänfte betitel als "für die Frauen" und Diantha schaut Olyvar fassungslos an. Ja, erkannt werden möchte sie nicht unbedingt aber in einer Sänfte getragen werden? Das ja wohl noch viel weniger! Da kann er ihr erzählen was er will, sie ist doch keine reiche fette Dame, die durch die Gegend getragen werden muss! Solche Leute bestiehlt sie vielleicht, will aber sonst nichts mit ihnen zu tun haben. Dem Offizier scheint auch nicht allzu viel daran zu liegen sie dazu zu überreden, seine Sorge ist wohl hauptsächlich Shyada. Also geht Diantha einfach nebenher, mischt sich unter die Blaumäntel und beobachtet grinsend, wie die Menge sich vor ihnen teilt um den Wächtern der Steinfaust Platz zu machen. So lässt es sich leben!
In der Steinfaust angekommen herrscht eine ziemliche Aufregung, schließlich ist endlich der Lord Commander wieder da und hat gleich noch eine verwirrte, hübsche Frau im Schlepptau, um die sich gekümmert werden will. Plötzlich steht ein junger Kerl von vielleicht sechzehn Sommern in der blauen Rüstung der Steinfaust vor Diantha und bitte sie, ihm zu folgen. Etwas widerwillig folgt sie ihm dann auch in das riesige Gebäude hinein. Rauskommen ist bestimmt einfacher als reinkommen, Fenster gibt es hier ja im Überfluss, versucht sie sich zu beruhigen, doch es gelingt nicht so ganz. Doch der Teil den sie betreten wird zunehmend wohnlicher und Diantha stellt fest, dass dies wohl die Privatgemächer des Offiziers sein müssen. Überall um sie herum ist Pracht - von dem Teppichboden über die Türen bis zu den Säulen, alles ist von bester Qualität. Und Diantha fühlt sich neben all der Schönheit verdammt dreckig und unpassend. Der Wachmann bittet sie zu warten und verschwindet dann wieder, scheinbar hat Olyvar keine Wachen in seiner privaten Wohnung. Diantha tut für ein paar Minuten auch wie ihr geheißen, doch dann hält sie es nicht mehr aus und fängt an in der Gegend herumzustromern. Da hört sieht sie plötzlich die Tür hinter jemand zuklappen, der höchstwahrscheinlich Olyvar ist - sie sieht ihn nur von hinten, doch meint sie seinen Zopf zu erkennen. Dieser Vollidiot! Lässt mich in seinem Vorzimmer rumsitzen und läuft selbst vergnügt durch die Gegend! Ich dachte er würde sich umziehen oder sowas! Will er Eindruck schinden oder was? Ich WEIß dass er reich ist und ich nicht, dazu muss er mich nicht alleine rumsitzen lassen!
Verärgert pocht sie gegen die Tür und als sie etwas hört - klingt zwar nicht nach einem Herein! aber egal - reißt sie diese auch gleich auf. Sie hört nur die Worte: >"zuhause?"< und >"Mit di... mit Euch?"< aus Shyadas Mund und dreht sich abrupt um die eigene Achse. "Äh ... ich ... geh dann mal ... noch eine Runde", stottert sie dabei. Oh Gott, das wäre natürlich möglich! Dass die beiden verbändelt oder verwandt oder sowas sind, weshalb Olyvar sofort gesprungen ist, als es um sie ging! Dann lass ich die beiden sich doch besser aussprechen!

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 08. Feb. 2007, 09:38 Uhr
Zurück in der Steinfaust versammelt sich ihr kleiner Zug auf dem Inneren Zwinger und Olyvar schickt die Männer zurück in ihre Quartiere, während die Stallburschen ihnen die Pferde abnehmen. So gut es tut, nach Hause zu kommen und all die vertrauten, lächelnden Gesichter zu sehen, er hätte sich am liebsten sofort zurückgezogen. Notgedrungen muss er es jedoch Mattis überlassen, Shyada in den Westflügel zu bringen, da ihn in wenigen Augenblicken seine Offiziere, die Tor- und Zwingerwachen, sein Kastellan, der Oberste Kämmerer und eine Handvoll Botenkinder umringen und Willkommensgrüße, Fragen und Nachrichten oder Meldungen auf ihn abschießen wie Erbsen aus einem Blasrohr... das Los eines Lord Commanders, der sechs Wochen lang nicht in seiner Stadt war. Vor allem Rhordri schnauft um ihn herum wie eine Dampfwalze, rotgesichtig und graubärtig und bekommt sich schier überhaupt nicht mehr ein, ihn wohlbehalten zurück zu haben. Es dauert scheinbar endlos, bis er wenigstens das Wichtigste mit seinen Offizieren geklärt hat, der allgemeine Tumult sich legt und er den Männer begreiflich machen kann, dass er ganz bestimmt morgen wieder seinen Dienst aufnehmen und alle ihre Fragen beantworten würde, dass er jetzt aber unbedingt gehen muss, eine geruhsame Nacht noch und besten Dank auch. Er weiß genau, dass die Festung in einer Stunde summen würde wie ein Bienenstock vor lauter Nachrichten, Geschichten und Gerüchten... erst bricht der Lord Commander in einer Nacht und Nebelaktion mit einem talyrischen Kriegsschiff zu einem unbekannten Ziel auf und dann kehrt er nach wochenlanger Abwesenheit mit einer Sänfte und drei unbekannten Frauen zurück, von denen eine einer gewissen stadtbekannten Amazone verteufelt ähnlich sieht, auch wenn sie es ganz bestimmt nicht sein kann, schließlich trägt sie ein, wenn auch ein etwas mitgenommenes, Kleid. Seine Blaumäntel sind zwar keine großen Klatschweiber, aber sie können zwei und zwei zusammenzählen und in einer so großen Festung ist es unvermeidlich, dass über ein solches Ereignis auch gesprochen wird. Sollen sie reden, was sie wollen. Er würde morgen mit Vareyar, Colevar und Rhordri sprechen, ihnen das Nötigste erklären und die Männer würden Shyada in Ruhe lassen, das weiß er.

Als er nach einer halben Ewigkeit endlich aus den Klauen seiner Offiziere entkommt und in den Westflügel der Steinfaust hinaufsteigen kann, hopst Mattis ihm den langen Gang von dort schon entgegen, verkündet verschwörerisch flüsternd, dass Shyada oben sei und plappert dann grinsend, dass es wirklich schön sei, dass M'lord  wieder hier wäre, Feorna sei schwanger, den Kindern gehe es gut bei Morna, er habe sie jeden Tag besucht, die Katze sei ebenfalls trächtig – er habe sie jeden Tag gefüttert – und er sei so gut geworden mit dem Schwert, dass Vareyar ihn als Rekrut für die Indigogarde haben wolle, aber natürlich nur, wenn M'lord einverstanden wäre, und... Olyvar bricht den wirren Wortschwall irgendwann hilflos kopfschüttelnd ab und zaust dem jungen das dichte Haar. "Mattis, wir reden morgen über alles, ich muss mich jetzt um andere Dinge kümmern, aye? Aber sieh zu, dass man uns aus der Küche etwas zu essen heraufschickt." Der Junge nickt und eilt davon. Olyvar lauscht noch einem Moment seinen sich rasch entfernenden Schritten, die hörbar in dem langen, leeren Gang widerhallen und weiß, dass er Zeit schindet. Zehn Schritt vor ihm liegt die Tür aus eisenbeschlagener Steineiche, die in seine Gemächer führt. Er weiß, was ihn dort erwartet – niemand. Nur honigfarbene Möbel, azurianische Teppiche, Mondlilien und Regenfarn in glasierten Tonschalen, Laternen aus durchbrochenem Bronzedraht... und der Geruch nach grünen Äpfeln. Das warme Gefühl, nach Hause zu kommen, verwandelt sich in seinem Magen schlagartig in Essig. Sgaíleanabh. In den vergangenen sechs Wochen war es ihm bewundernswert oft gelungen, nicht an sie zu denken. Aber hinter dieser Tür warten die Räume, die sie eingerichtet hatte, die Dinge, die einst ihr gehört haben und das Bett, dass er mit ihr geteilt hatte... und zu viele Erinnerungen an ein Leben, das nicht mehr seines ist. Ifrinn! Das muss ein Ende haben! Olyvar holt tief Luft und betritt entschlossen den Westflügel. Er durchquert sogar den Vorraum mit seinem geschnitzten Alkoven und der Unmenge von Haken für Umhänge und Mäntel derart entschlossen, dass er Diantha, die auf einer der Bänke sitzt, nicht einmal sieht. Shyada steht vor dem kleineren Kamin an der rechten Längswand der Halle und fährt ziemlich erschrocken herum, als sie ihn hereinkommen hört. Sie öffnet ihren Mund halb, vielleicht um nach Luft zu schnappen, vielleicht auch, um ihr bisheriges Schweigen doch endlich zu brechen und schließt ihn augenblicklich unverrichteter Dinge wieder, als wäre ihr plötzlich etwas bewusst geworden.

Olyvar, der von ihren Gedanken nicht das Geringste ahnt, interpretiert ihr fast alarmiert wirkendes Stirnrunzeln und das traurige Lächeln, das kurz über ihr Gesicht huscht, prompt falsch, atmet hörbar ein und aus und fühlt sich plötzlich nur noch müde. Gedächtnis verloren? Das ich nicht lache... Schweigt mich zwei Siebentage lang an... genauso halsstarrig und stur wie eh und je. Fehlt nur noch, dass sie Jamar auch noch hinterher trauert... Ihre folgenden Worte unterbrechen seine selbstgerechten Gedanken allerdings ziemlich abrupt. >Bin ich hier zuhause?< Er will schon den Kopf schütteln, auch wenn die Steinfaust eine Weile wenigstens wohl so etwas wie ihr Zuhause war, doch ihre nächste Frage nimmt ihm vollends den Wind aus den Segeln. >Mit di... mit Euch?< Genau in diesem Moment steckt Diantha hinter ihnen ihren Kopf zur Tür herein und rettet ihn davor, etwas ganz bestimmt vollkommen Dämliches von sich zu geben. Sie hat Shyadas Worte jedoch wohl ebenfalls gehört, stammelt Unverständliches und dreht sofort wieder ab. Shya dagegen senkt den Kopf, starrt auf ihre Schuhspitzen, die unter dem Saum ihres Rockes hervorlugen, als seien dort die Geheimnisse Rohas verborgen und erwürgt mit ihrer linken Hand die Rechte und umgekehrt... und das wenige, was Olyvar von ihrer Nasenspitze und den Wangenknochen sehen kann, ist verdächtig rosa. "Ah... nein. Nein, keine Sorge. Diese Festung war vielleicht einmal so etwas wie dein Zuhause, aber das ist lange her und du hast nicht... mit mir hier gelebt." Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Dass ihr "Zuhause" eine verlassene, windschiefe Bretterbruchbude ein paar Tausendschritt vor der Stadt ist, durch deren Ritzen der Wind pfeift und in der niemand auf sie wartet? Hätte er sie dorthin bringen sollen? "Du warst einmal eine Späherin im Dienst der Steinfaust. Als Jamar dich entführt hat, hattest du meinen Dienst allerdings schon eine Weile verlassen. Als ich auf dem Schiff sagte, ich würde dich heim bringen, meinte ich damit Talyra – hier, in dieser Stadt, hast du gelebt. Vielleicht wirst du mir später einen Strick daraus drehen wollen, wenn du dich wieder erinnern kannst, aber dann kann ich zu meiner Verteidigung nur sagen: es ist das einzige Zuhause, das du je hattest, von dem ich weiß."

Olyvar schiebt Shyada, die verständlicherweise ziemlich verwirrt aussieht, sanft, aber nachdrücklich zu einem der Sessel, setzt sie hinein und hüllt sie in eine der weichen Decken. "Man bringt uns gleich etwas zu essen herauf und heißen Tee, wenn du willst." Er lässt sich selbst auf den Rand des Diwans fallen und streift seine Stiefel ab. "Ich habe genug freie Räume, in dem du wohnen kannst, so lange du hier bist. Falls du nicht mit mir unter einem Dach leben willst, jedenfalls eine Zeit lang, kann ich dich natürlich auch woanders unterbringen." Seufzend blickt er auf den immer noch gesenkten braunen Haarschopf  neben sich. Wenn sie nach ihrem eigenen Haus fragen würde, würde er sie nicht belügen... aber er würde es ihr auch nicht auf die Nase binden, wenn sie nicht danach fragt. Dafür ist später immer noch Zeit. "Shya, sieh mich an. Wenn ich dir etwas von dir erzählen soll, kann ich mich nicht mit deinem Scheitel unterhalten. Selainee ist im Branturm bei Maester Ballabar... das ist ein sehr alter und sehr weiser Mann. Ich weiß, du willst sie nicht um dich haben, und sie hat versprochen, ihrer Wege zu gehen, aber vorher will sie ihr Verhalten wirklich wieder gut machen, glaube ich. Sie zeigt Ballabar den Trank, den sie dir geben musste, und er wird etwas davon untersuchen. Vielleicht findet er ein Gegenmittel oder einen Weg, die Drogen gefahrlos abzusetzen. Er ist Heiler hier in der Steinfaust und wenn du das immer noch willst, wird er dir helfen, deine Erinnerungen wiederzuerlangen. Aber Shya... Lomie... tut mir leid, manchmal weiß ich wirklich nicht, wie ich dich anreden soll... es wird möglicherweise Wochen oder sogar Monde dauern."  Es ist ihr anzusehen, dass sie das alles erst einmal Verdauen muss, also nickt Olyvar nach einem Moment und steht auf. "Ich sehe kurz nach Diantha, ich bin bald wieder zurück. Du kannst hier bleiben so lange du willst, also..." beinahe hätte er gesagt: Fühl dich ganz wie Zuhause... "sieh dich ruhig um. Mattis kommt bestimmt bald mit dem Essen." Er lässt sie am Kamin, in dem wegen der frühsommerlichen Wärme allerdings kein Feuer brennt und verlässt seine Gemächer auf der Suche nach der Immerfrosterin.

Diantha ist rasch gefunden - sie tigert im Gang zum Westflügel umher wie eine Katze im Käfig. "Komm. Bevor du deiner Wege gehst, würde ich gern meine Schulden bezahlen." Er führt sie ein Stück den Gang hinunter, vorüber an den hohen Bogenfenstern, bis zu seinem Solar, vor dem wie stets zwei Wachen stehen, heute sind es Sal Leisetritt vom Fünften und der junge Toryk vom Ersten Trupp der Wächtergarde, und beide grinsen ihn an, als wäre er ein Jahr fort gewesen und nicht nur ein paar Wochen. "Rührt euch. Und dann verschwindet, ich brauche euch heute Abend nicht mehr." Olyvar nimmt Diantha mit in sein Solar, wo Pumquat noch über einem Pergamentstapel brütet, der dem Branturm an Höhe Konkurrenz machen könnte, nickt seinem Skriptorenkobold kurz zu, kramt dann in seinem Schreibtisch nach einer Geldkatze und zählt fünfzig Silberlinge hinein... den Sold eines einfachen Blaumantels und eine Gefahrenzulage. "Du hast zwar gesagt, du erwartest keinen Lohn, doch von Luft allein kann niemand leben. Ich weiß immer noch nicht, warum du dich dieser Rettungsaktion überhaupt angeschlossen hast, aber du musst mir auch keine Fragen beantworten." Er zuckt mit den Schultern. "Wir sind heil wieder hier. Freie Kost und Logis hattest du, aber du hast mir praktisch sechs Wochen lang wie ein Söldner gedient, und... warum letztlich auch immer...  du hast einiges dabei riskiert, also..." er reicht ihr die Geldkatze. "Das gehört dir. Es ist kein Vermögen, aber es wird eine Weile reichen."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 08. Feb. 2007, 17:02 Uhr
Wäre natürlich logisch, dass die beiden etwas miteinander haben... Aber letzten Endes ist mir das eigentlich herzlich egal, geht mich nichts an. Nervös geht Diantha den Gang entlang und fühlt sich nicht wirklich  wohl in einem Gebäude, das von einem riesigen Haufen von Stadtwachen umgeben ist. Verdammt, das ist ja fast wie im Gefängnis, nur schöner eingerichtet. Aber diese Wände - die halten auch schwersten Geschützen stand. Und sorgen dafür, dass man nicht raus kommt, wenn eine Tür erst mal abgeschlossen ist. Was mach ich hier eigentlich? Auf den Offizier der ganzen Geschichte warten! Wozu hat der mich hierher geschleppt? Um mir zu zeigen, wo ich reingerate, wenn er mich bei einer krummen Machenschaft erwischt? Na, das ist ihm gelungen!
Je länger die Immerfrosterin darüber nachdenkt, desto absurder erscheint ihr die ganze Situation. Es kommt ihr vor, als würde eine Ewigkeit verstreichen, bis Olyvar endlich aus dem Raum tritt und sie auffordert mitzukommen, nach seinem eigenen Wortlaut um seine Schulden zu bezahlen. Das irritiert Diantha nun vollkommen. Was für Schulden? Soll ICH meine Schulden bezahlen oder was? Ich habe doch nichts gut bei ihm, was soll das alles, ich versteh hier gar nichts mehr! Was will der von mir?
Er führt sie zu einem Gemach, vor dem zwei Wachen stehen. Vernehmungsraum? Alles nur das nicht! Aber wenn ich jetzt abhaue, dann haben sie mich gleich! Allerdings - ein Vernehmungsraum in seinen privaten Gemächern? Das passt doch nicht zu Olyvar - obwohl, er hat ja andererseits kein Problem damit, anderen Leuten Schmerzen zuzufügen... Gehetzt schaut sie sich um, sucht instinktiv nach dem besten Fluchtweg. Als sie hört, wie Olyvar die beiden Wachen wegschickt, fühlt sie sich immerhin etwas wohler. Der Raum sieht um einiges zu edel eingerichtet für einen Verhörraum aus, Dianthas Blick fällt auf einen Kobold, der in der einen Seite des Raumes sitzt und höchst beschäftigt wird und dann auf eine Ecke in der etwas steht, das höchstverdächtig nach einer Puppenwiege aussieht. Nicht ernsthaft? Hat Olyvar etwa Kinder? Der Gedanke ist mir auf der gesamten Reise nie gekommen! Eine merkwürdige Vorstellung aber gar nicht so absurd, irgendwie passt das sogar ein wenig zu ihm...
Während Diantha sich umschaut kramt Olyvar in einem breiten Schreibtisch und zieht eine Geldkatze hervor und zählt ganz genau fünfzig silbern schimmernde Geldstücke hinein. Dazu sagt er: > "Du hast zwar gesagt, du erwartest keinen Lohn, doch von Luft allein kann niemand leben."< Da sprichst du ein wahres Wort, aber was soll das jetzt werden? >"Ich weiß immer noch nicht, warum du dich dieser Rettungsaktion überhaupt angeschlossen hast, aber du musst mir auch keine Fragen beantworten."< Das wäre auch nicht so ganz einfach zu erklären... >"Wir sind heil wieder hier. Freie Kost und Logis hattest du, aber du hast mir praktisch sechs Wochen lang wie ein Söldner gedient, und... warum letztlich auch immer...  du hast einiges dabei riskiert, also..."< Bei diesen Worten drückt er der Immerfrosterin die Geldkatze in die Hand. >"Das gehört dir. Es ist kein Vermögen, aber es wird eine Weile reichen."< Ziemlich perplex starrt Diantha erst auf die Geldkatze, die schwer in ihren Händen liegt. Lange hat sie nicht mehr so viel Geld besessen - jedenfalls nicht auf einem Haufen. Wenn sie ernsthaft drüber nachdenkt nur ein einziges Mal und dafür musste sie zwei Jahre ihres Lebens bezahlen. Dann wandert ihr Blick zu dem Gesicht des Lord Commanders hoch, für den das alles ganz normal abzulaufen scheint. Er kann ja wohl nicht ernsthaft verlangen, dass ich das Geld ablehne...
"Danke", ist das erste, was sie über die Lippen bringt. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Jetzt soll ich mich bestimmt irgendwie verabschieden, damit er zurück zu Shyada kann - ähm wie sag ich das denn am Besten? Das wäre nicht nötig gewesen kriegt er von mir bestimmt nicht zu hören! Und dass ohne ihn das alles nichts geworden ist auch nicht, ich schmier ihm nachträglich bestimmt keinen Honig ums Maul!. "War eine ziemlich verrückte Geschichte. Ihr werdet schon dafür sorgen, dass Shyada wieder zu sich kommt", setzt sie ganz selbstverständlich vorraus. "Nun denn - wenn ihr meine Hilfe mal gebrauchen könnt, hört Euch um wo Ärger ist, da findet Ihr mich bestimmt", bei den Worten grinst sie schelmisch. Dann wird sie aber schnell wieder ernst, als ihr einfällt, dass sie Olyvar ja nach etwas fragen wollte. "Ich habe überlegt mir eine ... ernsthafte Anstellung zu suchen. Ihr habt nicht zufällig einen Rat, wo ich bei der Suche anfangen könnte?" Bei der Frage muss sie sich zusammenreißen um nicht nervös auf den Zehenspitzen zu wippen, sondern mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen zu bleiben, dafür wandert ihr Blick durch den Raum um ih nicht ansehen zu müssen und sich wie eine Bettlerin zu fühlen. Was ist nur aus mir geworden, ich wollte mir doch von niemandem mehr in meinen Kram reden lassen. Aber wäre es nicht dumm, ihn nicht zu fragen? Schließlich kennt er sich in Talyra so gut aus wie wohl kein Zweiter und auch wenn er jetzt sechs Siebentage nicht hier war, wird er wohl immer noch mehr Ahnung haben als der Normalbürger Bei dem Gedanken sieht sie ihm wieder ins Gesicht und in ihren kalten blauen Augen glimmt sogar etwas wie ein Hoffnungsschimmer, etwas, das noch nicht viele Leute in ihrem Blick erkennen konnten.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 09. Feb. 2007, 00:34 Uhr
Hätte Olyvar etwas von Dianthas wie immer sehr freundlichen Gedanken über ihn geahnt, er hätte vermutlich ernsthaft mit einem Lachen gekämpft. Dass Diantha in ihrem bisherigen Leben nicht das war, was man eine aufrichtige, gesetzestreue Bürgerin nennt, wusste er ja von Anfang an. Die Immerfrosterin schweigt allerdings beharrlich, als er sie mit in sein Solar nimmt, auch wenn sie durchaus beunruhigt wirkt. Olyvar, der voraus geht, spürt mehr als einmal deutlich ihren Blick im Rücken und kann sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. Schmor du ruhig ein wenig, kleiner Conasg. Als er ihr jedoch das Geld überreicht, ist ihr Gesichtsausdruck so ehrlich erstaunt, dass er ein leises Lachen beim besten Willen nicht mehr unterdrücken kann. >Danke< ist alles, was Diantha sagt und mehr hat Olyvar auch gar nicht erwartet. "Bitte," erwidert er also und klingt immer noch ein wenig amüsiert. >War eine ziemlich verrückte Geschichte,< fährt Diantha fort und fügt mit einer Zuversicht, die er dabei nicht im Geringsten empfindet noch hinzu: >Ihr werdet schon dafür sorgen, dass Shyada wieder zu sich kommt.<
"Aye, es war eine... ziemlich verrückte Geschichte," bestätigt er. Trotz des Sturms, der Flaute, ihrer zermürbenden Suche in Blurraent, der Tatsache, dass sie gegen ungefähr hundert Gesetze verstoßen hatten und des Gemetzels auf dem Waldweg... in den vergangenen sechs Wochen hatte es auch Augenblicke gegeben, die Olyvar nie vergessen würde und wenn er hundert Jahre alt werden sollte. Aswhang in ihrem Zirkuskleid etwa, oder Achim, der auf einem Stück Lavendelseife herumkaute, um "Faum for dem Maul fu bekommen". "Und was Shya angeht..." er zuckt mit den Schultern. "Ich werde mein Bestes tun."

Der Augenblick des Abschieds kommt, der Zeitpunkt, an dem man sich bei Zweckgemeinschaften wie der ihren für gewöhnlich vielleicht noch einmal die Hände schüttelt oder die Schultern klopft, und irgendwo in einem Winkelchen seines Inneren feststellt, dass es so übel eigentlich gar nicht einmal gewesen war, Dianthas nächste Worten lassen keinen Zweifel daran: >Nun denn - wenn ihr meine Hilfe mal gebrauchen könnt, hört Euch um wo Ärger ist, da findet Ihr mich bestimmt.< Olyvar will ihr gerade ebenso scherzhaft antworten, dass er das nicht hoffen will, als die junge Frau vor ihm plötzlich unschlüssig innehält und angestrengt in alle möglichen Richtungen blickt, aber nicht mehr in seine. >Ich habe überlegt mir eine ... ernsthafte Anstellung zu suchen. Ihr habt nicht zufällig einen Rat, wo ich bei der Suche anfangen könnte?<
"Was denn, neugierig auf die andere Seite geworden, caileag?" spöttelt er sanft. Jetzt sieht sie ihn doch an und in ihren Augen, irgendwo, gut verborgen zwischen Argwohn, zu viel Stolz und eiserner Verschlossenheit glimmt so etwas wie ein Fünkchen Hoffnung. Olyvar lehnt sich an seinen Schreibtisch. Er kann in ihren Augen sehen, dass sie es wirklich versuchen will, was er nicht weiß ist, was sie alles bereit ist dafür zu tun. "Du willst es wirklich, hm." Das ist eine Feststellung, keine Frage, also wartet er auch gar nicht erst auf eine Antwort. "Kannst du's? Dich ändern meine ich. Denn das wirst du tun müssen, wenn du dein Leben ändern willst. Es kommt nur auf dich an, Diantha. Im Grunde bist du nicht verkehrt, aber du bist eine beinahe noch größere Kratzbürste, als Shyada und das will wirklich etwas heißen."  

Olyvar dreht sich halb um und angelt nach der Weinkaraffe, die Pumquat auf dem Schreibtisch stehen hat, dann holt er zwei Becher aus dem Schrank, füllt sie und nickt zu dem Tisch unter dem hohen Bogenfenster hinüber. "Setz dich." Er balanciert die Weinkelche zum Tisch und lässt sich Diantha gegenüber in einen der ledergepolsterten Stühle fallen. "Götter im Himmel, ich brauche etwas zu Essen, ein Bad und ein Bett", knurrt er kaum hörbar. "Was kannst du denn? Ich meine außer mit Wurfsternen umgehen, Leuten die Taschen leeren, wenn sie nicht aufpassen, auf der Straße leben und erinnerungslose Amazonen aus der Gewalt von Kopfgeldjägern befreien?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 09. Feb. 2007, 17:46 Uhr
Mittlerweile kennt die Immerfrosterin Olyvar gut genug um eine spöttische Bemerkung zu erwarten, doch sie fällt noch vergleichsweise nett aus: >"Was denn, neugierig auf die andere Seite geworden, caileag?"< Sie quittiert den Spruch mit einem schiefen Grinsen, denn eigentlich treffen diese Worte grob zu. Ich will die andere Seite nicht kennenlernen, ich will zu ihr zurück! Raus aus dem Teufelskreis der letzten Jahre, der mich nur immer und immer tiefer in die Probleme reingezogen hat, mich immer mehr zu dem hat werden lassen, was ich jetzt bin - und was ich abgrundtief hasse! So kann mein Leben einfach nicht bleiben! Mit seinem Gespür für Menschen stellt Olyvar sehr treffend fest: >"Du willst es wirklich, hm."< Er scheint keine Antwort zu erwarten, so nickt Diantha nur kurz. Ernsthaft hört sie dem zu, was er daraufhin sagt: >"Kannst du's? Dich ändern meine ich. Denn das wirst du tun müssen, wenn du dein Leben ändern willst. Es kommt nur auf dich an, Diantha. Im Grunde bist du nicht verkehrt, aber du bist eine beinahe noch größere Kratzbürste, als Shyada und das will wirklich etwas heißen."<
"Ich weiß, dass ich mich meistens nicht so verhalte, wie es als freundlich gilt. Aber auch ich bin ein Mensch ... ich muss wieder lernen mich wie einer zu verhalten." Und das dürfte schwer werden! Ich hab mich zu lange verhalten wie ein verletzter Hund, der nach jeder Hand beißt, die ihm entgegenhalten wird, selbst wenn sie ihm nur helfen wollte! Nicht alle anderen sind schlecht, was dieses Abenteuer eindeutig bewiesen hat - aber vertrauen fällt so schwer! Woher um alles in der Welt soll ich wissen, dass ich nicht wieder verletzt und verraten werde?
Olyvar währenddessen hat sich abgewendet und hantiert mit irgendetwas herum, lässt sie mit ihren Gedanken alleine, was sie ihm hoch anrechnet, so kann sie sich über das klar werden, was sie ihm antworten soll. Er nimmt mich tatsächlich ernst..., stellt sie fest und bemerkt, dass es das war, weshalb sie ihn nicht gefragt hat. Die Angst davor, dass er sagt: Das ist dein Problem, geht mich nichts an. Denn auch wenn Diantha diese Reaktion schon öfters erlebt hat und mittlerweile damit umgehen kann, es versetzt ihr doch jedes Mal einen Stich - und beweist, dass sie allein auf der Welt ist. Doch diesmal nicht! Diesmal hört man ihr zu, nimmt sie ernst. Sie, eine einfache Diebin und noch dazu eine Kratzbürste, wie er es nannte! So folgt sie auch gleich seiner Aufforderung, als er zu einem Tisch nickt und "Setz dich" sagt. Es sind gute Stühle, das Leder mit dem sie bezogen sind, riecht genau richtig. Doch einen noch besseren Geruch verströmt der Wein aus den hohen Weinkelchen, die Olyvar zum Tisch trägt. Er lässt sich auf den gegenüberliegenden Stuhl fallen und grummelt etwas Unverständliches - hat vermutlich etwas damit zu tun, dass heute ein langer Tag war und trotzdem immer noch jemand etwas von ihm will. Dann richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf Diantha. >"Was kannst du denn? Ich meine außer mit Wurfsternen umgehen, Leuten die Taschen leeren, wenn sie nicht aufpassen, auf der Straße leben und erinnerungslose Amazonen aus der Gewalt von Kopfgeldjägern befreien?"<
"Das ist doch schon einiges!", antwortet die Immerfrosterin, wie um sich zu verteidigen, doch dann seufzt sie. Er will dir helfen, verdammt! Dann solltest du wohl mal aufhören herumzufauchen und nett zu ihm sein, sonst schmeißt er dich gleich hochkant raus! "Es tut mir leid, Ihr ... Ich ... meine Familie ..." Hör auf zu stottern verdammt, wo ist denn dein Stolz? Sie holt tief Luft und versucht sich zu beruhigen. "Ich war nicht immer so wie jetzt", bringt sie dann hervor und greift nach einem der Kelche, als wolle sie sich daran festhalten. "Die Straße wurde erst mein Zuhause als Sithech meine Familie und fast das ganze Dorf zu sich geholt hat." Wieder unterbricht sie sich, schaut aus dem großen Fenster. Kein "Mögen sie in Frieden ruhen". So viel hat sie noch nie über sich preisgegeben und wenn sie noch mehr sagt, wird die ganze Mauer, die sie zwischen sich und der Welt gebaut hat, in sich zusammen brechen und offenbaren, was sie wirklich ist: Ein wütendes, trauerndes kleines Mädchen, das weiß, dass ihr Vater sie verprügeln würde, wenn er wüsste was sie aus ihrem Leben gemacht hat. Ein verletztes Etwas, das Angst vor seinen Mitmenschen hat und sich selbst verachtet.
Sie nimmt einen Schluck Wein und fährt fort: "Mein Vater war ein recht guter Jäger. Von ihm habe ich einiges gelernt, auch wenn er hauptsächlich Bauer war kannte er sich mit Fellen und Pelzen aus, man braucht sie in Immerfrost zum Überleben... Und früher mochte ich nichts lieber als mich stundenlang mit den kleinen Kindern zu beschäftigen..." ... bis ich sie dann nacheinander sterben sah, jede dieser kleinen, unschuldigen Seelen..., dieser Gedanken zaubert ihr einen harten Zug um den Mund, der aber bei den zahlreichen schönen Erinnerungen an ihre Kindheit und frühe Jugend wieder weich wird. "Wisst Ihr, sie durchschauen jede Maske und erkennen den Kern des Menschen", bei diesen Worten wird ihr Gesicht immer offener, plötzlich zeigt sie eine Seite an sich, die wohl kaum jemand an ihr vermutet hätte: Ihr Blick ist voller Zärtlichkeit, das Gesicht offen und freundlich. "Und sie sind ehrlich, meinen immer, was sie sagen." Ja, das haben sie uns Erwachsenen weit vorraus. "Außerdem können sie in jeder Kleinigkeit ein Wunder entdecken und lassen sich so leicht begeistern: Ein bunter Vogel oder eine neue Puppe und ihr Gesicht erstrahlt wie tausend Sonnen..." Plötzlich unterbricht sie sich und ihre Miene versteinert sich wieder, alles was sie gerade für wenige Momente herausgelassen hat, wird wieder vollständig hinter die Mauer gespeert und ihr Blick wird wieder kalt. "So war es und dann verliert man alles, was man liebt und fällt. Keiner ist da um einen aufzufangen und so fällt man weiter"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 17. Feb. 2007, 13:59 Uhr
Das Warten auf die Antwort ihrer Frage dauert länger als ihr lieb ist, da Diantha kurzzeitig mal einen Blick bei ihnen rein wirft, aber sich stotternd gleich wieder verdrückt.  Auch wenn sie im ersten Impuls hinsehen wollte, wagt sie es nicht den Kopf zu heben, da ihr die zuvor gestellten Fragen noch immer unangenehm sind. Sie weiß so vieles nicht und doch würde sie nicht drum herum kommen, nach Dingen zu fragen, deren Antwort sie vielleicht lieber nicht hören möchte. Olyvar könnte auch einfach von sich aus etwas erzählen, aber sie weiß ja selber nicht einmal, was sie noch weiß, woher soll er dann also ahnen, wo er ansetzen könnte? Ein leises enttäuschtes Seufzen kommt über ihre Lippen. >"Ah... nein. Nein, keine Sorge. Diese Festung war vielleicht einmal so etwas wie dein Zuhause, aber das ist lange her und du hast nicht... mit mir hier gelebt."< Etwas an der Betonung der Worte lässt sie aufblicken. Es war einmal ihr Zuhause. Wenn sie nicht mit Olyvar hier gelebt hat, dann vielleicht mit jemand anderes? Jemand der jetzt tot ist, weswegen sie dem Leben hier den Rücken zugekehrt hatte? Ein dumpfes, noch kaum merkliches Pochen taucht hinter ihrer Stirn auf und deutet hartnäckig an, dass es schlimmer werden würde. Wie sollte sie sich jemals erinnern können, wenn jedes Mal, wenn sie etwas neues erfährt sich tausend neue Fragen stellen?
>"Du warst einmal eine Späherin im Dienst der Steinfaust. Als Jamar dich entführt hat, hattest du meinen Dienst allerdings schon eine Weile verlassen. Als ich auf dem Schiff sagte, ich würde dich heim bringen, meinte ich damit Talyra – hier, in dieser Stadt, hast du gelebt. Vielleicht wirst du mir später einen Strick daraus drehen wollen, wenn du dich wieder erinnern kannst, aber dann kann ich zu meiner Verteidigung nur sagen: es ist das einzige Zuhause, das du je hattest, von dem ich weiß."< Wieder erfährt sie Details, die doch nichts sagend bleiben oder sich zumindest keinem Zusammenhang fügen wollen. Talyra ist also mein Zuhause? Angeblich... er weiß ja nicht, ob ich noch woanders eins habe. Ein trauriges Lächeln huscht über ihre Lippen. Weiß Olyvar vielleicht doch nicht soviel über sie? Unwillkürlich wandert ihr Blick zu den Fenster, die außer Dunkelheit und gelegentlich von Fackeln erhellte Schemen nicht viel preisgeben. Wann immer Olyvar ihr mehr erklärt, deutet er an, dass sie wohl das eine oder andere Problem miteinander haben, aber warum ist sie dann hier? Warum hat er ihr geholfen, wenn er sich doch so sicher ist, dass sie ihm später, sollte sie sich je erinnern, Vorwürfe machen würde? Sie hat ja noch nicht einmal eine Ahnung, ob sie oder er der Grund für dieses Zerwürfnis ist, woher soll sie dann wissen, ob sie dann diesen Teil der Erinnerung wiedererlangen möchte?

So in Gedanken versunken, bemerkt sie gar nicht, dass Olyvar plötzlich neben ihr steht und zuckt leicht zusammen, als sie seine Hand im Rücken spürt. Widerstandslos folgt sie seiner unausgesprochenen Aufforderung und lässt sich von ihm zum Sessel dirigieren. Die Decke verspricht ein wenig Schutz und Halt, hilft aber wenig, dass nicht enden wollende Chaos hinter ihrer Stirn zu beruhigen, geschweige denn zu sortieren. Vielleicht sollte sie einfach gehen, vergessen, dass sie nicht weiß was früher war und irgendwo, wo sie hoffentlich niemand kennt, ein neues Leben anfangen? Aber wenn sie sich nicht erinnert, woher soll sie dann wissen, wo ein solcher Ort sein  kann? > "Man bringt uns gleich etwas zu essen herauf und heißen Tee, wenn du willst."< Sie nickt schwach und leicht abwesend. Seine folgenden Worte nimmt sie auch nur halbherzig war, da sie immer noch versucht ist, ihre eigenen Gedanken zu sortieren. Ein recht hoffnungsloses Unterfangen, aber das einzige, was sie im Moment tun kann. Hier schlafen? Oh... Sie wüsste nicht, welche Alternativen sie hätte. Er bietet ihr zwar an, sie woanders unterzubringen, aber trotz aller Verwirrung scheint Olyvar momentan die einzige Verbindung zu früher zu sein. >"Shya, sieh mich an. Wenn ich dir etwas von dir erzählen soll, kann ich mich nicht mit deinem Scheitel unterhalten.< Nur zögernd folgt sie der Anweisung und versucht seinem Blick standzuhalten. Seine Augen blicken sie so brutal offen und ehrlich an, dass ihr fast schwindlig wird, weil sie dadurch unweigerlich das Gefühl hat, dass sie der Grund für möglichen Ärger war und sein wird. Könnte man als Späherin viel schlimmes anstellen? Wieso war sie überhaupt eine Späherin? Sie kann ja noch nicht einmal allein drei ordentliche Schritte mit einem Kleid gehen. >“Er ist Heiler hier in der Steinfaust und wenn du das immer noch willst, wird er dir helfen, deine Erinnerungen wiederzuerlangen. Aber Shya... Lomie... tut mir leid, manchmal weiß ich wirklich nicht, wie ich dich anreden soll... es wird möglicherweise Wochen oder sogar Monde dauern."<  Ist doch egal, hätte sie einem ersten Impuls folgend beinahe gesagt. Sie weiß nicht, wie sie heißt, also könnte er ihr auch einen vollkommen anderen geben. „Wenn Ihr wisst, wie ich heiße, dann nennt mich doch einfach so... also Shyada oder Shya.“ Sie zuckt etwas unbeholfen mit den Schultern, da der Name ihr genauso wenig vertraut vorkommt, wie es Liomie mittlerweile tut. Dass es allerdings so lange dauern könnte, bis sie sich wieder erinnert, geschweige denn das Mittel nicht mehr einnehmen braucht, was ihr den ganzen Schlamassel eingebrockt hat, verstört sie zusehends. Wie sollte sie diese ganze Zeit hinter sich bringen, wenn sie schon die zwei vergangenen Wochen so aus der Bahn werfen? Würde Olyvar sie überhaupt solange ertragen und nicht kurzerhand seine Versprechungen über Bord werfen? Immerhin scheint er ein wichtiger Mann in der Kaserne und wohl auch in der Stadt zu sein. >"Ich sehe kurz nach Diantha, ich bin bald wieder zurück. Du kannst hier bleiben so lange du willst, also... sieh dich ruhig um. Mattis kommt bestimmt bald mit dem Essen."< Sie nickt und versucht sich mit einem schüchternen, aber auch unsicheren Lächeln, vorerst zu bedanken und sieht ihm hinterher, als er das Zimmer verlässt. Das Schließen der Tür gibt ihr das Gefühl verlassen zu sein und beinahe hätte sie dem Drang nachgegeben den aufsteigenden Tränen nachzugeben. Wenn ich nicht hierher gehöre, wohin dann?

Ihr Blick ist leicht verschwommen, als sie sich abermals in dem großen Raum umsieht. Vermutlich würde sich jeder der hier zu Besuch wäre wohl fühlen, doch sie selbst fühlt sich einfach nur vollkommen fehl am Platz. So als würde sie ein Störenfried sein, der das geordnete Leben anderer einfach durcheinander würfelt und es noch nicht einmal wieder gut machen kann. Olyvar hatte seine Stiefel ausgezogen und plötzlich erscheint ihr das ebenfalls eine sehr gute Idee zu sein. Irgendwo unter dem Stoff ihres Kleides findet sie die Schnürung ihrer Stiefel und befreit ihre Füße aus der Enge, nur um sie sogleich wieder unter dem Kleid zu verstecken und sich auf dem Sessel zu einer Kugel zusammen zu rollen. Die Decke vollkommen um sich geschlungen, guckt nur ihr Kopf oben heraus und betrachtet mit verschwommenen Blick weiterhin die ganzen Gegenstände, die den Raum so liebevoll ausschmücken. Ein schwaches erfreutes Lächeln legt sich auf ihr Gesicht, da sie sich kaum vorstellen kann, dass Olyvar das Zimmer so eingerichtet hat. Dann jedoch erstirbt es wieder. Was wenn seine Gefährtin hier auftauchen und sie hier finden würde? Würde sie dadurch nicht auch wieder Ärger provozieren? Prompt hört sie ein Türknarren, doch es nur wieder der Junge von vorhin, der ins Zimmer spaziert kommt und ein Tablett vor sich herbalanciert. „Oh, bist du Mattis?“ Er nickt grinsend und stellt das Tablett unweit von ihr auf dem Tisch ab. „Ja, Ma’am.“ Mattis scheint im Moment die Glückseligkeit pur zu sein und hört gar nicht mehr auf zu strahlen, so dass er Liomie augenblicklich damit ansteckt. „Ihr habt Olyvar vermisst oder?“ Eifriges Nicken bestätigt ihre Frage, während er die Teller, Bretter und Becher samt Inhalt vom Tablett auf den Tisch umlagert. Urplötzlich von schlechtem Gewissen geplagt, drückt sie sich tiefer in den Sessel. Wegen ihr war Olyvar wohl sehr lange fort gewesen und das obwohl sie ihm wohl nie etwas gutes getan hatte. „Hast du mich auch gekannt?“ Mattis blickt erst verwundert auf, nickt dann aber erneut. „Ja, jeder hier.“ Auch wenn er noch immer lächelt, schleicht sich ein beunruhigter Ausdruck in sein Gesicht. Es erscheint ihr leichter mit dem Jungen zu reden und doch wagt sie es nicht ihn zu fragen, ob sie ein guter oder schlechter Mensch ist. Immer mehr deutet darauf hin, dass sie wohl kein allzu guter Umgang war und doch wird sie von niemanden ignoriert oder beschimpft.  „Ich... danke“ murmelt sie daher nur leise mit einem Blick auf das Essen und lächelt Mattis kurz an. Der Junge arrangiert das Essen auf dem Tisch, so wie man es ihm wohl beigebracht hat und verlässt das Zimmer dann wortlos. Liomie hat derweil den Kopf seitlich auf die Knie gelegt und sieht wieder zum dunklen Fenster. Sie verspürt zwar leichten Hunger, mag so recht aber nichts essen und überhaupt erscheint es ihr höflicher zu warten. Wenn sie irgendwann wieder böse sein würde, dann könnte sie sich zumindest jetzt noch benehmen.

Den ganzen Tag war auf dem Schiff Lärm zu hören. Nirgends hatte man eine einzige ruhige Minute, doch abends war es so leise gewesen, dass nur das gelegentliche Plätschern der Wellen einen daran erinnerte wo man war. Auch hier in der Kaserne, ist es plötzlich so ruhig, das es schwer fällt zu glauben, dass sich hier dutzende Gardisten, Diener, Angestellte und vielleicht sogar Gefangene befinden. Gelegentlich dringen leise Rufe an ihr Ohr, doch diese werden größtenteils von den Mauern verschluckt und könnten auch reine Einbildung sein, weil sie sich einfach zu sehr darauf konzentriert etwas zu hören. Der Gedanke jetzt wirklich in ihrem richtige Zuhause zu sein ist verlockend. Sie weiß, dass dem nicht so ist. Vielleicht wohnt sie dort draußen in einem der zahlreichen Häuser dieser Stadt, doch für den Moment ist es ihr egal. Die Augen geschlossen lauscht sie ihrem eigenen Atem und dem Schlagen ihres Herzens. Selbst das unangenehme Pochen hinter ihrer Stirn und die konfusen Gedanken sind für eine Weile vergessen. Alles was sie im Augenblick möchte, sie die Ruhe genießen, denn es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass sie vollkommen allein ist und ihr niemand in der Nähe vorschreibt, was sie zu tun hat. Sie weiß, dass es eine trügerische Ruhe ist und jeden Moment wieder jemand durch die Tür kommen wird, aber es hilft sich ein stückweit zu beruhigen und auch die Angst an die Erinnerungen zu verdrängen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 18. Feb. 2007, 12:58 Uhr
Im Solar des Lord Commanders


>Das ist doch schon einiges!< kommt prompt die fast schon entrüstete Antwort auf seine Frage, und Olyvar hebt beide Hände, die Handflächen nach außen. "Friede," grinst er. "Es ist einiges. Nur vielleicht nicht ganz das, was du für eine... hm, ernsthafte Anstellung braucht, aye?" Doch so rasch der Ausbruch kam, so schnell hat Diantha sich wieder in der Gewalt... oder vielleicht auch nicht, denn schon mit ihren nächsten Worten bröckelt die Selbstbeherrschung des Mädchens erneut, diesmal jedoch in eine ganz andere Richtung, als ihres üblichen, scharfzüngigen Verteidigungsverhaltens.
>Es tut mir leid, Ihr ... Ich ... meine Familie ...< Beginnt sie fahrig, bricht wieder ab und atmet ein paar Mal tief durch. Olyvar wartet schweigend, gibt ihr Zeit, sich zu sammeln und nimmt einen Schluck Wein. >Ich war nicht immer so wie jetzt,< erklärt Diantha schließlich und diesmal klingt eindeutig Schmerz in ihrer Stimme mit... und noch etwas anderes, das Olyvar im ersten Moment nur für Ärger hält, bis ihm klar wird, was es wirklich ist: Selbstverachtung. >Die Straße wurde erst mein Zuhause als Sithech meine Familie und fast das ganze Dorf zu sich geholt hat.<
"Tha mi duilich," murmelt er und leert seinen Kelch. Das tut mir leid. Er weiß, dass seine Worte bestimmt kein Trost sind, aber sie sind aufrichtig gemeint und Diantha nickt auch nur grimmig und nimmt einen Schluck aus ihrem Becher. Der Wein ist dunkel wie alte Eiche, schwer und samtig, und zweifellos gut, aber ebenso stark. >Mein Vater war ein recht guter Jäger. Von ihm habe ich einiges gelernt, auch wenn er hauptsächlich Bauer war kannte er sich mit Fellen und Pelzen aus, man braucht sie in Immerfrost zum Überleben...<, fährt sie fort und kramt in ihrer Vergangenheit nach möglichen Fähigkeiten auf der Suche nach irgendeinem Weg, sich selbst mit ehrlichem Handwerk zu ernähren. Gerberin. Olyvar starrt auf die dunkle Flüssigkeit in seinem Kelch und lächelt bitter. Unwissentlich hat Diantha mit der Erwähnung von Fellen und Pelzen ein paar Erinnerungen aufgescheucht, die er wirklich lieber im Dunkeln gelassen hätte. Seine Frau war Gerberin gewesen und niemand hatte weicheres Leder hergestellt, als Kizumu, auch wenn sie in den letzten Jahren nur noch selten Auftragsarbeiten angenommen hatte. Er nimmt einen weiteren Schluck Wein und setzt den Becher dann kurz entschlossen ab. Götter im Himmel, das ist jetzt doch völlig unwichtig!

Dianthas nächster Satz lässt ihn überrascht eine Braue heben. >Und früher mochte ich nichts lieber als mich stundenlang mit den kleinen Kindern zu beschäftigen...<  "Mit Kindern?" Echot er mehr als nur ein wenig erstaunt, und Diantha sieht ihn an, als wolle sie sagen: 'Das hättet Ihr wohl nicht gerade vermutet', womit sie auch durchaus Recht hat. Es fällt ihm wirklich schwer, sich die wurfsternschwingende Immerfrosterin mit der großen Klappe und dem leicht reizbaren Gemüt umgeben von kleinen Kindern als geduldige Aufpasserin vorzustellen, aber was weiß er schon von ihr, außer dem, was sie bisher bereit war, der Welt zu zeigen? Nichts, also sei nicht ungerecht. Noch mehr als ihre Worte allerdings, überrascht ihn die erstaunliche Wandlung, die sich in ihrem sonst stets so verbissenen Gesicht vollzieht. Alles Harte, Unnahbare weicht aus ihren Zügen und ihre Augen sind sehr groß uns sehr offen... und so blau wie ein Stück Sommerhimmel. >Wisst Ihr, sie durchschauen jede Maske und erkennen den Kern des Menschen. Und sie sind ehrlich, meinen immer, was sie sagen.<
Olyvar kann gar nicht anders, als zu lächeln. "Ja, das tun sie allerdings." Vor seinem Aufbruch erst hatte Connavar, sein damals neunzehn Monde alter Sohn, ihm in einer radebrechenden Mischung aus talyrischer Allgemeinsprache und Tamar versichert, er sehe ganz fürchterlich aus mit Bart, aber er möge ihn trotzdem. >Außerdem können sie in jeder Kleinigkeit ein Wunder entdecken und lassen sich so leicht begeistern: Ein bunter Vogel oder eine neue Puppe und ihr Gesicht erstrahlt wie tausend Sonnen...< Diantha verstummt abrupt und reißt die Maske so unvermittelt wieder an sich, wie sie sie hatte fallen lassen. Doch obwohl sie zuschnappt wie eine Auster, die fürchtet, bereits viel zu viel von sich preisgegeben zu haben, setzt sie noch hinzu: >So war es und dann verliert man alles, was man liebt und fällt. Keiner ist da um einen aufzufangen und so fällt man weiter.<
Olyvar schweigt. Er hat nicht mehr ihr Gesicht vor Augen, sondern ein anderes, ein Gesicht mit schrägen, graublauen Katzenaugen, hohen, breiten Wangenknochen und Grübchen so groß wie Kupferlinge in den Wangen. Er riecht nicht mehr das Leder der holzgeschnitzten Sessel, in denen sie sitzen und den fruchtigen Geruch des schweren Weines in seinem Kelch, sondern den Duft von grünen Äpfeln.
...und dann verliert man alles, was man liebt und fällt. Keiner ist da um einen aufzufangen und so fällt man weiter.

"Ja, ich weiß," murmelt er heiser und ballt die Rechte zur Faust. Er hatte zu Kizumu gesagt: Wenn du das nicht weißt, dann frag nicht mich was du tun sollst.  Wenn du gehen musst, dann geh... aber mach mir nichts vor. Und mach dir selbst nichts vor. Er hatte sie freigegeben und sie war gegangen... und obwohl sie nüchtern betrachtet wohl einfach nicht die Richtigen füreinander gewesen waren, es hatte ihnen trotzdem das Herz gebrochen. Oh ja, er weiß, wie es ist, alles zu verlieren, das man liebt und dann zu fallen... und zu fallen... und zu fallen. "Diantha, wie alt bist du eigentlich?" Fragt er schließlich aus einem Impuls heraus und ein vages Lächeln huscht über sein Gesicht. "Ich gebe zu, ich habe so meine Schwierigkeiten damit, mir dich als Kinderfrau vorzustellen, aber wie der Zufall es will, ist meine Magd schwanger und muss in nächster Zeit wohl kürzer treten. Ich hätte da also mehr oder weniger eine Stelle frei... allerdings weiß ich nicht, ob dir das wirklich liegt und ich will ehrlich sein – um dir meine Kinder anzuvertrauen, muss ich einfach noch mehr von dir wissen. Vor allem aber müssen die beiden dich mögen. Wenn dir zwanzig Monde alte Zwillinge zuviel sind oder du dich nicht gleich ins unvertraute Feindesland häuslichen Kleinkinderalltags stürzen willst, eine halbwegs fähige Jägerin können die Späher der Steinfaust immer brauchen – aber da hat Kaney, ihr Hauptmann, das letzte Wort. So oder so, wenn du es wirklich ernst meinst, wenn du bereit bist, an dir zu arbeiten, wenn du deine Vergangenheit hinter dir lassen und ein neues Leben beginnen willst, dann habe ich Arbeit für dich."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 18. Feb. 2007, 21:57 Uhr
Was - was habe ich getan? Vollkommen verwirrt schaut Diantha auf den Weinkelch hinab. Ich wollte doch nie wieder den Fehler begehen, jemandem zu vertrauen! Verdammt, was habe ich da nur gemacht? Als ihr Blick zögernd wieder zu ihrem Gegenüber wandert, stellt sie fest, dass der Lord Commander durch sie hindurch blickt, als sähe er jemand anderen als sie vor sich. Ihre letzten Worte scheinen ihn mehr zu treffen, als die Immerfrosterin es jemals für möglich gehalten hätte. Verwundert legt sie den Kopf leicht schief und mustert ihn. Schließlich murmelt er mit belegter Stimme: <"Ja, ich weiß"> Dann erst fällt bei Diantha der Groschen. Er scheint Kinder zu haben, aber warum war hier keine Frau um ihn zu begrüßen? Warum sollte ein Mann wie er alleine sein? Sein Blick scheint Trauer, Wut und Schmerz zu gleichen Teilen zu vereinen und er scheint in Erinnerungen zu versinken.
Doch plötzlich fragt er: >"Diantha, wie alt bist du eigentlich?"< Irritiert schaut sie ihn an, dann überschlägt sie grob die Jahre. "Ich habe aufgehört zu zählen. Wohl so um die zwanzig Zwölfmonde..." Ihr Gesicht drückt Gleichgültigkeit aus. Ich weiß ja nicht mal so genau, wann ich geboren wurde, irgendwann im Winter, wenn man in Immerfrost kaum genug zu essen hat um zu feiern. Sein Lächeln ist unergründlich und über die Worte, die er danach von sich gibt, ist Diantha mehr als nur überrascht: >"Ich gebe zu, ich habe so meine Schwierigkeiten damit, mir dich als Kinderfrau vorzustellen, aber wie der Zufall es will, ist meine Magd schwanger und muss in nächster Zeit wohl kürzer treten. Ich hätte da also mehr oder weniger eine Stelle frei... allerdings weiß ich nicht, ob dir das wirklich liegt und ich will ehrlich sein – um dir meine Kinder anzuvertrauen, muss ich einfach noch mehr von dir wissen. Vor allem aber müssen die beiden dich mögen. Wenn dir zwanzig Monde alte Zwillinge zuviel sind oder du dich nicht gleich ins unvertraute Feindesland häuslichen Kleinkinderalltags stürzen willst, eine halbwegs fähige Jägerin können die Späher der Steinfaust immer brauchen – aber da hat Kaney, ihr Hauptmann, das letzte Wort. So oder so, wenn du es wirklich ernst meinst, wenn du bereit bist, an dir zu arbeiten, wenn du deine Vergangenheit hinter dir lassen und ein neues Leben beginnen willst, dann habe ich Arbeit für dich."<
Einen Moment sieht die Immerfrosterin ihr Gegenüber lauernd an, als würde sie auf irgendetwas warten, doch es kommt kein "aber dafür musst du dies und jenes für mich tun" oder "dann stehst du für immer in meiner Schuld". Als immer noch kein Zusatz, keine Einschränkung, keine Bedingung fällt, schleicht sich ein ungläubiges Lächeln auf ihr Gesicht. "Einfach so?", fragt sie, doch es ist mehr eine rhetorische Frage. Einen Moment hüllt sie sich in Schweigen und grübelt sie, das Angebot ist doch mehr als überraschend und unerwartet.
"Ich kann verstehen, dass Ihr mir nicht sofort Eure Kinder überlassen wollt, das würde wohl keine Mutter und kein Vater in Talyra mit großer Begeisterung tun. Aber wenn Ihr sagt, dass eure Magd gerade erst schwanger ist - dann kann ich ihr vielleicht ein wenig unter die Arme greifen", Diantha schaut fragend, als wäre sie sich selbst noch nicht so ganz sicher, ob das wirklich so eine gute Idee ist, was sie da vorschlägt. "Wisst Ihr, an ein Leben als Jägerin könnte ich mich gewiss leicht gewöhnen. Aber wenn ihr HIER arbeite, hier in diesen Gebäuden, dann kann ich nicht wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen, weil mir immer bewusst ist, wo ich dann lande. Hier habe ich jede Menge Aufpasser und kann mir nicht erlauben etwas Unrechtes zu tun. Allein im Wald hätte ich das nicht..." ... und wieder jede Menge Zeit zum Grübel und um mir Vorwürfe zu machen und DAS will ich ganz sicher nicht! "Es ist Eure Entscheidung, aber dafür dass Ihr mir überhaupt die Möglichkeit gebt neu anzufangen, möchte ich Euch danken", ihre Worte klingen etwas gepresst, als würden sie sich ungewohnt in Dianthas Mund anfühlen, doch der Blick der Immerfrosterin ist nicht nur ernst, sondern auch von ehrlicher Dankbarkeit erfüllt. " Kiitos sinulle!" Ihre Muttersprache fühlt sich in diesem Zusammenhang so viel besser und ehrlich an, als es die Allgemeinsprache jemals könnte. Es ist mehr als nur eine Sprache, es ist ein Gefühl und teil ihres Ichs - ihres ehrlichen Ichs. In meiner Muttersprache habe ich nie gelogen, geistert es in ihrem Bewusstsein herum, doch dann schaut sie in Olyvars graue Augen, nimmt sich mit der ihr eigenen Sturheit vor, seinem Blick diesmal stand zu halten, komme was da wolle und wartet auf seine Antwort.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 20. Feb. 2007, 21:21 Uhr
Für eine Weile wird Dianthas Miene so angespannt, als warte sie auf irgendetwas Bestimmtes, doch als er sie einfach nur ansieht, erhellt sich ihr Gesicht verblüfft. >Einfach so?< Echot sie und klingt ziemlich perplex. "Wie denn sonst?" Erwidert Olyvar ungerührt und lächelt insgeheim über ihre Verwunderung. "Normalerweise verlange ich von meinen Kindermägden nicht erst, dass sie einen Feuerdrachen töten, aber wenn du drauf bestehst..."
Dianthas Antwort ist ein indigniertes kleines Schnauben, doch sie wird rasch wieder ernst. >Ich kann verstehen, dass Ihr mir nicht sofort Eure Kinder überlassen wollt, das würde wohl keine Mutter und kein Vater in Talyra mit großer Begeisterung tun. Aber wenn Ihr sagt, dass eure Magd gerade erst schwanger ist - dann kann ich ihr vielleicht ein wenig unter die Arme greifen.<
"Aye, das könntest du. Feorna ist ein Schatz, aber sie war noch nie die Kräftigste und meine Kinder sind...", ein halb belustigtes, halb enerviertes Grinsen begleitet Olyvars Worte, "...tja. Meine Kinder."
>Wisst Ihr, an ein Leben als Jägerin könnte ich mich gewiss leicht gewöhnen. Aber wenn ich HIER arbeite, hier in diesen Gebäuden, dann kann ich nicht wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen, weil mir immer bewusst ist, wo ich dann lande. Hier habe ich jede Menge Aufpasser und kann mir nicht erlauben etwas Unrechtes zu tun. Allein im Wald hätte ich das nicht...<
"Vielleicht," antwortet er mit einem kleinen Schulterzucken. "Aber... du wirst hier nicht unter Beobachtung stehen, Diantha. Ob du als Jägerin oder als Kindermagd für mich arbeitest, die ganze Steinfaust wird das akzeptieren." Die Männer würden ihr vielleicht nicht von Anfang an blind vertrauen, aber sie würden sich an sie gewöhnen und ihr eine Chance geben. "Rechenschaft bist du erst einmal nur deinem Gewissen schuldig."

>Es ist Eure Entscheidung, aber dafür dass Ihr mir überhaupt die Möglichkeit gebt neu anzufangen, möchte ich Euch danken.< Es ist Diantha offenbar wirklich wichtig, ihm zu danken. >Kiitos sinulle!< Die beiden Worte in Pakkakieli, wohl Dianthas Muttersprache, sind Olyvar völlig fremd, aber um ihren Sinn zu verstehen, muss er kein Hellseher sein... und genauso wenig, um ihren Blick zu deuten. "Keine Ursache," erwidert er daher ebenso ernsthaft wie sie. "Also dann, versuchen wir es mit dir als Kindermagd." Er leert seinen Weinkelch und bringt ihn zum Schreibtisch zurück, wo Pumquat immer noch wild in irgendwelchen Schriftrollen herumkritzelt. Die Anwesenheit seines Schreiberkobolds hatte Olyvar vollkommen vergessen... Pumquat seinerseits allerdings offenbar auch ihre. "Ich würde sagen, du beginnst mit einem Anfangssold von fünfzehn Silberlingen im Mond, und wenn dir die Arbeit liegt und du bei uns bleibst, bekommst du, wie Feorna auch, zwanzig Silberlinge," fährt er fort und wendet sich wieder zu Diantha um. "Deinen Lohn zahlt Rhordri, mein Kastellan, in der Schatzkammer am Ersten jedes Monds aus. Kost und Logis sind natürlich frei. Mein Sohn und meine Tochter sind zwanzig Monde alt, am dreiundzwanzigsten Blätterfall werden sie zwei. Ihre Namen sind Connavar, meist Conn gerufen, und Fianryn. Du wirst sie morgen früh kennen lernen, wenn Morna sie herbringt - für die Reise nach Blurraent habe ich sie bei der Frau meines Kastellans gelassen. Ich kümmere mich soviel wie möglich selbst um sie, und das werde ich auch weiter so halten, aber als Lord Commander kann ich sie natürlich nicht ständig um mich haben und einfach nicht überall mit hin nehmen, so gern ich es auch täte. Wenn sie also nicht bei mir sein können, sind sie in deiner Obhut. Komm. Es ist spät, ich zeige dir dein Zimmer, der Rest des Westflügels und der Festung wird bis morgen warten müssen. Mattis hat bestimmt schon etwas zu Essen herauf gebracht... ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich bin am Verhungern."

Sie überlassen Pumquat seinen Schreibarbeiten und kehren in den Westflügel zurück, wo sie Shyada und einen gedeckten Tisch in der Halle vorfinden... und da es Essenszeit ist, finden sich kurz darauf auch Mattis und Katze, beide mit einem untrüglichen siebten Sinn für Futtergelegenheiten gesegnet, bei ihnen ein. Bis auf die Kinder sind sie damit vollzählig und Olyvar stellt zwischen gebratenem Rührei mit Speck und Frühlingszwiebeln und einem Kanincheneintopf, der seine Laune schlagartig hebt, mit einer gewissen, bestürzten Belustigung fest, dass aus seiner überschaubaren Kleinfamilie binnen weniger Augenblicke ein vier Personen Haushalt plus zwei Kindern und einer Katze geworden ist. Auch gut, bewahrt mich ganz bestimmt vor zu vielen Erinnerungen. Sie essen und danach zeigt Olyvar den beiden Frauen ihre Zimmer. Shyada bekommt das Erkergemach mit seinen vielen Fenstern und der hohen, offenen Balkendecke mit den geschnitzten Tiergesichtern im Turm, einen großen Raum, den sie ganz für sich hat und in den sie sich zurückziehen kann, wann immer ihr danach ist, und Diantha bezieht das Zimmer neben Mattis Kammer, das ganz ähnlich eingerichtet ist, wie das des Knappen und ebenfalls im Gang zur Laube und dem abgeschiedenen grünen Innenhof des Westflügels liegt, gegenüber der beiden Kinderzimmer. Ihr Tag war lang und ereignisreich, die Führung durch den Rest des Westflügels und der übrigen Steinfaust verschieben sie daher auf morgen und ziehen sich alle rasch zurück... nur einen Besuch in den Badehäusern vor dem Zubettgehen lässt Olyvar sich nicht nehmen.


Von Goldschein bis Langschnee



Die Wochen nach ihrer Rückkehr aus Blurraent vergehen - zumindest in der Steinfaust – nach ein paar turbulenten ersten Tagen überraschend ruhig. Kaney und seine Späher halten, sofern sie nicht auf Patrouille in den Grenzgegenden sind, das frischgebackene Übungsgelände westlich der Stadt mit allen mögliche und unmöglichen Manövern besetzt, die übrigen Einheiten der Stadtgarde - Indigogarde, Wächtertrupp, Reiterei und Maulwürfe-, werden, wie es die Pläne vorsehen, langsam aber beständig erweitert, ein neuer Hauptmann für die schwere Reiterei ist noch immer nicht gefunden, aber die jungen Pferde, die Olyvar vor zwei Jahren vom roßsteinschen Gut geholt hat, sind inzwischen am Ende ihrer Ausbildung und haben sich allesamt erstklassig gemacht. Weniger erstklassig macht sich das Wetter. Der Sommer beginnt schlecht, ist in der Mitte schlecht und endet schlecht, und die Ernten der Bauern im talyrischen Umland fallen entsprechend aus. Miserables Wetter und Missernten sind dementsprechend bei jeder Stadtratssitzung in der Ratshalle an der Tagesordnung, und das Geld für die Armenspeisungen in den Tempeln wird praktisch wöchentlich aufgestockt. Doch die Kornspeicher der Stadt sind dank der vergangenen, etwas fetteren Jahre noch gut gefüllt und wirklich Not leiden muss außer den Ärmsten der Armen niemand... bis zum Winter wenigstens jedenfalls nicht. Das Sommerfest fällt daher allerdings auch eher bescheiden aus, und die Unruhen in Talyra, die jedes Jahr mit der Zahl der fahrenden Ritter, Gaukler, Huren, Beutelschneider und sonstigen Gäste, die Shenrahs Ehrentag mit sich bringt, zunehmen, halten sich in Grenzen... mehr als ein paar Betrunkene zum Ausnüchtern, ein paar mordlüsterne Kurtisanen und den ein oder anderen Taschendieb müssen die Blaumäntel dieses Jahr nicht festsetzen. Es gibt auch nur wenige Messerstechereien, eine saftige Prügelei im "Aal", bei der die halbe Inneneinrichtung draufgeht und immerhin nur drei Tote.

Der Erntemond vergeht mit noch mehr Regenfällen und arbeitsreichen Tagen, auch in der Steinfaust. Ein halbes Hundert Kinder im Alter zwischen acht und fünfzehn kommt Mitte des Amitar in der Steinfaust an, die meisten von ihnen Waisen, zusammengesammelt von einigen Blaumänteln, die ständig auf der Suche nach jungen "Rekruten" durch das Umland reiten... dank der schlechten Lage der Bauern sind es dieses Jahr sehr viel mehr als sonst. Zwar senden immer wieder auch adlige Sippen des Umlandes und freie Ritter ihre zweit- und drittgeborenen Söhne zum Dienst in der Steinfaust nach Talyra, doch größtenteils setzt sich die Stadtgarde aus einfachem Volk zusammen. Und während Vareyar und seine Männer mit den Neulingen mehr als beschäftigt sind, und die Jäger, Späher und Waldläufer der Steinfaust zu den alljährlichen Herbstjagden aufbrechen, bringen die Bauern des talyrischen Umlands ihren Zehnten in die Stadt - ein Teil davon geht immer an die Steinfaust: Korn, Mais und andere Feldfrüchte, Fässer mit Honig, Körbe voller Nüsse, Winteräpfel und Birnen, um sie einzulagern, Säckeweise Mehl, Wagenladungen voller Kartoffeln, Kürbissen und Rüben, und Vieh. Das Überwachen und Einlagern der gelieferten Vorräte obliegt Rhordri und den Kämmerern – und natürlich fallen auch diese Abgaben wegen der schlechten Ernten überall magerer aus. Talyra scheint dabei noch vergleichsweise gut wegzukommen, jedenfalls den Berichten nach zu urteilen, die im Lauf des Herbstes aus dem Verdland, aus Gríanàrdan und Draingarad eintreffen – anhaltende Regenfälle oder aber ein zu kalter und zu trockener Sommer wohin man blickt. In Brioca, dem herzländischen Fürstentum südlich Talyras, soll Gerüchten nach die Hälfte der Kornernte auf den Feldern verfault sein und ein paar Bauern im Süden des kleinen Landes probten angeblich schon den Aufstand, und aus Sûrmera sei, so empören sich die Händler zu Beginn des Herbstes in der Nyzemia, kein Korn Reis mehr zu bekommen, geschweige denn Olivenöl oder gar Zitronen.

Für Olyvar selbst halten die Monde nach ihrer Heimkehr also einiges an Beschäftigung bereit, aber das ist nur gut so, denn so kommt er gar nicht in Versuchung, allzu viel über Kizumu und sein früheres Leben nachzugrübeln. Er arbeitet von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang und oft genug bis mitten in die Nacht und ist heilfroh, dass er, wenn sein Dienst endet, nicht mehr in einen stillen, leeren Westflügel und zu den Gespenstern unguter Erinnerungen zurückkehren muss. Mit Diantha, Shyada und den Zwillingen unter einem Dach ist praktisch immer irgendetwas geboten – allerdings ist es zu seiner Überraschung selten etwas Schlechtes. Gleich am nächsten Morgen nach ihrer Rückkehr aus Blurraent, nach einer Führung durch den Westflügel und die übrige Steinfaust, und nachdem Morna die Kinder gebracht und selbige Diantha sofort in Beschlag genommen hatten, war Maester Ballabar bei ihnen erschienen und hatte Shya untersucht. Der greise Maester hatte offenbar die ganze Nacht über einem Gegenmittel gebrütet und war tatsächlich fündig geworden – allerdings würde es wohl wirklich Monate dauern, ehe sich eine Wirkung zeigen könnte. Shyada würde jeden Morgen ein Quäntchen ihrer "Medizin", der Droge von Jamar, die ihr Wesen so verändert hatte, weniger bekommen, und dafür jeden Abend einen Fingerhut voll von einem bestimmten Trank zu sich nehmen, den Ballabar ihr aus verschiedenen Essenzen gebraut hatte und der ihren unterdrückten Erinnerung ein wenig auf die Sprünge helfen soll. Der greise Maester hatte sie alle gewarnt, dass eine harte Zeit vor ihnen läge, wenn die Wirkung der Drogen nachlassen sollte – seiner Einschätzung nach dürfte das jedoch erst im Lauf des Winters der Fall sein. "Deine Erinnerungen werden nicht schlagartig zurückkehren," hatte er Shyada geduldig auseinandergesetzt, "sondern vermutlich nur nach und nach. Erst in deinen Träumen, dann als Fragmente, Bruchstücke, mit denen du vielleicht nur wenig anfangen können wirst. Sei geduldig und verliere nicht die Hoffnung. Und was immer du in deiner Vergangenheit finden wirst, Kind," hatte der alte Mann ziemlich kryptisch hinzugefügt, "es liegt an dir, was du daraus machst. Jeder ist seines eigenen Schicksals Schmied."

Von diesem Tag an erscheint Ballabar einmal im Mond im Westflügel, um Shya gründlich zu untersuchen und verkündet jedes Mal mit einem Lächeln, das die tausend Fältchen in seinem uralten Gesicht in Aufruhr versetzt, dass alles in bester Ordnung wäre, dass es aber noch "ein Weilchen dauern würde". Und Shyada versichert Olyvar und sich selbst ebenfalls täglich, dass kein Anlass zu Sorgen besteht, es gehe ihr gut, alles sei bestens – bis auf die Tatsache, dass natürlich nichts bestens ist, weil sich einfach keine noch so kleine Erinnerung an irgendetwas aus ihrem früheren Leben einstellen will. Es stimmt zwar, es geht ihr soweit gut und sie kommt im Alltagsleben im Westflügel, umgeben von Diantha, den Kindern, von Mattis, Katze und ihm selbst wohl auch ein wenig zur Ruhe, aber Olyvar kann sich vorstellen, dass es nicht gerade ein prickelndes Gefühl sein kann, mit dieser Leere in sich leben zu müssen – und er ist nicht blind. Er sieht die Schatten in ihrem Gesicht und die unbestimmte Angst, die wie verirrte kleine Geister durch ihre Augen huscht, und stellt mit nicht gelindem Entsetzen fest, dass er sich tatsächlich Sorgen um sie macht. Als der Herbst in Talyra Einzug hält und ihnen zur Abwechslung einmal einen Tag ohne Dauerregen beschert, lässt er Bayvard und den bravsten Zelter, den die Steinfaust zu bieten hat, satteln und reitet mit Shyada zu dem Pfahlbaumhaus hinauf, in das die Amazone eingezogen war, nachdem sie seinen Dienst damals verlassen hatte. Marode, leer, kalt und alles andere als einladend, trotzt es dem kabbeligen, grauen Ildorel und der drohenden, tiefhängenden Wolkendecke. "Das hier ist... war... dein Haus. Falls du es so nennen willst. Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich dich mit zu mir in die Steinfaust genommen habe." Er zuckt mit den Schultern und starrt auf die schäumenden Wellen und den nassen Sand zu ihren Füßen. "Ich konnte dich einfach nicht zurückbringen in... das da und dich dann deinem Schicksal überlassen." An diesem Tag erzählt er ihr alles, was er über Amazonen im Allgemeinen und sie im Besonderen weiß... was, wissen die Götter, nicht viel ist. Und er erzählt ihr alles von ihrem früheren Leben in Talyra, angefangen bei dem denkwürdigen Tag, als sie in der Steinfaust erschienen war, um ihm ihre Fähigkeiten als Späherin anzubieten, bis zu jener Stunde, als sie seinen Dienst so wütend und verletzt verlassen hatte... das ist mehr als genug.

Danach sitzt Olyvar zwei Stunden auf dem feuchten, morschen Holzsteg vor dem Haus, während ihre Pferde im kalten Wind zwischen den Dünen grasen, friert sich den Hintern ab und hält eine Fremde in den Armen, die sich an seiner Schulter ihre ganze grausame Verwirrung von der Seele weint. Sie sind beide schweigsam und in sich gekehrt, als sie mit Einbruch der Nacht in die Steinfaust zurückkehren und es dauert ein paar Tage, ehe Shyada sich soweit von dem Schock all dieser Offenbarungen erholt hat, dass sie wieder ein wenig zugänglicher wird und sich wie vorher mit den Kindern oder mit Katze abgibt, oder abends auf ein Würfelspiel mit Mattis und Diantha oder auch ihm noch in der Halle bleibt. Was Diantha angeht, so zeigt sich schnell, dass man ihr die Kinder bedenkenlos überlassen kann. Anfangs überwacht Feorna, die zunächst nur widerstrebend akzeptiert hatte, dass sie bald Hilfe brauchen würde und sich irgendwann ganz um ihr eigenes Kind kümmern muss, alles noch mit Harpyienaugen, doch die Immerfrosterin hat nicht gelogen, als sie gesagt hatte, dass es ihr das Liebste gewesen war, sich um kleine Kinder zu kümmern – sie macht ihre Sache wirklich gut, und sowohl Conn, als auch Fianryn sind beide bald völlig vernarrt in die junge Frau. Der Herbst hat längst Einzug gehalten in Talyra und nach den schweren Regenfällen im Erntemond, bringt der Blätterfall neben Herbstkarawanen und Büffeljagden auch dicken Nebel und klirrenden Frost... der Geburtstag der Zwillinge kommt und geht, das Samhainfest am Mantelsaum, und im Nebelfrost fällt der erste Schnee, sehr zum Entzücken der Kinder und Dianthas, die stundenlang im ummauerten Innenhof des Westflügels Schneemänner bauen oder zum Schlittenfahren im Burggraben aus der Festung verschwinden. Allerdings ist das glitzernde Weiß binnen eines Siebentags auch wieder verschwunden und lässt sich bis weit nach dem Julfest nicht mehr blicken... zur Erleichterung der Bauern, die schon gefürchtet hatten, dass der Winter lang, hart und entbehrungsreich werden würde. Feorna, hochschwanger und rund wie ein Butterfass, räumt zu Beginn des Nebrar endgültig das Feld und wird mit einem kleinen Festessen im Westflügel in die zukünftigen Mutterfreuden entlassen, und Diantha ist damit allein für die Zwillinge verantwortlich.

Die Julzeit bringt auch in der Steinfaust ein Backen, Schrubben, Scheuern, Bierbrauen, Räuchern und Schlachten, dass man meinen könnte, der Weltuntergang stehe bevor, und Olyvar besucht mit Shya, Mattis, Diantha und den Zwillingen den großen Wintermarkt auf dem Platz der Händler, wo die beiden Frauen allerlei Krimskrams erstehen und Mattis sich prompt den Magen mit zu vielen gebrannten Nüssen verdirbt. Aber sie kaufen auch Julgeschenke, ein paar nützliche Kleinigkeiten, einen Satz neuer Kleider für die ständig wachsenden Zwillinge, Bienenwachskerzen und, sehr zur Freude Conns und Fianryns, zwei Nachttöpfe, die klein genug sind, dass die beiden winzigen Kupferlingshintern der Zwillinge zwar drauf passen, aber nicht hineinplumpsen können... Diantha hat nämlich so etwas verlauten lassen, dass sie spätestens im Frühjahr ernsthaft damit beginnen will, den beiden die Windeln abzugewöhnen. Olyvar ist sich zwar sehr sicher, dass seine Sprösslinge nicht die leiseste Ahnung haben, wozu die komischen runden Dinger aus glasiertem Steingut eigentlich gut sein sollen, außer vielleicht, um sie mit Freudengeheul über den Boden rollen zu lassen, aber Geschenke sind ja prinzipiell nie verkehrt. Zwei Tage vor dem Julfest summt die ganze Festung schon vor lauter Aufregung wie ein Bienenschwarm. Die große Ratshalle im Bergfried der Steinfaust wird mit Hilfe sämtlicher Botenkinder, Mägde und Kämmererburschen mit Ilex- und Tannenzweigen, mit Misteln, Moos und Efeu, mit Schalen voller Nüssen, Konfekt und Zuckerstangen, Honigkugeln und Kerzen verschönert, und die höhlenartige Burgküche darunter brummt, dampft, zischt und brutzelt wie der Höllenschlund höchstpersönlich, um das Festessen für so viele Mäuler auf einmal auf die langen Tische zu bringen... nur der Schnee, der zumindest den Jüngeren zu ihrem Mittwinterglück noch gefehlt hätte, lässt sich nicht blicken. Es wird trotzdem ein wirklich schönes Fest - inmitten Hunderter von Blaumänteln samt ihrer Familien zwar alles andere als ruhig und besinnlich, aber die Gelegenheit, sich in einem so schlechten Jahr wie diesem einmal ordentlich den Bauch voll zu schlagen und hernach beim Klang von Trommeln, Fideln und Harfen für ein paar Stunden alle Sorgen zu vergessen, lässt sich niemand entgehen... auch wenn Olyvar, Diantha und Shyada den ganzen Abend hauptsächlich damit beschäftigt sind, überdrehte Zweijährige davon abzuhalten, sich kopfüber in Fässer mit Cidre zu stürzen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 25. Feb. 2007, 18:44 Uhr
Ende Eisfrost

Mit einem vergnügten Kreischen rennt Fianryn auf die Tür zu, doch bevor sie die Türklinke auch nur berühren kann, wird sie von Diantha geschnappt und hochgehoben. "Na, wo wolltest du denn hin, Rakkaani?", fragt die Immerfrosterin mit einem breiten Grinsen.
"Papaaaa", krakelt die Kleine mit einem breiten Grinsen, das zeigt, dass sie eigentlich nicht zu ihrem Vater, sondern nur eingefangen werden wollte. Gegen einen Besuch bei Olyvar hätte sie natürlich auch nichts, sie findet ihren Vater toll, aber  im Moment geht es nur darum, durch die Luft gewirbelt zu werden und den Gefallen tut ihr Diantha dann auch gleich mal. Sofort steht Connavar zum Abruf bereit und zerrt an Diantha "Ich auuuuuuch!" schreiend. Mal wieder eine der Situationen, in denen sich die Immerfrosterin vier statt zwei Armen wünscht und in denen sie versteht, was Olyvar damit meinte als er sagte: >"Meine Kinder sind ... tja. Meine Kinder."< Denn die Beiden schlauchen manchmal schon sehr, besonders weil sie so einen großen Bewegungsdrang haben und wenn Connavar in die eine Richtung rennt und Fianryn in die andere muss man sich schon wirklich überlegen, wie man das handhabt. Glücklicherweise ist Diantha körperlich ja fit und so schnell sie die beiden auch wieder nicht, aber für Feorna wäre das ab dem achten Monat alleine definitiv zu viel gewesen. Das hatte auch die Magd schließlich eingesehen und nachdem sie das Verhalten der Immerfrosterin gegenüber den Kindern sehr kritisch beäugt hatte, war sie über die Unterstützung mit ihrer voranschreitenden Schwangerschaft doch recht froh gewesen. Mit der Zeit hatten sich die beiden  unterschiedlichen Frauen einigermaßen miteinander verstanden, auch wenn die Kinder der einzige Berührungspunkt geblieben waren, vermisst Diantha Feorna von Zeit zu Zeit, wie es auch beim Julfest der Fall gewesen war. Wenn nämlich beide Kinder vollkommen überdreht sind, ist es unmöglich sie im Auge zu behalten und so müssen in solchen Fällen doch immer wieder Olyvar oder Shyada herhalten.
Rasch stellt die junge Frau das Mädchen auf den Boden und greift sich deren quengelnden Bruder um ihn auch einmal im Kreis zu wirbeln, was der gleich mit einem begeisterten Quietschen und einem glücklichen Kinderlächeln toleriert. Bei diesem herzerwärmenden Anblick kann sich Diantha kaum mehr vorstellen, dass sie das ein oder andere Mal wirklich in Betracht gezogen hatte einfach ihre Sachen zu packen und zu gehen. Zu viel Nähe, zu viel Eingesperrtheit in einem immer gleichen Gebäude, zu lange weg von der Straße, ein so vollkommen anderes, geregeltes Leben -  oft hat sie all das daran zweifeln lassen, dass sie für diese Arbeit und dieses Leben wirklich geschaffen ist. Doch eben das strahlende Gesicht der beiden Kinder, mit denen sie in Handumdrehen auf gutem Fuß gestanden hatte - was ein holzgeschnitzer Bär nicht alles ausmachen kann - hatte jedes Mal aufs Neue wieder an die Steinfaust gebunden. Mittlerweile kann sich die Immerfrosterin kaum noch vorstellen wieder ganz alleine durch die Straßen zu ziehen, sie hat sich allmählich an den Tagesablauf in der Steinfaust gewöhnt und auf Fianryn und Connavar möchte sie nicht mehr verzichten. Die beiden sind zwar zeitweise anstrengend und ihre Trotzmomente nervenaufreibend, dennoch sind die Zwei sehr aufgeweckte Kinder mit sonnigen Gemütern, mit denen es Spaß macht sich zu beschäftigen.
"So Kullanmuru, jetzt reicht es", sagt Diantha liebevoll, aber bestimmt und setzt Connavar auf den Boden. Einen Moment sieht sie in seinen Augen Trotz aufkommen und befürchtet schon einen kleinen Aufstand. Seine Schwester von ihrem Trotz abzulenken ist erheblich leichter als das bei ihm zu tun, der kleine Halbelb ist beharrlicher, wenn er sich in den Kopf setzt, dass das was passiert ihm nicht passt, dann muss die Immerfrosterin sich manchmal zusammenreißen um konsequent zu bleiben. Doch dieses Mal hat sie Glück, Connavar sieht, dass Fianryn angefangen hat mit ein paar Kreiseln zu spielen und entscheidet sich es ihr nachzutun.

Kullanmuru und Rakkaani sind die einzigen Worte, die Diantha aus ihrer Muttersprache in den Sprachgebrauch der beiden Kinder eingebracht hat. Dafür hat sie jedoch jede Menge tamarische Begriffe gelernt. Ihre Aussprache ist zwar immer noch sehr schlecht - sie hat einfach jedes Mal das Gefühl, dass man sich dabei die Zunge abbricht - aber verstehen kann sie mittlerweile fast alles. Beim Lernen hat ihr zunächst Feorna geholfen, später aber auch Mattis und Olyvar, der von allen die Sprache am Besten spricht. Wenn man sich mit den Zwillingen beschäftigt muss man die Sprache zumindest bruchstückhaft verstehen können, weil die beiden dazu neigen, Tamar und die Allgemeinsprache zu vermischen, wie es bei zweisprachig aufwachsenden Kindern häufig der Fall ist.
Mattis ist ein lustiger, aufgeweckter Junge, mit dem sich Diantha nach ein paar Auseinandersetzungen mittlerweile sehr gut versteht. Er erinnert sich manchmal an einen ihrer Brüder, der es auch immer schaffte für gute Stimmung zu sorgen, egal was sonst los war. Sonst ist nämlich ganz schön viel los, Olyvar hat allerlei um die Ohren und Diantha ist häufig froh nicht an seiner Stelle zu sein. Sie hätte keine Lust sich mit dem so häufig als "schrecklich" betitelten Sommer und seinen Auswirkungen auf die Landwirtschaft zu beschäftigen. Für ihre Verhältnisse ist der Sommer genau richtig, nicht zu warm und mit viel Regen, aber das sagt sie natürlich nicht laut. Aber nicht nur damit scheint der Lord Commander genug zu tun zu haben, sondern noch mit allerlei anderen Dingen, über die er nicht sehr viel erzählt. Außerdem kümmert er sich auch um Shyada, an einem Tag reitet er gar mehrere Stunden am Stück mit ihr weg, wohin weiß Diantha nicht und will es auch nicht unbedingt wissen.
Mit Shyada umzugehen ist nun nicht so ganz einfach, die Immerfrosterin weiß nicht wie sie auf die Frau zugehen soll, ist diese doch meist in sich zurückgezogen und in Gedanken versunken. Also ist sie für ihre Verhältnisse freundlich zu Shyada wenn sie sich sehen, redet bevorzugt über Nichtigkeiten und drängt sich absolut nicht auf. Die Frau ist in einer schwierigen Situation und wenn sie so damit umgehen möchte, dass sie sich zurückzieht und ihren Gedanken nachhängt, dann ist Diantha sicherlich die Letzte, die sie daran hindern wird. Zu den Zwillingen ist Shyada aber meist ganz nett und das ist schließlich das Wichtigste. Trotzdem ist es verwunderlich, dass Shyada ihre Erinnerung immer noch nicht zurückerlangt hat, denn bald ist der Winter vorbei, schließlich ist es schon Ende Eisfrost.

Es war ein wirklich schöner Winter. Ende Blätterfall war Fianryn und Connavars Geburstag gefeiert worden, ein Tag an den sich Diantha noch gerne erinnert, so bunt und voller Leben wie er gewesen war. An diesem Tag hat sie das erste Mal gesehen, wie Olyvar ist, wenn er richtig gute Laune hat, was im Alltag eher selten der Fall ist, was ja auch verständlich ist. Er läuft zwar nicht immer mit heruntergezogenen Mundwinkeln herum, dennoch können nur seine Kinder ihm ein Lächeln entlocken und von Zeit zu Zeit auch mal Matthis. Diantha versteht sein Verhalten nur zu gut, die Geschichte mit seiner ehemaligen Frau Kizumu hat ihr Feorna natürlich längst auf die Nase gebunden. Aber sie ist kein Mensch, der andere gerne auf ihr Leid anspricht, das liegt ihr nicht. Sie ist ihm ehrlich dankbar, das zeigt sie ihm auch, wenn sie ihn dann mal sieht. Das ist vornehmlich beim Essen und auch manchmal abends, beim gemeinsamen Würfelspiel, für Diantha eine der besten Möglichkeiten sich von den Kindern zu entspannen und zur Abwechslung einmal Zeit mit Erwachsenen zu verbringen. Sie genießt diese Stunden zunehmend, denn auch wenn es schwer fällt mit Shyada Spaß zu haben, so ist Matthis doch immer für ein Späßchen zu haben. Und auch wenn es noch vor einem Dutzend Monde wohl für niemanden denkbar gewesen wäre: Man kann mit der Immerfrosterin Spaß haben, wenn sie einem vertraut und sich sicher fühlt.
Wunderschön sind auch die Tage, die sie mit den Kindern im Schnee verbringt. Es schneit zwar für ihre Bedürfnisse viel zu wenig, einmal einen Siebentag im Nebelfrost und dann noch zwei Siebentage Ende Silberweiß, doch dann wenn es einmal schneit nutzt sie die Zeit voll aus. Fianryn und Connavar lieben es auch sehr, zusammen mit Diantha Schneemänner zu bauen, Schlitten zu fahren oder sich gegenseitig mit Schnee zu bewerfen. Jedesmal wenn die weiße Pracht wieder verschwindet sind sie alle drei ein wenig traurig, doch gerade in der Zeit vor dem Julfest gibt es für die Kinder viel zu sehen und zu erleben. Diantha hat noch nie solche Julfestvorbereitungen erlebt: Mit so viel Essen, Schmuck und Feierstimmung. Auch wenn sie die ganze Aufregung überzogen findet, so lässt sie sich durch die Kinder allmählich anstecken. Besonders der Besuch des talyrischen Weihnachtsmarkt gemeinsam mit den Kindern, Olyvar, Mattis und Shyada gefällt ihr, wo sie sich endlich einen guten Satz Kleider besorgt. Mal wieder Straßenluft schnuppern, aber dieses Mal mit genug Geld in der Tasche um sich selbst das zu kaufen, was ihr gefällt. So kauft sie auch ein paar Sachen mehr, als sie eigentlich brauchen würde, die dann in ihrem Zimmer herumstehen. Zum Beispiel hat sie sich vorgenommen für die Zwillinge ein paar Holztiere zu schnitzen - sicher, sie ist aus der Übung, aber früher war sie gar nicht schlecht darin. Doch bisher hat sie noch keine Zeit dazu gefunden.

Diantha hat sich in den letzten Monden sehr verändert, nicht nur was ihr Verhalten gegenüber ihren Mitbewohnern angeht. Sie ist offener geworden, zugänglicher und besonders im Zusammensein mit Fianryn und Connavar schleicht sich oft ein glückliches Lächeln auf ihre Lippen.
Doch auch ihr Aussehen hat sich sehr geändert. Ihre Haare sind nicht mehr halb so durcheinander wie vorher, die Locken sind natürlich erhalten geblieben, doch insgesamt sind die Haare länger geworden - auf Fianryns Wunsch. Die Kleine hatte ganz zu Anfang erklärt, dass Dianthas Haare viel zu sehr wie die eines Manns aussehen würden und sie die doch mal wachsen lassen soll. Bisher hat Diantha ihr den Gefallen getan, wenn die Haare lange genug sein werden um sie zu einem Zopf zusammenzufassen wird sie sich das weitere Wachsenlassen noch einmal überlegen. Außerdem hat Diantha zugenommen, sieht lange nicht mehr so sehr wie ein Hungerhaken aus, inzwischen auch ein wenig weiblicher. Ihr Kleidungsstil hat sich vollkommen geändert, ihre Vorliebe für gedeckte Farben zwar nicht, doch die Qualität ihrer Kleider ist erheblich gestiegen und was sie trägt steht ihr nun auch besser.
Mit ihrer derzeitigen Situation ist Diantha so zufrieden wie schon lange nicht mehr und das sieht man ihr auch an.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 28. Feb. 2007, 21:53 Uhr
Die Veränderungen an Diantha sind nicht zu übersehen und man kann wirklich nicht behaupten, dass sie zum Schlechten wären, im Gegenteil. Hatte Olyvar sich gegen Ende des Sommers noch gefragt, wo bei allen Göttern das Mädchen nur ihr Essen hinfutterte – er hatte sie oft genug mit den erstaunlichen Mengen, die sie zu verdrücken im Stande ist, geneckt -, im Winter lässt sich nicht mehr verleugnen, wohin sie Fleisch, Gemüse und Brot investiert. Mag sie in Immerfrost als klein gelten, hier in den Herzlanden ist sie mit ihren knapp sechs Fuß ziemlich groß für eine Frau – und so mager, wie sie gewesen war, hatte sie damit schlichtweg halb verhungert ausgesehen. Jetzt runden sich Brust und Hüften, ihr Gesichtsausdruck wird weicher, weil er nicht mehr von einem zu spitzen Kinn, eingefallenen Wangen und einer "Wag-es-bloß-nicht-mich-anzusprechen"-Miene dominiert wird, und selbst ihr Haar, das früher eher an ein Nest schmutzigen Strohs erinnert hat, ringelt sich inzwischen in glänzenden blonden Locken bis zu ihren Schultern. Doch jedes Mal, wenn irgendjemand eine gut gemeinte Bemerkung darüber abgibt, prophezeit sie schnaubend, es sich bestimmt bald wieder abschneiden zu lassen, langes Haar sei ja furchtbar unpraktisch... Sein Knappe, rundheraus wie immer, hatte sie mit dem unnachahmlichen Charme eines Halbwüchsigen und der Impertinenz eines jüngeren Bruders irgendwann schlichtweg für irre erklärt, es sähe doch hübsch aus so, viel hübscher als früher, doch Diantha kann man mit dem Wort "hübsch", vor allem wenn es dabei um sie selbst geht, anscheinend noch immer in haushohe Verlegenheit stürzen. Olyvar selbst quittiert sämtliche Anzeichen ihrer neuerworbenen Weiblichkeit daher ausschließlich mit – wenn auch gutmütigem – Spott. Scherzhafte Frotzeleien sind etwas, mit dem sie inzwischen umgehen kann, und die Immerfrosterin ein wenig aufzuziehen, ist somit die einzige Möglichkeit, ihr etwas Nettes zu sagen, ohne sie damit gleich in die Flucht zu schlagen. An dem Tag, an dem sie zum ersten Mal in einem Kleid in der Halle aufgetaucht war – eine absolut einmalige Sache und auch nur, wie sie versichert, weil sie eine Würfelwette verloren hat, aus keinem anderen Grund - einem einfachen Gewand aus taubengrauer Wolle mit einem weich fallenden Rock und einem gewebten Gürtel, war Mattis vor Sprachlosigkeit glatt der Mund offengestanden. Er selbst dagegen hatte ihr nur beiläufig zugeraunt, wenn sie nicht aufpasse, würde man sie noch für ein Mädchen halten, und die Rechnung war prompt aufgegangen: sie hatte empört mit dem Fuß aufgestampft und – laut! - erklärt, na und, sie SEI ein Mädchen. "Aaah ja," hatte er gedehnt erwidert und sein Lächeln in seinem Weinbecher verborgen. "Ist mir auch schon aufgefallen."

Viel wichtiger als all ihre äußerlichen Veränderungen, ist jedoch der Wandel, der sich in ihrem Inneren vollzogen zu haben scheint. Aus dem verbitterten, argwöhnischen Ding, das immer ein wenig so ausgesehen hatte, als habe es gerade auf eine Zitrone gebissen, ist eine junge Frau geworden, die ganz offensichtlich zufrieden mit ihrem neuen Leben wirkt, die immer öfter lächelt und lacht, und Hinterlist nur noch beim Würfelspielen zeigt, wenn sie erst versucht, zu betrügen und zu lügen, dass sich die Balken biegen, nur um dann mit unschuldigst himmelblauen Augen alles vehement abzustreiten. Zu hören, dass sie nach ihrer eigenen Schätzung so um die zwanzig Winter zählen müsse, hatte Olyvar anfangs allerdings ziemlich erstaunt... sie hatte, so dünn und kratzbürstig, wie sie gewesen war, eher an eine trotzige Halbwüchsige erinnert, und er hätte sie, hätte er ihr Alter erraten müssen, bestenfalls auf sechzehn geschätzt. Jetzt ist sie zwar immer noch zurückhaltend, aber sie wirkt nicht länger verbissen oder gar unzugänglich. Manchmal fühlt Olyvar ihren Blick auf sich, vor allem in den ruhigen Momenten, abends, wenn niemand außer ihnen mehr in der Halle ist und er, blind für das Hier und Jetzt, ins Feuer starrt, versunken in Gedanken, die ihn doch nur die halbe Nacht wach halten und seine Laune zurück in finstere Kellerräume treiben würden. Dann sieht sie ihn hin und wieder an, während sie im Raum umhergeht und Kinderspielzeug einsammelt, seltsam wissend und unaufdringlich zugleich... und sagt nichts. Das rechnet er ihr hoch an. Vareyar, Colevar, Kaney oder Rhordri, ja selbst Morna, die Frau seines Kastellans, mütterlich und mitfühlend wie immer, sie alle hatten ihm angeboten, ihm zuzuhören, wenn er denn reden wolle. Er will nicht. Er kann einfach noch nicht über Kizumu sprechen. Und was Diantha angeht, so hatte Feorna sie zweifellos längst über alles bestens ins Bild gesetzt. Merkwürdigerweise stört ihn irgendetwas an dem Gedanken, ohne dass er den Finger darauf legen könnte, was eigentlich genau. Was die Kinder angeht, so vertraut er Diantha inzwischen absolut vorbehaltlos, auch wenn er den leisen Verdacht hegt, dass sich in dem ein oder anderen Strumpfband seiner Kindermagd noch immer ein Wurfstern finden ließe. Andererseits hat der Gedanke, dass sie in der Lage ist, die Zwillinge gut zu beschützen, und die Gewissheit, dass sie es ohne zu zögern auch tun würde, durchaus etwas Beruhigendes an sich.

Er wünschte nur, die Veränderungen, die Shyada betreffen, wären auch nur halb so aussichtsreich oder gut. Doch es dauert zunächst einmal den ganzen Sommer, Herbst und den halben Winter über, ehe der Trank Maester Ballabars und das langsame Absetzen der Drogen von Jamar überhaupt ihre Wirkung zeigen... und als es irgendwann endlich soweit ist, erweist sich dieser Erfolg keineswegs als Segen, sondern eher als Fluch. Die Shyada, die er gekannt hat, war gefühlskalt, egoistisch, überheblich, arrogant, eingebildet, verblendet in ihrem Amazonenwahn und selbstsicher, mit anderen Worten: ein richtiges Herzblatt. Aber er für seinen Teil war, zumindest was ihre Zeit in der Steinfaust angeht, immer mit ihr ausgekommen. Er weiß, dass er einer der wenigen Menschen ist, zu denen sie wohl meistens ehrlich war... sie waren beide ehrlich zueinander gewesen. Vielleicht, weil sie sich ihm gegenüber schlicht zusammengerissen hatte, vielleicht weil er sich von ihr nie in die Kategorie "mögliches Opfer" hatte sortieren lassen. Er weiß es nicht, und es ist ihm auch gleich. Was ihm nicht gleichgültig ist, ist die Tatsache, dass es Momente gegeben hatte, in denen sie beide sich blind aufeinander hatten verlassen können. Um dieser Momente willen, das redet er sich jedenfalls fest ein, hatte er sie nicht ihrem Schicksal überlassen, war nach Blurraent aufgebrochen, hatte Stürmen getrotzt, eine ganze Stadt auf den Kopf gestellt, die irrsten Pläne durchgezogen, Gesetze gebrochen und getötet... und jetzt sieht sie einfach durch ihn hindurch. Was er auch sagt oder tut, keines seiner Worte scheint sie zu erreichen, keine Geste sie zu berühren. Die Frau, die jetzt bei ihnen im Westflügel lebt, ist sehr fremd, sehr still, sehr zurückhaltend, bemüht sich, so wenig wie möglich aufzufallen und es gleichzeitig allen Recht zu machen. Die einzigen, die ihr hin und wieder ein ehrliches Lächeln entlocken können, sind die Kinder, doch selbst ihnen gegenüber öffnet sie sich nie ganz, und Olyvar weiß schon nach wenigen Wochen beim besten Willen nicht mehr, was er noch tun könnte, um Shyada aus ihrem selbstgewählten Schneckenhaus zu locken.

Am letzten Tag des Eisfrostmondes hat Olyvar dienstfrei, aber er wacht mit mehr als gemischten Gefühlen auf, gerade, als der Himmel im Osten sich perlgrau überzieht und die nahende Dämmerung ankündigt. Irgendwo singt eine Amsel, moduliert trillernde Pfeiflaute zu einer einfachen Melodie und verstummt dann wieder. Heute ist es auf den Tag genau ein Jahr her, dass Kizumu ihn und die Kinder verlassen hatte, um mit ihrer Schwester Sefra zum Riathar zurückzukehren. Ein ganzer Zwölfmond. Er starrt an die Zimmerdecke und reibt sich mit den Handballen die Augen. Im Westflügel ist es noch still und er steht auf... heute morgen will er niemandem begegnen, nicht einmal Mattis, zumindest nicht, so lange nicht das erledigt ist, was er heute zu tun hat. 'Nur eines noch... schick einen Botenvogel, wenn ihr angekommen seid, damit ich weiß... damit ich weiß, dass... Bitte.' Das war das letzte gewesen, was er zu Kizumu gesagt hatte, doch bisher hatte er kein Wort von ihr gehört. Sicher, die Reise zum Feuerberg ist weit... schier unendlich weit. Dennoch ist mittlerweile ein ganzes Jahr verstrichen und eigentlich müsste sie längst angekommen sein. Sollte sie... es kann eben so gut sein, dass sie aufgehalten wurde, dass sie mir nicht schreiben will oder die Nachricht an mich einfach vergessen hat. An einen anderen, den letzten möglichen Grund für das Ausbleiben einer Botschaft zu denken, weigert er sich schlicht und ergreifend. Er steht auf, zieht sich an, nimmt eine gut gefüllte Geldkatze und sein Schwert mit, und verschwindet dann leise und ohne irgendjemanden zu wecken aus dem Westflügel. Dass er heute wohl den ganzen Tag nicht da sein würde, hatte er Diantha gestern Abend schon gesagt und sie gebeten, sich so lange allein um die Kleinen zu kümmern. Er besucht die Badehäuser, während ein Stalljunge Bayvard für ihn sattelt und zäumt, und reitet mit dem Sonnenaufgang aus dem Haupttor der Steinfaust in Richtung des Tempelviertels. Vor dem Anukistempel trifft er auf  Rhordri, Vareyar, Uliaris und Feorna samt ihrem Baby, die in der kalten Morgenluft schlottern und ihn schon erwarten... seine vier Zeugen für die Aufhebung einer Ehe, die seit einem Jahr nur noch auf dem Pergament existiert. Im Tempel werden sie bereits von Thrandar, Vorsteher des Anukistempels, erwartet. Der Priester ist ein hagerer, verknöcherter Miesepeter, doch er hat die Dokumente bereits vorbereitet und kommt ohne Umschweife zur Sache.

Zwei Bögen dicken, buttergelben Pergaments, ein Original und eine Abschrift, werden vorgelegt, die erklären, dass die Ehe zwischen Olyvar von Tarascon, Sohn Gavins von Tarascon und Madulains von Belgrave, Lord Commander der Steinfaust Talyras, und Shunjalinn, genannt Kizumu, aus dem Haus Shunjarela, Jägerin und Gerberin aus dem Riathar, gescheitert ist und vom heutigen Tag an keine Gültigkeit mehr besitzt. Olyvar hat halb damit gerechnet, dass das alles sehr viel komplizierter sein würde, doch alles, was er tun muss, ist eine Frage des Priesters beantworten und dann seine Unterschriften unter die Erklärungen setzen. Anschließend unterzeichnen die vier Bürgen, die nach ihrem besten Wissen und Gewissen bezeugen, dass die Ehe seit einem Zwölfmond nicht mehr besteht, und schließlich drückt Thrandar das Zeichen des Tempels, den Wolfskopf der Göttin Anukis, in einen Fleck heißen, grünen Siegelwachses. Damit ist es ausgestanden, die Sache ist erledigt, und Olyvar ist ein geschiedener Mann. Er lässt sich beide Dokumente aushändigen, eines würde er behalten, ein anderes an Kizumu zum Riathar senden. Er hatte sie freigegeben, an jenem Tag, als sie ihn verlassen hatte, er hatte sie von ihrem Eheversprechen entbunden... jetzt ist sie es wirklich. Ihr die Scheidungsurkunde auch zukommen zu lassen, würde zwar ziemlich schwierig werden, aber es ist ihm wichtig, und nach langem Suchen hatte er einen vertrauenswürdigen Mann in Torhof aufgetrieben, der hin und wieder mit den Elben des Riathar handelte, zumindest mit den Jägern der Feuerelben. An ihn würde er einen Brief für Kizumu schicken mit der Bitte – und dem entsprechenden Lohn – die Botschaft weiterzugeben. Da er mit niemandem, auch nicht mit Rhordri oder Feorna, reden will, dankt er seinen Zeugen nur kurz und schickt sie nach Hause, dann verschwindet er aus dem Tempelviertel und der ganzen Stadt, und reitet mit Bayvard für den Rest des Tages ins Larisgrün. Er muss allein sein mit sich und seinen Gedanken und er will für die nächsten Stunden niemanden sehen oder hören. Es ist ein kalter, verregneter und stürmischer Tag und das Wetter passt ausgezeichnet zu seiner miserablen Stimmung... dennoch kommt er hier draußen und weit fort von Talyra allmählich wieder zur Ruhe.

Seine Ehe ist gescheitert und daran kann er nichts ändern... und selbst wenn er es könnte, und so bitter dieser Gedanke auch ist - er ist sich mittlerweile keineswegs mehr sicher, dass er das noch wollen würde, läge es in seiner Macht. Er hatte Kizumu geliebt und sie ihn, aber sie war nie sein Schicksal und er nicht das ihre, sie waren einfach nicht füreinander gemacht. Mehr gibt es dazu vermutlich auch gar nicht zu sagen. Sie hatten es versucht, das wissen die Götter, und es war ihnen nicht gelungen. Sie hatte nicht die Frau sein können, die er gebraucht hätte und er nicht der richtige Mann für sie. Einen Moment lang wird er bei diesem Gedanken von der elementaren Verzweiflung eines Menschen geschüttelt, dessen Leben vollkommen aus den Fugen geraten war. Es ist, als würde seine Vergangenheit, vor allem die letzten Jahre, sich auflösen und verschwinden wie Nebel in der Sonne, und ihm würde kein fester Boden unter den Füßen bleiben. Zieh endlich einen Schlussstrich und sieh nach vorne. Das ist das einzige, was du tun kannst. Du hast zwei Kinder, um die du dich kümmern musst. Und wenn du den Rest deines Lebens allein bleibst, dann ist das eben so. Er schlägt sich den ganzen Tag mit allen möglichen Wenn's und Abers herum, doch was immer dabei herumkommt, es läuft immer auf dasselbe hinaus und irgendwann gibt er einfach auf. Er kann es nicht ändern und nicht ungeschehen machen, alles, was er noch tun kann, ist es akzeptieren und damit aufhören, sich selbst deswegen zu zerfleischen. Es ist spät, als er in die Steinfaust zurückkehrt, die Sonne sinkt bereits. Er bringt Bayvard selbst in den Stall und versorgt ihn, dann steigt er die endlosen Stufen des Branturms hinauf bis in den Rabenschlag, sucht das kräftigste Tier aus und lässt es mit dem Brief an Kizumu fliegen, gerade, als die Nacht anbricht und die Dunkelheit sich wie ein Mantel über die alte Festung, die Stadtmauern und das Umland legt. Erst dann kehrt er in den Westflügel zurück, nass bis auf die Knochen, doch die Kälte spürt er nicht einmal. Diantha und die beiden Kleinen, Mattis und Shyada sitzen bereits beim Abendmahl, als er in die Halle kommt, eine maunzende Katze ständig zwischen den Füßen. Conn, völlig beschäftigt mit einem Stück geräucherter Gänsebrust, auf dem er hingebungsvoll herumkaut, winkt ihm nur mit fettverschmierten Fingern, doch Fianryn entwischt Dianthas raschem Griff und schießt quer durch die Halle auf ihn zu. "Papapapapapaaaaaaaa!" Sie prallt so heftig gegen seine Knie, dass er einen halben Schritt zurücktritt. "Was ist denn hier los, a cuisla?" Er hebt sie auf und vergräbt für einen Moment sein Gesicht im Haar seiner Tochter. Sie riecht nach Lavendelseife, Heu, Katze und nach herzhaft gebackenen Kartoffeln, und ihr Gewicht ist tröstlich schwer und handfest in seinem Arm. "Komm, gehen wir essen, ich bin halb verhungert." Das ist wahr, er ist die letzten Stunden gedankenverloren über Stock und Stein geritten und hatte seit einem hastig hinuntergeschlungenen Kanten Brot irgendwann vor Sonnenaufgang, den er aus der Küche hatte mitgehen lassen, nichts mehr gegessen.

Diantha nickt ihm zu, als er an den Tisch tritt und Fianryn wieder auf ihren Stuhl setzt, ist aber in erster Linie damit beschäftigt, Conns Fettfinger mit einem feuchten Tuch zu säubern, und Mattis kaut mit vollen Backen, grinst aber wie ein Honigkuchenpferd von einem Ohr zum anderen. Shya dagegen steht auf der anderen Seite am Tisch, schneidet mit einem Fleischmesser eingelegtes Gemüse auf einem Holzbrett und das leise Kaschink-Kaschink des Messers, das Geräusch von scharfem Stahl, der über glattes Holz fährt, ist rhythmisch und monoton. Ihr Blick geht jedoch nur ins Leere und mit ihren Gedanken scheint sie meilenweit fort, während ihre Finger bedächtig einen Spalt nach dem anderen von einer geschälten Mohrrübe abschneiden... sie führt die zwanzig Sekhel lange Klinge mit traumwandlerischer Sicherheit und blickt dabei kein einziges Mal auf das Tun ihrer Hände. Was…? "Shya?" Er tritt behutsam näher, so behutsam, wie man sich einer möglicherweise aufgebrachten Frau mit einer solchen Klinge in den Fingern eben nähert, doch sie reagiert überhaupt nicht - bis sie plötzlich blinzelt. Eine dünne, feine Falte erscheint zwischen ihren Brauen und sie starrt stirnrunzelnd auf das geschnittene Gemüse unter ihren Händen. Fast zögernd greift sie nach dem nächsten Stück, diesmal ist es ein Apfel, dreht und wendet ihn einen Moment in ihrer Hand, legt ihn aufs Brett und... Heilige Götter im Himmel! Olyvar kann wirklich nicht sagen, welcher Dämon sie plötzlich reitet. Sie teilt den Apfel fast brutal in zwei Hälften und schneidet ihn in hauchdünne Scheiben - schnell und immer schneller. Dann fegt sie ihn beiseite, greift sich einen weiteren und zerteilt auch ihn, so schnell, dass ihre Bewegungen fast zu verschwimmen scheinen, dann einen dritten und vierten. Apfelscheiben dünn wie Glas fliegen in alle Richtungen davon, während die Klinge zwischen ihren Fingern tanzt und über das hölzerne Brett fegt, und nur immer noch schneller und schneller wird. Plötzlich wirbelt sie abrupt herum, schleudert den Apfel und jagt das Messer gleich hinterher. Die rote Frucht wird von der Klinge zielsicher und tödlich an die nächste geschnitzte Säule genagelt – sich drehen, den Apfel schleudern, das Messer werfen, alles eine einzige, fließende Bewegung. Olyvar blickt von dem aufgespießten Apfel zu der schweratmenden Frau vor ihm, zurück zu dem Apfel, von dem klebriger Saft herabrinnt und wieder zu Shyada und hebt demonstrativ eine Braue. Sie kehrt ihm den Rücken. "Shyada?"
"Was?!" Fährt sie fauchend herum und für einen Moment blitzt Erkennen in ihren Augen auf, gefolgt von ziemlicher Verwirrung. Dann zucken ihre Schultern, ihr Blick wird wieder leer und ihre Miene ratlos. "Was...?" Wiederholt sie, diesmal jedoch in völlig verändertem Tonfall – verwirrt und irgendwie auch bestürzt. "Was... hab ich getan?"
"Nichts." Er schüttelt den Kopf. Das kann ja heiter werden. "Tha seo màth." Es ist gut. "Mach dir keine Sorgen, ceisdein." Er holt hörbar Luft und sieht sich um. "Mag jemand ah... Obstsalat?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 01. März 2007, 15:06 Uhr
Sich die ersten Tage zu orientieren, scheint für Liomie ein scheinbar hoffnungsloses Unterfangen. Die letzten Monde haben immer daraus bestanden, früh morgens aufzustehen oder doch zumindest einem Ziel entgegen zu blicken. Nun aber befindet sie sich nicht mehr auf Reisen, wenngleich sie aber trotzdem am suchen ist. Nicht der Suche nach ihrer Familie oder ihrem Zuhause, sondern auf der Suche nach sich selbst. Auch wenn kein Tag dem anderen gleicht, schließlich gibt es in der Steinfaust viel zu entdecken und jeden Tag passiert etwas von dem man abends berichten kann, so hat sie doch das Gefühl, dass sie in einem immer gleich währenden Kreislauf gefangen ist, dem sie nicht entkommen kann. Jeden Tag gibt es die Medizin, die Ballabar ihr mühselig angefertigt hat und dafür von Jamars Trank etwas weniger. Jeden Tag versucht sie sich zu erinnern und jeden Tag hört sie Geschichten über eine Frau, die sie angeblich sein soll. Auch wenn sie immer wieder feststellt, dass sie wohl außer dem optischen nichts mit dieser Frau gemeinsam haben kann, so lässt sich Liomie schon bald wieder mit Shyada rufen. Jeder in der Steinfaust nennt sie ganz automatisch bei dem Namen und so war es nur eine Frage der Zeit, bis er ihr geläufiger ist. Zudem wäre es umständlicher, wenn sich die halbe Steinfaust einen neuen Namen merken müsste, als wenn sie sich einfach an einen anderen gewöhnt, der für genauso bedeutungslos ist, wie es bei Liomie der Fall ist. Olyvar scheint es jedenfalls zu begrüßen, sie bei ihrem angeblich richtigen Namen nennen zu dürfen, ohne befürchten zu müssen, dass sie gar nicht darauf reagiert.
Obwohl sich wirklich jeder in der Steinfaust rege Mühe gibt, um ihr mit den Erinnerungen zu helfen und ihr sogar Gardisten gelegentlich Geschichten erzählen, die sie vorher nie zu Gesicht bekommen hat, so kann sich Shyada nicht damit anfreunden, jemals eine Amazone gewesen zu sein. Sie kann es nicht beschreiben, aber es erscheint ihr falsch. Alles was ihr über diese andere Frau erzählt wird, passt so gar nicht zu dem, was sie momentan denkt und fühlt. Umso größer ist die Verwirrung, wenn sie merkt, dass ihr niemand Lügenmärchen auftischt und sie oft Dinge gleich mehrmals hört, allerdings unabhängig voneinander von anderen Personen.

Immer wieder beteuert sie den Leuten um sich herum, dass es ihr gut geht und versucht sich auch im alltäglichen Leben zu integrieren. Aber sie hat keine bestimmte Aufgabe, fühlt sich deplaziert und verloren, so dass sie es vorzieht, allein vor sich her zu leben. Natürlich lässt sie sich gelegentlich auf ein Spiel mit den Kindern oder Diantha und Mattis ein, doch das Gefühl von Zugehörigkeit will sich nicht einstellen. Oft sitzt sie einfach nur etwas abseits und betrachtet die anderen, wie sie sich amüsieren oder über die Erlebnisse des Tages unterhalten. Zwar sind ihr die Erinnerungen der letzten Siebentage nicht verloren gegangen, aber sie kann nichts aufregendes in ihrem Tagesablauf erkennen, was erzählenswert wäre. Geschichten aus anderer Zeit hört sie von anderen und ist nicht selbst die Erzählende. Für die anderen hat sie immer ein Lächeln auf den Lippen, aber innerlich ist ihr nach Heulen zumute, so dass sie sich oft nachts in den Schlaf weint und hofft, dass niemand etwas von bemerkt. So sehr sie es während des Reisen vermisst hatte, einen eigenen Platz für sich zu haben, so sehr hasst sie es, wenn sie abends zum Schlafen in das Zimmer zurückkehrt und sich selbst überlassen ist. Denn dann brechen die Ängste und Zweifel über sie herein und zerren an ihr wie kleine garstige Monster. Alles was man ihr erzählt ist ihr fremd und doch passt eins zum andern und bietet ein genaues Bild einer ihr unbekannten Frau. Einer Frau die sie sein soll, obwohl sie wohl unterschiedlicher nicht sein könnten. Besonders seit ihrem Ausflug mit Olyvar nördlich der Stadt hat sich ihre Angst gesteigert. Angst vor dem was wird, wenn sie sich wieder erinnert. Und was mit ihr passiert, wenn es soweit ist. Wenn diese einsame Bruchbude außerhalb der Stadt alles ist, was sie noch hat, welchen Sinn würde es machen sich zu erinnern? Warum sollte sie dann nicht einfach mit dieser Lüge weiterleben, die es ihr zumindest erlaubt einen Ort zu haben, an dem man sich um sie sorgt. Aber nur, weil du dich nicht erinnern kannst. Einer ihrer größten Sorgen ist die Frage, was mit ihr passiert, wenn sie sich wieder erinnert. Olyvar hatte ihr erklärt, dass er sie nicht zum Pfahlbaumhaus zurückschicken wollte, ohne dass sie etwas über ihr vorheriges Leben weiß. Aber würde er auch noch so denken, wenn sie wieder weiß, was sie damals getan hat? Würde es sie selbst dann überhaupt noch interessieren? Doch so verlockend der Gedanke, sich besser nicht zu erinnern, manchmal auch ist, sie will nicht mehr diejenige sein, die sich selbst nicht kennt, während alle anderen um sie herum immer mit einer seltsamen Mischung aus Mitleid, Verständnis, Belustigung und Wissen ansehen.

Olyvar hatte ihr nie verboten die Steinfaust zu verlassen, aber er hatte ihr auch unweigerlich klar gemacht, dass sie außerhalb der Kaserne mit Reaktionen auf ihre Person zu rechnen hat, die ihr nicht unbedingt gefallen würden, so dass sie den Großteil der vergangenen Siebentage innerhalb der dicken Mauern verbracht hat. Nur gelegentlich, wenn sich jemand als Begleitung anbot, hatte sie sich darauf eingelassen und war dann abgelenkt von ihren Sorgen durch die Stadt gelaufen. Auch Olyvar hatte es sich ein paar Mal nicht nehmen lassen, zusammen mit den Kindern, Diantha und ihr einen Ausflug zum einkaufen zu machen. Das erste Mal um den beiden Frauen neue Kleider zu besorgen, denn außer dem was sie am Leib trugen, gab es nichts, was als ihr Besitz zu betrachten wäre. Shyada hatte alles das, was sie jemals besessen hatte in Blurraent verloren und Diantha schien ebenfalls nicht viel mehr zu haben. Für beide Frauen war es gleichermaßen unangenehm gewesen, von der Schneiderin herumgescheucht zu werden, während Olyvar, die Kinder im Schlepptau, sich nur amüsiert daneben gestellt hatte, um das ganze zu überwachen. Aber trotz gelegentlicher Widerworte oder Streiks der Frauen hatte es im Anschluss an die Tortur für beide ein Satz neuer Kleider gegeben, die sowohl für Sommer, als auch für den kommenden Winter gedacht waren. Genau wie Diantha hatte sich Shyada für einfach Kleidung entschieden. Und im Gegensatz zum vorherigen Kleid wesentlich kürzer und stolpersicherer. Besonders das moosgrüne Kleid mit langen schwarzen Ärmeln und Schnürung vorne hatte es ihr angetan und gehörte seit dem Tag, an dem sie es erhalten hatte zu ihrem Lieblingsstück. Einige Gardisten hatten zwar gestichelt, dass ihr weitaus kürzere Kleidung besser stehen würde, doch hatten sie dies schnell bereut, nachdem ihnen nicht nur Ermahnungen seitens einiger Offiziere, sondern auch vom Lord Commander persönlich blühten. Während es für Shyada in den Sommermonden schwer fiel, sich nicht allein aus der Steinfaust zu stehlen, so ist es mit fortschreitendem Herbst und dem schließlich einsetzenden Winter kein Problem mehr. Die trist werdende Landschaft passt zu ihren zunehmend trüben Gedanken, auch wenn sie sich allmählich daran gewöhnt hat, nicht viel mehr als eine Hülle ohne Inhalt zu sein, und macht die Entscheidung leichter, ob man sich vor den warmen Kamin oder lieber nach draußen begeben soll. Und dadurch, dass auch die anderen sich mit der kalten Jahreszeit mehr drinnen aufhalten, hat sie mehr Abwechslung und scheint etwas zugänglicher zu sein. Wenn Diantha mit Connavar und Fianryn draußen im Schnee tobte, stand sie oft oben an den Fenstern zum Zwinger oder in Richtung Larisgrün um ihnen dabei zuzusehen. Oft kam ihr der Gedanke, dass sie vielleicht viel zu bemüht war, sich zu erinnern und es deswegen nicht klappen würde, und dass sie stattdessen wie die Spielenden draußen sich einfach nicht mehr darum scheren sollte, doch hielt sie die Angst über die Zukunft und Vergangenheit fest in ihren Klauen.

Auch das Julfest, dass eigentlich bei jedem ein heilloses Durcheinander hervorruft und jeden einspannt, berührt sie nur mäßig. Natürlich nimmt sie an den Vorbereitungen teil, hilft wo sie kann und freut sich auf die Ausflüge zu den Julmärkten oder die ganzen süßen Dinge, die es während dieser Zeit zu entdecken gibt, doch es ist nicht der selbe Enthusiasmus, mit dem die Kinder oder die anderen Erwachsenen an die Sache herangehen. Trotzdem bringt die Hektik rund um das Ende des Zwölfmondes genug Abwechslung um ihre Sorge wenigstens zeitweise vollkommen zu vergessen. Manchmal, kurz bevor sie davor gewesen war, sich endlich mal wieder frei von Sorgen zu fühlen, kamen sie jedoch zurück und dämpften ihre Stimmung erneut gehörig. Auch Ballabar, den sie neben seinen offiziellen Terminen, auch so recht häufig zu Gesicht bekam, konnte ihr nichts genaueres darüber sagen, wann sie sich erinnern würde. Gelegentlich war Shyada sogar der Meinung, dass der alte Maester die Hoffnung längst aufgegeben hatte und mit seinem Wissen am Ende war, aber natürlich ließ er, wenn dem denn wirklich so war, nie etwas vermerken. Wann immer sie miteinander zu tun hatten, erkundigte er sich sehr genau und nahm auch jeden kleinen Husten sofort in sein Gedächtnis auf, um vielleicht später darin die Ursache für diese oder jene Verzögerung zu finden. Doch auch wenn die Medizin bisher von keinem Erfolg gekrönt war, so wusste Shyada doch die Bemühungen des blinden Mannes sehr zu schätzen und fand die Art, welche er ihr zuteil werden ließ äußerst beruhigend. Nicht zuletzt wohl auch da er ihr keine mitleidigen Blicke schenken konnte.  
Erst als auch der Winter sich langsam seinem Ende neigt, erwacht Shyada morgen oft verwirrt. Sie weiß, dass sie geträumt haben musste, aber sie konnte sich nicht erinnern, sondern behielt nur ein dumpfes Gefühl zurück. Mit den darauf folgenden Tagen wurden die Träume deutlicher, doch auch wenn man sie immer noch befragte, ob sich etwas geändert hätte, so erwähnte sie dies niemanden gegenüber. Hatte das weinende Kind etwas mit ihr zu tun? War sie selbst das oder vielleicht nur einer jener Träume, der auf etwas hinweisen will?
Das Kind in ihren Träumen schien ein und dieselbe Person zu sein. Meistens war es traurig und einsam. Auch wenn Shyada dem Traum nichts entnehmen konnte, so fühlte sie sich dem Mädchen doch verbunden. Wäre sie ein Kind, hätte sie wohl auch pausenlos geweint, doch je näher das Ende des Winters kam, umso stärker wurde der Glaube, dass ihre Erinnerungen für immer verloren wären. Das Mädchen in ihren Träumen blieb ihr jedoch erhalten und schien sogar zu wachsen. Manchmal durchlebte sie einen Tag in mehreren Nächten und manchmal vergingen Monde in nur einer einzigen. Das Mädchen wuchs, wurde zur jungen Frau und schließlich ganz erwachsen. Über mehrere Siebentage begleitete sie die Frau, ohne dass Shyada jemals ihr Gesicht deutlich wahrgenommen hatte. Sie wusste, dass Personen in Träumen oft gesichtslos waren. Es hatte sie nie gestört, auch wenn sie manchmal gerne gewusst hätte, wie die Frau denn eigentlich aussah.

Doch als sie an diesem Morgen kurz vor dem Erwachen ist, löst sich der Schleier von dem Gesicht der Frau. Mit einem heiseren Schrei holt sich Shyada selbst aus dem Schlaf und sitzt senkrecht in ihrem Bett. Schwer atmend versucht sie das Bild aus ihrem Kopf zu vertreiben. Sie kennt das Gesicht, sieht es jeden Morgen und es ist auch nicht der Anblick der sie entsetzt, sondern viel mehr das, was es bedeuten könnte. Sie hatte sich damit abgefunden und doch scheint es, als wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem sie sich erinnert. Minutenlang starrt sie auf die wirren Linien der Bettdecke vor ihr und versucht ihren Atem zu beruhigen. Die Träume der letzten Nächte rasen durch ihren Kopf, bilden einen Zeitraffer und lassen das junge Mädchen noch einmal erwachsen werden und dann plötzlich ist da wieder Leere. Vollkommen verblüfft, warum sie ihre Hände anstarrt, sieht Shyada sich in ihrem Zimmer um. Es ist niemand da und sie kann auch keinen Grund erkennen, warum sie hier so verstört in ihrem Bett sitzt. „Was?“ fragt sie benommen in die Stille und tapst dann unbeholfen aus dem Bett, zum Spiegel, der gleich über dem Tisch mit der Waschschüssel an der Wand befestigt ist. Ihr Spiegelbild sieht aus wie immer. Etwas zersaust um die Haare und die Augen noch müde blinzelt, aber es gibt kein Zeichen von Veränderung. Sie ist noch immer die Shyada ohne Vergangenheit. Mühselig wirft sie ihrem Konterfei ein Lächeln zu und sieht dann noch einmal beängstigt über ihre Schulter zurück zum Bett. Kein Dämon hockt da und lauert ihr auf. Sie weiß, dass irgendetwas eben vorgefallen sein muss, weiß aber nicht mehr was genau es war. „Fängt es so an?“ Ihr Herz macht einen schmerzhaften Sprung. Sie sollte sich eigentlich freuen, aber so recht will ihr das nicht gelingen. Grübelnd gibt sie sich einer Katzenwäsche hin, versucht ihre Gedanken zu beruhigen und schlüpft dann in ihr geliebtes schwarz-grünes Kleid. Da der Tag schon etwas weiter vorangeschritten ist, findet sie den Westflügel verlassen vor. Olyvar ist wohl wie immer mit seinen Pflichten beschäftigt, Mattis hat auch stets etwas zu tun und Diantha blieb eh nie lange an einem Ort, wenn sie sich um die Zwillinge zu kümmern hatte. „Allein.... wie immer.“ Den Mund traurig verzogen, geht sie zum Tisch hinüber, auf dem die Reste eines Frühstücks stehen und außer ihrem Teller alles benutze Geschirr schon abgeräumt wurde. Halbherzig kaut sie auf den Sachen herum und räumt dann alles weg, ohne auf Mattis zu warten, der dies eigentlich erledigt. Sie hat ohnehin keine bestimmte Aufgabe, also sucht sie sich gerne etwas zu tun.

Besonders die letzten Tage ist es ihr wieder schwerer gefallen sich mit den anderen zu arrangieren. Sie weiß, dass Dinge mit ihr passieren. Immer häufiger bemerkt sie plötzlich Blicke seitens der anderen, die sie nicht zuordnen kann. Doch auch wenn sie sich längst an dieses ständige Beobachten gewöhnt hat, das schlimmste ist, sie weiß manchmal nicht einmal mehr, was sie wenige Augenblicke zuvor getan hat. Was weiter zurück liegt, ist ihr aber trotzdem bewusst. Und auch wenn sonst alle ehrlich zu ihr sind, in dieser Hinsicht scheinen sie sich selbst nicht sicher zu sein, was passiert ist oder was nicht und vermeiden es deshalb, darüber reden zu müssen. Eine Tatsache die immer wieder zu neuerer Verwirrung bei Shyada führt. Trotzdem dulden die anderen sie in ihrer Nähe und versuchen diese kurzweilige Veränderung zu ignorieren oder zu ertragen. Shyada hätte gerne gewusst, was genau sie dann tut, aber niemand antwortet auf ihre Fragen, wenn sie sich denn überhaupt bewusst ist, das eben wieder ein solcher Moment war. Da der heutige Tag schon in Einsamkeit für sie beginnt, beschließt Shyada auch den Großteil des Tages allein für sich zu verbringen. In einem Gebäude wie der Steinfaust kein allzu leichtes Unterfangen, doch da der Westflügel privat ist, laufen ihr hier nur Diantha mit den Kindern und Mattis über den Weg, die man aber leicht umgehen kann. Auch wenn Shyada mitbekommen hat, dass Diantha durch die Kinder wohl zugänglicher geworden ist, so hat sie doch noch immer eine gewisse Scheu vor der Frau. An ihr war eine Veränderung nur allzu deutlich zu merken und alle begrüßten diese. Diantha hatte sich eindeutig zum besseren verändert und das das macht Shyada bei jeder Begegnung mit der jungen Frau deutlich, dass es bei ihr das Gegenteil sein würde. Diantha ist in der Steinfaust willkommen, die Kinder lieben sie und Mattis scheint sich ausgezeichnet mit ihr zu verstehen, doch Shyada weiß, dass es bei ihr nicht der Fall wäre... wenn denn die ganzen Geschichten der Amazone stimmen. Vielleicht sollte ich einfach gehen... Sie weiß nicht wohin, aber wieder einmal grübelt sie darüber nach, ob es nicht besser wäre zu verschwinden. Ob es überhaupt möglich wäre ungesehen aus der Steinfaust zu entkommen, weiß sie nicht einmal, aber wenn sie wirklich so ein Miststück werden würde, dann sollte sie jetzt, wo ihr die Menschen, die ihr geholfen haben, noch etwas bedeuten, vielleicht einfach gehen. Dann wüsste sie, dass sie sich ihnen gegenüber falsch benehmen wird. Doch genauso würde sie sich etwas vollkommen unbekannten überlassen. Etwas, dass sie allein vielleicht nicht kontrollieren kann. Die Worte Ballabars sind ihr zwar jeden Tag im Gedächtnis, aber sie weiß nicht, ob sie sich selbst allein später einmal weit genug beeinflussen kann.
Erst später am Abend findet sich Shyada mit den anderen wieder zusammen. Ihre düsteren Gedanken hatten sich über den Tag hinweg etwas verzogen und als sich die anderen zu einem gemeinsamen Abendessen im Westflügel einfinden, gibt es bereits wieder soviel Trubel, dass man gar keine Zeit zum nachdenken hat. Gemeinsam denken sie den Tisch, warten noch eine Weile auf Olyvar (den heute irgendwie niemand zu Gesicht bekommen hat) und beschließen dann, dass sie jetzt doch schon essen und das der Lord Commander, dann halt alleine essen muss, wenn er nicht pünktlich auftaucht.

Anfangs lauscht Shyada noch dem, was Diantha und Mattis erfreut an Erlebnissen des heutigen Tages austauschen, doch irgendwann werden ihre Stimmen zu leisem Gemurmel. Ein monotones Auf und Ab, dass sie seltsam einlullt. Sie hat den Blick auf das Messer vor sich gerichtet, bemerkt aber nicht einmal was genau sie dort schneidet. Eben hat sie noch beschlossen, einfach nur ein wenig Gemüse klein zu schneiden, als da wieder ein Gedanke auftaucht, der ihr seltsam erscheint. Würde sie sich gleich wieder seltsam benehmen? Bislang hat sie noch immer bemerkt, dass sie etwas ändert, doch danach scheint sich ihr Bewusstsein auszuhalten. Dieses Mal versucht, alles mitzuempfinden, konzentriert sie sich so stark auf ihr Inneres, dass sie gar nicht bemerkt, wie Olyvar die Halle betritt und von den anderen empfangen wird. Ebenfalls bemerkt sie nicht, dass sie längst wieder die Kontrolle über sich verloren hat. Seltsam entfremdet merkt sie zwar, dass sie sich bewegt, aber sie weiß nicht was sie tut. Ihre eine Hand greift nach etwas, die andere bewegt sich immer gleich auf und ab. Es geht eine ganze Weile so, bis sich ihr Blick plötzlich wieder klärt und nur wenig später ein Apfel mit Hilfe eines Dolche an einer der Säulen klebt. Ihr Brustkorb bewegt sich gleichmäßig auf und ab, vielleicht etwas zu schnell, hinter ihr sind Geräusche zu hören und eine bekannte Stimme, die ihren Namen ruft. Verärgert darüber, dass man sie stört(und das obwohl sie noch nicht einmal weiß, wo sie sich befindet und was der Apfel an der Säule dort macht), dreht sie sich fauchend um, sieht Olyvars Gesicht, hat das Gefühl, dass sie eine unsichtbare Hand streift und taumelt innerlich. „Was?“ Alle Gesichter ihr Gegenüber haben wieder jenen seltsamen Ausdruck, der nichts gutes verheißt. Einzig Olyvar scheint zu wissen, was er tun muss, auch wenn er selbst auch nicht gerade beruhigt aussieht. „Was hab ich getan?“ Doch natürlich gibt es wieder keine direkte Antwort. > "Mach dir keine Sorgen, ceisdein."< Ein gequältes Lächeln erscheint auf ihren Lippen. Nein, warum sollte sie das auch, wenn sie nie weiß was sie tut und ihr niemand sagt, was passiert ist. Das Olyvar jedoch plötzlich nach Obstsalat fragt, irritiert se und erst da bemerkt sie die Unmengen an Apfelscheiben vor sich. Statt jedoch sich den Apfelscheiben zu widmen, geht er an ihr vorbei, als gäbe es dort etwas wichtigeres. Als Shyada sich umdreht, zuckt sie kurz zusammen. Die glänzende Spur des Apfelsaftes hat sich einen Weg bis zum Boden gebahnt. Es kann noch nicht allzu lange her sein, dass der Apfel dort befestigt wurde und komischerweise ist es auch ihr Messer, das dort in der Säule steckt. „War... war ich das?“ Die Augen geweitet, sieht sie Olyvar zu, wie er das Messer mitsamt Apfel entfernt und die Beschädigung im Holz kurz begutachtet. Er nickt etwas zögernd und kommt dann wieder zum Tisch zurück. Ein sachtes Zittern geht durch ihren Körper. War der Traum der Vorbote gewesen und heißt das nun, dass so etwas noch häufiger passieren würde? Bislang scheint es sich auf gelegentlichen Wortwechsel beschränkt zu haben. Immerhin ist dies bislang das einzige Messer gewesen, dass nach ihren spontanen Gedächtnislücken in Augenhöhe irgendwo in einer Wand oder Säule steckte. Da sie merkt, wie das Zittern auf ihre Beine übergeht und es schwerer macht sicher zu stehen, setzt sie sich wieder auf ihren Stuhl und blickt in die verwirrten Gesichter um sich herum. Auch dem geschnittenen Obst wirft sie einen fragenden Blick zu, doch reagiert niemand so recht darauf. „Ifrinn!“, kommt es plötzlich über ihre Lippen und sie steht bereits wieder. Dieses Mal weitaus sicherer, wütend funkelt. „Was zum Henker tu ich hier? Und wo überhaupt...“ Gerade dabei Mattis, die Frau und die beiden Kinder anzufauchen, fällt ihr Olyvar an ihrer Seite auf. Keine zwei Schritt von ihr entfernt steht er dort mit Messer und Apfel in der Hand. Abrupt macht sie einen Schritt zurück und stellt dabei fest, dass sich eindeutig zuviel weiter Stoff an ihr befindet. Sie hat keine Ahnung, was hier gerade vor sich geht und warum sie am Tisch mit dieser seltsamen Mischung aus anwesenden Personen sitzt. Doch wer auch immer die Frau ist, Mattis kennt sie und Olyvar auch. Die kleinen Gören wären vermutlich dann seine. Die Augen verengt sieht sie zum Lord Commander.  

Irgendwie fühlt sie sich, als wenn ihr etwas fehle, ohne zu wissen, was das eigentlich ist, doch was viel beunruhigender ist, was bei allen neun Höllen macht sie bei Olyvar in einem Kleid! Abfällig zupft sie an dem grünen etwas herum und versucht sich im Raum zu orientieren. Sie kann sie nicht daran erinnern, ihn jemals schon zu Gesicht bekommen zu haben, aber die Kinder, Olyvar und Mattis lassen darauf schließen, dass die Steinfaust nicht weit sein kann. Kizumu ist wohl über alle Berge, zumindest laut dem was sie weiß(oder vielleicht auch in einem, wenn man es genau nehmen will), aber sie hätte trotzdem nicht gedacht, dass Olyvar so schnell Ersatz für seine Frau findet. Shyada schenkt der anderen Frau nur einen weiteren flüchtigen Blick, weiß aber trotzdem nicht, welche Rolle sie hier eigentlich spielt. War sie nicht eben noch auf dem Inarifest? Dies hier sieht aber ganz und gar nicht nach dem Markt und einem Gespräch mit einem hochnäsigen Elben aus. „Was genau tue ich hier?“ kommt es gefährlich leise über ihre Lippen. Sie weiß, dass sie sich und den anderen damit einen Schwachpunkt eingesteht, etwas dass sie unter anderen Umständen nie tun würde, aber irgendetwas an dieser Situation erscheint ihr seltsam konfus. Sie spürt weder das vertraute Gewicht ihrer Dolche an den Beinen, noch die Kette um ihren Hals. Etwas stimmt ganz gewaltig nicht und dass sie sich so plötzlich damit konfrontiert fühlt, behagt ihr alles andere. Völlig unerwartet taucht jedoch ein Gesicht vor ihrem inneren Auge auf und lässt sie überrascht blinzeln. Sie kennt den Mann nicht, aber es war nicht der blonde Elb gewesen, an den sie sich erinnern kann. „Hast du diesen schwarzen Mistkerl geschickt?“ Eigentlich erscheint es ihr unlogisch. Warum sollte Olyvar das tun? Sie ist der Meinung gewesen, dass sie sich nichts mehr zu sagen hätten, aber warum ist sie dann jetzt hier?

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 02. März 2007, 08:43 Uhr
Kaum hat Shyada sich auf den Stuhl sinken lassen und einmal verwirrt in die Runde geblinzelt, steht sie auch schon wieder und diesmal eindeutig als Amazone. >Ifrinn!< Zur Hölle! Diesen Fluch aus ihrem Mund zu hören, hätte Olyvar beinahe lächeln lassen. >Was zum Henker tu ich hier? Und wo überhaupt...< In höchster Verwirrung starrt Shyada im Raum umher, bis ihre Augen ihn treffen und sein Anblick sie prompt einen Schritt zurückweichen lässt. Die Amazone ist wieder da... und diesmal offenbar nicht nur auf Stippvisite. "Hallo Shya." Sie hätte mit Sicherheit gern noch mehr Abstand zwischen sich selbst und ihn gebracht, aber die weiten Stoffbahnen ihres Rockes behindern sie und so bleibt sie fluchend stehen, wo sie ist, bevor sie wegen ihres Gewandes noch unwürdig auf die Nase gefallen wäre. Ja, der Amazonenstolz ist schon eine lästige Sache... Eine lästige Sache scheint für Shyada zumindest auch ihr Kleid, er dagegen findet den Gedanken, dass sie in solchen Röcken noch nicht einmal bis zur Tür käme, sollte sie versuchen, davonzulaufen, sehr beruhigend.
Ihre grünen Katzenaugen werden bedenklich schmal, während sie ihn unverwandt mustert und dabei mit den Fingern unbehaglich an ihrem Mieder herumtastet.  >Was genau tue ich hier?< Will sie wissen, doch Olyvar bleibt von ihrem lauernden Tonfall vollkommen unbeeindruckt. Den kennt er und er hatte ihn noch nie aus der Fassung gebracht, also würde er jetzt auch nicht damit anfangen. Abgesehen davon, das hier ist Shyada. Keine Lomie, kein verängstigtes Mädel, keine sanftmütige, stille Frau, er kann die Samthandschuhe also getrost wegpacken... vorerst zumindest. Mmmpf! Besorg dir lieber ein paar Stücke rohes Fleisch und eine Peitsche! Olyvar schiebt den Gedanken entschlossen beiseite,  setzt sich, zuckt mit den Schultern und erwidert. "Du kurierst dich aus, ceisdein. Apfel?" Als sie ihn anstarrt, als habe er den Verstand verloren, beißt er ungerührt von der Frucht in seiner Hand ab, kaut und lässt ihr Zeit, sich die nächste Frage zu überlegen, die sie ihm an den Kopf werfen will. Er rechnet damit, dass sie sofort wissen muss, wo ihre Sachen, ihre Waffen sind oder was zum Teufel er mit auskurieren meint, doch statt dessen fragt sie: >Hast du diesen schwarzen Mistkerl geschickt?<
"Was?" Echot er überrascht und der Gedanke erheitert ihn trotz dieser ganzen absurd-ernsten Situation so sehr, dass er sich auf die Zunge beißen muss, um nicht laut zu lachen. Er schüttelt den Kopf, sichtlich belustigt, und isst weiter seinen Apfel. "Nein. Und falls es dich interessiert," erklärt er zwischen zwei Bissen, "der schwarze Mistkerl ist tot. Er verrottet in einem Wald irgendwo westlich von Blurraent." Er sieht in ihr Gesicht, sieht die Verwirrung in ihren Augen und schüttelt dann den Kopf, während er sich selbst einen Ruck gibt. Götterverdammt, jetzt hör schon auf, sie zu ärgern! Sie kann schließlich nichts dafür, dass sie die letzten Monde nicht sie selbst war. "Setz dich. Komm schon, Shya. Schaffst du's, mir ein paar Minuten zuzuhören?" Erkundigt er sich durchaus freundlich, doch auch ein wenig im resignierten Tonfall eines Mannes, der eigentlich ein glattes "Nein" erwartet, wider besseren Wissens aber dennoch fragt. "Mattis, nimm die Kinder und geh mit ihnen hinaus, bitte. Diantha, würdest du bleiben? Du warst in Blurraent dabei. Shyada, setz dich." Sie steht immer noch und starrt ihn an. "Ifrinn, keiner hier will dir irgendetwas tun. Ich erzähle dir, was passiert ist, wenn du deinen Hintern endlich auf einen Stuhl pflanzt."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 02. März 2007, 17:44 Uhr
Der Tag scheint ganz normal anzufangen. Wie sie es sich angewöhnt hat ist Diantha schon einige Zeit vor den Kindern wach und richtet das Frühstück, was mit zwei kurz nach dem Aufstehen schon quietsch fidelen Zweijährigen nervenaufreibend sein kann. Auch der Rest des Tages verläuft zunächst ruhig, es fällt zwar auf, dass Olyvar gar nicht auftaucht, selbst beim Mittagessen lässt er sich nicht blicken. Doch das wundert Diantha nicht weiter, sie hatte schon am Vortag seine auffallend schlechte Stimmung bemerkt, die vermutlich wieder etwas mit Kizumu zu tun hatte. Vielleicht ist heute ein besonderer Tag in ihrer Beziehung gewesen, das Datum ihres Kennenlernens, Hochzeitstag oder etwas dergleichen. Die Immerfrosterin weiß es nicht und will es eigentlich auch gar nicht wissen. Kizumu erscheint ihr noch immer suspekt, obwohl Feorna viel positives über die Elbin erzählt hat. Wie kann man seine Kinder zurücklassen, wenn auch bei einem so guten Vater wie Olyvar? Diantha kann es noch immer nicht verstehen, sich nicht vorstellen ein kleines Kind zurückzulassen, ihr würde es schon jetzt furchtbar schwer fallen Connavar und Fianryn zu verlassen und die beiden sind noch nicht einmal ihr eigen Fleisch und Blut, obwohl sie sich ihnen schon fast so verbunden fühlt. Noch ein weiterer Grund für ihre Verständnislosigkeit ist, dass sie nicht versteht, wie einer Frau der Lord Commander nicht gut genug sein kann. Gut, er ist nicht die Perfektion in Person wie es ganz zu Anfang schien, dennoch scheint er Kizumu aus tiefstem Herzen geliebt zu haben, sonst würde er ihr nicht dermaßen hinterher weinen. Wem kann das nicht genügen um glücklich zu sein?
Dann schließlich mitten während des Abendessens taucht er auf, eindeutig nass, er hat sich wohl den ganzen Tag draußen herumgetrieben. Eine gute Art, seine überschüssige Energie loszuwerden, trotzdem atmet Diantha unbewusst auf, als er in der Tür steht, mittlerweile wurde es doch allmählich Zeit, die Nacht bricht an. Befremdet stellt sie fest, dass sie sich um ihn Sorgen gemacht, doch den Grund dafür erkennt sie nicht. Er führt sein Leben, sie ihr’s und auch wenn es einige Berührungspunkte gibt – nicht zuletzt der, dass ihres sich um seine Kinder dreht – geht es sie eigentlich nicht an, wie er seine Freizeit verbringt. Ihr bleibt keine Zeit weiter darüber nachzudenken, weil Connavar mal wieder eine riesige Schweinerei mit seinem Essen anzustellen beginnt. „Ach Kullanmuru, was stellst du da nur wieder an!“, murmelt sie und wischt seine fettigen Hände ab, mit denen er gerade auf dem Tisch herumpatschen wollte. Dabei bemerkt sie, dass seine Schwester im Begriff ist, von ihrem Stuhl aufzustehen, den Blick erfreut auf Olyvar gerichtet. Diantha könnte sie im letzten Moment noch schnappen – doch vielleicht ist es gar nicht so schlecht für ihn, von seiner Tochter begrüßt zu werden, so lässt sie Fianryn gewähren. Nach einer liebevollen Begrüßung setzt Olyvar seine Tochter wieder auf ihren Platz und Diantha nickt ihm freundlich zu und kümmert sich dann weiter um das fettverschmierte Kind. Der fragende Tonfall, mit dem Olyvar Shyada begrüßt lässt sie kurz aufblicken, doch scheint nichts besonderes zu sein, kein weiterer der kurzen Anfälle, die in letzter Zeit regelmäßig vorkamen und zwar, dass Shyada auf einmal nicht mehr wusste, was sie gerade getan oder gesagt hatte. Das macht den ohnehin nicht ganz einfachen Umgang mit ihr noch um einiges Schwerer und von Zeit zu Zeit ertappt sich Diantha dabei wie sie der Frau aus dem Weg geht, dabei versucht sie eigentlich nett zu ihr zu sein und kann durchaus nachvollziehen, dass Shyadas derzeitige Situation schrecklich für sie ist.
Erst als das Aufschlagen des Messers auf das Holzbrett immer schneller wird, wendet sich die Immerfrosterin von Fianryn ab, der sie geholfen hatte, ihren kleinen Becher so zu halten, dass der Inhalt sich nicht auf ihrer Kleidung verteilt, und schaut Shyada ins Gesicht. Dessen Ausdruck ist plötzlich unbekannt hart und kämpferisch, die Präzision, mit der die Frau den Apfel schneidet kennt Diantha nicht an ihr. Sprachlos schaut sie zu, wie Shyada plötzlich aufspringt und mit dem langen Gemüsemesser werfend einen Apfel an eine Holzsäule aufspießt. Der Moment der Überraschung ist schon vorbei und Diantha greift automatisch nach der unauffälligen Tasche in ihrer Hose, in der gut versteckt und gepolstert der Wurfstern liegt. Diese Tasche zu nähen hatte Stunden gedauert, aber bei dem Gedanken sich ganz ohne jegliche Waffe zu bewegen, läuft es der Immerfrosterin kalt den Rücken hinunter, deshalb ist dieser eine Wurfstern schon das Minimum. Langsam zieht sie ihn hervor und hält ihn so in der Hand, dass die Zwillinge ihn nicht sehen können. Diese beobachten währenddessen wie Olyvar Shyada anspricht und sie sich erst keifend umdreht, sich dann aber wieder in die Shyada verwandelt, die die letzten Monate mit ihnen zusammengewohnt hat. Olyvar versucht sie zu beruhigen und macht dann einen Scherz in Bezug auf das Obst, der Diantha aber beim besten Willen nicht zum Lächeln bringen kann. Angespannt beobachtet sie Shyada – ihr wurde ja schon von ein paar Leuten erzählt, dass mit ihr vor ihrem Gedächtnisverlust nicht zu scherzen war, doch diese Gewalttätigkeit und besonders diese Kraft hätte Diantha bei ihr nicht erwartet. Diese wirkt jetzt vollkommen verwirrt und setzt sich, nur um wenige Augenblicke danach wieder aufzuspringen und aus voller Brust zu fluchen. Verärgert faucht sie Mattis, Fianryn, Connavar und Diantha an, verlangt zu wissen wo sie und warum. Die Kinder schrecken ängstlich zurück und wenden sich Diantha zu, welche nun allmählich ihre Geduld verliert. Diese sich zu einem Miststück verwandelnde Shyada hat Dianthas Kinder gefälligst nicht so anzugiften! Mit dieser Frau habe ich die beiden spielen lassen! Es ist ja schon fast ein Wunder, dass sie ihnen nichts getan hat! Und ich dachte, ich kenne die wenigen Leute, die hier wohnen, Gedächtnisverlust hin oder her! Wie kann sich ein Mensch so sehr verändern? „Olyvar…“, zischt sie wutentbrannt, die stehende Frau nicht aus den Augen lassend. Da wendet Shyada ihren Blick ab, will einen Schritt zurück machen um weiter von Olyvar weg zu kommen und stolpert gleich mal fast über ihr Kleid. Mit einem bösen Blick verlangt sie noch einmal zu wissen, wieso sie hier im Solar ist. Ihre Worte kann man keinesfalls als Bitte verstehen, sondern eher als Befehl.
>"Du kurierst dich aus, ceisdein. Apfel?"< Aus dem Tonfall des Lord Commanders ist zu hören, dass ihn das Verhalten der Diantha so fremd erscheinenden Frau nicht sonderlich irritiert. Die sieht aus, als wolle sie ihn mit ihrem finsteren Blick zu einer anderen Antwort zwingen. Shyadas Verhalten finden die Zwillinge mittlerweile nicht mehr lustig und leise jammert Fianryn: „Dianthaaa?“ „Rakkaani, alles ist gut“, beruhigt die Immerfrosterin sie flüsternd, aber ihre Stimme ist scheinbar nicht wirklich überzeugend, denn langsam sammeln sich in den Augen des Mädchens Tränen und auch Connavar wird immer unruhiger. Deshalb sieht Diantha die Zeit gekommen, sich in das Gespräch einzumischen um entweder mit den Kindern das Zimmer zu verlassen oder aber wieder einen einigermaßen zivilisierten Umgangston am Tisch zu schaffen. Doch gerade da fragt Syhada: >“Hast du diesen schwarzen Mistkerl geschickt?“< Was Olyvar zu überraschen scheint, denn er fragt er nur >„Was?“<, dann erklärt er, dass Jamar tot ist und im Wald verrottet, eine Formulierung die Diantha für Kinderohren nicht unbedingt geeignet findet. Ich wette, morgen erzählt mir Connavar etwas über verrottende Menschen im Wald und will dann wissen, was verrotten heißt, denkt sie verärgert, als er Shyada dazu auffordert sich zu ihnen zu setzen um ihr alles zu erklären, worauf sie nicht reagiert.
Diantha will gerade fragen, ob sie mit den Kindern gehen will, da fordert Olyvar den Knappen auf: >"Mattis, nimm die Kinder und geh mit ihnen hinaus, bitte. Diantha, würdest du bleiben?“< Wäre es nicht Olyvar, der sie bittet, würde sie gehen, wie es die drei gerade tun. Der Wunsch der Zwillinge zu gehen ist so groß, dass sie auch mit Mattis gehen, der ihnen verspricht, ihnen eine Geschichte zu erzählen. Diantha ist ihm dankbar, dass er gleich reagiert und weiß, dass er mit den Kindern umgehen kann, sie ist froh, dass die Kinder nicht mehr in Shyadas Nähe sind.  Diese Frau ist gefährlich, das sagen ihr sämtliche von der Straße geschulte Sinne – so selbstsicher wie unberechenbar, noch dazu gut mit der Klinge, eine beängstigende Mischung. Und was soll Diantha Shyada sagen, was er ihr nicht auch mitteilen könnte? Oder soll sie nur das bestätigen, was er sagt? Doch wozu? Sie kennt die Amazone nicht, warum sollte die ihr glauben? Aber wenn er es unbedingt will … „Von mir aus“, knurrt sie, noch mit dem Bild der ängstlichen Kinder vor Augen. Dann versucht Olyvar die Amazone dazu zu überreden, sich zu setzten. Miststück, setz dich schon, sonst kriegst du nie zu hören, was du wissen willst, denkt Diantha wütend. Wo ist das zurückhaltende, aber nette Mädchen hin, was du gerade noch warst? Verdammt, ich hätte nie gedacht, dass sie zu so einem Monster wird, wenn sie ihr Gedächtnis wiedererlangt! Alle, die mir etwas über die alte Shyada erzählt haben, haben weit untertrieben! Vielleicht hätte man sie lieber auf der Droge lassen sollen! Noch immer ruht Dianthas Hand auf der Tischplatte, doch zwischen Haut und Holz spürt sie noch das kühle Metall ihres Wurfsterns, ein beruhigendes Gefühl, dass sie der Amazone nicht schutzlos ausgeliefert ist. Kühl ruht Dianthas Blick auf der Frau und wartet auf ihre Reaktion.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 02. März 2007, 19:41 Uhr
Nicht dass der Ort und ihr Kleid schon beunruhigend genug sind, die Art wie Olyvar ihr gegenübersteht, will so gar nicht zu dem passen, was sie als angemessen empfindet, wenn man die (ihrer Meinung nach) aktuelle Lage zwischen ihnen betrachtet. Sie hatten sich unter etwas schwierigen Umständen voneinander getrennt, irgendwann vor langer Zeit, und nun steht er ihr so nah und begrüßt sie auf eine Weise, als hätten sie sich mal eben auf der Strasse zum Plausch getroffen. Sie schnaubt nur abfällig. Sie mag Olyvar nicht hundertprozentig einschätzen können, aber sie kennt ihn gut genug, um zu wissen, dass dies hier nicht so banal und einfach ist, wie er ihr mit seiner ruhigen Art glauben machen will. Und der Klang der anderen Frauenstimme bestätigt ihre Gedanken, denn allein die Art wie sie den Namen des Lord Commander ausspricht, verrät Misstrauen und Anspannung. > "Du kurierst dich aus, ceisdein. Apfel?"< Mit allem möglichen hätte sie gerechnet, aber nicht, dass Olyvar ihr so etwas erzählt, geschweige denn ihr einen dämlichen Apfel anbietet. Am liebsten hätte sie ihm das Obst aus der Hand geschlagen. Sie will weder einen Apfel noch dumme Sprüche, sondern einfach nur wissen, was dieses Beisammensein soll. Sie weiß, dass er weiß, dass er keine Antwort kriegen wird. Dass er jedoch genüsslich von dem Apfel abbeißt, als gäbe es im Moment nichts wichtigeres, treibt sie fast zur Weißglut. Allerdings ist sie noch erheblich im Nachteil und kann es sich daher nicht erlauben, etwas zu tun, was sie später bereuen würde. Noch ist sie nämlich auf Olyvar oder vielleicht jemand anderes, der sie hoffentlich bald mal aufklären würde, angewiesen, was sie danach tun würde, wäre dann schon etwas ganz anderes. Aber zuerst einmal muss sie herausfinden, was das alles zu bedeuten hat. Besonders dieses schreckliche Kleid, dass bei jeder Bewegung an ihrem Körper herumschlackert, als sei es für jemand weitaus umfangreicheren gemacht. Eines der Kinder, vielleicht auch beide, fangen zu wimmern an, aber Shyada schenkt dem keinerlei Beachtung. Immerhin sind es nur Kinder, nichts wovon sie sich im Moment ablenken lassen würde. Dafür verbraucht Olyvars amüsierter Gesichtsausdruck ohnehin zuviel ihrer Aufmerksamkeit. Er scheint definitiv mehr zu wissen als sie und es bräuchte keinen Hellseher oder Weisen, um zu merken, dass er eindeutig seine Freude daran hat. Shyada weiß, dass viele andere ebenfalls gerne an seiner statt wären, aber das macht den Umstand nicht erfreulicher, dass er mit ihr spielt.

> Nein. Und falls es dich interessiert der schwarze Mistkerl ist tot. Er verrottet in einem Wald irgendwo westlich von Blurraent"< Es kostet sie einiges an Beherrschung nicht einfach aus dem Raum zu gehen. Dort draußen würde sich bestimmt auch jemand anderes finden lassen, der ihr schneller eine Antwort gibt, aber der Weg zur Tür ist weit. Viel zu weit mit diesem Kleid. Sie hat keine Ahnung was Olyvar ihr da erzählt. Sie kann sich zwar an den Südländer erinnern, wenngleich auch nur recht verschwommen, aber in Bezug auf Blurraent fällt ihr nichts eins. Das einzige was sie über diese Stadt weiß ist, dass sie am Ildorel irgendwo östlich von Talyra liegt. Mehr nicht. Was also interessiert es sie, wer wo verrottet? Sie sollte sich freuen, da ihr der Kerl ohnehin zuwider war, aber der Zusammenhang will sich ihr noch nicht preisgeben. Olyvar scheint jedoch plötzlich gnädig gestimmt. > "Setz dich. Komm schon, Shya. Schaffst du's, mir ein paar Minuten zuzuhören?"< Shyada weiß nicht, ob sie Lust hat sich ein paar Minuten etwas anzuhören, wofür sie sich setzen muss. Warum nicht einfach sofort im stehen? Was auch immer er ihr zu sagen hat, es würde keinen Unterschied machen, wie sie es hört. Eine Antwort scheint er jedenfalls nicht zu erwarten und ignoriert sie erst einmal dezent, um unerwünschte Ohren nach draußen zu schicken. Shyada sieht zu den anderen hinüber. Die Kleinkinder haben eindeutig ängstliche Gesichter und sind froh, rausgehen zu dürfen. Mattis wirkt eher ungerührt, die Frau jedoch(Diantha wie Olyvar sie genannt hat), scheint ihr alles andere als wohl gesonnen, was Shyada innerlich kurz abfällig auflachen lässt. Probleme mit mir, a leannan? Wer auch immer die Frau ist, die Ablehnung ist ihr mehr als deutlich anzusehen. Ihretwegen können sie sich also schon einmal nicht hier versammelt haben. Verschwinde doch einfach, wenn ich dir nicht passe. Shyada schweigt allerdings wohlweislich. Eigentlich nur, weil sie Olyvar gegenüber steht und endlich von ihm eine Antwort haben will. Ihr Name lässt sie sich auch wieder ihm zuwenden und mittlerweile sieht er nicht mehr ganz so beherrscht aus. Aber es ist nur eine feine Veränderung in seinem Gesicht. Nichts was man an dem Ausdruck seiner grauen Augen oder seiner Mimik ausmachen könnte. Vielleicht auch einfach mehr ein Gefühl ihrerseits.

> "Ifrinn, keiner hier will dir irgendetwas tun. Ich erzähle dir, was passiert ist, wenn du deinen Hintern endlich auf einen Stuhl pflanzt."< „Und wenn ich mich weigere?“ Sie hatte Olyvar noch nie mit ihrer Größe beeindrucken können und auch jetzt mit ihrem Kleid sieht unwesentlich imposanter aus, wie sie ihn herausfordernd von unten heraus anfunkelt. Selbst mit Waffen und gewohnter Kleidung wäre sie im Nachteil und doch sieht sie nicht ein, warum sie ihm einfach gehorchen soll. Es ist kein Befehl den er ausgesprochen hat, aber auch längst keine Bitte, dafür etwas bei dem er gewiss keine Widerworte hören will. Mehrere Augenblicke lang sehen sie sich stumm an, ehe Shyada theatralisch mit den Armen rumfuchtelt, sich die Lehne eines Stuhles schnappt und diesen dann zu sich heranzieht. Sie kennt Olyvars Dickschädel. Ihrer ist zwar auch nicht zu missachten, aber sie verspürt nicht im geringsten Lust ewig hier herumzustehen und nebenbei von einem Weib angegiftet zu werden, dass ihr allmählich auf die Nerven geht, obwohl sie eigentlich nicht viel tut. Wobei das möglicherweise genau das Problem für sie ist. „Also? Ich höre.“ gibt sie genervt von sich, während sie sich wenig ladylike auf den Stuhl fallen lässt und dann resigniert einen Teil ihres Ärmels unter ihren Hintern ruckartig hervorholt. „Fuilteach!“ Ich warne dich. Wenn das irgendwelche Spielchen von dir sind, dann solltest du sie sehr schnell beenden. Olyvar, seinen Apfel kauend, vor sich und Diantha, die wie eine Ehefrau kurz vor dem Durchdrehen aussieht, neben sich, hat Shyada plötzlich den Eindruck Teil eines Verhörs zu sein und erwartet fast schon einen Schwung Gardisten, der gleich durch die Tür geklappert kommt, aber nichts rührt sich. Auch Olyvar sich anfangs nicht. „Tòisich, burraidh! Oder wartest du auf etwas Bestimmtes? Vielleicht das deine kleine Freundin hier mir den Hals aufschlitzt? Lange wird es jedenfalls nicht mehr dauern, vermute ich.“ Shyada sieht mit einem falschen Lächeln zu Diantha hinüber und ist fast geneigt zu fragen, wer sie eigentlich ist. Aber interessieren tut es sie genau genommen herzlich wenig. Wenn Olyvar ihr endlich alles erklärt hat und das hoffentlich bald, würde sie verschwinden. Wie ist ihr zwar noch nicht ganz klar, aber auch ihr sollte es doch möglich sein, sich mit einem Kleid fortzubewegen. Dann würde sie die Frau ohnehin nicht mehr interessieren, als irgendein anderer Mensch, den man in Talyra auf der Strasse sehen kann.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 02. März 2007, 22:11 Uhr
A Dhias, thois cobhair! Götter steht mir bei. Olyvar atmet geräuschvoll ein und aus und zählt in Gedanken lautlos bis zehn, während Shyada noch immer herumkeift. Kann mir irgendjemand noch einmal erklären, warum ich dieses Miststück unbedingt retten wollte? Mir ist der Grund gerade entfallen. Sehr eilig, die Wahrheit zu hören, kann die Amazone es trotz ihres aufgebrachten Getues und ihrer kaum verhüllten Drohungen jedenfalls nicht haben, so sehr wie sie damit beschäftigt ist, ihn zu beleidigen und Diantha zu provozieren. Er tauscht einen Blick mit der jungen Frau an seiner Seite und schüttelt kaum merklich den Kopf, eine stumme Bitte, den Wurfstern um Himmels Willen dort zu lassen, wo er ist. Diantha ist unleugbar wütend und er kann sich sehr gut vorstellen, warum. Ihn hatte die Angst der Kinder auch alles andere als begeistert und der einzige Grund, warum er Shyada das hatte durchgehen lassen, ohne sie augenblicklich zur Räson zu bringen, war die Tatsache, dass die Amazone ohne ihre Erinnerung vollkommen durcheinander sein und sich absolut in die Enge getrieben fühlen muss. Selbst jetzt zetert sie noch. "Bi sàmhach, bree," fährt er schließlich entnervt dazwischen. "Das einzige, worauf ich warte, ist das du endlich den Mund hältst und mich zu Wort kommen lässt. Und jetzt ist auch nicht die Zeit für Stutenbissigkeit." Das scheint zu wirken, denn Shyada hört tatsächlich auf, Diantha anzufunkeln und sieht ihn an. "Kannst du dich noch ans  Inarifest erinnern?" Ein knappes Nicken ist ihre einzige Antwort. "Gut. In der Nacht sind eine Elbin namens Aswhang und ein komischer Kerl in Frauenkleidern bei mir aufgekreuzt, und haben mir deine Entführung gemeldet. Sie wollten Ausrüstung, Pferde und Waffen, um dich zu retten und das, obwohl sie behauptet haben, dich überhaupt nicht zu kennen. Der Kerl in dem Gewand hat kein Wort gesagt, die Elbin dafür aber umso mehr. Sie hat mir von Jamar, so hieß dein "schwarzer Mistkerl", erzählt, dass sie und ihr Begleiter Zeugen deiner Entführung waren, dass du in einer Kutsche abtransportiert worden wärst und dass man dir eine Droge verabreicht habe, die dich gefügig machte." Er zuckt mit den Schultern und fährt in absolut neutralem Tonfall fort:

"Die Sache hat mich stutzig gemacht, die Elbin wusste mehr, als sie gesagt hat, und da du ja schon immer mein Lieblingssorgenkind warst, haben Achim und ich uns Aswhang... angeschlossen. Ich sorgte für das nötige Silber und ein Transportmittel, sie sollte uns das Ziel deiner Entführer verraten, das war die Abmachung. Und sie wollte Jamars Kopf." Über die wahren Umstände von Jamars Tod sagt er - zumindest im Augenblick - kein Wort, und er hat auch nicht vor, es Shya auf die Nase zu binden, so lange sie sich so verhält. "Wir haben uns im Hafen getroffen, am Morgen nach der Inarinacht. Diantha hat sich uns zufällig angeschlossen und uns begleitet. Jamar und seine Männer haben dich nach Blurraent gebracht, warum oder zu welchem Zweck weiß ich allerdings bis heute nicht. Was wir wissen ist, dass sie dir jeden Tag ein Mittel eingeflösst haben, dass dir deine Erinnerungen und deine Persönlichkeit genommen, und dich in einen völlig anderen Menschen verwandelt hat." In ein nettes Mädchen namens Lomie, das sich weder vorstellen konnte, noch davon angetan war, wieder zu einer kaltherzigen Amazone zu werden... "Wie auch immer, wir haben dich gefunden, wir haben dich befreit und wir haben dich zurück nach Talyra gebracht. Das war im Goldschein und seitdem bist du hier. Wir konnten dich in deinem Zustand ja schlecht mitten auf dem Marktplatz aussetzen. Und wir konnten die Menge der Drogen des Südländers, der dich entführt hatte, nur langsam verringern, alles andere hätte dich krank oder schwachsinnig werden lassen, oder dich vielleicht sogar umgebracht. Maester Ballabar hat dir ein Heilmittel zusammengebraut, das du seit dem Frühsommer genommen hast. Jetzt fängt es anscheinend an zu wirken, du wirst langsam wieder du selbst. Wundere dich nicht über das Kleid. Das Mädchen, das Jamars Trank aus dir gemacht hat, hat eine Schwäche für solche Gewänder. Du hattest schon ein Kleid an, als wir dich fanden und alle deine früheren Sachen, deine Dolche und die Kette, sind verschwunden. Das ist alles, was ich weiß, glaub es oder lass es bleiben." Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. "Noch etwas, Shyada." Er sucht ihren Blick und hält ihn so lange und so kalt fest, dass selbst die Amazone merkt, was die Stunde geschlagen hat. Das hier ist ihm bitterernst und er will, dass sie das begreift. "Mach meinen Kindern nie wieder Angst. Tuigim?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 03. März 2007, 20:28 Uhr
Shyada wirft Diantha einen merkwürdigen Blick zu, der vor Herabwürdigung nur so getränkt zu sein scheint, vielleicht bildet sich die Immerfrosterin das aber auch nur ein, weil sie nach weiteren Gründen sucht, die Amazone unsympathisch zu finden. Eine schlechte alte Angewohnheit, zumal Shyada ja auch gar nichts derartiges sagt. Auf Olyvars Aufforderung sich endlich zu setzen, fragt sie voller Arroganz, was er tun würde, wenn sie sich weigern würde. Ihr Blick und ihre Körperhaltung ist herausfordernd, was aufgrund ihrer körperlichen Unterlegenheit sehr albern wirkt, als wisse sie nicht, dass sie schwächer ist als er. So ähnlich muss das bei mir auf dem Inarifest ausgesehen haben - schade, dass hier kein riesiges Hundeuntier ist, das sie umschmeißen kann! Es folgt ein Kräftemessen der Blicke, bis Shyada sich mit einer übertriebenen Geste endlich setzt. Diese Geste erinnert Diantha weniger an sich selbst als an Connavar und Fianryn, wenn sie einsehen, dass sie nicht darum herumkommen ihre Erbsen zu essen und dann versuchen mit den theatralischen Gebärden auf ihr schreckliches Leid aufmerksam machen. Auch die Art, wie sie sich auf den Stuhl fallen lässt erinnert die Immerfrosterin zumindest ein wenig an Connavar, wenn er sich beleidigt dazu herablässt sich zu setzen, aber dennoch zeigen möchte, dass er ein kleiner Trotzkopf ist und gar nicht gut findet, was gerade passiert. Wenn sie nicht so wütend wäre, hätte Diantha sich über dieses Gehabe vielleicht sogar amüsieren können. >„Tòisich, burraidh! Oder wartest du auf etwas Bestimmtes? Vielleicht das deine kleine Freundin hier mir den Hals aufschlitzt? Lange wird es jedenfalls nicht mehr dauern, vermute ich“<, giftet die Amazone und sieht Diantha mit einem so ekelhaft süßen Lächeln an, das deren Bedürfnis der Frau das Mund zu stopfen immer weiter zunimmt.

Die Zeit scheint sich in die Länge zu ziehen, Herzschläge scheinen die Ausmaße von Minuten anzunehmen. Sie hat dich beleidigt, aber was noch viel schlimmer ist, sie hat deine Familie beleidigt!, erklingt eine kleine, gemeine Stimme in Dianthas Hinterkopf, die sie nur zu gut kennt. Die "Diebin" hat sie sie getauft, der Teil von Diantha, dem das Leben auf den Straßen Nachschimmers gefallen hatte, der nicht geklaut hatte, weil sie sonst verhungert wäre, sondern weil es ihm Spaß gemacht hatte. Es ist nur ein kleiner Teil ihrer Persönlichkeit, doch er ist vorhanden und liebt es, sie in solchen Situationen zu triezen.
Dies hier ist nicht meine Familie, meine wirklichen Verwandten werdem schon längst von den Würmern zerfressen, entgegnet sie und versucht sich zu beruhigen.
Und warum empfindest du dann für sie, wie für deine eigene Familie? Du machst dir etwas vor! Sie hat dich Olyvars kleine Freundin genannt, hast du das überhört?, stichelt die Stimme weiter.
Dieser Gedanke ist nahe liegend, die meisten reichen Herren lassen ihre Kinderfrauen nicht mit ihnen am gleichen Tisch sitzen, denkt sie wütend, will nicht weiter darüber nachdenken, was die Stimme ihr sonst noch auf die Nase gebunden hat.
Genau, du bist eine kleine, brave Kinderfrau geworden, die das macht, was ihr Herr und Gebieter ihr sagt. Abhängig bist du, war es das was du dich ganze Zeit wolltest? Du musst dich um nichts weiter kümmern als um das Wohlergehen zweier Kinder reicher Leute. Jetzt lässt du dir sogar noch vorschreiben, von wem du dich beschimpfen lassen darfst und von wem nicht! Du bist schwach geworden. Die Stimme nimmt einen mitleidigen Tonfall an.
Das ist nicht wahr! Ich bin hier freier als auf der Straße, weil ich mich nicht die ganze Zeit darum kümmern muss, was ich als Nächstes in den Bauch kriege! Früher war ich auch abhängig - abhängig davon, jemand zu finden, dem ich die Taschen leeren konnte! Hier habe ich ein viel schöneres Leben, Connavar und Fianryn sind die wundervollsten Kinder in ganz Talyra!, versucht sie sich zu rechtfertigen.
Ja, verschließe die Augen nur vor der Wahrheit! Du wolltest von der Straße weg, ein nette, überschaubares Leben, das sich kontrollieren lässt, gib es doch zu! Lieber ein festes Dach über dem Kopf und dafür Langeweile statt jeden Tag etwas Neues und dafür Unsicherheit. Jetzt ist die Straße zu dir gekommen - in Form von Shyada. Das ist der Grund, weshalb du ihr das Lächeln aus dem Gesicht wischen möchtest! Die Straße lacht dich an, dein altes Leben verhöhnt die Frau, zu der du geworden bist. Hier ist kein kleines Paradies, wie du zunächst dachtest, für das du dich aufgegeben hast. Das gibt es nicht! Die Stimme wirkt fast stolz, als wollte sie sagen: "Hab ich's nicht gesagt?"
Das ist eine Verdrehung der Wahrheit! Ich bin wütend auf Shyada, weil ich sie anders eingeschätzt habe, das ist alles. Das hat nichts mit meinem früheren Leben zu tun und ich habe mich für diesen Beruf, dieses Leben entschieden! Ich wollte wieder zu der werden, die ich früher war!
Oh ja, endlich wieder ein unschuldiges, zurückhaltendes, ängstliches Mädchen, das sich von ihrer Umwelt vorschreiben lässt, wie sie zu leben hat! Ja, das ist wirklich wünschenswert, ein Traum! Das macht das Leben so viel leichter! Aber weißt du was? Dieses Leben wird auch nicht von Dauer sein! Olyvar ist jung, er wird sich eine junge, hübsche, liebenswerte Frau suchen, dann wirst du unnötig sein und er wird dir entweder eine nichtige Aufgabe zusprechen oder dich mit einer Abfindung auf die Straße setzen! Komm, lass den Frust über dieses Wissen ruhig an ihr aus, sie hat den ganzen Aufwand, den du ihr ihretwegen gemacht hast sowieso nicht verdient, dafür kann sie ruhig zahlen! Jetzt wirkt die Stimme anspornend und blutrünstig.
Nein! Das ist nicht wahr! Viele reiche Paare haben trotzdem Kinderfrauen!, widerspricht Diantha, nicht sehr überzeugt.
Du weißt genau, dass sich der Lord Commander eine Frau suchen wird, die in jeder Hinsicht besser sein wird als du! Und die Kinder werden sie unter Garantie auch mehr lieben als dich, weil sie sehen werden, dass sie ein besserer Mensch sein wird als du. Olyvar hat die Perfektion in Person verdient und die wird er auch finden! Und die darfst ihm dabei zusehen, komm lass die Wut über dieses Wissen ruhig an Shyada aus, dann hast du sogar eine Entschuldigung dafür - nämlich, dass sie den Kindern Angst gemacht hat...
NEIN! Ich denke jetzt an die Konsequenzen meines Handelns! Außerdem - wer weiß, vielleicht bleibt er ja doch alleine! Er trauert Kizumu jetzt schon seit vielen Monden hinterher, vielleicht gibt es niemanden, der so gut ist wie sie! Wie auch immer, Shyada hat nichts damit zu tun!, denkt Diantha entschieden.
Papperlapapp! Wer weiß, wie viele Dutzend Zwölfmonde er noch zu leben hat! Die wird er bestimmt nicht alleine verbringen wollen!
Jetzt ist nicht die rechte Zeit um über so etwas nachzudenken!, entscheidet sie verwirrt.
Ja, verdränge die Gedanken nur! Das ist leicht! Hieß es nicht, du denkst jetzt über die Konsequenz deines Handelns nach? Und wie sieht es mit den Konsequenzen deiner Entscheidungen? Du verschwendest deine Jugend hier! Selbst wenn du nicht demnächst ersetzt wirst, die Kinder werden älter und dich irgendwann ohnehin nicht mehr brauchen - und dann wirst du dich umschauen!
Still! Ich will so etwas nicht mehr hören! Lass mich in Ruhe! Ich will nicht wie früher Dummheiten begehen, weil ich mich von dir beeinflussen lasse! Ruhe!, denkt Diantha nachdrücklich.
Wenn du meinst - aber du weißt, dass ich recht habe und die Dinge beim Namen nenne, bei denen du dich das nicht traust!
Obwohl Diantha die Stimme nun verdrängt, hat sie das Gefühl, als wäre in ihrem Inneren etwas zerbrochen. Vielleicht der Traum von langanhaltender Zufriedenheit, das Gefühl der Sicherheit, das sie bisher in dem Westflügel der Steinfaust empfunden hat oder den stolz, sich zu jemand entwickelt zu haben, der gesellschaftlich anerkannt ist.

Als Olyvar Diantha einen Blick zuwirft, löst sie die Augen endlich von Shyada und die Zeit scheint wieder in normalem Tempo zu verfließen. Er schüttelt kurz den Kopf und sie nickt mit zusammengebissenem Mund nur ansatzweise. Sie wird Shyada nichts tun.
Dann schafft es der Lord Commander endlich Shyadas Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und er erzählt ihr die ganze Geschichte, wobei er Selainee ganz außen vor lässt. Diantha nickt nur zustimmend, würde sie etwas sagen, würde man bemerken, wie aufgewühlt sie ist. Doch so bleibt sie bei der alten, kalten, abweisenden, übellaunigen Maske, die ihr so oft gute Dienste erwiesen hat. Sie wirkt zwar nicht mehr so beängstigend wie früher, als ihr Gesicht fast schon als eingefallen hätte wirken können - doch sonst ist der Gesichtsausdruck fast der Selbe wie früher auf der Straße.
Olyvar beendet seine Erzählung mit den Worten: >"Noch etwas, Shyada."< Dabei schaut er sie mit einem Blick an, als wollte er ihr im nächsten Moment den Hals umdrehen. >"Mach meinen Kindern nie wieder Angst. Tuigim?"<
Was wird sie jetzt tun?, grübelt die Immerfrosterin. Wird sie abhauen? Mit einem Spruch glamourös abtreten? Was hätte ich an ihrer Stelle gemacht? Ich weiß es wirklich nicht genau. Vermutlich nach einem lebenden Schuldigen gesucht, der mir all das eingebrockt hat... Mal sehen, wie sie reagiert.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 04. März 2007, 10:54 Uhr
Sie hört ihm zu und unterbricht ihn kein einziges Mal. Wer der Mann in Frauenkleider sein kann, ist ihr durchaus bewusst. Auch wenn sie seine andere Gestalt irgendwie interessanter findet, was des Rest der Geschichte angeht... Es hört sich makellos an. Zumindest kann Shyada nach dem ersten Hören nicht sagen, ob irgendetwas falsch daran wäre oder nicht in den Zusammenhang passt, aber es hört sich trotzdem wie eine beliebige Geschichte an, die man sich zur Erheiterung erzählt. Wenngleich auch der Inhalt weniger erheiternd ist. Jedenfalls wenn man davon ausgeht, ob es war ist, was sie zu hören bekommt. Auch wenn sie dem wenig Glauben schenken mag, keine Ahnung hat, warum man sie entführen und ausgerechnet Olyvar auf die Idee kommen sollte, ihr zu helfen, er ist nicht der Mann, der sich wirre Geschichten ausdenkt, um sie ihr aus Spaß vorzutragen und sie absichtlich zu verwirren. Nicht, wenn er einem mit solch ernsten Gesichtsausdruck gegenüber steht. Doch das was sie eben zu hören bekommen hat, scheint fremd. Wieso sollte ausgerechnet sie sich in Kleidern wohl fühlen? Trank hin oder her. Wenn das allerdings stimmt, was Olyvar da behauptet, dann würde es zumindest eine plausible Erklärung dafür geben, warum sie so plötzlich in diesem Raum zu Bewusstsein kommt und keine Ahnung hat, warum sie hier ist. Dennoch hört sich das alles seltsam an und scheint sich zumindest für diesen Moment ihrem Verstand zu entziehen, da zu viele Fragen auf einmal in ihrem Kopf herumschwirren. Sie weiß, dass Olyvar ihr in dieser Hinsicht wohl nichts vorlügen würde, aber das muss nicht automatisch heißen, dass er Details auslässt. Auf diese Weise würde man nicht lügen, aber doch wichtige Informationen zurück behalten können. > Das ist alles, was ich weiß, glaub es oder lass es bleiben."< Schließt er ab und trifft damit dem Nagel auf den Kopf. Mehr als die beiden Möglichkeiten hat sie nicht. Es zu glauben würde bedeuten, damit leben zu müssen, dass sie wohl einigen Menschen etwas schuldig ist... es zu leugnen würde ein Loch in ihren Erinnerungen zurück lassen. > "Noch etwas, Shyada."< Etwas an seinem Tonfall gefällt ihr überhaupt nicht und lässt sie leicht alarmiert hochsehen. Kommt jetzt der Rest, der mir das Genick bricht?

Doch die nächsten Worte Olyvars gehen in eine vollkommen andere Richtung. > "Mach meinen Kindern nie wieder Angst. Tuigim?"< Äußerlich gelassen hält sie seinem Blick stand, fühlt sich aber plötzlich absurderweise ungerecht behandelt. Sie hatte die Kinder weder angerührt, noch bewusst verängstigt und schon gar nicht wäre sie auf die Idee gekommen, ihnen etwas anzutun. Trotzdem hat sie das Gefühl, dass Olyvar ihr das in diesem Moment unterstellt und muss schwach lächeln. Nicht wegen der Anschuldigung oder der unmissverständlichen Drohung dahinter, sondern einzig und allein, weil sie selten erlebt hat, dass er  so reagiert. Sie kennt ihn schon eine Weile, weiß wie normalerweise seine Ansagen die keinen Widerspruch dulden klingen. Das hier ist anders, zeigt ihn als Vater und das hatte sie bisher an ihm noch nicht erlebt. Aber sie hatten sich auch schon eine ganze Weile nicht mehr gegenübergestanden, vielleicht hatte sich in der letzten Zeit ja einiges geändert... wenn sogar sie in Kleidern herumrennt und nicht mehr weiß was sie tut.
Sie antwortet Olyvar nicht, weil sie das Gefühl hat, dass ihm einfache Worte ohnehin nicht ausreichen würden, sondern nimmt diesen Hinweis einfach zu Kenntnis. Absurderweise fällt ihr Ian plötzlich ein. Sie war nur einen kurzen Moment mit Morganas Sohn alleine gewesen und trotzdem hatte es ausgereicht, um auch sie weich werden zu lassen.
Das Schweigen in der Halle hängt noch immer über sie alle. Olyvars Blick erwidert sie noch immer, Dianthas spürt sie stechend von der Seite. Beide erwarten wohl eine Reaktion von ihr, aber Shyada fühlt sich augenblicklich ein wenig überfragt, was genau sie tun soll. Die Geschichte über das, was sie angeblich die letzten Monde lang getan haben soll, ist ein wenig schwer verdaulich, wenn auch lückenlos und das macht die herrschenden Umstände auch nicht gerade einfacher.  
... und alle deine früheren Sachen, deine Dolche und die Kette, sind verschwunden... Hallt es plötzlich durch ihren Kopf. Mit nichts wäre es schwierig einfach zu gehen. In und von ihrer ehemaligen Unterkunft dürfte wohl auch nicht mehr allzu viel übrig sein. Nicht nach so langer Zeit. Dieser Ausgangspunkt gefällt Shyada gar nicht. Soweit sie das überblicken kann, hat sie im Moment nur eine wirre Geschichte als Grundlage für eine ziemliche Lücke in ihren Erinnerungen und das Kleid was sie trägt. Nun ja und vielleicht einen weniger amüsierten Olyvar und eine höchste gereizte Diantha noch dazu. Schöne Aussichten. Wundervoll... warum müssen sich ständig andere Leute in mein Leben einmischen? Hab ich dich darum gebeten? Ihr Blick wird vorwurfsvoll und wendet sich dann von Olyvar in Richtung Tür ab. Einfach zu gehen erscheint ihr verlockend, aber irgendwie auch falsch. Sie spürt, dass ihr die Wahrheit gesagt wurde und doch weigert sich etwas in ihr das zu akzeptieren. Möglicherweise einfach aus dem Grund, weil sie Olyvar so etwas schuldig wäre. Und dieser Diantha vermutlich auch noch, aber mit der Frau verbindet Shyada so reinweg gar nichts und ihr gegenüber empfindet sie nicht mal im Ansatz Respekt. Sie hatte mit Olyvar und der Steinfaust abgeschlossen, jetzt wieder hier zu sitzen ist ihr irgendwie unerträglich und die Sackgasse in ihrem Rücken, lässt ihr nur eine Möglichkeit: nach vorne gehen, doch dort steht Olyvar.

Sie sieht zum Lord Commander zurück und zuckt plötzlich zusammen, weil sie keine Ahnung hat, warum er sie so abweisend ansieht. Auch Diantha sieht wenig erfreut aus. Von den Kindern und Mattis fehlt jede Spur. Verwirrt und ängstlich sieht Shyada von einem zum anderen und fühlt sich unbehaglich. Auch weil sie nicht weiß, warum sie hier auf den Stuhl sitzt, weil sie eben ja noch am Tisch gestanden hatte. „Was? Hab ich was gemacht?“ kommt es unsicher und leise aus ihrem Mund, während sich ihre Stirn fragend in Falten legt. Am liebsten hätte sie sich ganz klein auf dem Stuhl gemacht, weil sie das Gefühl hat, dass sie gleich eine Tracht Prügel erwartet, aber nicht weiß, was der Grund ihrer Bestrafung ist. „Ich... tut mir leid... glaube ich...“ Ein verzweifeltes Lächeln huscht über ihr Gesicht, bevor sie in typischer Verlegenheit wieder ihre Hände ineinander verknotet und hofft, dass sie nichts allzu böses getan hat.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 05. März 2007, 16:25 Uhr
Shyada hört ihm zu, das ist immerhin etwas, und mit jedem Wort wird sie ein wenig blasser um die Nase, auch wenn sie sich große Mühe gibt, sich sonst nichts anmerken zu lassen. Das gelingt ihr auch wunderbar - die Frau vor ihm sieht aus, als hätte er ihr etwas absolut Nichtiges berichtet und ihr nicht gerade erzählt, dass ihr Leben reichlich durcheinander geraten war. Das konnte sie schon immer genauso gut wie ich, all ihre Gefühle und Gedanken hinter einer undurchschaubaren Maske verbergen. Aber das ist wahrscheinlich etwas, das man unter Amazonen schon als Kind lernt... Sie sagt nichts, sitzt einfach nur da und sieht ihn an, und Olyvar kann nur raten, was in ihr vorgehen mag. Der Gedanke hier bei ihm und seiner Familie in der Steinfaust zu sein, und in seiner Obhut, wenn man so will, wird ihr kaum behagen, aber Shyada hatte schon immer furchtbare Schwierigkeiten bei der Vorstellung, auch nur mit irgendjemandem besser bekannt zu sein, von befreundet ganz zu schweigen. Sie hatte ihren Ruf als kaltschnäuziges Miststück immer gehegt und gepflegt und alle, aber auch alle, mit denen sie jemals etwas zu tun gehabt hatte, stets und eisern auf Abstand gehalten... und wer sich von ihrer Art nicht hatte abschrecken lassen, vor dem hatte sie sich schroff zurückgezogen. Vor Varin etwa. Soweit ich weiß, hat er sie einmal wirklich sehr... gemocht. Olyvar würde nicht soweit gehen, zu sagen, der Offizier der Wächtergarde hätte Shyada geliebt, aber er weiß, dass Varin eine Zeit lang verrückt nach ihr gewesen war. Aber Shyada ist nun einmal Shyada, darin würde sich vermutlich nie etwas ändern, und sie hatte nach jeder angebotenen Hand geschnappt, ganz gleich ob männlich oder weiblich, und ganz gleich ob man sie ihr ohne oder mit Hintergedanken gereicht hatte. Er kann sehen, wie sie überlegt, aber er will verdammt sein, wenn er weiß, was dabei in ihrem Kopf vorgeht... bis der Ausdruck ihrer grünen Augen etwas eindeutig missbilligendes bekommt und sich von seinem Gesicht auf die Tür am anderen Ende der Halle heftet. Olyvar will schon den Mund öffnen, um ihr zu sagen, dass sie sich das aus dem Kopf schlagen kann und sie erst einmal nirgendwo hingehen würde, als die Amazone eine erstaunliche Wandlung durchmacht - und das von einem Herzschlag auf den anderen. Er kann nicht einmal sagen, was genau sich an ihr verändert, außer der Ausdruck in ihren Augen, aber es ist unverkennbar... eben saß noch Shyada vor ihm, jetzt ist sie es nicht mehr, und dieser abrupte Persönlichkeitswechsel ist ziemlich irritierend. >Was? Hab ich was gemacht?< Will Shya wissen und sinkt unter dem Anblick von Dianthas Gesichtsausdruck und seiner eigenen, angespannten Miene unwillkürlich in sich zusammen. >Ich... tut mir leid... glaube ich...< Olyvar mustert Shyada so skeptisch, als erwarte er, gleich wieder die Amazone vor sich zu haben. Allmählich dämmert ihm, was genau mit der "harten Zeit, die vor ihnen läge" gemeint war, die Maester Ballabar ihnen mit der Rückkehr von Shyadas Erinnerungen prophezeit hatte. Ah Dhia!

"Du warst für einen Moment wieder du selbst - die Amazone, meine ich," antwortet er zögernd und nickt zu dem Berg von Apfelscheiben, die sich immer noch neben dem Schneidbrett häufen und inzwischen schon leicht braun werden. "Das warst du. Außerdem hast du einen Apfel mit dem Messer an einer der Säulen aufgespießt, ziemlich um dich gegiftet, die Kinder erschreckt und mit Diantha fast Streit vom Zaun gebrochen." In seiner Stimme klingt keinerlei Vorwurf mit. Er hätte ihr das gern erspart, nicht Shya, aber ihr, doch er kann sie nicht belügen. Sie muss wissen, was passiert und er würde ihr nicht helfen, wenn er ihr etwas verschweigen oder ihr Tun verharmlosen würde. "Du hast ihnen nicht mit Absicht Angst gemacht, aber sie kennen dich nur so, wie du jetzt bist und dich als Amazone zu erleben hat sie ziemlich durcheinander gebracht. Du warst allerdings auch... ziemlich durcheinander. Du warst jedoch nicht lange... sie. Ich meine du selbst."  Was für ein wirres Gerede! 'Du selbst', der blanke Hohn! Sie ist nicht wie Shya und Shya ist nicht wie sie. Die Persönlichkeiten von Shyada und Lomie könnten nicht unterschiedlicher sein, und doch stecken ihre Seelen im gleichen Körper. Fast wie ein helles und ein dunkles Spiegelbild der jeweils anderen. Dann kommt Olyvar ein merkwürdiger Gedanke. Wäre Shyada nicht unter Amazonen aufgewachsen, sondern... irgendwo... wäre sie wie Shya oder wie Lomie... oder eine Mischung aus beiden? Er weiß es nicht, aber im Grunde stellt er sich diese Frage schon seit langem. Jamar hatte ihr schließlich nur eine Droge verabreicht, einen Trank mit geheimnisvollen und gefährlichen Essenzen, sie ist nicht wahnsinnig... der Teil von ihr, der nun Lomie ist, muss also schon die ganze Zeit in ihr gewesen sein. Und wenn er die ganze Zeit über auch in Shyada gesteckt hat, dann... Vergiss das ganz besser schnell wieder, ruft er sich selbst resigniert zur Ordnung. Eher würden die neun Höllen zufrieren und die Sonne über dem Golf von Fa'Sheel aufgehen, als dass Shyada sich jemals ändern würde! Seufzend steht er auf und holt aus dem Kassettenschrank eine Karaffe Uisge und drei Becher. Er schenkt in jeden etwa einen Fingerbreit von der goldklaren, bernsteinfarbenen Flüssigkeit und der aromatische Geruch des Branntweines, vermischt mit den Düften von Eichenholz, Torf und Malzrauch breitet sich über dem Tisch aus. "Hier. Trink das, du siehst aus, als könntest du es gebrauchen." Irgendjemand hatte einmal gesagt, ein guter Uisge könnte Tote erwecken und er hat keinen Grund, daran zu zweifeln. Abgesehen davon sehen sie alle aus, als könnten sie einen Schluck auf den Schrecken vertragen. Er jedenfalls ist mehr als dankbar für die Wärme, die seine Kehle hinunter rollt, durch seine Schleimhäute sickert, sich dann glühend in seinem Magen ausbreitet und ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

Was, wenn das noch wochenlang so weitergehen würde? Was, wenn Shyada irgendwann wirklich versuchen sollte, zu fliehen? Sie käme zwar kaum sehr weit, aber hier mit Gewalt festgehalten zu werden, wäre dann doch nur wieder eine Demütigung mehr für sie auf einer Liste von Erniedrigungen, die rasch unendlich werden könnte. Allein schon seine Nähe ist vermutlich eine Kränkung für sie. Hmpf. Sie wird es eben zur Abwechslung einmal mit ein wenig Vertrauen versuchen und ihren dreimal verfluchten Amazonenstolz für eine Weile hinunterschlucken müssen! Was, wenn sie Diantha - oder ihn - irgendwann so reizen würde, dass sie sich nicht mehr zurückhalten könnten? Was ihn selbst angeht, so ist er sich seiner da ziemlich sicher. Er würde die Amazone wohl mit Genugtuung übers Knie legen, wenn ihm ihr Benehmen zuviel werden sollte, aber er würde sich von ihr nicht so schnell in blinde Wut treiben lassen. Er weiß, dass er es kann, und Shyada weiß das auch. Aber da ist auch noch Diantha, die ebenfalls hier lebt - und die Amazone war noch nie sparsam mit Beleidigungen. Wäre Diantha in der Lage, souverän zu bleiben, wenn Shyada wirklich gehässig werden sollte? Vielleicht, aber würde sie es auch wollen? Würde sie es versuchen, wenn ich sie darum bitte? Sie ist der Amazone nicht das Geringste schuldig und mir in dieser Sache hier erst recht nicht. Olyvar ist nicht blind, er hat sehr wohl bemerkt, wie schon die vergleichsweise harmlosen Sticheleien sie getroffen hatten, und er kann nicht behaupten, dass ihn das kalt gelassen hätte. Natürlich hat er keine Ahnung von der Flut an Zweifeln und Sorgen, die Shyada damit insgeheim bei Diantha ausgelöst hat, und hätte er etwas davon geahnt, er wäre wohl sprachlos aus allen Wolken gefallen. Er hatte einem verängstigten, verlorenen Mädchen auf einem Schiff versprochen, ihm zu helfen, und er würde zu seinem Wort stehen - doch es geht hier nun einmal nicht nur um ihn allein. Da sind noch Conn und Fianryn, sein Knappe Mattis... und Diantha. Den Kindern könnte er erklären, dass Shyada krank ist, was in gewisser Weise ja auch den Tatsachen entspricht, das können sie nachvollziehen, und Mattis würde sicherlich versuchen, es zu verstehen. Und Diantha? Er kann nicht von ihr verlangen, sein Versprechen mitzutragen, nicht um diesen Preis. Er würde mit ihr reden müssen, später, wenn sie ungestört waren, und er weiß beim besten Willen nicht, was er tun soll, sollte sie 'Nein' sagen.
Den Becher Uisge noch in der Hand, in dem jedoch nur noch ein kleiner Schluck zurückgeblieben ist, setzt er sich wieder und sieht Shyada an, die von seinen Worten reichlich vom Donner gerührt aussieht. Sein Magen meldet sich knurrend zu Wort und erinnert ihn daran, dass er immer noch nichts gegessen hat. "Geht es wieder? Ich würde die Kinder gern in die Halle zurückholen, sie sollen fertig essen und müssen dann ins Bett."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 07. März 2007, 23:30 Uhr
Während Olyvar erzählt hat sie ihren Blick auf die bräunlichen, recht dünnen Apfelscheiben gerichtet und versucht sich an etwas zu erinnern. Aber da ist nichts. Er redet wieder von der anderen Frau und obwohl sie mittlerweile irgendwie akzeptiert hat, dass sie wohl normal anders ist, kommt es ihr alles so seltsam fremd und unwirklich vor. Nach wie vor hat sie das Gefühl, nur eine Geschichte zu hören, die sich irgendwer an einem Lagerfeuer ausgedacht hat und die man ihr nun vorträgt. Doch sie weiß, dass es nicht irgendeine Geschichte ist, sondern ihre... auch wenn es immer noch schwer fällt, dass alles zu glauben. Unsicher wendet sie ihren Kopf zu Diantha. Sie sieht nur unmerklich freundlicher aus und scheint über irgendetwas verärgert zu sein. Da sie sie direkt ansieht, kann sich Shyada denken, was der Grund ist. Vor allem, nachdem Olyvar sie über die letzten Minuten in Kenntnis gesetzt hat. Wieder ist da dieses Gefühl von Leere, dass sich nie beschreiben lässt und dass ihr wieder sagt, dass sie eigentlich allein ist. Und das obwohl sie sich mit zwei anderen Menschen in einem Raum befindet. Beschämt und enttäuscht gleichermaßen senkt sie den Kopf und versucht in den Falten ihres Kleides eine Antwort zu finden, aber natürlich ist dort nichts. Was sollte ihr auch helfen können, wenn sie sich selbst nicht einmal mehr kennt? Schritte entfernen sich, Gläser klappern und dann kommt jemand wieder näher. Es ist zweifelsohne Olyvar. Für Diantha wäre das Geräusch zu kräftig. > "Hier. Trink das, du siehst aus, als könntest du es gebrauchen."< Vorsichtig hebt sie den Kopf und betrachtet die dunkle Flüssigkeit im Glas, das Olyvar ihr hinhält, kritisch. Der Geruch ist stark und intensiv und verspricht ein ordentlichen Brennen und Ziehen im Hals. Shyada kann sich nicht daran erinnern, derartiges jemals getrunken zu haben und ist sich auch nicht sicher, ob sie es jetzt möchte. Olyvar scheint jedenfalls davon überzeugt zu sein, dass es hilft. Etwas zögernd ergreift sie das Glas und dreht es unschlüssig in ihrer Hand. Wieder hat sie den Eindruck, dass man ihr den Boden unter den Füßen geraubt hat und sie nun haltlos vor sich hinschlingert. Eigentlich sollte es mittlerweile ein vertrautes Gefühl sein, aber es ist immer wieder neu und fremd. Selbst einmal tief durchatmen hilft nicht, allerdings ein plötzlich Magenknurren kurz Ablenkung. Verwundert sieht sie Olyvar an, will schon fragen, warum er denn nichts isst, als ihr die Situation wieder bewusst wird. Sie hofft inständig, dass sie nicht rot wird, da ihr die ganze Sache ziemlich unangenehm ist. Doch schlimmer ist fast noch die Gewissheit, dass dies wohl demnächst häufiger der Fall sein wird.

> "Geht es wieder? Ich würde die Kinder gern in die Halle zurückholen, sie sollen fertig essen und müssen dann ins Bett."< Sie nickt schwach und unsicher. Sie weiß nicht wann und wie diese Zwischenfälle hervorgerufen werden, was also soll sie da groß antworten können. Zu behaupten, dass alles in Ordnung sei, wäre eine glatte Lüge. Der Geruch des Uisge steigt ihr wieder in die Nase während Olyvar sich entfernt, um die Kinder zu holen. Zweifelnd und kritisch betrachtet sie den sanften Lichtschimmer darin, versucht den Schemen und Konturen bekannte Muster zu verleihen. Als sie merkt, wie sie zu träumen beginnt und nicht mehr auf ihre Umgebung achtet, schreckt sie hoch, weil sie befürchtet, sie könnte wieder zu der anderen Frau werden. Der Uisge schwappt bedrohlich hoch in ihrem Glas, glücklicherweise geht aber nichts über den Rand. Zweimal denkt sie noch darüber nach, setzt dann das Glas an, schluckt alles auf einmal herunter und kriegt augenblicklich einen Hustenkrampf, der ihr die Tränen in die Augen treibt. Für einen Moment hat sie das Gefühl, dass ihr Inneres verbrennt und sie ersticken muss. Der Raum verschwimmt vor ihren verschleierten Augen, sie keucht heftig herum und dann ist es wieder vorbei. Peinlich berührt guckt sie ob keiner guckt, aber natürlich ist das nicht der Fall. Hastig stellt sie das Glas auf den Tisch und räuspert sich dann verlegen. Sie merkt wie sich erneut Husten ankündigt, versucht den Reiz zu unterdrücken und macht es dadurch nur noch schlimmer. Mit unterdrücktem Keuchen wendet sie sich ab und japst dann nach eifrig nach Luft, als die Wirkung des Alkohols endlich nachlässt. Während sie sich anderen wieder am Tisch ansammeln, erhebt sich Shyada ebenfalls und schiebt ihren Stuhl wieder zurück, aber irgendwie ist ihr der Appetit abhanden gekommen. Sie könnte zwar was essen, aber ihr ist einfach nicht danach. Grübelnd sieht sie auf die Apfelscheiben, ist versucht sie anzufassen, um sich davon zu überzeugen, dass sie auch echt sind, lässt es aber dann doch bleiben. Zudem ist sie der Meinung, dass es für die anderen wohl angenehmer ist, wenn sie sich zurückzieht. „Ich... ich hab kein Hunger...“ mehr..., flüstert sie vor sich hin, lächelt dann etwas unbeholfen in die Runde und geht dann auf ihr Zimmer, um wieder mal den Versuch zu wagen ihre konfusen Gedanken in Ruhe zu sortieren.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 07. März 2007, 23:41 Uhr
Doch Shyada geht nicht, sie verwandelt sich plötzlich wieder zurück in die Frau, die sie die letzten Monde über gewesen ist, die stille, zurückhaltende Liomie, die ängstlich aus der Wäsche schaut, als sie Olyvars und Dianthas höchst angespannte Mienen sieht. Fast schon unterwürfig sagt sie, dass ihr Leid tut, was auch immer geschehen ist. Dennoch vermag Diantha ihre Mimik nicht gleich wieder zu entspannen, auch wenn Shyada weg zu sein scheint. Wer weiß schon für wie lange? Und irgendwann würde sie bleiben, dann würde die arme Liomie wohl im hintersten Winkel von Shyadas Persönlichkeit verschwinden, wie sie es grade für kurze Zeit auch getan haben muss, denn verschwunden ist sie ja nicht. Zwei so unterschiedliche Frauen in einem Körper – und ich bin vollkommen sicher, dass die kleine Liomie die Leidtragende ist…
Olyvar erklärt Liomie freundlich, was passiert ist und Diantha ist ihm für seine sachliche Art sehr dankbar. Zum Glück scheint er nicht von ihr zu erwarten, dass sie etwas zu dem Thema sagt – sie ist sich auch nicht bewusst, was sie da hätte sagen sollen. Ob sie überhaupt den Mund aufgekriegt hätte ist ebenfalls fraglich. Sie versteht gar nicht genau warum, doch dieser kleine Ausfall hat ihre sämtlichen Ängste und Befürchtungen, die sich in den letzten Monden angehäuft haben, ans Tageslicht gezogen und sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Nur nebenbei bemerkt sie, wie Olyvar einen Becher voll duftenden Uisge vor die Nase stellt, doch sie greift sofort danach, wie um sich daran festzuhalten und kippt den Alkohol in wenigen Schlucken herunter. Es ist ein wirklich guter Uisge, er wärmt angenehm von innen, doch um Dianthas inneren Aufruhr zu beruhigen und die Kälte aus ihrem Herzen zu vertreiben hätte es weit mehr als diese geringe Menge gebraucht, vermutlich die ganze Flasche. Mit den Worten: >"Geht es wieder? Ich würde die Kinder gern in die Halle zurückholen, sie sollen fertig essen und müssen dann ins Bett."<  reißt sie Olyvar aus ihren Gedanken und sofort sagt sie: „Ich gehe sie holen!“ Ihre Stimme ist kalt, entschlossen und abweisend wie zu Beginn ihrer Bekanntschaft und auch der Gesichtsausdruck ist nicht viel anders.
Dieser ändert sich erst, als sie zu Fianryn und Connavar ins Nebenzimmer geht. Matthis ist anzusehen, dass die beiden ihn mit Fragen bombardiert haben, die er gewiss nur schwerlich beantworten konnte. Er scheint jedenfalls erleichtert, als Diantha das Zimmer betritt und sofort laufen die Zwillinge glücklich auf sie zu. „Dianthaaa, was wa mit…“, „Dianthaaa was hat Papa…“, „Shyada…?“, plappern die beiden wild durcheinander. Diantha kniet sich zu ihnen hinab und zwingt sich, sie beruhigend anzulächeln: „Es ist alles gut. Shyada ist ein bisschen krank, wisst ihr. Da macht sie manchmal komische sagen.“ Fianryn nickt mit großen grünblauen Kinderaugen verstehen und sagt zustimmend: „Mit Messern!“
„Das war nur ein Unfall, so was wird sie nicht noch einmal machen.“, sagt Diantha fest entschlossen. Nein, noch einmal wird sie so etwas nicht zulassen und wenn sie dafür Liomie von sämtlichen Messern und Scheren der ganzen Steinfaust fernhalten muss. „Ich und euer Papa werden darauf aufpassen, dass sie nicht noch einmal so etwas macht! Aber wenn Shyada freundlich ist, dann müsst ihr das auch zu ihr sein, in Ordnung?“ Die Kinder wirken etwas beruhigter, dennoch sieht Diantha in ihren Augen, dass sie noch viele weitere Fragen haben, die sie jetzt nicht beantworten möchte, nicht beantworten kann. „Kommt mal her, ihr zwei“, sagt sie deshalb nur und drückt die Kinder einen Moment an sich, wie um mit dem ganzen Körper zu spüren, dass es ihnen gut geht. Die beiden sind ein wenig überrascht über den plötzlichen Gefühlsausbruch, folgen Diantha dann aber bereitwillig, als die sagt: „Jetzt gehen wir erst mal wieder essen!“ und jeweils ein Kind an jede Hand nimmt. Connavar sagt zwar ein wenig überrascht: „Deine Hand ist … nass, Dianthaaa?“ und schaut sie verwundert an, doch sie muss glücklicherweise nichts darauf antworten, da sie gerade wieder das Esszimmer betreten und die Aufmerksamkeit der Kinder sich auf Liomie richtet. Sie schauen die Frau erst ein wenig ängstlich an, doch als sie merken, dass sie wieder die alte ist, setzten sie sich auch zu ihr an den Tisch.
So ist es auch Diantha die sich während des restlichen Essens zunächst am merkwürdigsten benimmt und das auch, nachdem Shyada gegangen ist. Einmal entgleitet ihr beinahe ein mit Wasser gefüllter Krug, als sie Fianryn etwas zu trinken einschenken will und nur dank ihrer guten Reflexe vermag sie es dann doch ihn aufzufangen. Verdammt, ich habe nie verschwitzte Hände, was soll das jetzt?, denkt sie verärgert und versucht sich zusammenzureißen. Verdammt, was soll das, warum lasse ich mich von einer unverschämten, hochnäsigen Amazone überhaupt aus der Ruhe bringen? Ich wurde schon erheblich schlimmer beleidigt. Doch immer wieder schallen die selben Gedanken durch ihren Kopf: Die Straße lacht dich an, dein altes Leben verhöhnt die Frau, zu der du geworden bist und Hier ist kein kleines Paradies, werden mal lauter, mal leiser, doch lassen sich nicht vollständig unterdrücken Bei dieser Mahlzeit bringt Diantha nicht mehr viel hinunter, kaut nur recht lustlos auf ein wenig herum.
Direkt nach dem Essen macht sie die Kinder bettfertig, bis diese dann aber tatsächlich schlafen dauert es aber noch einige Zeit. Die beiden sind einfach noch aufgekratzt, wollen Olyvar wieder und wieder gute Nacht sagen um auch sicherzugehen, dass wirklich alles wieder in Ordnung ist, bis Diantha dann schließlich ein sanftes Machtwort spricht. Dann endlich nach einer schier nicht enden wollenden Gutenachtgeschichte – die Immerforsterin hat sich in den letzten Monden zu einer durchaus passablen Geschichtenerzählerin entwickelt, anders sind die beiden fidelen Zwillinge einfach nicht ruhig zu kriegen – sind nur noch die ruhigen Atemzüge der beiden Kinder zu hören. Connavar liegt schwer in ihren Armen, wie üblich hatte sie beiden zusammen die Geschichte erzählt und wie üblich waren sie beide dabei eingeschlafen. Jeden Abend wechselt sie die Räume, damit keiner öfter in ihren Armen einschläft als der andere, es ist ihr wichtig, dass keiner das Gefühl hat bevorzugt zu werden. Die Zwillinge hatten sich schnell an diese Regelung gewöhnt, erst wenn sie älter sein werden, wird sie es ihnen abgewöhnen.
An diesem Tag mag sie das Kind gar nicht aus den Händen geben, hält sich an ihm fest, als würde er sie von ihren Gedanken beschützen. Erst als ihr das bewusst wird, scheltet sie sich selbst ein dummes Huhn zu sein und trägt das Kind ins Nebenzimmer, in sein Bett. Sanft fährt sie ihm durch das weiche Haar, betritt das Nebenzimmer und streichelt liebevoll Fianryn über das kleine Gesicht. Ach ihr beiden, ihr macht es mir am Einfachsten – bei euch weiß ich genau, woran ich bin, ihr macht einem nichts vor, seid einfach nur ihr selbst. Bei euch habe ich zumindest das Gefühl, euch zu kennen, alles an euch zu kennen, darüber bin ich mir nicht einmal mehr bei eurem Vater sicher, dem ich dachte vertrauen zu können. Ich und vertrauen! Wie konnte ich nur so dumm sein.
Einen Moment überlegt sie einfach in Fianryns Zimmer zu bleiben, ich beim Schlafen zuzuschauen, doch dann entscheidet sie sich, rüber in ihr Zimmer zu gehen. Nachdem sie dort allerdings nur unruhig hin- und hertigert, greift sie sich ihre Jacke. Nein, in die Halle kann sie jetzt nicht gehen, auch wenn Mattis sie vielleicht vermissen wird, doch ihr ist nicht nach Würfeln zumute. Sie hat ein anderes Ziel, viel luftiger, näher am Himmel, doch dafür auch erheblich kleiner. Wenig später betritt sie die Laube und genießt nahezu den kalten Luftzug, der ihr gleich über das Gesicht fährt. Ihr Blick richtet sich nicht gen den kleinen Innenhof, in dem sie mit den Zwillingen im Winter so viel Spaß hatte. Stattdessen schaut sie hoch, in den Himmel und stellt fest, dass sie Glück hat: Dort glänzen und funkeln die Sterne in dieser Nacht und der Himmel ist nur von wenigen Wolken überzogen, die ihrerseits vom Wind nur so über das Firmament gejagt werden. Hier kann Diantha ein wenig ausamten, das Gefühl von Enge und Ausweglosigkeit verliert sich ein wenig, doch ihre Ängste vor der Zukunft, zugleich auch die Ängste um und vor sich selbst, die sich wie eine kalte Hand um ihr Herz schließen, bleiben bestehen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 08. März 2007, 11:54 Uhr
Shyada lauscht ihm schweigend und wird dabei zusehends niedergedrückter, anscheinend zu verunsichert, um auch nur Fragen zu stellen. An ihre wortkarge Scheu ist Olyvar zwar mittlerweile gewöhnt, auch wenn er nicht behaupten kann, dass das in ihrer Lage sonderlich hilfreich wäre, aber wenn er ehrlich ist, hätte er zumindest jetzt ein paar Fragen erwartet. Vielleicht danach, wie sie gewesen war, was sie noch gesagt oder getan hatte... ob sie sich als Amazone an irgendetwas hatte erinnern können und wenn ja, an was genau... Aber Shyada - Lomie, verbessert er sich in Gedanken, nur um sich gleich darauf wieder einmal zu sagen, dass das nicht ihr Name ist -, stellt keine einzige. Was er ihr berichtet und die Bedeutung seiner Worte senken sich wie Bleigewichte auf ihre Schultern, bis sie mit wachsbleichen Wangen nur noch auf ihren Schoß starrt. Sie sieht klein aus, verletzlich und so, als könne sie einfach nicht fassen, nicht einmal glauben, was mit ihr geschieht. Könnte ich das? Wenn ich mich einfach nicht erinnern kann, in meinem Kopf nur graue Leere ist? Er weiß es nicht, aber der Gedanke hat etwas Beunruhigendes an sich. Als er den Uisge holt, zögert Shyada unsicher, doch Diantha kippt ihren hinunter, als wäre es Wasser. Olyvar beobachtet ihr Tun mit einer halb amüsiert, halb erstaunt erhobenen Braue, doch sie sieht ihn nicht einmal an. Ihre Miene ist so verschlossen wie eine verriegelte Tür - und als er die Kinder erwähnt, schießt sie davon, als hätte sie nur auf eine Gelegenheit zur Flucht gewartet. Was ist denn jetzt los? Habe ich irgendetwas angestellt von dem ich wissen sollte? Olyvar blickt ihr verwundert hinterher, ist sich jedoch wirklich keiner Schuld bewusst. Er schüttelt den Kopf und angelt nach dem Brotkorb. Weibsvolk! Die Fleischpastete lenkt ihn dann allerdings von jedem weiteren Gedanken an unverständliche Frauen und ihre Grillen ab. Sein armer Magen knurrt inzwischen so laut, dass es wahrscheinlich in der ganzen Halle zu hören ist - er muss jetzt einfach erst einmal etwas essen. Shyada neben ihm blinzelt immer noch gedankenverloren in ihr Glas, in dem golden und klar der Uisge leuchtet, lässt die Flüssigkeit langsam hin und herkreisen und starrt hinein, als könne sie darin alle möglichen geheimnisvolle Dinge entdecken... oder die Antworten auf ihre Fragen vielleicht. Plötzlich schreckt sie jedoch zusammen und richtet sich kerzengerade auf, wobei sie um ein Haar den ganzen guten Branntwein verschüttet. "Ah, langsam, ceisdein. Der ist zu schade, um auf dem Boden zu landen." Sie wartet immer noch, den Uisge zu versuchen, tut es aber irgendwann doch und bekommt augenblicklich einen halben Erstickungsanfall. Olyvar unterdrückt ein Lachen, streckt den Arm aus und klopft ihr gerade auf den Rücken, während sie nach Luft jappst wie eine gestrandete Forelle, als Diantha, an jeder Hand ein Kind und Mattis im Schlepptau, in die Halle zurückkehrt. Kaum sitzen sie jedoch wieder am Tisch und Conn macht es sich gerade auf seinem Schoß bequem, tritt Shyada den Rückzug an. Einen Moment lang starrt sie noch auf den kleinen  Berg von Apfelscheiben, den sie vorhin so virtuos produziert hatte, dann verabschiedet sie sich mit einem gemurmelten >Ich... ich hab kein Hunger...< und verlässt die Halle so fluchtartig, wie eben Diantha.

Olyvar fängt einen ratlosen Blick seines Knappen auf und schüttelt warnend den Kopf, dann streicht er seinem Sohn über die wirren Haare, glättet sie und teilt sich kameradschaftlich mit ihm den Rest Fleischpastete. Die Kinder haben sich scheinbar wieder völlig gefangen. Sie wundern sich sicherlich noch über das seltsame Benehmen der Erwachsenen an diesem Abend, aber sie essen mit gesundem Appetit, plappern hin und wieder vor sich hin und stellen Unsinn mit ihren hölzernen Löffeln, Brotpudding und süßem Honig an. Diantha dagegen benimmt sich immer noch entschieden seltsam. Sie wechselt während des gesamten Essens kein Wort mit ihm oder Mattis, und meidet selbst seinen Blick. Sie isst kaum etwas, ist fahrig, fast nervös, und wirkt eindeutig aufgebracht, doch Olyvar hat keine Ahnung, warum. Sicher, Shyada so zu erleben, war bestimmt keine angenehme Erfahrung, vor allem nicht, wenn man sie nur als Lomie kennt, doch so ausfallend war die Amazone nun auch wieder nicht geworden, und sie hatte die Kinder zwar erschreckt, aber sie hatte ihnen nichts getan und niemandem war etwas passiert. Er kann sich Dianthas Verhalten also beim besten Willen nicht erklären. Während sie die beiden Kleinen für die Nacht fertig macht, und ein ums andere Mal wieder ein kicherndes Kind einfängt, dass ihr im Hemdchen, aber dafür ohne Windel zurück in die Halle entwischt, hilft er Mattis, den Tisch abzuräumen. Die Flasche Uisge allerdings lässt er stehen, er hat das unbestimmte Gefühl, dass er heute möglicherweise noch einmal auf sie zurückkommen würde, und für Shyada legt er ein wenig kalten Braten, Fladenbrot, ein Stück frische Butter und ein kleines Rad Käse beiseite. Er würde es ihr nachher bringen. Sie hat zwar behauptet, keinen Hunger zu haben, aber sie muss schließlich etwas essen. Vielleicht, wenn sie sich ein wenig beruhigt hat. Erst einmal will er ohnehin mit Diantha reden, also wartet er darauf, dass sie in die Halle zurückkommt, wie sie es nun beinahe jeden Abend tut, wenn die Kleinen schlafen. Er hatte ihr angeboten, ihr Conn oder Fianryn abzunehmen, sie brachten sie oft gemeinsam ins Bett oder teilten sich zumindest das Waschen, Wickeln und Umziehen, das schon mit zwei kooperativen, müden und friedlichen Zwillingen manchmal kein leichtes Unterfangen ist, doch das verflixte Frauenzimmer hatte nur stumm den Kopf geschüttelt und ihm wieder nicht ins Gesicht gesehen - und langsam fragt Olyvar sich ernsthaft, was das eigentlich zu bedeuten hat. Mag sie Mattis mit Schweigen und ihn mit völliger Nichtbeachtung strafen, wenigstens den Kindern gegenüber ist sie wie immer - freundlich, sanftmütig und liebevoll, auch wenn die Schatten selbst dabei nicht ganz aus ihren Augen verschwinden.

Mattis meldet sich ab, als er sich mit dem schwer beladenen Tablett in Richtung der höhlenartigen Festungsküche im Bergfried der Steinfaust aufmacht, der Junge hat heute Abend anscheinend besseres zu tun, als sich mit zwei zickigen Frauen und einem ratlosen Lord Commander herumzuschlagen, und so bleibt Olyvar allein in der Halle zurück. Angesichts des Gespräches, das er mit Diantha führen will, ist ihm das heute jedoch nur recht... er kann sich jedenfalls nicht vorstellen, dass ein naseweiser Halbwüchsiger dabei eine große Hilfe wäre. Ha, erst mal solltest du Diantha vielleicht fragen, welche Laus ihr über die Leber gelaufen ist, bevor du versuchst, sie zu überreden, dir im Bezug auf eine durchgeknallte Amazone beizustehen! Schnaubend schürt er das Feuer im großen Kamin neu, legt ein paar Scheite Holz nach und geht dann zu der etwas kleineren Feuerstelle an der rechten Hallenseite, um dort dasselbe zu tun. Und während er mit dem Schürhaken in den auflodernden Flammen herumstochert und verkohltes Birkenholz von einer Ecke des Kamins in die andere schiebt, kreisen seine Gedanken beständig um seine Kindermagd und eine gewisse Amazone. Waren es wirklich nur Shyadas Worte gewesen, die Diantha so erbost hatten? Soweit er sich erinnern kann, hatte die Amazone sie - wenn auch ziemlich abfällig - eigentlich nur 'seine kleine Freundin' genannt, nichts weiter. Das kann unmöglich der Grund für Dianthas schlechte Laune sein... Er ist sich ziemlich sicher, dass seine Kindermagd in ihrem früheren Leben schon wesentlich schlimmere Beleidigungen gehört, benutzt und an den Kopf geworfen bekommen oder an andere ausgeteilt hat. Und Diantha besitzt zwar einige überraschende Eigenschaften, doch zartbesaitet war sie noch nie. Abgesehen davon, selbst wenn es... oh! Moment mal... Moment, ja? So ist es nämlich nicht! Nein, natürlich nicht, aber selbst wenn es so wäre, also nur einmal angenommen und rein theoretisch, das hätte sie doch auch nicht so aufbringen können... oder doch? Nein, nicht so. Es sei denn natürlich, es ging dabei gar nicht um ihn, sondern um sie. Oh ja, die Unterstellung, sich mit mir eingelassen zu haben ist ja auch schrecklich, das sehe ich ein, meldet sich ein extrem sarkastischer Gedanke zu Wort. Olyvar ist in dieser Beziehung ganz bestimmt nicht selbstgefällig, aber was das angeht, besitzt er auch keine falsche Bescheidenheit. Er weiß genau, wie er aussieht, er bildet sich nur nichts darauf ein, und er ist auch kein Mann, der bloßen Äußerlichkeiten übermäßige Bedeutung zumessen würde, das war er noch nie. Als nach einer geschlagenen Stunde immer noch keine Diantha auftaucht, aus dem Gang und den Kinderzimmern aber längst keine Stimmen mehr zu hören sind, steht Olyvar seufzend auf, schnappt sich das Tablett mit dem Essen für Shyada, die bauchige Karaffe und einen Becher. Das eine würde er ins Turmzimmer bringen und mit dem anderen würde er sich in den ummauerten Hof des Westflügels verziehen, die Sterne ansehen und eine tiefschürfende und einzig von männlicher Logik geprägte Unterhaltung mit dem Uisge führen. Da Diantha sich für heute offenbar schon zurückgezogen hat und keine Lust hat, mit irgendjemandem über ihre Laune zu debattieren, würde er ihren Wunsch respektieren und sie in Ruhe lassen. Morgen ist auch noch früh genug, um mir den Kopf abreißen zu lassen...

Er bringt das Essen hinauf zum Turmzimmer, findet die Tür dort jedoch verschlossen vor und als auf sein Klopfen niemand antwortet, stellt er das Tablett auf dem Boden ab. "Versuch etwas zu essen, wenn du kannst, Shya." Sich mit einer verriegelten Tür zu unterhalten ist ungeheuer erhebend, aber was bleibt ihm schon übrig? Gar nichts. "Oidhche mhath." Gute Nacht.
Den Uisge unter den Arm geklemmt, sieht er anschließend nach den Kindern, zuerst nach Fianryn, die friedlich träumt, dann nach Connavar im angrenzenden zweiten Kinderzimmer. Er hat sich die Decke schon wieder halb herunter gestrampelt und Olyvar zieht sie behutsam wieder hoch, und streicht seinem schlafenden Sohn die Haare aus der Stirn. "Oidhche mhath, mo ghille." Die Türen zu beiden Zimmern lässt er nur angelehnt, damit er die Kinder hören würde, sollten sie aufwachen und ihn brauchen, dann tritt er wieder auf den Gang hinaus, der still und dunkel da liegt... nur durch das runde, bleigefasste Fenster in der hölzernen Tür zu Laube und zum Innenhof des Westflügels, dringt schwach der bleiche Schimmer von Sternen- oder Mondlicht herein. Diantha schläft offenbar wirklich schon, jedenfalls ist nicht der allerkleinste Laut aus ihrem Gemach zu hören... und Mattis ist ohnehin nicht da. Allein mit sich, seinen Gedanken und dem Uisge, setzt Olyvar sich also entschlossen in Richtung Laube in Bewegung, als hinter dem Bernsteinglas des Türfensters plötzlich ein schemenhafter Umriss auftaucht. Die Gestalt draußen wendet ihm den Rücken zu, aber der Schatten windzerzauster Locken ist unverkennbar, es ist Diantha. Einen Moment zögert er, nicht weil er Bedenken hätte, sondern weil ihm heute einfach nicht mehr danach ist, möglicherweise noch weiter angegiftet zu werden, doch dann gibt er sich einen Ruck. Bring es hinter dich, dann weißt du vielleicht, woran du bist. Er tritt zu ihr auf die Laube hinaus und sie blickt so gedankenversunken in den Himmel, dass sie ihn nicht kommen hört. Nachtkälte und Wind umfangen ihn augenblicklich, doch im Schutz des ummauerten Hofes und der Laube mit ihren geschnitzten Balken und dem dichten Blauregenbewuchs ist es still. Der Schneekristall, das kleinste aller Sternbilder, ist heute besonders gut zu sehen, glitzernd und funkelnd zwischen Kranich, Schmetterling und Karren. "Hallo conasg," beginnt er leise und sie fährt überrascht herum. Die Laube ist klein und er füllt die Tür ganz gut aus, so dass sie ihm für den Moment wenigstens nicht davon laufen kann, es sei denn sie würde sich über die Holzstiege in den Hof hinunter flüchten. "Was ist los, Diantha?" Er stellt Becher und Uisge auf dem kleinen Tisch ab und schenkt etwas davon ein. Er hat nur ein Trinkgefäß mitgebracht, weil er einfach nicht damit gerechnet hatte, sie hier vorzufinden, aber was ihn angeht, so würde es auch die Karaffe tun, also reicht er ihr den Becher und sieht sie an. "Ich bin nicht blind. Willst du mir nicht verraten, wo dich der Schuh drückt? Oder habe ich dir vielleicht irgendetwas getan?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 08. März 2007, 14:09 Uhr
Ihre Gedanken huschen von dem einem Thema zu anderen, von der Vergangenheit in die Gegenwart und von dort weiter in die Zukunft. Sie hat sich so lange gezwungen nur in den beiden ersteren Zeiten zu leben, dass es ein verunsicherndes Gefühl erzeugt, Gedanken im Futur zu formulieren. Gehöre ich hier wirklich hin... in dieses Leben, diese Familie, diese Welt. So in Gedanken verloren, dass sie alles um sich vergisst, schreckt sie heftig zusammen als plötzlich Olyvars Stimme erklingt: >"Hallo conasg"< Das erste, was ihr durch den Kopf geht, ist einfach zu flüchten, ihn hinter sich zu lassen, das was mit den bohrenden Gedanken nicht funktioniert, leider. Doch seine große, breite Gestalt füllt die Tür fast vollständig aus, ihr würde nur eine Möglichkeit bleiben, die Holzstiege und das erscheint dann sogar ihr der falsche Weg.  Ich kann nicht mehr einfach weglaufen, ich habe jetzt Verantwortung... "Hallo mangan", murmelt sie deshalb nur leise. Was willst du?
>"Was ist los, Diantha?"<, fragt er und reicht ihr kurz darauf   einen Becher, aus dem es verheißungsvoll riecht und den sie nur zu gerne entgegennimmt. >"Ich bin nicht blind. Willst du mir nicht verraten, wo dich der Schuh drückt? Oder habe ich dir vielleicht irgendetwas getan?"< Darauf wirft sie ihm einen mehr als erstaunten Blick zu, als könne sie nicht fassen, dass er auf eine solch abstruse Idee kommt. "Ihr mir etwas getan? Ihr habt mir doch nie etwas getan, wart der einzige, der sich nicht von meiner Art hat abschrecken lassen, der mir eine Chance gegeben hat", sagt sie eindringlich und schaut ihm in seine grauen Augen, in denen man nur so selten lesen kann, was er fühlt. Gewiss wäre es einfacher, ihre Krallen auszufahren und wie wild auf ihn einzuschlagen, ihn für ihre Probleme verantwortlich zu machen, alles auf ihn abzuwelzen. Einfach, aber absoluter Schwachsinn, weil es nicht seine Schuld ist. Wie oft ist der einfachste Weg auch zugleich der falscheste, wie häufig hat sie ihn früher trotzdem eingeschlagen und ist dann schlussendlich an einer Sackgasse angekommen. Nein, den einfachsten Weg wählt sie nicht mehr, aber welchen stattdessen - das ist ein großes Rätsel, vor dem sie nun steht.
"Dafür habe ich Euch vertraut", stellt sie sachlich fest und der Zug um ihren Mund wird wieder härter. "Aber ich vertraue nicht einfach so, vorbehaltlos! Das habe ich mir vor so vielen Zwölfmonden geschworen nicht mehr zu tun!" Die nicht den Becher haltende Hand schießt vor, wie um ihn zu schütteln oder wegzustoßen, beides vollkommen unsinnige Unterfangen. Doch als sie ihn berührt zucken die kalten Fingerspitzen zurück als hätte sie sich verbrannt. Sie, die nie jemanden von sich aus berührt, abgesehen natürlich von den Zwillingen. Sie, die von jemand anderen nur höchst selten mehr Körperkontakt zulässt, als ein aufmunterndes Schulterklopfen. Doch das Schlimmste ist sich eingestehen zu müssen, dass sie ihn gar nicht berühren wollte um ihn wegzustoßen oder anzugreifen, sondern um sich an irgendwem festzuhalten, der einzigen Konstante in ihrem Leben, die noch nicht gestorben ist. Du bist schwach geworden. Ich weiß.
"Ich habe Euch vertraut, dabei bin ich mir nicht einmal sicher Euch zu kennen! Sogar Shyada habe ich ein wenig vertraut und die hat sich als jemand völlig anderes entpuppt. Olyvar, bist du wirklich der, den ich zu kennen glaube?" Zunächst schaut sie noch weg, doch dann wandert ihr Blick hoch zu ihm und versucht seinen festzuhalten, wie um in ihm zu lesen, nur aus dem Blick zu erkennen, ob er es wirklich wert ist ihm zu vertrauen. Die Antwort ist ihr so wichtig, dass sie gar nicht merkt, dass sie in eine Anrede gewechselt ist, die sie sich von ihrem Stand her gar nicht erlauben dürfte.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 08. März 2007, 23:02 Uhr
Auf seine Frage hin sieht Diantha ihn einen Moment lang so fassungslos an, als habe er von fliegenden grünen Schweinen am Himmel erzählt oder etwas ähnlich Unsinniges von sich gegeben. >Ihr mir etwas getan?< Echot sie ungläubig. > Ihr habt mir doch nie etwas getan, wart der einzige, der sich nicht von meiner Art hat abschrecken lassen, der mir eine Chance gegeben hat,< erwidert sie so schlicht wie freimütig, und Olyvars Mund verzieht sich zu einem vagen Lächeln. "Ah... gut," erwidert er und seine Mundwinkel vertiefen sich noch ein wenig mehr. Nachdem Diantha sich während des ganzen Abends so merkwürdig benommen hatte, hatte er sich wirklich ernsthaft gefragt, ob er sie vielleicht irgendwie gekränkt hatte ohne es zu merken, doch anscheinend hatte er nicht. "Glaube ich jedenfalls." Ja nun, wenn es nicht an mir liegt... woran denn dann? Er kann sich immer noch nicht vorstellen, dass es Shyadas ziemlich zahmes Herumfauchen gewesen sein soll, dass Diantha derart aus der Fassung gebracht hat, und ganz abgesehen davon, dass sie ihn gerade eben von jeder Schuld freigesprochen hat, ausgelassen hatte sie ihre miserable Stimmung ja schon an ihm. Ein wenig. Ein kleines bisschen. Oh, na schön, gut, kaum. Übertreib nicht. Sie hat gar nichts an dir ausgelassen, es war ihr bestenfalls deutlich anzumerken, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmt... korrigiert er sich in Gedanken und lehnt sich dann leicht an den Türrahmen. Das Holz ist kühl und glatt in seinem Rücken, der Wind singt über die Dächer und Zinnen der Steinfaust hinweg und treibt dunkle Wolkenburgen über den samtblauen Himmel, die das Mondlicht silbern rändert. Es ist kalt, aber nicht eisig und selbst die Nachtluft schmeckt eindeutig nach Frühling. Olyvar nimmt einen Schluck Uisge und will Diantha gerade rundheraus fragen, was denn dann mit ihr los wäre, als sie plötzlich weiterspricht: >Dafür habe ich Euch vertraut,< stellt sie fest. Obwohl es gut tut, das zu hören, klingt das "Aber" schon in ihrem Ton mit, noch bevor sie es ausspricht und Olyvar hebt fragend eine Braue. >Aber ich vertraue nicht einfach so, vorbehaltlos! Das habe ich mir vor so vielen Zwölfmonden geschworen nicht mehr zu tun!< Ihre Worte klingen halb verteidigend, halb hoffnungslos und irgendwie auch wie eine Warnung... oder bildet er sich das ein? Er weiß es nicht. Vorbehaltloses Vertrauen...

"Das verlangt aber doch keiner von dir, Diantha," antwortet er leise. "Vorbehaltloses Vertrauen ist ein ziemlich seltenes Geschenk, in einer Welt wie unserer allemal. Das ist etwas, das man nicht jedem anbietet... und es ist etwas, das man sich verdienen muss, findest du nicht?" Liegt hier der Hase im Pfeffer? Diantha ist jetzt seit ungefähr neun Monden bei uns. Merkt sie allmählich, dass sie beginnt, sich auf uns zu verlassen und sich hier zu Hause zu fühlen, und  bekommt jetzt Angst vor der eigenen Courage? Ist es das? Irgendetwas treibt sie um, das kann er sehen. In ihrem Gesicht spiegeln sich innerhalb weniger Herzschläge die widersprüchlichsten Gefühle, und für einen Moment sieht sie aus, als könne sie keine Sekunde länger still stehen - dann schnellt plötzlich ihre Hand vor, als wolle sie ihn gleich am Hemdkragen packen und gehörig durchschütteln wie einen unartigen Jungen, der anscheinend nicht begreifen will, was man ihm sagt, doch im allerletzten Moment verliert sie den Mut und zuckt zurück. Olyvar reagiert, wie jeder halbwegs ausgebildete Kämpfer nun einmal reagiert, der eine so plötzliche und abrupte Bewegung direkt vor der Nase hat, mit reinem Instinkt. Er erwischt sie am Handgelenk, gerade als ihre Finger kalt und kurz seine Haut berühren, und hält ihren Arm fest. Auf einer Ebene, die nichts mit Verstand und Logik zu tun hat, begreift er allerdings fast augenblicklich, dass das eben gerade alles, aber ganz bestimmt kein Angriff war. Offenbar sind der Aufruhr in ihrem Inneren und ihre Einsamkeit so groß, dass Diantha sogar bereit ist, von sich aus Nähe zu suchen... und einfach nicht mehr weiß, wie das geht. Vielleicht hat sie es nie gewusst. Ihre unbeholfene Geste, ihr rasender Puls unter seinem Daumen, der so schnell schlägt, dass er dem Herzklopfen jedes Kaninchens in der Fallgrube Konkurrenz gemacht hätte, und ihr Gesichtsausdruck in diesem Moment verraten ihm einiges über sie. Erstens, dass es anscheinend Jahre her ist, dass sie überhaupt zum letzten Mal irgendeinen anderen Menschen unbefangen berührt hat, zweitens, dass sie wohl kaum Erfahrungen mit Männern hat, und drittens dass sie wegen Punkt eins und zwei in diesem Augenblick vermutlich tausend Tode stirbt. Herrje, und er hält ihren Arm immer noch fest. "Entschuldige..." Er lässt ihre Hand sinken und gibt sie frei. "Es war nicht böse gemeint, nur... äh... Männer reagieren naturgemäß etwas... ahm... besorgter, wenn sie gerade in einer so engen Laube wie dieser stehen und es dabei mit einer aufgebrachten Frau zu tun haben, die wild mit ihren Händen herumfuchtelt, aye?" Erklärt er und aus seinem amüsierten Lächeln wird ein jungenhaftes Grinsen, das ihr hoffentlich etwas von ihrer Befangenheit nimmt.

Ob das funktioniert oder nicht kann er allerdings nicht sagen, denn Diantha starrt angespannt in die Nacht hinaus. >Ich habe Euch vertraut, dabei bin ich mir nicht einmal sicher Euch zu kennen! Sogar Shyada habe ich ein wenig vertraut und die hat sich als jemand völlig anderes entpuppt. Bricht es schließlich aus ihr heraus. >Olyvar, bist du wirklich der, den ich zu kennen glaube?< Das sitzt. Es trifft ihn sogar mehr, als er zuzugeben bereit ist, denn es klingt fast so, als hätte er ihr bisher irgendetwas vorgegaukelt. Er bemerkt zwar, dass sie ins vertrauliche "Du" wechselt, aber das ist ihm nur recht, schließlich ist es längst überfällig. Sie wohnt seit neun Monden unter seinem Dach und Diantha ist... ist... einfach mehr als irgendeine Magd. Du hättest es ihr ja nur anzubieten brauchen, Idiot! Sie arbeitet seit dem Frühsommer für dich und sie liebt die Kinder, als... Olyvar stockt, als ihm klar wird, was ihm da gerade durch den Kopf geht, doch dann bringt er den Gedanken doch zu Ende. Als wären es ihre eigenen. Darauf nimmt er einen kräftigen Schluck Uisge und holt tief Luft. "Du hast mir vertraut? Das klingt fast so, als hätte ich doch etwas getan, dass du's jetzt nicht mehr tust." Olyvar, du spaltest Haare mit einer Streitaxt! Er löst sich von seinem Platz an der Tür und tritt den halben Schritt neben sie, um in den dunklen Innenhof hinunter zu blicken. "Shyada ist ein Fall für sich. Sie ist scheußlich, ich weiß, aber im Grunde ist sie kein schlechter Kerl. Ich jedenfalls kenne auch noch andere Seiten an ihr, so schwer man sich das auch vorstellen kann. Und wenn sie nicht gerade völlig verwirrt ist, weil ihr alle Erinnerungen an die letzten Monde ihres Lebens fehlen, dann kann sie sogar ganz umgänglich sein. Wegen ihr wollte ich ohnehin mit dir reden, aber das kann jetzt noch einen Moment warten." Das Mondlicht ist fahl und silbern, und zeichnet harte Schatten und scharfe Konturen. Die feinen, dünnen Frühlingstriebe der Obstbäume sechs Schritt unter ihnen wirken in diesem Licht so nahe, als bräuchte man nur die Hand ausstrecken, um sie zu berühren. Dann verschwindet alles Licht hinter einer Wolke und die Nacht wird für einen Moment stockfinster. Als der Himmel wieder aufklart, sieht Diantha ihm so eindringlich in die Augen, als wolle sie seine Gedanken lesen. "Ob ich der bin, den du zu kennen glaubst...," wiederholt er nachdenklich und weicht ihrem Blick nicht für eine  Sekunde aus. "Das weiß ich nicht. Ich weiß es nicht, weil ich nicht weiß, wen du zu kennen glaubst.

Aber falls deine eigentliche Frage ist, ob du mir vertrauen kannst, dann kann ich dir nur sagen: das musst du selbst wissen. Und ob du es riskieren willst oder nicht, liegt ganz bei dir. Ich bin nur ein Mensch, Diantha. Ich mache Fehler wie jeder andere auch, aber ich bin weder falsch noch heuchlerisch. Es ist immer ein Risiko, sich wirklich auf jemanden zu verlassen, immer. Ich weiß es, weil ich weiß, wie es ist, es zu tun und dann bitter enttäuscht zu werden. Noch heute vor einem Jahreslauf hätte ich jeden Eid geschworen, dass meine Frau... meine ehemalige Frau," verbessert er sich, "wenn schon nicht mich, dann doch wenigstens ihre Kinder nie, niemals im Stich lassen würde. Und doch hat sie's getan. Sie ist gegangen." Er schnippt mit den Fingern. "Einfach so." Einen Moment lang schweigt er und nippt noch einmal von der Karaffe, die sich inzwischen schon bedenklich geleert hat. "Gib mir deinen Becher, wenn du noch etwas abhaben willst." Sie hält ihm ihr Trinkgefäß hin und er füllt es auf. "Ah dhias bheannaichte." Gesegnet seien die Götter. "Endlich ein weibliches Wesen, mit dem man sich betrinken kann," murmelt er erheitert, aber so leise, dass sie nicht darauf reagieren muss. "Man sollte meinen, ich hätte daraus gelernt, dass es im Leben keine Gewissheit gibt, aber ich glaube nach wie vor daran. Ich weiß, dass es so ist. Manche Menschen mögen einen enttäuschen, andere überraschen einen. Du zum Beispiel. Ich habe dir nicht von Anfang an blind vertraut, aber inzwischen tue ich es bedingungslos. Ich weiß vielleicht nur wenig von dir, aber in dieser einen Beziehung kenne ich dich besser, als ich meine Frau je gekannt habe. Ist dir nie aufgefallen, dass Conn und Fianryn nie nach ihrer Mutter fragen? Sie vermissen sie nicht mehr. Die Kinder lieben dich, und du würdest dich nie von ihnen abwenden, wenn sie dich brauchen. Du würdest dich immer um sie kümmern, für sie sorgen und sie beschützen, ganz gleich, was geschieht... Dafür würde ich jederzeit meine Schwerthand ins Feuer legen." Er beobachtet sie sehr genau, während er spricht und er kann sehen, wie sich das Gewicht seines Vertrauens so warm wie schwer auf ihre Schultern senkt.

"Und? Ist mein Vertrauen nun gerechtfertigt?" fragt er leise. "Bist du die, die ich zu kennen glaube?" Er erwartet keine Antwort auf seine Frage, weil es darauf ebenso wenig eine gibt, wie auf ihre, sondern hebt den Blick und sieht in den Sternenhimmel. "Also, ich weiß, dass dir seit Shyadas kleinem Tobsuchtsanfall heute Abend irgendetwas wirklich zu schaffen macht, aber ich kann dir nicht an der Nasenspitze ablesen, was es ist und ich kann deine Bedenken auch nicht zerstreuen, wenn du mir nicht sagst, was genau dir eigentlich Sorgen macht, aye?" Fährt er in aller Logik fort. "Versuch es doch einfach einmal mit ein bisschen Vertrauen und sag's mir."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 09. März 2007, 11:04 Uhr
Im Erkerzimmer


Glücklicherweise hält sie niemand auf, auch wenn sie das Gefühl hat, dass sie die Blicke der anderen ihr bis zu ihrer Zimmertür folgen. Olyvar hatte sie mit einer jener Blicke bedacht, die zeigen, dass man gerne geholfen oder es anders angegangen hätte, es aber leider nicht möglich ist. Genau genommen, ist sie ihm dankbar dafür, dass er ihr das alles erzählt, aber es macht es auch nicht leichter für sie. Langsam, in Gedanken versunken, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich denkt, steigt sie die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf und stellt unsinnigerweise plötzlich fest, dass sie schon lange keine Probleme mehr hat, mit einem Kleid herumzulaufen. Es ist zwar eine Erkenntnis die ihr absolut nicht weiterhilft, noch irgendwas ändert, aber es zeigt sich kurz ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen. Nicht zuletzt weil sie daran denken muss, wie sie damals vor sich her gestolpert ist... selbst wenn die Reise alles andere erfreulich war, so hatte sie dennoch ein Ziel vor Augen. Ihr hatte die Vergangenheit gefehlt, aber manchmal scheint ihr das besser gewesen zu sein, als nicht zu wissen, was man vor wenigen Minuten noch getan hat. Abwesend öffnet sie die Tür zum Erkerzimmer und betritt dann den Raum, nur um die Tür gleich hinter sich zu verriegeln. Sie will niemanden sehen, sondern allein sein. Egal wie sehr sich die anderen bemühen, helfen kann ihr scheinbar niemand. Das einzige was wohl bislang Wirkung gezeigt hatte, war Balabars Trank gewesen. Doch der Rest würde erst mit der Zeit kommen. Plötzlich erfasst sie jedoch ein erschreckender Gedanke. Was wenn es sich niemals mehr bessern würde? Was, wenn sie ewig so weiterleben müsste? Zwei Persönlichkeiten gefangen in einem Körper. Zitternd geht sie zum Bett hinüber und lässt sich darauf fallen. Den Blick starr zum Baldachin gerichtet, versucht sie den Gedanken zu vertreiben. Sie will nicht daran denken müssen. Es würde sie nur noch mehr verwirren und die Aussicht auf ewig so weiterleben zu müssen, erscheint ihr unerträglich. Drei Tränen kullern ihre hinunter und hinterlassen dunkle Flecken auf dem Bettzeug. Danach nimmt sie ihre Umgebung erst wieder bewusst wahr, als jemand an die Tür klopft und sie hochschreckt. Nicht sicher, ob sie sich melden soll, starrt sie die dunkle Tür an, betrachtet wie sich der Türdrücker bewegt und schweigt. Nein, sie will niemanden sehen oder sprechen. Das Letzte was sie jetzt möchte, während wieder mitfühlende Blicke. So hilfreich sie manchmal sein können, so unangenehm und unerwünscht sind sie in anderen Zeiten.

> "Versuch etwas zu essen, wenn du kannst, Shya."< Es ist Olyvar und wieder benutzt er nicht ihren richtigen Namen sondern eine Abkürzung. Eigentlich nennt er sie ständig so.Ob er das früher auch getan hat? Aber eigentlich kann sie sich nicht vorstellen, warum er sie anders ansprechen sollte, wenn sie doch angeblich so ein Miststück ist. Ein >"Oidhche mhath."< folgt. Es klingt seltsam bedrückt, mit einer Spur von Müdigkeit, die man immer dann empfindet, wenn man nicht weiß, was werden soll und wird.  Minutenlang, selbst als die Schritte längst verklungen sind, sieht sie noch zur Tür, rührt sich aber kein Stück. Selbst als ihr Magen leise knurrt, immerhin wurde er ja davon in Kenntnis gesetzt, dass dort Essen auf ihn wartet, bewegt sie sich noch nicht, sondern begnügt sich damit, mal wieder über sich selbst nachzudenken und wie sie es den anderen leichter machen könnte. Denn dass sie für Olyvar und Diantha wohl keine allzu angenehme Gesellschaft ist oder zumindest sein wird, hatte sie heute trotz allem mitbekommen. Seufzend und schwerfällig krabbelt sie schließlich doch von dem großen Bett herunter und schleicht leise zur Tür. Olyvar war gegangen, also kann dort niemand mehr sein, oder doch? Vorsichtig entriegelt sie das Schloss, linst durch einen schmalen Türspalt zum dunklen Treppengang, kann dort aber niemanden erkennen. Eigentlich wollte sie nur rasch das Tablett reinholen und dann die Tür wieder verschließen, doch leises Stimmengemurmel lässt sie innehalten. Sie kann nicht hören was geredet wird, dafür scheint es zu weit weg, aber irgendwo unterhalten sich zwei Personen. Sie vermutet, dass es Olyvar und Diantha sein müssen. Die Kinder schlafen bereits und Mattis Stimme klingt irgendwie anders, auch wenn sie es im Moment nicht beschreiben könnte. Unweigerlich ist sich Shyada sicher, dass man über sie redet. Bestimmt klagen sie sich jetzt gegenseitig ihr Leid, weil ich so schlimm bin... Langsam schließt sie nun doch die Tür. Ihr erster Impuls ist gewesen, sich vielleicht vorsichtig ein Stück zu nähern, um zu hören, was sie bereden, aber eigentlich will sie das gar nicht wissen. Mit falscher Hoffnung zu leben scheint ihr leichter, als die Gewissheit zu haben, den anderen nur eine Last zu sein. Unmotiviert kaut sie auf dem Braten herum, schiebt sich gelegentlich ein Stück Brot in den Mund und zeichnet wirre Muster in das Stück Butter vor sich. Als sie fertig gegessen hat, stellt sie das Tablett auf einem der Schränke ab und macht sich dann bettfertig. Sie weiß zwar, dass sie ohnehin nicht schlafen kann, aber viele Möglichkeiten, um sich abzulenken hat sie hier sowieso nicht, also kann sie es ja zumindest versuchen.

Als sie am nächsten Morgen erwacht ist irgendetwas anders. Vom Schlaf noch leicht benommen fällt es ihr erst nicht auf, doch als sich ihr Verstand langsam regt, schreckt Shyada hoch. Ein gelber Baldachin über ihrem Kopf, bequeme Matratzen und  weiches Bettzeug ist garantiert nicht das, womit sie normalerweise aufwacht. Erst als sie sich davon überzeugt hat, dass sie allein im Raum ist, beruhigt sich ihr Puls etwas. Zwar weiß sie den Luxus zu schätzen, in gewisser Weise jedenfalls, doch hat sie schon wieder keine Ahnung was sie hier tut. Da fallen ihr allerdings Olyvars Worte ein, auch wenn sie nicht mehr sagen könnte, wann er ihr das gesagt hatte, denn irgendwie fehlt ihr schon wieder ein Stück Zeit. Sie kennt den Raum nicht, genau wie beim letzten Mal, als sie sich so plötzlich in einem Kleid vorgefunden hatte. „Wo verdammt noch mal bin ich jetzt schon wieder?“ Es muss die Steinfaust sein. Olyvar hatte sie schließlich sein Lieblingssorgenkind genannt. Warum er der Meinung ist, sich ausgerechnet um sie Sorgen machen zu müssen, will ihr zwar nicht ganz einleuchten, aber wenn er meint, soll er ruhig tun. Auch wenn sie nicht weiß, was zwischen der Zeit mit Olyvar und dieser Diantha und jetzt passiert ist, kann sie sich noch genau an das Gespräch mit ihrem ehemaligen Vorgesetzten erinnern. Es wäre ein Leichtes alles als Lüge abzutun und zu behaupten, dass Olyvar selbst ihr irgendeinen Trank verabreicht hat, aber er hat keinen Grund dazu. Ganz zu Schweigen davon, dass sie noch nie erlebt hat, dass er sich haarsträubende Geschichten ausdenkt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Er würde eher die Holzhammermethode wählen und davon abgesehen wüsste sie auch keinen Grund, der Olyvar dazu veranlassen sollte, sie ruhig zu stellen. Es sei denn, sie hätte wieder etwas getan, wovon sie jetzt nicht weiß, was ihn dazu getrieben hat. Dann aber würde er sie wohl eher in die schwarzen Zellen stecken, als in ein weiches Bett. „Ifrinn!“ zischt sie ungehalten, weil sie einfach keinen klaren Gedanken fassen kann. Es sind einfach zu viele Fragen und zu viele Lücken in ihrem Gedächtnis. Als sie aus dem Bett steigt, fällt ihr Blick auf die Narbe am rechten Oberschenkel. Es schmerzt schon lange nicht mehr, aber trotzdem streicht sie vorsichtig über die raue Stelle. Magisch geheilt, genau wie ihre Schulter. Es hätte damals zu Ende sein können. Und laut Olyvar hätte es auch durch diesen Trank der Fall sein können. Warum eigentlich hatte immer der Lord Commander seine Finger im Spiel? Hätten sich ihre Wege nicht einfach endgültig trennen können? Er, der die Rechtschaffenheit in Person ist, und sie würden nie auf einen grünen Zweig kommen, warum also musste er sie ausgerechnet hier behalten. Irgendein Tempel am anderen Ende von Roha hätte es mit Sicherheit doch auch getan?

Entschlossen es auszunutzen, dass sie wohl gerade mal wieder sie selbst ist, sieht sie sich nach ihrer Kleidung um und atmet hörbar ein, als sie das grüne Kleid entdeckt. „Oh nein...“ Ihr wurde berichtet, dass ihr Besitz verloren ist, aber freiwillig ein Kleid anziehen? Skeptisch betrachtet sie das grüne Stück Stoff, dass unweit vor ihr auf dem Stuhl liegt. Nahezu alles in ihr sträubt sich das anzuziehen, aber großartige Alternativen bieten sich ihr auch nicht, als sie einen Blick in die Kleidertruhen wirft. Etwas zu schwungvoll knallt sie die Truhen wieder zu und setzt sich dann, nackt wie sie ist, auf den Deckel der einen. Sie könnte nicht mal eben, einfach so verschwinden, weil sie garantiert irgendein Gardist sehen würde. Mit Kleid schon undenkbar, ohne Kleidung im Winter noch undenkbarer. Ihr fällt zwar wieder ein, dass die Blaumäntel sich oft darüber unterhalten haben, dass man Olyvars Gemächer auf mehreren Wegen verlassen kann, aber dazu müsste sie sich hier erst einmal auskennen. Sie ist sich zwar sicher, dass sie im Westflügel ist, aber den hatte sie freiwillig noch nie vorher betreten. „Schöne Aussichten... du scheinst schwierige Umstände förmlich anzuziehen.“ Egal wie sie es dreht und wendet, wenn sie hier aus dem Zimmer möchte, muss sie sich etwas anziehen. Zudem wird es langsam unangenehm kalt, da sich die Bettwärme aus ihrem Körper verflüchtigt und die Winterkälte das Steingebäude immer noch fest im Griff hat. Doch sie kann sich einfach nicht dazu durchringen dieses grüne Etwas anzuziehen. Um aber für den Anfang wenigstens warme Füße zu kriegen, schlüpft sie in die Stiefel, die ihr ganz passabel erscheinen, und angelt ganz nebenbei nach einem Stück Käse und Brot, die wohl Reste einer gestrigen Mahlzeit sind. „Und nun? Wenn du Glück hast, bekommst du eine ordentliche Lungenentzündung und entgehst so weiteren Gesprächen mit Olyvar.“ Sie rollt über sich selbst mit den Augen und überlegt weiter angestrengt, ob es Alternativen zu dem Kleid gibt. Natürlich nicht, aber als ihr Blick auf die zweite Decke auf dem Bett fällt, kommt ihr eine Idee. Es würde kalt werden und eine ziemlich riskante Bekleidung, aber immerhin wäre es kein Kleid, mit dem sie sich pausenlos verheddern würde. Und es würde ausreichen, um hier raus zu kommen, um sich dann... ja was eigentlich? Sie kann sich nicht einmal anderswo Kleidung besorgen, schließlich hat sie ja nichts womit sie bezahlen kann. „Fein Olyvar. Ganz fein. Als ob du das nicht von Anfang an so geplant hast. Sperr mich mit nichts außer einem Kleid in ein Zimmer irgendwo in deine Steinfaust und du weißt genau, dass ich den Raum nicht verlassen werde.“ Ungehalten knurrt sie vor sich hin und tritt denn einfach gegen das erstbeste was ihr ins Auge fällt: der Bettpfosten. Dieser ist aber wenig beeindruckt davon, hinterlässt dafür aber ein unangenehmes Ziehen im Bein. „Hmpf.“ Trotzig wie ein Kleinkind lässt sie sich aufs Bett fallen und kriecht halb unter die Bettdecke. „A mhic an diabhol. Sei froh, dass du dich gerade nicht in diesem Raum befindest!“ Aber so schnell würde sie nicht klein beigeben, irgendetwas würde sich wohl auch mit dem Kleid anstellen lassen, damit es für sie erträglich wäre, darin kurzfristig herumzulaufen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 09. März 2007, 18:21 Uhr
Noch immer hat sie das Gefühl, dass ihre Hand brennt, die Olyvar eben für einen Moment so fest gehalten hat, als habe er Angst, dass sie ihm etwas tun würde, obwohl der Gedanke lachhaft ist. Er ist ihr körperlich in dieser Situation meilenweit überlegen, doch sie versteht seine Erklärung, nur dem Brennen tut es nicht den geringsten Abbruch, wirft eher noch Zunder ins Feuer. Sie weiß, dass sie sich das nur einbildet, doch es ist scheinbar endlos lange her, dass sie jemanden von sich aus so berührt hat, jedenfalls jemand der über das Kindesalter hinweg ist. Sie weiß noch nicht, ob das ein riesiger Fehler oder nicht, dafür ist sie zu aufgebracht, ihr Herz schlägt zu wild, über so etwas kann sie jetzt nicht nachdenken, sondern nur darauf warten, was er sagt, wie er reagiert.
Auf ihre letzte Frage nimmt er erst noch einen Schluck, dann antwortet er: >"Du hast mir vertraut? Das klingt fast so, als hätte ich doch etwas getan, dass du's jetzt nicht mehr tust."< Auf diese Antwort überfällt sie für einen Augenblick Verzweiflung. Er versteht nicht … er versteht es einfach nicht! Eigentlich kein Wunder, mir selbst fällt es ja schwer, es zu verstehen. Warum wünsche ich mir überhaupt, dass er es tut? Dann tritt er auf sie zu und für einen Moment hat sie das Bedürfnis ihn weg zu schieben, ihn aufzufordern Abstand zu wahren - wie ein verzweifelter letzter Aufschrei der alten Diantha, die nie jemand an sich heranlassen wollte. Doch für so etwas ist es zu spät, dass weiß sie genau, dafür fühlt sie sich viel zu sehr mit ihm und mit seinen Kindern verbunden, es ist wohl an der Zeit sich auch so zu verhalten, nur ob sie genau das kann, das weiß sie nicht. Still lauscht sie seiner Erläuterung zu Shyada, nimmt mit leichter Verwirrung wahr, dass er sie als Kerl bezeichnet, doch sagt zunächst einmal nichts zu dem Thema. Als er dieses dann auch nach hinten verschiebt, ist sie ihm dankbar. Sicher, Shyada scheint ein Miststück zu sein, doch sie ist es weniger, die Diantha beunruhigt. Sie wird schon irgendwie einen Weg finden mit der Fremden umzugehen, wenn es auch vermutlich nervenaufreibend wird, doch machbar ist es sicherlich. Die Immerfrosterin hat auf der Straße schon härtere Fälle kennen gelernt, da war sie solchen Leuten aber meist aus dem Weg gegangen, hatte ihre eigene Sache durchgezogen. Doch es wird schon eine Möglichkeit geben, zudem kennt sie sich ganz offensichtlich viel besser in der Steinfaust aus als die Amazonenshyada, die ja nicht einmal genau zu wissen schien, wo sie war, als sie aus einer Ecke von Liomies Geist kroch. Einer dunklen, dreckigen Ecke wie es scheint.

Doch nun richten sich Olyvars graue Augen auf ihre, weichen keinen Augenblick aus, nehmen sie ernst, antworten ihr wie einer Gleichgestellten. >"Ob ich der bin, den du zu kennen glaubst... Das weiß ich nicht. Ich weiß es nicht, weil ich nicht weiß, wen du zu kennen glaubst. Aber falls deine eigentliche Frage ist, ob du mir vertrauen kannst, dann kann ich dir nur sagen: das musst du selbst wissen. Und ob du es riskieren willst oder nicht, liegt ganz bei dir. Ich bin nur ein Mensch, Diantha. Ich mache Fehler wie jeder andere auch, aber ich bin weder falsch noch heuchlerisch. Es ist immer ein Risiko, sich wirklich auf jemanden zu verlassen, immer."< Ich möchte dir vertrauen, wird ihr plötzlich klar. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann, ob ich mich wirklich noch einmal von einer so verletzlichen Seite zeigen kann. Doch sie hört ihm zunächst zu, erwidert nichts, denn er scheint noch etwas sagen zu wollen, so ist dem denn auch. >"Ich weiß es, weil ich weiß, wie es ist, es zu tun und dann bitter enttäuscht zu werden. Noch heute vor einem Jahreslauf hätte ich jeden Eid geschworen, dass meine Frau... meine ehemalige Frau, wenn schon nicht mich, dann doch wenigstens ihre Kinder nie, niemals im Stich lassen würde. Und doch hat sie's getan. Sie ist gegangen."< Ein Schnippen seiner Finger untermalt die Worte. >"Einfach so."< Ihr Blick wird unendlich traurig, doch es liegt auch Verstehen in ihm. Sie weiß genauer als sie es wissen wollte, wie es ist zu verlieren und es schlichtweg nicht fassen zu können, jeden Tag aufs Neue von der Tatsache überrannt zu werden, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit unmöglich schien. Und sie weiß, dass Worte da nur den wenigsten helfen, ihr hat Anteilnahme und Mitgefühl nichts gebracht, sie musste das mit sich selbst ausmachen, doch wie das bei Olyvar ist, kann sie natürlich nicht sagen. Aber sie hat schon das ein oder andere Mal mitbekommen, dass jemand sich angeboten hat über seinen Verlust zu reden und er abgelehnt hat.
So führt er auch jetzt die Karaffe wieder an den Mund und heißt sie, ihm den Becher zu reichen, wenn sie noch etwas will. Automatisch tut sie es und erst jetzt fällt ihr auf, wie leer das Gefäß schon ist, sie hat gar nicht bemerkt, dass sie von dem Alkohol getrunken hat. Dann hört sie überrascht, wie er murmelt: >"Endlich ein weibliches Wesen, mit dem man sich betrinken kann"< und muss daraufhin grinsen. Ja, das ist etwas, was man mit ihr kann, was Alkohol angeht war sie nie eine Mimose, wusste aber damit umzugehen um nicht abhängig zu werden. Zu viele abgewrackte Opfer dieser Droge hat sie in ihrer Jugend gesehen um es damit zu weit zu treiben. Wenigstens etwas, was sie in ihrer Jugend richtig gemacht hat.

>"Man sollte meinen, ich hätte daraus gelernt, dass es im Leben keine Gewissheit gibt, aber ich glaube nach wie vor daran. Ich weiß, dass es so ist. Manche Menschen mögen einen enttäuschen, andere überraschen einen. Du zum Beispiel. Ich habe dir nicht von Anfang an blind vertraut, aber inzwischen tue ich es bedingungslos. Ich weiß vielleicht nur wenig von dir, aber in dieser einen Beziehung kenne ich dich besser, als ich meine Frau je gekannt habe. Ist dir nie aufgefallen, dass Conn und Fianryn nie nach ihrer Mutter fragen? Sie vermissen sie nicht mehr. Die Kinder lieben dich, und du würdest dich nie von ihnen abwenden, wenn sie dich brauchen. Du würdest dich immer um sie kümmern, für sie sorgen und sie beschützen, ganz gleich, was geschieht... Dafür würde ich jederzeit meine Schwerthand ins Feuer legen."< Diese Worte verschlagen ihr nun vollends den Atem und einen Moment fühlt sie sich von Schwindel erfasst, aber zugleich steht sie auch fest auf dem Boden und sieht ihm in die Augen. Er meint, was er da sagt. Sie hat merkwürdige Gefühl, dass ihr erst eine schwere Last abgenommen wird, von der sie gar nicht wusste, dass es sie gibt, ihr dafür aber eine neue Last gegeben wird, kleiner, wertvoller, aber fast genauso schwer. Vertrauen ist eine wunderschöne Sache, die aber auch Erwartungen beinhaltet, Erwartungen über Verhaltensweisen, von denen Diantha nur wenig versteht. Dennoch hat sie das Gefühl, dass ihr ein Geschenk gemacht wurde.
>"Und? Ist mein Vertrauen nun gerechtfertigt? Bist du die, die ich zu kennen glaube?", fragt er leise und Diantha erkennt, dass sie ihm nicht antworten kann und sieht ihn an, wie er in den Himmel schaut. Der Mann, der sie viel zu genau kennt, bei dem sie das erste Mal seit Jahren das Gefühl hat, wenn sie jetzt nicht die Deckung hoch nimmt, wird er sie bald vollends kennen, samt dem kleinen, ängstlichen Mädchen tief in ihrer Seele, dass sie seit vielen, vielen Zwölfmonden vor der Welt versteckt.

>"Also, ich weiß, dass dir seit Shyadas kleinem Tobsuchtsanfall heute Abend irgendetwas wirklich zu schaffen macht, aber ich kann dir nicht an der Nasenspitze ablesen, was es ist und ich kann deine Bedenken auch nicht zerstreuen, wenn du mir nicht sagst, was genau dir eigentlich Sorgen macht, aye? Versuch es doch einfach einmal mit ein bisschen Vertrauen und sag's mir."<  Sie seufzt aus tiefsten Herzen, nimmt noch einen großen Schluck Uisge und stellt fest, dass sie allmählich wirklich genug von dem Zeug intus hat. Beim ersten Anlauf klappt ihr Mund noch auf und zu wie bei einem Fisch auf dem Trockenen, doch dann reißt sie sich zusammen und antwortet: "Mir macht Sorgen, dass ich anfange zu lieben, aus tiefsten Herzen zu lieben und zwar deine Kinder! Und dich mag ich auch viel zu gerne, als dass ich einfach auf euch verzichten könnte! Verdammt noch mal, wenn das wieder zerbricht, dann weiß ich nicht, was ich machen soll! Ich ertrage es nicht noch einmal zu verlieren, was ich liebe!", erst laut und aufbrausend, wird ihre Stimme immer leiser, rauer, emotionaler. "Ich weiß, dass das passieren wird, früher oder später! Selbst wenn du nicht in nächster Zeit eine Frau kennen lernst, dass du das jederzeit könntest wissen wir beide, ich kann deine Kinder nicht das lehren, was sie für ihr Leben wissen müssen. Fianryn kann ich nicht beibringen zu sticken, sich richtig auszudrücken und andere Leute zu delegieren, Connavar kann nie und nimmer von mir lernen wie man sich in der Politik zu verhalten hat, ihm kann ich allemal beibringen, wie man mit einem Dolch umgeht. Verdammt Olyvar, ich kann doch noch nicht mal lesen und schreiben!" Ganz langsam, als wäre der eigene Körper überrascht, dass tatsächlich dieser Befehl gegeben wird, steigen ihr Tränen der Verzweiflung in die Augen. "Ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin, in diesem Leben, das mir erst wie ein Paradies erschien und von dem ich jetzt festgestellt habe, dass es das nicht ist! Aber ich kann nicht gehen, weil es mir das Herz brechen würde auf nur einen von euch dreien zu verzichten!" Ganz bedächtig läuft die erste Träne über Dianthas Wange, gefolgt von einer zweiten, doch sie schert sich nicht darum, scheint sie gar nicht zu bemerken. Sieht nur Olyvar an, weil sie ehrlich zu ihm war, ehrlicher als sie in nüchternem Zustand jemals gewesen wäre. Doch der Alkohol senkt das Bedürfnis sich selbst vor dem Rest der Welt zu schützen und hebt den Wunsch sich die eigenen Probleme von der Seele zu reden. All das wird ihr aber erst im Nachhinein klar und so wartet sie plötzlich fröstelnd auf seine Antwort, seine Reaktion die sowohl gut als auch schlecht sein könnte, sie kann es nicht einschätzen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 10. März 2007, 14:19 Uhr
Es kostet Diantha sichtlich Überwindung, doch dann holt sie einmal abgrundtief und vernehmlich Luft, kippt ihren halben Becher Uisge in sich hinein, hickst - sehr niedlich -  ein bisschen und öffnet entschlossen den Mund, um ihm zu antworten, schließt ihn aber gleich darauf unverrichteter Dinge wieder. Noch einmal atmet sie durch, dann strafft sie sich. Sie sieht ihn an und verkündet entschieden empört - und obendrein auch noch so vorwurfsvoll, als halte sie ihn für den Schuldigen in dieser ganzen Sache: >Mir macht Sorgen, dass ich anfange zu lieben, aus tiefsten Herzen zu lieben und zwar deine Kinder! Und dich mag ich auch viel zu gerne, als dass ich einfach auf euch verzichten könnte!< Nun ist es Olyvar, der sie  ziemlich sprachlos geworden anstarrt. Was... wie... DAS ist es? Das? Um ein Haar hätte er entgeistert gefragt, was daran denn nur um Himmels Willen so schlimm sei, aber dann fällt ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass es für Diantha wohl nicht so einfach ist... weder solche Gefühle zu haben, noch sie sich einzugestehen und erst recht nicht, darüber auch noch zu reden. In diesem Augenblick ändert sich ihre ganze Haltung, ihre Miene, selbst der Klang ihrer Stimme. Ihre Stimme ist ohnehin tief, für die einer Frau, und hat immer einen rauchigen Unterton, doch jetzt hört sie sich beinahe rau an, als sie weiterspricht: >Verdammt noch mal, wenn das wieder zerbricht, dann weiß ich nicht, was ich machen soll! Ich ertrage es nicht noch einmal zu verlieren, was ich liebe!< Olyvar will schon den Mund öffnen, um ihr zu antworten, doch Diantha ist noch keineswegs am Ende mit ihrer Selbstgeißelung: >Ich weiß, dass das passieren wird, früher oder später! Selbst wenn du nicht in nächster Zeit eine Frau kennen lernst, dass du das jederzeit könntest wissen wir beide, ich kann deine Kinder nicht das lehren, was sie für ihr Leben wissen müssen. Fianryn kann ich nicht beibringen zu sticken, sich richtig auszudrücken und andere Leute zu delegieren, Connavar kann nie und nimmer von mir lernen wie man sich in der Politik zu verhalten hat, ihm kann ich allemal beibringen, wie man mit einem Dolch umgeht. Verdammt Olyvar, ich kann doch noch nicht mal lesen und schreiben!< Ihre letzten Worte sind beinahe ein Aufschrei, auch wenn sie eigentlich gar nicht laut wird, und einen endlosen Moment lang, weiß Olyvar wirklich nicht, ob er jetzt lachen, sie für solchen Unsinn gehörig durchschütteln oder sie in den Arm nehmen soll, um sie zu trösten wie ein Kind. Er hatte wirklich alles erwartet, sogar befürchtet, dass Diantha vielleicht insgeheim mit dem Gedanken spielen würde, sie zu verlassen, um wieder ihre alte Zugvogelfreiheit zurückzuerlangen, vielleicht weil ihr das Leben hier zu friedlich und alltäglich war, nie und nimmer hat er mit so etwas gerechnet. Doch da steht sie, direkt vor ihm, ringt gequält um ihre Fassung und macht sich Sorgen, dass sie Fianryn nicht das Sticken beibringen kann. Sticken! Das darf nicht wahr sein! Fassungslos schüttelt er den Kopf, kämpft mit seinem Unglauben und erheiterter Erleichterung gleichzeitig, und hat immer noch ein wenig Mühe, ihre Gedanken überhaupt nachzuvollziehen - doch Diantha meint es todernst. >Ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin, in diesem Leben, das mir erst wie ein Paradies erschien und von dem ich jetzt festgestellt habe, dass es das nicht ist! Aber ich kann nicht gehen, weil es mir das Herz brechen würde auf nur einen von euch dreien zu verzichten!< Endet sie kläglich.

"Schsch." Weil es mir das Herz brechen würde, auf nur einen von euch dreien zu verzichten... "Gehen? So ein Unsinn," widerspricht er sanft, aber nachdrücklich und will ihr gerade erklären, dass sie sich völlig grundlos Sorgen macht, doch in diesem Moment sieht sie ihn an. Ihre gesenkten Lider mit den dichten, dunkelblonden Wimpern heben sich, und ihn trifft ein Blick aus meerblauen Augen, schutzlos, offen und glänzend vor Tränen. Das hat ungefähr die Wirkung eines soliden Fausthiebs in den Magen, und Olyvar bricht mitten im Satz ab und schnappt nach Luft. Ah dhia! Himmel, caileag, du kannst doch keinen Mann so ansehen! Sie kann doch, und wie sie kann und sie hat offensichtlich nicht die leiseste Ahnung, was sie damit anrichtet. Sie hat dir gerade ihr Herz ausgeschüttet! Ruft er sich entschieden zur Ordnung. Schon vergessen, also steh hier nicht herum wie eine Steinstatue, mach etwas! Wenn sie selbst überhaupt merkt, dass sie weint, scheint es sie nicht zu kümmern, denn sie steht einfach nur da und sieht ihn an... aber ihn kümmert es. "Ach, Diantha," er streckt die Hand aus, berührt ihr Gesicht und wischt ihr mit dem Daumen behutsam die Tränen von den Wangen. Mehr hatte er eigentlich gar nicht tun wollen, nicht mit dem Gedanken an ihre Schwierigkeiten was körperliche Nähe angeht im Hinterkopf, nur irgendwie ist die Bewegung damit einfach nicht zu Ende - und plötzlich hält er sie im Arm, wiegt sie sacht wie ein Kind und starrt über ihren Kopf hinweg in die Dunkelheit hinter ihr. Er sagt nichts, denn es gibt nichts zu sagen. Für solchen Kummer wie den ihren, reichen ein paar tröstende Worte nicht aus, er kann ihr nur sein Mitgefühl anbieten. Das und sein Verständnis, und wenn sie will auch eine Schulter, an der sie sich ausweinen kann. Irgendwann hält er sie ein Stück von sich weg, um ihr Gesicht sehen zu können. Er will ihr in die Augen sehen und sicher sein, dass sie versteht, was er zu sagen hat. "Du machst dir viel zu viele Gedanken, weißt du das? Hier wird gar nichts zerbrechen, hörst du?" Er schüttelt den Kopf. "Ich bin frisch geschieden und ich habe zwei kleine Kinder, an die ich denken muss. Ich bin wirklich nicht auf Brautschau, und selbst wenn es so wäre, seien wir ehrlich, es ist ja nicht gerade so, dass die Frauen hier Schlange stünden, aye?" Dann kommt ihm ein ganz anderer Gedanke. Was hieß hier überhaupt eine andere Frau? Was wäre denn, wenn sie jemanden kennen lernen würde? Er ist nicht blind, er hatte die Blicke einiger Blaumäntel und Rekruten sehr wohl bemerkt, wenn sie mit den Kleinen oder auch allein in der Steinfaust unterwegs war. Er kann es ihnen nicht verdenken, die Veränderungen an ihr waren ihm ja selbst aufgefallen. Und er kann zwar nicht sagen, dass sie jemals auf einen davon reagiert hätte oder ob sie sich ihrer Wirkung überhaupt bewusst ist, aber Diantha hin oder her, sie ist schließlich eine gesunde junge Frau, irgendwann würde sie es tun. Und dann? Er schiebt den Gedanken so weit fort, wie er nur kann, dennoch flüstert eine beharrliche Stimme in seinen Gedanken: Du kannst nicht von ihr verlangen, wie eine schweigende Schwester zu leben, nur weil... Er presst die Kiefer so fest aufeinander, dass die Muskeln seiner Wangen spielen und seine Zähne knirschen. ...ja, was?

"Conn und Fianryn, sie haben vor einem Zwölfmond ihre Mutter verloren. Dann kamst du und das war ein Segen für die beiden. Sie lieben dich und sie vertrauen dir, du kümmerst dich um sie. Selbst wenn es da irgendwann wieder irgend jemanden geben sollte, glaubst du wirklich, ich würde ihnen einfach so eine fremde Frau vor die Nase setzen? Oder sie dir wegnehmen? Dann kennst du mich aber schlecht. Und was deine Bedenken wegen der Kleinen angeht... sei doch nicht albern!" Die erheiterte Entgeisterung von vorhin ist wieder da und als er fortfährt, klingt er eindeutig belustigt. "Ich würde sagen, delegieren kann Fianryn jetzt schon ohne Schwierigkeiten, findest du nicht? Und ganz ehrlich, ich würde es vorziehen, du bringst ihr bei, wie man mit einem Dolch umgeht, und zwar bevor sie vierzehn wird und ich den ganzen Hof voller junger, gutaussehender Rekruten habe, aye? Nur vielleicht zeigst du ihr dann nicht gerade, wie man Schlösser knackt, das wäre nett. Vor allem nicht, wenn ich den ganzen Hof voller junger, gutaussehender Rekruten habe. Sticken..." jetzt lacht er tatsächlich leise. "Wirklich, Diantha, wenn sie irgendwann der Meinung ist, sie müsse Sticken lernen, dann kann sie damit immer noch zu Morna gehen und es sich zeigen lassen. Und ich bin auch noch da. Äh... nicht, dass ich vom Sticken viel Ahnung hätte, aber du bist doch nicht ganz allein für die Erziehung meiner Kinder verantwortlich. Sie sind gerade zweieinviertel Jahre alt. Ich kann mich ja irren, aber bevor du dir den Kopf darüber zerbrichst, was in zehn Jahren sein wird, sollten sie vielleicht erst einmal lernen, ohne Windeln auszukommen, aye? Und wenn du der Meinung bist, du müsstest selbst noch irgendetwas lernen, um es ihnen beibringen zu können, dann tu es doch einfach - wenn du willst. Ich für meinen Teil habe lieber ein Kindermädchen, das vielleicht ein bisschen... ungewöhnlich ist, aber das meine Kinder aufrichtig liebt, als eines, das perfekt Wolle spinnen kann, aber ansonsten nur aus Pflichtgefühl besteht." Einen Moment lang schweigt er und sieht sie an, dann wischt er ihr einen Rest glitzernder Feuchtigkeit von der Nasenspitze. "Tja, conasg, ob du's willst oder nicht, ich schätze du gehörst längst zur Familie."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 11. März 2007, 00:12 Uhr
Es ist einer der Momente, in denen nichts zählt außer die Worte des Gegenübers. Diantha beachtet die Tränen nicht, die natürlich  dann kommen, wenn man sie gar nicht gebrauchen kann. Andererseits – wann kann man Tränen schon überhaupt einmal gebrauchen? Eigentlich nie und so machen sie wenigstens klar, wie wichtig ihr das ist, was sie angesprochen hat, dass man diese Themen nicht einfach mit  einem der lustigen Sprüche überspielen kann, wie sie Olyvar so leicht und oft auf der Zunge hat. Das scheint ihm auch klar zu sein, denn seine Stimme trägt keine Spur von Spott in sich, sondern Nachdruck, als er sagt: > "Schsch… Gehen? So ein Unsinn,"<, dann bricht er ab und schnappt nach Luft. Der Immerfrosterin ist nicht wirklich klar warum, vielleicht ist ihm klar geworden, dass es ihr wirklich ernst ist und es so einfach keinen Ausweg aus dem Schlamassel gibt, in dem sie steckt. Einen anderen sinnvollen Grund kann sich Diantha nicht vorstellen, dass ihre Tränen ihn so besonders überraschen, kann ja wohl nicht sein. Sie ist auch nur ein Mensch und ja, sie hat Gefühle, auch wenn sie das lange nicht hat zugeben wollen.
>"Ach, Diantha,"<, seufzt er dann und sie hat erst Sorgen, dass er ihr jetzt eine Standpauke halten will, obwohl man schon an seinem Tonfall merkt, dass das eigentlich nicht der Fall sein kann. Dennoch kann sie sich noch nicht so ganz vorstellen, dass ihn ihre Probleme besonders interessieren könnten. Schließlich hat sie in der Vergangenheit selten jemand getroffen, der sie um ihretwillen mochte und nicht nur für die eigenen Zwecke ausnützen wollte. Und wenn es doch einmal der Fall war, dann ist sie normalerweise weggelaufen, aus Angst vor den Erwartungen, die man dafür in sie setzen könnte, aus Angst später für jede kleine Zuwendung bezahlen zu müssen. Deshalb ist die Option zu gehen, weil sie anfängt zu lieben, für sie nicht halb so ein Unsinn wie für  Olyvar.

Doch es folgt keine Standpauke, kein flotter Spruch, nur eine Berührung, die viel mehr aussagt als alles andere das könnte. Denn letzten Endes sind Worte doch nur Schall und Rauch, die jeder verstehen kann, wie er selbst das für richtig hält, aber eine Hand, die behutsam Tränen wegwischt fällt es schwer zu missverstehen. Ehe sie sich versieht liegt sie das erste Mal seit mehr als einer Handvoll Zwölfmonde wieder in den Armen eines Mannes, doch dieses Mal ohne das unschöne Wissen im Hinterkopf, dass sie sich in Acht nehmen muss, damit der Andere sie auf keinen Fall richtig kennen lernt. Denn das tut Olyvar sowieso schon. Für einen Moment hat Diantha den Eindruck, dass das nie und nimmer sie sein kann, die der Lord Commander da umarmt, schließlich steht sie gesellschaftlich unendlich weit unter ihm. Daran, wie er die Leute, die ihm unterstehen behandelt, hätte ihr schon eher klar werden können, dass ihm so etwas eher weniger bedeutet, allerdings ist das eine Arbeit und das andere das Privatleben. Dennoch – er hat mich nie angesehen oder behandelt wie jemand, der seine Achtung nicht verdient. Aber das sein Respekt mir gegenüber so weit geht…
Als dann die Wärme, die er ausstrahlt allmählich das Frösteln aus ihrem Körper vertreibt und seine Anteilnahme, sowie sein Verständnis die Kälte, die sich um ihr Herz gelegt hatte, schmelzen lassen, wird ihr klar, wie sehr sie sich so eine Berührung gewünscht hat. Und das obwohl sie andererseits wie verrückt zu verhindern versuchte, dass jemandem so eine Idee kommen könnte. Das war töricht, gewiss, doch andererseits ist es auch nur menschlich sich seine eigenen Wünsche nicht eingestehen zu wollen, wenn sie nicht zu dem passen, was man sich vorgenommen hat.

Im Nachhinein kann Diantha nicht sagen, wie lange sie da so gestanden haben, ohne etwas zu sagen. Doch irgendwann bringt Olyvar wieder gerade so viel Distanz zwischen sie, dass er ihr in die Augen sehen kann und er fängt an zu sprechen: >"Du machst dir viel zu viele Gedanken, weißt du das? Hier wird gar nichts zerbrechen, hörst du?"< Diese Worte, so vollkommen sicher, dieses Kopfschütteln, absolut überzeugt, sodass jeder Zweifel daran schwer fällt, dass er nicht selber an das glauben könnte, was er da sagt. >"Ich bin frisch geschieden und ich habe zwei kleine Kinder, an die ich denken muss. Ich bin wirklich nicht auf Brautschau, und selbst wenn es so wäre, seien wir ehrlich, es ist ja nicht gerade so, dass die Frauen hier Schlange stünden, aye?"<
Über diese Worte muss sie doch ein wenig lächeln. Wenn du wüsstest, wie sehr sich einige Frauen darüber freuen, dass Kizumu weg ist und auch weg zu bleiben scheint… Dennoch beruhigt es sie irgendwie, als er so vehement sagt, dass er zur Zeit nicht auf der Suche nach einer neuen Lebensgefährtin ist. Das heißt zumindest in naher Zukunft ist keine Frau in Sicht, mit der Diantha Olyvar zuliebe zurechtkommen muss.

Sie kann nicht erahnen, was ihm auf einmal für Gedanken durch den Kopf gehen, doch sie meint ein Zähneknirschen zu vernehmen. Was ist…?, fragt sie sich kurz, doch dann fährt er fort zu reden: >"Conn und Fianryn, sie haben vor einem Zwölfmond ihre Mutter verloren. Dann kamst du und das war ein Segen für die beiden. Sie lieben dich und sie vertrauen dir, du kümmerst dich um sie. Selbst wenn es da irgendwann wieder irgend jemanden geben sollte, glaubst du wirklich, ich würde ihnen einfach so eine fremde Frau vor die Nase setzen? Oder sie dir wegnehmen? Dann kennst du mich aber schlecht. Und was deine Bedenken wegen der Kleinen angeht... sei doch nicht albern!" <
Diantha findet ihre Befürchtungen zwar absolut nicht albern, dennoch lässt sie ihn ohne Unterbrechung fortfahren und vernimmt verwundert Belustigung in seiner Stimme: >"Ich würde sagen, delegieren kann Fianryn jetzt schon ohne Schwierigkeiten, findest du nicht? Und ganz ehrlich, ich würde es vorziehen, du bringst ihr bei, wie man mit einem Dolch umgeht, und zwar bevor sie vierzehn wird und ich den ganzen Hof voller junger, gutaussehender Rekruten habe, aye? Nur vielleicht zeigst du ihr dann nicht gerade, wie man Schlösser knackt, das wäre nett. Vor allem nicht, wenn ich den ganzen Hof voller junger, gutaussehender Rekruten habe. Sticken..."<, meint er dann mit einem Lachen, dass Diantha gut verstehen kann, Sticken was gewiss nicht das beste Beispiel doch das erste, was ihr in dem Moment in den Kopf kam: >"Wirklich, Diantha, wenn sie irgendwann der Meinung ist, sie müsse Sticken lernen, dann kann sie damit immer noch zu Morna gehen und es sich zeigen lassen. Und ich bin auch noch da. Äh... nicht, dass ich vom Sticken viel Ahnung hätte, aber du bist  doch nicht ganz allein für die Erziehung meiner Kinder verantwortlich."< Bei der Vorstellung, dass Olyvar mit einer Nadel versuchen könnte filigrane Muster auf einen feinen Stoff zu setzen, muss auch Diantha lachen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der oberste Offizier der Steinfaust versuchen könnte dieses Handwerk zu erlernen scheint sogar noch geringer als die, dass Diantha dasselbe tun könnte.

>„Sie sind gerade zweieinviertel Jahre alt. Ich kann mich ja irren, aber bevor du dir den Kopf darüber zerbrichst, was in zehn Jahren sein wird, sollten sie vielleicht erst einmal lernen, ohne Windeln auszukommen, aye? Und wenn du der Meinung bist, du müsstest selbst noch irgendetwas lernen, um es ihnen beibringen zu können, dann tu es doch einfach - wenn du willst. Ich für meinen Teil habe lieber ein Kindermädchen, das vielleicht ein bisschen... ungewöhnlich ist, aber das meine Kinder aufrichtig liebt, als eines, das perfekt Wolle spinnen kann, aber ansonsten nur aus Pflichtgefühl besteht."< Diese Worte lassen nun sämtliche von Dianthas Ängsten verfliegen und sie lächelt ihn dankbar an. Etwas, was sie noch vor einem Zwölfmond niemals getan hätte: Sich eingestehen, dass sie dankbar ist und es dann auch noch auszudrücken – ein Ding der Unmöglichkeit!
Allerdings weiß sie auch, dass diese Veränderung ihr gut getan hat, dass sie sich nun wirklich besser fühlt als damals und dass es an der Zeit für sie war sich fortzuentwickeln. Im Nachhinein ist sie unendlich dankbar dafür, dass sie damals der silberhaarigen Elbin einfach gefolgt war, denn hätte sie es nicht getan, dann wäre sie nicht hier. Doch noch froher ist sie darüber, dass sie die von Olyvar angebotene Chance ergriffen hatte und sich nicht von ihrem albernen Stolz daran hat hindern lassen.

Das nachdenkliche Schweigen, in das sie beide versunken waren, endet erst, als Olyvar ihr noch einmal über das Gesicht fährt, mit der Hand, die einerseits so erbarmungslos die todbringende Klinge führen kann, aber andererseits auch wie jetzt ganz sanft eine Träne wegwischen kann, und er dann feststellt: >"Tja, conasg, ob du's willst oder nicht, ich schätze du gehörst längst zur Familie."<
„Ich will doch“, stellt Diantha daraufhin freundlich klar.. „Aber es fällt mir nicht immer leicht.“ Irgendwie möchte sie auf seine Berührung reagieren, auf die Umarmung, die so viele ihrer Beklemmungen gelöst hat, doch sie weiß nicht so recht wie. Zögerlich hebt sie die Hand, will sie Olyvar zunächst nur auf die Schulter legen, entscheidet sich dann aber um und fährt ihm ganz sacht über die Wange, mit ihrer Hand, die normalerweise nie zittert, es jetzt aber doch ganz leicht tut und zwar ganz sicher nicht, weil ihr kalt ist. „Danke für alles“ flüstert sie mit einem Blick, der vor Dankbarkeit und aufrichtiger Zuneigung nur so getränkt ist. Sie hat keine Ahnung ob diese Geste nun zu intim ist oder nicht, sie tut es einfach ohne weiter darüber nachzudenken, nur das Zittern der Hand drückt ihre Unsicherheit aus.

Schließlich lässt sie die Hand sinken, schweigt einen Moment und sieht ihn nur an, dann fragt sie mit einer neu gewonnen Ruhe und Ausgeglichenheit: „Hast du nicht eben etwas von Shyada erwähnt? Dass du über sie reden wolltest oder etwas in der Art?“ Nach dem, was ihr an diesem Abend klargemacht wurde, kommt es ihr nicht mehr ansatzweise in den Sinn ihn wieder mit dem förmlichen „Ihr“ anzusprechen, hat er doch selbst gesagt, dass sie Teil seiner Familie geworden ist.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 11. März 2007, 17:38 Uhr
Diantha lässt sich von ihm halten und beruhigen, sie versucht nicht einmal, ihn fortzustoßen oder sich aus seinem Arm zu befreien. Sie hört ihm zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen... und einmal lacht sie sogar, vermutlich bei der Vorstellung von ihm mit einer Stickerei in der Hand, etwas, das er selbst ziemlich erheiternd findet. Ihr Lachen ist wie ihre Stimme, warm und dunkel und ein wenig rau. Es verändert ihr ganzes Gesicht, die Erheiterung tanzt selbst durch ihre Augen und lässt sie glitzernd lebendig werden. Sie lächelt immer noch, als er endet. Zuerst war ihre Miene noch wachsam gewesen, doch mit jedem seiner Worte hatten sich merkliche Wandlungen in ihrem Gesicht vollzogen, von leichtem Unglauben über Erstaunen bis hin zu Erleichterung und Zuversicht. Sie glaubt ihm, doch bis er die Gewissheit in ihren Augen aufschimmern sehen kann, war ihm selbst nicht wirklich bewusst, wie wichtig ihm das ist. Als er ihr Gesicht noch einmal berührt, um die letzten Tränenspuren fortzuwischen, und ihr sagt, dass sie zur Familie gehöre, ob sie nun wolle oder nicht, wird sie ganz still und sieht ihn an. >Ich will doch. Aber es fällt mir nicht immer leicht.< Dann hebt sie eine Hand, langsam diesmal, fast zaudernd, und Olyvar erwartet halb ein kameradschaftliches Schulterklopfen oder vielleicht auch einen freundschaftlichen Rippenstoß, doch zu seiner Überraschung berührt sie seine Wange. Zuerst tasten nur ihre Fingerspitzen über seine Haut, dicht unter seiner Schläfe, folgen seinem Wangenknochen, federleicht und zitternd, als wäre ihr kalt, obwohl ihre Haut warm ist, dann legt sie ihre ganze Hand an sein Gesicht. Ihre Geste ist seltsam unschuldig und innig zugleich, ihre Haut weich, der Druck ihrer Finger sehr sanft. Sie beben immer noch, als sei sie sich ihres Tuns keineswegs sicher. Olyvar merkt erst, dass er die Luft anhält, als seine Lungen protestieren, und atmet dann langsam und hörbar aus. Wenn dir das heute noch öfter passiert, wirst du irgendwann ersticken, meldet sich eine spöttische Stimme in seinen Gedanken zu Wort, doch er ignoriert sie. Diesmal ist er es, der die Deckung vernachlässigt und ihr schutzlos gegenübersteht, und für einen kleinen Moment, einen winzigen Augenblick nur, gestattet er es sich, sein Gesicht ganz leicht in ihre Handfläche zu schmiegen.

>Danke für alles.< Ihre Augen suchen seine und ihr Blick, der vorhin noch tränenverschleiert und verzagt sein Inneres angerührt hatte, ist jetzt ruhig, sehr weich und voll von warmer Verbundenheit. Die Wirkung auf ihn ist allerdings genau die gleiche, er hat schon wieder Mühe zu atmen. "Keine Ursache." Ihre Augen sind wirklich unglaublich. Sie nimmt ihre Hand fort und seine Haut fühlt sich plötzlich kalt an in der frostigen Nachtluft. Eine paar Herzschläge lang stehen sie sich nur gegenüber und sehen sich an, dann löst ihre Stimme die seltsame Spannung und macht die Welt wieder groß und weit. >Hast du nicht eben etwas von Shyada erwähnt? Dass du über sie reden wolltest oder etwas in der Art?<
"Ja." Er leert endgültig die Karaffe und der letzte Schluck Uisge entfacht ein kleines, wärmendes Feuer in seinem Magen. "Ich habe ihr, das heißt eigentlich Lomie, versprochen, ihr zu helfen, damals auf der "Planke", nachdem wir sie befreit hatten und auf dem Rückweg nach Talyra waren. Ich habe ihr mein Wort gegeben und ich will es halten." Er atmet tief durch. "Ich will sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, nicht in diesem Zustand, nicht, wenn sie alle naslang vergisst, wer sie ist. Sie hat keinen anderen Ort, an den sie gehen könnte und es gibt niemanden sonst, der sich um sie kümmern würde. Nur... ich lebe nicht allein hier. Da sind auch noch Mattis und die Kinder... und du natürlich. Du hast heute erlebt, wie sie sein kann, ich fürchte bloß, das war noch vergleichsweise harmlos. Maester Ballabar hat mich gewarnt, dass es hart werden würde, für sie und für alle, die mit ihr zu tun haben, aber ich weiß nicht, was uns mit ihr noch erwarten mag... oder wie lange es dauern wird. Shya gibt sich gern als gefühllose Amazone, aber vor allem ist es ihr... ihr Schutz, wenn du so willst. Abgesehen davon flucht sie natürlich wie ein Fischweib und knurrt jeden an, der auch nur in ihre Richtung sieht... mit anderen Worten, sie wird unerträglich werden. Versteh mich nicht falsch, ich bin nicht bereit, ihr alles durchgehen zu lassen und ihr solltet das auch nicht tun... wenn Shyada wie eine Amazone austeilen kann, dann wird sie auch wie eine einstecken müssen. Aber wenn du "Nein" sagst oder nicht bereit bist, dir das vielleicht noch Wochen lang anzutun, dann würde ich es verstehen."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 11. März 2007, 23:55 Uhr
Für einen kurzen Moment, zerbrechlich wie dünnes Glas, lässt Olyvar seine unergründliche Maske fallen. Jetzt ist er weder Lord Commander der Steinfaus, noch Mitglied des Stadtrates oder Dianthas Arbeitgeber. Alles was er in diesem Moment ist, ist Olyvar, ein Mensch wie alle anderen, mit Sorgen und Hoffnungen, Stärken und Schwächen. Sanft erwidert er ihre Berührung und Diantha hat das Gefühl, etwas ganz Besonderes mit ihm zu teilen, etwas was sie noch nicht erlebt hat, nämlich einen Moment kostbarer als jeder Besitz. Hier ist nichts berechnendes, keiner von beiden versucht sich hinter inneren Mauern zu verstecken, keiner versucht nur den schönen Teil seiner Persönlichkeit zu zeigen. Die gewechselten Blicke sind schlichtweg ehrlich und offen.
Ein unendlich schöner Moment, doch ist all das Unbekannte und Neue der Immerfrosterin irgendwann einfach zu viel. In kurzer Zeit hat sie so eine Menge über ihre tiefsten Wünsche und die Beziehung zu Olyvar festgestellt, dass es ihr für diesen Abend langt. Außerdem scheint nach seinem >"Keine Ursache."< als Erwiderung auf ihren ausgedrückten Dank noch etwas anderes in der Luft zu liegen, was sie nicht definieren kann. Etwas wie ein Knistern, eine ihr unbekannte Spannung, als wäre da mehr, als sie sich einzugestehen scheinen und das ist etwas, was Diantha nicht einordnen kann, wovon sie nicht weiß, wie sie damit umgehen soll. So ist sie über seine Antwort auf den Themenwechsel froh, die wie fast immer, wenn er spricht ausführlich ist und keine Frage offen lässt: >"Ich habe ihr, das heißt eigentlich Lomie, versprochen, ihr zu helfen, damals auf der "Planke", nachdem wir sie befreit hatten und auf dem Rückweg nach Talyra waren. Ich habe ihr mein Wort gegeben und ich will es halten. Ich will sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, nicht in diesem Zustand, nicht, wenn sie alle naslang vergisst, wer sie ist. Sie hat keinen anderen Ort, an den sie gehen könnte und es gibt niemanden sonst, der sich um sie kümmern würde.“< Bei diesen Worten muss Diantha lächeln. Ja, er ist wirklich ein guter Kerl, dieser Teil seines Charakters war es schließlich auch, den ihn dazu bewegt hat, ihr hier eine Anstellung zu geben. >„Nur... ich lebe nicht allein hier. Da sind auch noch Mattis und die Kinder... und du natürlich.“< Verwundert nimmt sie wahr, wie er anfängt ein wenig zu – stottern ist das falsche Wort, ungewohnte Pausen zu machen. Eigentlich redet er immer so unbeirrt und sicher, dass solche Unterbrechungen dann schon einmal auffallen. Was geht dir durch den Kopf Olyvar? Manchmal wünschte ich, dass ich deine Gedanken lesen könnte… >„Du hast heute erlebt, wie sie sein kann, ich fürchte bloß, das war noch vergleichsweise harmlos. Maester Ballabar hat mich gewarnt, dass es hart werden würde, für sie und für alle, die mit ihr zu tun haben, aber ich weiß nicht, was uns mit ihr noch erwarten mag... oder wie lange es dauern wird.“<Das erschüttert sie nun doch ein wenig. Diese Showeinlage war harmlos? Na, dann konnten tatsächlich nervtötende Zeiten vor ihnen liegen, mit einer Frau, die nicht nur zetern und fluchen kann, als hätte sie noch nie etwas anderes getan, sondern auch gerne mit jeder Form von spitzen und scharfen Gegenständen herumschmeißt. >„Shya gibt sich gern als gefühllose Amazone, aber vor allem ist es ihr... ihr Schutz, wenn du so willst. Abgesehen davon flucht sie natürlich wie ein Fischweib und knurrt jeden an, der auch nur in ihre Richtung sieht... mit anderen Worten, sie wird unerträglich werden. Versteh mich nicht falsch, ich bin nicht bereit, ihr alles durchgehen zu lassen und ihr solltet das auch nicht tun... wenn Shyada wie eine Amazone austeilen kann, dann wird sie auch wie eine einstecken müssen. Aber wenn du "Nein" sagst oder nicht bereit bist, dir das vielleicht noch Wochen lang anzutun, dann würde ich es verstehen."
Ein wenig Erstaunen mischt sich in ihren Blick, als sie Olyvar ansieht. Dass er ihr die Entscheidung überlässt, ob Shyada bleiben darf oder nicht hätte sie jetzt nicht erwartet. Als was siehst du mich? Was für eine Stellung habe ich in deinen Augen, dass du meine Meinung so sehr schätzt? Teil deiner Familie? Was für ein Teil? „Glaubst du ich bin die Richtige um mich über kratzbürstiges Verhalten zu beschweren? Ich weiß wie es ist, wenn man glaub nur überleben zu können, indem man alle anderen von sich wegstößt, immer nur austeilt und hofft dadurch möglichst wenig einstecken zu müssen. Wenn die Welt wie ein riesiger, überlegener Gegner aussieht und man versucht mit einem Schwert in der Größe eines Zahnstochers gegen ihn anzukämpfen und dabei keinen Blick dafür hat, ob die einzelnen Menschen einem etwas Gutes wollen oder nicht.“ Ein dunkler Schatten zieht über ihre Augen, als sie von dieser Lebenseinstellung spricht und ihr Mund wird für einen Moment wieder härter. Zu lange hatte sie selbst so gelebt, dies als die einzige richtige Art über die Runden gekommen betrachtet und sich damit letzten Endes nur selbst verletzt. Vielleicht ist Shyada mit ihrem Leben glücklicher als Diantha es war, einige Leute auf der Straße schienen es zu lieben so zu leben, doch da ist sich die Immerfrosterin nicht sicher. „Ich habe nur zwei Bedenken bei der Sache: Zunächst sind da die Kinder, wichtiger als alles andere. Haben sie vor Shyada etwas zu befürchten? Dass Liomie ihnen nichts tut, weiß ich mit Sicherheit, doch nach diesem Auftritt in der Küche bin ich mir da bei Shyada nicht mehr sicher. Und bevor sie Fianryn und Connavar ein Härchen krümmt, nagele ich sie so fest an die Wand, dass sie sich keinen Sekhel mehr fortbewegen kann!“ Diantha ist über die Härte und die Blutrünstigkeit ihrer eigenen Worte fast ein wenig erstaunt, doch mit den ängstlichen Blicken der Kinder vor ihrem inneren Auge kann sie einfach nicht freundlicher ausdrücken, was sie zu sagen hat. Sie hofft, dass Olyvar das versteht.
Wieder etwas ruhiger fährt sie dann fort: „Das Zweite ist die Frage, was wir machen, wenn sie versucht zu verschwinden. Ich kann mich darum nicht kümmern, zwei lebhafte Zweijährige und noch dazu eine durchdrehende Amazone, das ist dann doch zu viel, ich kann die Kinder ja nicht einfach alleine lassen und ihr nachlaufen. Aber ich wette, dafür hast du schon einen perfekten Plan“, bei den letzten Worten zwinkert sie und versucht unbewusst die etwas angespannte Stimmung wieder zu lockern.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 12. März 2007, 12:18 Uhr
Als er endet, ist die Verwunderung in Dianthas Blick nicht zu übersehen. Olyvar kann ihr zwar ihr ihre Gedanken nicht an der Nasenspitze ablesen, doch er kann immerhin soviel erraten, dass er ahnt, in welche Richtung sie sich bewegen. Aber was für Diantha noch neu und ungewohnt sein mag, steht für ihn schon lange fest. Irgendwie war sie im Lauf der letzten Monde ein Teil seiner Familie geworden, sie war einfach dazugewachsen, ohne, dass es ihm je bewusst aufgefallen wäre. Oh, er hatte es bemerkt, natürlich, schon an der Art, wie die Kinder an ihr hingen, aber als er erkannt hatte, dass diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht, hatte er es irgendwann einfach akzeptiert. Bereitwillig akzeptiert. Sogar bereitwilliger, als es eigentlich seine Art war. Das hatte ihn eine Zeit lang selbst ziemlich stutzig gemacht, aber nach einer Weile hatte er es aufgegeben, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, es war einfach so. Vielleicht lag es daran, dass sie schon bei Shyadas Rettung an seiner Seite gewesen war, argwöhnisch und unfreundlich vielleicht, aber ebenso verlässlich. Vielleicht hatte die Tatsache, dass es außer ihnen niemanden sonst in ihrem Leben gab, ebenso eine Rolle gespielt, wie die, dass seine Kinder ohne Mutter gewesen waren. Vielleicht lag es daran, dass sie hier bei ihnen lebt, vielleicht auch schlicht und einfach nur an ihrer außergewöhnlich tiefen Zuneigung für seine Kinder. Es gibt keinen Namen, für das was sie ist, nicht wirklich, weder was ihn, noch was seine Kinder angeht. Vertraute? Durchaus. Kameradin? Auf jeden Fall. Angestellte? Auch. Außerdem noch Spielgefährtin, Erzieherin, Hüterin, Trösterin, Heilerin und Beschützerin. Und die Frau mit den himmelblauen Augen. Sein Blick fällt auf die Uisgekaraffe, die längst leer ist und sich auch nicht wundersamer Weise wieder füllt, da kann er das bauchige Glas noch so bedauernd anstarren. Er hatte so schnell getrunken, dass der Alkohol bisher noch gar keine Zeit gehabt hatte, ihm zu Kopf zu steigen, jetzt holt der Uisge das langsam nach. Oh, er ist nicht wirklich schlimm betrunken, er kann stehen und er weiß auch, wovon er redet, aber nüchtern ist er definitiv nicht mehr. Saufkumpanin ist sie auch noch. Genaugenommen, wird ihm klar, weiß er eigentlich nur, was Diantha ganz sicher nicht ist. Eine einfache Kindermagd? Lächerlich. Natürlich kümmert sie sich um Conn und Fianryn, deswegen hatte er sie ja eingestellt, aber sie ist dennoch mehr. Sie war von Anfang an mehr. Feorna war eine gute Magd gewesen, sie hatte die Zwillinge gern gemocht und sie bestens versorgt. Aber sie war eben nur eine Kindermagd. Sie war nach dem Morgenmahl im Westflügel erschienen und vor dem Abendmahl wieder nach Hause zu ihrer eigenen Familie gegangen. Solche Nähe wie zu Diantha hatte zwischen ihr und den Kindern gar nicht entstehen können.

Abgesehen davon war Kizumu damals noch bei uns. Er schüttelt den Kopf, um den ungebetenen Gedanken zu vertreiben. Mag es Diantha erstaunen, für ihn ist es nur recht und billig, dass er sie wenigstens nach ihrer Meinung fragt, wenn er ihr schon eine übergeschnappte Amazone vor die Nase setzt. >Glaubst du ich bin die Richtige, um mich über kratzbürstiges Verhalten zu beschweren?< Dianthas Antwort lässt ihn leise lächeln. "Aye, nun, das vielleicht nicht gerade, conasg." >Ich weiß wie es ist, wenn man glaubt nur überleben zu können, indem man alle anderen von sich wegstößt, immer nur austeilt und hofft dadurch möglichst wenig einstecken zu müssen. Wenn die Welt wie ein riesiger, überlegener Gegner aussieht und man versucht mit einem Schwert in der Größe eines Zahnstochers gegen ihn anzukämpfen, und dabei keinen Blick dafür hat, ob die einzelnen Menschen einem etwas Gutes wollen oder nicht.<
Vor seinem inneren Auge erscheint eine jüngere Diantha, ein mageres, verwahrlostes Mädchen, blass und halb verhungert, das gerade seine ganze Familie verloren hat. Sie hatte nur einmal davon gesprochen, damals, als sie ihn nach einer ernsthaften Arbeit gefragt hatte, aber er hat es nicht vergessen. >Es tut mir leid, Ihr ... Ich ... meine Familie ... Ich war nicht immer so wie jetzt. Die Straße wurde erst mein Zuhause als Sithech meine Familie und fast das ganze Dorf zu sich geholt hat.< Das dürre Mädchen in seinen Gedanken braucht Hilfe, irgendwo, irgend jemanden, einfach nur einen ruhigen Ort, wohin es gehen und seine Wunden lecken kann. Und in seiner Verzweiflung ergreift es vielleicht arglos die erste Hand, die sich ihm bietet. Es vertraut der ersten Stimme, die es hört, nachdem alle anderen bekannten Stimmen verstummt sind. Aber diese Stimme, wem immer sie auch gehört, sagt nicht: Komm, ich bringe dich zu einem Tempel, dort kümmert man sich um dich. Sie sagt auch nicht: Komm, ich weiß eine Familie, wo du vielleicht bleiben kannst. Sie sagt nicht: Komm, ich habe selbst nicht viel, aber für eine Schale Suppe wird es reichen, und sie sagt auch nicht: Geh hier oder dort hin, vielleicht sucht da jemand eine Magd oder eine Wäscherin, dann hättest du ein Auskommen. Stattdessen brüllt die Stimme: Verschwinde! oder Mach, dass du fort kommst! Vielleicht schmeichelt sie auch: Die Straße ist gar nicht so schlecht, komm nur, Kind. Ich weiß, wie man schnell an Silber kommt, aber du musst geschickt und furchtlos sein. Wenn du es gut anfängst, wirst du bald zu uns gehören. Du bist frei hier bei uns. Oder ist es ein Flüstern? Ich weiß ein Hurenhaus, wo du die Beine breit machen kannst. Du hast Hunger? Willst nur ein Stück Brot? Dann tu es gleich hier, stell dich nicht so an. Oder aber die Stimme sagt gar nichts und nimmt sich einfach, wonach immer ihr gerade der Sinn steht... von einem verlassenen Kind, das niemanden hat und das niemand vermisst.

Er weiß nicht, ob es sich so oder ähnlich abgespielt hat, aber er kann es sich vorstellen. Vielleicht war es auch ganz anders, aber was auch immer Diantha in den vergangenen Jahren ihres Daseins als Diebin auf der Straße erlebt hatte, es hat seine Spuren hinterlassen. Sie jedoch war so geworden, aus Not und Zwang, einfach, um zu überleben. Shyada dagegen will so sein. Will sie das? Das glaubst du doch selbst nicht. Er weiß es nicht. Sie hatte es oft genug betont, er hatte es immer bezweifelt. "Shyada wurde als Amazone geboren, Diantha, und auch zu einer erzogen. Für sie ist ihre Art... das Maß aller Dinge. Ich weiß nicht allzu viel über die Kriegerfrauen des Dunkelwaldes, aber nach allem, was ich gehört und gelesen habe, halten sie jede Emotion für Schwäche. Von klein auf wird ihnen eingetrichtert, dass Gefühle schlecht, Männer nichtswürdige Ungeheuer und Ehefrauen versklavte Huren sind. Du hattest irgendwann eine Familie, du wurdest geliebt und du weißt, wie es ist, etwas zu empfinden. Erinnerst du dich? Du hast einmal gesagt, du wüsstest, dass du meistens nicht allzu freundlich wärst, aber du wärst ein Mensch, du müsstest wieder lernen, dich wie einer zu verhalten. Shyada hat das nie gelernt. Ich glaube, als sie vor ein paar Jahren nach Talyra kam und dann als Späherin in meine Dienste trat, hat sie zum ersten Mal gesehen, dass es auch noch ein anderes Leben gibt. Sie hat erkannt, dass die Menschen hier, jedenfalls die meisten, mit samt ihren Gefühlen ganz zufrieden sind und dass die Wirklichkeit nicht ihren Amazonenvorstellungen entspricht, aber sie wollte und will es einfach nicht wahr haben. Es lässt ihr allerdings auch keine Ruhe, und das sitzt ihr wie ein Stachel im Fleisch. Sie sagt sich und allen, die es hören wollen, ständig, dass sie niemanden braucht, und so verhält sie sich auch, aber in Wahrheit ist sie einsam. Sie sieht, was andere haben und was nur natürlich ist, wir sind nun einmal Menschen. Wenn die Götter gewollt hätten, dass wir alle mürrische Einzelgänger werden, hätten sie Dachse aus uns gemacht. Aber andererseits kann sie das natürlich auf keinen Fall zulassen und zugeben schon dreimal nicht, denn dann wäre sie nicht mehr die überlegene Amazone und ihr ganzes Leben wäre eine Lüge." Er wirft einen spekulativen Blick in Dianthas Becher, doch der ist auch leer. Bei den Erinnerungen und dem ganzen Gerede über ihr früheres Leben hatten sich die Augen der jungen Frau neben ihm wieder verdüstert, bis sie fast so dunkel wie der Nachthimmel geworden waren und Olyvar kann es ihr nicht verdenken. Umso überraschter ist er, als sie von "nur" zwei Bedenken spricht... was ihn nicht überrascht, ist, dass sie zuerst an die Kinder denkt. Die Art, wie sie es tut, schon.

> Zunächst sind da die Kinder, wichtiger als alles andere. Haben sie vor Shyada etwas zu befürchten? Dass Liomie ihnen nichts tut, weiß ich mit Sicherheit, doch nach diesem Auftritt in der Küche bin ich mir da bei Shyada nicht mehr sicher. Und bevor sie Fianryn und Connavar ein Härchen krümmt, nagele ich sie so fest an die Wand, dass sie sich keinen Sekhel mehr fortbewegen kann!< Diese Heftigkeit erstaunt nicht nur ihn, sondern anscheinend auch Diantha selbst, trotzdem nimmt sie keines ihrer Worte zurück. Sie meint was sie sagt und er glaubt ihr. Der Gedanke, dass die gefährlichsten Gegner von allen  Mütter sind, die ihre Kinder beschützen, geistert durch seinen Kopf und es spielt dabei überhaupt keine Rolle, dass Diantha die Zwillinge nicht geboren  hat.  Er hat einmal gesehen, wie eine kleine Waldkatze, die ihre Jungen verteidigte, einen ausgewachsenen Branbären angegriffen und ihn einen Baum hinaufgejagt hatte... oh ja, er glaubt ihr jedes Wort. "Nein," er schüttelt entschlossen den Kopf. "Shya mag vieles sein, aber sie würde sich nie an Kindern vergreifen. Sie geht allgemein keine Schwächeren an, zumindest nicht mit körperlicher Gewalt. Nein, Conn und Fianryn wird nichts geschehen. Wenn ich auch nur den leisesten Zweifel hätte, was die Zwillinge angeht, hätte ich sie nicht hergebracht." Er ist sich wirklich sicher, in dieser Sache schon. Aber die Tatsache, dass Shya den Kleinen nichts tun würde, heißt noch lange nicht, dass sie nicht versuchen würde, Diantha bis aufs Blut zu reizen. Er glaubt es zwar nicht, aber möglich wäre es... und damit ist er wieder bei der Souveränität angelangt. Einerseits kann und will er von Diantha keinen übertriebenen Langmut mit Shyadas Gehässigkeit erwarten. Wer wie eine Amazone austeilt, der muss auch wie eine einstecken, schon vergessen? Erinnert er sich. Die Immerfrosterin weiß zweifellos, wie man sich prügelt, das ist wohl mit das erste, das man auf der Straße lernt. Außerdem ist sie schnell, groß und kräftig, und nicht auf den Mund gefallen. Sie kann sich wehren, auch gegen Shyada. Andererseits ist die Amazone kein Gegner, den man unterschätzen darf. Ifrinn! Das hätte mir gerade noch gefehlt, dass die beiden sich wegen irgendetwas an die Gurgel gehen... Er weiß genau, wer dann der arme, hirnverbrannte Vollidiot sein wird, der sich zwischen sie stellen, und wahrscheinlich prompt die Wut von beiden abbekommen würde.

Nichts ahnend von seinen Gedanken, spricht Diantha weiter, diesmal nüchterner. >Das Zweite ist die Frage, was wir machen, wenn sie versucht zu verschwinden. Ich kann mich darum nicht kümmern, zwei lebhafte Zweijährige und noch dazu eine durchdrehende Amazone, das ist dann doch zu viel, ich kann die Kinder ja nicht einfach alleine lassen und ihr nachlaufen. Aber ich wette, dafür hast du schon einen perfekten Plan.< Sie versucht sich sogar in einem verschwörerischen Blinzeln, das ihn zum Lächeln bringt. "Natürlich kannst du das nicht, das hatte ich auch gar nicht erwartet," versichert er. "Leider muss ich dich aber enttäuschen, was den perfekten Plan angeht. Im Moment besteht der nämlich einzig und allein aus der Gewissheit, dass Shyada nie und nimmer in einem Frauenkleid vor die Tür gehen wird, nicht aus dem Westflügel und aus der Steinfaust schon gar nicht. Da sie nichts anderes zum Anziehen hat und noch ziemlich lauschige Temperaturen herrschen, wird sie auch nicht nackt gehen... Äh, das hoffe ich jedenfalls." Er verzieht sein Gesicht zu einem unfrohen Grinsen. "Nein, dafür, dass sie vorerst bleibt, wo sie ist, sorge ich schon. Ich will sie nicht ganz einsperren und in Ketten legen erst recht nicht, also werde ich mir wohl erst einmal eine Weile Dienstfrei nehmen müssen, um auf sie aufzupassen. Und wenn ich wirklich nicht da sein kann, muss ich eben zwei Blaumäntel vor dem Westflügel postieren."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 14. März 2007, 22:55 Uhr
Aufmerksam hört Diantha den Ausführungen des Lord Commanders zu. Bisher sind ihr nur Gerüchte und Geschichten über die Amazonen zu Ohren gekommen, auf die man sich nicht verlassen sollte. Weibliche Krieger aus dem Dunkelwald, sogar fähigen Kriegern überlegen, das war alles, worin sich sämtliche Gerüchte überein gewesen waren. Doch sonst war es nur wirres Zeug gewesen, männermordende Ungeheuer, Kindermörderinnen, was nicht alles. Damals hatte Diantha sogar mitunter bezweifelt, dass es diese Frauen wirklich gab und sich insgeheim gefragt, ob es nicht nur darum ging den kleinen Mädchen klar zu machen, dass sie nicht unverschämt sein sollen, sonst würden die bösen Amazonen sie mitnehmen. Somit ist Olyvar der einzige, den sie kennt, der eine längere Bekanntschaft mit einer Amazone hat - sie selbst kennt die "richtige" Shyada ja eigentlich erst seit kurzen, allerdings nach dem, was ihr Olyvar über sie erzählt hat, kann sie Verhalten der Frau schon besser verstehen.
>"Von klein auf wird ihnen eingetrichtert, dass Gefühle schlecht, Männer nichtswürdige Ungeheuer und Ehefrauen versklavte Huren sind."< Das muss eine harte Kindheit sein, denn wie soll man leben ohne Gefühle? Das ist einem Menschen doch gar nicht möglich. Man kann lernen so auszusehen, als würde man nichts fühlen, aber mehr doch nicht. Wenn sie wollen, dass die Mädchen Männer für Ungeheuer halten, dann müssen sie sie nur einige Zeit auf Nachtschimmers Straßen leben lassen, dann glauben die am Ende alle Menschen sind Monster, doch Männer die brutalsten und abstoßendsten von allen..., schießt es ihr für einen Moment durch den Kopf, doch aus Reflex schüttelt sie sich nur kurz. NEIN! An alten Wunden rührt man nicht, nicht an dieser, vergessen, verdrängen, hier gibt es keinen wie ihn. Nur Olyvar und der ist anders... anders? Tief vergrabene Erinnerungen kommen an die Oberfläche und ein namenloser Schrecken schleicht für den Bruchteil eines Augenblicks in ihr Gesicht, ist dann aber gleich wieder verschwunden, an seinem alten Platz.
>"Sie hat erkannt, dass die Menschen hier, jedenfalls die meisten, mit samt ihren Gefühlen ganz zufrieden sind und dass die Wirklichkeit nicht ihren Amazonenvorstellungen entspricht, aber sie wollte und will es einfach nicht wahr haben. Es lässt ihr allerdings auch keine Ruhe, und das sitzt ihr wie ein Stachel im Fleisch."< Es muss ihr noch viel schwerer fallen als mir, sich einzugestehen, dass sie empfindet. Allmählich fühlt sich die Immerfrosterin fast ein wenig mit der Amazone verbunden. Einige dieser Probleme hatte sie schließlich auch, nur in anderer Form. >"Sie sagt sich und allen, die es hören wollen, ständig, dass sie niemanden braucht, und so verhält sie sich auch, aber in Wahrheit ist sie einsam."< Einsamkeit - auch die kenne ich nur zu gut. Einsamkeit und Verrat. >"Aber andererseits kann sie das natürlich auf keinen Fall zulassen und zugeben schon dreimal nicht, denn dann wäre sie nicht mehr die überlegene Amazone und ihr ganzes Leben wäre eine Lüge."< Oh je. Was soll sie dann hier, so ganz alleine? Weiter durch ihr Leben irren und gegen die Liomie irgendwo in ihrem Inneren kämpfen? Ich verstehe, dass er sie erst mal hier behalten will...
Als er ihr versichert, dass Shyada den Kindern nichts tun wird, glaubt sie ihm. >"Wenn ich auch nur den leisesten Zweifel hätte, was die Zwillinge angeht, hätte ich sie nicht hergebracht."< "Natürlich", murmelt sie entschuldigend, fast schon peinlich berührt. Es sind SEINE Kinder und er ist ein wirklich guter Vater, wie hat sie daran nur zweifeln können. Das war dumm von ihr.
Auf ihre zweite Bemerkung antwortet er nur: >"Leider muss ich dich aber enttäuschen, was den perfekten Plan angeht. Im Moment besteht der nämlich einzig und allein aus der Gewissheit, dass Shyada nie und nimmer in einem Frauenkleid vor die Tür gehen wird, nicht aus dem Westflügel und aus der Steinfaust schon gar nicht. Da sie nichts anderes zum Anziehen hat und noch ziemlich lauschige Temperaturen herrschen, wird sie auch nicht nackt gehen... Äh, das hoffe ich jedenfalls."< Kein sehr guter Plan, findet Diantha, sagt es aber erst mal nichts. >"Nein, dafür, dass sie vorerst bleibt, wo sie ist, sorge ich schon. Ich will sie nicht ganz einsperren und in Ketten legen erst recht nicht, also werde ich mir wohl erst einmal eine Weile Dienstfrei nehmen müssen, um auf sie aufzupassen. Und wenn ich wirklich nicht da sein kann, muss ich eben zwei Blaumäntel vor dem Westflügel postieren."< Das klingt schon etwas überzeugender. Olyvars Überlegenheit scheint die Amazone akzeptiert zu haben, nach einigem hin und her hatte sie sich ja auch am Tisch auf seine Aufforderung hin gesetzt. Irgendwie findet Olyvar gut einen Draht zu einsamen, verbitterten Frauen.
"Ich verstehe ihr Verhalten jetzt viel besser", sagt Diantha schließlich ruhig. "Und werde versuchen, irgendwie mit ihr klar zu kommen. So ein bisschen Gefauche und Gezeter werde ich schon überleben." Durfte mir schon schlimmeres anhören, als dass ich deine kleine Freundin bin - das ist ja fast noch ein Kompliment. Einen Moment schweifen ihre Gedanken zurück in eine andere Zeit, dann sieht sie wieder Olyvar an. "Conn und Fianryn werden sich freuen, wenn du ein bisschen mehr im Westflügel bist." Das ist keine Anklage, sondern einfach nur eine Feststellung. Und ich mich auch..., wird ihr da plötzlich klar.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 15. März 2007, 21:20 Uhr
Als er über die Amazonen des Dunkelwalds spricht, verdüstern sich Dianthas Augen für einem Moment wieder und plötzlich erfasst ein Schaudern die junge Frau neben ihm, durchläuft sie von Kopf bis Fuß, als hätte der kalte Nachtwind sie gestreift oder ein böser Traum sie plötzlich berührt. Das oder eine Erinnerung? Waren es meine Worte? Olyvar ist sicher, wenn sie gekonnt hätte, hätte sie sich in diesem Augenblick geschüttelt wie ein nasser Hund. Jähes Erschrecken... oder ist es Abscheu?... zuckt über ihr Gesicht, ist jedoch so schnell wieder verschwunden, dass er schon glaubt, sich getäuscht zu haben. Was hatte er gesagt? Gefühle sind schlecht, Frauen versklavte Huren und Männer sind... oh. Das war es, nicht wahr, conasg? Er erinnert sich an ihren rasenden Puls unter seinen Fingern, als er sie am Handgelenk festgehalten hatte - und was er zuerst nur für Unerfahrenheit gehalten hatte, schmeckt jetzt eher nach Angst. Olyvar zwingt sich, beim Thema zu bleiben und weiter zu sprechen, und irgendwie schafft er es sogar, seine Stimme dabei einigermaßen normal klingen zu lassen, auch wenn er sich innerlich einen Vollidioten schimpft. Sie hatte seine Nähe gesucht, ein wenig unbeholfen vielleicht, aber sie hatte sie gesucht - und er hatte nichts besseres zu tun gehabt, als auch noch anzügliche Bemerkungen über herumfuchtelnde Hände zu machen. Du bist wirklich ein Narr! Dennoch hatte sie sich von ihm halten lassen. Sie hatte seine Umarmung vielleicht nicht erwidert, aber sie war auch nicht vor Schreck erstarrt, im Gegenteil. Sie hatte sich an ihn gelehnt, ihr Gesicht an seinem Hemd vergraben und sich von ihm wärmen lassen, für eine kleine Weile wenigstens. Im diesem neuen Licht betrachtet, bekommt die Dimension von Dianthas Einsamkeit damit ganz andere Ausmaße und Olyvars Gedanken wandern schnurstracks in alle möglichen und unmöglichen Richtungen davon, und lassen sich eine ganze Weile nicht mehr zur Ordnung rufen - so lange, bis er ihr versichert, dass Conn und Fianryn keine Gefahr drohe und Diantha kleinlaut "Natürlich" murmelt. Das bringt ihn wieder ins Hier und Jetzt zurück... oder vielmehr ihr betretener Gesichtsausdruck tut es. "Was? Oh..." er schüttelt den Kopf. "Diantha, wann immer du Bedenken wegen irgendetwas in Bezug auf die Zwillinge hast, sag's mir, aye? Das muss dir nie unangenehm sein. Ich mag ja vielleicht ein passabler Vater sein - aber ich fürchte, ich gebe eine ganz und gar miserable Mutter ab. Zum Beispiel..." er verzieht sein Gesicht zu einem eindeutig unreuigen Grinsen und lächelt auf sie hinunter..."wenn ich wieder einmal vor ihren Ohren über verrottende Leichen im Wald erzähle. Glaub ja nicht, ich hätte deinen Blick nicht bemerkt. Dafür hättest du mir den Mund am liebsten mit Seife ausgewaschen, gib es zu." Noch bevor sie etwas erwidern oder ihm womöglich noch versprechen kann, ihn das nächste Mal beim Wort zu nehmen, fährt er fort und kehrt seufzend zu ihren Amazonenproblemen zurück. Diantha scheint zunächst nur skeptisch, als er ihr seinen glorreichen "Plan" gesteht und das kann er ihr nicht einmal verdenken. Er würde ja selbst nicht darauf wetten, dass Shyada nicht am Ende doch noch nackt wie am Tag ihrer Geburt quer durch ganz Talyra spazieren würde, wenn es denn sein müsste, aber seine Zusicherung, dass er sich selbst um die Amazone kümmern, und zur Not Wachen aufstellen würde, scheint die Immerfrosterin dann doch zu beruhigen. >Ich verstehe ihr Verhalten jetzt viel besser. Und werde versuchen, irgendwie mit ihr klar zu kommen. So ein bisschen Gefauche und Gezeter werde ich schon überleben,< entscheidet sie schließlich zuversichtlich, und Olyvar gestattet sich ein erleichtertes Lächeln. Wenn Diantha rundheraus "Nein" gesagt hätte, hätte er irgendeine andere Lösung finden müssen, die sowohl seiner Familie, als auch seinem Versprechen an Shyada... oder Liomie, wie man es nimmt... gerecht geworden wäre, und er weiß beim besten Willen nicht, wie er das hätte anstellen sollen. "Taing, conasg," erwidert er also leise und meint es vollkommen aufrichtig. "Chan eil facal agam dhuibh ach taing." Alles, was ich sagen kann, ist danke.

Er weiß nicht, ob sie inzwischen genug Tamar spricht, um alle seine Worte zu verstehen, aber "Taing" ist ihr auf jeden Fall ein Begriff.  Die Kinder hatten ihr schon in ihren ersten Wochen hier im Westflügel einiges beigebracht, und Mattis und Feorna, die zwar beide in den Herzlanden geboren worden waren, in ihrer Zeit bei ihm jedoch notgedrungen einiges von seiner Muttersprache aufgeschnappt hatten, hatten ihr die Worte übersetzt. Als erstes hatte ihr sein nichtsnutziger Knappe natürlich gepetzt, was conasg bedeutet, doch auch, wenn diese Bezeichnung inzwischen wohl nicht mehr wirklich zutrifft, er gebraucht sie weiterhin, fast wie... wie... Einen Kosenamen. Gib es ruhig zu. Eine Weile blicken sie beide schweigend in die Nacht hinaus. Die Wolken sind verschwunden, der Mond steht hoch am Himmel und die Sterne leuchten kalt und fern. Schmetterling, Schneekristall und Kranich sind ein gutes Stück weiter gewandert, seit er sie hier draußen in der Laube gefunden hatte, es muss längst nach Mitternacht sein.
>Conn und Fianryn werden sich freuen, wenn du ein bisschen mehr im Westflügel bist.< Diantha sieht ihn an und er erwidert ihren Blick mit den unschuldigsten Absichten - doch er begeht schon zum zweiten Mal an diesem Abend den Fehler, nicht auf seine Deckung zu achten und sieht ihr zu lange in die Augen. Das leise Knistern kehrt prompt zurück, ein lautloser Summton in der kalten Nachtluft, als kündige sich irgendwo, noch weit fort und fern am Horizont, aber unleugbar vorhanden, ein Gewitter an. Das überrumpelt ihn selbst, und zwar gründlich, also verbannt er auf der Stelle jeden noch so vagen Gedanken in diese Richtung und ignoriert es eisern. Es bedeutet gar nichts und du bist betrunken. Sehr richtig, abgesehen davon hatte er sich die Finger schon genug verbrannt und er hatte es selbst gesagt, er ist nicht auf Brautschau. Auf seiner Wange zuckt ein Muskel, ansonsten ist sein Gesicht bis auf eine gewisse Nachdenklichkeit unbewegt. Bin ich auch nicht. Ich mag sie nur. Sie ist hübsch, und ich bin einfach schon zu lange ohne eine Frau, das ist alles. Olyvar atmet einmal tief durch. "Ich mich auch, Diantha," hört er sich selbst sagen, dann zuckt er mit den Schultern. "Es ist spät, der Uisge ist alle und es wird langsam kalt," fährt er fort und wirft einen letzten Blick in den Himmel. Ein schiefes Lächeln begleitet seine nächsten Worte. "Ich weiß ja nicht, was du noch vorhast, aber ich gehe jetzt besser schlafen." Diantha nickt nur und murmelt etwas davon, dass sie auch ins Bett gehen würde, also sammelt er den leeren Becher und die Karaffe ein, und sie kehren gemeinsam in die Wärme des Westflügels zurück. Allerdings haben sie beide anscheinend den selben Gedanken, denn obwohl sie auf dem Weg in ihr Bett ist und er auf dem Weg in seines, keiner von ihnen geht direkt dort hin - stattdessen wäre er in der Tür zu Connavars Zimmer beinahe mit ihr zusammengestoßen. Olyvar lässt Diantha mit einem leisen Lachen den Vortritt, also sieht sie nach seinem Sohn und er selbst nach Fianryn. "Sie schläft tief und fest," berichtet er, als sie sich nach einem Augenblick auf dem dunklen Gang wieder treffen, und flüstert dabei unwillkürlich, obwohl das vermutlich gar nicht notwendig ist. "Also dann... Gute Nacht." Diantha muss nur einmal den Flur überqueren, um in ihr eigenes Gemach direkt gegenüber der beiden Kinderzimmer zu kommen, es gibt wirklich keine Ausrede, noch länger hier herumzustehen. Nach ein paar Schritten in Richtung der Halle dreht er sich dann aber doch noch einmal um. "He, Diantha." Ihr Kopf erscheint prompt  im Türrahmen. "Ich kann dich auch gut leiden. Schlaf gut, conasg."

In seinem eigenen Schlafgemach auf der Westseite der kleinen Halle ist das Feuer im Kamin rechts neben der Tür zwar heruntergebrannt, aber zwischen weißer Asche leuchtet noch rote Glut und es lässt sich leicht neu entfachen. Olyvar legt ein paar dicke Buchenholzscheite nach, die bis zum Morgen reichen sollten, und tritt dann an die tiefen Fensternischen mit ihren bestickten Kissen und weichen Pelzen. Mondlicht fällt silbern durch die bleigefassten Scheiben und tief unter ihm liegt der Innere Zwinger der Steinfaust mitternächtlich leer und dunkel. Auf den Wehrgängen geistern zwar die Fackeln der Wächter umher und an den Nachtfeuerkörben am Inneren Tor und am Tor zum Bergfried bewegen sich ab und an die Schatten, doch ansonsten liegt die Festung im Tiefschlaf. Olyvar holt die Pergamente hervor, das sauber verschnürte Bündel, das er bei sich trägt, seit er heute morgen aus dem Tempel gekommen war, und legt es in die kleine Truhe zu anderen persönlichen Dingen. Damit ist es endgültig, Kizumu. Du bist eine freie Frau und ich ein freier Mann. Es ist vorbei. Vorbei war es schon lange. Vielleicht schon, bevor sie ihn verlassen hatte. Schließlich war das ganze letzte Jahr ihrer Ehe ein einziges Auf und Ab gewesen. Seufzend entkleidet er sich, gönnt sich eine Katzenwäsche mit eiskaltem Wasser und lässt sich dann rücklings ins Bett fallen. Trotz der Tatsache, dass er stundenlang über Stock und Stein geritten war, soviel Uisge getrunken hatte und so lange wach war, will der Schlaf nicht kommen. Olyvar wälzt sich von einer Seite auf die andere, doch ganz gleich, wie oft er sich auch knurrend das Kissen unter dem Kopf zurechtklopft und entschieden die Augen schließt, seine Gedanken geben und geben einfach keine Ruhe. Als er am nächsten Morgen nach viel zu wenigen Stunden unruhigen Halbschlafs und wirren Träumen erwacht, wird er gerade von zwei quirligen und - im Gegensatz zu ihm selbst - auch ganz und gar ausgeschlafenen Zwillingen als Klettergerüst missbraucht. Die beiden kriechen morgens oft noch für ein Stündchen Schlaf oder einfach, um ihn zu wecken, zu ihm ins Bett, offenbar sind sie Diantha auch heute entwischt. "Argh, geh von meiner Blase herunter, mo ghille!" Er hebt Connavar zur Seite und lässt ihn dabei kurz kopfüber baumeln, was seinem Sohn ein quietschendes Lachen entlockt. Noch nicht ganz wach, aber leider trotzdem funktionsfähig, fängt Olyvars Nase einen untrüglichen Geruch auf und er verzieht missmutig das Gesicht. "Uh... So wie's aussieht, brauchst du eine frische Windel." Fianryn, auf seiner anderen Seite, bohrt ihm einen ihrer kleinen Knubbelfinger in den Hals. "Auch." Verkündet sie grinsend. "Na fein. Dann suchen wir am besten gleich ein paar Sachen für euch zusammen und gehen baden. Vor dem Frühstück." Das lassen sich die beiden nie zweimal sagen, und so pilgert Olyvar, beladen mit einem ledernen Beutel voller Windeln, Kindersachen und eigener Kleidung, und an jeder Hand ein Kind, unausgeschlafen, unrasiert und mit wild abstehendem Haar, zu den Badehäusern hinunter. Auf dem Weg dorthin begegnet ihnen in der Halle nur Mattis, der gerade den Tisch für das Morgenmahl deckt, doch von Shyada oder Diantha ist noch keine Spur zu sehen. Sein Knappe sieht so übernächtigt aus, wie er selbst, und Olyvar tauscht einen leidenden Blick mit ihm. Mattis grinst ein bisschen, gähnt, und klappert dann geräuschvoll weiter mit dem Geschirr herum, die unausgesprochene Versicherung, dass das Frühstück fertig sein würde, wenn der Lord Commander samt seiner ausgeschlafenen Brut wieder zurück wäre.  

Es dauert eine gute Stunde, ehe Olyvar mit den Kindern in den Westflügel zurückkehrt. Sein Haar ist zwar noch leicht feucht, aber immerhin ist er rasiert, seine Augen ähneln nicht mehr schmalen Sehschlitzen, sein Kopf dröhnt nicht mehr wie eine Bronzeglocke und er sieht auch nicht mehr aus wie ein komatöses Stachelschwein oder ein wandelnder Leichnam. Auch die Kinder sind sauber, frisch gebadet, frisch gewickelt und duften nach Kamille. Sogar die Kleidung der beiden ist nach dem kurzen Weg von den Badehäusern über die Zwinger der Steinfaust noch einigermaßen fleckenlos... und das, obwohl Fianryn die Hundewelpen entdeckt und Conn einen kurzen Abstecher zu Faron in die Ställe gemacht hatte. Olyvar hatte fünf Minuten gebraucht, um seinen Sohn aus dem allmächtigen Heuhaufen, in dem er verschwunden war, wieder herauszubekommen und zweimal so lange, um ihm das ganze getrocknete Grünzeug wieder aus den Haaren zu pflücken. Mattis sitzt bereits am Tisch und Diantha kommt gerade in die Halle, doch von Shyada ist immer noch nichts zu sehen. Olyvar lässt die Kinder laufen, die der Immerfrosterin entgegenrennen und um sie herumhopsen, als hätten sie sie nicht erst gestern, sondern vor einem Siebentag zum letzten Mal gesehen. "Madainn mhath. Thig a seo, Conn. Diantha läuft dir schon nicht davon, du musst nicht an ihrem Bein kleben. Komm her und setz dich, dann bekommst du Omelett. Wenn Mattis dir etwas übrig lässt, heißt das." Sein Knappe besitzt wenigstens die Höflichkeit, rot anzulaufen bei dem Berg Eierkuchen, den er sich auf den  Teller gehäuft hat. Olyvar selbst angelt erst einmal nur nach dem Cofea und setzt sich Fianryn kurzerhand auf den Schoß. "Was willst du, a chuisla? Röstbrot oder Haferbrei? War von Shya schon irgendetwas zu sehen oder zu hören heute?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 15. März 2007, 23:39 Uhr
Es war Diantha an diesem Abend schwer gefallen einzuschlafen. So vieles war ihr noch durch den Kopf gegangen, viele unterschiedliche Eindrücke und Empfindungen. Das eine Mal hatte sie sich vorgeworfen, so viel Schwäche zu zeigen, Tränen zu vergießen und das auch noch vor einem Mann. Dann war sie wieder froh über das gewesen, was sie getan hatte, sie hatte ihren Gefühlen freien Lauf gelassen und das hatte ihr gut getan. Immer wieder taucht vor ihrem geistigen Auge Olyvars Gesicht auf, wie er sagt: >"Ich kann dich auch gut leiden."< Gleich darauf geht es aber weiter mit: >"Schlaf gut, conasg."< Conasg, conasg, immer wieder taucht dieses Wort auf. Stechginster hatte ihr Mattis übersetzt, doch das hatte sie auch nicht viel weiter gebracht. Eigentlich wäre conasg ja dann eine Beleidigung - aber Olyvar betont das Wort nicht so, als würde er es so meinen, sondern als wäre es eine Abkürzung für ihren Namen. Oder ist es doch ein Vorwurf, nur ein ganz kleiner? Manchmal versteht sie ihn einfach nicht. Schließlich ertönen in ihren Gedanken wieder die Worte>"Du machst dir viel zu viele Gedanken, weißt du das?"< Ja, es ist gut möglich, dass er recht hat. Aber wie soll ich einfach aufhören zu denken? Die einzige Möglichkeit, wie ich mich vom Grübeln ablenken kann ist meinen Finger etwas zu tun zu geben... Ich muss das mit dem Schnitzen wirklich mal ausprobieren, vielleicht kann ich es ja noch...
Zwischendurch tauchen aber immer wieder Bruchstücke von Erinnerungen auf, die Diantha gehofft hatte, vollständig verdrängt zu haben. Diese nimmt sie dann auch mit hinüber in den Schlaf, der Alkohol macht ihre Träume auch nicht gerade angenehmer. Gewiss, sie verträgt recht viel, aber sie hat in den letzten Monden wenig getrunken, deshalb macht sich das auch bei ihr bemerkbar. Wie immer damit, dass ihre Träume dadurch intensiver werden, was wohl der eigentliche Grund ist, dass sie nie Alkoholikerin geworden ist. Denn nur wenn sie fast bist zur Besinnungslosigkeit getrunken hat, setzt diese Verschärfung nicht ein. Normalerweise kann sie sich morgens nicht an ihre Träume erinnern, doch wenn sie Alkohol intus hatte häufig schon und ihre Träume waren häufig nicht so besonders angenehm. Dieses Manko findet Diantha schon recht merkwürdig, andere schlafen mit viel Alkohol im Blut ruhig und still wie kleine Kinder, nur sie nicht. Eigentlich ahnt sie aber auch, dass es daran liegt, dass sie sich im betrunkenem Zustand, ob jetzt wach oder im Schlaf ist egal, weniger vormachen kann, dass dann Erinnerungen hochkommen, die sie sonst kompromisslos unterdrückt.
In dieser Nacht sind ihre Träume wirr, aber intensiv, Olyvars lächelndes Gesicht taucht neben einem ganz anderen auf. Lang und blass, blonde Strähnen fallen in die eindringlichen Augen, denen nichts zu entgehen scheint, ein recht scharfes Kinn, dünne Lippen, eine schwach ausgeprägte Adlernase, eine kaum sichtbare Narbe über der rechten Schläfe. Beide scheinen sich zu vermengen, zu einem zu werden, ob die Augen oder Münder der beiden Gesichter werden miteinander ausgetauscht. Doch das schlimmste sind die wechselnden Ausdrücke der Gesichter, mal ist da ein freundliches Lächeln, dann Trauer, ein hämisches Grinsen, Wut, Freude, Hass. Die Diantha im Traum versuch wegzulaufen, doch es ist ihr unmöglich, immer wieder holen die Gesichter sie ein, lassen sie nicht gehen. So wacht sie einmal schweißüberströmt und schreiend auf, nur ein Blick zu den friedlich schlafenden Kindern kann der Immerfrosterin ihre Ruhe zurückgeben.
Erst danach kann sie etwas besser schlafen, doch als sie dann aufsteht, bemerkt sie, dass es schon ziemlich spät ist. Oh verdammt! Fianryn und Connavar werden ganz sicher nicht mehr in ihren Betten sein, dazu schleichen sie morgens viel zu gerne in das Bett ihres Vaters, was den normalerweise auch gar nicht stört. Nur nach dem langen Abend und der kurzen Nacht gestern hätte sie ihm die beiden gerne etwas vom Hals gehalten, doch dazu ist es zu spät, wie es ein Blick in die Kinderzimmer beweist. Die Kinder jetzt von ihrem Vater wegzerren zu wollen ist dumm, das weiß Diantha genau, deshalb schließt sie diese Möglichkeit auch gleich aus. Zumindest könnte sie Mattis jetzt beim Frühstückmachen helfen, entscheidet sie und kleidet sich rasch an, nur im langen Hemd in die Kaminhalle zu gehen steht natürlich außer Frage. Dann quält sie sich ein wenig mit ihren Haaren ab - Locken können schon sehr hinderlich sein. Die Augenringe sind nicht so dunkel wie sie sein könnten, deshalb sieht Diantha zum Glück auch nicht allzu müde aus, obwohl sie es ist. Dieser Schlaf war alles andere als erholsam, nur die letzten zwei, drei Stunden sind dafür verantwortlich, dass sie überhaupt aufrecht stehen kann. Sogar ihr Kater hält sich in Grenzen, nachdem sie sich kalt das Gesicht gewaschen hat - worüber sie mehr als dankbar ist. Einen brummenden Kopf und zwei kreischende Kinder vertragen sich nur schlecht.

Gerade als sie die große Halle betritt, kommen auch die drei von Tarascons in den Raum. Alle drei sind sie sauber und gestriegelt, sowie bester Laune. An Olyvar erkennt man kaum noch Spuren des vergangenen langen Abends. Er sieht sogar verdammt gut aus. Sofort wird Diantha von den Kindern herzhaft begrüßt, was sie wie immer erwidert. Den beiden liegt es natürlich auf der Zunge ihr alles von ihrem tollen Ausflug zu erzählen, sie müsse nächstes Mal auch UNBEDINGT mitkommen, das wäre ja alles so furchtbar toll und spannend da draußen. Erst als Olyvar die Kinder auffordert sich zu setzen, hören sie allmählich auf zu plappern. Als Connavar sieht, wie sich seine Schwester einen Platz auf dem Schof ihres Vaters sichern kann, fängt er an auf seinem Stuhl herumzurutschen. "Conn, jetzt hampel doch nicht so herum", tadelt ihn Diantha liebevoll, doch es nützt nichts, das Kind versucht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Na komm mal her", sagt die Immerfrosterin schließlich und setzt sich das Kind auf den Schoß. "Oh je, was hast du denn mit deinen Haaren gemacht, ihr ward doch gerade so schön baden", murmelt sie, während sie einen kleinen grünen Halm hinter seinem Ohr hervorzieht. Da fängt der Junge sofort an begeistert von den großen Pferden zu erzählen und dass der nette Mann - Faaaronn wie er lauthals verkündet - gesagt hat, dass er später reiten dürfen wird. "So so", antwortet Diantha nur und versucht recht fruchtlos das Kind zum Essen zu bringen. Aber in dem Moment sind die Pferde doch viel interessanter als das doofe Röstbrot und so muss er erst einmal seinen kleinen Roman zuende erzählen, bevor er sich wieder dem Essen zuwenden kann.
>"War von Shya schon irgendetwas zu sehen oder zu hören heute?"<, fragt Olyvar plötzlich. "Nein", antwortet Diantha und auch Mattis - sehr beschäftigt mit den zahlreichen Pfannkuchen auf seinem Teller - schüttelt nur den Kopf. "Ein wenig merkwürdig, war sie sonst nicht immer recht früh wach?", fragt die Immerfrosterin schließlich. "Beim Frühstück hat sie bisher so gut wie nie gefehlt..."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 16. März 2007, 08:56 Uhr
Olyvar unterdrückt ein Prusten und hätte sich beinahe an dem brühheißen Cofea verschluckt, als sowohl sein naseweiser Sohn, als auch Fianryn lauthals krähend verkünden, Diantha müsse das nächste mal unbedingt mitgehen. "Fianryn, wir waren baden," erinnert Olyvar seine Tochter, während Mattis sein freches Grinsen schon eilig hinter einem Pfannkuchen verbirgt. Fianryn kümmert dieser Einwand wenig, sie zuckt nur mit den Schultern und will mit kleinkindlicher Unschuld wissen, ob Diantha sich denn nicht waschen muss. Ah dhia... Olyvars allzeit bereite Phantasie liefert ihm prompt eine ziemlich unanständige Version von elfenbeinweißer Haut im Halbdunkel der Badehäuser, und er vergräbt schleunigst seine Nase in seinem Cofeabecher. "Äh doch... natürlich. Aber sie ist ein großes Mädchen, sie kann das ganz allein." Conn erobert sich derweil, unberührt von allen Badehaustheorien, einen Platz auf Dianthas Schoß und während die Immerfrosterin seinem Sohn geduldig zuhört, tauscht Olyvar über die Köpfe der Kinder hinweg einen Blick mit ihr. Sie sieht nicht halb so mitgenommen aus von ihrer gestrigen, gemeinsamen Uisgemarinade, wie er heute morgen ausgesehen hatte. Ihr Gesicht ist zwar ein wenig blass und auf ihren Wangen liegen Schatten der Müdigkeit, doch ihre so erstaunlichen Augen sind klar und blau wie immer. Die Leichtigkeit, die gestern die meiste Zeit zwischen ihnen geherrscht hatte, scheint sich im Licht der Morgensonne davongestohlen zu haben, aber die schwer zu beschreibende Vertrautheit, die sie sich, und mehr oder weniger auch einander, eingestanden hatten, ist noch da. Um irgendetwas unverfängliches zu sagen, erkundigt er sich nach der Amazone, während Diantha Conn etwas zu Essen macht, und er selbst Fianryn und die Haferbreischüssel überwacht. Sowohl die Immerfrosterin als auch sein Knappe schütteln die Köpfe. >Ein wenig merkwürdig, war sie sonst nicht immer recht früh wach?< Gibt Diantha zu Bedenken. >Beim Frühstück hat sie bisher so gut wie nie gefehlt...< "Aye. Aber ich wette, sie hat nur das Kleid entdeckt," erwidert er. Trotzdem steht Olyvar seufzend auf, setzt Fianryn auf den Stuhl, den er gerade geräumt hat und schärft ihr ein, keine zu große Schweinerei mit ihrem Frühstück anzurichten. "Ich sehe nur nach, wo Shya bleibt..."

Es sind zahllose Klafter glatten Mauerwerks vom Eckturm des Westflügels bis hinunter auf den Inneren Zwinger, sie kann unmöglich geklettert sein, jedenfalls nicht ohne Seile und Kanteisen, und da sie auch nicht Fliegen kann, glaubt er zumindest, dass sie noch immer im Turmzimmer sitzt. Wahrscheinlich schmollt sie wie ein beleidigtes Trotzkind, aber dabei ist ihr nicht zu helfen. Olyvar verlässt die Halle, um sich auf die Suche nach der Amazone zu machen, doch er braucht Shyada dann nicht einmal mehr zu sehen, um zu wissen, dass sie noch da ist - er kann sie auf dem Weg ins Turmgemach hinauf schön hören, und sie klingt alles andere als begeistert. >Fein, Olyvar. Ganz fein. Als ob du das nicht von Anfang an so geplant hast. Sperr mich mit nichts außer einem Kleid in ein Zimmer irgendwo in deine Steinfaust und du weißt genau, dass ich den Raum nicht verlassen werde!< Olyvar bleibt stehen, wo er ist und unterdrückt ein Grinsen. "Ah," murmelt er, sieht jedoch alles andere als betrübt aus. "Sie hat mich durchschaut..." Ein dumpfer Schlag oder Tritt ist zu hören, gleich darauf ein schmerzerfülltes Keuchen und wieder Shyada, die schimpft wie ein Rohrspatz: >A mhic an diabhol. Sei froh, dass du dich gerade nicht in diesem Raum befindest!<  
A mhic an diabhoil? Echot Olyvar belustigt in Gedanken und sein Grinsen wird geradezu mörderisch. Wenn ich der Sohn des Teufels bin, ceisdein, dann weißt du ja, was du von mir zu erwarten hast. Er verschränkt die Arme vor der Brust und ruft übertrieben höflich, dafür laut genug, dass Shya ihn auch durch die geschlossene Tür hören kann: "Euer Wunsch ist mir Befehl, Mylady." Dann ändert sich sein Tonfall, wird freundlich, fast ein wenig spöttelnd. "Wenn du noch etwas vom Frühstück abhaben willst, Shya, komm runter. Ich dachte, Amazonen sind so mutig, aber du bist ja ein Hasenfuß - fürchtest dich zu Tode vor ein bisschen Stoff." Damit dreht er auf dem Absatz um und kehrt in die Halle zurück. Wenn er etwas weiß, dann wie man Shyada am besten ärgert... und sie zu ärgern ist der beste Weg, die Amazone neugierig zu machen.

"Alles in Ordnung. Sie flucht wie ein Gossenzwerg, aber es geht ihr gut," berichtet er, als er wieder den anderen am Frühstückstisch ist. "Sie hadert wie erwartet mit dem Kleid," raunt er, als er sich setzt und Fianryn wieder auf seinen Schoß hebt. Die Kleine ist fast fertig mit ihrem Brei, lässt sich aber noch zu einem halben Honigbrot überreden, ehe sie von seinen Beinen rutscht und sich mit ihrem Bruder zu den Holzkisten mit Spielsachen und Bausteinen verzieht, die unter den Fenstern an der linken Längswand der Halle bereit stehen. Olyvar wischt seiner Tochter noch die klebrigen Finger ab und lässt sie dann mit Conn zum Spielen gehen. Dann fällt ihm ein, dass Diantha sich heute morgen vermutlich mit der Waschschüssel begnügen musste, während er und die Kinder sich eine Stunde lang in heißem Wasser gesuhlt hatten... na ja, die Kinder hatten sich gesuhlt, er hatte versucht, sich wieder in einen Menschen zu verwandeln und die Zwillinge davon abzuhalten, sich gegenseitig zu ertränken. "Willst du nach dem Frühstück ein Bad nehmen?" Fragt er zwischen zwei Schlucken Cofea. "Dann geh ruhig, ich passe so lange allein auf die Zwillinge auf."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 16. März 2007, 10:20 Uhr
Doch soviel sie auch darüber nachdenkt, ihre Möglichkeiten sind recht beschränkt. Kurz erwägt sie auch sich in alter Bettlakenmanier übers Fenster abzuseilen, aber das löst weder das Kleiderproblem, noch reicht ein einziges Bettlaken nicht aus, um ohne Knochenbrüche auf dem Boden zu langen. Egal wie sie es dreht und wendet, wenn sie hier raus will, muss sie etwas anziehen. Erneut wirft sie einen argwöhnischen Blick auf das grüne Kleid. Olyvar hatte gesagt, dass in ihr noch jemand anderes steckt. Jemand der das Kleid mag. Sie lacht kurz auf, weil der Gedanke absurd ist. Wo sollte in ihr Platz für andere Persönlichkeiten sein? Aber genauso genommen weiß sie, dass dem so ist und sie  ist die einzige die davon weiß. Erinnerungen von Zeiten die schon lange zurück liegen huschen durch ihren Kopf, aber sie lässt nicht zu, dass sie Oberhand gewinnen. Nicht hier, wo jeden Moment jemand in ihr Zimmer... oder auch ihre Zelle... stürmen könnte. Zwei Personen in Talyra wissen davon, eine ist sie, die andere zuviel. „Verdammt, ich muss hier weg!“
Das grüne Kleid kommt ihr plötzlich schlimmer vor, als sämtliche Gitterstäbe aller schwarzen Zellen und doch ist es ihre einzige Chance hier heraus zu kommen. Aber sie weiß genau, dass sie sich damit alle zwei Schritte auf die Nase legen würde. Das würde es zum einen schwierig machen, sich effektiv fortzubewegen und  zum anderen würde sie eine einzige Lachnummer aus sich machen. Zwei Dinge die ihr absolut nicht zusagen. Und eine leise Stimme flüstert ihr auch heimlich zu, dass sollte sich dieses Bewusstsein wieder ausschalten und das andere auftauchen, sie wohl arge Probleme damit hätte, wenn dieses Kleid nachbearbeitet worden wäre. Nicht, dass Shyada ihre andere Persönlichkeit einschätzen kann, aber vielleicht sollte sie diese Tatsache im Hinterkopf behalten und nichts tun, was ihr in dem Fall schaden könnte. Immerhin ist das irgendwie auch sie.
>"Euer Wunsch ist mir Befehl, Mylady."< Abrupt beendet Shyada ihre Gedanken. Auch wenn sie das dazugehörige Gesicht gerade nicht sehen kann, die Stimme kennt sie. Wütend taxiert sie die Tür und hätte sie wohl auch aufgerissen, wenn sie quasi nicht nichts am Leib hätte. Wahrscheinlich steht Olyvar schon seit sie aufgestanden ist dort und amüsiert sich herrlich über sie. Nur zu gut kann sie sich vorstellen, wie er dort zufrieden grinsend auf der anderen Seite der Tür steht. Doch obwohl ihr das schon gewaltig gegen den Kragen geht, stört es sie fast noch mehr, dass sie selbst sich schon wieder nicht unter Kontrolle hat und hatte, so dass er es überhaupt mitkriegen konnte. Allerdings weiß sie auch nicht, was hinter der Tür liegt. Vielleicht ist dort ein Raum in dem er sich ohnehin den halben Tag befindet und es so oder so mitbekommen hat, ohne extra zu ihr kommen zu müssen. Aber egal was sich dort befindet, Olyvar ist auf jeden Fall da und das lässt augenblicklich alle Gedanken um das Kleid oder Fluchtmöglichkeiten unwichtig werden. Wage es ja nicht hier herein zu kommen.

Noch immer starrt sie die Tür an, als sei sie schuld an ihren ganzen Problemen. Kurz hat Shyada auch das Gefühl, dass es eigentlich die Tür ist, die mit ihr redet, aber es ist eindeutig Olyvar und seine Stimme ist leicht gedämpft durch das Türblatt. > "Wenn du noch etwas vom Frühstück abhaben willst, Shya, komm runter. Ich dachte, Amazonen sind so mutig, aber du bist ja ein Hasenfuß - fürchtest dich zu Tode vor ein bisschen Stoff."< Hätte sie etwas zum werfen in Reichweite gehabt, sie hätte es mit voller Wucht gegen die Tür geschmissen. Besser noch wäre ein Dolch gewesen, aber es ist weder das eine noch etwas anderes brauchbares in ihrer Nähe. Sie hört wie sich Schritte entfernen. Nicht so, als wenn man einen Flur entlanggeht, sondern ehe, als wenn eine Treppe hinab gestiegen wird. „Wenn ich so ein Hasenfuß bin, was sperrst du mich dann in einen verdammten Turm? Wenn ich angeblich sowieso nicht weglaufe, dann hättest du mich ja auch einfach dort hin stecken können, wo ich mich auskenne... Ifrinn!!“ Mehrmals schlägt sie mit der geballten Faust auf das Bett ein. Nur zu gerne hätte sie gerade ihre Wut an Olyvar persönlich ausgelassen, aber egal wie wütend sie ist, sie weiß genau, dass es sich definitiv unangenehm auf sie auswirken würde. „Mistkerl! Du hast wahrscheinlich deine wahre Freude daran, nicht wahr?“ Wieder wird die Tür mit wütenden Blicken traktiert, doch ein Magenknurren unterbricht ihr Tun. Zu ihrem Leidwesen muss sich Shyada eingestehen, dass Olyvar recht hat. Nicht, dass sie Angst vor dem Kleid hätte, aber sie lässt sich gerade von einem harmlosen Stück Stoff in dieses Zimmer sperren.
„Wenn du dich amüsieren willst, dann nimm deine kleine Freundin, aber lass mich da raus... fuilteach.“
Obwohl sie weiß, dass Olyvar sich königlich freuen wird, wenn sie im Kleid auftaucht, zieht sie es letztendlich doch an. Beim ersten Versuch verheddert sie sich zwar etwas, aber nur, weil sie soviel Stoff auf einmal einfach nicht gewöhnt ist. Und auch wenn sie es nicht zugibt, dass Kleid hat einen entschiedenen Vorteil. Es ist warm.
Nachdem sie die Schnürung so fest gezogen hat, wie es nur irgendwie möglich ist, versucht sie der langen Ärmel irgendwie Herr zu werden und sucht verzweifelt nach Lederbändern oder ähnlichem. In einer der Truhen findet sich tatsächlich so etwas. Es sind mehrere Stücken, nicht allzu lang, aber sie reichen für ihre Zwecke. Nachdem sie mehrere Enden zusammen gebunden hat, wickelt sie so erhaltenen zwei Lederbänder um je einen Arm und erreicht damit, dass sie nicht mehr lose herumschlackern, sondern eng anliegen. Es sieht alles andere als passend aus, aber es erfüllt seinen Zweck. Einzig und allein der Rock des Kleides muss so geduldet werden. Glücklicherweise ist es leichter sich damit zu bewegen, als sie anfangs angenommen hat. Misstrauisch und alles andere als zufrieden seufzend sieht sie an sich herunter. „Was könnte es schöneres geben...“ Doch sie weiß, dass ihr das Schlimmste noch bevorsteht. Nämlich dann, wenn sie sich mit Olyvar in einem Raum befindet.

Entschlossen setzt sie einen Fuß vor die Tür und findet tatsächlich eine Treppe statt einen Flur vor. Allerdings ist sie nicht hoch und endet dann in den eigentlich erwarteten Flur. Überall sind Türen, Kisten stehen herum und von irgendwoher dringen Stimmen an ihr Ohr. Nachdem sie eine Weile braucht, um sich an den Stimmen zu orientieren, ist sie sich sicher, dass sie von links kommen. Allerdings hilft ihr das nur insofern, dass sie weiß, wo sie anderen Personen über den Weg läuft. Wen sie dort erwartet, weiß sie nicht. Wo genau sie sich befindet, erst recht nicht. Auch wenn es eigentlich unnötig ist, wie immer, wenn sie irgendwo zum ersten Mal ist, prägt sie sich genau ein, wo was steht, wie viele Türen vorhanden sind, wo es langgeht und lautere andere solche Dinge. Noch kann sie nicht sagen, ob sie es brauchen wird, aber es kann nie schaden, sich in unbekannter Umgebung das wenige Bekannte zu merken. Die Tür ihr links gegenüber ist verschlossen, also bleibt nur noch die an der linken Stirnseite des Flures. Sie hat die Hand schon auf den Türgriff gelegt, zögert aber noch einen Moment. Sie hat mit Gewissheit ein dickes Fell, aber sich so in der Steinfaust zu präsentieren, würde einiges an Kraft kostet. Besonders mit Olyvar in der Nähe. Augen zu und durch. Vielleicht findest du ja heraus, wo du dich befindest und kannst verschwinden... Doch irgendetwas sagt ihr, dass Olyvar schon dafür sorgen wird, dass sie es nicht kann. Bevor sie es sich doch noch anders überlegt, öffnet sie dann die Tür und sieht sich augenblicklich mit der wohl ganzen Besatzung des Westflügels in vertrauter Familienidylle konfrontiert. Olyvar, Mattis und Diantha am Tisch, die Kinder ganz in ihrer Nähe, vollends damit beschäftigt möglichst viel Lärm mit ihrem Spielzeug zu machen. Natürlich ist ihr Auftauchen nicht unbemerkt geblieben, auch wenn einiges an Platz zwischen ihr und dem gedeckten Tisch ist, an dem sich Olyvar und Diantha gerade unterhalten haben, während Mattis immer mehr in sich hineinstopft. Ebenso wie die Erwachsenen sehen auch die Kinder zu ihr, aber interessieren sich dann wesentlich schneller wieder für das, was sie vorher getan haben. „Ifrinn.“, kommt es kaum hörbar aus ihrem Mund. Allerdings braucht man es auch nicht zu hören, um zu verstehen, was sie gesagt hat. Widerwillig schließt sie die Tür hinter sich und bleibt dann auf der Stelle stehen. Das eindeutig belustigte Lächeln in Olyvars Gesicht ignoriert sie gekonnt, ebenso wie seine neue Gefährtin. Glaubt er etwa wirklich, dass ich mich dort an den Tisch setze?

Ihr Blick weicht kurz zu den Kindern aus, als sich plötzlich alles um sie dreht. Sie weiß nicht woher es kommt, aber sie hat das Gefühl, als wenn sich etwas in ihr sich teilen will. Der Säulenraum verschwimmt vor ihrem Auge und nimmt sogar recht bizarre Formen an. Hastig greift sie nach dem Türgriff hinter sich, um sich wenigstens an etwas festhalten zu können. Sie spürt wie da mit einem Mal etwas anderes in ihr ist. Etwas, dass Angst verströmt. Nicht ihre eigenen Ängste, sondern viel banaler vor allem Möglichen, wie zum Beispiel der Tatsache, dass man sie nicht mögen könnte oder sie etwas falsches getan hat. Selbst als sie benommen mit dem Kopf schüttelt, scheint sich ihr Bewusstsein nicht beruhigen zu können. Viel mehr hat Shyada das Gefühl, dass es dadurch schlimmer wird. Obwohl sie aus den wenigen Worten Olyvars entnommen hat, dass diese andere Shyada sehr viel schwächer als sie sein muss, gelingt es ihr nicht sie zurückzudrängen. Viel mehr hat sie das Gefühl, dass sich alles mit ihr vermischt und ein einziges Gefühlschaos hinterlässt. Gefangen zwischen den Wunsch pausenlos zu fluchen und sich ängstlich in die Arme vom nächst besten zu flüchten.
„Thalla ...“ bringt sie keuchend hervor und bemerkt die Blicke der Kinder.  > "Mach meinen Kindern nie wieder Angst."< Trotz des heillosen Durcheinanders hinter ihrer Stirn, fallen ihr Olyvars Worte gerade jetzt wieder ein. Eigentlich kein Wunder, da weder das Mädchen noch der Junge so aussehen, als würden sie gleich voller Freude zu kichern anfangen. Da sie weder der anderen Shyada, noch dem Schwindel Herr wird und ihre Beine zu zittern beginnen, klammert sie sich nun auch mit der anderen Hand an den Griff und lehnt sich gegen die Tür. Ihr ist klar, dass jeder hier im Raum mitbekommt, was mit ihr passiert, aber sie würde sich nicht kraftlos auf den Boden fallen lassen. Irgendwann muss der innere Kampf ja schließlich vorbei sein. Wer auch immer daraus hervorgeht. Sicher ist sie sich nämlich nicht, da ihr die Intensität all dieser schwächlichen Gefühle beinah schon Angst macht.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 16. März 2007, 12:08 Uhr
Fianryns Kommentar über das gemeinsame Baden wollte Diantha eigentlich schlichtweg überhören. Es ist kindliche Logik - das war schön, deshalb sollen das auch alle zusammen machen, dann ist es noch schöner. Durchaus nachvollziehbar, aber den Kindern zu erklären, warum das trotzdem nicht so einfach ist, hatte Diantha an diesem Morgen eigentlich nicht vor. Doch Olyvar kann das natürlich nicht so im Raum stehen lassen, er ist eben Olyvar. Seine Erklärung, dass Diantha schon groß genug ist um alleine zu baden, stellt Fianryn natürlich nicht zufrieden und die Immerfrosterin sieht schon die Fragen des Mädchens auf sich zukommen. Warum dürfen große Leute nicht zusammen baden? Dürfen das alle nicht oder nur Diantha und Olyvar nicht? Und warum? Wenn ich Glück habe vergisst sie es wieder... Das einzig wirklich Witzige an der Situation ist Mattis hinter Pfannkuchen verstecktes Grinsen und die Art, wie sich Olyvar hinter seinem Cofeabecher versteckt. Diantha grinst nur ein wenig und denkt sich: Oh, in ein, zwei Jahren wird das mit den verfänglichen Fragen noch viel schlimmer meine Lieben, dagegen ist das hier nun wirklich noch harmlos...
Doch das Thema wird ja dann durch Conns begeisterte Pferdegeschichte unterbrochen, der Diantha auch recht aufmerksam zuhört - sie kann gut verstehen, dass der Junge von den Pferden begeistert ist, wundert sich nur ein wenig, dass er keine Angst vor den Tieren hat, schließich müssen die für ihn riesig sein. Kurz wandert ihr Blick dennoch zu Olyvar und sie stellt fest, dass der gestrige Abend fühlbare Spuren hinterlassen hat. Irgendetwas ist da auch jetzt noch zwischen ihnen, aber Diantha will nicht weiter darüber nachdenken und entscheidet ganz schlich: Freundschaft. Auf ihren Kommentar hin, dass Shyada normalerweise beim Frühstück anwesend ist, erwidert er nur, dass es bestimmt an dem Kleid liegt, dennoch steht er auf um nach seinem "Sorgenkind" zu schauen, wie er sie genannt hatte.

Es dauert nicht allzu lange und er ist wieder da, versichernd dass alles in Ordnung ist. >"Sie hadert wie erwartet mit dem Kleid,"< raunt er Diantha zu, als er sich Fianryn schnappt und wieder mit ihr zusammen hinsetzt. "Das kann ich gut verstehen, Kleider sind ja auch unpraktisch", murmelt Diantha zurück und erinnert sich an den einen Tag, den sie aufgrund von einer verlorenen Wette in einem Kleid verbracht hatte. Das Problem war eigentlich gar nicht so sehr, sich darin zu bewegen, anfangs ist es zwar ungewohnt, aber wenn der Saum nicht zu lang ist, stolpert man nach ein wenig Übung nicht mehr. Viel unangenehmer ist die Art, wie man behandelt und angesehen wird, besonders letzteres. Ihr hatte es ganz und gar nicht gefallen, wie einige der Wachen sie damals angesehen hatte, als sie mit den Kindern über den Hof gegangen war. Als wäre ihnen plötzlich klar geworden, dass sie ja wirklich eine Frau war. Seitdem liegt das Kleid unberührt in ihrer Truhe und der einzige Grund, den sich Diantha vorstellen könnte um es wieder anzuziehen wäre ein Fest, auf dem sie nicht als "die Diebin vom Inarifest" erkannt werden will.
Als Fianryn und Connavar aufgegessen haben, wenden sie sich gemeinsam der Spielkiste zu und nun bekommt Diantha auch die Gelegenheit etwas zu essen. Mit einem plappernden Kind auf dem Schoß ist es gar nicht so einfach, den eigenen Hunger zu stillen, besonders wenn das Kind dann vor Begeisterung über Pferde herumhampelt und mit wilden Gesten unterstreicht, was es erlebt hat. Zunächst einmal schenkt sie sich ein wenig Cofea ein, währenddessen fragt sie Olyvar plötzlich: >"Willst du nach dem Frühstück ein Bad nehmen? Dann geh ruhig, ich passe so lange allein auf die Zwillinge auf."< Eigentlich hat er schon den ganzen Morgen auf die Kinder aufgepasst und deshalb wäre es ungerecht, sie ihm noch weiter aufzuhalsen. Andererseits klingt der Vorschlag mehr als nur verlockend, so ein heißes Bad würde unter Garantie mehr Entspannung bringen als der traumreiche Schlaf in der letzten Nacht. Ihr Blick wandert zu den Kindern, die vergnügt miteinander ein Haus aus Bauklötzen bauen, das unter Garantie in kurzer Zukunft zusammenbrechen würde. "Das klingt nach einer wirklich guten Idee", meint sie schließlich mit einem dankbaren Lächeln. Ich werde mich auch beeilen, nimmt sie sich fest vor.

Das Gespräch wird unterbrochen, als plötzlich Shyada in der Tür erscheint. Diese murmelt nur etwas - Diantha glaubt erraten zu können was - zieht mit einer Geste voller Unlust die Tür zu und bleibt stehen. So und jetzt? Was hat Madame nun vor? Ohne auch nur hinschauen zu müssen, weiß Diantha, dass Olyvar breit grinst. Es scheint ihm wirklich Spaß zu machen Shyada zu ärgern, dabei ist das Kleid vermutlich schon herabwürdigend genug für die Frau. Wie auch immer, er kennt sie besser als ich. Einen Moment sieht die Amazone zu den Kindern, dann greift sie plötzlich wieder nach dem Türgriff, doch scheinbar nicht mit der Absicht das Zimmer zu verlassen, sondern vielmehr um sich daran zu klammern. Das passt so gar nicht zu Shyada. Liomie? Schließlich schüttelt Shyada den Kopf, hält sich aber weiterhin fest. Ihr Gesichtsausdruck ändert sich immer wieder, mal wird er weicher, dann wieder härter. Kämpfen sie gegeneinander? Oder was könnte sie sonst haben? Auch das gekeuchte >"Thalla..."< bringt keine Antwort auf diese Frage. Erst schaut Diantha zu den Kindern, die aber nur wenig beunruhigt, aber noch nicht wirklich ängstlich schauen. Gewiss denken sie daran, dass ich ihnen erzählt habe, dass Shyada krank ist. Da steht Connavar langsam auf und kommt auf sie zu. "Hat Shyadaaa ein Aua?", fragt er sie und lehnt sich gegen Dianthas Bein. "Ja, sowas ähnliches", flüstert sie ihm zu. "Hab keine Angst." Entrüstet schüttelt er den Kopf und meint dann: "Du musst ihr helfen!" So ganz alleine fühlt sich Fianryn vor der Kiste nicht mehr wohl und folgt ihrem Bruder. "Ja, Shyada is krank! Muss ins Bett!"
Diantha kann den Gedanken verstehen. Wie die Frau da mit zitternden Beinen an der Tür steht sieht sie wirklich aus, als würde sie jeden Moment umkippen. "Helfen!", widerholt Connavar nachdrücklich und sieht dann zu seinem Vater. "Papa!" Ja, Olyvar, dich lässt sie vermutlich am Nähesten an sich ran. Mich wird sie sowieso nur als Bedrohung ansehen, nach allem, was du mir über sie erzählt hast.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 16. März 2007, 22:47 Uhr
Da bitte, da hast du es. All das Gerede vom Baden schert Diantha überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Die Immerfrosterin scheint tatsächlich keineswegs davon berührt, sondern lächelt nur gelassen, als sei allein die Vorstellung so abwegig, dass man deswegen noch nicht einmal die Nase rümpfen muss. Und er kann sich wirklich nicht erklären, was genau ihn daran eigentlich zu stören hat, trotzdem ist es so. Warum verdammt noch mal? Und wieso zum Teufel verschwendet er überhaupt einen Gedanken daran? An Fianryns Frage war schließlich absolut nichts frivoles. Nein, das wirklich nicht... an seinen Gedanken allerdings schon. Oh bitte, bilde dir bloß nichts auf dich ein. Nur weil du... ja was eigentlich? Was? Er findet keinen Namen dafür, vielleicht kennt er ihn aber auch nur zu genau und meidet ihn deswegen wie der Dunkle das Weihwasser. Nur weil du also 'was auch immer' bist, heißt das noch lange nicht, dass es ihr genauso geht. Das tut es nämlich nicht, das sieht man ja. Als er von seiner Stippvisite bei der Amazone wieder zurückkehrt, ist er sich über das 'was auch immer' im Bezug auf Diantha immer noch kein bisschen klarer, hadert mit sich selbst, ärgert sich ohne zu wissen, worüber eigentlich und redet sich immer noch fest ein, dass er nur ein paar Mal tief durchatmen muss, und alles wäre wieder beim Alten. Auf seine Bemerkung über Shyadas Rebellion gegen Rock und Mieder, erwidert Diantha nur: >Das kann ich gut verstehen, Kleider sind ja auch unpraktisch.< Es ist nicht schwer anhand ihres Gesichtsausdrucks zu erraten, woran die Immerfrosterin gerade denkt und Olyvar hebt süffisant eine Braue. Unpraktisch...? Seine Mundwinkel zucken, handfest bemüht, nicht in ein Grinsen auszubrechen. Das würde ich so jetzt nicht behaupten... "Kann ich nicht beurteilen, ich hatte noch nie eines an," antwortet er. "Allerdings kann ich mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, was daran so schlimm sein soll. Es sind nur Kleider. Die meisten Frauen tragen welche. Daran ist doch nichts ungewöhnliches." Er nimmt einen Schluck Cofea, während die Kinder anfangen, mit ihren buntbemalten Holzklötzen zu spielen und sein Blick wandert von den Zwillingen wieder zu Diantha. Die Morgensonne fällt schräg durch die hohen Bogenfenster, malt helle Kringel auf den Boden, rändert die hölzernen Säulen mit Licht und fängt sich glitzernd in den wild geringelten blonden Strähnen der Immerfrosterin. Ihr Haar ist ungewöhnlich, so ungewöhnlich wie alles an ihr... heller als Honig und dunkler als Weizen ist es nicht wirklich kraus, aber doch auch mehr als nur wellig, ihre Locken sind dicht, schwer und weich, und gedreht wie Korkenzieher. Würden sie sich auch so weich anfühlen, wie sie aussehen? Mit Sicherheit. Kannst du vielleicht auch noch an etwas anderes denken? "Außerdem sehen Frauen in Kleidern und Röcken eindeutig besser aus als in Bruche und Beinlingen." Diantha nimmt sich etwas von dem Cofea - irgendwie sind sie mittlerweile allesamt dem exotischen azurianischen Getränk verfallen -, und beantwortet seine Frage, ob sie auch ein Bad nehmen wolle mit einem Lächeln, das zweifellos nur freundlich gemeint ist, in seinem Inneren jedoch etwas anrührt... etwas, das lange vergessen, still und dunkel gewesen ist.

>Das klingt nach einer wirklich guten Idee,< hört er sie sagen, doch noch bevor er irgendetwas erwidern kann, klappt eine Tür und Shyada betritt die Halle. Ihr Auftauchen lässt jedes Gespräch am Tisch verstummen und ruft prompt die neugierigen Zwillinge auf den Plan. Shyas grüne Katzenaugen weiten sich für einen Moment und ihr Mund formt sich zu einem lautlosen, halb entsetzten, halb empörten: >Ifrinn!<, als sie bemerkt, dass sie tatsächlich nirgendwo anders ist, als im Westflügel. Olyvar kann sich ein amüsiertes Grinsen über ihren Aufzug wirklich nicht ganz verbeißen... sie hatte das Kleid zwar nicht verstümmelt oder zerschnitten, aber sie hatte immerhin alles Flatternde der weiten Trompetenärmel mit Lederbändern an ihre Arme geschnürt. Außerdem geht sie wie auf rohen Eiern mit all den schwingenden Rockbahnen an ihren Beinen. Allein das schon verrät ihm, dass momentan wohl immer noch die Amazone in ihr Oberwasser hat, ihr Gesichtsausdruck macht es außerdem nur zu deutlich - sie sieht so unleugbar wütend aus, als wolle sie auf der Stelle zu einer neuen Schimpftirade ansetzen. Shyada blickt von ihnen zu den Kindern und wieder zurück, und plötzlich macht sie eher den Eindruck, als könne sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Ihr Gesicht wird weiß wie Milch, sie blinzelt ein paar Mal erschrocken, dann geben ihre Beine unter ihr nach, und sie kann sich nur noch am Türknauf hinter sich festkrallen. Olyvar tauscht einen alarmierten Blick mit Diantha und schüttelt gleichzeitig auf eine besorgte Frage seines Knappen, ob er nicht laufen und einen Maester herholen soll, den Kopf. "Nur wenn es nicht besser wird..." Diantha ist damit beschäftigt, die Kinder zu beruhigen und ihnen zu erklären, was vor sich geht, und als Conn prompt fordert, man müsse Shyada helfen, ist Olyvar schon aufgestanden, um es zu tun. Die Amazone kann sich kaum noch aufrecht halten, und sie fällt zwar nicht in Ohnmacht, aber sie sieht aus, als könne genau das gleich geschehen. Da er nicht weiß, was er sonst machen soll, nimmt er Shyada kurzerhand auf die Arme. "Lass den Türknauf los," fordert er sanft. "Shya, um Himmels Willen du kannst nicht einmal alleine stehen, jetzt schluck deinen dämlichen Stolz schon runter." Sie lässt die Klinke los, gibt ihre Versuche, sich gegen ihn zu wehren aber nicht ganz auf - allerdings ist sie nicht sehr groß und leicht wie ein Kind, und ihr Strampeln und ihr Herumgefuchtel sind außerdem so unkoordiniert, dass sie nichts damit ausrichtet. Er trägt sie zum Tisch, wo er sie auf den nächsten freien Stuhl setzt und sie dann in eine warme Decke hüllt. "Mattis, schenk einen Becher Cofea ein und hol ein kaltes Tuch." Obwohl Shyada immer noch alles andere als bei sich ist, zwingt er sie, das heiße, starke Getränk in kleinen Schlucken zu trinken, hebt ihr wirres Haar an und legt ihr dann das kalte Tuch in den Nacken. Das wirkt. "Aaaah!" Zischt sie erschrocken, erdolcht ihn mit einem bösen Blick und rupft ihm entschlossen das kalte Leinen aus der Hand. "Rach!" Fährt sie ihn an. Geh. "Ich denke nicht mal dran," erwidert er ungerührt. "Falls du's schon vergessen hast, das hier ist mein Zuhause. Hier trink das. Wie fühlst du dich, geht es wieder?" Shyada starrt in den dampfenden Becher und gibt lange Zeit keine Antwort. "Was ist da gerade passiert, Shya? Kannst du dich an irgendetwas erinnern?"  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 17. März 2007, 16:42 Uhr
Die Kinder brabbeln etwas, was sich aber ihrem Verstand entzieht. Sie hört die Stimmen, die sich mit dem Strudel ihrer Gefühle und Gedanken verbinden und glaubt sich jeden Moment übergeben zu müssen. Auch Diantha ist zu hören. Oder ist es doch Fianryn die spricht? Nein ihre Stimme ist anders. Sicher ist sich Shyada im Augenblick allerdings nicht. Die Lichtflecken auf dem Boden tanzen vor ihr hin und her und scheinen zu eigenen Wesen zu werden, die sie höhnisch auslachen, weil sie dort wie ein schwaches Weib an das nächst beste klammert, was in ihrer Nähe ist. Als unvermittelt eine Gestalt neben ihr auftaucht, zuckt sie leicht zusammen und will mehr Abstand zwischen sich und der anderen Person bringen, aber sie ist zu schwach dazu. Geschweige denn, dass sie sich überhaupt einen Sekhelrin rühren könnte. Die Berührung die folgt lässt sie erneut zusammenzucken. Sie will nicht das man ihr hilft, aber derjenige scheint anderer Meinung zu sein und prompt verliert sie Bodenkontakt. Trotzdem ist sie nicht gewillt, das einfach zuzulassen. Sie hatte nicht nach Hilfe gefragt, also soll Olyvar, denn wer anderes kann es eigentlich nicht sein, der sie so einfach übergeht, sie einfach in Ruhe lassen, aber natürlich tut er dies nicht. >"Shya, um Himmels Willen du kannst nicht einmal alleine stehen, jetzt schluck deinen dämlichen Stolz schon runter."< Er hat recht, wie eigentlich immer, aber das macht es nicht leichter genau dass zu tun, was er will und was besser für sie wäre. Sie zögert einen Moment, aber je länger sie sich an dem Türgriff festklammern würde, umso länger würde diese unerträgliche Situation andauern, so dass sie schweren Herzens loslässt. Neben ihren ganzen wirren Gedanken, huschen plötzlich wieder Erinnerungen durch ihren Kopf. Damals hatte man sie auch getragen, aber es war nicht Olyvar gewesen, sondern Varin. Zu jenem Zeitpunkt hatte man sie verprügelt und fast wäre es wieder geschehen. Das was sie zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Varin hatte es erfahren, niemand sonst. Sie hofft, dass er es keinem anderen weiter erzählt hat. Doch obwohl die Ursachen so unterschiedlich sind, befürchtet Shyada, dass es wieder passieren könnte. Dass sie wieder zu schwach wird und zuviel von sich preisgibt. Sie will es nicht, schafft es aber nicht einmal sich körperlich gegen Olyvar zu wehren, obwohl dieses andere Ich ständig versucht ist, sich schutzsuchend an ihn zu klammern. Das ewige Hin und her ihrer Gedanken ist unerträglich und macht es schwer, sich darauf zu konzentrieren, was gerade im Moment passiert und was längst vergangen ist. Erinnerungen vermischen sich mit dem was sich gerade vor ihren Augen abspielt und nehmen bizarre Formen an. Ganz wie in einem Alptraum. Aus dem kann man sich allerdings retten, in dem man aufwacht.

„Lass mich runter... ich will...“ ...das nicht. wollte sie eigentlich noch sagen. Im ersten Augenblick glaubt sie tatsächlich, dass Olyvar tut was sie verlangt, aber es ist nur reiner Zufall, dass sie es ausspricht, als er es sowieso vorhat. Der Stuhl unter ihrem Hintern gibt ihr wieder Halt und entlastet ihre wackligen Beine. Und auch wenn ihr nicht kalt ist, so ist sie doch dankbar für die Decke, da sie so etwas hat, um sich daran zu klammern, damit man vielleicht nicht bemerkt, wie stark ihre Hände zittern. Ich muss hier wieder weg. geistert es ihr durch den Kopf. Aber sie weiß, dass dies gerade nahezu unmöglich ist. Noch immer nicht fähig, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, schließt und öffnet sie immer wieder ihre Augen, bis sich plötzlich ein Becher mit einer dampfenden schwarzen Flüssigkeit in ihren Händen befindet. Sie weiß nicht, woher er kommt, aber Olyvar(zumindest glaubt sie, dass er es gerade ist) zwingt sie regelrecht den Inhalt zu trinken. Shyada kann sich nicht daran erinnern, so etwas schon einmal getrunken zu haben. Es hat einen seltsamen Geruch, aber es wärmt. Ihr ist zwar nicht kalt, aber Wärme hilft bekanntlich gegen vieles und gibt einem ein vertrautes Gefühl. Mit der Wärme im Bauch und der unter ihren Händen, den besorgten Berührungen fühlt sie sich so eingelullt, dass sie beinahe eingeschlafen wäre. Doch der jähe Schock der sie durchfährt, als sich unerwartet etwas kaltes in ihren Nacken legt, vergisst jeden Gedanken an Ruhe und Erholung. Ruckartig klären sich ihre Gedanken, was jedoch dazu führt, dass sie sich für einen kurzen Augenblick lang wie betäubt fühlt. Olyvars Gesicht ist unmittelbar vor ihr. Zu nah für ihren Geschmack. Wütend greift sie nach dem, was er ihr in den Nacken gelegt hat. Als sie seine Hand, da er ihr das kalte Tuch noch immer gegen die Haut drückt, berührt zuckt sie zusammen. Hab ich dir erlaubt mich anzufassen? Du sollst mich in Ruhe lassen. Verstehst du das nicht, du Hornochse?! Statt ihn aber mit einem endlosen Wortschwall anzugiften, begnügt sie sich mit einem einzigen Wort, um ihm klar zu machen, dass er abhauen soll. Aber natürlich tut er dies nicht und erklärt ihr auch vollkommen trocken warum. >"Ich denke nicht mal dran. Falls du's schon vergessen hast, das hier ist mein Zuhause.< Sie verzieht abfällig die Mundwinkel. Immerhin ist er selbst schuld daran, dass er sie hierher geschleppt hat. Sie hat es bestimmt nicht gewollt. Hätte sie die Kraft dazu gehabt, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen, um aufzustehen und zu gehen. Aber zum einen hat sie die nicht und zum anderen hat sich Olyvar so vor ihren Stuhl postiert, dass sie nicht ohne weiteres an ihm vorbeikommt. Wieder einmal hat er es geschafft, sie ohne großen Aufwand dazu zu bringen, sich nicht zu rühren. Was für ein beschissenes Spiel treibst du eigentlich mit mir? Sie weiß, dass sie nie die Freundlichkeit in Person war und ist, aber sie kann sich nicht daran erinnern Olyvar irgendwann persönlich angegangen zu sein. Also weiß sie auch nicht, welche schadenfrohen Gelüste ihn dazu treiben, sie hier festzuhalten. > Hier trink das. Wie fühlst du dich, geht es wieder?" Erneut zwingt er sie dazu das ungewöhnliche Gebräu zu trinken. Was sie allerdings verwundert, ist seine Frage. Sie kann sich nicht daran erinnern, dass es jemals eine Rolle gespielt hat, wie es ihr geht. Und sie war sich auch sicher gewesen, dass sie beide im stummen Einverständnis nichts mehr miteinander zu tun haben wollten. Damals hatte er ihr auch helfen wollen. Er hatte ihr eine Chance zur Rache gegeben, aber sie hatte sie ausgeschlagen, warum also benimmt er sich jetzt so? Sie hatte ihm mit Absicht und aus persönlichen Gründen vor den Kopf gestoßen und sich nicht mit der Auspeitschung zufrieden gegeben. Sie weiß, dass sie ihn gekränkt hatte, warum aber kümmert er sich jetzt darum, wie es ihr geht?

Leider gibt ihr die dunkle, fast schwarze Flüssigkeit im Becher keine Antwort darauf und verrät ihr auch keinen geeigneten Fluchtplan. Ifrinn. > "Was ist da gerade passiert, Shya? Kannst du dich an irgendetwas erinnern?"< Natürlich kann sie das. Aber das macht die ganze Sache auch nicht leichter. Geschweige denn, dass sie vorhätte, ihn davon zu erzählen. Als sie ihren Kopf wieder hebt und Olyvar ansieht, hätte sie ihn liebend gerne gefragt, warum er dies hier alles tut. Warum er sie hier behält, wie er überhaupt auf die Idee kommt, sich um sie kümmern zu müssen. Niemand hat das bislang getan und niemand braucht dies zu tun. Sie erwidert seinen Blick ohne Probleme. Er ist eindeutig besorgt um sie, aber sie kann es nicht nachvollziehen. Und insgeheim vermutet sie auch, dass es gar nicht um sie selbst, sondern dieses andere Ich geht, also spricht sie die Frage nach dem warum gar nicht aus. Es würde sie nicht einmal verletzten, denn es ist ihr klar, aber sie will es trotzdem nicht aus seinem Mund hören. „Ich heiße Shyada und nicht Shya... merk es dir.“ durchbricht sie die Stille schließlich regungslos. Diantha ist noch immer von den Zwillingen umringt, die sie aus großen Augen anstarren, als haben sie eine besonders merkwürdige Gestalt zu Gesicht bekommen. Ausdruckslos betrachtet Shyada sie einen Moment, sieht zu Diantha und dann wieder zu Olyvar. Nein sie weiß wirklich nicht, was sie hier soll, warum er sie hier behält. Selbst wenn er der anderen Person in ihr ein Versprechen gegeben hat, was ihn wohl ohne Zweifel in diese Situation gebracht hat, dann hätte er anderweitig dafür sorgen können, dass man sich um sie kümmert. Sie will Olyvar nicht antworten, aber vermutlich würde sie dann bis zum Ende der Zeit mit ihm hier verbringen. Keine besonders berauschende Aussicht im Moment. „Ich...“ Sie weiß was sie gefühlt hat, aber sie weiß nicht, wie sie es erklären soll. Sie versteht es ja nicht einmal wirklich. „Hat sie einen Namen?... Ich habe sie gespürt... nein eher das gefühlt, dass sie wohl sonst fühlt...“ Angst... sie ist ein verängstigtes dummes Kind. Das was ich niemals sein durfte. Ihre Stimme ist neutral, als erzähle sie eine beliebige Geschichte und trotzdem ist zu spüren, dass es sie nicht ganz so kalt lässt. Olyvar verrät ihr den Namen ihrer mehr oder weniger zweiten Persönlichkeit, sieht aber nicht so aus, als wenn er sich mit dem wenigen schon zufrieden geben würde. „Ich... wir?... sie versucht mich zu verdrängen...“ Sie will jemand der sie tröstet, der ihr hilft... ich nicht... glaube ich... Genau wie bei Varin damals spürt Shyada, wie ihre Gegenwehr bröckelt, weil sie keine Möglichkeit zur Flucht mehr hat. Trotzdem ist sie nicht gewillt, so schnell aufzugeben, denn sie weiß, dass sie mit irgendwelchen Tränken voll gestopft wurde und nicht Herrin ihrer Sinne ist. Auch wenn sie Shyada ist, kann sie sich nicht vollends kontrollieren. Und schon gar nicht würde sie vor versammelter Besatzung mehr als nötig sagen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 17. März 2007, 17:33 Uhr
Auf ihren Kommentar in Bezug auf  Shyadas Unwillen ein Kleid zu tragen antwortet Olyvar zunächst nur, dass er selbst noch nie eins getragen hat. Da müssen sowohl Mattis, als auch Diantha grinsen, sich den großen, breitschultrigen Lord Commander in einem Kleid vorzustellen ruft ein äußerst witziges Bild vor ihrem inneren Auge hervor. Nun, aber immerhin die Haare passen. Dabei fällt ihr auf, dass sie Olyvar nach all der Zeit noch nie mit offenen Haaren gesehen hat. Na und? Warum denke ich über so was nach? Er fährt fort zu reden, darüber dass doch die meisten Frauen Kleider tragen und das nichts ungewöhnliches ist. Tz, wenn alle es tun, dann wird es schon richtig sein, hm? Normalerweise neigst du nicht zu so einer Argumentationsweise, sonst hättest du mich nie angestellt, Olyvar. Ist etwas mit dir? Während sie den Kindern zusieht, wie sie anfangen mit den Bauklötzen kleine, instabile Häuser zu errichten, fühlt sie seinen Blick auf sich ruhen. Aus einem Grund, der ihr zunächst selbst nicht klar ist, traut sie sich nicht, den Blick von den Kindern abzuwenden und ihn anzusehen. Doch nach einem Moment wird ihr klar, dass sie Angst davor hat, dass in seinen Augen Herabwürdigung liegen könnte. Diese Angst scheint auch bestätigt zu werden, als er schließlich sagt: >Außerdem sehen Frauen in Kleidern und Röcken eindeutig besser aus als in Bruche und Beinlingen.< Bei diesen Worten fühlt sie einen schmerzhafter Stich, als wäre sie gewogen, gemessen und für nicht gut genug befunden worden. Vielleicht sollte ich... Diantha, worüber denkst du da gerade nach? Du ziehst in Betracht, ein Kleid anzuziehen, nur weil Olyvar dir gerade gesagt hat, dass er das hübscher findet? Bist du verrückt geworden?! Warum sollte es dich kratzen, ob er Frauen lieber in Kleider mag oder nicht? Weil ich ... Weil du was?! Weil ich ... ihn mag! Ach, na wenn das so ist ... dann hast du wohl vergessen, was der letzte Mann mit dir gemacht hat, den du "gemocht" hast? Oder machst du gerne den selben Fehler zwei Mal? Natürlich nicht! Aber damals war ich jung und dumm! Außerdem ist Olyvar nicht wie Riku! Er würde mir niemals so etwas antun! Das sagt wer? Mein Gefühl! So so, dein "untrügliches" Gespür für Männer sagt dir, dass dieser dir nicht weh tun würde? Dich nicht mit Gewalt zu dem zwingen würde, was er für richtig hält und dafür in Kauf nehmen würde, dir das Herz zu brechen? Ja, ich ... ich glaube schon. Sie lenkt sich schließlich damit ab, nach der Cofeakanne zu greifen und sich etwas von dem Getränk einzuschenken, das ihr in den letzten Monden immer lieber geworden ist. Mittlerweile kann sie sich kaum noch vorstellen, ohne eine Tasse Cofea einen Tag zu beginnen, zu sehr hat sie sich daran gewöhnt.

So hält sie auch bei Shyadas Betreten des Raumes eine Tasse in der Hand und stellt sie erst ab, als die Kinder zu ihr kommen und sie auffordern, doch etwas mit der dem Zusammenbruch nahen Amazone zu machen. Sie tauscht einen Blick mit Olyvar, der kurz darauf aufsteht und sich der Frau nähert. Ohne eine große Vorwarnung nimmt er sich einfach auf die Arme und redet auf sie ein, doch gefälligst den Türknauf loszulassen. Seine Stimme ist sanft, als würde er mit einem unwilligen Kind reden und das scheint zu wirken, denn endlich lässt sich Shyada mit geringem Widerstand von ihm tragen und auf einen Stuhl setzen. Dort wird sie zunächst mit einer warmen Decke und dem Allheilmittel Cofea versorgt, kurz darauf kommt Mattis mit einem kalten Tuch angelaufen, das Olyvar der Amazone prompt in den Nacken legt. Das kurbelt Shyadas Lebensgeister wieder so weit an um ihn anzufauchen, das heißt es kann ihr nicht allzu schlecht gehen. Darauf reagiert Olyvar - wie bisher immer bei seinem Umgang mit dieser Frau - sehr gelassen und ungerührt mit dem Spruch, dass hier schließlich sein Zuhause ist.
"Seht ihr, es geht ich schon gleich viel besser", murmelt Diantha den Kindern zu, die sich allmählich wieder beruhigen. "Das könnte in der nächsten Zeit öfter passieren, dann müsst ihr keine Angst haben, in Ordnung?", fragt sie daraufhin und die Kindern nicken, wenn auch nicht sehr überzeugend. Einen Moment überlegt sie, die beiden wieder zu ihrer Spieltruhe zu schicken, doch das würde vermutlich nichts bringen, sie würden trotzdem dauernd hierher gucken, neugierig und auch ein bisschen besorgt. Also wendet sich die Immerfrosterin mit einer Hand auf Fianrys Schulter und Conns Patschehand auf ihrem Knie wieder Shyada und Olyvar zu und hofft, dass sich die Amazone nicht allzu sehr aufregen wird, Diantha möchte die Kinder nicht schon wieder nach draußen schicken. Auf die Frage des Lord Commanders, wie es ihr geht schaut Shyada ihn nur verwundert an und Diantha stellt sich allmählich die Frage ob zwischen den beiden mal irgendetwas gewesen ist, aus dem Grund die Amazone es auch so merkwürdig fand, dass Olyvar sie hierher gebracht hat. Auf jeden Fall kennen sie sich von früher, sonst hätte er mir nie so viel über ihren Charakter erzählen können. Ich glaube, ich sollte ihn mal fragen, was da mit ihr früher war...
Nachdem Shyada auch nach einiger Zeit nicht antwortet fragt Olyvar weiter, ob sie sich an etwas erinnern kann, schließlich wäre es möglich, dass sie wieder Liomie ist, die sich an nichts erinnern kann. Dafür sieht sie Dianthas Meinung nach aber eindeutig nicht schockiert und verängstigt genug aus. Das beweist auch ihre Antwort, die sie aber sogar nicht mit aufgebrachtem Tonfall vorbringt. > "Ich heiße Shyada und nicht Shya... merk es dir."< Diantha fühlt sich ein wenig unwohl, als Shyada auf die Zwillinge sieht und ihr dann selbst in die Augen schaut. Grüne Augen, emotionslos, abweisend ohne wirkliches Interesse als die eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Dies sind nicht die Augen einer glücklichen Frau. Schließlich fährt die Amazone stotternd, aber mit sehr ruhiger Stimme fort zu reden. Scheinbar will sie nicht, dass man bemerkt, wie wichtig ihr das Gesagte ist, doch das zu verbergen gelingt ihr nicht wirklich. >„Ich...“< Oh ja, über Gefühle zu reden ist schwer, besonders wenn man sich selbst nicht so ganz klar ist, was man eigentlich fühlt, muss Diantha bei dem Zögern plötzlich denken und ist sich nicht so ganz klar darüber, ob sie damit Shyada oder sich selber meint. >„Hat sie einen Namen?... Ich habe sie gespürt... nein eher das gefühlt, dass sie wohl sonst fühlt...“< Olyvar beantwortet sie Frage, schaut Shyada aber weiterhin eindringlich an, als würde er noch mehr von ihr hören wollen und wieder wirkt es.> „Ich... wir?... sie versucht mich zu verdrängen...“< Das muss schrecklich sein... Diantha ist froh, dass Shyada dieses Mal einen ruhigeren Weg gesucht hat und nicht mehr nur herumfaucht und versucht jeden anzugreifen, der aus egal welchem Grund im Raum ist.  Auf einmal wirkt sie gar nicht schrecklich, sondern wie eine Frau in einer furchtbaren Situation, die eingesehen hat, dass sie nicht weglaufen kann und jetzt versucht, irgendwie mit der Situation klar zu kommen.
"So meine Lieblinge, ihr seht, es geht Shyada schon wieder besser. Ihr könnt jetzt wieder spielen gehen und müsst keine Angst haben", sagt die Immerfrosterin schließlich zu den Zwillingen und nickt auffordernd in Richtung der Spielkiste. Ein wenig zögernd lösen sich die Kinder wieder von ihr und gehen auf das Spielzeug zu, dennoch spürt Diantha die Blicke, die die Zwei dem Tisch immer wieder zuwerfen um sicher zu gehen, dass tatsächlich alles in Ordnung ist und auch bleibt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 17. März 2007, 19:18 Uhr
Der Cofea scheint zu wirken und Shyadas Lebensgeister wenigstens so weit anzuregen, dass sie nicht mehr zittert wie Espenlaub und ihre Wangen wieder ein wenig Farbe bekommen. Blass um die Nase und aufgewühlt ist sie zwar nach wie vor, aber das ist ihr schließlich auch nicht zu verdenken. Ich an ihrer Stelle hätte vermutlich auch das Gefühl, wahnsinnig zu werden, wenn ich mich an nichts erinnern könnte und immer jemand Fremdes an meine Stelle tritt... Seine erste Frage bleibt unbeantwortet, stattdessen pocht Shyada auf die vollständige Aussprache ihres Namens. >Ich heiße Shyada und nicht Shya... merk es dir.< Olyvar schüttelt nachsichtig den Kopf, während Shyadas Blick wachsam und misstrauisch für einen Moment zu Diantha und den Kindern schweift. Sie ist immer noch auf der Hut und sieht aus, als wolle sie am liebsten davonlaufen, aber sie wirkt um einiges friedlicher als noch gestern Abend. "Wenn dir soviel daran liegt, dann eben Shyada," erwidert er durchaus freundlich - er würde sich keinen Zacken aus der Krone brechen, sie damit anzureden, wenn ihr das so wichtig ist. Hinter sich kann er die neugierigen Stimmen der Kinder und Dianthas beruhigendes Murmeln hören, doch sie sitzen am anderen Ende des langen Tisches und auch Mattis hält sich dezent im Hintergrund. Seine zweite Frage versucht Shyada dann tatsächlich zu beantworten und Olyvar atmet erleichtert auf. Es ist das erste Mal seit Monden, dass er irgendwie zu ihr durchdringt und dabei nicht entweder ein völlig verängstigtes Mädchen oder aber eine fauchende Furie vor sich hat. > Ich... Hat sie einen Namen?... Ich habe sie gespürt... nein eher das gefühlt, dass sie wohl sonst fühlt...< Beginnt sie fast zögernd, klingt dabei jedoch so betont gleichgültig, als gehe sie das selbst nur am Rande etwas an. "Ihr Name ist Liomie. Aber ich weiß nicht, ob man ihn ihr gegeben oder ob sie ihn sich selbst ausgesucht hat," antwortet er. Wenn Shyada gefühlt hat, was Liomie fühlt, dann war sie vermutlich von einer Welle der Panik und Unsicherheit erfasst, und von einem Berg voller Selbstzweifel schier erschlagen worden. "War nicht sehr angenehm, was?" Erkundigt er sich leise und sie schüttelt den Kopf. >Ich... wir?... sie versucht mich zu verdrängen...< Einen Herzschlag lang sieht Shyada so aus, als wolle sie noch mehr sagen, als sei sie bereit, die verschlossene Tür in ihrem Inneren, diese Kerkertür mit ihren endlos vielen Schlagfallen und schweren Schlössern, mit den fingerdicken Eisenbeschlägen, den völlig festgefressenen Scharnieren, den Dutzend Riegeln und zusätzlichen Sicherungsbolzen tatsächlich einen Spalt weit zu öffnen, doch dann schnappt sie wieder zu wie eine Auster und schweigt sich aus.

Verdrängen? Die sanfte Liomie, die es immer allen Recht machen will? Olyvar kann sich kaum vorstellen, dass diese verhuschte Maus tatsächlich zu einem solchen Übergriff fähig sein soll, aber er glaubt Shyada. Andererseits weiß er auch etwas, dass die Amazone nicht weiß. "Das darfst du nicht zulassen. Du bist nicht Liomie, Shyada, du bist du. Lass dich nicht von ihr verdrängen... aber sperr sie auch nicht aus. Liomie braucht nur wenig Platz in der Welt, aber sie kämpft um ihr Überleben, verstehst du? Und ihr beide seid eins. Hör ihr zu, sie hat dir etwas zu sagen. Vielleicht kannst du ihr in deinem Inneren ein wenig Raum geben? Ich kann mich täuschen, ich bin kein Heilkundiger und kein Maester, aber ich glaube, ich habe dennoch Recht." Irgendwie zumindest. Olyvar fährt sich mit der Hand durchs Haar und lehnt sich zurück. "Ihr seid eins. Es ist, als hätte man dich irgendwann in zwei Hälften gespalten, in eine Liomie und eine Shyada. Der Teil von dir, der Liomie ist, muss jahrelang unberührt in dir geruht haben, aber als Jamar dir dieses Gebräu verabreicht hat, um dich, die Amazone, ruhig zu stellen, wurde sie frei." Ja, weil keine Shyada mehr da war, die sie in dem Kerker irgendwo in ihrem tiefsten Inneren eingeschlossen hat. "An einem Tag im Herbst bin ich mit Liomie zu deinem Pfahlbaumhaus hinaufgeritten. Es steht noch, aber es sieht ziemlich mitgenommen aus. Das Dach ist an drei Stellen undicht, durch die Ritzen in den Wänden pfeift der Wind. Ich habe es ihr gezeigt, weil sie wissen wollte, warum ich sie mit zu mir genommen hatte. Ich hatte ihr auf dem Schiff versprochen, sie nach Hause zu bringen und meinte dabei Talyra, und sie dachte wohl..." er verstummt und zuckt mit den Schultern. "Einerlei. An diesem Tag habe ich ihr alles erzählt, was ich über Amazonen, dich und dein Leben hier in Talyra weiß. Sie hatte ein Recht darauf es zu wissen, sie wollte es auch wissen - und ich wollte sie nicht belügen. Sie hat bittere Tränen geweint, Shyada. Sie wollte von mir wissen, wie es sein könne, dass sie nicht sie und nicht 'echt' wäre. Sie sei doch am Leben, sie sei wirklich, sie atme und fühle. Und ich hatte keine Antwort für sie. Sie war sehr tapfer. Sie hat es auf sich genommen und hat all die letzten Monate ausgeharrt und gewartet, dass du zurückkehren würdest. Dass die Erinnerungen wieder kämen. Liomie ist für dich wie ein Lamm zur Schlachtbank gegangen, Shyada, denn eine ihrer größten Ängste war, wieder so zu werden, wie du."  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 18. März 2007, 11:40 Uhr
Auch wenn Diantha nicht sehr weit von ihr entfernt ist, dringt die Stimme der Frau nur leise an ihr Ohr, so als würde sie durch etwas gedämpft werden, damit sie sich voll und ganz auf ihren Widersacher ihr gegenüber konzentrieren kann. > "So meine Lieblinge, ihr seht, es geht Shyada schon wieder besser. Ihr könnt jetzt wieder spielen gehen und müsst keine Angst haben"< Am liebsten hätte Shyada bitter aufgelacht. Oh ja, wie viel besser es ihr doch geht. Sie sprüht gerade so vor guter Laune und Kraft. Aber sie hat keinen Elan um darauf zu reagieren. Olyvar scheint ihr Anliegen mit dem Namen ohne weiteres zu akzeptieren. Sie weiß warum, denn es liegt nahe, dass er vermutet, dass sie wieder bissig werden könnte. Genau genommen ist es eigentlich ohnehin unwichtig wie man sie ruft. Schließlich hat sie zur Zeit wohl auch zwei Namen, die mehr oder weniger zu ihr gehören.
> "War nicht sehr angenehm, was?"< Solche Gefühle sind ihr nicht fremd, eigentlich schleppt sie sie ständig mit sich herum, aber nie in solchem Ausmaß. Nie mit solcher Kraft, dass sie sich unfähig fühlt auch nur einen Schritt weiter zu tun oder einen Tag weiter zu denken. Für ihren Geschmack hat sie bereits schon zuviel über das gesagt was mit ihr passiert. Die Kinder würden es nicht begreifen, dass ist ihr klar, aber es sind drei Erwachsene im Raum, die jedes ihrer Worte verstehen. Drei Erwachsene zuviel die sie jetzt so sehen und bei keinem kann sie eindeutig beurteilen, wer damit gleich zum nächsten rennen würde. Olyvar vielleicht weniger, dafür sieht er viel zu ernst aus, angesichts der Tatsache, dass er vorher noch einen Heidenspaß hatte. Sie war hergekommen um etwas zu essen, aber am liebsten würde sie jetzt wieder gehen. Je länger sie hier sitzen würde, umso größer wären die Chancen, dass sie Dinge tun wird, die sie später garantiert bereuen würde. Doch es gibt keinen Ausweg aus dieser Situation. > "Das darfst du nicht zulassen. Du bist nicht Liomie, Shyada, du bist du. Lass dich nicht von ihr verdrängen...< Diese Worte aus Olyvars Mund zu hören ist seltsam. Nie hätte sie damit gerechnet, dass ihr jemand sagen würde, dass sie sie selbst bleiben soll, wo doch alle Welt nur Probleme mit ihr hat. > ... aber sperr sie auch nicht aus. Liomie braucht nur wenig Platz in der Welt, aber sie kämpft um ihr Überleben, verstehst du? Und ihr beide seid eins. Hör ihr zu, sie hat dir etwas zu sagen. Vielleicht kannst du ihr in deinem Inneren ein wenig Raum geben? Ich kann mich täuschen, ich bin kein Heilkundiger und kein Maester, aber ich glaube, ich habe dennoch Recht."< Ihre anfängliche Verwirrung geht in einen leichten Schreck über, als sie verinnerlicht, was ihr Olyvar da gerade zu erklären versucht. Niemals würde sie zulassen, dass diese Liomie auch nur einen Hauch einer Chance hätte, sich über sie, Shyada, der Außenwelt zu zeigen. Wenn dieses Mädchen schon so verängstigt ist, wenn Shyada sie noch halbwegs beeinflussen kann, was für ein erbärmliches Ding würde sie dann sein, wenn sie volle Kontrolle über diesen Körper hätte? „Ich...“ beginnt sie, aber Olyvar scheint noch nicht fertig sein.

Glücklicherweise bringt er etwas mehr Abstand zwischen sie beide, so dass Shyada das Gefühl hat, freier atmen zu können. Wohler fühlt sie sich deswegen aber noch lange nicht. > "Ihr seid eins. Es ist, als hätte man dich irgendwann in zwei Hälften gespalten, in eine Liomie und eine Shyada. Der Teil von dir, der Liomie ist, muss jahrelang unberührt in dir geruht haben, aber als Jamar dir dieses Gebräu verabreicht hat, um dich, die Amazone, ruhig zu stellen, wurde sie frei."< Als Olyvar spricht taucht ein Bild vor Shyadas inneren Auge auf, dass sie über alle die Jahre immer wieder brav in die dunkelsten Ecken ihres Bewusstseins verdrängt hatte. In zwei Hälften gespalten? Es klingt komisch, aber je länger sie darüber nachdenkt, umso wahrscheinlicher wird es für sie. Absurderweise stellt sie fest, dass Olyvar nur Vermutungen äußert, die aber irgendwann in der Vergangenheit tatsächlich mal stattgefunden haben. Er glaubt, sie weiß. Denn sie hat die Erinnerungen... noch.
Olyvar redet weiter und bestätigt damit eine von Shyadas unausgesprochenen Fragen. Das alles tut er für diese Liomie, nicht für sie. Warum also sollte sie dann noch länger hier bleiben? Auch wenn dieses Mädchen scheinbar existiert, es würde wieder in seine dunkle Ecke verdrängt werden. Es war schließlich nie Platz in dieser Welt für sie und wäre dieser Jamar nie gewesen, hätte niemand von ihr erfahren. Ihre Hände umschließen den Cofea-Becher stärker, so dass ihre Knöchel weiß hervortreten. Sie will nicht mehr hören, was Olyvar zu sagen hat. Er und seine dummen Vermutungen machen es nur noch schlimmer und nicht besser. Was geht es ihn überhaupt an? Sie ist jetzt Shyada, ihr gegenüber hat er keine Verpflichtungen, er braucht sie einfach nur in Ruhe zu lassen. > Sie hat bittere Tränen geweint, Shyada. Sie wollte von mir wissen, wie es sein könne, dass sie nicht sie und nicht 'echt' wäre. Sie sei doch am Leben, sie sei wirklich, sie atme und fühle. Und ich hatte keine Antwort für sie. Sie war sehr tapfer. Sie hat es auf sich genommen und hat all die letzten Monate ausgeharrt und gewartet, dass du zurückkehren würdest. Dass die Erinnerungen wieder kämen. Liomie ist für dich wie ein Lamm zur Schlachtbank gegangen, Shyada, denn eine ihrer größten Ängste war, wieder so zu werden, wie du."< Würden ihr Finger den Becher nicht umklammern, hätten sie wohl wieder zu zittern begonnen. Verfluchter Mistkerl... warum erzählst du mir das? Das geht dich alles nichts an, hörst du? Es geht dich NICHTS an! Sie schweigt. Versucht das Gehörte zu verdauen, obwohl sie es eigentlich schon längst verinnerlicht hat.

Bilder von einem kleinen Mädchen, dass viel gelacht hatte streifen ihre Erinnerungen. Das Mädchen gibt es nicht mehr. Zumindest hatte Shyada sich es immer wieder eingeredet, solange, bis es verschwunden war. Und das liegt schon über die Hälfte ihres Lebens zurück. Sie weiß nur zu gut, wo die Unterschiede zwischen heute und damals liegen. Sie selbst war schließlich die ganze Zeit dabei, aber wie kann sich jemand anmaßen ihr Vorwürfe zu machen, obwohl er eigentlich nichts weiß? Wieso glaubt Olyvar, dass er das Recht hat, ihr einfach ins Gewissen zu reden, wo sie all die Jahre gut damit leben konnte. Liomies Angst mag es sein wieder zu Shyada werden, aber wer kümmert sich darum, ob es ihre Angst ist, wieder wie sie zu werden? Keiner. Warum also sollte sie es interessieren? Das Mädchen gehört nicht hierher, es hatte einst in die Tiefen des Dunkelwaldes gehört, bis zu dem Tag. Danach hat es einfach keine Berechtigung mehr gehabt Teil Rohas zu sein.
„Sie gehört nicht hierher...“, antwortet sie schließlich nach einer ganzen Weile und weiß genau, dass Olyvar lieber was anderes gehört hätte. Shyada hatte genug Nischen für sich gefunden, das dumme Mädchen Liomie würde sich nie zurechtfinden. Nicht allein. Olyvar hatte ihr nicht geraten, Shyada oder Liomie komplett aufzugeben, sondern sie zu vereinen, aber das erscheint ihr noch unmöglicher als alles andere. Wie sollte man auch Feuer und Wasser vereinen? Liomie hatte sich vor langer Zeit entschieden, dass es sie nicht mehr geben soll, warum sollte sie es jetzt wieder wollen? Weil du Zweifel hast., erklärt sie sich überflüssigerweise selber und weicht zum ersten Mal Olyvars Blick bewusst aus, weil sie weiß, dass ihre Augen sie verraten könnten. „Es gibt keinen Platz für sie... den hat es nie gegeben, also hör auf. Hör einfach auf. Ich will es nicht hören, verstehst du?“ Sie sieht wieder hoch. Sie meint es ernst, sie hätte ihn gerne angeschrieen, aber sie kann nicht, weil sie sich zu schwach dafür fühlt und ihre Stimme viel zu belegt ist. Shyada weiß nicht, ob sie schon genug Kraft dafür hat, aber länger aushalten würde die es hier auch nicht mehr. Bemüht darum nicht zu zittern, stellt sie den Becher auf den Tisch zurück, streift die Decke ab und erhebt sich. Natürlich schwankt sie bedrohlich, aber sie muss hier weg. Sie will allein sein. Ihr Blick huscht zu der Tür, aus der sie gekommen ist, aber dort erwartet sie nur ein enger Gang, kein Weg nach draußen. Doch gibt es zu viele andere Türen in der Halle, als dass sie wüsste, welche von hier weg führt. Sie braucht frische Luft und am besten auch noch möglichst viel Abstand zwischen sich und Olyvar. An die anderem im Raum denkt sie schon gar nicht mehr. Sie hätten sie nie so weit gebracht und ihr wieder all die Zweifel aufgedrängt, die sie so sorgfältig verschlossen hatte. Da sie vorher nie im Westflügel war, fällt es ihr nicht leicht sich zu orientieren, aber mit Hilfe dessen, was sie über die Steinfaust weiß, entschließt sie sich für die Tür an der von ihr linken Stirnseite. Und selbst wenn dort nur ein weiterer Raum auf sie wartet. Hauptsache sie kommt hier weg.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 18. März 2007, 16:08 Uhr
Das, was Olyvar daraufhin sagt, muss für Shyada schwer zu ertragen sein. >„Du bist nicht Liomie, Shyada, du bist du. Lass dich nicht von ihr verdrängen... aber sperr sie auch nicht aus. Liomie braucht nur wenig Platz in der Welt, aber sie kämpft um ihr Überleben, verstehst du? Und ihr beide seid eins“< Als Diantha Shyada einen unaufdringlichen Blick zuwirft, meint sie in Shyadas grünen Augen eine Mischung aus Verwirrung und Gräuel erkennen zu können. Für sie muss Liomie all das in sich vereinen, wie sie selbst nie sein wollte, was sie selbst nie zeigen wollte. Es fällt ihr gewiss nicht leicht, die Kleine als ein Teil von sich zu akzeptieren… Man kann sich so viel vormachen, das weiß ich ja selber nur zu gut. Doch auch wenn Diantha das Verhalten der Amazone nachvollziehen kann, empfindet sie kein direktes Mitleid, sie weiß selbst nicht so genau warum. Aufmerksam hört sie Olyvar weiterhin zu, ist überrascht von seinem Einfühlungsvermögen, denn kein einziges Mal schlägt Shyada auf den Tisch und behauptet das könne gar nicht so sein, was sie sicherlich gemacht hätte, wenn er etwas grundsätzlich Falsches gesagt hätte. Als er weiterredet stellt sie auch fest, was der große Unterschied zwischen ihr und Shyada ist >„Der Teil von dir, der Liomie ist, muss jahrelang unberührt in dir geruht haben, aber als Jamar dir dieses Gebräu verabreicht hat, um dich, die Amazone, ruhig zu stellen, wurde sie frei."< Sie selbst hat immer versucht, den unschuldigen, ängstlichen Teil ihrer Selbst vor der Welt zu verstecken und davor zu beschützen, dass ihm wieder etwas angetan wird. Doch bei Shyada war es wohl etwas anderes – sie hat versucht diesen Teil zu unterdrücken, so zu tun als wäre er nicht vorhanden, sie hat sich die eigene Schwäche nicht einstehen wollen. Es ist ja ein halbes Wunder, dass das so lange funktioniert hat! Ein weiterer Blick auf Shyada bestätigt, dass das was Olyvar sagt, zu stimmen scheint. Die Frau krallt sich an ihrem Becher fest, als wäre das der rettende Anker in einem tosenden Meer.

Doch der Lord Commander spricht weiter, ehrlich und eindrücklich, erspart Shyada keine der harten Tatsachen. >Sie hat bittere Tränen geweint, Shyada. Sie wollte von mir wissen, wie es sein könne, dass sie nicht sie und nicht 'echt' wäre. Sie sei doch am Leben, sie sei wirklich, sie atme und fühle. Und ich hatte keine Antwort für sie. Sie war sehr tapfer. Sie hat es auf sich genommen und hat all die letzten Monate ausgeharrt und gewartet, dass du zurückkehren würdest. Dass die Erinnerungen wieder kämen. Liomie ist für dich wie ein Lamm zur Schlachtbank gegangen, Shyada, denn eine ihrer größten Ängste war, wieder so zu werden, wie du."< Was soll sie denn darauf antworten! Darauf gibt es nichts zu sagen, denkt sich Diantha und fühlt sich allmählich wie ein Voyeur, der Einblicke in die Seele eines Menschen erhält, den er kaum kennt und der ihr nicht traut. Sie hat das Bedürfnis zu gehen, Olyvar und Shyada alleine zu lassen, andererseits kann sie nicht einfach so den Raum verlassen, das wäre nicht richtig.
Die Stille wird nach einiger Zeit durch die Worte: >„Sie gehört nicht hierher...“< unterbrochen. Ach Shyada, du kannst sie nicht ewig verleugnen, geht es Diantha durch den Sinn, doch sie fühlt sich nicht in der richtigen Position um das auch laut zu sagen, sondern nimmt nur einen weiteren Schluck Cofea. Es ist Shyadas Leben, sie hat das Recht sich einzureden, dass es Liomie nicht gibt, Diantha geht das nichts an. Es tut ihr zwar um das unsichere Mädchen leid, das doch einige Zeit mir ihr zusammen im selben Haus gewohnt hat und das sie irgendwo auch mochte, aber sie kann Shyada nicht zwingen zu akzeptieren, wer sie ist. >„Es gibt keinen Platz für sie... den hat es nie gegeben, also hör auf.“< [i]DU hast ihr keinen Platz gegeben. >„Hör einfach auf. Ich will es nicht hören, verstehst du?“< Ihre Stimme ist belegt, sie scheint immer noch recht schwach zu sein, dennoch ist ihr anzusehen, dass sie meint, was sie da sagt. Es ist sinnlos, Olyvar. Diantha sieht den Lord Commander einen Moment an und schüttelt dann leicht den Kopf. Er hat genug gesagt, mehr würde die Amazone Dianthas Meinung nach nicht ertragen. Sie kann sich irren, doch sie hat das Gefühl, dass es erst einmal einige Zeit dauern wird, bis Shyada das akzeptieren können wird, was er gerade gesagt hat. Vielleicht auch nie… Doch er hat es versucht und das ist mehr, als alle anderen getan haben. Wieder einmal.

Zitternd erhebt sich Shyada schließlich, wickelt sich aus der Decke und lässt den Blick zu der Tür wandern, durch die sie die Halle betreten hatte. Dabei wirkt sie so blass und unsicher wie eine Puppe, schwankt einige Male, dennoch ist ihr die Entschlossenheit das Zimmer zu verlassen an der Nasenspitze abzulesen. Diantha glaubt nicht, dass sie weglaufen will, sondern hat den Eindruck, dass Shyada einfach nur allein sein will. Aber was weiß ich schon? Shyada verschwindet schließlich durch eine der anderen Türen. Einen Moment bleibt Diantha noch sitzen, schaut der Amazone hinterher, wie sie mit unsicheren Schritten die Halle verlässt und seufzt einmal leise. Dann entschließt sie sich, endlich zu gehen, sie will sich nicht noch mehr in Shyadas Angelegenheiten einmischen. Leise steht sie auf und geht zu Mattis. „Könntest du bitte auf die Kinder aufpassen? Es wird nicht lange dauern, ich möchte nur den Badehäusern einen kurzen Besuch abstatten.“ Der Junge nickt nur ernst, diese Situation versucht nicht einmal er mit einem lockeren Spruch zu entschärfen. Es ist einfach nicht lustiges daran, wenn ein Mensch verzweifelt versucht sich einzureden, dass er nicht der ist, der er ist. „So meine beiden, ihr spielt jetzt ein wenig mit Mattis, ich gehe ein bisschen baden und dann gehen wir Drei in den Garten, einverstanden?“, fragt sie, während sie sich zu den Kindern hinunterbeugt. Bei der Aussicht im Garten zu spielen, fangen Fianryns Augen an zu glänzen und auch Connavar scheint durchaus angetan. Seit dem letzten Schneefall gab es aufgrund des Regens nicht allzu viele Gelegenheiten das große, steinerne Gebäude zu verlassen, deshalb wundert Diantha die Freude der Kinder nicht.
Schließlich tritt die Immerfrosterin unsicher an Olyvar heran, der noch am Tisch sitzt und der Amazone nicht sofort hinterher gelaufen war, was wohl auch nur dazu geführt hätte, dass die sich noch viel mehr aufgeregt und vielleicht vollends zusammengebrochen wäre. Sanft legt sie ihm die Hand auf die Schulter, zaghaft, jederzeit bereit sie wieder zurückzuziehen, sollte sie Wut in seinen Augen erkennen. Leise fängt sie an zu sprechen: „Lass ihr ein wenig Raum um allein über das nachzudenken, was du ihr gesagt hast. Es waren … harte, aber ehrliche Worte, es fällt ihr gewiss nicht leicht das zu verkraften. Ich glaube momentan wäre sie nicht einmal körperlich in der Lage um aus der Steinfaust wegzulaufen, was das angeht musst du dir zumindest im Moment nicht allzu viele Sorgen machen. Manche Dinge muss man allein mit sich selbst regeln… Gibt ihr Gelegenheit dazu.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 19. März 2007, 09:53 Uhr
>Sie gehört nicht hierher...< ist alles, was Shyada auf seine Worte hin erwidert, doch dann schlägt sie bewusst die Augen nieder und weicht ihm aus. "Doch, das tut sie," antwortet er leise, aber ebenso ernst. "Sie ist ein Teil von dir, Shyada, ob du das willst oder nicht." Du trägst sie in dir, egal wie weit du auch vor ihr davonläufst... und sie will nicht wieder in ihr dunkles Verlies zurück.
>Es gibt keinen Platz für sie... den hat es nie gegeben, also hör auf.< Widerspricht sie entschlossen und harsch. >Hör einfach auf. Ich will es nicht hören, verstehst du?< Fast ruckartig hebt sie Kopf und Blick wieder, und in ihren grünen Katzenaugen meint er für einen Moment etwas von dem dunklen Irrgarten ihres verworrenen Selbst zu erkennen - einem ungeheuren Labyrinth voller Selbsttäuschung, Zweifel und ohnmächtigem Zorn. "Aye," nickt er. "Ich verstehe." Wer will schon bittere Wahrheiten über sich selbst hören? Niemand, vor allem nicht jemand, der sich selbst so meisterlich belügt wie du. "Ich weiß nur, dass es überhaupt keine Rolle spielt, ob du es hören willst, oder nicht, Shyada. Die einzige Frage ist, ob du dich selbst weiter täuschen kannst. Aber das klärst du vielleicht am besten mit Liomie selbst."  Aus den Augenwinkeln fängt er einen eindringlichen Blick Dianthas auf, die ihn ansieht und sacht den Kopf schüttelt, als wolle sie sagen: Lass es für den Moment gut sein, Olyvar. Sie hatte wohl oder übel ihr ganzes Gespräch mit angehört, sich aber, wie auch Mattis, bewusst heraus und unaufdringlich im Hintergrund gehalten. Meinst du? Fragt sein Blick zurück. Seltsamerweise hört er auf sie, oder vielmehr auf ihre stumme Aufforderung, obwohl er zuerst eigentlich versucht ist, noch mehr zu sagen. Er will die Amazone bestimmt nicht bedrängen, aber er lässt das Gesagte auch nur ungern einfach so im Raum stehen. Vielleicht hat Diantha recht und sie muss das erst einmal verdauen. Der einzige Grund allerdings, warum er Shyada dann nicht verwehrt, aufzustehen und zu gehen, ist der, dass sie von allen möglichen Türen aus der Halle ausgerechnet die neben dem großen Kamin, an der Stirnseite der Halle zu ihrer Linken, wählt. Sie führt in sein Schlafgemach hinauf und von dort gibt es keinen anderen Ausweg, als den zurück durch die Halle - und eine Geheimtür, die nur er selbst kennt. Früher oder später würde sie also ohnehin wieder zurückkommen müssen. Olyvar sieht der Amazone nach, wie sie auf unsicheren Beinen, aber aufrecht, davon wankt und durch die Tür verschwindet, und schüttelt resigniert den Kopf. Im Hintergrund hört er Dianthas rauchige Stimme, wie die Immerfrosterin leise erst mit Mattis, dann mit den Zwillingen spricht, aber er ist zu sehr in Gedanken versunken, um auf ihre Worte im Einzelnen zu achten. Sollte er Shyada nachgehen? Ihr vielleicht etwas zu Essen bringen? Sollte er sie ganz in Ruhe lassen oder wenigstens versuchen, ihr den Irrglauben zu nehmen, ständig gegen ihn kämpfen oder vor ihm, vor ihnen allen hier, auf der Hut sein zu müssen? Er weiß es nicht.

Erst Dianthas Hand auf seiner Schulter lässt ihn überrascht aufblicken. Sie ist so leise zu ihm getreten, dass er sie nicht gehört hat. Ihre Berührung ist leicht, fast fragend und sehr vorsichtig, doch es ist eine Berührung - eine Geste, die ihm ganz ohne jedes Wort sagt, dass sie hier ist und ihn versteht. Olyvar erwidert sie ohne zu zögern, ohne nachzudenken, hebt die eigene Hand und umfasst damit Dianthas warme Finger an seiner Schulter. Er schiebt sie nicht fort und er nimmt sie nicht, er hält sie einfach nur. >Lass ihr ein wenig Raum um allein über das nachzudenken, was du ihr gesagt hast. Es waren... harte, aber ehrliche Worte, es fällt ihr gewiss nicht leicht das zu verkraften.< "Wahrscheinlich hast du recht," antwortet er mit einem vagen, ein wenig herbem Lächeln. "Es ist nur... ich kann nichts tun." Er atmet tief und langsam durch. Die Erkenntnis, macht- und hilflos zu sein hat ihm noch nie geschmeckt, aber im Augenblick jedenfalls kann er rein gar nichts daran ändern, er ist kein Heiler und kein Maester. "Ich kann nur ehrlich zu ihr sein und ihr meine Freundschaft anbieten." Kaum hat er die Worte ausgesprochen, wird ihm klar, dass er das eigentlich schon immer getan... und Shyada es nie angenommen hatte. "Ich fürchte nur, je mehr man sie in Ruhe lässt, desto mehr fühlt sie sich bestätigt. Desto mehr wird sie Liomie bekämpfen... oder vielleicht irgendetwas wirklich Dummes tun." >Ich glaube momentan wäre sie nicht einmal körperlich in der Lage um aus der Steinfaust wegzulaufen, was das angeht musst du dir zumindest im Moment nicht allzu viele Sorgen machen. Manche Dinge muss man allein mit sich selbst regeln... Gib ihr Gelegenheit dazu.<
"Mmpf," schnaubt er leise, aber nicht wütend, sondern eher zermürbt. "Um wegzulaufen hat sie auch die falsche Tür benutzt." Manche Dinge muss man allein mit sich selbst regeln... "Ich hoffe, du hast Recht und sie wird wenigstens darüber nachdenken... Shya ist eine wahre Meisterin, wenn es darum geht, Wahrheiten zu verleugnen, die nicht in ihre Welt passen, weißt du." Für einen Moment wandern seine Gedanken in die Vergangenheit, zu Shyadas Dienstzeit in der Steinfaust, zu allem, was geschehen war, dann kehrt er ins Hier und Jetzt zurück. "Geh dein Bad nehmen, conasg, hm?" Er drückt kurz Dianthas Hand, die immer noch an seiner Schulter liegt, und gibt sie dann fast widerstrebend frei. "Ich halte hier so lange..." sein Mund verzieht sich zu einem zweifelhaften Grinsen, "Amazonenwache. Vielleicht kommt sie ja doch wieder herunter, um etwas zu essen." Nachdem Diantha den Westflügel verlassen hat, um sich eine wohlverdiente Auszeit in den Badehäusern zu nehmen, schickt Olyvar einen ganz und gar merkwürdig grinsenden Mattis kurz in sein Solar zu Pumquat, seinem Schreiber, und Vareyar, dem Offizier der Indigogarde, der ihn als Lord Commander vertritt, so lange er wegen Shyada seinen Dienst zumindest nicht voll versehen kann.

Der Junge kehrt jedoch bald mit einem Stapel voller Pergamente und Wachstäfelchen zurück und Olyvar, der alle neugierigen oder fragenden Blicke seines Knappen stoisch ignoriert, setzt sich an das freie Ende des Tisches, um wenigstens einen Teil des leidigen Schreibkrames zu erledigen, wenn er hier schon auf die Amazone wartet. Mattis räumt - bis auf etwas zu Essen für Shyada - den Tisch ab, und Olyvar sieht eine Weile die Inventarslisten von Rhordri, einige Schreiben und Mitteilungen durch, während die  Kinder absolut friedlich in der Morgensonne spielen. Fianryn hat Mattis in Beschlag genommen und übt mit ihm "Stock und Ball", etwas, das der Bengel aus seiner Kinderzeit noch meisterlich beherrscht, seine Tochter mit ihren zwei Jahren allerdings eher weniger... aber sie lässt sich trotzdem nicht entmutigen. Olyvar ist sich sicher, dass sein Knappe diese Stunden süßen Nichtstun im Westflügel durchaus genießt, wenn er auch manchmal mit den Augen rollt - denn sobald Diantha wieder hier wäre, wird der Junge sehen müssen, dass er zu Vareyar kommt, schließlich ist er nicht nur Spielkamerad für zwei Kleinkinder, sondern auch noch Rekrut der Indigogarde. Conn hat es sich derweil unter dem Tisch bequem gemacht, wo er mit Katze beschäftigt ist, die ihm - heute in Gönnerlaune - den Gefallen tut, der "Maus" hinterher zu jagen, die aus einer halben Walnussschale, einem grauen Wollfaden als Schwänzchen, Bucheckernstückchen als Ohren und einem Bindfaden, um sie über den Boden zu ziehen, besteht. Diantha hatte sie ihm gebastelt, ebenso wie sie Fianryn Ziegen aus Kastanien und Haselnüssen, versehen mit winzigen dünnen Holzstiften als Beine, gemacht hatte. Diantha... Er bückt sich und hebt eine der Kastanienziegen vom Boden auf, die seine Tochter vorhin großzügig um seinen Stuhl herum verteilt hatte, dreht sie eine Weile nachdenklich zwischen seinen Fingern und weigert sich hartnäckig, dem Verhalten der Immerfrosterin irgendeine Bedeutung beizumessen. Sie wollte nur freundlich sein. Das ist alles. Dann stellt er die Ziege neben das Tintenfläschchen auf den Tisch. Das Gesicht ist eine Haselnuss, die Hörner sind aus Gewürznelken und Diantha hat selbst winzige Augen und ein kleines Maul eingeritzt, die ihn jetzt wissend angrinsen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 19. März 2007, 22:03 Uhr
Auch wenn sie nicht erwartet hätte, dass Olyvar sie einfach gehen lässt, hält sie doch niemand auf. Bei jedem Schritt hört sie immer wieder seine Stimme in ihrem Kopf. All das was er ihr sagt, ist ihr nicht fremd. Es hatte nie jemand ausgesprochen, aber dadurch war es bislang erträglicher gewesen. Sie hatte immerhin, im Gegensatz zu allen anderen die sie kennen, gewusst, dass es dieses Mädchen, dass jetzt wohl irgendwie endgültig Liomie heißt, in ihr gibt. Es war nicht Shyadas Entscheidung gewesen, sondern die des Mädchens, deswegen gibt es sie, Shyada, heute überhaupt so. Vielleicht ist der Zeitpunkt gekommen, dass Liomie wieder Teil von ihr wird, aber warum ausgerechnet hier? Warum zu einem Zeitpunkt, an dem sie noch immer keinen Platz für sich gefunden hat.
Ihre Schritte sind unsicher, aber weder stolpert sie, noch behindert sie das Kleid beim Gehen. Viel mehr hat sie den Eindruck, dass es leichter wird, je weiter sie darin geht. Die Tür kommt näher und erst, als Shyada sie wieder hinter sich schließen kann, atmet sie erleichtert auf. Sie hat das Gefühl freier atmen zu können, muss aber feststellen, dass vor ihr ein schmaler Treppengang liegt, der nach oben führt. Oben würde kein Ausweg sein, nach unten ja, aber dort oben? Sie hat keine Ahnung, was sie dort erwartet und trotzdem geht sie weiter. Auch wenn sie insgeheim weiter  hofft, dass sie vielleicht doch noch irgendwie einen Weg aus dem Westflügel herausfindet, weiß sie doch, dass dort eine Sackgasse sein muss. Sie an Olyvars Stelle würde auch nur einen Zugang zu den privaten Räumen dulden.
Als sie jedoch sieht welchen Raum sie sich ausgesucht hat, bleibt sie wie angewurzelt stehen. Nein... bitte lasst das nicht wahr sein... Beinah geschockt huscht ihr Blick über die Möbel, die ganzen Organzaschals, den Kamin und bleib letztendlich am Bett hängen. Viele haben diesen Raum wahrscheinlich noch nicht gesehen. Für einen Moment sind ihre Gedanken davon beherrscht, dass sie diesen Raum ganz gewiss nicht betreten kann, wird und darf. Sie weiß nicht warum, aber es erscheint ihr falsch. So wie einfach alles zur Zeit. Das hier gehört Olyvar, dass ist sein Rückzugsort, sie sollte einfach nicht hier sein. Aber zurückgehen heißt, ihm wieder gegenüber zu stehen. Eine Falle... eine verdammte Falle und du dummes Weib tappst auch noch hinein. Deswegen hatte er sie nicht am gehen gehindert.

Erschöpft von der Erkenntnis und überhaupt von allen, was sie seit ihrem Erwachen erlebt hat, lässt sie sich gegen die kalte Wand fallen. Der Stein ist rau, aber gibt ihr Sicherheit. Langsam lässt sie sich an der Wand herunterrutschen und hockt sich dann auf die oberste Treppenstufe. Sie gehört weder in diesen Raum, noch in die Steinfaust. Wahrscheinlich gehört sie nicht einmal nach Talyra. Aber in Baile Craobh würde weder sie freiwillig auftauchen, noch würde man sie dort willkommen heißen. Liomie war und ist ein Kind, wie sollte sie sich hier zurechtfinden können, nachdem sie die ganze Zeit über nie da war? >"Doch, das tut sie. Sie ist ein Teil von dir, Shyada, ob du das willst oder nicht.“< Wie kann er so was behaupten, wenn er sie doch überhaupt nicht kennt? Wie kann er auch nur glauben zu wissen, was richtig für sie wäre oder nicht?   „Warum verdammt musst du dich überhaupt einmischen? Macht es dir Spaß mich zu quälen?“ ruft sie heiser und spürt wie ihr Tränen in die Augen steigen. Hastig wischt sie mit dem Ärmel über ihr Gesicht und lehnt den Kopf in den Nacken. Soweit würde sie es nicht kommen lassen. Diesen Triumph würde sie ihm nicht gönnen, er hat ohnehin schon viel zu viel Schaden angerichtet. Seine Nase zu tief in Dinge gesteckt, die ihn nichts angehen. >"Ich verstehe."< hallt es durch ihren Kopf. Nein, tust du nicht. Wie willst auch Dinge verstehen, die du nicht kennst? Sie hat Liomie vor all den anderen gekannt. Es hatte niemand interessiert, ob mehr in ihr sein könnte. Nie hatte jemand danach gefragt, warum also ist es jetzt der Fall, wo sie so unerwartet ans Tageslicht getreten ist? Es macht sie zu keinem anderen Menschen, denn seit dem Tag ihrer Geburt ist es in ihr gewachsen. Nur irgendwann wurden all ihre Schwächen verschlossen und nur ihr allein zugänglich gemacht. „Ifrinn!“ Ohne es wirklich zu bemerken, beginnt sie mit der Faust sinnlos immer wieder auf den Steinboden zu hauen. Sie braucht ein Ventil, Luft und Platz, aber nichts ist ihr vergönnt. Von hier kann sie nicht fort und hinter der anderen Tür lauert Olyvar vermutlich. Selbst wenn sie sich nicht rührt, er würde es gewiss irgendwann tun. Das Gefühl von etwas Feuchtem an ihrer Hand lässt sie inne halten. Blut glänzt an den aufgeschlagenen Knöcheln ihrer rechten Hand. Die Verletzung ist nicht doll, dazu waren ihr Schläge viel zu unkonzentriert, aber nun wo sie sich dessen bewusst wird, geht ein leichter Schmerz davon aus. Sie verzieht ihr Gesicht und verbirgt die Wunde einfach mit der anderen Hand, ganz so als könne sie sie damit einfach ungeschehen machen.

Sie weiß nicht wie lange sie dort sitzt, ihre konfusen Gedanken treiben lässt und sie irgendwann einfach ins Nichts abdriften lässt. Die Leere in ihrem Kopf ist ihr durchaus willkommen, hilft ihr aber nicht, sich besser zu fühlen. Trotzdem erlaubt sie es sich diesen Zustand für eine Weile zu genießen, ohne sich um irgendetwas zu kümmern. Doch die Kälte des Mauerwerkes macht dem schnell wieder ein Ende. Sie sitzt schon zu lange auf dem Steinboden, so dass es eher unangenehmer als angenehmer wird, so dass sie sich schweren Herzens doch wieder aufrappelt. Ihre Beine zittern nicht mehr, aber sie fühlt sich immer noch schwach. Liomie hat sich zurückgezogen, aber Shyada so erheblich gestört, dass man glauben könnte, dass sie noch immer da ist. Eigentlich bist du ja auch nie weg... das einzige was ich tue, ist dich zu beschützen. Ein schwaches, aber sanftes Lächeln huscht über ihr Gesicht. Niemand würde es merken. Sie kennt Liomie, sie weiß, dass sie da ist. Schließlich hat sie sie oft genug herausgelassen, wenn sie allein war. Aber nur dann. Vorsichtig geht Shyada die paar Stufen wieder herunter und visiert dann die Tür am Ende des kleinen Ganges an. Ob er noch immer dort wäre? Oder Diantha oder Mattis? Die Kinder? Noch immer vollkommen gedankenleer, geht Shyada langsam auf die Tür zu. Selbst wenn sie dort wären, sie könnten sie zu nichts zwingen. Das einzige was sie in diesem Fall machen könnten, wäre ihr wieder diesen Trank zu geben. Aber ihre Gedanken oder ihr Innerstes könnten sie nicht durch Schläge beeinflussen. Und durch Worte nur, wenn du es zulässt. Trotzdem sind ihre letzten Schritte zur Tür unsicher. Die Augen geschlossen, atmet sie mehrmals bewusst ein und aus und öffnet die Tür dann langsam. Innerlich darauf gefasst, die anderen sowie Olyvar mit einem „Na, war da kein Ausweg?- Lächeln“ zu sehen, sieht sie sich auch wieder allen, bis auf Diantha gegenüber. Natürlich bemerkt man sie. Vermutlich haben sie ohnehin Wetten abgeschlossen, wie lange sie es dort aushalten würde. Wie auch vorhin bleibt sie an der Tür stehen. Sie ist Shyada, aber es geht dieses Mal nichts bedrohliches von ihr aus. Zumindest nichts offensichtliches. Ihr Blick bleibt an den Lichtflecken auf dem Boden hängen, huscht zu den Kindern, denen noch nicht abverlangt wird, sich zu entscheiden, wie sie später werden wollen und sieht dann zu Olyvar. Er hat etwas in der Hand, was sie von hier nicht erkennen kann. Es ist klein, scheint aber nichts zu sein, was er braucht, um den vor ihm liegenden Papierkram zu meistern. „Warum tust du das? Du hast es ihr versprochen, nicht mir. Lass mich raus hier... das macht es für uns beide wesentlich leichter...“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 20. März 2007, 10:08 Uhr
Olyvar begrüßt sie nicht mit einem "Na, war da kein Ausweg - Lächeln", er sieht sie einfach nur an, still und aufmerksam. Sie sieht müde aus... abgekämpft und erschöpft von ihrer Seelenqual. Ihr Gesicht ist immer noch blass, aber ihre Miene bleibt absolut unergründlich, obwohl er meint, eine gewisse stille Resignation in ihren Augen zu sehen. Einen Moment lang sieht sie sich einfach in der Halle um, betrachtet Mattis und die Kinder, dann kehrt ihr Blick zu ihm zurück. >Warum tust du das? Du hast es ihr versprochen, nicht mir. Lass mich raus hier... das macht es für uns beide wesentlich leichter...<
Da ist es, das Warum, auf das er wartet, seit sie zum ersten Mal wieder Shyada gewesen ist und für einen Moment, einen kurzen Herzschlag nur, ist er sehr versucht, ihr ein lapidares "Darum" hinzuwerfen wie einen unverdaulichen Knochen, einfach, weil sie es mit ihm oft genug so gehalten hatte... aber er tut es nicht. Er ist immer ehrlich zu ihr gewesen, er würde es auch jetzt sein. Allerdings kann er ihr das unmöglich vor den neugierigen Kinderohren erklären, die ohnehin viel zu viele Wörter verstehen, denn er hat so eine vage Ahnung, dass Dinge zur Sprache kämen, die absolut nicht für die Gemüter von Zweijährigen geeignet sind. Und wenn er ehrlich ist, hat auch nicht die geringste Lust herauszufinden, wie Sandelholzseife eigentlich schmeckt. "Sie ist auch du, ich habe es dir also genauso versprochen. Denk nach, Shyada. Wenn ich nur an Liomies Wohlergehen interessiert wäre, und nicht an deinem, dann hätte ich ihr das Blaue vom Himmel heruntergelogen und ihr fleißig weiter Jamars Trank verabreicht." Die unbestreitbare Logik in diesem Argument gibt ihr wider Willen zu denken, er kann es sehen. "Willst du dich nicht setzen und etwas essen? Wir haben dir vom Frühstück etwas aufgehoben." Sie kommt nur widerstrebend zum Tisch, aber immerhin, sie setzt sich und Olyvar unterdrückt ein Lächeln. Wir danken den Göttern ja schon für die kleinsten Gaben... Ihr Magen knurrt allerdings auch vernehmlich, und Conn quittiert das sonore Gurgeln aus Shyadas Bauchgegend prompt mit einem fröhlichen Lachen. Olyvar sieht unter den Tisch. "Conn, komm raus da jetzt. Ihr könntet mit Mattis gehen und Katze nach draußen lassen, hm?" Schlägt er vor, doch gerade in diesem Augenblick kommt Diantha zurück in den Westflügel. Sie sieht die Amazone am Tisch sitzen und es braucht nur einen kurzen Blick zwischen ihm und der Immerfrosterin, um sich zu verständigen. Sie nickt und nimmt die Kinder mit hinaus, sie hatte ihnen ja versprochen, mit ihnen in den Garten zu gehen. Katze schließt sich ihnen an und auch Mattis trollt sich zu seinen Übungsstunden auf dem Waffenhof, so dass Olyvar allein mit Shyada in der Halle zurückbleibt. "Zeig mir deine Hand." Ihr Blick zuckt zu ihren Fingern und am liebsten hätte sie ihre verschwollenen Knöchel wohl hinter ihrem Rücken versteckt, doch es ist zu spät, er hat sie schon gesehen.

Olyvar steht auf und holt aus einer der Kommoden ein wenig reines Leinen und ein kleines Specksteindöschen mit einer Salbe aus Beinwell und Bacholde. Da sie keine Anstalten macht, sich selbst zu behandeln, nimmt er nach einem Moment seufzend ihre Hand, trägt die Salbe vorsichtig auf die aufgeplatzten, geröteten Knöchel auf und verpasst ihr einen Verband. "Ist das zu fest? Nein? Gut. Shyada... ich lasse dich nicht 'raus hier'. Ich verspreche dir, dass du gehen kannst wohin du willst, wenn du gesund bist und das dann immer noch möchtest. Aber so lange du noch unter den Auswirkungen beider Tränke leidest, bleibst du hier. Nein, keine Widerrede. Hör ein mal in deinem Leben auf jemanden, der vernünftiger ist als du. Dein Haus ist eine Bruchbude, du hast keine Vorräte, keine Kleidung und besitzt noch nicht einmal einen Kupferling. Außerdem besteht immer noch die Möglichkeit, dass du zeitweise wieder ganz zu Liomie wirst, und einmal ganz abgesehen von all dem - ich habe es mir mit dir doch noch nie leicht gemacht," Das kann sie nicht verleugnen und ein seltsam melancholisches Lächeln geistert über sein Gesicht. "Dann werde ich jetzt auch nicht damit anfangen." Er schenkt sich Cofea nach, während Shyada ihm mehr als misstrauisch lauscht und zögernd nach dem Brotkorb greift. Warum verdammt noch mal?! Steht in schrittgroßen Lettern in ihren grünen Augen geschrieben und Olyvar erwidert offen ihren Blick. "Du willst wissen, warum? Dann frage ich dich: Warum nicht?"Antwortet er leise. "Warum hätte ich dich deinem Schicksal überlassen sollen, nachdem ich erfahren hatte, dass du entführt worden warst? Was hätte Jamar mit dir gemacht? Dich verkauft? Versklavt? Ich weiß bis heute nicht, warum er dich nach Blurraent geschleppt hat und wahrscheinlich erfahre ich es nie, aber eines weiß ich inzwischen - in Ardun wurde er als Kopfgeldjäger gesucht. Er hatte ganz bestimmt nicht vor, dich auf Rosen zu betten, aye?" Er kann die Rebellion schon in ihren Augen sehen, noch während er spricht, und wahrscheinlich hätte sie ihm am liebsten entgegengeschleudert, dass er ihr nichts schuldig ist, dass ihm das vollkommen egal sein kann, dass sie niemanden braucht und schon gar nicht darum gebeten hat, gerettet zu werden, aber er lässt sie nicht zu Wort kommen. "Es ist mir aber nicht egal. Es war mir nie egal, was aus dir wird und das weißt du genau. Mag ja sein, dass du als Amazone grundsätzlich andere Vorstellungen von Verantwortungsgefühl und Moral hast, vielleicht ist es Amazonen auch gleich, ob jemandem, den sie kennen, Leid zugefügt oder Unrecht angetan wird, aber mir ist es nicht gleich. Es war mir nie gleich und auf die meisten Menschen träfe das ebenso wenig zu. Dich gehen zu lassen wäre wahrscheinlich wirklich für uns beide leichter, das mag sein. Aber manchmal hat man nur die Wahl zwischen dem leichten und dem richtigen Weg."  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 20. März 2007, 19:40 Uhr
> "Sie ist auch du, ich habe es dir also genauso versprochen. Denk nach, Shyada. Wenn ich nur an Liomies Wohlergehen interessiert wäre, und nicht an deinem, dann hätte ich ihr das Blaue vom Himmel herunter gelogen und ihr fleißig weiter Jamars Trank verabreicht." Natürlich muss er so argumentieren, weil es stimmt, aber es stört sie trotzdem. Ja sie ist Liomie und Liomie ist sie oder wie auch immer, aber warum sollte er sich um ihr Wohlergehen kümmern? Menschen und auch andere Völker interessieren sich im allgemeinen nur für sich und einen sehr kleinen Personenkreis. Was der Rest tut ist egal. Sie würde allerdings nicht einmal in Traum behaupten, dass sie im Fall von Olyvar zu den umsorgten Personen gehört und doch, scheint er davon überzeugt zu sein, dass er sich um zu kümmern muss. Ich versteh es nicht... eigentlich will ich es auch nicht... aber das weiß du wahrscheinlich und deswegen sagst du es mir... immerhin tust du nie etwas ohne Grund. Als er ihr anbietet, sich zu ihm zu setzen und etwas zu essen zögert sie. Sie will nicht so tun, als liege ihr etwas daran, diese Sache wirklich zu klären oder als seien sie eine harmonische Familie, die sich nach einem Streit beruhigt hat und nun über das Problem diskutiert. Das hier ist nicht ihre Welt und nicht ihr Platz um zu leben. Trotzdem setzt sie sich in Bewegung, denn ihr Magen verlangt es. Sogar lauter als es Shyada lieber ist, da das Knurren ihres Magens zu den wenigen Dingen gehört, die sie nicht beeinflussen kann. Die Antwort auf ihren Magen erfolgt in Form von Gekicher, dass unter dem Tisch erklingt und sich als Olyvars Sohn entpuppt. > "Conn, komm raus da jetzt. Ihr könntet mit Mattis gehen und Katze nach draußen lassen, hm?"< Noch während Olyvar spricht, verkrampft sich Shyada leicht. Er will mit dir allein sein... Sie hat keine Angst davor, aber solange Dritte oder die Kinder anwesend sind, würde zumindest er nichts tun, was irgendjemand verängstigen oder gar gefährden könnte. Sie beide allein würde die Möglichkeiten zum ausdiktieren erheblich erhöhen. Warum verdammt lässt du dich von ihm einschüchtern? Warum lässt du zu, dass er dein Leben bestimmt?
Ihre Gedanken werden von Diantha unterbrochen, die sich wohl wieder zu ihnen gesellen wollte, aber ohne, dass jemand etwas sagen muss, sich sogleich mit den Kindern wieder verdrückt. Shyada glaubt nicht, dass sie dort draußen vor der Tür gelauert hat, aber dass die Frau und Olyvar sich bereits ohne Worte verständigen können, sagt einiges über sie beide aus. Shyada hätte vermutet, dass Olyvar wohl auf ewig Kizumu verbunden wäre, selbst über die Entfernung hinweg, aber letzten Endes ist er auch nur ein Mann. Er spielt mit mir... er braucht Abwechslung... oder er braucht mich, um sich von dem abzulenken, was sich ohnehin schon anbahnt... Sie seufzt innerlich auf, da sie weiß, dass sie ihm ausgeliefert ist. Sie hat nichts... er die Steinfaust. Ein Wort von ihm und sie würde die Festung wohl nie wieder verlassen können.

>"Zeig mir deine Hand."< Erst als Olyvar sie wieder anspricht, bemerkt sie, dass sie sich in ihren Gedanken verloren hat. Etwas, das sie seit gestern viel zu häufig getan hat und das ihr normalerweise nur passiert, wenn sie allein für sich ist. Reflexartig sieht sie zu der Hand und will sie schon zurückziehen, aber es hat keinen Sinn. Er hat sie bereits darauf angesprochen, als wird er jetzt auch nicht mehr klein beigeben. Scheinbar hat er dies bei allem, was sie angeht, nicht mehr vor. Olyvar erhebt sich und holt aus einem der Schränke eine Dose und Leinen. Sie weiß genau was sie damit tun soll, aber sie weigert sich trotzdem. Es würde so heilen, schließlich ist die Wunde nur oberflächlich und übertriebene Sorge ist das Letzte, was sie jetzt gebrauchen kann. Aber natürlich reicht das Olyvar nicht und so legt er selbst Hand an, fragt ob der Verband so gut ist und beginnt im gleichen Atemzug mit der Beantwortung ihrer Frage. Er hat viel zu sagen, mehr als sie sich gewünscht hat und viel einleuchtender als sie gehofft hatte. Trotzdem weigert sie sich es ohne weiteres zu akzeptieren. Sie haben nichts gemeinsam, nichts was ihn wirklich dazu veranlassen würde. Ihrer beider Leben hat sich nur für eine kurze Zeitspanne überlagert, aber die Zeit in der Steinfaust liegt schon lange zurück und gibt nicht genug Gründe, um das hier alles zu rechtfertigen. Aber auch wenn es ihr nicht reicht, ihm anscheinend schon. Sie kommt sich vor wie ein dummes Kind, dass von seinem Vater eine Strafpredigt hören muss. Er macht nur eine kurze Pause zwischendurch, aber selbst wenn er für diesen Moment schweigt, hat sie nicht das Gefühl, dass er ihr erlauben würde, ihm schon zu antworten. Um also überhaupt etwas zu tun, greift sie nach der erstbesten Brotscheibe, tut damit aber nichts weiter außer rumzukrümeln. > "Du willst wissen, warum? Dann frage ich dich: Warum nicht?"< Sie macht den Mund auf, um etwas zu sagen, schließt ihn aber wieder unverrichteter Dinge, da er in seiner Argumentation schon längst beim nächsten Punkt angelangt ist. Genau wie Olyvar hat sie nicht die geringste Ahnung, warum man ausgerechnet sie entführen sollte. Und wieso sollte ein Kopfgeldjäger aus Ardun ausgerechnet SIE aus Talyra entführen wollen. Sie hat kein Besitz und niemand der sich wegen ihr erpressen lassen würde.

> "Es ist mir aber nicht egal. Es war mir nie egal, was aus dir wird und das weißt du genau... Dich gehen zu lassen wäre wahrscheinlich wirklich für uns beide leichter, das mag sein. Aber manchmal hat man nur die Wahl zwischen dem leichten und dem richtigen Weg." < Noch während er spricht verknotet sich ihr Magen dermaßen, dass an Essen überhaupt nicht zu denken ist. Er hätte sie schlagen sollen und es wäre leichter zu ertragen gewesen. Solche Worte hatte sie als Kind hören wollen. Damals hatte sie jemanden gebraucht, der sich um sie kümmert... jetzt damit anzufangen erscheint ihr falsch. Vertrauen und alle die Gefühle die durch Freundschaften entstehen, lassen Erwartungen entstehen. Erwartungen die man einzig und allein damit rechtfertig, dass man sich angeblich um einen Menschen sorgen macht. Aber sind es nicht vielleicht auch einfach nur egoistische Züge um sich besser zu fühlen? Andere vielleicht... Olyvar nicht... das was er tut und sagt, meint er auch... das hat er schon immer... Der Knoten in ihrem Magen beginnt schmerzhaft zu werden, aber sie kann nichts dagegen machen, außer das Gehörte auf sich wirken zu lassen. Am liebsten würde sie es jedoch ignorieren. Den leichten Weg wählen. Doch er hat ihr unmissverständlich gemacht, dass es nicht der Richtige ist und er bereit ist den schwierigen zu gehen für... ja für was eigentlich? Was erhofft er sich dadurch? Durch alles, was er für sie tut oder glaubt tun zu müssen? >“... - ich habe es mir mit dir doch noch nie leicht gemacht...“< Soll sie etwa eine Form der Selbstgeißelung sein, für etwas, was er in der Vergangenheit getan hat?
„Du kannst mir noch so viel erzählen... ich verstehe es nicht... ich werde es nie verstehen...Welchen Grund habe ich dir gegeben, um das hier zu tun? Nur weil du es willst, heißt es doch noch lange nicht, dass ich es auch will. Egal ob vernünftig oder nicht. Warum bist du der Meinung über mich entscheiden zu können?“ Ihr Stimme zittert. Sie will dieses Gespräch nicht führen, auch wenn sie nach dem Warum gefragt hat. Hass und Abscheu ist so viel leichter zu ertragen, denn es hat keine Bedeutung... aber das hier. Sie haben zusammen gekämpft, aber das ist auch schon alles was sie verbindet. Keine gemeinsamen Abende in einer Taverne, keine zufälligen Pläusche in einem  Steinfaustgang und auch keine anderen Dinge, die sie sonst mit Männern verbinden könnte.
Sie senkt den Blick. Irgendwie muss sie in den letzten Moment ein Loch in die Brotscheibe gebohrt haben, ohne es zu merken. Krümel unterschiedlicher Größe liegen auf ihrem Schoß verteilt. Ihr erster Impuls ist, sie einfach wegzuschütteln, aber das würde sich nicht gehören. Doch seit wann kümmert sie so etwas? Sein wann hört sie sich überhaupt an, was andere meinen? Seit man dir diesen verfluchten Trank gegeben und dein Leben auf den Kopf gestellt hat. Trotz der Medizin kann sie klar denken. „Wenn... wenn dieser Jamar aus Ardun oder der Nähe von Ardun stammt, dann... dann war das kein Zufall oder?“ Eigentlich weiß sie das. Um sie einfach nur aus Spaß an der Freude als Sklavin zu verkaufen wäre der Weg zu weit gewesen. Hätte er sie gegen Geld einlösen wollen, wäre er ein schlampiger Kopfgeldjäger... Sie kann sie nicht daran erinnern jemand einen wirklichen Grund gegeben zu haben, ihr so jemanden auf den Hals zu hetzen. Verbohrte Ehemänner oder verliebte Jünglinge neigen nicht dazu so etwas zu tun.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 20. März 2007, 21:15 Uhr
Wie hatte er auch nur für einen Sekunde annehmen können, Shyada würde ihm eines seiner Worte glauben? Immerhin, sie hört ihm zu. Das tut sie wirklich und Olyvar kann auch sehen, dass ihr seine Worte durchaus zu schaffen machen. Was hast du erwartet? Dass sie es lächelnd akzeptiert? Du redest hier mit Shya! Vielleicht hat er ihr sogar das ein oder andere zum Nachdenken gegeben, er kann es nicht sagen. Möglicherweise ist es jedoch auch nicht ganz hoffnungslos - immerhin hat sie weder mit ihrem Munddolch nach ihm geworfen, noch mit dem Brotkorb nach ihm gezielt oder ihm ihren Teller über den Schädel geschlagen. Er sieht zwar nach wie vor den unverbesserlichen Starrsinn in ihren Augen, aber ihre Stimme klingt nicht halb so kalt oder trotzig wie sonst, im Gegenteil... sie hört sich eher verunsichert an. >Du kannst mir noch so viel erzählen... ich verstehe es nicht... ich werde es nie verstehen...Welchen Grund habe ich dir gegeben, um das hier zu tun? Nur weil du es willst, heißt es doch noch lange nicht, dass ich es auch will. Egal ob vernünftig oder nicht. Warum bist du der Meinung über mich entscheiden zu können?<
Das sitzt. Über sie entscheiden? Tue ich das? Ja... in gewisser Weise schon, das muss er sich widerwillig eingestehen. Allerdings tut er das ja nun nicht gerade aus Spaß an der Freude.

"Welchen Grund du... nun, genaugenommen gar keinen." Das melancholische Lächeln kehrt auf sein Gesicht zurück und richtet sich häuslich in seinen Mundwinkeln ein. "Eher im Gegenteil. Aber ich brauchte auch keinen, Shyada. Ich kenne dich, du warst in Schwierigkeiten, ich hatte die Möglichkeit, dir zu helfen und hab es getan. Ende der Geschichte. Du kannst dir einfach nicht vorstellen, dass dich jemand um deiner Selbst willen mag, oder? Ohne irgendetwas von dir zu wollen oder zu erwarten, sondern einfach so." Er schüttelt langsam den Kopf und leert seinen Cofeabecher. Nicht auszudenken, was sie sich zusammenreimen würde, wenn er ihr je reinen Wein über die ganze Blurraentgeschichte  einschenken würde. Dafür gibt es keinen Grund. "Ob du das nun verstehst oder nicht. Ich kann dich nicht zwingen, etwas zu begreifen und ehrlich gesagt will ich es auch nicht." Erwidert er, fährt sich mit allen zehn Fingern durchs Haar und beschließt, die Einzelheiten ihrer Rettung für sich zu behalten. Darüber, dass Diantha ihr davon erzählen könnte, muss er sich wohl kaum Gedanken machen, schließlich hatten die beiden Frauen seit Shya nicht mehr nur Liomie, sondern auch die Amazone war, keine zehn Worte mehr miteinander gewechselt...

"Mit einem hast du recht," gibt er unumwunden zu. "Ich habe über deinen Kopf hinweg entschieden, dass du hier bleibst, bis es dir besser geht. Weil du krank bist und Hilfe brauchtest, die du von dir aus nie gesucht hättest. Ich habe dir gesagt, dass du gehen kannst wenn du willst, wenn du die Tränke nicht mehr brauchst und wieder gesund bist... aber bis es soweit ist, kann ich gut damit leben, dich hier festzuhalten. Und erzähl mir jetzt bloß nicht, was du willst und was du nicht willst, denn wir wissen beide, dass du mich und vor allem dich selbst nach Strich und Faden belügen würdest."
Shyada starrt auf ihren verkrümelten Teller, die Tischkante und auf ihren Schoß, auf dem sich das Meiste der traurigen Überreste ihrer Brotscheibe befindet. Sie schweigt eine ganze Weile, dann wechselt sie plötzlich das Thema. >Wenn... wenn dieser Jamar aus Ardun oder der Nähe von Ardun stammt, dann... dann war das kein Zufall oder?< Olyvar horcht auf. "Was... nein, Jamar stammt nicht aus Ardun, er war überhaupt nicht aus dem Norden. Er war ein Südländer. Seine Haut war so dunkel wie Ebenholz, wahrscheinlich aus den Arusha-Savannen oder von der Rubinküste. Warum fragst du? Warst du in deiner Vergangenheit schon einmal in Ardun?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 21. März 2007, 09:14 Uhr
> "Welchen Grund du... nun, genau genommen gar keinen."< Das zu hören macht die ganze Sache nur noch verwirrender für sie. Wenn er keinen Grund und bereits zugegeben hat, dass sie ihm eigentlich nur Ärger macht, warum tut er es dann? Sie versteht es einfach nicht. Eigentlich sollte man die anderen für unbelehrbar halten, weil sie es immerhin sind, die Dinge tun, für die sie keine Gründe haben. Sie hingegen hat sehr gute Gründe für alles, auch wenn sie vielleicht nicht jedem Gefallen. > Du kannst dir einfach nicht vorstellen, dass dich jemand um deiner Selbst willen mag, oder? Ohne irgendetwas von dir zu wollen oder zu erwarten, sondern einfach so."< Nein, dass kann sie in der Tat nicht. Bis jetzt ist es ihr nämlich noch nie passiert und man hat ihr bereits von klein auf erzählt, dass es außerhalb des Dunkelwaldes anders zugeht. Keine Intrigen, keine Gerüchte, nichts was die Kehrseite dieser ach so zivilisierten Welt ist, hat es in Baile Craobh gegeben. Wann immer sie Informationen oder dergleichen brauchte, hat es die nur für Gegenleistungen geben... warum also sollte sie glauben, dass jemand etwas „nur so“ tut? > Ich kann dich nicht zwingen, etwas zu begreifen und ehrlich gesagt will ich es auch nicht."< Sie lächelt innerlich schwach. Es wäre ohnehin zwecklos, weil sich die Logik dieser Sache schlichtweg entzieht. Sie wird es also ohnehin nie begreifen, verstehen oder akzeptieren können. Trotz dessen, dass sie weiß, dass es noch mehr Leute gibt, die wie Olyvar handeln. >.. aber bis es soweit ist, kann ich gut damit leben, dich hier festzuhalten. Und erzähl mir jetzt bloß nicht, was du willst und was du nicht willst, denn wir wissen beide, dass du mich und vor allem dich selbst nach Strich und Faden belügen würdest."< Ihre Augen verengen sich ein Stück, als er das ausspricht. Eben noch hatte er ausgesehen, als würde er seine Zweifel daran haben, dass er sie so einfach festhalten kann und nun erklärt er ihr freiweg, dass er es auch weiterhin tun würde. Ich belüge mich nicht... ich tue das, was für mich das Beste ist und eigentlich sollte ich hier überhaupt nicht sitzen. Freu dich doch über dein verdammt perfektes Leben, aber lass mich damit in Ruhe! Trotziges Funkeln nistet sich in ihre Augen ein, aber er kann es glücklicherweise nicht sehen, da sie den Kopf noch immer gesenkt hat.

> "Was... nein, Jamar stammt nicht aus Ardun, er war überhaupt nicht aus dem Norden. Er war ein Südländer. Seine Haut war so dunkel wie Ebenholz, wahrscheinlich aus den Arusha-Savannen oder von der Rubinküste. Warum fragst du? Warst du in deiner Vergangenheit schon einmal in Ardun?"<
Nun vollends verwirrt, was diesen Südländer angeht, hebt sie den Kopf. „Nicht Ardun? Aber du sagtest doch, dass er in Ardun gesucht wird? Azurien und die Rubinküste sind doch eine vollkommen andere Ecke!“ Entweder will Olyvar sie verunsichern oder er weiß auch nur einige wenige Brocken, auf die er sich  keinen Reim machen kann. Allerdings ist sie bislang immer davon ausgegangen, dass Olyvar nur mit den Fingern schnippen braucht und sämtliche Informationen erhält die er benötigt. „Nein... ich war noch nie in Ardun...“ Nur in den Herzlanden und im Dunkelwald. Trotzdem will es ihr nicht einleuchten, warum jemand von so weit weg ausgerechnet sie entführen will. Ardun liegt zwar direkt neben dem Dunkelwald und doch befinden sich zwischen dem Feuerbogen und Baile Craobh halbe Welten. Eigentlich weiß sie nichts über Ardun, warum sollte dann jemand vor dort über sie Bescheid wissen? Plötzlich stockt sie. Es ist nur eine flüchtige Erinnerung. Etwas das lange zurück liegt und sie sich gelegentlich wieder ins Bewusstsein ruft. Ihre Mutter lebt schon lange nicht mehr und sie als Mutter zu bezeichnen kommt ihr ohnehin falsch vor. Sie hatte sie oft belauscht, um so Dinge zu erfahren, die man ihr freiwillig nie gesagt hätte. „Sie war in Ardun... sehr oft sogar...“ Shyada bemerkt Olyvars fragenden Blick und verzieht ihre Mundwinkel. „Vor meiner Geburt...“ Es muss nichts heißen, aber es könnte. Manchmal grenzt es für Shyada überhaupt an ein Wunder, dass man sie wissen lassen hat, wer ihre Mutter ist. Wer ihr Vater ist, ob sie Geschwister hat, dass weiß sie bis heute nicht. Seit dem Tag als sie zum ersten Mal geatmet hat, war sie allein gewesen und hatte nur das Nötigste erfahren. Sie hatte sich gut damit arrangieren können. Bis zu dem Moment, wo sie Talyra betreten hat und dessen Bewohner glaubten, sie beeinflussen zu müssen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 21. März 2007, 10:22 Uhr
>Nicht Ardun? Aber du sagtest doch, dass er in Ardun gesucht wird? Azurien und die Rubinküste sind doch eine vollkommen andere Ecke!< Echot Shyada überrascht und blinzelt ihn verwirrt an. Olyvar kann jedoch auch nur mit den Schultern zucken. "Ich weiß. Aber alles, was über den schwarzhäutigen Mistkerl herauszubekommen war, war nun einmal, dass man ihn in Ardun sucht... Ich habe keine Ahnung, was er überhaupt soweit im Norden verloren hatte." Bevor sie in dieser Nacht und Nebel Aktion zu Shyadas Rettung aufgebrochen waren, war überhaupt keine Zeit gewesen, sich noch irgendwelche Informationen über ein paar Südländer und eine Elbin namens Aswhang zu beschaffen, aber als sie aus Blurraent zurückgekehrt waren, hatte er unauffällig Erkundigungen eingezogen. In den Herzlanden war Jamar ein vollkommen unbeschriebenes Blatt gewesen, aber als er sich nach vertrauenswürdigen Leuten in Ardun erkundigt hatte - allerdings wegen etwas ganz anderem, nämlich einem Boten, der Kizumu eine Nachricht in den Riathar weiterleiten könnte -, war er mehr oder weniger zufällig über ein Gesuch gestolpert, das einen Mann beschrieb, der Jamars Zwillingsbruder hätte sein können... und als er nachgehakt hatte, hatte sich herausgestellt, dass Shyadas Entführer niemand anderes als ein gesuchter Kopfgeldjäger war. Kopfgeldjäger arbeiteten für gewöhnlich für irgendwelche Auftraggeber, aber über die war im Fall der Amazone absolut nichts herauszubekommen gewesen... und Aswhang, die einzige, die vielleicht Licht ins Dunkel hätte bringen können, ist schon seit dem Sommer verschwunden.

> Nein... ich war noch nie in Ardun... ,< beantwortet Shyada nachdenklich seine Frage, dann erscheint eine steile, dünne Falte zwischen den schmalen, dunklen Bögen ihrer Brauen, als sei ihr gerade eben etwas lang vergessenes wieder eingefallen oder als sei ihr ein ungeheuerlicher Gedanke gekommen. >Sie war in Ardun... sehr oft sogar... < fährt sie ziemlich kryptisch fort. Sie? Wer sie? Er muss wohl ziemlich verwundert dreinblicken, denn die Grimasse, die Shyada schneidet, könnte fast so etwas wie ein Lächeln sein. >Vor meiner Geburt...<
"Deine Mutter?" Fragt er nach und weiß augenblicklich, dass es ein Fehler war, das Wort Mutter auszusprechen. "Die Frau, die dich geboren hat?" Shyada nickt nur. Es ist eine schwache Spur und es muss gar nichts bedeuten, aber es ist bisher der einzige Hinweis auf irgendeine Verbindung zwischen Shyada, Ardun und Jamar, die sie haben. Das heißt noch gar nichts. Jamar kann aus irgendwelchen Gründen dort gesucht werden... vielleicht war er einfach nur schlau genug, sich andernorts nie erwischen zu lassen. Trotzdem stellt er die Frage, die ihm durch den Kopf geistert. "Wäre es möglich, dass dein Vater aus Ardun stammt?" Wenn ihre Mutter vor ihrer Geburt oft dort war, ist diese Erklärung gar nicht so abwegig. Olyvar kennt sich im Dunkelwald wirklich nicht besonders gut aus, aber er weiß, dass der Wald riesig ist und der Weg vom Gebiet der Amazonen, selbst wenn es an der äußersten Ostgrenze des Dunkelwaldes liegen sollte, nach  Ardun weit und gefährlich sein muss... Das ist doch keine Reise, die eine Amazone nur für einen kleinen Ringkampf zwischen den Fellen auf sich nimmt... "Hat man dir je irgendetwas über ihn erzählt? Oder erfahren Amazonentöchter so etwas grundsätzlich nicht?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 21. März 2007, 15:41 Uhr
Obwohl Olyvar ihr sagen kann, wie der Mann heißt und woher stammt, scheint er sonst auch nichts weiter zu wissen. Was Shyada allerdings kurzzeitig seltsam vorkommt ist, dass Olyvar den Namen kennt. Würde sich ein Kopfgeldjäger vorstellen? Wohl kaum...Wie auch immer er zu dem Namen gekommen ist, es ist relativ unwichtig, denn ein Name allein hilft ihnen nicht weiter. Die gibt es bekanntlich wie Sand am Meer und können schnell geändert werden. Besonders in fremden Städten. > "Ich weiß. Aber alles, was über den schwarzhäutigen Mistkerl herauszubekommen war, war nun einmal, dass man ihn in Ardun sucht... Ich habe keine Ahnung, was er überhaupt soweit im Norden verloren hatte."< Sie zuckt nur kurz mit den Schultern, wenn er es nicht weiß, dann sie bestimmt auch nicht. Also wäre es eigentlich sinnlos weiter darüber zu reden. Sie redet ohnehin schon viel zu viel und von Dingen die ihn nichts angehen. Wenn er ihr unbedingt helfen oder sie hier festhalten will, dann soll er es tun, aber deswegen muss sie ihm ja nicht gleich mit Details vertraut machen, die er vorher auch nie wissen sollte. Doch dafür hat sie bereits zuviel gesagt und natürlich damit Olyvars Interesse geweckt. > "Deine Mutter?"< Es klingt seltsam das Wort zu hören und dabei nichts zu empfinden. Meine Mutter? Ich könnte nicht behaupten so etwas jemals besessen zu haben... Die Person hatte sie geboren, aber Shyada kann sich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern. Er hatte nie eine Bedeutung für sie gehabt. Weder damals, noch heute. > "Wäre es möglich, dass dein Vater aus Ardun stammt?"< „Möglich“, flüstert sie leise. Was soll sie auch schon großartig dazu sagen? Jedes weitere Wort von ihr würde mehr und mehr ihrer Vergangenheit ans Tageslicht bringe. Dinge, die bislang niemand erfahren hat. Und auch Varin kennt nur jenen einen Abend, nichts weiter...

Es wäre jetzt der richtige Zeitpunkt um zu gehen, aber leider muss sie sich eingestehen, auch wenn es sie kalt lassen sollte, sie will wissen, was dieser Jamar mit ihr vorhatte. Sie mag es nicht im Dunkeln zu stehen. Kopfgeldjäger tauchen nur auf, wenn etwas für sie herausspringt, aber wer sollte derartiges Interesse an ihr haben? Sie ist für niemanden von Wert, geschweige denn, dass sie Geheimnisse kennt, die so etwas rechtfertigen würden. Zudem kann sie sich schwerlich vorstellen, dass man in Talyra nach einer Amazone sucht, um den Weg nach Baile Craobh herauszufinden. Das wäre mit einer Reise nach Yâshior oder Quyêpla wesentlich einfacher gegangen.
> "Hat man dir je irgendetwas über ihn erzählt? Oder erfahren Amazonentöchter so etwas grundsätzlich nicht?"< „Nein“, antwortet sie fast sofort und will das Thema damit eigentlich beenden. Olyvar sieht allerdings ganz und gar nicht so aus, als würde er sich damit zufrieden geben. Sie erwidert seinen Blick, sucht darin nach vollkommen egoistischen Gründen oder einer gewissen Schadenfreude, sie mit all den Fragen zu quälen, aber findet nichts dergleichen. Er tut es für sie, einzig und allein um ihr zu helfen. Ruckartig erhebt sie sich von ihrem Stuhl, weil sie es nicht mehr erträgt ihm so nahe zu sein. Doch statt aus der Halle zu flüchten, geht sie zu einem der hohen Bogenfenster. Wenn sie schon nicht hier raus darf, dann möchte sie wenigstens das Gefühl haben, frische Luft und möglichst viel Freiraum zu bekommen. „Man wird geboren... und man wird aufgezogen. Wenn man Glück hat erfährt man den Namen seiner... der Mutter. Sonst nichts. Sie sagen, dass es keine Rolle spielt. Es zählt einzig und allein, dass Mädchen geboren werden und sie kämpfen können. Nichts anderes. Mein... mein Vater. Ich weiß nichts über ihn, nicht einmal wie er ausgesehen hat. Ihr hab ich jedenfalls nicht sehr ähnlich gesehen.“ Shyada lächelt dem Spiegelbild, dass sich schwach von ihr in der Scheibe abzeichnet zu, als sei zumindest dies ein Trost dafür eine solche Mutter gehabt zu haben. „Aber ich könnte sie nicht einmal mehr fragen, wer er war oder ist. Ich darf nicht zurückkehren und sie ist schon lange tot. Vielleicht wissen es welche der Älteren, aber sie würden es mir nicht verraten.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 21. März 2007, 22:40 Uhr
>Möglich<, erwidert Shyada so leise, dass Olyvar sich vorbeugen muss, um sie überhaupt zu verstehen. Die Kastanienziege auf dem Tisch grinst immer noch zu ihm empor, und seine eigenen Mundwinkel zucken. Die Amazone dagegen ist eindeutig auf dem Rückzug und atmet argwöhnische Reserviertheit mittlerweile praktisch aus allen Poren. Er muss wirklich kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass sie nicht weiter über ihre Vergangenheit im Besonderen und ihr Amazonendasein im Allgemeinen reden will. Einerseits kann er ihr das zwar nicht einmal verdenken, vor allem nicht angesichts der Tatsache, dass Shyada ohnehin wenig Übung in Konversation hat, andererseits kann er ihr auch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Hast du geglaubt, das hier wird leicht? Nein, nicht für einen Herzschlag. "Nein," schnappt Shyada hastig auf seine zweite Frage nach ihrem Vater. Für einen Moment sieht sie ihn an, als suche sie in seinen Augen krampfhaft nach einem Vorwand, jetzt die Krallen auszufahren, aber was auch immer sie in seinem Blick findet, es rechtfertigt keinen Zorn, nicht einmal für sie. Dann steht sie auf und eilt an eines der Fenster, wendet ihm den Rücken zu, als könne sie es nicht ertragen, ihm bei ihren nächsten Worten ins Gesicht zu sehen. Ihm nicht und vielleicht keinem anderen Menschen außer ihrem verschwommenen Spiegelbild in einer der bleigefassten Glasscheiben... und dann tut sie doch, wovon er geglaubt hatte, sie würde es nicht mehr über sich bringen, und erzählt von sich selbst. >Man wird geboren... und man wird aufgezogen. Wenn man Glück hat erfährt man den Namen seiner... der Mutter. Sonst nichts. Sie sagen, dass es keine Rolle spielt. Es zählt einzig und allein, dass Mädchen geboren werden und sie kämpfen können. Nichts anderes. Mein... mein Vater. Ich weiß nichts über ihn, nicht einmal wie er ausgesehen hat. Ihr hab ich jedenfalls nicht sehr ähnlich gesehen.<

Er kann sehen, wie sie ihrem Spiegelbild im Fenster zulächelt, seltsam trotzig und bekümmert zugleich. Olyvars Gesicht bleibt vollkommen ausdruckslos, aber innerlich schluckt er seine Erschütterung hinunter, als ihm die volle Bedeutung ihrer Worte langsam bewusst wird. Götter im Himmel, Amazonen bekommen keine Kinder, sie züchten sie! Diesem Gedanken folgt eine zweite, sehr viel grausamere Erkenntnis. Wenn nur Mädchen zählen, die kämpfen können... was geschieht mit den Jungen, die geboren werden? Oder mit den weiblichen Neugeborenen, die klein und zart sind? Er zwingt sich, still zu bleiben und weiter zuzuhören, doch er atmet hörbar durch die Nase aus, während seine Augen so hell und hart wie gehämmertes Silber werden. Sie bringen sie nicht um... Ifrinn, Shya, sag mir, dass sie die Kinder nicht zum Sterben aussetzen oder nach der Geburt erwürgen....  "Was..." setzt er an, während sich der Dunkelwald in seinen Gedanken von einem geheimnisvollen Ort grüner Schatten in eine Hölle sterbender Kinder verwandelt, doch Shyada ist noch nicht am Ende. >Aber ich könnte sie nicht einmal mehr fragen, wer er war oder ist. Ich darf nicht zurückkehren und sie ist schon lange tot. Vielleicht wissen es welche der Älteren, aber sie würden es mir nicht verraten.< Olyvar zwingt sich, zu atmen. Er hat nicht viel über Amazonen gewusst, aber das... Du wirst ihr die Frage nicht stellen. Nicht jetzt. Nicht jetzt! In seinen durcheinanderwirbelnden Gedanken hallen ihre letzten Worte. Nicht zurückkehren... ich darf nicht zurückkehren... "Shyada," erwidert er leise und sehr ruhig. "Warum..." er holt tief Luft. "Warum hast du den Dunkelwald verlassen? Was ist geschehen, dass du nicht zurückkehren darfst?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 22. März 2007, 10:08 Uhr
Auch wenn viele behaupten sich mit Amazonen auszukennen, so wissen nur die wenigsten wirklich etwas darüber wie das Leben in Baile Craobh abläuft. Olyvar springt weder auf, noch macht er seiner Empörung Luft, aber sie kann in seinem verzerrten Spiegelbild in der Glasscheibe erkennen, dass er das auch nicht gewusst oder auch nur als Geschichte abends bei einem Bier in der Harfe gehört hat. Die Reaktionen würden wohl immer die gleichen seien, besonders wenn es um die Kinder geht. Kind zu sein hat für die Amazonen eine vollkommen andere Bedeutung als hier oder im Rest der Immerlande. Man hat keine Zeit zum spielen, nur zum lernen... Lernen, dass die Welt außerhalb des Waldes falsch und böse ist. Ein bitteres Lachen steigt in ihre Kehle auf, aber es dringt nicht nach draußen. Ausgerechnet sie wurde verstoßen. >“Was...“< ertönt es hinter ihr, aber was immer Olyvar auf der Zunge liegt. Entweder will er die Antwort nicht hören oder erst abwarten, ob sie seine Frage vielleicht von alleine erklärt, wenn er sie weiter sprechen lässt. Als sie endet und damit eigentlich schon viel zu viel gesagt hat, herrscht einen Moment lang Schweigen. Sie weiß dass Fragen kommen werden, wann hat man auch schon die Gelegenheit soviel zu erfahren? Nur sehr sehr selten, aber sie weiß auch, dass Olyvar abwägen würde, was er unbedingt wissen muss und will. Er würde sie nicht mit sinnlosen Fragen löchern, aber was er fragt lässt Shyada doch leicht zusammenzucken. > "Warum... warum hast du den Dunkelwald verlassen? Was ist geschehen, dass du nicht zurückkehren darfst?"< Er stockt kurz, etwas dass Shyada selten bei ihm erlebt hat. Hatte er überhaupt jemals gezögert? Sie weiß es nicht, was sie aber weiß, dass sie einen ziemlich schlechten Ruf hat. Darüber hinaus scheint Olyvar ausreichend Fantasie zu besitzen, um unsicher zu sein, was die Antwort auf die Frage angeht, denn sonst hätte er sie nicht gestellt.

Sie hat von ihrer toten Mutter geredet und behauptet nicht mehr zurückkehren zu können. Ob er glaubt, dass sie es war? Sie sieht ihn über die Reflexion in der Scheibe hinweg an. Gehen die Vorstellungen über sie soweit, dass sie die Frau töten würde, die sie geboren hat? Wegen ihr haben schon einige ihr Leben gelassen, aber nur dann, wenn es keinen anderen Weg gab.
Langsam dreht sie sich zu ihm um und atmet einmal tief ein. „Weil ich das getan habe, was ich am besten kann...“ Sie lächelt und seit langer Zeit ist es ein Echtes. Mögen die Leute sie für eine gefühlslose Bestie halten, sie wissen absolut nichts über sie. Olyvar hat stets behauptet, dass sie sich selbst belügt, aber eigentlich hat sie das nie getan. Sie hat nur immer so gelebt, wie es für sie am erträglichsten war und alles Störende fürsorglich vor den anderen vesteckt. „Ich habe die Regeln nicht akzeptiert. Wer Baile Craobh den Rücken kehrt, darf nicht zurückkehren. Es gibt Ausnahmen, aber dort wartet nichts auf mich...“ So wie eigentlich nirgendwo. Das Lächeln auf ihren Lippen erstirbt und sie dreht sich wieder halb zum Fenster. Es ist schönes Wetter draußen. Kalt vielleicht, aber es scheint trotzdem ein angenehmer Tag zu sein. Das Pfahlbaumhaus ist laut Olyvar hinüber und wenn er sie denn endlich gehen lassen würde, hätte sie wohl wirklich nichts mehr. Ihre Kette, das letzte Andenken aus Baile Craobh, gehört nicht mehr länger ihr. Wahrscheinlich hat man sie längst in Blurraent verkauft und somit ist auch der Rest, der sie wohl noch mit den Amazonen verbunden hat, endgültig verschwunden. „Sie ist gestorben, weil sie unvorsichtig war. Sie war zu nah am Eisenkranz und der Hôth’lar zu schnell für sie.“ Shyada zuckt mit den Schultern, als sei dass Thema damit beendet. Sie verspürt keine Trauer, wenn sie davon spricht, schließlich verbindet sie nichts mit dieser Person. Es ist der Tod einer beliebigen Person, von der man nur weiß, dass es sie einmal gegeben hat.

Da sie ohnehin bereits zuviel gesagt hat und ihr wieder Olyvars Reaktion und unausgesprochene von vorhin einfällt, spricht sie weiter. „Sie werden nicht getötet.“ Er ist Vater. Ob er sich vorgestellt hat, wie es wäre seine Tochter zu behalten und seinen Sohn wegzugeben? „Wenn sie Glück haben, werden sie in der Nähe von Städten ausgesetzt. Amazonen zeigen sich nie dabei. Manche werden gefunden, manche nicht. Einige haben keine Glück... je nachdem wer die Mutter ist... und werden direkt im Wald ausgesetzt. Sie alle werden gefunden. Aber die wenigsten von den Stadtbewohnern oder Reisenden.“
Angesichts des Themas ist sie viel zu ruhig. Aber sie weiß nichts von Muttergefühlen. Es ist ihr vollkommen fremd. Sie hat es nie verstanden, als kleines Kind noch weniger, aber sie hatte es akzeptiert und war damit aufgewachsen. Für sie war es damals normal... Etwas das so sein musste. Und aus diesem Grund ist sie sich auch sicher, dass sie eine miserable Mutter abgeben würde, sollte es jemals passieren, dass sie ein Kind in diese Welt setzt. Nicht solange du es verhindern kannst...

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 22. März 2007, 23:09 Uhr
Seine Frage trifft sie, er sieht, wie sie leicht zusammenfährt, ein kaum merkliches Senken der Schultern, ein kurzes Versteifen ihres Rückens. Entweder, sie war darauf absolut nicht vorbereitet, oder aber er hat einen wunden Punkt getroffen. Einen Moment lang glaubt er, sie würde ihm schlicht die Antwort schuldig bleiben, doch dann wendet sie sich zu ihm um und sieht ihn an. >Weil ich das getan habe, was ich am besten kann...< Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit sieht er Shyada wirklich lächeln. In ihrem Gesicht ist keine Berechnung, keine Koketterie, keine Hintergründigkeit, nichts, nur eine unverfälschte, spontane Gefühlsregung. In diesem Moment kennt er die Antwort, einen Herzschlag, bevor ihre Worte es bestätigen, und lächelt ebenfalls. Sie hat rebelliert. Noch im selben Atemzug stellt er sich die Frage, warum bei allen Neun Höllen Shyada überhaupt gegen das Amazonentum aufbegehrt und ihr ganzes Leben, ihr Volk und ihre Heimat zurückgelassen hatte, wenn sie jetzt so eisern an den Ansichten dieser megalomanen Weiber festhält. >Ich habe die Regeln nicht akzeptiert. Wer Baile Craobh den Rücken kehrt, darf nicht zurückkehren. Es gibt Ausnahmen, aber dort wartet nichts auf mich...< Ihr Gesicht versteinert wieder zu der reglosen Maske, die sie der Welt zu zeigen beliebt, und sie wendet sich halb ab, hoheitsvoll wie eine Königin. Olyvar hebt fragend eine Braue, wohl wissend, dass sie sein Gesicht in den Fensterscheiben sehen kann. War's das? Mehr hast du nicht zu sagen?
Sie hat offenbar doch, denn nach einer Weile fährt sie fort: >Sie ist gestorben, weil sie unvorsichtig war. Sie war zu nah am Eisenkranz und der Hôth'lar zu schnell für sie.< Da er ihre Mutter mit keinem weiteren Wort erwähnt und sich auch nicht nach ihrem Schicksal erkundigt hatte, braucht Olyvar ein, zwei Herzschläge, bis er begreift, wen sie damit überhaupt meint. Er schüttelt sacht den Kopf, lächelt innerlich jedoch in sich hinein. Sieh mal einer an, die kleine Amazone wird nachlässig... das ist ja schon fast ermutigend. Shyada steht hier und erzählt mir freiwillig und ganz von sich aus Dinge, von denen gar nicht die Rede war und nach denen auch niemand gefragt hat... Trotzdem klingen in ihrer Stimme keinerlei Gefühle mit, sie spricht so beiläufig vom Tod ihrer Mutter, als rede sie über das Wetter oder erkundige sich nach den gerade gültigen Brotpreisen.

Wie kann man innerlich so leer sein? Oder so verkrüppelt? Diese Frage drängt sich ihm ganz unwillkürlich auf, als er sie so reden hört, auch wenn er der Letzte ist, der glauben würde, dass sie ihrer Mutter, falls man diese Amazonen überhaupt so nennen kann, irgendetwas schuldig wäre. Nein, nicht für ein Leben ohne Liebe, ohne Geborgenheit, ohne Achtung, ohne Wärme, ohne all das, was ein Kind ebenso dringend braucht wie die Luft zum Atmen oder etwas zu Essen. Aber es kommt noch schlimmer: >Sie werden nicht getötet.< Wechselt Shyada abrupt das Thema und diesmal weiß er sofort, wovon sie spricht, auch wenn er die Kinder ebenfalls mit keinem Wort erwähnt hat. Anscheinend waren ihm seine Befürchtungen mehr als deutlich anzusehen - oder aber die Amazone kann seit neuestem Gedanken lesen. Er will es dennoch nicht hören... er will es nicht hören, weil er nicht weiß, wie er mit diesem Wissen sein Versprechen ihr gegenüber halten soll, doch sie fährt unbarmherzig fort. >Wenn sie Glück haben, werden sie in der Nähe von Städten ausgesetzt. Amazonen zeigen sich nie dabei. Manche werden gefunden, manche nicht. Einige haben kein Glück... je nachdem wer die Mutter ist... und werden direkt im Wald ausgesetzt. Sie alle werden gefunden. Aber die wenigsten von den Stadtbewohnern oder Reisenden.< Im aller ersten Moment glaubt er ernsthaft, seinen Ohren nicht zu trauen. Dann starrt er sie aus schmalen Augen an und fragt sich, ob sie ihm vielleicht mit voller Absicht eine möglichst brutale Lüge auftischen würde, um ihn dazu zu bringen, sie gehen zu lassen. Nein, sie sagt die Wahrheit... und das ist eine noch viel bittere Erkenntnis. ...Einige haben kein Glück... je nachdem wer die Mutter ist... und werden direkt im Wald ausgesetzt. Sie alle werden gefunden. Aber die wenigsten von den Stadtbewohnern oder Reisenden. Er hatte Recht. Der Dunkelwald ist eine Hölle für sterbende Kinder. Er sieht Shyadas Gelassenheit, ihre Ruhe, die vollkommene Unberührtheit, mit der sie all diese schrecklichen Wahrheiten ausgesprochen hat und spürt gallenbitteren Zorn in sich aufsteigen. Seine Wut ist kalt und schwarz, und sie hat nichts mit anerzogenen Moralvorstellungen oder dem, was Recht und Gesetz ist, zu tun. Sie ist so elementar wie archaisch, und aus etwas geboren, das grundsätzlich tief im Sein jedes Lebewesens verwurzelt ist - dem Wunsch, die eigenen Jungen, die Kinder der eigenen Art, ob nun verwandt oder nicht, zu beschützen.

Er steht so heftig vom Tisch auf, dass der schwere, holzgeschnitzte Armlehnstuhl, in dem er eben noch gesessen hatte, mit einem harten Knirschen über den Boden ruckt, denn er kann beim besten Willen nicht mehr still sitzen bleiben und ruhig zu hören. "Sie setzen ihre Kinder zum Sterben im Wald aus, nur weil sie den Anforderungen nicht genügen oder zufällig das falsche Geschlecht haben?!" Echot er und versucht gar nicht erst, Zorn oder Entsetzen aus seiner Stimmen fernzuhalten. "Welche Frauen, die auch nur halbwegs bei Verstand sind, tun so etwas verdammt noch mal? Freiwillig! Und du redest noch von Glück, wenn das ausgesetzte Kind in der Nähe einer Stadt gelassen wird! Bas mallaichte! Gun toireadh an diabhul fhein leis anns a bhàs sibh, direach di lfrinn! Ich dachte, ihr Amazonen würdet nur die Männer verachten, aber ihr verachtet das Leben selbst. Ein Volk, das seine eigenen Kinder opfert... und niemand tut etwas dagegen? Was ist, wenn eine Frau ihr Kind nicht hergeben will? Muss sie dann gehen? Wird sie verbannt, weil sie so etwas wie Gefühle für ein schutzbedürftiges, hilfloses Wesen in sich entdeckt? Ist das ihre Vorstellung, die Vorstellung der Amazonen, von einem Leben? Ist es deine? Das ist nicht nur grausam und absolut sinnlos, es ist auch noch erbärmlich." Er bricht ab und starrt in die lodernden Flammen im Kamin. Mag der Tag draußen auch schön sein, es ist immer noch Winter und es ist kalt. Viel größer allerdings ist die Kälte in seinem Inneren. "Ich dachte," fährt er schließlich sehr viel ruhiger fort, "Amazonen wären stolze Kriegerinnen, die sich nichts und niemandem beugen, aber das ist gar nicht wahr... sie sind nichts als Sklavinnen ihrer eigenen Verblendung. Keine Ideologie, kein Allgemeinwohl und keine Lehre rechtfertigt den Tod der eigenen Kinder. Ich weiß nicht, was man dich gelehrt hat oder wie deine Kindheit aussah. Aber ich weiß, dass ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen würde, unter solchen Unmenschen aufzuwachsen. Hältst du das wirklich für richtig? Diese Art zu leben, diese Art zu denken, diese Gleichgültigkeit, diese Selbstsucht, dieses ganze verdammte, götterverflucht falsche Amazonengetue?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 23. März 2007, 10:06 Uhr
Sie hat nicht damit gerechnet, dass er ebenfalls vollkommen ruhig bleiben würde, aber dass er so reagiert, überrascht sie doch. Unwillkürlich zuckt sie zusammen, weil sie glaubt, dass er sich sofort auf die Stürzen wird, aber er bleibt beim Tisch, wirkt dadurch aber nicht minder aufgebrachter oder ungefährlicher. Fluchend und lauter als man es von ihm gewohnt ist, macht er seiner Wut Platz. Shyada kann nicht einschätzen, ob seine Wut und das Entsetzen ihr oder den Amazonen gilt. Oder ob es alleine die Tatsache ist, wie mit dem Nachwuchs umgegangen wird, aber sie weiß zumindest, dass sie momentan die Einzige im Raum ist, die man für diese Gräueltaten verantwortlich machen könnte. Jetzt weiß sie warum man sich einfach ausschweigen sollte. Sie hat eindeutig zuviel gesagt. Eigentlich war sie es immer gewesen, die andere hat reden lassen, da man so definitiv mehr erfährt und nun ist sie selber darauf hereingefallen. Er bombardiert sie regelrecht mit Fragen und Vorwürfen, gibt ihr aber keine Sekunde, um darauf zu antworten. Sie sieht ihm immer noch regungslos entgegen, aber innerlich ist sie angespannt. Sie weiß, dass sie keine Kraft hat, dafür hat sie wohl die letzten Monde mit zuviel Müßiggang verbracht, aber sollte Olyvar sich wirklich an ihr vergreifen, würde sie es ihm nicht leicht machen. Alles was man ansatzweise als Versöhnlichkeit hätte bezeichnen können ist aus ihr gewichen. Du hast es doch wissen wollen! Alle wollen es wissen... die Geheimnisse der Amazone ergründen, aber leben kann von euch kein Einziger damit!
>“.. Ist das ihre Vorstellung, die Vorstellung der Amazonen, von einem Leben? Ist es deine? Das ist nicht nur grausam und absolut sinnlos, es ist auch noch erbärmlich." Sie glaubt einen Moment lang nicht, was sie gehört hat. Will er damit etwa andeuten, dass er glaubt, dass sie sich daran beteiligt hat? Hatte er ihr eben denn überhaupt nicht zugehört? Shyada schluckt ihre giftige Antwort herunter, es würde ihn ohnehin nur noch wütender machen. Und dann soll er noch einmal behaupten, ich wäre nicht vernünftig... nun ja eigentlich war ich das auch nicht, ansonsten hätte ich meine verdammte Klappe gehalten. Sie bereut es. Sie bereut alles, was sie ihm gesagt hat. Es hätte ihr vorher klar sein müssen, dass es ihr nicht bestimmt ist jemanden wirklich etwas über sie anzuvertrauen. Niemand kann damit umgehen und die Reaktionen wären wohl alle die selben. Du bist für immer gebrandmarkt, egal für wie tolerant sich die Leute auch halten.

Olyvar ist noch immer nicht fertig damit sein Entsetzen zum Ausdruck zu bringen, wirkt aber plötzlich weitaus weniger aggressiv oder bedrohlich. >... Ich weiß nicht, was man dich gelehrt hat oder wie deine Kindheit aussah. Aber ich weiß, dass ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen würde, unter solchen Unmenschen aufzuwachsen. Hältst du das wirklich für richtig? Diese Art zu leben, diese Art zu denken, diese Gleichgültigkeit, diese Selbstsucht, dieses ganze verdammte, götterverflucht falsche Amazonengetue?<
Sie lächelt bitter, aber ihre Augen funkeln nun ebenfalls wütend. Wenn sie es akzeptiert hätte, wäre sie dann nicht dort geblieben? Vorurteile machten wohl auch nicht vor der Rechtschaffenheit in Person halt. Es war ein Fehler... ein verdammter Fehler... gesteht sie sich erneut ein. Sie hätte nie ihr Schweigen und einfach allein vor sich hin leben sollen. Es hatte bislang funktioniert und würde es vermutlich auch noch die nächste Zeit tun. Wobei sie sich nicht sicher ist, ob es das wirklich noch tun würde. Nicht nachdem Liomie so drastisch aus ihrem Keller geholt wurde. „Du willst die Antwort doch sowieso nicht hören! Hast du mir überhaupt zugehört und nicht nur das gehört, was DU wolltest? Hattest du als Kind die Wahl dich zu entscheiden? Konntest du als Kind einfach gehen, wenn deine Gesellschaft von dir verlangt hat, Dinge zu tun, die du nie wolltest? Es ist einfach jemanden Vorwürfe zu machen, aber etwas ganz anderes es berechtigt zu tun! Das was du und die anderen hier in Talyra für Amazonengetue haltet, bin einzig und allein ICH. Das hat nichts mit ihnen allen zu tun. Ich bin es die keine Kinder kriegen will, ich bin es die für sich allein leben will, ich bin es die keine Gefühle zulässt... Ich habe mich entschieden so zu leben, weil ich nie so werden wollte... Glaubst du ich wäre sonst gegangen und hätte mich in eine Welt gestürzt, die so vollkommen anders ist?“ Sie redet schon wieder zuviel und doch kann sie nicht einfach aufhören. Möglicherweise ist Liomie an allem Schuld oder es ist einfach die Zeit gekommen, an dem sie darüber reden muss. Vielleicht auch einfach, weil sie die ganzen Vorwürfe und Beschuldigungen leid ist.

Sie schluckt mehrmals. Noch immer ist sie wütend, aber sie beginnt schon wieder zu zittern. >...oder wie deine Kindheit aussah< Sie merkt wie die Gefühle von damals in ihr hochschaukeln, verursacht durch das was eben gesagt wurde. Die Angst, der Hass, die Abscheu, die Scham. Doch am schlimmsten war die Einsamkeit gewesen. Trotzdem war sie der einzige Schutz den sie jemals gehabt hatte, um Momente wie diese zu verhindern. Du wirst weich und schwach... Ihr Blick verschleiert sich von den Tränen, die ihr in die Augen steigen. Aber nicht hier. Nicht vor Olyvar. Hastig stößt sie sich von dem Fensterrahmen ab und eilt zur Tür, von der sie weiß, dass sie zu ihrem Zimmer führt. An der Tür bleibt sie aber trotzdem noch einmal stehen. Es spielt ohnehin keine Rolle mehr. Sie würde von hier verschwinden. Sowie sich die erste Chance bietet, wäre sie weg. Er weiß einfach zuviel. „Meine Kindheit? Sie ist nichts sagend, weil sie nie wirklich existiert hat, aber ich kann dir sagen wie sie geendet hat. Sie haben gesagt, dass es so sein muss. Das jedes Mädchen das erlebt, aber ich wollte nicht und doch haben sie mich dazu gezwungen. Er hat es nicht nur einmal getan, sondern mehrmals. Sie nennen es ein Fraulichkeitsritual.... ihr nennt es schlichtweg Vergewaltigung!“
Für einen Moment erwidert sie seinen Blick, kann ihn aber nur verschwommen sehen. Dann öffnet sie die Tür und ist verschwunden, bevor er auch nur ein Wort sagen kann. Sie will nicht mehr mit ihm reden. Nie wieder. Jetzt wissen bereits zwei davon. Zwei innerhalb dieser Mauern. Sie hat gar keine andere Wahl als so schnell wie möglich zu verschwinden. Erst als die Tür zu ihrem Erkerzimmer hinter ihr ins Schloss fällt und sie sich langsam an dem rauen Holz hinabrutschen lässt, beginnen die Tränen lautlos zu kullern. Shyada war davon ausgegangen, dass sie darüber keine Tränen mehr vergießen kann, aber nun weiß sie, dass sie sich geirrt hat. Aber genaugenommen ist es nicht Shyada die weint, denn diese hat bereits die Mauer um sich wieder aufgebaut, sondern Liomie, die den ganzen Schrecken noch einmal durchlebt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 23. März 2007, 17:35 Uhr
>Du willst die Antwort doch sowieso nicht hören!< Zischt es hinter ihm, kaum, dass er geendet hat, und Olyvar dreht sich um. Shyada ist unleugbar wütend... wütend und verletzt. "Und du willst die Wahrheit nicht sehen!" Schnappt er zurück und starrt unbeeindruckt in ein paar zornsprühend grüner Augen. >Hast du mir überhaupt zugehört und nicht nur das gehört, was DU wolltest?< Begehrt sie auf. >Hattest du als Kind die Wahl dich zu entscheiden? Konntest du als Kind einfach gehen, wenn deine Gesellschaft von dir verlangt hat, Dinge zu tun, die du nie wolltest? Es ist einfach jemanden Vorwürfe zu machen, aber etwas ganz anderes es berechtigt zu tun! < "Aye, ich habe dir zugehört, du mir anscheinend aber nicht," gibt er wütend zurück und geht ein paar Schritte auf sie zu. Sie weicht keinen Sekhel. "Nein, als Kind hat man nicht die Wahl! Habe ich nicht gerade gesagt, dass ich niemandem, niemandem eine solche Kindheit wünschen würde?" Er ist unleugbar aufgebracht, voller brodelnden Zorns, aber bis jetzt, bis zu dem Augenblick, in dem sie ihm an den Kopf wirft, er würde sie zu Unrecht beschuldigen, war er überhaupt nicht auf Shyada wütend. Sicher, ihre gespenstische Ungerührtheit hatte seine Wut geweckt, aber sie hatte sich nicht gegen sie gerichtet... höchstens gegen ihre dämliche Sturheit, aber das steht auf einem anderen Blatt. "Habe ich dich ein einziges Mal für all diese Dinge verantwortlich gemacht?" Er verschränkt die Arme vor der Brust, um nicht in Versuchung zu geraten, sie zu packen und zu schütteln. "Nein!"
Sie hört ihm überhaupt nicht zu, vielleicht ist sie inzwischen auch einfach zu sehr in Rage, um überhaupt noch irgendetwas zu hören. >Das was du und die anderen hier in Talyra für Amazonengetue haltet, bin einzig und allein ICH. Das hat nichts mit ihnen allen zu tun.< "Ach," platzt es aus ihm heraus. "DAS hat nichts mit ihnen allen zu tun? Du bist es doch, die alle vor den Kopf stößt, die nur freundlich zu dir sein wollen! Du bist es doch, die für alle außer dir selbst nur Verachtung übrig hat! Du bist es doch, die lieber am eigenen Stolz erstickt, als auch nur einmal Hilfe anzunehmen, du..."
>Ich bin es die keine Kinder kriegen will, ich bin es die für sich allein leben will, ich bin es die keine Gefühle zulässt...< unterbricht sie ihn, bebend vor Zorn. Nun ist es sie, die in ihrer Wut auf ihn zumarschiert und ihn fast anschreit. >Ich habe mich entschieden so zu leben, weil ich nie so werden wollte... Glaubst du ich wäre sonst gegangen und hätte mich in eine Welt gestürzt, die so vollkommen anders ist?<
"Was...?! Du wolltest nie so werden, aber du lässt keine Gefühle zu? Was ist das denn für eine Logik!" Hält er dagegen, doch noch bevor er endet, kann er sehen, wie der Zorn sie verlässt. Er rinnt aus ihrem Körper wie Wasser aus einem umgekippten Krug und lässt nichts als Zittern und aufsteigende Tränen zurück.

Noch bevor er allerdings irgendetwas sagen oder tun kann, ergreift sie die Flucht... zu seinem grenzenlosen Staunen jedoch nicht in Richtung Ausgang, sondern in Richtung des Turmgemachs... ihres Zimmers. "Verdammt noch mal, Shyada, du kannst nicht ewig weg..." laufen hatte er eigentlich sagen wollen, doch an der Tür hält sie noch einmal inne und sieht zu ihm zurück. Der Schmerz in ihren Augen und was sie zu sagen hat, lassen ihm seinen ganzen rechtschaffenen Zorn und alle seine Worte sprichwörtlich im Hals stecken bleiben. >Meine Kindheit? Sie ist nichts sagend, weil sie nie wirklich existiert hat, aber ich kann dir sagen wie sie geendet hat. Sie haben gesagt, dass es so sein muss. Das jedes Mädchen das erlebt, aber ich wollte nicht und doch haben sie mich dazu gezwungen. Er hat es nicht nur einmal getan, sondern mehrmals. Sie nennen es ein Fraulichkeitsritual.... ihr nennt es schlichtweg Vergewaltigung!< Er schnappt nach Luft, als die Tür ins Schloss fällt und er Shyadas hastige Schritte die Treppe im Gang nördlich der Halle verhallen hört. Fraulichkeitsritual... Götter im Himmel. Er hatte von verschiedenen Ritualen und Weiblichkeitszeremonien schon gehört, auch wenn ihm, der in Hochwald geboren und in Talyra aufgewachsen war, diese Vorstellung ziemlich fremd ist. Seines Wissens gab es so etwas zwar auch bei den Windreitern des Gräsermeeres und den Wagenfahrern Thunderlands, doch für gewöhnlich waren es heilige Zeremonien und die Weisen Frauen eines Stammes, die Schamanen und Heilerinnen, achteten sehr streng darauf, dass den ausgewählten Mädchen ihre erste Nacht so angenehm wie nur irgend möglich gemacht wurde. Vergewaltigung. Er schüttelt angewidert den Kopf, um die ungewollten Bilder, die Shyadas Worte heraufbeschworen haben, aus seinen Gedanken zu vertreiben. Ist das der Schlüssel? Die Tatsache, dass sie mit Gewalt genommen wurde... und das auch noch mit Billigung der anderen Amazonen? Er weiß es nicht, aber er glaubt es zumindest. Billigung? Sie haben sie gezwungen, das waren ihre Worte! Olyvar fixiert einen Moment lang abwägend die Tür, hinter der sie verschwunden ist, dann setzt er sich entschlossen in Bewegung. Er ist ein Mann und damit höchstwahrscheinlich an sich schon der Falsche, um jetzt mit ihr zu reden, aber noch falscher wäre es, sie damit allein und das Gesagte einfach im Raum stehen zu lassen. Er hört keinerlei Geräusche, die ihm verraten würden, was sie tut, als er die schmale, halb gewundene Treppe in den kleinen Eckturm des Westflügels hinaufsteigt, unter dessen Dach einst Ieras Zimmer war, das sie nun seit dem Frühsommer bewohnt, aber er weiß, dass sie dort ist. Und er weiß auch, dass sie weint, auch wenn keine verräterischen Schniefgeräusche und nicht das kleinste Schluchzen zu hören sind... er hatte ihre Tränen gesehen, als sie aus der Halle geflüchtet war.

Sein Klopfen wird nicht beantwortet, aber hastiges Rascheln ist zu hören und dann leichte Schritte... offenbar hatte sie direkt hinter der Tür gesessen. "Verschwinde!" Einen Moment verharrt seine Hand noch am Türgriff, dann drückt er entschlossen die schwere Klinke hinunter. Sie hat weder abgeschlossen, noch den Riegel vorgeschoben, allerdings wohl kaum, weil sie ihn nicht aussperren wollte, sondern weil ihr schlicht keine Zeit dafür geblieben war. Als er die Tür öffnet, hat sie sich schon an eines der Fenster geflüchtet, kehrt ihm demonstrativ den Rücken und zittert von Kopf bis Fuß. Olyvar holt seufzend Luft und bleibt stehen, wo er ist. Das letzte, das er will, ist ihr auch noch Angst einjagen und das würde er vielleicht, wenn er jetzt keine Distanz wahrt. Also schön, dann eben so. "Tha mi duilich." Es tut mir leid. "Ich hätte dich nicht anschreien sollen. Ich war wütend, aber nicht auf dich. Ich habe dir nichts vorgeworfen, Shyada. Und du hast Recht. Was man dir angetan hat, war Vergewaltigung." Einen Moment lang schweigt er und sie gibt keine Antwort... allerdings gibt es darauf wohl auch nichts zu sagen. "Du kannst deine Vergangenheit nicht ändern und niemand kann ungeschehen machen, was dir passiert ist. Aber du kannst auch nicht dein ganzes Leben lang davor weglaufen. Es ist nichts, wofür du dich schämen müsstest. Die Frauen, die dich dazu gezwungen haben und der Mann, der dir das angetan hat, sollten an ihrer Schuld ersticken, aber du nicht." Er sucht ihren Blick in der Fensterscheibe, findet aber nur niedergeschlagene Augen und tränennasse Wangen. "Du sagst, du hättest dich in eine Welt gestürzt, die vollkommen anders ist, aber das hast du doch gar nicht. Du hast diese Welt nie an dich herangelassen, sondern betrachtest sie immer noch wie durch eine Fensterscheibe... als dürftest du nur von außen zusehen. Du lässt niemanden an dich heran, du gibst dich immer noch als Amazone, auch wenn du das in Wahrheit vielleicht gar nicht sein willst. Allein leben... wer will das schon? Ohne Freunde? Ohne andere, die einem etwas bedeuten und denen man selbst auch wichtig ist? Ohne Liebe? Dafür sind wir Menschen nicht gemacht, Shyada, ganz gleich, was dir die Amazonen beigebracht haben. Es ist falsch. Es ist genauso falsch, wie nichts fühlen zu wollen. Es ist keine Stärke, keine Empfindungen zu haben. Genaugenommen ist es sogar eine ziemliche Schwäche." Er hat gesagt, was er zu sagen hatte, mehr kann er im Augenblick einfach nicht tun, also geht er. In der Tür hält er noch einmal kurz inne. "Vielleicht sind meine Worte umsonst und du wirst ohnehin nicht auf mich oder sonst jemanden hören... Ich wollte bestimmt nicht an schmerzhaften Erinnerungen rühren, aber vielleicht ist es langsam an der Zeit, sich ihnen zu stellen. Denk wenigstens darüber nach, aye?" Dann geht er, zieht die Tür hinter sich zu und kehrt in die Halle zurück.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 23. März 2007, 20:24 Uhr
Ein heißes Bad kann sehr viel ausmachen, es entspannt Körper und Geist und man lässt die Gedanken wandern. Ganz gemächlich rinnt ein Tropfen Dianthas Haare hinunter und fällt in die gefüllte Wanne. Kaum trifft er auf die eben noch ruhige Wasseroberfläche, beginnt er Kreise zu ziehen. Es ist erstaunlich, wie viel Wasser so ein kleiner Tropfen in Bewegung setzen kann. Wie sehr ein kleines aufflammendes Gefühl einen Menschen durcheinander bringen kann. Tropf. Du musst es ihm sagen! Tropf. Du bist es ihm schuldig. Tropf. Ich bin niemandem etwas schuldig! Tropf. Er hat dein Vertrauen verdient, er war gut zu dir. Tropf. Viele Leute kriegen nicht das, was sie verdienen… Tropf. Ich weiß doch, dass ich es ihm sagen muss, irgendwann, jetzt hat er erst einmal genug mit Shyada zu tun. Es wird schon die rechte Zeit kommen. Aber nach gestern – ich habe so viel Schwäche gezeigt, wie konnte ich nur! Entschlossen taucht sie mit dem Kopf unter Wasser und für einen Moment ist nur Stille zu hören, beruhigende Stille und sie zwingt sich, an nichts als die Ruhe zu denken.
Von allen Elementen war ihr das Wasser schon immer am Liebsten gewesen. Das „Amur Kind“ hatten manche der Dorfbewohner sie in ihrer Kindheit lachend genannt. Im Sommer als erste im Wasser und im Winter als letzte im Schnee. Die Gegensätzlichkeit dieses Elements hatte sie von Kindheit an fasziniert. Einerseits bringt Regen Leben in die kargen Gegenden, er macht die Erde fruchtbar, andererseits nehmen Flutwellen, Schneelawinen und Wasserhosen immer wieder eine Vielzahl von Leben. Lebensspender und –zerstörer Amur, wie leicht kann man sich von ihm trügen lassen. Das Element der Wandelbarkeit: Wasser, Schnee, Eis. Schließlich taucht sie wieder auf, leicht nach Luft schnappend. Na, ich konnte auch schon mal länger die Luft anhalten, denkt sie grinsend und steigt aus der Wanne. Selbst nach mehreren Minuten des Abtrocknens sind ihre Haare noch feucht, mittlerweile sind sie eindeutig lang genug um sie zu einem Zopf zusammenzubinden. Nein, keinen Zopf, ich habe ihn mir damals abgeschnitten und mir geschworen erst wieder einen zu tragen, wenn ich mich gerächt habe. Aber dazu hatte ich ja nie die Gelegenheit, ich muss mir die Haare endlich wieder abschneiden! Trotz der schlussendlich trüben Erinnerungen, fühlt sich Diantha gut während sie das Badehaus verlässt. Ihr Körper ist vollends entspannt und die Sauberkeit ist sehr angenehm. Dann macht sie noch einen kurzen Abstecher zu den Ställen um Flacon zu fragen, ob sie ihn mit den Kindern in den nächsten Tagen einmal im Stall besuchen kann und ihm zu erzählen, wie begeistert Connavar von den Pferden war. Dieser freut sich über die Begeisterung des Jungen und stellt ihr jederzeit frei einmal vorbei zu kommen, es gäbe auch das ein oder andere Pferd, dass sich von den Kindern streicheln lassen würde.

Als sie die große Halle betritt bedarf es nur einen Blick in graue Auge und sie weiß sofort, was zu tun ist. Ohne weiter darüber nachzudenken nimmt sie jeweils ein Kind an die Hand und verlässt den Raum, aus dem Augenwinkel nimmt sie wahr, das auch Mattis sich zu seinen Übungen aufmacht. Zu zweit ist schließlich auch die einzige Möglichkeit sich wirklich zu unterhalten und Olyvar scheint der einzige zu sein, dem gegenüber Shyada etwas wie Anerkennung empfindet. Ich wünsche dir viel Glück, vielleicht schaffst du es ja, sie zu erreichen. Bei mir hat es funktioniert, vielleicht bei ihr auch… Oh, was hast du dir da nur für zwei Frauen ins Haus geholt, Olyvar, das wird alles nicht leicht. Mit Fianryn und Connavar geht die Immerfrosterin zunächst in deren Zimmer, packt sie dick ein – es wird zwar allmählich Frühling, ist aber dennoch für Talyra recht frisch und zwei kranke Kinder sind nun wirklich das Letzte, was sie gebrauchen können. Im Garten haben die beiden wie immer draußen jede Menge Spaß, was gibt es auch schöneres für ein Kind als nach Schneeglöckchen zu suchen, verstecken oder fangen zu spielen. Doch Dianthas Laune ist trotz den lachenden Kindergesichtern ein wenig getrübt, sie fragt sich, ob der Lord Commander und die Amazone wohl in der Halle sitzen und sich anschweigen. Obwohl, wahrscheinlicher ist wohl, dass Shyada Olyvar anschweigt und der mit viel Gerede versucht in sie zu dringen… Andererseits hat er bisher mit ihr umgehen können, vielleicht gelingt es ihm ja wirklich sie zum Reden zu bewegen.

Erst als die Kinder schon ganz rote Wangen haben und lauthals nach etwas zu Essen verlangen, beschließt Diantha die Steinfaust wieder zu betreten. Sie möchte nicht stören, dennoch ist der einzige Weg zu etwas Essbaren über die Halle und so setzt sie die Kinder erst einmal in Conns Zimmer, zieht leise die Tür zur Halle auf , betritt auf Zehenspitzen den Raum und schaut sich um. Doch von Shyada und Olyvar ist nichts zu sehen, vielleicht sind sie wo anders hingegangen. Dennoch beschließt Diantha die Kinder erst noch in dem Kinderzimmer zu lassen und etwas zu Essen dorthin zu bringen. Hoffentlich machen die beiden keinen Unsinn während ich weg bin… Sie beeilt sich etwas von gestrigen Abendessen aufzutreiben und auf ein Tablett zu packen, doch auf halben Weg zurück durch die Halle, wird diese von Olyvar betreten. Er kommt aus Richtung des Turmzimmers, in dem sich jetzt unter Garantie Shyada aufhält. Erst schaut er an Diantha vorbei, vollkommen in Gedanken, doch als sie zaghaft: „Olyvar?“ fragt, sieht er sie an. Er ist aufgebracht, das war nach einem Gespräch mit dieser zickigen Amazone zu erwarten, doch seine Augen sind zudem kalt vor abgrundtiefem Zorn, den er scheinbar nur schwer unter Kontrolle behält. Das will etwas heißen, denn normalerweise ist Olyvar was Gesichtsausdrücke angeht die Ruhe selbst, die Fähigkeit sich eine unberührte Maske aufzusetzen beherrscht er hervorragend. Solchen Zorn hatte sie erst einmal in ihrem Leben in den Augen ihres Gegenübers gesehen und auch wenn er diesmal nicht ihr gilt, tritt sie automatisch einen Schritt zurück. Das ist Olyvar, verdammt, nicht Riku!, denkt sie sich wütend über ihre eigene Reaktion und nimmt sich zusammen. „Die Kinder sind in Conns Zimmer, komm doch mit zu ihnen“, schlägt sie leise vor. Warum er so wütend ist, will sie im Moment gar nicht wissen, sie möchte nur, dass er sich wieder beruhigt und sie nicht so ansieht. Für sie ist es immer am besten wenn sie zornig, aufgeregt oder unsicher ist, in das sanfte Gesicht eines Kinds zu schauen, dann beruhigt sie sich. Sie weiß nicht, ob es Olyvar in solchen Stimmungslagen ähnlich geht, doch sie weiß, dass er die Zwillinge liebt und gerne die Zeit mit ihnen verbringt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 24. März 2007, 17:54 Uhr
Sie hatte gehofft, dass er ihr nicht folgen würde, dass er sie nun einfach endgültig in Ruhe lässt, aber natürlich tut er das nicht. Hätte sie den Weg aus diesem verfluchten Westflügel gewusst, sie wäre ohne zu zögern weggelaufen, aber die einzige Möglichkeit um an einen ihr bekannten Ort zu gelangen, war dieses Zimmer gewesen. Das Zimmer in dem sie wohl die letzten Monde verbracht hat, obwohl sie sich nur an Teile zweier Tage erinnern kann. Sie hört seine Schritte nicht, aber das Klopfen, dass dumpf in ihrem Rücken pocht. „Verschwinde!“ Ihre Stimme ist heiser, aber laut genug, dass er sie hören kann. Und obwohl die Tür zwischen ihnen liegt, hat sie das Gefühl, dass er ihr viel zu nah ist. So gut es in ihrer Verzweiflung und mit diesem verfluchten Kleid geht, rappelt sie sich eilig auf und flüchtet zum weitentferntesten Platz im Zimmer. Natürlich ist das noch immer nicht weit genug und als sich die Tür auch noch wie befürchtet öffnet, scheint der Raum plötzlich viel kleiner und enger. Einen Moment ringt sie nach Atem und ist versucht das Fenster aufzureißen, aber sie kann sich nicht bewegen. Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt stehen bleibt und nicht einfach umkippt, da ihr Beine und Arme so stark zittern, dass sie es kaum unter Kontrolle hat. Ich hab gesagt, dass du verschwinden sollst. Warum kannst du nicht einmal das tun, was ich will und nicht was DU willst., schreit sie ihn Gedanken an, sagt aber keinen einzigen Ton. Als sie ihn verschwommen in der Glasscheibe ausmachen kann, senkt sie hastig den Kopf ein Stück. Shyada weiß nicht, ob er gekommen ist, um sie noch mehr zu quälen oder um sich daran zu erfreuen, dass er sie zum ersten Mal so sieht. Als er erneut zu sprechen beginnt, zuckt sie zusammen und rückt dichter an die Wand. Sie will ihm nicht zuhören und doch dringt seine Stimme unbarmherzig zu ihm vor. Er mag recht haben, mit jedem verdammten Wort, aber sie will es trotzdem nicht hören. Sie hat sich über die Jahre mit genug Gedanken und Fragen gequält, um irgendwann zu einem Schluss zu kommen. Es soll nicht wieder von vorne beginnen. Doch sie weiß, dass es das längst getan hat. > "Du kannst deine Vergangenheit nicht ändern und niemand kann ungeschehen machen, was dir passiert ist. Aber du kannst auch nicht dein ganzes Leben lang davor weglaufen.< Bislang hatte es ganz gut geklappt, denn niemand hatte Bekanntschaft mit Liomie gemacht, doch diese Zeiten sind vorbei. Sie weiß es und hasst sich dafür. Viel früher hätte sie schon damit anfangen sollen einfach wegzulaufen. Aber hätte sie allein mit weniger als 14 Sommern eine Chance im Dunkelwald gehabt? Wenn du schon nicht damals weglaufen konntest, warum darfst du es dann jetzt nicht, wo du es kannst? Sie sieht nur kurz auf, aber sieht nichts außer vage Konturen und Schemen die ihr ein unwirkliches Bild von Olyvar malen.

Er redet weiter, versucht sie zu beeinflussen, aber sie reagiert nicht auf ihn. Sie kann einfach nicht. Erst als sie hört, dass er sich wieder von ihr entfernt lässt ihre Anspannung nach. Die ganze Zeit über hatte sie befüchtet, dass er sie berühren könnte. Hätte er das getan, sie wäre wohl durchgedreht. Doch auch wenn er sich wohl dafür entschieden hat, sie endlich in Ruhe zu lassen, er lässt sie noch nicht sofort allein. > "Vielleicht sind meine Worte umsonst und du wirst ohnehin nicht auf mich oder sonst jemanden hören... Ich wollte bestimmt nicht an schmerzhaften Erinnerungen rühren, aber vielleicht ist es langsam an der Zeit, sich ihnen zu stellen. Denk wenigstens darüber nach, aye?"< Das Schließen der Tür ist wie eine Erlösung für sie. Kraftlos lässt sie sich zu Boden sinken und lehnt sich gegen das Bett im Rücken. “Vielleicht...“ lautet ihre verspätete Antwort. Mehr als einmal hatte sie darüber nachgedacht, aber woher soll sie wissen, ob es wirklich die Zeit dafür ist? > Du sagst, du hättest dich in eine Welt gestürzt, die vollkommen anders ist, aber das hast du doch gar nicht. Du hast diese Welt nie an dich heran gelassen, sondern betrachtest sie immer noch wie durch eine Fensterscheibe...< Er hatte gesagt, dass er ihr keine Vorwürfe machen wollte und doch klingt dies erneut wie einer. Wie soll sie sich auch in diese Gefühlswelt integrieren, wenn sie nie gelernt hat, wie man es tut. Möglicherweise sind fehlende Gefühle eine Schwäche, aber sie nicht zu haben macht so manches wesentlich einfacher, als wenn man sich in Verantwortung und Erwartungen verstricken würde. Sie ist gegangen um von dieser anderen Welt zu lernen und doch musste sie einsehen, dass es vielleicht ein Fehler war. Das sie es nicht kann, weil sie viel zu lange leer gewesen ist. Leere. Das ist genau das, was sie im Augenblick am meisten spürt. Bis zum heutigen Tag war der Großteil ihres Lebens die Aufgabe gewesen, Liomie vor dem Rest der Welt zu verstecken, aber daran ist sie nun gescheitert und sie weiß nicht was folgen soll. Sie spürt weder Kraft um sich von diesem kalten Fleck Stein zu erheben, noch Liomie erneut zu verdrängen oder sich all den Gefühlen zu stellen, die man wohl anderen gegenüber empfindet oder überhaupt erlaubt. Umso stärker sind die Empfindungen die bereits zehn Zwölfmonde zurückliegen und sich mit der jetzigen Unsicherheit vermischen. Warum hast du mir das angetan? Allerdings ist sich Shyada nicht einmal sicher, wen genau sie damit meint. Ob Olyvar, Jamar, ihre Mutter oder den Mann dessen Namen und Gesicht sie nicht kennt.
Hätte sie damals Olyvars Angebot zur Rache angenommen, wäre es dann anders gekommen? Sie versucht sich an den Tag zu erinnern, aber ihre Gedanken vermischen sich zu stark mit weiter zurück liegenden Erinnerungen, dass es ihr schon schwer fällt, zu wissen, was gestern überhaupt passiert ist. Nach einigen Minuten ebbt der Gedankenstrudel jedoch ab und hinterlässt wieder ein fahle Leere. Obwohl sie sich unvollständig fühlt, hat sie wieder eine Weile Ruhe, konzentriert sich auf nichts außer ihren eigenen Herzschlag und den Tränen die noch immer über ihre Wangen laufen. Sie weiß, das sie neu anfangen muss. Egal ob sie hier bleibt oder wieder davonläuft, wie Olyvar so schön meinte. So oder so müsste sie entweder lernen Gefühle zuzulassen oder Liomie erneut verdrängen und wegsperren, um dann wie gehabt an einem andern Ort weiterzumachen. Und du weißt genau, dass du das nicht kannst. Nicht mehr...

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 25. März 2007, 01:04 Uhr
Olyvar steuert gerade den Tisch vor dem großen Kamin an, immer noch aufgewühlt von all dem Gehörten und Gesagten. Er ist nahe daran, sich sein Schwert zu schnappen, zwei Wachen zu rufen, sie vor dem Westflügel zu postieren und auf die Waffenhöfe hinunter zu marschieren, um dort irgend jemandem den Schädel einzuschlagen... oder sich wenigstens zwei Stunden lang mit Vareyar, Colevar oder dem Narrenkönig mit einem bleigefüllten Holzschwert zu prügeln. Stattdessen lässt ihn ein leises >Olyvar?< Inne halten und sich umwenden. Es ist Diantha mit einem schwer beladenen Tablett in den Händen. Offenbar hatte sie sich unten in der Burgküche von den Köchen und Mägden etwas zu Essen geben lassen und ist damit gerade auf dem Weg in die Kinderzimmer. Sein ganzer rabenschwarzer Zorn hält ihrem Anblick genau einen Herzschlag lang stand, bevor er verraucht wie Morgennebel in der Sonne - doch offenbar genügt der Ausdruck in seinen Augen, um die Immerfrosterin unwillkürlich zurückweichen zu lassen. Er sieht, wie ihre Augen sich ein wenig weiten, sieht, wie sie einen Schritt zurück tritt und spürt einen nadelfeinen, schmerzhaften Stich irgendwo in seinem Inneren - sehr nahe der Stelle, an der früher einmal sein Herz war. Ah dhia...  "Essen," seufzt er erleichtert, hört seinen Magen leise rumoren und richtet den Blick dann entschlossen von ihrem Gesicht auf das Tablett. Es muss längst Mittagszeit sein, und er hatte zum Morgenmahl kaum etwas gegessen. Über all dem Gestreite mit der Amazone hatte er überhaupt nicht daran gedacht, den Kämmerern bescheid zu geben, dass sie ihnen etwas zu Essen heraufschicken sollen. Seine Augen wandern über frisches Brot, ein Schälchen Butter, kalten Braten, ein wenig Auflauf, Käse, eingelegte Schwarzwurzeln und etwas, das verdächtig nach Fleischpastete aussieht. Sein Lächeln gerät vielleicht etwas schief, aber es ist ein Lächeln. "Ist das alles für ein Kinderzimmerpicknick oder meinst du, ihr könntet einem Halbverhungerten etwas davon abgeben?" >Die Kinder sind in Conns Zimmer, komm doch mit zu ihnen,< schlägt Diantha vor, sieht ihn aber immer noch irgendwie prüfend an. Er hätte gern mit ihr geredet, ihr alles erzählt, was geschehen ist - alles, bis auf Shyadas ganz persönliches Martyrium, denn jemandem das zu offenbaren, ist allein Sache der Amazone. Doch Diantha fragt nicht, obwohl sie die Wut in ihm gesehen und gespürt haben muss, und sie sieht auch nicht aus, als wolle sie irgendetwas davon wissen. Außerdem warten die Kinder auf ihr Essen und müssen dann ihren Mittagsschlaf halten, ihm selbst knurrt der Magen und Diantha hat zweifellos ebenfalls Hunger. Abgesehen davon ist der Trost, den sie ihm anbietet, ein wenig Zeit mit den Kindern, ein wenig zur Ruhe kommen und über nichts mehr nachdenken müssen, was mit diesem verstockten Frauenzimmer zu tun hat, zu verlockend. "Aye," erwidert er also nur und nimmt ihr das sperrige Eichenholztablett ab. "Gern."

Die nächsten drei Wochen vergehen zunächst einmal damit, dass der Winter sich überraschend noch einmal für eine Rückkehr in die Herzlande entscheidet. Nach Tagen voller Sonne und frühlingshafter Wärme, herrscht plötzlich wieder frostige Kälte und es schneit - für herzländische Verhältnisse nicht einmal wenig. Diantha und die Kinder freut es, und so lange der Wintereinbruch anhält, bekommt Olyvar alle drei kaum zu Gesicht. Sie verlassen den Westflügel nach dem Morgenmahl, packen sich etwas zu Essen ein, schnappen sich warme Pelze und einen Schlitten und sind dann den ganzen Tag mit den Botenkindern der Steinfaust, die weder Unterricht, noch Dienst haben, im Burggraben damit beschäftigt, Wettrennen zu veranstalten und Schneemänner zu bauen. Diantha macht den Kindern Schneeschuhe, mit denen sie in ihren Pelztuniken und Fellhosen über das glitzernde Weiß stapfen wie zu klein geratene Bären mit Schlagseite, aber ihnen macht es Spaß. Manchmal kann er ihr Lachen bis zur Halle des Westflügels herauf dringen hören, wo er herumsitzt und eine Amazone bewacht, die sich benimmt wie ein in die Enge getriebener Dachs. Seit seinem Streit mit Shyada verläuft das Leben im Westflügel zumindest was sie betrifft mehr als angespannt. Zunächst hatte sie ihr Zimmer im Turm überhaupt nicht verlassen, nicht einmal, um etwas zu essen... und das, was er oder Mattis ihr gebracht hatten, hatte sie unberührt vor ihrer Tür stehen lassen. Irgendwann hatte der Hunger sie allerdings in die Halle zurückgetrieben, doch sie ist und bleibt mehr als still, sehr zurückhaltend und gibt selbst auf absolut belanglose, freundliche Fragen nur einsilbige Antworten. Olyvar lässt sie in Ruhe, soweit es nur irgend möglich ist, manchmal ist es das jedoch einfach nicht. An einem Tag in der letzten Taumondwoche etwa, als am Morgen Dandelayn bei ihm erscheint und ihm mitteilt, dass es ihm leid tue, dass M'lord und die Seinen den Westflügel jedoch wohl oder übel heute räumen müssten, da Radegund, ihres Zeichens so etwas wie die Oberste Magd der Steinfaust, und ihr "Putzgeschwader" im Anmarsch wären. "Ach du Schreck," ist alles, was Olyvar im ersten Moment dazu einfällt. "Äh... es ist wirklich nicht nötig, dass sie hier saubermachen." "Putzgeschwader" heißt bei Radegund, einer fülligen, gestandenen Mittfünfzigerin mit gestärktem Häubchen, grauen Locken und Walkürengestalt mindestens ein Dutzend bis an die Zähne mit Besen, Eimern, Wischlappen und Seifenlauge bewaffnete Mägde. Dandelayn lässt sich jedoch nicht beeindrucken. M'lord verstehe schon, es sei Frühling und er kenne ja Radegund, sie stelle schon seit einem Siebentag die gesamte Festung auf den Kopf und sei der Meinung, der Westflügel habe es am dringendsten nötig, schließlich lebe er, der Lord Commander ja nun allein. Bei dieser Aussage seines Kämmerers kann Olyvar sich einen zweifelnden Blick nicht ganz verkneifen - er mag zwar nach wie vor allein sein, aber immerhin besteht sein Haushalt, rechnet man die Kinder mit, aus sechs Personen... nicht gerade das, was er als Junggesellendasein bezeichnen würde.

Radegund, die gute Seele, ist da jedoch ganz anderer Meinung, wie sie auch lauthals verkündet, als sie, gefolgt von einer Horde schüchtern mit ihren Besen klappernder Mägde hereinrauscht, kaum dass Dandelayn wieder gegangen ist. "Oh, wie schön Euch zu sehen, M'lord, und die lieben Kleinen, wo sind sie denn? Ach ja, Ihr habt ja eine Kindermagd. Macht sie wohl gerade für den Tag fertig, was? Gute Wahl. Hübsches Mädchen, hab sie schon ein paar Mal auf den Höfen unten gesehen. Die Kinder lieben sie, wie ich höre? Fein. Fein. Ihr solltet Euch aber wirklich auch nach einer Frau umsehen, M'lord, nichts für ungut, aber ihr müsst an Eure Kinder denken." Nicht gerade, dass sie ihm noch erzählt, es sei unnatürlich für einen Mann, so lange allein zu schlafen. Das weiß er selbst. Innerlich stöhnend sieht Olyvar also machtlos zu, wie eine Schar wildgewordene Scheuermägde über die Halle herfällt, Wände abfegt, Kamine auskehrt, Teppiche aufrollt und Stühle hochstellt. Radegund derweil legt ihm nahe, doch einen Ausflug mit den Kleinen hinunter zu den Waldkoppeln zu machen, sie würde sich derweil hier um alles kümmern, keine Sorge. Sie will ihn loshaben, wie sie ihn jedes Jahr zu ihrer Putzorgie loshaben will. Olyvar kennt die Oberste Magd der Steinfaust und die bessere Hälfte des Kämmerers Gueren schon sein ganzes Leben, er weiß aus eigener Erfahrung, dass es absolut sinnlos ist, sich in Ordnungsfragen mit ihr anzulegen, schon gar nicht, wenn es um ihren geheiligten Frühjahrsputz geht, also trommelt er seine "Familie" zusammen und räumt mehr oder weniger bereitwillig das Feld... und da er Shyada weder allein lassen kann, noch ihr Radegund und das Scheuerlappenschwadron antun will, muss die Amazone den Tag wohl oder übel mit ihnen verbringen. Auf dem Inneren Zwinger läuft ihnen den Göttern sei Dank Rhordri über den Weg, der Mitleid und außerdem gerade Dienstfrei hat, und sie zu sich nach Hause mitnimmt. Morna habe Schmorbraten im Ofen und es seien ohnehin alle da, da fallen ein paar Esser mehr nicht weiter ins Gewicht. Olyvar nimmt die Einladung grinsend an und die Kinder quietschen vor Begeisterung - doch er warnt weder Diantha, noch Shyada vor, was da auf sie zukommt. Die Immerfrosterin würde sich vermutlich ziemlich bald pudelwohl fühlen, die Amazone dafür Höllenqualen ausstehen, aber es ist nicht zu ändern... und wenn er ehrlich ist, ist eine solche Erfahrung, wie Shyada sie heute machen würde, für die Amazone vielleicht gar nicht mal so schlecht. Rhordri wohnt nicht weit entfernt von der Festung, zwischen der Steinfaust und dem Haus der Bücher einem gedrungenen, wuchtigen, zweistöckigen Anwesen aus grauem Flussstein mit einem kleinen Hof und einem strohgedeckten Dach. Genaugenommen wohnt Rhordris vielköpfige Familie in insgesamt drei Häusern, die jedoch im Lauf der Jahre mehr oder weniger miteinander verbunden worden und zu einem einzigen Gebäude zusammengewachsen waren. Anstatt sie jedoch zur Haupttür zu führen, bringt Rhordri sie alle durch den Hof zu einem ebenerdigen Eingang der aus einer teilbaren Tür besteht, neben der sich griffbereit ein Stapel Feuerholz befindet, winkt sie hindurch in eine geräumige Küche und damit in ein ziemliches Gewimmel von Menschen jeden Alters, überwiegend Frauen und Kinder, die sie alle lautstark willkommen heißen.

Olyvar, der sich hier bestens auskennt, schließlich war das hier Jahre lang so etwas wie sein zweites Zuhause, küsst Morna, Rhordris rundliche bessere Hälfte, und muss sich gleich darauf von ihr auf die Finger klopfen lassen, weil er seine Nase neugierig in einen der zahllosen Töpfe steckt, die auf einem gewaltigen Herd vor sich hinblubbern. Shyada und Diantha werden an einen breiten, langen Tisch gesetzt, bekommen Tee und Kissen, und dann in rascher Folge Rhordris sechs erwachsene Töchter und zwei Söhne samt ihrer Ehemänner und -frauen, sowie deren Kinder vorgestellt. Die Zwillinge werden derweil von der unüberschaubaren Menge von Enkelkindern in Beschlag genommen, die allesamt in einem der angrenzenden Räume mit einem Wurf junger Kätzchen spielen. Sie bekommen Essen, noch mehr Tee, ein wenig Klatsch und Tratsch und dies und das, Ratschläge für trotzige Zweijährige und das Gewöhnen kleiner Kinder ans Nachtgeschirr (der Erfahrungsschatz in dieser Beziehung ist enorm), und eine Menge zum Lachen - aber vor allem bekommen sie Wärme. Den ganzen Rest des Tages, den sie hier im Asyl verbringen, weil Radegund den Westflügel in Beschlag genommen hat, werden sie unaufdringlich und vollkommen ungezwungen miteinbezogen, und dabei mit der gleichen freundlichen, rückhaltlosen Zuneigung überschüttet, die sein Kastellan, Morna und ihre große Familie an alle Menschen in ihrer Nähe so freigiebig verschenken. Die Sonne sinkt bereits, als sie sich auf den Rückweg machen, auch wenn man sie erst überhaupt nicht gehen lassen will und ihnen das Versprechen abnimmt, bald wieder zu kommen, und so kehren sie erst mit Einbruch der Nacht in einen blitzblank geschrubbten und auf Hochglanz polierten Westflügel zurück, in den sich vermutlich noch wochenlang kein Staubkorn mehr verirren würde. Shyada verzieht sich nach dieser Flut von Sinneseindrücken sofort in ihr Gemach, und Olyvar bringt mit Diantha die todmüde gespielten Zwillinge ins Bett, die schon an ihren Schultern  - sie trägt Fianryn, er seinen Sohn - eingeschlafen waren, noch bevor sie überhaupt die Steinfaust erreicht hatten. Sie wachen nicht einmal mehr auf, als sie sie für die Nacht noch frisch wickeln. In der Halle begegnet ihnen kurz Mattis, der den ganzen Tag lang mit den Rekruten der Indigogarde geübt hatte und von Vareyar gnadenlos mit den schweren Reitern durchs Larisgrün gehetzt worden war, doch auch sein Knappe murmelt nur noch einen Nachtgruß und verschwindet gähnend in sein Bett. Nur Olyvar und Diantha bleiben noch zurück und er stellt mit einer sehr merkwürdigen Mischung aus leisem Unbehagen und einer vagen Hoffnung fest, dass er zum ersten Mal seit jener uisgegetränkten Nacht in der Laube wieder allein mit ihr ist.

Nicht, dass er nicht gern in ihrer Gesellschaft wäre, im Gegenteil... aber er hatte sich die letzten Wochen beharrlich eingeredet, dass da nichts außer Freundschaft ist und dass er wirklich überhaupt nicht weiß, was an dieser Frau mit den blauen Augen, der hellen Haut und dieser lächerlichen Masse halblanger, sommerblonder Kringellocken so bezaubernd sein soll. Ebenso beharrlich hatte sie diese Überzeugung jeden Tag aufs Neue untergraben, und das mit einer erschreckenden Leichtigkeit, ganz einfach in dem sie da war. Sie brauchte dafür überhaupt nichts zu tun - sie tat ja auch nichts. Im Gegensatz zu ihm. Immer wieder hatte er sich dabei ertappt, dass er sie beobachtete, ihre Art zu Gehen, ihr Gesicht, ihre Hände, schmal und kräftig zugleich, die seine Kinder halten oder den Tisch abräumen, oder versuchen, Mattis die Ohren lang zu ziehen, wenn der Bengel seinen vorlauten Mund wieder einmal nicht halten kann. Dabei ist sie genaugenommen nicht wirklich auffallend schön, sieht man von ihren außergewöhnlichen Augen einmal ab, doch als der verrückte Narr, der er ist, findet er gerade die kleinen Unvollkommenheiten an ihr umso anziehender. Einer ihrer Schneidezähne ist ganz leicht schief und schiebt sich ein wenig über den anderen. Ihr Mund ist weder voll, noch schmal, doch ihre Unterlippe hat etwas ganz eindeutig sinnliches. Sommersprossen - die Plage aller blonden, hellhäutigen Frauen -, verstreuen sich wie Feenstaub auf ihrer Nase und ihren Wangen, und ihre Locken sind ein einziger, glänzender Wirrwarr - das ändert jedoch nicht das Geringste an der Tatsache, dass er am liebsten seine Hände darin vergraben hätte. Und ganz egal, wie er es auch dreht und wendet, die Gedanken, die er nicht haben will, bleiben hartnäckig an Ort und Stelle. Da ist mehr. Beunruhigend mehr.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 25. März 2007, 17:30 Uhr
An diesem Tag hatte Diantha das Gefühl gehabt, auf einmal in ihr Leben vor zehn Zwölfmonden zurückversetzt zu werden. Das gesellige Beisammensein mit Rhordis Familie hatte sie sehr an kleine Feiern in Immerfrost erinnert und so hatte sie den Nachmittag aus vollen Zügen genossen. Sie hat über die nicht immer ganz jugendfreien Witze von Rhordis ältestem Sohn gelacht, Mornas Kochkunst in höchsten Tönen gelobt, sich von allen anwesenden Frauen Tipps für Zweijährige geben lassen – ganz egal ob es nun um anständiges Verhalten beim Essen oder das Sauberwerden geht, in dieser Familie gibt es auf jede Frage in Bezug auf Kinder eine Antwort und man bekommt sie auch ohne überhaupt danach zu fragen. Der hohe Lautstärkepegel stört Diantha nicht im Geringsten, das ganze Haus summt wie ein Bienenstock und immer wieder ist das Kreischen der Kinder aus dem Nebenzimmer zu hören. Das hier ist es, was Diantha aus ihrer Kindheit unter dem Begriff „Familie“ kennt. Ein eher kleines Haus mit vielen Menschen darin, kein riesiger Steinfaustwestflügel in dem so wenige Leute wohnen, dass man sie an zwei Händen abzählen kann. Was Connavar und Fianryn angeht fühlt sich Diantha überhaupt nicht genötigt einzugreifen, sie wirft nur dann und wann mal einen Blick in das Nebenzimmer, doch ohne die Aufmerksamkeit der Zwillinge auf sich zu ziehen. Nur einmal, als Connavar freudestrahlend mit einem kleinen Kätzchen unter den Arm gepresst vor Diantha auftaucht, damit die doch auch mal das „Kätssschn“ streicheln darf, hat sie sich einmischen wollen, weil das kleine Tier nun wirklich nicht ausgesehen hatte, als ob ihm diese gut gemeinte aber dennoch grobe Behandlung gefallen würde. Doch noch bevor sie auch nur den Mund hat aufmachen können war eine fünfjährige Enkelin von Morna aufgetaucht – die eindeutig Ähnlichkeit mit ihrer Großmutter aufgewiesen hat – hatte Connavar wie ein kleiner Racheengel erklärt, wie genau man Katzen halten muss und ihn dann mit sich gezogen, weil: „Miezi muss doch zu ihrer Mama!“ Als der kleine Junge sie nur verständnislos angesehen und gefragt hat warum, hatte die selbstverständliche Antwort geheißen: „Na, Babys müssen doch zu ihrer Mama! Guck, da ist meine Mama mit meinem Babybruder, den darf man ihr auch nicht einfach wegnehmen! Und jetzt komm schon!“ Connavar war mitgegangen, hatte nicht weiter gefragt, dennoch hat diese kleine Begebenheit Diantha einen Stich ins Herz gegeben. Sie ist mit Sicherheit mehr als nur irgendein Kindermädchen für die Zwillinge, mehr als ein Mutterersatz dann aber eben doch nicht. Ersatz... Die beiden waren nie alleine, aber dennoch kennen sie keine solche Mutter-Vater-Kind-Beziehung wie sie in den meisten Familien üblich sind… Irgendwann werden die Fragen kommen, warum alle anderen Kinder Mütter haben und sie niemanden Mama nennen dürfen. Ob sie sich wohl noch an Kizumu erinnern können? Merken sich Halbelben mehr als menschliche Kinder? Aber hätten sie dann nicht jetzt schon einmal nach ihr gefragt? Von diesen Gedanken war Diantha jedoch schnell wieder abgelenkt worden, zu häufig war sie ungezwungen angesprochen und ausgefragt worden, als dass sie viel Zeit zum Grübeln gehabt hätte.

Es ist schon spät, als sie sich dann zu fünft wieder auf den Weg zurück in die Steinfaust machen. Shyada ist wie immer in sich gekehrt und scheinbar diesmal noch tiefer als sonst in Gedanken versunken. Fianryn und Connavar schlafen tief und fest, einer der beiden auf Dianthas und einer auf Olyvars Arm. In der Immerfrosterin selbst klingen all die schönen Gefühle des Nachmittags nach und so ist sie bester Laune als sie in der Steinfaust ankommen. Doch diese Stimmung hält nicht allzu lange, denn nachdem die Kinder ins Bett gebracht wurden und nur noch sie und Olyvar in der großen Halle sind, weil sowohl Mattis als auch Shyada schlafen gegangen sind, spürt sie wieder diesen Blick auf sich ruhen. Dieser Blick, der sie seit Tagen verfolgt und von dem sie so überhaupt nicht weiß, was sie von ihm halten soll. Sie ist vor ihm mit den Kindern in den Schnee geflüchtet, der in den letzten Tagen lag, doch das hatte auch nicht wirklich viel gebracht, dann hatte Olyvar sie eben beim Essen oder am Abend so angesehen. Wenn Flucht nicht funktioniert, dann gibt es nur noch eine andere Möglichkeit: Den Stier bei den Hörner zu packen, das heißt sie muss ihn endlich zur Rede zu stellen. Jetzt sind Worte nötig und auch wenn Diantha normalerweise nicht dazu neigt furchtbar viel zu plappern: Manchmal ist es doch notwendig mal etwas mehr zu sagen.
„Olyvar von Tarascon!“, fängt sie an und sieht in so vorwurfsvoll an, als wolle sie ihm gleich die Ohren lang ziehen. Es hat durchaus seinen Grund, dass sie ihn bei seinem vollen Namen anspricht, das macht den Ernst der Lage klarer. Fast wie bei Gericht - Olyvar bei mir vor Gericht, was für ein lächerlicher Gedanke, aber trotzdem! Er führt sich auf wie ein Zeuge, der nicht sagen will, was geschehen ist, sondern immer nur den Richter anstarrt, als würde er ihm damit etwas sagen! „Hättest du die Güte mir endlich zu erklären was los ist?“ Doch sie lässt ihm gar keine Zeit zu antworten, hat keine Lust auf einen Witz oder dergleichen, sondern sie will jetzt wirklich wissen, was Sache ist. Diantha war immer ein aktiver Mensch und selbst wenn ihre Aktivität darin bestand wegzulaufen, so hat sie doch nie still dagesessen und auf das gewartet, was kommen wird. Olyvar gegenüber war sie schon viel zu oft passiv gewesen, jetzt ist Schluss. „Glaubst du ich bin blind? Glaubst du, ich habe nicht bemerkt, wie du mich in den letzten Wochen ständig angesehen hast? Und jetzt erzähl mich nicht, dass das nicht stimmt! DASS es so ist steht außer Frage, aber ich will wissen WARUM du mich so ansiehst! Du wirst ja wohl nicht glauben, dass ich jetzt noch etwas klauen werde, oder?“ Der naheliegendste Gedanke. Oder ist dir erst so spät klar geworden, was ich war, bevor ich hierher kam? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen! „Oder mache ich etwas falsch? Tue ich etwas, was ich nicht machen sollte? Behandle ich deine Kinder nicht so, wie du es möchtest?“ Nach und nach arbeitet Diantha jede der Hypothesen ab, die sie sich in den letzten Tagen überlegt hat, lässt Olyvar aber erst einmal gar nicht die Möglichkeit zu antworten. Ihre Fragen unterstreicht sie teilweise mit Gesten, wie die nächste, bei der sie an sich herunterzeigt. „Habe ich für eine Kinderfrau die falsche Kleidung an? Müssen Kinderfrauen in Talyra Kleider tragen und du willst mir das mit deinen Blicken klar machen?“ Eigentlich findet sie diese Frage fast ein wenig albern, aber sie wird aus Olyvars Verhalten einfach nicht schlau. Aus Blicken kann man alles und nichts deuten, wenn man Glück hat liegt man richtig, wenn man Pech hat nicht. Diese Unsicherheit will Diantha jetzt nicht mehr, sie will Fakten. „Oder…“, sie zögert einen Moment und schaut ihn leicht verletzt an, was nun folgt ist eine Frage, die zum einen an ihrem Stolz kratzt, ihr aber auch einen Stich versetzt, wenn sie sich vorstellt, dass es das wirklich sein könnte. „Oder ist dir klar geworden, dass ich fast ein wenig an die Stelle von Kizumu getreten bin und deshalb vergleichst du mich jetzt mit ihr? Dann lass es lieber bleiben, ich kann dir ganz genau sagen, was dabei herauskommen wird: Sie war perfekt und ich bin es nicht." Ihre Stimme nimmt einen neutralen Tonfall an, was sie jetzt sagt sind Tatsachen, die außer Frage stehen. "Nach allem was ich von ihr gehört habe und von ihr in deinen Kindern sehe legt nahe, dass sie eine wunderschöne Elbin war, noch dazu mit einem wirklich guten Charakter. Ich bin selbst für einen Mensch nicht besonders hübsch, dass mich das letzte Mal jemand hübsch genannt hat ist mehr als eine Handvoll Jahre her. Und von meinem Charakter wollen wir gar nicht erst sprechen! Olyvar, ich war nie perfekt und ich werde es nie sein, ich bin nur ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger! Wenn das nicht reicht solltest du dir wohl lieber ein nettes elbisches Kindermädchen suchen, dann bin ich leider nicht geeignet!“ Von dem vielen reden und der Aufregung ist eine Röte in ihr Gesicht gestiegen, doch ihr Blick ist weiterhin fordernd auf Olyvar gerichtet. „Jetzt sag schon was!“, fordert sie ihn schlussendlich vehement auf.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 25. März 2007, 19:42 Uhr
Egal ob sie sich den Kopf darüber zerbricht, sich von ihren leeren Gedanken treiben lässt oder einfach an nichts denkt, sie hat keine Ahnung was sie tun soll oder wie die nächste Zeit für sie aussehen wird. Sie weiß, dass sie sich verändert hat und sich auch in der nächsten Zeit noch weiter verändern wird. Es ist zuviel in zu kurzer Zeit passiert, als das sie es hätte verhindern können. Aber auch die Einsamkeit in ihrem Erkerzimmer kann ihr nicht sagen, was als nächstes geschehen soll. Das Zimmer ist der einzige Ort der ihr einen gewissen Rückhalt gibt, das Einzige was sie zur Zeit als Zuflucht bezeichnen kann. Sie hätte Olyvar gegenüber schweigen soll, denn ab jetzt würde sie neben all den anderen Dingen auch immer das Wissen um ihre Vergangenheit in seinen Augen sehen. Anfangs lässt sich der Hunger durch alle ihre Sorgen ignorieren, aber sie weiß, dass sich selbst verhungern lassen, auch keine Lösung ist. Selbst wenn sie sich mehr als einmal vorgestellt hat, einfach weil es ihr als der einfachste Weg aus dieser Situation erscheint. Aber das würde bedeuten, dass sie aufgibt und das hat sie noch nie getan. Sie weiß, dass es immer einen Weg gibt, egal ob er einen gefällt oder nicht. Aber es gibt einen. Der ihr dieses Mal förmlich aufgedrängt wird, ist ihr alles andere als angenehm, aber sie hat keine Wahl. Zumindest nicht bei den ersten Schritten und doch weigert sie sich, so gut es eben geht. Sie nimmt nach einigen Tagen auch wieder beim Essen teil, redet sogar mit Olyvar oder den anderen wenn es sich nicht vermeiden lässt, sagt aber nie mehr als nötig, ignoriert Blicke oder Gesten und ist vollkommen in sich gekehrt. Shyada weiß, dass es Liomie ist, die sie kontrolliert, auch wenn sich beide längst vereint haben und keinen Kampf mehr gegeneinander ausfechten. Sie sind beide in ihr. Zu gleichen Teilen und je nachdem wie es ihr geht, ist sie mal mehr Shyada und mal mehr Liomie. Da Shyada mit all diesen Zweifeln aber nicht wirklich umgehen kann, ist es mehr Liomie welche die Kontrolle übernommen hat, aber im Hinterkopf mit all dem kämpft, was sie seit ihrer Kindheit begleitet hat.

Sich in Olyvars Nähe zu befinden ist ihr unerträglich, jetzt noch mehr als vorher schon, aber es lässt sich nicht vermeiden, dass sie einander immer wieder über den Weg laufen. Dafür ist der Westflügel zu klein und ohnehin hat sie nie die Chance allein wegzugehen. Irgendwer folgt ihr immer, besonders jetzt da sie endlich weiß, wo der Ausgang aus dem Westflügel ist. Doch obwohl Olyvar keine Berechtigung hat sie einfach festzuhalten und sie schon längst hatte abhauen wollen, fügt sie sich seltsamerweise dieser Tatsache und akzeptiert, dass sie mehr oder weniger eine Gefangene mit Freilauf ist. Sie weiß nicht, wann genau für Olyvar der Zeitpunkt erreicht wäre, an dem sie selbst entscheiden kann, um endlich wieder alleine durch Talyras Strassen oder auch das Larisgrün zu laufen, aber allen Anschein nach, existiert er noch nicht. Während all des Schweigens hat sie viel zu viel Zeit zum nachdenken und zum beobachten. Sie hatte in der letzten Zeit bereits viel zu viele Gefühle zugelassen, zumindest wenn es nach ihr ging, und trotzdem ertappt sie sich dabei, wie sie die Gardisten, Mägde und die kleine Westflügelfamilie in ihrer Nähe immer wieder beobachtet. Auch wenn sie schon seit Monden kein Waffe mehr in der Hand hatte, ist sie noch Jägerin genug, um es vollkommen unbemerkt zu tun. Es scheint zu funktionieren, aber nur für die anderen, weil sie sich keinen Reim darauf machen kann, inwiefern ihr es möglich sein soll. Sie kann sich nicht einfach dem nächst besten anvertrauen, auch würde sie nie auf die Idee kommen einfach nur mal so zu lächeln, geschweige denn einen anderen zu berühren. Egal wie oft sie dabei zusieht, es wirkt fremd auf sie. Olyvar hatte ihr gesagt, dass sie diese Welt durch ein Fensterglas betrachtet und recht hat er. Möglicherweise wurde das Fenster bereits geöffnet, doch Shyada weiß absolut nichts was sie damit anfangen soll. Und auch wenn ihr dieses Beobachten gewissermaßen eine Aufgabe gibt, so spürt sie den Drang endlich etwas zu tun. Niemand verlangt etwas von ihr, niemand beansprucht sie. Sie kann einfach vor sich hin leben und verbringt den Großteil des Tages sich von den anderen fern zu halten oder ihren Gedanken nachzuhängen. Zu ihrem eigenen Schrecken kommt ihr irgendwann die Idee, dass sie sich wie ein verschrecktes Reh aufführt, aber viel anders fühlt sie sich auch nicht. Oft sucht sie sich auch Fenster in der Steinfaust um den Gardisten bei ihren Kampfübungen zuzugucken. Während sie dem hektischen Hin und Her zusieht, wird ihr oft bewusst, dass sie gar nicht mehr weiß, wie es sich anfühlt eine Waffe in der Hand zu haben. Sie war nie ein Freund großer Schwerter gewesen, aber sie würde nicht ablehnen, würde man ihr eines in die Hand drücken. Aber sie kann sich nur zu gut vorstellen, was passieren würde, wenn Olyvar sie mit einem Schwert in der Hand sehen würde. Ein Wunder, dass sie überhaupt die Munddolche beim Essen berühren darf.

Als Olyvar ihr irgendwann mitteilt, dass sie den Westflügel zu verlassen haben, weil der alljährliche Frühjahrsputz ansteht, will sie ihm schon widersprechen und ist sogar geneigt zu fragen, ob sie dann wenigstens allein flüchten kann, spricht diesen Wunsch dann aber, aus ihr unbekannten Gründen, dann doch nicht aus. Stattdessen fügt sie sich wie ein treudoofer Hund und ahnt, dass es nichts gutes heißen kann. Weg von ihrem Erkerzimmer gibt es nichts, was sie mehr oder weniger als ihr Eigen bezeichnen kann und ist somit gnadenlos allem ausgeliefert, was die kleine fröhliche Gesellschaft ihr antun will. Zu ihrem Unglück kommt es schlimmer als erwartet, denn Rhordri nimmt sich kurzerhand ihrer an und schleppt sie allesamt zu seiner Frau, wo noch mehr fröhliche Gesichter auf sie warten. Shyada fühlt sich so wohl wie ein Kaninchen inmitten einer Wolfsherde und versucht das Beste daraus zu machen, da ihr ohnehin keine Möglichkeit zum Rückzug bleibt. Trotzdem ist sie nicht gewillt, auf die ganzen Fragen, Sprüche oder Bemerkungen zu reagieren, die allgemeine in die Runde oder nur ihr zugeworfen werden. Stattdessen sitzt sie die meiste Zeit schweigend herum und betrachtet das bunte Treiben um sich herum. Ihr ist klar, dass sie auffällt und dass die Kinder welche mit ihren Eltern, Onkeln oder Tanten tuscheln, über sie reden, aber es kümmert sie nicht. Es ist nur ein Abend... redet sie sich immer wieder ein und hofft, dass der Tag doch möglichst schnell vorübergehen wird. Glücklicherweise tut er das auch irgendwann, aber obwohl sie kaum etwas getan hat, ist sie so fertig, wie schon lange nicht mehr. Sie ist es einfach nicht mehr gewohnt soviel Abwechslung zu haben. Olyvar, Diantha, Mattis und die Kinder können tun und lassen, was sie wollen. Sie nicht und so fühlt sie sich bei der Rückkehr körperlich so ausgelaugt und kraftlos wie schon lange nicht mehr. Kaum dass sie sich wieder in der Steinfaust befinden, flüchtet sie regelrecht in ihr Zimmer und legt sich sofort ins Bett. Ihre Träume sind allerdings von Kindern, scherzenden Ehepaaren und dem teilweise schon unheimlich klingenden Lachen erfüllt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 25. März 2007, 23:49 Uhr
Olyvar legt Feuerholz im kleinen Kamin an der Nordseite der Halle nach, und beobachtet Diantha unter gesenkten Wimpern, sieht aber im Halbdunkel nicht viel mehr von ihr, als ihre Silhouette. In der Halle brennen nur die Kaminfeuer und sie legt gerade irgendetwas am Tisch zusammen, vermutlich eine kleine Mütze der Kinder oder ihre Fellschuhe... Autsch! Ein kurzer, scharfer Schmerz lässt ihn hastig auf seine Hände blicken und er verzieht missmutig das Gesicht, als er einen gut zwei Sekhel langen Holzspieß in seinem Daumenballen entdeckt. Ifrinn! Verärgert wirft er den letzten Buchenholzscheit ins Feuer, wischt das hervorsickernde Blut an seiner Hose ab und müht sich dann leise fluchend, den Spreißel aus seiner Hand zu bekommen. Sein Daumen pocht, das Holzstückchen sitzt tief in Haut - allerdings ist es so groß, dass er es nach zwei Versuchen schon zu fassen bekommt und herausziehen kann. Selber Schuld! Das hast du davon, dass du sie die ganze Zeit anstarrst wie ein hungriger Hund einen saftigen Knochen. Hättest du auf deine eigenen Finger gesehen, wäre dir das nie...
>Olyvar von Tarascon!< Tönt es direkt neben ihm und als er aufblickt, blinzelt er vollkommen überrumpelt in Dianthas eindeutig empörtes Gesicht. Heilige Radegund, war sie nicht gerade noch am Tisch gewesen? Sie war, doch nun steht sie vor ihm, dicht vor ihm, und verschränkt demonstrativ die Arme vor der Brust. "Hab ich irgendetwas..." angestellt, will er sich vorsichtig erkundigen, doch sie lässt ihn überhaupt nicht zu Wort kommen. >Hättest du die Güte mir endlich zu erklären was los ist?<
"Ahm..." Er hat wirklich nicht die allerleiseste Ahnung, was er nur getan haben könnte, um sie derart zu verärgern. Offenbar erwartet sie jedoch überhaupt keine Antwort von ihm, denn kaum hat sie ihre Frage gestellt, fährt sie auch schon selbst fort: >Glaubst du, ich bin blind? Glaubst du, ich habe nicht bemerkt, wie du mich in den letzten Wochen ständig angesehen hast? Und jetzt erzähl mir nicht, dass das nicht stimmt! DASS es so ist steht außer Frage, aber ich will wissen WARUM du mich so ansiehst!< Olyvar starrt in ihr Gesicht und kann es nicht fassen. Heilige Götter, war es so offensichtlich? Er sieht das aufgebrachte Funkeln in ihren Augen, ihr entschlossen vorgerecktes Kinn und ihr bebendes Näschen und alles, was er denken kann, ist, dass sie ihn gern bis zum Sankt Nimmerleinstag anfauchen darf, wenn sie dabei dann jedes Mal so aussieht. Ah dhia, hast du jetzt völlig den Verstand verloren?

"Dian..."
>Du wirst ja wohl nicht glauben, dass ich jetzt noch etwas klauen werde, oder?<
"Du lieber Himmel, nein!"
> Oder mache ich etwas falsch?<
"Nein, nein. Dia..."
>Tue ich etwas, was ich nicht machen sollte? Behandle ich deine Kinder nicht so, wie du es möchtest?< Olyvar glaubt seinen Ohren nicht zu trauen, doch Diantha ist noch längst nicht fertig.
>Habe ich für eine Kinderfrau die falsche Kleidung an?<
"Was?"
>Müssen Kinderfrauen in Talyra Kleider tragen und du willst mir das mit deinen Blicken klar machen?< Olyvars Brauen schießen entgeistert in die Höhe. "Was?!" Wiederholt er völlig fassungslos. Das glaubt sie? Allmächtiger... Seine Blicke waren ja möglicherweise nicht gerade sehr unschuldiger Natur, ganz bestimmt sogar nicht, aber sie kann sie doch gerade deshalb unmöglich mit Missbilligung verwechselt haben? Oder doch? Sei kein Idiot, auf keinen Fall! "Diantha, ich..."
>Oder... < Sie zögert, und die plötzliche Verwundbarkeit in ihren Augen lässt auch ihn betroffen schweigen - ausgerechnet im einzigen Moment, in dem er überhaupt die Gelegenheit hätte, etwas zu sagen. >Oder ist dir klar geworden, dass ich fast ein wenig an die Stelle von Kizumu getreten bin und deshalb vergleichst du mich jetzt mit ihr?<
"Wie? Nein..." Was bei allen Höllen hatte denn Kizumu jetzt hiermit zu tun? Gar nichts! Er hatte in den letzten drei Wochen nicht einmal an sie gedacht.
>Dann lass es lieber bleiben, ich kann dir ganz genau sagen, was dabei herauskommen wird: Sie war perfekt und ich bin es nicht.<
"Diantha..."  
>Nach allem was ich von ihr gehört habe und von ihr in deinen Kindern sehe legt nahe, dass sie eine wunderschöne Elbin war, noch dazu mit einem wirklich guten Charakter.<
"Aha. Und was hat das..."
>Ich bin selbst für einen Mensch nicht besonders hübsch, dass mich das letzte Mal jemand hübsch genannt hat ist mehr als eine Handvoll Jahre her.<
"Da täuscht du..."
>Und von meinem Charakter wollen wir gar nicht erst sprechen!<
"Was bitte ist an deinem Charakter auszu..."

> Olyvar, ich war nie perfekt und ich werde es nie sein, ich bin nur ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger!<
"Allen Göttern sei Dank! Wer will schon..."
>Wenn das nicht reicht solltest du dir wohl lieber ein nettes elbisches Kindermädchen suchen, dann bin ich leider nicht geeignet!
"Nicht reicht?! Ich will überhaupt kein nettes, elbisches..."
>Jetzt sag schon was!< Die himmelsschreiende Unlogik ihrer letzten Worte lässt ihn beinahe auflachen, schließlich versucht er schon seit einer ganzen Weile nichts anderes, als das zu tun, genaugenommen sogar schon, seit sie angefangen hatte, ihn mit wirren Fragen und noch verworreneren Verdächtigungen zu bombardieren. Sie steht keine Armlänge von ihm entfernt und er überbrückt die kurze Distanz zwischen ihnen mit einem halben Schritt, umfasst ihr Kinn und hebt ihr Gesicht leicht an. "Du willst wissen, warum ich dich ansehe?" Eigentlich will er nur in ihre Augen sehen, damit sie die Wahrheit in seinen erkennen kann, und er kann auch immer noch nicht ganz fassen, dass sie sich derart den Kopf darüber zerbricht, warum er sie ansieht - und noch weniger, dass sie dabei auf so abstruse Ideen kommt, anstatt einfach an das naheliegendste zu denken. Doch als ihre Blicke sich treffen, ist es endgültig um ihn geschehen. Ihre goldbraunen Wimpern senken sich für einen Moment, als sie überrascht blinzelt, doch ein Moment ist nicht annähernd lange genug, um ihn von einer Dummheit abzuhalten. "Deswegen." Diesmal ist er es, der sie nicht zu Wort kommen lässt, stattdessen neigt er den Kopf und küsst sie. Wärme ist das erste, das er empfindet, dann weiche Nachgiebigkeit, dann noch mehr. Sie schmeckt nach Frau, wie jede Frau, wie alle Frauen und doch ganz und gar einzigartig. Der Geruch ihrer Haut steigt ihm in die Nase und geradewegs zu Kopf, berauschend wie Wein und wirksamer als jedes Gift, dennoch hält er sich eisern zurück, obwohl ihn das alle Willenskraft kostet, die er noch besitzt. Er küsst sie mit nichts als halbgeöffneten Lippen und benutzt nur seinen Atem, um sie zu wärmen, teilt ihn mit ihr, als sie sacht Luft holt. Seine Finger liegen noch immer unter ihrem Kinn, doch er berührt sie nirgendwo sonst, obwohl er seine freie Hand zur Faust ballen muss, um sie nicht an sich zu ziehen. Er küsst sie, während sie vor Überraschung noch wie gelähmt ist, auf die keuscheste Art, die er kennt und zu der er fähig ist, und trotzdem ist es der Himmel auf Erden.



Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 26. März 2007, 14:53 Uhr
Diantha ist in Rage und funkelt Olyvar aufgebracht an, erwartet jetzt die Erklärung, für die sie ihm zuvor keine Zeit gelassen hat. Doch es folgt nicht wie erwartet eine lange Rede, er sieht sie nur an und steht ganz plötzlich direkt vor ihr, so dicht, dass sie seinen Atem auf ihren Gesicht spürt. Ihre Gedanken überschlagen sich, wirbeln wild durcheinander, als er sanft ihr Kinn umfasst und es anhebt. Für den Bruchteil einer Sekunde hat sie Angst er könnte sie schlagen, doch die verfliegt sofort bei den Blick in seinem Auge, die sie so warm und liebevoll ansehen, wie sie seit Ewigkeiten nicht mehr angesehen wurde. Es ist ein wundervolles Gefühl, doch gleichzeitig macht sich tief verwurzelte Furcht in ihr breit. Sie sind an ihrer selbst gesetzten Grenze an Nähe angelangt und sie weiß nicht, was sie machen wird, wenn er sie überschreitet. > „Du willst wissen, warum ich dich ansehe?“<, fragt er und sie hätte ihn am liebsten geschüttelt, natürlich will sie das, deshalb hat sie doch gerade so viel geredet! Doch sie kommt gar nicht dazu auch nur die Hand zu heben, dazu ist sie einfach zu verwirrt. Natürlich hatte sie auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass er sie in sie verliebt haben könnte, doch diese Idee hatte sie gleich wieder verworfen, sich eingeredet, dass das gar nicht sein kann, dass Olyvar immer noch Kizumu hinterher trauert, für die es keinen Ersatz gibt. Damit hat sie ganz offensichtlich falsch gelegen, das sagen seine Augen, während er sie ansieht und sein Mund, als er sie plötzlich küsst. Es ist ein sanfter, zärtlicher Kuss, der nichts forderndes an sich hat, eher etwas bittendes. Dennoch erstarrt Diantha, erwidert den Kuss nicht, nun hat Olyvar ihre imaginäre Grenze überschritten und damit all den Staub auf ihrem Herzen aufgewirbelt. Die Narben auf ihrer Seele brechen wieder auf und schmerzen fast so sehr wie als sie noch ganz frisch waren. Schmerz und Angst stehen ihr ins Gesicht geschrieben, als sie einen Schritt zurücktritt, Olyvar anstarrt, aber gar nicht ihn, sondern eine andere Gestalt in ihm sieht, von ähnlicher Größe doch schmalerer Statur. So viele – durchaus auch gegensätzliche – Gefühle stürmen gleichzeitig auf Diantha ein, dass sie nicht weiß, was sie machen soll und so das erste tut, was ihr in den Sinn kommt und was sie bisher immer in solchen Situationen getan hat: Flüchten. Sie dreht sich um und läuft auf die erste Tür in ihrer Nähe zu, zieht sie auf und schließt sie geräuschlos wieder hinter sich. Zitternd und mit klopfendem Herzen lehnt sie sich gegen die geschlossene Tür und versucht sich klar darüber zu werden, was sie eigentlich will und was sie nun tun soll.

Ihr Atem geht schnell und stockend, als ihr klar wird, dass sie zu ihm will, sich seine Nähe und Frieden in seinen Armen zu finden wünscht. Doch andererseits schnürt sich ihr bei dem Gedanken daran der Hals zu und Panik macht sich in ihr breit. Sie ringt mit sich, die alte Angst mit der neuen Hoffnung. Erst wird alles schön sein und du wirst glücklich sein, genau wie bei Riku, doch dann wird er irgendwann sein wahres Gesicht zeigen und all das Schöne wieder kaputt machen! So sind Männer nun einmal, sie sind nicht dafür geeignet lange Zeit mit ihnen glücklich zu sein… Vielleicht sind ja nicht alle so wie Riku? Vielleicht war Riku ja eine Ausnahme? Nun tu nicht so! Du hast auf der Straße genug Frauen getroffen, die da nur waren, weil ihre Männer sie benutzt und dann weggeschmissen haben! Olyvar ist anders. Vielleicht, aber bist du dir überhaupt sicher, dass du die Frau sein könntest, die er braucht? Nein, aber manchmal muss man auch etwas wagen. Vielleicht könnte ich ja zu der Frau werden, die er braucht? Vielleicht, vielleicht, das ist alles viel zu unsicher! Wenn du Pech hast lässt er dich einfach wieder fallen, kurz nachdem du ihm dein Herz geschenkt hast! Dann wirst du diejenige sein, die alleine da steht, so wie er es jetzt in der Halle tut! Aber nur weil mir theoretisch weh getan werden könnte, kann ich doch nicht für immer und ewig allein bleiben! Ich möchte nicht mehr nur in der Vergangenheit leben, ich will in eine Zukunft sehen können, in der ich nicht alleine bin, in der ich geliebt werde und jemanden an meiner Seite habe und zwar Olyvar! Dieser Gedanke wird immer klarer und drängt allmählich alle anderen Empfindungen zurück. Sie will zu Olyvar, mehr als alles andere, sie will hier und jetzt bei ihm sein, ihn berühren, ihm sagen, weshalb sie weggelaufen ist, dass es nicht daran liegt, dass sie nichts für ihn empfindet. Sie weiß, dass es schwer wird, doch jetzt wo der Entschluss gefasst ist, lässt ihr Zittern nach und auch ihr Herzschlag beruhigt sich wieder. Geräuschlos und vorsichtig zieht sie die Tür wieder auf, schaut in die Halle, zögert einen Moment und tritt schließlich ein.

Jeder Schritt zurück zu ihm ist bedächtig, leise und bedeutet ihr weit mehr als es Worte tun könnten. Jeder Fußtritt ist ein Schritt mehr weg von der Einsamkeit und hin zu einem Mann. Nein, nicht zu irgendeinem Mann, sondern zu Olyvar. Der starrt ins Feuer, mit dem Rücken zu ihr und murmelt irgendetwas, vermutlich Flüche auf Tamar darüber, dass Frauen doch der Beginn jeden Übels sind oder aber er übt sich in Selbstmitleid. Sie versteht nicht auf Anhieb, was er sagt, gibt sich aber auch keine Mühe. Er sieht sie nicht, doch vor allem scheint er nicht mit ihr zu rechnen und ob er sie gehört hat, kann sie nicht mit Sicherheit sagen. Als sie nur noch einen Schritt von ihm entfernt ist, kommt ihr einzig ein kleines, zaghaftes „Oly…var?“, über die Lippen, doch bevor er sich umdrehen kann, tritt sie zu ihm, lehnt sie sich an seinen Rücken, umfasst seine Brust mit ihren Händen und vergräbt ihr Gesicht in seinen Haaren. Was sie ihm zu sagen hat, fällt ihr sehr schwer und wenn sie die Wahl hat ob sie es ihm sagt, während sie in seine fragenden grauen Augen blickt oder während sie sich an seinem großen, breiten Rücken wie an einem Anker festhalten kann, so fällt ihr die Wahl nicht schwer. Jetzt fühlt sie sich so sicher, wie sie sich bei einem Mann nur fühlen kann und nach einem Moment des Schweigens sagt sie schließlich: „Du musst wissen .. mir hat einmal jemand … sehr weh getan.“ Die letzten Worte sind gepresst, noch nie hat sie das über die Lippen gebracht und auch wenn es für Olyvar sehr schwammig wirken muss, so ist es für sie doch das konkreteste, was sie sich zur Zeit zu sagen in der Lage fühlt. „Ich hätte nie gedacht, dass man erst … so sehr lieben und dann … dieselbe Person … so sehr hassen kann.“ Das ist keine Wut, die da aus ihren Worten spricht, es ist purer, ungetrübter Hass, der lange eingesperrt war und Diantha von innen zerfressen hat, bis sie dachte, dass nichts mehr von ihr übrig wäre, außer der Drang zu überleben. Als ihr das klar wird, netzen wenige, dafür aber bittere Tränen sein Hemd, das Hemd desjenigen, der sie dazu gebracht hat festzustellen, dass da doch noch viel mehr als Hass in ihr ist, und mit tonloser Stimme flüstert sie: „Wenn ich noch einmal so verletzt werde … dann weiß ich nicht, was ich tun werde.“ Man kann ihre Worte durchaus als Drohung verstehen, doch sie sind mehr als eine Mischung aus Warnung und Bitte gemeint. Sie weiß wirklich nicht, was sie machen würde, wenn er ihr auch nur etwas ansatzweise so schreckliches antun würde. Aber eigentlich will sie jetzt auch gar nicht weiter darüber nachdenken. Still wartet sie auf seine Antwort und eins ist ihr klar: Wenn er jetzt nicht richtig reagiert, wenn er jetzt geht oder sie wegschickt, dann wird es zwischen ihnen immer nur Freundschaft geben, nicht mehr. Sie hat ihm einen Einblick in ihre Seele gegeben und wenn er das nicht wertschätzen kann, dann können sie miteinander nicht glücklich werden.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 26. März 2007, 22:21 Uhr
Narr, Narr, Narr! Sie einfach so zu küssen, heilige Götter, etwas noch Dämlicheres ist dir nicht mehr eingefallen? Wenn er ehrlich ist, hatte er überhaupt nichts mehr gedacht, nicht mit diesem Geruch in der Nase und diesem wundervollen Mund unter seinem, aber das ist keine Entschuldigung und es hilft ihm auch kein Stück weiter. Du kannst von Glück sagen, dass du dir keine schallende Ohrfeige eingefangen hast, die hättest du nämlich verdient! Er weiß genau, welche Schwierigkeiten Diantha damit hat, jemandem auch nur nahe zu kommen. Er mag ihre Gründe dafür nicht kennen, aber er weiß es. Für eine einzige und obendrein absolut unschuldige Umarmung waren erst eine halbe Flasche Uisge und eine gehörige Portion Verzweiflung nötig gewesen, und nun hat er nichts besseres zu tun, als sie zu küssen. A Coibhrean bheannaichte, er hatte den Verstand verloren! Was, wenn sie jetzt nie wieder etwas mit dir zu tun haben will? Wenn sie ihre Sachen packt und geht, und dich und die Kinder verlässt?  "Ah dhia..." Er hatte die Angst und den Kummer in ihren Augen gesehen, als sie vor ihm geflohen und aus der Halle gerannt war, verschreckt wie ein aufgescheuchtes Reh - als hätte er sie geschlagen und nicht geküsst. Jetzt steht er am Kamin, starrt in die hochschlagenden Flammen und schimpft sich dabei den allergrößten Hornochsen, den es auf Rohas weitem Rund nur gibt. Dann kommt ihm ein weiterer, noch sehr viel unangenehmerer Gedanke. Liegt es an mir? Oder war mein Kuss so erbärmlich? Oh, er kennt sich mit Küssen aus. Er hatte vor seiner Ehe mit Kizumu nicht wie ein Asket gelebt und bisher hatte sich auch noch keine einzige Frau beschwert, im Gegenteil. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass das gleich für alle gelten muss. Höchste Zeit, dass du dich ein bisschen auf deinen Stolz besinnst, wo ist der eigentlich abgeblieben? Drängst dich einer Frau auf, die dich gar nicht haben will! Er stochert mit dem Schürhaken in der Glut herum und tritt mit dem Stiefel ein Stück Baumwurzel tiefer in die Feuerstelle. Funken tanzen hoch und verglühen im Rauch, der durch den Kamin abzieht, während die Flammen prasseln und das Holz knackt.

>Und dich mag ich auch viel zu gerne<, das waren ihre Worte in jener winddurchtosten Nacht vor fast einem Mondlauf, erinnert er sich und im selben Augenblick fragt er sich, seit wann er "gern haben" eigentlich für das gleiche wie begehren hält. Oder lieben. Da ist es, das Wort vor dem er schon seit Tagen davonläuft. Jetzt hat es ihn doch eingeholt und lässt sich einfach nicht mehr verschweigen. Zuerst hatte er sich noch eingeredet, dass es hier, wenn schon nicht um bloße Freundschaft, dann bestimmt um nichts anderes, als ganz banale körperliche Anziehung ginge, die plötzliche und unerklärliche Empfänglichkeit für das Aussehen einer Frau. Das soll ja bekanntlich öfter vorkommen, als man glauben mag, doch es heißt noch lange nicht, dass man ihr auch nachgeben muss, und meistens entzauberte sich die ganze Angelegenheit nach ein paar Tagen ohnehin von ganz allein. Leider hatte sich diese Theorie als genauso unhaltbar erwiesen, wie die Sache mit der Freundschaft. Da ist mehr, so viel mehr, das er noch nicht einmal gewagt hat, zu ergründen, und... Ifrinn! Dir ist einfach nicht zu helfen, was? Schlag es dir aus dem Kopf, sie will dich nicht. Er ist immer noch dabei, sich Vorwürfe zu machen, als ihn Dianthas leise, rauchdunkle Stimme aufschreckt. >Oly... var?< Ihre Unsicherheit ist nicht zu überhören, doch noch bevor er auch nur einen Finger rühren kann, spürt er plötzlich, wie sie die Arme um ihn legt und sich an seinen Rücken lehnt. Damit hat er nicht gerechnet und ein, zwei Herzschläge lang, wagt er nicht einmal zu atmen. "Ja?" Er hört wie sie atmet und schluckt. Er kann es spüren, ebenso wie die Anspannung in ihrem Körper so dicht an seinem, ihr leichtes Zittern, die Verkrampfung ihrer Muskeln. >Du musst wissen ... mir hat einmal jemand ... sehr weh getan.< Es kostet sie hörbar Überwindung, die Worte überhaupt auszusprechen und ihm ist augenblicklich klar, dass sie nicht nur ein paar hässliche Worte oder Kränkungen, nicht nur verletzten Stolz meint... und vermutlich auch nicht den Schmerz, 'nur' verlassen worden zu sein.

>Ich hätte nie gedacht, dass man erst ... so sehr lieben und dann ... dieselbe Person ... so sehr hassen kann.< Ihre Stimme ist merkwürdig tonlos und kalt zugleich, und es schwingt etwas mit, dass ihm - um ihretwillen - die Kehle zuschnürt. Er hört sie nicht schniefen, aber er weiß, dass sie weint, er spürt ihre Tränen, die durch das Leinen seines Hemdes sickern, still und nass und warm. Am liebsten hätte er sich umgedreht und sie fortgeküsst, sie festgehalten und ihren Schmerz vertrieben, aber er ahnt, dass sie im Augenblick nicht fähig ist, ihm in die Augen zu sehen. Was würde er dort finden? Ihre Worte können alles mögliche bedeuten - Vergewaltigung, Folter, Gewalt, körperliche und seelische Grausamkeit, Verrat... die Liste der Hässlichkeiten, die man einem verwaisten Mädchen antun kann, ist lang und liest sich bitter. >Wenn ich noch einmal so verletzt werde ... dann weiß ich nicht, was ich tun werde.< Diese seltsame Mischung aus der rührenden Bitte, ihr nicht wehzutun, und der unverhohlenen Warnung, dass sie keine Frau ist, die man sich einfach so nehmen kann, lässt ihn merkwürdigerweise lächeln, anstatt ihn zu kränken. Ihre Hände liegen immer noch auf seiner Brust, wo ihre Finger sich in den Stoff seines Hemdes gekrallt hatten, als müsse sie sich krampfhaft an etwas festhalten, jetzt nimmt er sie in seine. Ihre Finger sind lang und schlank, feingliedrig und stark und die Haut an ihrem Daumenballen ist weich. "Bist du deshalb weggelaufen?" Fragt er leise. "Oder liegt es an mir? Ich werde mich nicht für den Kuss entschuldigen, Diantha, denn ich wollte dich küssen. Ich will es immer noch. Aber ich... ich wollte dich auch bestimmt nicht bedrängen. Falls es also an mir liegt, dann sag es gerade heraus, aye, und ich lasse dich in Ruhe." Wie er das schaffen soll, ist ihm zwar vollkommen schleierhaft, aber er würde es eben müssen. Irgendwie. "Wenn es... wenn es nicht an mir liegt... Diantha, ich kann dir nicht versprechen, dass ich dich nie verletzen werde, aber ich würde es sicher nicht mit Absicht tun. Und ich werde dir auch nichts antun, das du nicht willst... falls es das ist, was du meinst."  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 27. März 2007, 15:27 Uhr
Olyvar schickt Diantha weder wie befürchtet fort, noch geht er selbst. Er scheint zu wissen, dass ihr Verhalten keine persönliche Beleidigung war, nimmt ihre Worte ernst, versetzt sich eventuell sogar ein wenig in ihre Lage. Das alles ist weit mehr, als man von den meisten Menschen und fast allen Männer erwartet kann und Diantha wird bewusst, was für einen funkelnden Edelstein sie da in der Masse der Steine gefunden hat. Ein Mann wie er will mich? Kann das wirklich sein? Ihre Worte wirken, das merkt sie und es dauert einen Moment, bevor er überhaupt etwas tut und das besteht dann darin, zunächst einfach ihre Hände in seine zu nehmen. Seine Hände sind groß, man merkt an der Haut der Handflächen, dass sie häufig ein Schwert gehalten haben, dennoch hat er sie mit den gleichen Händen, die andere das Leben gekostet haben – und sie würde ihm zutrauen, dass das gar nicht einmal so wenige waren – sie so zärtlich berührt, als wäre sie ein zerbrechlicher Vogel. Jetzt hält Olyvar sie fest, sein Händedruck ist nicht hart, er gibt ihr nur die Sicherheit, die sie braucht, den Halt, den sie so lange in ihrem Leben nicht hatte, weil erst niemand da war und sie sich später nicht mehr getraut hat zu vertrauen. Erst als ihre Hände weich und warm in seinen liegen, fängt er an zu sprechen: >"Bist du deshalb weggelaufen? Oder liegt es an mir? Ich werde mich nicht für den Kuss entschuldigen, Diantha, denn ich wollte dich küssen.“< Das ist grotesk, einfach nur grotesk! Wie kann er denken, dass es an ihm liegen könnte?, fragt sie sich, während sie sich an seinen Rücken schmiegt, doch er ist noch nicht fertig: >„Ich will es immer noch. Aber ich... ich wollte dich auch bestimmt nicht bedrängen. Falls es also an mir liegt, dann sag es gerade heraus, aye, und ich lasse dich in Ruhe."< Er MUSS doch wissen, das es an ihm nicht liegen kann! Ich habe doch schon vor Wochen gesagt, dass ich ihn … mag. Stimmt, mehr habe ich nicht gesagt, nur dass ich ihn mag, wie soll er ahnen, was für eine Überwindung es ist, dass ich so etwas von mir aus zu jemandem sage. Wie viel Angriffsfläche man damit gibt! >"Wenn es... wenn es nicht an mir liegt... Diantha, ich kann dir nicht versprechen, dass ich dich nie verletzen werde, aber ich würde es sicher nicht mit Absicht tun. Und ich werde dir auch nichts [i]antun, das du nicht willst... falls es das ist, was du meinst."[/i]< Diese Worte legen sich wie Balsam auf ihre Seele. Natürlich weiß sie, dass es keine absolute Sicherheit gibt, dass er ihr nicht schwören kann, dass er ihr ohne es selbst zu merken weh tun könnte. Mit einem unbedachten Wort, einem Blick, den sie falsch versteht. Er kann ja nicht einmal versprechen, dass sich seine Gefühle ihr gegenüber nicht irgendwann einstellen werden, genauso wenig wie sie das kann. Es gibt keine Garantie, doch er hat verstanden, was sie von ihm will, die Versicherung, dass sie ihm etwas bedeutet, nicht nur eine kleine, unbedeutende Eroberung ist und das Versprechen, dass er sie nicht drängen wird.

Als es nur um sie selbst ging, fiel es Diantha leichter das was sie zu sagen hatte auszusprechen, während sie sich an seinen Rücken lehnen konnte, doch jetzt wo es um ihn geht, muss sie in seine Augen sehen. Sanft entzieht sie ihre Hände den seinen, rückt von ihm ab wischt sich die ungewollten Tränen aus dem Gesicht und stellt sich dann neben ihn um ihn anzusehen. Leise knackt das Holz im Ofen und das Feuer zaubert die unterschiedlichsten Rottöne und Schatten in sein Gesicht. Doch egal welcher Schatten sich gerade auf sein Gesicht legt, sieht sie in ihm doch nichts Beängstigendes, ist von seinen grauen Augen fasziniert, die auf einmal doch Gefühle zeigen können. In ihnen sieht sie, dass er sie nicht nur körperlich anziehend findet, da ist mehr, mehr gar noch als bloße Zuneigung. Liebe? Das Wort huscht leise und ängstlich durch ihren Verstand, als hätte es Angst gleich wieder in das dunkle Verlies gesperrt zu werden, aus dem es ausgebrochen ist. Das zugemauerte Verlies tief in ihr, das immer größere Risse bekommt.
Olyvar scheint eine Antwort zu erwarten, obwohl sie in Dianthas Augen überflüssig ist. So sieht sie zu ihm hoch, ernst und ohne seinem Blick auszuweichen. „Wenn ich dich nicht …“ Nein, sie bringt das Wort nicht über die Lippen, dazu ist es noch viel zu früh. Es sich alleine einzugestehen ist schon schwer genug, aber es auch noch laut auszusprechen und dann nie mehr zurücknehmen zu können – das ist noch wirklich zu viel für die Immerfrosterin. „Wenn ich deine Gefühle nicht erwidern würde, glaubst du dann wäre ich noch hier?“ In einer anderen Stimmung hätte sie ihn jetzt vielleicht angelächelt, doch dafür ist sie im Moment noch viel zu ernst. „Conn und Fianryn halten mich in der Steinfaust, gewiss, aber doch nicht bei dir! Ich bin hier und jetzt ganz sicher nicht um ihret-, sondern um deinetwegen bei dir!“ Olyvar funkelt ein wenig Empörung, vor allem aber Nachdrücklichkeit entgegen. Komm bloß nicht wieder auf so eine verrückte Idee!

Für den Moment sind so weit es geht alle Zweifel ausgeräumt, die Ängste zeitweise erstickt, jetzt ist sich Diantha ihrer fast vollkommen sicher. Oh, sie werden wiederkommen, wenn der Zauber des Moments vorüber ist, das ist ihr klar, vielleicht sogar schlimmer als gerade eben. Aber jetzt zählt nur, was gerade ist und so rückt diesmal sie näher an ihn heran, legt die Arme um seinen Hals und den Kopf an seine Schulter. Es sind ruhige Bewegungen, trotzdem haftet ihnen etwas zittriges an. Gewiss, sie hat das alles schon einmal getan, sie war einem Mann schon so nah und noch ein wenig näher, doch es ist lange her. Viel zu lange. „Du weißt hoffentlich, dass ich dich jetzt nicht mehr gehen lasse!“, flüstert sie ihm fast ein wenig neckisch ins Ohr, sie ist viel zu weit gegangen um nun wieder umzukehren. Nach den letzten Wochen voller Bedenken über die eigenen und Olyvars Gefühle, nachdem Diantha sich immer wieder dabei ertappte ihn berühren zu wollen, sich sofort dafür verurteilte und sich selbst den Zwang auferlegte ihn nicht einen Augenblick länger anzusehen als es notwendig war, fühlt sie sich das erste Mal frei das zu tun, was sie eigentlich schon seit einer Nacht will, in der viel zu viel Uisge geflossen ist. Sie weiß nicht wie viel Zeit vergeht, in der sie nur so in seinen Armen liegt, sich an ihn schmiegt, seine Nähe spürt, seinen Geruch einatmet und das Vertrauen zu ihm in ihr immer weiter wächst. Er drängt sie wirklich nicht, kein bisschen, so wie er es die ganze Zeit nie getan hat, doch sie ahnt, dass es ihm nicht so ganz leicht fällt.
Schließlich nach einer halben Ewigkeit fühlt Diantha sich sicher genug noch einen Schritt weiter zu gehen, löst den Kopf von seiner Schulter und zieht sein Gesicht sanft ein Stück zu sich hinunter. Einen Moment sieht sie ihn nur ganz still an, versichert sich noch einmal bei einem Blick in diese grauen Augen, dass das alles kein Traum, sondern Realität ist und dass sie sich dennoch nicht zu fürchten braucht. Dann küsst sie ihn, erst ganz sacht und zärtlich, doch dann fordernder, mit einem Durst nach mehr, der viel zu lange unterdrückt wurde und sich jetzt immer weiter an die Oberfläche kämpft. Sie will ihn, mit Haut und Haar, hier und jetzt. Was war verdrängt sie in diesem Moment so weit wie möglich und was morgen sein wird schert sie sie nicht das kleinste bisschen, der Moment und ihre jetzigen Gefühle und Bedürfnisse sind es, was zählt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 28. März 2007, 17:44 Uhr
Anstatt sich weiter mit seinen Schulterblättern zu unterhalten, löst Diantha sacht ihre Finger aus seinen, tritt neben ihn und sieht ihn an, was die Distanz zwischen ihnen paradoxerweise mehrt und mindert gleichzeitig... sie berührt ihn zwar nicht mehr, aber jetzt kann er ihr ins Gesicht und in ihre Augen sehen. Liegt es an mir? Oder liegt es an ihren schlechten Erfahrungen? In diesem dämmrigen Halbdunkel wirkt das helle Blau ihrer Augen fast violett. Die goldbraunen Wimpern sind zu Schatten verblasst, als sie ihren Blick hebt, um seinem zu begegnen, während seine eigenen Augen weich und dunkel wie Ruß geworden sind. Er sieht ihre Hoffnung und ihre Angst, ihr Vertrauen und ihren Mut, ihre leise Verwunderung und, ganz kurz nur, noch etwas anderes, das aufschimmert und wieder verschwindet, als wage es sich noch nicht ganz an die Oberfläche. >Wenn ich dich nicht...< beginnt sie, scheint einen Augenblick nach dem richtigen Wort zu suchen und doch keines zu finden, bricht ab und setzt von Neuem an. >Wenn ich deine Gefühle nicht erwidern würde, glaubst du dann wäre ich noch hier?< Will sie leise wissen und er holt langsam und tief Luft. Das ist kein Ja. Genaugenommen ist es noch nicht einmal eine Antwort, sondern eine Frage, und auch wenn sie noch so rhetorisch klingt, es genügt ihm nicht. Doch sie weicht seinem Blick nicht für einen Herzschlag lang aus, und was er in ihren Augen sehen kann, ist echt. Würde sie ihm jetzt erzählen, sie wolle nichts von ihm wissen, würde sie lügen. Er weiß es, und sie weiß es auch, trotzdem will er es, muss er es aus ihrem Mund hören. Diantha scheint das zu spüren, denn sie ist ebenso ernst wie er selbst, als sie schließlich - und zwar so entschieden, dass er gar nicht anders kann, als zu lächeln -, hinzufügt: >Conn und Fianryn halten mich in der Steinfaust, gewiss, aber doch nicht bei dir! Ich bin hier und jetzt ganz sicher nicht um ihret-, sondern um deinetwillen bei dir!< Das ist ein Ja, eindeutig, das was sie tut, sogar noch mehr - sie sucht seine Nähe. Allerdings tut sie es vorsichtig, als sei sie bereit, bei der kleinsten Bewegung seinerseits sofort wieder den Rückzug anzutreten, und doch auch irgendwie entschlossen. Götter im Himmel, als sei er ein großes und möglicherweise, nein ganz sicher sogar, ein gefährliches Tier, das sie aber trotzdem unbedingt berühren muss. Der Gedanke lässt seine Mundwinkel in schwacher Selbstironie zucken. "Ich beiße nicht, mo nighean bhan," versichert er leise und weich, mit nichts als einem Hauch sehr sanfter Ironie in der Stimme. Dennoch steht er ganz still und wartet, bis sie sich endgültig an ihn herangetastet hat, ihre Arme um seinen Nacken schlingt, sich an ihn lehnt und ihren Kopf an seine Schulter schmiegt - erst dann erwidert ihre Umarmung. Er hatte sie schon einmal so gehalten, ganz dicht bei sich, in jener Nacht in der Laube, aber damals aus dem reinen Wunsch, ihr Trost und Wärme zu geben. Vielleicht war aus diesem Anliegen alles weitere entstanden, hatte sich verwandelt und war gewachsen, doch das hier ist vollkommen anders, seltsam vertraut und völlig neu.

Sie ist schlank und groß, so groß, dass er bequem sein Kinn auf ihren Kopf legen kann, wenn sie vor ihm steht, trotzdem fühlt sie sich ausgesprochen weich und weiblich, und furchtbar gut in seinen Armen an. Irgendwann stellt sie sich auf die Zehenspitzen, bringt ihren Mund so dicht an sein Ohr, wie sie eben kann und wispert wagemutig. >Du weißt hoffentlich, dass ich dich jetzt nicht mehr gehen lasse... < "Du weißt hoffentlich, dass ich mich nicht mehr vertreiben lasse, conasg," gibt er zurück und verbirgt sein Lächeln an ihrer Stirn. Ihre einzige Antwort ist, dass sie ihr Gesicht an seinem Hals vergräbt und sich noch enger an ihn drängt - und vermutlich keine Ahnung hat, was sie damit anrichtet. Der Duft ihres Haares und der Geruch ihrer Haut dringen bis in sein Inneres und schüren dort lange vergessenen Hunger. Die feinen, geschmeidigen Muskeln ihres Rückens, die sich unter ihrem Hemd in seine Handflächen schmiegen, wecken den Wunsch, nichts als ihre nackte Haut zu berühren und ihre Brüste sind verlockend weiche Rundungen an seiner. Es ist die reinste Folter, aber sie ist süß und er tut nichts, als Diantha leicht über ihre Schultern zu streichen. Sie braucht Zeit und die würde sie bekommen, auch wenn es Olyvar mehr Selbstbeherrschung kostet, als er sich hätte träumen lassen. Das einzige, das er sich gestattet, ist ihre Hand auf sein Herz zu legen, seine Finger mit ihren zu verschränken, und dem so hoffnungsvollen wie fassungslosen Erstaunen nachzugeben, das ihn von Kopf bis Fuß erfüllt. Er hatte ganz bestimmt nicht die Absicht gehabt, sich zu verlieben, nicht nach den Erfahrungen, die er mit seiner Ehe gemacht hat, dennoch ist es so gekommen. Nicht plötzlich, nicht mit einem Paukenschlag, sondern leise und fast unmerklich, heimlich wie ein Dieb in der Nacht, aber unaufhaltsam - bis es zu spät gewesen war. Das eigentlich erstaunliche daran ist jedoch, dass es ihr offenbar genauso ergangen war. Olyvar weiß nicht, wie lange sie so stehen, doch er hätte sie ewig so gehalten - nur ist es diesmal Diantha, die ihn irgendwann ansieht und seinen Kopf zu sich hinabzieht. Zuerst ist ihr Kuss noch unschuldig und die Sanftheit selbst, doch ihrer beider Atem vermischt sich und wird eins, während sie sich kosten, sich schmecken und sich teilen, jeden Herzschlag ein wenig mehr, bis ihr Mund seinem antwortet. Er hebt seine Hände, umfasst ihr Gesicht und vergräbt seine Finger in ihrem Haar, in dieser wirren, goldglänzenden, samtweichen und seidigen Masse wilder Kringellocken, beißt sich sanft an ihrer Unterlippe entlang, zeichnet mit seiner Zunge die Umrisse ihres Mundes nach und wird mit einem atemlosen Seufzen belohnt, ein gedämpfter, kehliger Laut, leise, aber alles andere als ängstlich - das ist alles, was er braucht.

"Öffne deinen Mund für mich." Er will nicht, dass sie sich irgendeiner Sache zwischen ihnen nicht sicher ist und er will sie nicht zu etwas drängen, für das sie vielleicht noch nicht bereit ist, doch sie öffnet ohne weiteres ihre Lippen unter seinen und er kann das Verlangen nach mehr auf ihrer Zunge schmecken, warm und honigsüß, das und sie selbst, einen köstlichen, ihr ureigenen Geschmack, so unglaublich gut, dass er am liebsten darin ertrunken wäre. Die leisen Warnungen, behutsam und zurückhaltend mit ihr umzugehen, die ihm irgendein letzter Rest Vernunft beharrlich einflüstert, werden schwächer und schwächer. Doch dann verschmelzen alle seine Gefühle für sie, die Vertrautheit, das Begehren, die brennende Zärtlichkeit, die nackte Leidenschaft und der Wunsch, ihr einfach nahe zu sein und sie in - und auswendig zu kennen, zu einem einzigen - und das ist stark genug, dass es ihm irgendwie gelingt, sich von ihr loszureißen. Er spürt sein Herz schnell und hart gegen seine Rippen hämmern und schiebt sie schweratmend eine Handbreit von sich, ohne sie dabei auch nur im Ansatz loszulassen. Seine Augen suchen ihre und halten ihren Blick fest. "Sag mir, dass ich aufhören soll und ich tue es." Sie starrt ihn einen Moment lang an, dann schüttelt sie nur den Kopf, streckt die Arme nach ihm aus, küsst seinen Mund, sein Kinn und seine Wangen, fasst mit den Händen in sein Haar, um ihn noch näher an sich zu ziehen und zwingt ihn buchstäblich in die Knie. Er kann sie haben. Er kann alles von ihr haben, jede sanfte Kurve ihres Körpers, jeden Kuss, jeden Atemzug, jede Berührung, ihr Inneres, ihre Sehnsüchte... vielleicht sogar ihr Herz. Er kann es in ihren Händen fühlen, kann es in ihren Augen sehen und von ihrem Mund trinken. Und bei allen Göttern, er will sie haben, er will all das und noch mehr, also nimmt er ihr Geschenk an und gibt es zurück. Sie landen auf dem dicken azurianischen Teppich und den Bodenkissen, und auch seine letzten guten Absichten verabschieden sich ins Nirgendwo. Er denkt nicht mehr daran, dass irgendjemand in die Halle kommen und sie stören könnte, als er ihr Hemd öffnet und es über ihre Schultern streift. Er denkt nicht mehr daran, dass sie Angst vor ihm haben könnte, als sie lachend und atemlos mit ihren Stiefeln kämpft und gleichzeitig versucht, ihren Kuss nicht zu unterbrechen. Er denkt nicht mehr daran, aufzuhören, als ihre restlichen Kleider und seine irgendwo im Halbdunkel hinter ihnen landen - wahrscheinlich hätte er nicht einmal aufhören können, selbst wenn er es gewollt hätte. Er denkt nicht mehr daran, irgendetwas zurückzuhalten, als nichts mehr als Haut zwischen ihnen ist und sie tut es auch nicht. Was sein Mund nicht berührt, berühren seine Hände und er nimmt beides nicht mehr von ihr, bis er weiß, wie sie sich von den gedrehten Enden ihrer widerspenstigen Locken bis zu ihren Zehen hinunter anfühlt, bis er jede Sommersprosse einzeln geküsst hat, bis sich ihm das Muster ihres Körpers so eingebrannt hat, dass er es blind nachzeichnen könnte. Und als sie sich lieben, als er in ihr ist und sich im Einklang mit ihr bewegt, bis sie beide brennen und vergehen, ist er überhaupt nicht mehr in der Lage zu denken.  

Das Feuer ist längst zu einem Teppich glühender Kohlen heruntergebrannt, als ihn irgendetwas weckt... etwas, das nach ein paar Sekunden die handfeste Realität eines furchtbar unbequemen Steinbodens annimmt. Götter im Himmel, wir sind auf dem Boden eingeschlafen? Er kann nicht sagen, wie spät es ist, aber der Mond ist noch nicht untergegangen, sein Licht sickert schwach und fahl durch die hohen Bogenfenster. Diantha gibt ein unwilliges kleines Knurren von sich, als er sich bewegt und drängt sich auf der Suche nach Wärme dichter an ihn. Allein das reicht aus, um kleine, unruhige Feuer auf seiner Haut zu wecken. Wir brauchen ein Bett, stellt der praktische Teil seines Verstandes mit einer gewissen Erheiterung fest. Da er eines besitzt, sollte es nicht allzu schwierig sein, auch in eines zu kommen. Er steht auf, schiebt seine Arme unter sie und hebt sie hoch. Diantha murmelt etwas, wacht aber nicht einmal auf, als er mit ihr quer durch die Halle spaziert und sie in sein Schlafgemach hinaufträgt. Dort hatte sich niemand um das Feuer gekümmert, so dass es kalt und klamm im Raum ist, doch er hat nicht vor, jetzt noch den Kamin zu schüren. Das würde ihn erstens viel zu lange von ihr fernhalten und zweitens gibt es andere Möglichkeiten, sich zu wärmen. Er verfrachtet sie ins Bett, kriecht zu ihr unter die weichen Pelzdecken, schmiegt sich fest an ihren Rücken und vergräbt seine Nase in ihrem Haar. Es ist nicht nur blond wie der Sommer, sondern ebenso warm und es riecht wie eine ganze Wiese voller wilder Blumen, die feucht vom Tau in der Sonne erwachen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 29. März 2007, 22:42 Uhr
Ganz allmählich erwacht Diantha aus einem für ihre Verhältnisse ungewöhnlich tiefen Schlaf. Sicherlich, innerhalb des letzten Dreivierteljahres hatte sie sich abgewöhnt nur gerade so fest zu schlafen, dass sie im Falle eines Angriffs in Rekordzeit wach genug wäre um zu fliehen oder sich zur Not zu verteidigen. Doch der leichte Schlaf war bisher eigentlich geblieben. Aber jetzt dümpelt Dianthas Geist nur langsam dem Halbschlaf entgegen, als sie plötzlich ein ungewohntes Gewicht auf ihrem Bauch bemerkt. Hm, was könnte das sein?, fragt sie sich schläfrig und es dauert einige Zeit bis sie sich selbst darauf antwortet: Eine Hand? Sofort schalten ihre noch müden Sinne auf Alarmbereitschaft um und ihr Geist klärt sich, denn das Gewicht auf ihrem Bauch stammt ganz gewiss von keiner kleinen Kinderhand, sondern von einer große, schwere Männerhand. Riku!, ist ihr erster Gedanke und eine alte Panik macht sich in ihr breit. Er hat mich gefunden! Diese Angst hat nichts mit Rationalität zu tun, sie ist schlichtweg tief in Dianthas Verstand verwurzelt als der schlimmste Albtraum, der Wahrheit werden könnte. Zwar hat sie irgendwie das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, doch der Gedanke, dass da Rikus Hand auf ihrem Bauch liegen und sein Atem keine Armlänge zu ihrer Rechten gleichmäßig gehen könnte überdeckt jeden Zweifel. Sie will ihn nicht so dicht bei sich sehen, auf gar keinen Fall, sie weiß nicht ob sie ihren Körper dann noch voll unter Kontrolle hätte und sollte er wie üblich nur im Halbschlaf sein, könnte er es bemerken. So lässt sie nur langsam und vorsichtig ihre Hand über das Bett zu ihrer Linken wandern. Es ist ein breites Bett also ganz sicher nicht ihrs, sie hat nie ein Doppelbett ihr eigen genannt und geschlafen hat sie bisher auch nur in einem einzigen. Nirgendwo ist ein Dolch oder eine andere Waffe greifbar, nicht einmal einen Schuh erwischen die suchenden Finger. Dazu liegt sie zu sehr in der Mitte des breiten Bettes, sie erreicht mir ihrer Hand gerade einmal den Bettrand. Verdammt, das einzige was mir jetzt noch bleibt ist der Überraschungsmoment! Kein großer Vorteil, das ist ihr klar, doch besser als keiner. Sie würde das Zimmer nackt verlassen müssen, doch der Griff nach jeder auch nur behelfsmäßigen Kleidung würde ihr wertvolle Augenblicke rauben, von denen sie auch nicht nur einen verschenken will. Also nackt, na wunderbar, wenn ich Pech habe stehen vor der Tür auch noch Wachen! Obwohl, würde er Wachen mitnehmen um mich zurückzuholen? Wohl eher nicht… Sie ist so von der Panik und den fieberhaften Überlegungen ergriffen, wie sie am besten den Raum verlassen kann, dass sie gar nicht darüber nachdenkt warum sie eigentlich nackt ist, was gestern genau war und ob das hier zwangsläufig der einzige Raum sein muss, in dem sie bisher in einem so breiten Bett geschlafen hat. Das einzige was zählt ist lebend und möglichst schnell hier wegzukommen, ganz egal, wo auch immer hier ist und was ihr verdammter Hinterkopf ihr die ganze Zeit sagen will. Keine Zeit für weiteres Nachdenken, ich muss handeln!
Entschlossen tastet die Immerfrosterin nach dem Deckenrand, schiebt dieses riesige Deckenungetüm samt der darauf liegenden Hand von sich herunter, springt – wenn auch dank der müden Glieder nicht unbedingt elegant – aus dem Bett, macht einen großen Schritt von dem Podest herunter und hat schon die Türklinke in der Hand, als ihren mittlerweile vollkommen wachen Verstand klar wird, dass hier mehr als nur eine Kleinigkeit nicht stimmt. Sie kennt diesen Raum, sie war zwar noch nicht wirklich oft in ihm, hat nur ein paar Mal ausgebüchste Kinder hier rausgeholt, jedenfalls hatte er nichts mit Riku zu tun. Steinfaust!, wird ihr plötzlich klar und sie bleibt wie angewurzelt stehen, behält die Hand aber auf der Klinke. Langsam dreht sie sich um, schaut auf das Bett und als sie aus diesem zwei graue Augen müde und verwirrt anschauen, fängt sie endlich an über das Warum nachzudenken. Was suche ich hier… oh. Oh! Erst jetzt fällt Diantha siedendheiß der Grund dafür ein, dass sie nackt hier an der Tür zu Olyvars Zimmer steht und aus dessen Bett kommt. Die Panik verzieht sich schnell wieder und wird von ganz anderen Gefühlen abgelöst, Zuneigung, dem Bedürfnis in Olyvars Armen zu liegen, dem Wunsch von ihm berührt zu werden sind nur einige davon. Ich muss ihm wie eine Verrückte vorkommen!, wird ihr klar und sie lässt endlich diese vermaledeite Klinke los.

„Oh Olyvar, es tut mir leid, ich wollte dich nicht so wecken!“, ruft sie aus und ist fast so schnell wieder unter der Decke, wie sie diese verlassen hat. Fröstelnd schmiegt sie sich an seine Brust, erst auf dem Weg zurück ins Bett ist ihr bewusst geworden, wie verdammt kalt es hier ist. „Entschuldige, ich war nur so überrascht und erkannte das Zimmer nicht auf Anhieb, dachte du wärst jemand anderes… es tut mir leid“, murmelt Diantha und fährt mit der Hand durch seine Haare, vornehmlich um sich selbst zu beruhigen. Es ist das erste mal, seit sie ihn kennt, dass er sie nicht im Zopf trägt und der Anflug eines Lächelns schleicht sich auf ihre Lippen, als ihr klar wird, dass sie dafür verantwortlich ist. Hm, das Zopfband müsste irgendwo unten in der Halle liegen… Ihr Atem geht nur allmählich langsamer und das Herz schlägt ihr mittlerweile auch nicht mehr bis zum Hals, als ihr Blick aus dem Fenster fällt und ich klar wird, wie früh es noch ist, die Morgendämmerung hat gerade erst eingesetzt. Wirklich keine schöne Art morgens geweckt zu werden!
Für einen Moment schnürt ihr die Angst, dass er sie heute und nach diesem Auftritt nicht mehr will, den Hals zu. Was mache ich nur, wenn er mich jetzt aus seinem Bett herauskomplimentiert? Ich will nicht benutzt und dann fallen gelassen werden! Natürlich erinnert sie sich wieder an alles, was er gestern zu ihr gesagt hat, aber gestern war gestern und heute ist heute. Warum habe ich nur so schnell nachgegeben? Ich habe mich ihm ja nahezu aufgedrängt!, geht es ihr durch den Sinn. Weil du es gebraucht hast! Es hat dir gut getan, du warst viel zu lange alleine, viel zulange ohne einen Mann. Menschen haben Bedürfnisse! Und wenn der Preis für die gestrige Nacht ist, dass er dich jetzt wegschickst, dann zahlst du ihn eben!, sagt eine kleine, von all dieser Gefühlsduselei, die in letzter Zeit in Diantha vorgeht, unberührte Stimme in ihrem Kopf. Wenn er mich wirklich nicht mehr wollen würde, hätte er mich dann mit in sein Bett genommen? Dass er mich nicht in der Halle liegengelassen hat ist klar, aber er hätte mich wecken oder in mein Zimmer tragen können. Also, vielleicht? Ihr Kuss ist sanft, fragend, ebenso wie der Blick, der ihn begleitet. Willst du mich noch? Trotz ... allem?

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 30. März 2007, 11:16 Uhr
Olyvar balanciert gerade irgendwo an der diffusen, angenehmen Grenze von Schlaf und Wachsein entlang, sich der Wärme und Weichheit Dianthas neben sich deutlich bewusst, als ihn ihr plötzliches Zusammenzucken schlagartig vollends weckt. Ein, zwei Herzschläge lang geschieht gar nichts. Sie liegt nur neben ihm, bebend vor Anspannung, als sei sie gerade einem Alptraum entronnen, doch noch bevor er auch nur irgendetwas tun kann, schießt sie wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett, und er blickt - auf der Suche nach einem Grund für ihre abrupte Flucht -, hastig und verwirrt im Raum umher  Er findet rein gar nichts, kein Monster, keine Ungeheuer, keinen Meuchelmörder mit einem Messer, noch nicht einmal eine Ratte, Maus oder Wanze, absolut gar nichts, was sie derart panisch aufgescheucht haben könnte. In seinem Schlafgemach ist niemand außer ihr - und ihm. Wa...? Das scheint auch Diantha an der Tür aufzugehen, an der sie splitterfasernackt und ein wenig atemlos verharrt, mitten in der Bewegung, als nehme sie erst jetzt, gerade in dieser Sekunde, wahr, wo sie eigentlich ist. "Ich würde nicht so in die Halle rennen, mo nighean bhan," grinst er und sein Blick wandert von ihren zerzausten Locken über ihren schlanken Rücken, den Schwung ihrer Hüften, ihren Hintern und die schier endlose Länge ihrer Beine hinunter bis zu ihren Füßen und wieder zurück. Sie dreht sich langsam zu ihm um, so langsam, als wisse sie nicht genau, was sie erwarten mag und sieht ihn an. Im weichen, grauen Morgenlicht schimmert ihre Haut so hell und silbrig wie das Innere einer Muschel. Airgeadach. Er will gerade den Mund öffnen, um ihr zu sagen, dass sie ins Bett zurück kommen soll, als sie auch schon halb mitleidig, halb beschämt verkündet: >Oh Olyvar, es tut mir leid, ich wollte dich nicht so wecken!<, und beinahe noch schneller wieder bei ihm ist, als sie ihn gerade eben verlassen hat. Sie schlüpft unter die Decken, bringt einen Schwall eisiger Luft mit und drängt sich auf der Suche nach Wärme an ihn. Diantha kann nicht länger als ein paar Augenblicke der Kälte im Zimmer ausgesetzt gewesen sein, aber das hat offenbar genügt, um ihre Haut auszukühlen und ihre Füße zu vereisen, also zieht er sie an sich, bis sie der ganzen Länge nach an seinem Körper liegt und er sie wärmen kann. Hier will er sie haben, hier gehört sie hin, ob mit oder ohne Eisklumpen statt Zehen. "Psst. Ist schon gut, ich war ohnehin fast wach."
>Entschuldige, ich war nur so überrascht und erkannte das Zimmer nicht auf Anhieb, dachte du wärst jemand anderes... es tut mir leid,< murmelt sie kleinlaut.

Olyvar spürt ihren Atem auf seiner Haut, ihre Hand in seinem Haar und an seinem Nacken und weiß nicht, ob er jetzt lachen, pikiert schnauben oder sie küssen soll. Jemand anderes. Die volle Bedeutung ihrer Worte dringt zu ihm durch und in seinem Inneren regt sich so irrationale, wie glasklare Eifersucht. Dann nennt er sich selbst einen Narren. Sei kein Idiot. Sie war keine Jungfrau mehr, irgend jemand anderen muss es gegeben haben. Jemanden, an den sie obendrein keine allzu guten Erinnerungen haben kann, bedenkt man ihre Reaktion von eben. Immerhin wollte sie vor diesem anderen weglaufen, und zwar ziemlich verängstigt. Trotzdem schlägt der Gedanke, dass ein anderer Mann sie berührt und besessen, und sie möglicherweise, nein vermutlich ziemlich sicher sogar, dann verletzt hat, dünne, scharfe Krallen in sein Herz. "Jemand anderes... mmpf," schnaubt er leise und versucht gar nicht erst, die belustigte Entrüstung aus seiner Stimme fernzuhalten, lässt seine Hände über ihren Rücken gleiten und umfasst ihren wundervoll runden, festen Hintern. Er weiß genau, dass sie ihre Worte nicht als Beleidigung gemeint hat, aber die Versuchung, sie damit noch ein wenig zu necken, ist einfach zu groß. "Wenn du glaubst," schnurrt er dicht an ihrem Ohr, doch in seinen Mundwinkeln liegt dabei eindeutig ein Lächeln, "dass du mich mit einem anderen verwechseln kannst, mein Herz, werde ich dich so lange lieben, bis du nicht mehr aus meinem Bett davon laufen kannst und ganz, ganz genau weißt, wer ich bin." Ob es sein Atem ist, der ihre Haut wärmt oder seine Worte, er kann sehen, wie ihr Puls sich beschleunigt, ein rasches, wildes Pochen, keinen Fingerbreit von seinem Mund entfernt. Sie hebt Kopf und Blick und sieht ihn an, nachdenklich, fast ein wenig prüfend. Olyvar hat nicht die leiseste Ahnung von ihren Befürchtungen, und wenn er sie doch gehabt hätte, hätte er vermutlich ernsthaft an ihrem Verstand gezweifelt. Schließlich liegt sie in seinen Armen, Haut an Haut, ihre Hände sind in seinem Haar, seine sind um ihren Hintern geschlossen, ihre Beine so gründlich ineinander verschlungen wie die Leiber sich paarender Schlangen und der ganze Rest von ihr liegt der Länge nach an ihn gepresst... dass er sie will kann ihr so gar nicht verborgen bleiben. Dennoch kann er genau diese Frage auf ihren Lippen schmecken, als sie ihn unvermittelt küsst,  ebenso wie er sie in ihren Augen sehen kann. "Ja," erwidert er ohne zu zögern, ohne jeden Zweifel, ohne auch nur einmal darüber nachdenken zu müssen. Er weiß es einfach, er hat es schon gestern gewusst, und er würde nicht länger davor davonlaufen. "Es ist mir ernst, Diantha. Du. Das hier. Wir. Es ist mir todernst."  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 31. März 2007, 17:22 Uhr
Leicht verwundert bemerkt Diantha fast etwas wie Empörung in seiner Stimme, als er ihr antwortet: >“Jemand anderes… mmpf“<. Das ist ein beleidigtes Schnauben, ganz eindeutig, doch da schwingt noch etwas anderes in seinem Tonfall mit. Eifersucht? Habe ich ihn jetzt etwa … beleidigt? Auf die Idee wäre sie jetzt nie gekommen, dass er wütend sein könnte, damit hat sie gerechnet aber eifersüchtig? Vor allem auf wen! Wenn er nur ansatzweise wäre wie Riku, dann wäre ich schon längst nicht mehr hier. Aber – muss ich ihm das wirklic erzählen? Müsste er das nicht schon längst wissen, ich wohne hier schließlich schon ziemlich lange, da sollte er über mein Liebesleben ja zumindest ansatzweise Bescheid wissen! Die Eifersucht ist aber auch schon fast verschwunden, als er fortfährt: >"dass du mich mit einem anderen verwechseln kannst, mein Herz, werde ich dich so lange lieben, bis du nicht mehr aus meinem Bett davon laufen kannst und ganz, ganz genau weißt, wer ich bin."< Da muss selbst die Immerfrosterin grinsen. Das klingt nach einem gar nicht einmal schlechten Plan für die nächsten Tage, stellt sie erheitert fest, bemerkt dann aber, wie sich Olyvars Tonfall ändert und erwidert deshalb vorerst nichts darauf. >"Es ist mir ernst, Diantha. Du. Das hier. Wir. Es ist mir todernst.", hört sie ihn prompt auf ihre nicht laut gestellte Frage sagen, er zögert nicht einmal den Bruchteil eines Augenblicks. Um die Sicherheit, mit der er diese Worte ausspricht, beneidet ihn Diantha sehr, sie wünschte sie könnte so etwas auch nur ansatzweise so selbstverständlich zu ihm sagen. Wie kann er nur so überzeugt davon sein, dass es funktionieren wird? Er hat doch selbst schon eine Liebe wachsen und zerbrechen sehen! Aber sie wird ihn wohl nicht so sehr verletzt haben oder doch, aber auf eine andere Art und Weise. Eine Art, die weniger mit Verrat zu tun hat. „Hm, also doch mehr als nur eine kleine Affäre mit dem Kindermädchen“, murmelt sie mit einem unleugbar zufriedenen Lächeln an seinen Hals. Was die Liebe angeht war sie nie gut im Teilen. Und ich werde es auch nie sein! Da werden sich ein paar der Küchenhilfen aber nicht gerade freuen.

„Das klingt äußerst gut, werter Lord Commander, aber sagt, waren Eure vorherigen Worte als Drohung oder als Versprechen gemeint?“, wispert sie ihm herausfordernd ins Ohr. „Das wollen wir doch mal sehen!“ Sie weiß, dass ihm eine gewitzte Erwiderung auf der Zunge liegt, lässt ihm aber keine Möglichkeit noch etwas zu sagen, er neigt ihrer Ansicht nach sowieso dazu, weit mehr als nötig zu reden. Stattdessen küsst sie ihn, leidenschaftlich und ausgiebig und unterbricht ihren Kuss erst, als sie beide wild nach Luft schnappen. Oh oh, Diantha, das entwickelt sich gerade zu mehr als nur einer kleinen Verliebtheit!, flüstert eine leise Stimme der Vernunft in ihrem Hinterkopf, die aber sofort zum Schweigen gebracht wird. Und wenn schon… Sie sind gerade im Begriff dort weiterzumachen, wo sie kaum einen Augenblick vorher aufgehört haben, als Diantha plötzlich ein Geräusch an der Tür aufhorchen lässt. Zunächst ist sie sich nicht ganz sicher, was sie es zuordnen soll, vielleicht eine der Katzen? Doch dann räumen ein leises Kichern und ein lautes „Pssst“ jeden Zweifel aus dem Weg und Diantha wird klar, das da jemand recht erfolglos versucht die Türklinke herunterzudrücken. „Oh nein, wie können die nur schon so früh wieder so wach sein, gestern Abend waren sie todmüde!“, stöhnt sie und bekommt als Antwort nur ein zustimmendes Grummeln, das zeigt, dass Olyvar ähnlich wenig Lust hat sie jetzt auch nur einen Sekhelrin von sich wegzulassen. „Dann halt heute Abend, hm?“, murmelt sie ihm mit Unwillen in der Stimme zu. Na, ich hab doch die letzten Jahre auch ohne einen Mann überstanden, warum kommt es mir jetzt so vor, als wäre es eine Ewigkeit bis heute Abend zu warten, bis ich wieder mit ihm allein sein kann? Einen Moment hält er sie noch fest an sich gedrückt, dann lässt er sie schließlich so weit los, dass sie bequem in seinem Arm liegen und auf die Tür schauen kann.
Nach einem weiteren Versuch gelingt es Connavar schließlich die Tür aufzustoßen und prompt schauen zwei neugierige Paar Kinderaugen durch den Türspalt. „Ganz leise sein“, flüstert Fianryn, legt ihren kleinen Zeigefinger an den Mund und schaut ihren Bruder tadelnd an, Conn nickt nur und gemeinsam schleichen sie – beziehungsweise versuchen es, machen dabei aber nicht nur durch ihr Gekicher einen Heidenlärm – auf das Podest zu und krähen dort angekommen erst einmal laut: „Guten Morgen PAPA!“ Dann dauert es noch einen Moment, bis sie das Podest erklettert haben und schließlich tauchen ihre Köpfe am Bettrand auf. Einen Moment schleicht Überraschung über ihre Gesichter, dann fangen Fianryns und Connavars Augen an zu strahlen. „Oh Diantha ist ja auch da! Hallo!“ Damit ist das Thema auch schon vorläufig abgeschlossen, was ist für zwei Zweijährige auch schon besonderes daran, dass zwei Menschen, die sie mögen, gemeinsam in einem Bett liegen und die Zwillinge machen sich daran auf das Bett zu klettern. Wie jeden Morgen sprühen die beiden nur vor Tatendrang und Conn fängt an seinen Vater davon zu überzeugen, dass sie heute unbedingt wieder zu den Pferden gehen müssen und zwar am Besten alle zusammen. Fianryn wirkt davon nicht ganz so begeistert. „Ich möchte lieber wieder zu den kleinen Katzen bei den netten Leuten!“ „Oh ja, da können wir wieder hingehen, aber erst mal gehen wir zu den Pferden!“, bestimmt ihr Bruder vollkommen selbstsicher. Olyvar und Diantha wechseln einen amüsierten Blick. „So so, der ganze Tag ist schon durchgeplant, hm?“
„Ich wäre dafür, dass du jetzt erst mal noch für einen klitzekleinen Moment ruhig hier in meinem Arm liegst und dann gehen wir erst mal frühstücken, in Ordnung?“ Bereitwillig lässt sich Fianryn von Diantha an sich ziehen und nickt. „Meine Güte Rakkaani, deine Füße sind ja eiskalt! Ich geh mal…“ Strümpfe holen, wollte sie sagen, als ihr klar wird, dass das splitterfasernackt vielleicht keine ganz so tolle Idee ist. „Geh mal zu deinem Vater unter die Decke, ich sollte mir was anzuziehen suchen“, sagt sie zu dem Mädchen und macht sich dann samt Decke kurz entschlossen auf den Weg zu den beiden Wäschekommoden neben dem Kamin. Als sie an der ersten eine Lade aufzieht steigt ihr ein definitiv nicht zu Olyvar gehörender Geruch entgegen - Äpfel? - so schließt sie diese rasch wieder und wendet sich an die andere. Erst kramt sie ein wenig darin herum, dann holt sie eins seiner Hemden heraus und zieht es rasch über, es ist lang genug um als improvisiertes, wenn auch ziemlich kurzes, Kleid herzuhalten. Schon ist sie aus der Tür und steht kurze Zeit später vollständig bekleidet und beladen mit Kinderkleidung, Stoffwindeln und Winkelkram wieder im Türrahmen. „Na, gehen wir frühstücken?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 01. Apr. 2007, 11:15 Uhr
Zunächst bleibt der Ausdruck in ihren hellen, blauen Augen noch einen Moment nachdenklich, dann senkt sie Kopf und Blick wieder und vergräbt ihre Nase an seinem Hals. Ein Silberstück für deine Gedanken... Sie bleibt ihm die Antwort schuldig, wie immer die auch ausgefallen wäre, jedenfalls eine unmittelbare Antwort. Stattdessen bemerkt sie fast ein wenig aufreizend: >Hm, also doch mehr als nur eine kleine Affäre mit dem Kindermädchen.< Von Ernsthaftigkeit keine Spur, auch wenn in ihrer Stimme durchaus ein unbestreitbar beruhigter Unterton mitschwingt. Affäre mit dem Kindermädchen? Echot er in Gedanken und ist schon zum zweiten Mal an diesem Morgen hin und hergerissen zwischen Erheiterung und Empörung... das bezaubernd verflixte Frauenzimmer scheint es allerdings auch darauf anzulegen. Wofür wird er hier eigentlich gehalten? "Nein," erwidert er also mit einem sardonischen Lächeln, das sie allerdings nicht sehen kann, weil ihr Mund gerade damit beschäftigt ist, seinen Hals hinaufzuwandern. "Keine kleine Affäre mit dem Kindermädchen." Wäre sie nur irgendeine Frau, die ihm eine Nacht lang oder auch eine Weile das Bett wärmen sollte, die ihm darüber hinaus aber nicht das Geringste bedeutete, hätte er sie nur gevögelt und nicht geliebt - das ist ein himmelweiter Unterschied. Und wer sagt dir, dass sie es ernst meint? Nichts und niemand. Das ist wahr - er weiß es nicht. Er weiß nur, was er fühlt. Er hatte versucht, es zu ignorieren, es einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen und sich wochenlang eingeredet, dass es nichts zu bedeuten habe, aber das hatte nicht das Geringste daran geändert. Er hatte weder damit gerechnet, noch es in irgendeiner Weise beabsichtigt, und sie wohl auch nicht, es war einfach so geschehen - und irgendwann hatte er es schlicht aufgegeben, sich dagegen zu wehren. Es ist eben so, das kann er auch eingestehen. Was immer daraus auch entstehen mag, wo immer es sie beide hinführen würde, er war noch nie zu feige, sich seinen Gefühlen zu stellen, und, schlechte Erfahrungen hin oder her, er weiß, dass eine Hoffnung ohne Mut gar keine Hoffnung ist. Unerwartet antwortet sie ihm dann doch noch, und auch wenn sie sich dabei schon wieder in eine scherzhafte Bemerkung flüchtet, es ist keine ernüchternde Antwort, im Gegenteil. >Das klingt äußerst gut, werter Lord Commander, aber sagt, waren Eure vorherigen Worte als Drohung oder als Versprechen gemeint?< will sie wissen und die Art, wie sich ihre Stimme dabei hebt, lässt ihn leise lachen. >Das wollen wir doch mal sehen!< Er ist sehr, sehr, sehr versucht, ihr anzubieten, sich den unleugbar vorhandenen Beweis seiner Worte herzlich gern aus nächster Nähe anzusehen, aber dazu kommt er gar nicht, denn sie küsst ihn, und das auf eine Art und Weise, dass sich jeder klare Gedanke, den er gerade eben noch gehabt hat, auf der Stelle in Wohlgefallen auflöst und sich prompt ins Nirgendwo verabschiedet. Außerdem ist es ein Kuss, der ihm unzweifelhaft klar macht, dass er sich eigentlich überhaupt keine Sorgen darüber zu machen braucht, ob Diantha es nun ernst mit ihm meint oder nicht, weil er nämlich ganz bestimmt an Frustration sterben wird, wenn er sie nicht auf der Stelle haben kann.

Er kann nicht, wie ihm ein erbarmungsloses Schicksal augenblicklich unter die Nase reibt, als es in Gestalt der entsetzlich ausgeschlafenen, putzmunteren Zwillinge das Schlafgemach entert. >Pssst!< tönt es in kleinkindlicher Aufregung zusammen mit einem unmissverständlichen, wenn auch leisen Knarren von der Tür her, gedämpft durch das dicke Holz, und Diantha löst sich mit einem Seufzen des Bedauerns von ihm. >Oh nein, wie können die nur schon so früh wieder so wach sein, gestern Abend waren sie todmüde!< Er liebt seine Kinder. Wirklich. Heiß und innig. Vollkommen aufrichtig. Absolut selbstlos. Mit jedem Atemzug. Im Augenblick wünscht er sie sich beide auf den Mond. "Sie können... ich hoffe nur sie haben einen Zuber mit Eiswasser dabei," knurrt er, kann nicht widerstehen, Dianthas sommersprossige Nasenspitze zu küssen und gibt sie schließlich widerstrebend frei... allerdings nur soweit, dass sie sich in seinen Armen umdrehen kann. Die Zwillinge trippeln herein, erobern Podest und Bett, quittieren Dianthas Anwesenheit mit synchronem Kleinkindergrinsen und hopsen dann fröhlich zwischen sie. Conn krabbelt schnaufend über Diantha hinweg, um zu ihm zu kommen, Fianryn nimmt mit ihr Vorlieb, und sein naseweiser Sohn bestürmt ihn auch sogleich damit, dass er heute unbedingt zu den Pferden will. "Bu toigh leam do Faron, Papa. Bu toigh leam do Bayvard! Will Heu spielen. Und reiten! Rachamaid, rachamaid..." Ich will zu Faron, Papa. Ich will zu Bayvard. Lass uns gehen, lass uns gehen...
> Ich möchte lieber wieder zu den kleinen Katzen bei den netten Leuten!< Kräht Fianryn dazwischen und ihr Bruder bedenkt sie mit einem finsteren Blick, wird dann aber wieder gnädig. >Oh ja, da können wir wieder hingehen, aber erst mal gehen wir zu den Pferden!<
"Immer langsam a cuisle." Er lächelt und stupst seinen Sohn mit dem Zeigefinger vor das runde Bäuchlein, so dass er kichernd auf seinen Windelhintern plumpst, und wendet sich dann an Fianryn. "Zu Morna und Rhordri kannst du immer, a leannan, das weißt du doch. Und im Stall gibt es auch Kätzchen, jede Menge sogar." Über die Köpfe beider Kinder hinweg tauscht Olyvar einen lächelnden Blick mit Diantha, die etwas davon murmelt, dass wohl der ganze Tag schon durchgeplant wäre, und aus seinem Lächeln wird ein Grinsen. "Du hast noch nicht einmal etwas im Magen, geschweige denn eine frische Windel," erklärt er seinem Sohn geduldig, während Diantha sich der Kleinen und ihrer Eisfüßchen annimmt. Sich allein anzuziehen übersteigt die Fähigkeiten der Zwillinge noch, also waren sie in ihren Schlafkittelchen hier aufgetaucht. Da aber sowohl seine Kleider, als auch Dianthas noch irgendwo in der Halle herumliegen, sofern sie nicht wirklich im Feuer gelandet waren oder Mattis sie inzwischen gefunden und hoffentlich ohne allzu haarsträubendes Grinsen weggeräumt hatte, hat sie nichts anzuziehen.

Er will ihr gerade eines seiner Hemden anbieten, da ist sie schon von allein auf den Gedanken gekommen, schiebt ihm Fianryn in die Arme, wickelt sich in eine der dünneren Decken, schlüpft aus dem Bett und stöbert dann in den Kommoden auf der Suche nach einem passenden Kleidungsstück. Die erste Lade, die sie öffnet, ist leer, es war Kizumus Schrank und er hatte nicht lange nach ihrem Verschwinden die wenigen Sachen, die sie nicht mitgenommen hatte, in zwei Schließkörbe gepackt und sie zusammen mit dem Brief, den sie Ieras hinterlassen hatte, zu Kea in die Schmiede gebracht. Was immer Ieras mit der Habe seiner Mutter getan hat, Olyvar weiß, dass die Schmiedin und der Halbelb Talyra verlassen hatten... höchstwahrscheinlich, um Kizumu zu finden oder ihr zu folgen.  "Tha Diantha lomnochd," flüstert Conn mit einer sehr amüsanten Mischung aus Staunen und Ehrfurcht, und reißt ihn damit aus seinen Gedanken. Olyvar tätschelt seinem vorlauten Sohn den kleinen Rücken. "Aye. Und du hast auch nicht viel mehr an, aber das ändern wir gleich." Er beobachtet, wie Diantha eines seiner Hemden aus dem Schrank holt und lächelt. "Bringst du den Kindern etwas zum Anziehen mit? Und ein paar frische Windeln, ich habe keine mehr hier oben." Sie nickt, schlüpft in sein Hemd, wirft die Decke über das Fußende des Bettes und eilt mit der Versicherung, sie sei gleich zurück, hinaus. Olyvar lässt die beiden Kinder in der Wärme des Bettes sitzen, schärft ihnen ein, unter den Decken zu bleiben, steht auf, gönnt sich eine durchfrorene Katzenwäsche über der Waschschüssel, kämmt sich das Haar aus, bindet es wieder im Nacken zusammen und kleidet sich dann selbst an. Als Diantha, bewaffnet mit allem nötigen für die Zwillinge und ebenfalls angezogen wieder zurückkommt, hat er das Feuer im Kamin schon geschürt, auch wenn es noch nicht allzu viel Wärme in dem ausgekühlten Raum verbreitet. Er nimmt ihr einen Teil der mitgebrachten Windeln und Kleider ab, drückt ihr dafür Conn in die Arme, nutzt die Gelegenheit, um sie zu küssen, und schnappt sich dann seine Tochter vom Bett, die ihm ihre Ärmchen schon entgegenstreckt. "Machen wir sie in der Halle fertig, hier oben ist es zu kalt." Die Kinder werden also in der Halle auf dem weichen Teppich gewickelt, gewaschen und angezogen, und kaum sind sie fertig damit, erscheint auch Mattis, im Schlepptau einen Küchenjungen, der das Morgenmahl aus der Burgküche heraufbringt. Der Küchenknirps huscht allerdings wieder hinaus, kaum dass er die bauchige Cofeakanne auf dem Tisch platziert hat. Sein Knappe hatte ihre Kleider gefunden und zweifellos auch eins und eins zusammengezählt, das verrät schon sein Grinsen, das sein Gesicht schier in zwei Hälften spalten will und von einem abstehenden Ohr zum anderen reicht. Außerdem scheint er der Meinung zu sein, dass Olyvar und Diantha nach einer gemeinsam verbrachten Nacht offenbar für zehn Essen sollen, angesichts der Speisenberge, die er ihnen angeschleppt hat. "Halt den Mund," warnt Olyvar, sieht aber überhaupt nicht verärgert aus und lässt seinen Blick ungläubig über Pasteten, Haferbrei, frisches Brot, gebratene Eier mit Speck, süße Pfannkuchen, Zwiebelomelett, Honig, Käse und Butter wandern. "Erwarten wir Gäste?" "Hmhm," erwidert der Bengel und deckt den Tisch auf, während sein Lächeln nur noch breiter wird.

Shyada taucht nicht auf, während sie frühstücken, obwohl die Sonne inzwischen aufgegangen ist und die Welt in goldenes Morgenlicht taucht, und als er Mattis schickt, um nachzusehen, wo die Amazone abbleibt, stellt sich heraus, dass sie überhaupt nicht da ist. Gerade, als Olyvar fluchend aufsteht und dabei ist, Stein und Bein zu schwören, dass diese Frau überhaupt keinen Verstand besitzt, platzt nach wildem Klopfen am Eingang zum Westflügel Vron herein, ein Botenjunge, acht Jahre alt und vor Aufregung stotternd. "Co...co...co... ich meine... Sire... Sire..."
"Hol erst mal Luft, Kleiner."
"SireColevarschicktmichdieAmazoneistaufdenWaffenhöfenundwillsichprügeln!"
"Ifrinn! Hat sie versucht, die Steinfaust zu verlassen?"
"Nein, M'lord Commander. Das nicht. Sie will mit den Rekruten kämpfen. Mit denen vom letzten Jahr. Sire Colevar schickt mich. Sire Rhordri ist schon unten und hat ein Auge auf sie." Damit ist ihr Frühstück beendet, bevor sie zu den Pasteten gekommen sind, aber Olyvar ist ohnehin so satt, dass er nicht einmal mehr "papp" sagen könnte, die Kinder sind längst fertig und auch Diantha nascht nur noch hier und da ein bisschen.

-> Steinfaust

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 06. Mai 2007, 23:42 Uhr
Von Ende Taumond bis Ende Sturmwind


Zurück im Westflügel werden sie von Mattis und Shyada schon erwartet, die zwar bereits am gedeckten Tisch sitzen, aber noch nicht gegessen haben, und so fallen sie alle sechs ausgehungert wie Winterwölfe über das Mittagsmahl her. Es stört sie nicht im mindesten, dass es nicht mehr wirklich heiß ist - nun ja, Olyvar, Diantha und die Kinder vielleicht nicht. Mattis macht kein Hehl daraus, was er von so eklatanter Unpünktlichkeit hält und schnalzt so ungehalten mit der Zunge wie eine füllige Mogbarmatrone, was Olyvar jedoch wirklich verwundert, ist Shyadas Miene. Die Amazone hat doch tatsachlich einen Ausdruck in den schrägen, grünen Katzenaugen, als wolle sie gleich fragen: Wo um Himmels Willen wart ihr nur alle so lange? Ich war hier ganz allein!
An Giblean, oder der Sturmwindmond, vergeht mit hektischer Arbeit, sowohl in der Steinfaust, als auch im Westflügel. Olyvar wird wie jedes Jahr um diese Zeit von seinem Dienst reichlich in Beschlag genommen, und wenn Diantha nicht ab und an mit den Kindern in sein Solar käme, um eine Weile bei ihm zu sein, würde er sie vor Sonnenuntergang wohl überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen. Das Inarifest mag dieses Jahr wegen der schlechten Ernten des vergangenen Herbstes und dem zeitigen, trockenen Frühjahr allerorts vielleicht bescheidener ausfallen, doch Heerscharen von Fremden, Reisenden, Festbesuchern und mit ihnen die allgegenwärtigen Beutelschneider, Wanderhuren, Quacksalber, Schausteller, Händler und so fort, strömen auch dieses Jahr im Sturmwind zielstrebig nach Talyra. Die heimelige Atmosphäre eines aufgeregt summenden Bienenstocks macht sich also schon drei Siebentage vorher in der Stadt breit, in der gescheuert, gekehrt, geputzt, gebacken, gebraut und festlich geschmückt wird, was das Zeug hält. Für die Männer der Steinfaust bedeutet das allerdings zunächst einmal Doppelschichten, verstärkte Nachtpatrouillen, sich alle Naslang ändernde Dienstpläne, mehr Wachen auf den Mauern und an allen Toren, und ständige Präsenz auf den Straßen. Mitte des Sturmwindmondes melden sämtliche Gasthäuser der Stadt, sie seien "voll bis unter den Dachgiebel", wie Halla sich ausdrückt, die Borgil in der Harfe vertritt, und Talyra platzt aus allen Nähten. Das Feld der Pavillons, wo normalerweise das Sommerfest stattfindet, wird also eilig hergerichtet und binnen weniger Tage schießen dort die Zelte fahrenden Volkes und verspäteter Inarifestbesucher wie Pilze aus dem Boden. Für Olyvar heißt das jedoch, dass seine Sappeure Latrinengräben ausheben dürfen und er fünfzig Blaumäntel allein für Ordnung und Sicherheit in dieser Nomadenstadt bereithalten muss.

Im Westflügel selbst ist die Betriebsamkeit kaum weniger hektisch, weil Diantha sich mit Feuereifer sowohl in die Sauberkeitserziehung der Zwillinge, als auch, bewaffnet mit Zollstock, Wachstafel und Griffel (alles von Rhordri abgestaubt, der an der Immerfrosterin einen Narren gefressen zu haben scheint) in ihre Umgestaltungspläne stürzt. Die Zwillinge erweisen sich hierbei allerdings als das kleinere Übel. Fianryn ist nach zwei Wochen so gut wie sauber. Sie schleppt ihren "Topf" überall mit sich herum und benutzt ihn mit Hingabe, auch wenn sie in der ersten Zeit jedem, der ihr über den Weg läuft, stolz die Ergebnisse ihre Bemühungen auf der Keramik präsentiert. Conn dagegen will sich zunächst überhaupt nicht mit der Tatsache anfreunden, dass er seine größeren und kleineren Geschäfte auf diesem wackeligen Steingutding erledigen soll. Nachdem ihn Fianryn dann jedoch einen ganzen Siebentag lang mit der Herablassung einer älteren Schwester behandelt, für die das alles schon ein alter Hut ist, gibt er sich doch einen Ruck und versucht es zumindest, denn das kann er einfach nicht auf sich sitzen lassen. Dass die Zwillinge sich so rasch umgewöhnen, liegt aber vor allem an Dianthas schier unerschöpflicher Geduld mit ihnen, und gegen Ende des Sturmwinds zeichnet sich ab, dass es zwar noch ein Weilchen dauern wird, ehe sie völlig sauber sind, dass man sie tagsüber aber schon getrost ohne Windelpaket um den Hintern laufen lassen kann - und das, ohne sie alle Naslang umziehen zu müssen. Über Dianthas grenzenlose Energie kann Olyvar sich ohnehin nur wundern. Neben der nervenaufreibenden Aufgabe, die Kinder sauber zu bekommen, stürzt sie sich mit dem gleichen Enthusiasmus auch noch in die Renovierung des Westflügels. Als allererstes entführt sie ihm Pumquat, seinen Skriptorenkobold, der einen ganzen Tag lang mit Pergamentrollen und Federkiel über ihrer Schulter schwebt, dabei halb in ihren Ausschnitt fällt und als ihr persönlicher Schreiber oder - in diesem Fall - eher Zeichner fungiert. Kaum stehen ihre Pläne im Groben fest, bekommt er Pumquat wieder und Diantha nimmt die Umsetzung ihres Vorhabens in Angriff. Sie platzt in den nächsten Tagen alle Stunde in sein Solar, unter dem linken Arm Conn, unter dem rechten Fianryn und die Hände voller Pergamentrollen, um ihm dies oder jenes zu zeigen oder nach seiner Meinung zu fragen, ganz gleich, wer gerade bei ihm ist oder was er in diesem Moment tut, doch ihre Begeisterung ist unleugbar ansteckend. Es macht ihm ungeheure Freude, ihr zuzusehen, wie sie sich in seinem Leben häuslich einrichtet und den Westflügel damit endgültig auch zu ihrem Zuhause macht und... nun ja, ein Heim für sie beide schafft. Manches wird erst einmal so belassen, wie es ist, wie etwa die Kinderzimmer und Mattis' Raum, denn die hatte er eingerichtet, oder der Vorraum vor der Halle und das Turmgemach, in dem zur Zeit Shyada lebt, doch alles andere bekommt ein neues Gesicht - und als erstes entsorgt Diantha mit einem so durch und durch rechtschaffenen Schnauben, das er laut darüber lachen muss, die elbischen Sessel.

Wie auch immer sie es schafft, in all dem Trubel der letzten Wochen vor Inari ein paar der jüngeren Botenjungen und Kämmererburschen zu überreden, ihr mit dem Tünchen der Wände zur Hand zu gehen - und sie kann wirklich überzeugend sein, wenn sie will -, sie tut es. Die Halle des Westflügels wird in warmen Gelbtönen gestrichen, was schon wegen der Größe des Raums ein paar Tage in Anspruch nimmt, dann werden ihr Schlafgemach und das Gästezimmer frisch gekalkt, ebenso wie die Wände der Gänge. Diantha selbst, die Zwillinge, die es sich natürlich nicht nehmen lassen zu "helfen", Mattis und das halbe Dutzend ihrer Handlanger sind also ein paar Tage lang Abend für Abend sonnengelb, weiß oder blau gesprenkelt, und belegen mit schöner Regelmäßigkeit die Badehäuser, um sich das ganze Zeug wieder abzukratzen. Immerhin kann dieser immerfroster Wirbelwind, der den Westflügel und Olyvars Leben auf den Kopf stellt, von seinem Herz ganz zu schweigen, Prioritäten setzen. Das erste, das fertig wird (nun ja, die Wände sind frisch gestrichen und es ist eine Matratze darin, sowie ein paar Schließkörbe für die nötigste Kleidung zum Wechseln), ist das Schlafgemach und er macht sein Versprechen wahr - er liebt sie so lange und so ausführlich, bis sie tatsächlich ganz genau weiß, wer er ist, Verwechslungen ausgeschlossen (das allerdings nicht nur dort). Nachdem die Räume so weit fertig sind, dass sie wirklich ans Einrichten denken können, lassen sie die Zwillinge bei Morna und er nimmt sich einen ganzen Tag lang frei, um mit Diantha ins Handwerkerviertel zu fahren, damit sie sich dort nach neuen Möbeln umsehen können. Das lässt seine Offiziere so kurz vor der Festnacht zwar innerlich stöhnen, aber sie sind der Immerfrosterin viel zu dankbar, endlich den ewig schlecht gelaunten, absolut unausstehlichen Lord Commander wieder losgeworden zu sein, in den er sich das letzte Jahr über verwandelt hatte, als dass sie es ihr ernstlich übel nehmen könnten. Außerdem hat sie Olyvar längst mit ihrer Umgestaltungswut angesteckt, es ist eine Gelegenheit, einen ganzen Tag fern von allen Pflichten, Kindern und Knappen nur mit ihr zu verbringen, und er ist zwar vielleicht nicht wirklich erpicht darauf, sich auf eine qualvolle Möbelsuche zu begeben, aber er liebt es, ihr beim Einkaufen zuzusehen. Ihr Geschmack in Einrichtungsfragen ist - bis auf ihre Vorliebe für Blau -, seinem eigenen so ähnlich, dass er es eigentlich getrost ihr allein überlassen könnte, andererseits kann er genau das auch wieder nicht tun, weil ihre Wünsche ebenso häufig mit ihrer Sparsamkeit kollidieren.

Als sie ihm vorgeschlagen hatte, die Halle gelb zu streichen, war sie zuerst Feuer und Flamme dafür gewesen, aber dann hatte sie im Kopf überschlagen, wie viel das wohl kosten würde und sich seufzend wieder von dem Gedanken verabschiedet, mit der Begründung, das könne sie sich nicht leisten, weil sie ja noch dies und das kaufen müsse. Ihm war die Kinnlade gelinde gesagt bis auf die Brust geklappt. "Wie nicht leisten? Willst du mir etwas sagen, dass du das hier alles bezahlen willst?" Sie hatte ihn argwöhnisch angeblinzelt und dann händeringend erklärt, es sei ja schließlich auch ihre Idee gewesen. Er habe ihr all die Monde ihren Lohn bezahlt, wovon sie sparsam gelebt hatte, was hätte sie schon groß gebraucht - und, nun ja, sie habe ein wenig angespart, das würde schon gehen, nur große Sprünge könnte sie damit wohl nicht machen, also... "Das kommt ja überhaupt nicht in Frage!" Er hat wirklich geglaubt, sich verhört zu haben, sie auf der Stelle mit zu Rhordri ins Archiv und die Schatzkammer geschleppt, ihr bis auf den allerletzten Heller sämtliche bisherigen Ausgaben zurückgezahlt, und ihr dann eine Goldkassette in die Hände gedrückt, von deren Inhalt sie den Westflügel zehnmal neu einrichten könnte. Sparsam gelebt, du lieber Himmel! Sie kann sich verdammt noch mal alles kaufen, was sie will und was sie braucht. Er war derart vor den Kopf geschlagen gewesen, dass er in seiner Fassungslosigkeit in der folgenden Standpauke gewisse Details ihrer Beziehung einfach unter den Tisch hatte fallen lassen. "Du bist meine Frau. Du richtest den Westflügel der Steinfaust neu ein, unser Zuhause," hatte er rechtschaffen empört erklärt, als er ihr die kleine, aber massive Truhe überreicht hatte. "Das bedeutet, mein Geld ist auch deines. Und lass dich ja nicht dabei erwischen, dass du irgendetwas davon zurückbringst!" Die Skriptoren in Rhordris Reich hatten ihr breites Grinsen synchron wieder in ihren Büchern vergraben, die Schatzmeister keckerndes Lachen von sich gegeben und Diantha? Diantha hatte ihn einen Moment lang perplex angeblinzelt, dann ihre Augen zu schmalen, blauen Dreiecken zusammengezogen, sich eine Locke von der Nase gepustet und ihm schnippisch erklärt, schön, wenn das so sei, dann würde er garantiert keinen einzigen Kupferling davon mehr zu Gesicht bekommen, aber das wäre ganz allein seine Schuld. Schnippisch ist gut. Schnippisch ist wunderbar. Trotzdem begleitet er sie sicherheitshalber ins Handwerkerviertel. Wer weiß, worauf sie sonst noch seufzend verzichten würde, nur weil sie der irrigen Annahme ist, es wäre viel zu teuer.

Der Tag ist warm und frühlingshaft, und auf den Straßen sind trotz der frühen Stunde allerorts schon Menschen unterwegs. Schwitzende Tempeldiener in grauen Kutten und Bauern aus dem Umland bringen auf Ochsenkarren die letzten Fuhren Feuerholz für die Inarinacht in die Stadt, an allen Häuserecken, Brunnen und Straßenkreuzungen werden Kübel mit schlanken Birken aufgestellt und Hausbesitzer mühen sich mit wackligen Holzleitern, gewundene Girlanden aus grünem Frühjahrslaub, Blumen und Efeu über die Wege und Straßen zu spannen - überall in Talyra wird derzeit anscheinend letzte Hand an die Festvorbereitungen gelegt. Sie lassen den Wagen irgendwann auf einer der breiteren Straßen stehen und schlendern zu Fuß weiter durch die engen Gässchen des Handwerkerviertels, stöbern in Schreinereien, begutachten Musterstücke in sägemehlstaubigen Werkstätten, wann immer sie auf einem Ladenschild das Symbol der Holz bearbeitenden Zunft, Baum und Axt auf rotem Grund, ausfindig machen, und statten jedem Tischler, Drechsler und Zimmermann einen Besuch ab, dessen Geschäft auf ihrem Weg liegt. Diantha ersteht ein wenig Geschirr bei einem Töpfer und ein paar Stoffe, die ihr zusagen, bei einem Tuchhändler und alles, was sie nicht finden, sind Möbel nach ihrem Geschmack. Selbst bei Holzspan Sargnagel in seiner riesigen Werkstatt oder bei Melfrich Klageholz, einem berühmten Schreinermeister, lässt sich einfach nichts Passendes entdecken. Abgesehen davon gestaltet sich ihre Möbelsuche langsam aber sicher zu einem Spießrutenlauf, da Olyvar nun einmal jeder kennt und Diantha jeder kennen lernen will. So geht es in einem fort: M'lord Commander hier, M'lord Commander dort. Auf einen Krug Bier? Nein besten Dank. Ei... eine ganze Einrichtung gleich? Für den Westflügel, nehme ich an. Aber hier, bitte. Schränke, Truhen, Kommoden. Nicht das Richtige dabei junge Frau? Dann kann ich es für Euch anfertigen. Den Göttern zum Gruß, M'lord Commander, darf es dann vielleicht dies oder das sein? Sie sind nahe am Verzweifeln, als vom Ende des Zimmermannssteigs hinter der Zunfthalle lautes Geschrei an ihr Ohr dringt. Ein ziemlich beeindruckendes Fuhrwerk verkeilt dort gerade die Toreinfahrt zu Buchenkrons Schreinerei, voll beladen mit etwas, das Olyvar zweimal hinsehen lässt und Diantha plötzlich ein Lächeln entlockt. Um den Wagen herum entsteht mittlerer Tumult, und als sie näher kommen, hören sie einen kleinen, runden, rotbäckigen Mann mit lebhaften, grünen Augen und kurzen, rotblonden Locken eine ganze Reihe ebenso haarsträubender, wie phantasievoller Flüche von sich geben.

Es ist niemand anderes als Jalmar Buchenkron selbst, der sich furchtbar über irgendetwas aufregt. Neben ihm erscheinen ein paar seiner Gesellen und die armen Fuhrleute, die ganz betreten dreinblicken, aber auch nur mit den Schultern zucken können, während ihr Meister so aufgebracht herumstapft, als wolle er gleich Löcher in seinen Hut beißen. Selbst in den Fenstern der Nachbargebäude erscheinen schon neugierige Köpfe, was denn der Aufstand soll und Leute erscheinen auf der Straße, um ihre Hilfe anzubieten. Olyvar drängt sich, Dianthas Hand fest in seiner, durch einen Kreis von Schaulustigen, die ihnen auch bereitwillig Platz machen, doch kaum hat Meister Buchenkron ihn entdeckt, kommt er auch schon auf sie zugeschossen. "M'lord Commander! M'lord Commander! Ihr kommt wie gerufen!" Der Schreiner blinzelt Diantha kurz an und entscheidet sich dann für ein hastiges Nicken in ihre Richtung. "Seht Euch das an! Zwei Fuhrwerke voll mit bestellter Ware, pünktlich ausgeliefert und was ist? Häh? Weg ist der Auftraggeber, verschwunden, vom Erdboden verschluckt! Und was soll ich jetzt mit einer ganzen Hauseinrichtung? Noch dazu in den Farben, so etwas kauft doch kein Mensch! Ich such mir einen Advokaten, so kommt mir der Hundsfott nicht davon, ich... brauche..." Buchenkron jappst, als würde ihn gleich der Schlag rühren und einer seiner Knechte drückt ihm hilfreich einen Weinschlauch in die Hand. Olyvar dagegen tauscht einen Blick mit Diantha, die sich von seiner Seite löst und dann die Möbel auf den beiden Wägen genauer in Augenschein nimmt. Auf dem vorderen Fuhrwerk sind ein Schrank, ein paar Truhen und Kommoden, und etwas, das nach einem Bettgestell aussieht, alles aus ohnehin hellem Holz, aber dazu noch mit Leinöl und Birkenholzasche gebleicht, so dass es fast weiß wirkt. Auf dem zweiten Wagen türmen sich verschiedenste Möbelstücke, die blau lasiert wurden, satt, aber so dünn, dass die Maserung des Holzes noch überall durchschimmert - ein langer Tisch und Stühle, mehrere Kommoden, ein Brotschrank und noch anderes, das Olyvar von hier aus nicht genau erkennen kann. Alles, was er sieht, macht jedoch schon einmal einen viel versprechenden Eindruck - schlicht, aber nicht zu streng, ohne jeden überflüssigen Firlefanz und doch von einer gewissen, wuchtigen Eleganz, sind die Möbelstücke eigentlich genau das, was sie wollen. Und das Blau würde sich ausgezeichnet in der sonnengelben Halle machen. "Beruhigt Euch erst einmal," wendet Olyvar sich mit einem gewinnenden Lächeln an den aufgebrachten Schreiner neben ihm. "Für wen hätte das alles denn sein sollen?"
"Ach," jammert Buchenkron, "für so einen Möchtegern-Tuchhändler unten in Caernavon! Stellt Euch vor, meine zwei Knechte sind fünfundzwanzig Tausendschritt hingefahren, nur, um dem Esel seine Möbel zu liefern und ebenso viele wieder nach Hause, und er hat noch kaum etwas anbezahlt! Ich nehme mir einen Advokaten, jawohl, und dann soll dieser..."

Olyvar beobachtet Diantha, die gerade halb in einen Schrank kriecht, wieder auftaucht und bewundernd mit den Händen über die matt glänzenden Holzflächen fährt. Dann entdeckt sie die blauen Möbel und inspiziert hingerissen Wagen Nummer zwei. "Und?" Ruft er ihr irgendwann lächelnd zu, während Buchenkron neben ihm immer noch damit beschäftigt ist, wild herumzukeifen. "Sie haben Bronzebeschläge!" Tönt es begeistert zurück, und Diantha überprüft die Qualität derselben gleich einmal, indem sie eine Schranktür mit Wucht zuschmettert. Der Knall könnte Tote erwecken und lässt selbst den erzürnten Schreinermeister abrupt verstummen. "M'lord... äh... was tut sie denn da?"
"Oh, ich denke, sie testet, ob Eure Möbel zwei aufgeweckte Zwillinge aushalten werden. Das müssen sie nämlich, wenn wir sie nehmen." "Ihr nehmt... Ihr meint... alles?" Buchenkrons Augen werden so groß wie die Silberstücke, die er sich zweifellos schon ausrechnet. "Kann gut sein," erwidert Olyvar betont gelassen, als er das hoffnungsvolle Spekulieren im Gesicht seines Gegenübers entdeckt. Dass sie genau das gesucht hatten, muss er Buchenkron ja nicht auf die Nase binden. Der Rest ist reines Feilschen. Eine Stunde später sind sie auf dem Rückweg zur Steinfaust, um einiges Silber erleichtert, aber hochzufrieden und im Schlepptau die beiden Fuhrwerke mit ihrer neuen Einrichtung. All die Möbelstücke dann in den Westflügel hinaufzuschaffen erweist sich als schweißtreibende Knochenarbeit, aber da sie letztlich doch noch so viel Glück mit dem Finden hatten, sind sie viel früher zurück, als erwartet, und außerdem gibt es da auch noch die gute Seele Achim, die gerade Dienstschluss hat und ihnen spontan zu Hilfe eilt. Mit einem Oger als Möbelpacker und den vielen helfenden Händen in der Steinfaust sind die beiden Fuhrwerke rasch abgeladen und in der Halle des Westflügels stapelt sich ein Möbelberg. Der Rest des Tages vergeht damit, dass Olyvar und Diantha eine denkwürdige Diskussion führen, während sie ein Bett aufbauen, Schränke durch die Gegend zerren, Kommoden einräumen ("Morgen ist Inari, mo nighean bhan. Würdest du mit mir hingehen?), ausräumen ("Was hast du vorhin gesagt, Olyvar?"), umstellen ("Inarinacht. Morgen. Geh mit mir hin."), wieder einräumen ("Was? Entschuldige, die Schublade klemmt, ich muss das hier irgendwie anders... natürlich gehe ich mit dir, was für eine Frage. Wo wolltest du noch mal hin?"), ein Monster von Tisch herumwuchten ("Ich nehme dich beim Wort, a rùn. Du hast es versprochen."), Dielen scheuern ("Was habe ich versprochen?"), Truhen hierhin ("Inarinacht!") und dorthin ("Was?") tragen, einen elend schweren Brotschrank ("Inari...") zweimal verstellen, bis er endlich den richtigen Platz gefunden hat ("Aber...") und ähnliches mehr. "Doch." Er hat nicht vor, sie davonkommen oder irgendeine Ausrede gelten zu lassen.

Shyada, die gerade von ihren Waffenübungen auf dem äußeren Zwinger unten heraufkommt, überblickt mit einem hintergründigen Grinsen das ganze Chaos und sucht dann eilig das Weite. In den letzten Wochen, seit ihrem Duell gegen den jungen Blaumantel, hatte die Amazone doch tatsächlich zaghaft damit begonnen, ein wenig aufzutauen. Sie ist zwar nach wie vor zurückhaltend, aber für ihre Verhältnisse schon geradezu umgänglich und das, obwohl sie durchweg sie selbst ist. Liomie jedenfalls ist kein einziges Mal mehr aufgetaucht. In den vergangenen Siebentagen hatte Shyada immer öfter mit den Rekruten oder auch mit Serval und ihren Sappeuren auf den Sandplätzen geübt und langsam bekommt sie ihre alte Form zurück. Ab und an hatte sie sogar Gesellschaft gesucht, war abends in die Halle herunter gekommen und hatte sich von Mattis im Würfelspielen schlagen lassen, bis sie die Regeln begriffen, und den armen Jungen fortan ausgenommen hatte wie eine Julnachtsgans. Außerdem hatte sie sich, wenn auch ein wenig holprig, tatsächlich in Konversation versucht und sich mehr als einmal nach Torhof und Ardun erkundigt. Olyvar hatte ihr bereitwillig Auskunft gegeben, allerdings weiß er selbst auch nicht gerade viel über den Handelsposten im Norden und kann ihr wohl nicht wirklich Neues berichten. "Mmpf," macht er jetzt, als Shyada ihr Treiben misstrauisch beäugt und sich dann eilig in ihr Turmgemach, fern von allem Einrichtungschaos, rettet. "Du könntest uns ruhig helfen, gealtairach!" Soweit ist Shyadas neu entdeckte Menschenfreundlichkeit dann aber doch noch nicht gediehen, und er bleibt mit Diantha allein zurück, was ihm aber auch ganz recht ist. Sie nutzen die letzten Stunden Tageslicht, um ihr Schlafgemach endlich fertig zu bekommen und als sie es hinter sich haben, ist das Ergebnis unbestreitbar... hübsch. Ganz anders, als vorher, aber nicht weniger gemütlich, auch wenn er nie im Leben für möglich gehalten hätte, dass all diese hellen, kühlen Blau-, Grün- und Weißtöne so gut zusammenpassen würden. Danach machen sie in der Halle weiter und die blau lasierten Möbel machen sich wirklich gut vor den warmen, gelben Wänden, die jetzt im Licht der untergehenden Sonne glühen. Nach dem Nachtmahl sind sie beide verschwitzt und voller Staub, doch sie haben es geschafft - bis auf ein paar Kleinigkeiten wie Geschirr, Wäsche und Vorhänge, und all den kleinen Schnickschnack, der ein Heim erst wohnlich macht, ist der Westflügel fertig eingerichtet. Nachdem sie gegessen haben, bringen sie zwei todmüde gespielte Kinder ins Bett, die schnarchen, noch ehe sie überhaupt richtig zugedeckt sind, und statten dann trotz ihrer eigenen Müdigkeit noch den Badehäusern einen Besuch ab, weil sie beide nicht mit all ihrem Dreck ins Bett gehen wollen. Würden sie nach all der Schinderei nicht jeden einzelnen Muskel schmerzhaft spüren, hätten sie vermutlich mehr getan, als sich nur zu waschen, so aber liegen sie, nachdem sie sauber sind, einfach nur eng aneinander geschmiegt im warmen Wasser, die Augen halb geschlossen, und warten, unfähig auch nur noch einen Zeh zu krümmen - worauf weiß er nicht, vielleicht darauf, dass ihnen Schwimmhäute wachsen. "Weißt du noch, als Fianryn dich an jenem Morgen aufgefordert hat, mit uns baden zu gehen?" Schnurrt er irgendwann und streckt sich, was kleine Wellen gegen den steinernen Rand des Beckens schwappen lässt.

"Hmm," brummt sie verschlafen an seiner Schulter und räkelt sich. "War eine gute Idee, jedenfalls ohne Kinder. Aber jetzt, a rùn, müssen wir aus dem Wasser heraus, bevor du Kiemen bekommst. Du musst ins Bett... und ich auch. Morgen wird ein langer Tag... und früh aufstehen müssen wir auch."
Sie blinzelt ihn nur erbost an, weil er ihr das Versprechen abgenommen hatte, ihn zu begleiten und versinkt dann blubbernd im Wasser. Der nächste Tag beginnt, anders als seine Vorgänger und ganz und gar unpassend zu Inari, mit dunklen Wolken, doch es klart dann rasch auf und die Sonne scheint warm. Zum Segen der Bauern hatte es in der Nacht geregnet, und nun erwacht die Stadt taufrisch und noch ein wenig nass aus einem unruhigen Schlaf, und stürzt sich, kaum dass das erste Tageslicht diffus und grau am östlichen Himmel erscheint, in den Taumel eines weiteren Inarifestes. Diantha, Olyvar und die Kinder, sein Knappe und die morgenmürrische Amazone frühstücken im Westflügel, und Mattis, der dieses Jahr vermutlich mehr tun wird, als nur im Stechginster hinter dem Inaritempel zu hocken und durch die Ritzen im Mauerwerk die Rotfüße beim Umkleiden anzustarren, ist der erste, der sich verabschiedet. Shyada zieht sich ebenfalls zurück, doch ob sie vorhat, aufs Fest zu gehen oder lieber im Westflügel zu bleiben, kann Olyvar nicht sagen. Er selbst und Diantha hängen jedenfalls noch ein Weilchen hier fest, weil sie die Kinder erst gegen Mittag zu Morna bringen können, doch der Immerfrosterin scheint dieser gnädige Aufschub gar nicht einmal so unrecht zu sein. Am späten Vormittag hört Olyvar sie dann doch im Schlafgemach oben rumoren, aber wenn er geglaubt hat, sie würde sich jetzt für das Fest umziehen, hat er sich getäuscht. Nach einer halben Ewigkeit erscheint sie wieder, immer noch in Hemd und Hosen, dafür trägt sie ein dickes Bündel unter dem Arm, schnappt sich kurz entschlossen Conn und Fianryn und verkündet, sie könne nicht mehr warten, sie müsse jetzt zu Morna, jetzt gleich. Sie will ihm partout nicht sagen, warum, den ganzen Weg zum Haus seines Kastellans nicht, und Olyvar kann es sich auch beim besten Willen nicht denken. Doch Morna weiß anscheinend sofort, was Sache ist, kaum, dass sie ihnen die Tür geöffnet hat und Dianthas Miene sieht. "Ach, Schätzchen," ist das erste, das sie sagt, dann zieht sie die junge Frau mit einem aufmunternden: "Keine Sorge, das haben wir gleich," in ihr Haus, während sie ihm einfach die Tür weist und ihm aufträgt, die Kinder doch eine Weile im Garten zu beschäftigen, es dauere auch nicht lange. Olyvar kann sich immer noch keinen wirklichen Reim auf das Ganze machen, auch wenn ihm, als nach und nach gedämpfte Stimmen aus dem Haus dringen, allmählich klar wird, worum es hier geht - er wäre allerdings auch mit einer Diantha in Hemd und Hosen aufs Inarifest gegangen. Nach und nach gesellen sich Rhordris Hunde und ein halbes Dutzend seiner Enkelkinder zu den Zwillingen, die in einem kleinen Hügel mit weichem Sand spielen und er wartet geduldig an der halbhohen Gartenmauer, bis Morna Diantha endlich wieder aus ihren Klauen entlassen würde. Die Tür öffnet sich ein paar Mal, doch es ist immer nur eine von Rhordris Töchtern, die herauskommt, irgendwelches Grünzeug pflückt und mit einem wissenden Grinsen wieder verschwindet. Von Diantha keine Spur. Er wartet und wartet, und die Sonne steigt höher. Nicht lange hat Morna gesagt, mmmpf. Das dauert jetzt schon eine ganze Stunde. Mindestens.

Hätte er auch nur die leiseste Ahnung gehabt, dass Diantha in diesem Augenblick auf einem Schemel mitten in Mornas Küche steht und um sie her die hektische Aktivität von sieben Frauen herrscht, die wie die Irren um sie herumsausen, sich gegenseitig lautstark kritisieren, übereinander stolpern, dies und jenes holen, an ihrem Haar herumzerren und sie gleichzeitig in ihr einziges Kleid und in ihre weichen Lederschuhe stecken, hätte er sich vermutlich die Nase an der Fensterscheibe platt gedrückt, um keine einzige Sekunde des Schauspiels zu verpassen und bis zum Sankt Nimmerleinstag auf sie gewartet. So hat er allerdings keinen blassen Schimmer und harrt ungeduldig der Dinge, die da kommen sollen. Das tun sie schließlich auch und Olyvar besitzt gerade noch genug Geistesgegenwart, um Diantha nicht offenen Mundes anzustarren. Vielleicht aber auch nicht, denn sein Gesichtsausdruck spricht Bände, als er sie nach einem Moment verblüfften Blinzelns genauer in Augenschein nimmt. Morna... oder wer auch immer... hat irgendetwas mit ihren Haaren angestellt, denn sie sind streng am Hinterkopf zusammengefasst und aufgesteckt. Nur ein paar lose, einzelne Locken fallen ihr noch auf die Schultern oder ringeln sich vor ihren Ohren, glänzend wie gesponnenes Gold. Außerdem hatte ihr jemand verschwenderisch die winzigen Blüten von Männertreu und Silbersternen ins Haar gesteckt. Sie trägt das blaue Kleid mit dem eng anliegenden Oberteil und den weich fallenden, weiten Röcken, das sie schon einmal angehabt hat, damals allerdings nur unter Protest. Es hat genau das Blau ihrer Augen, heller als Saphir und dunkler als Aquamarin und ihre tausend Sommersprossen glitzern wie Goldstaub auf ihrer Haut. Sie ist wunderschön, das ist sie immer, aber es ist nicht nur ihr Anblick, der ihm die Kehle eng werden und ihn schlucken lässt, sondern auch der Gedanke, dass sie das hier wohl weniger für sich, sondern mehr für ihn tut - um ihm, wenn sie ihn schon begleitet, auf keinen Fall Schande zu bereiten. "Mo nighean mhaiseach." Er streckt die Hand nach ihr aus und sie nimmt sie. Einen langen Augenblick kann er sie nur ansehen, dann zieht er sie an sich, um sie zu küssen, räuspert sich irgendwann entschlossen und reißt sich widerwillig von ihr los. "Gehen wir. Jetzt gleich, sonst muss ich umkehren und dich auf der Stelle ins Bett zerren."

->Marktplatz

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Shyada am 08. Mai 2007, 23:48 Uhr
Noch nie hatte sich Shyada darum geschert, welcher Tag ist und so hat sie auch nie gewusst, welches Fest als nächstes ansteht. Es gab bislang schlichtweg keinen Grund, geschweige denn ein geregeltes Leben, um sich um derart banale Dinge zu kümmern. Selbst als sie in der Steinfaust gedient hat, erschien es ihr unwichtig zu wissen, ob Brantag ist oder nicht. Das jedoch irgendwas demnächst ansteht lässt sich leicht erraten. Es scheint eine allgemeine unterdrückte Anspannung, die gänzlich positiver Natur ist, in der Luft zu liegen und jeden noch so grimmigen Miesepeter in freudiger Erwartung lächeln. Erst durch das unfreiwillige Mithören einiger Gespräche, dämmert Shyada welches Fest sich unaufhaltsam nähert. Nach wie vor ist Shyada der Meinung, dass Olyvar ihr längst nicht alles rund im ihre Entführung erzählt hat, dass sie aber am letzten Inarifest ihren Anfang genommen und sie letztendlich in den Westflügel geführt hat, ist ihr nur allzu bewusst. Eigentlich ist ihr das Fest bislang recht amüsant vorgekommen, was sich aber nach den vergangenen Ereignissen schlagartig geändert hat und so ist sie auch nur mäßig gut auf Andeutungen rund um das Fest der Liebe zu sprechen. Durch das allgemeine Chaos was Diantha teilweise im Westflügel veranstaltet und ihrer ansatzweise vorhandenen sozialen Ader(auch wenn sie sehr gering bei Shyada ist), vergehen die letzten Tage vor dem Fest rascher als es Shyada lieb ist. Sie ist dankbar für die Abwechslung und die Waffenübungen, da sie dadurch auf keine dummen Gedanken kommen kann, doch als sie am Tag des Inarifestes erwacht, dämmert ihr, dass zumindest dieser Tag sehr sehr lange andauern wird. Anfangs verspürt sie nur wenig Lust, sich überhaupt aus dem Bett zu bewegen, aber das Fest würde dadurch auch nicht schneller vorbeigehen und je eher sie Abwechslung findet, umso größer ist immerhin die Chance, dass sie nicht einmal über dieses Fest nachdenken braucht. Natürlich tut sie es pausenlos, weil sich insgeheim die Angst eingenistet hat, dass ähnliches wieder passieren könnte. Eigentlich weiß sie, dass es keine direkte Angst ist, aber wer kann ihr schon Gewissheit geben, dass dort draußen nicht wieder jemand sitzt und ein ähnliches Spielchen mit ihr treibt? Sie hat sich zwar nach Ardun und Torhof erkundigt, aufgrund ihrer mangelnden Bildung ist dies aber sehr zeitaufwendig und bedarf meist der Hilfe derer die lesen können. Und das Shyada nicht gerne um Hilfe bittet, tut in dieser Hinsicht sein Übriges. Also weiß sie bis heute nicht, in welcher Verbindung die ganzen Dinge rund um ihre Entführung stehen. Doch auch wenn sie nicht wirklich vorankommt und auch kaum Chancen sieht, jemals mehr zu erfahren, sie hat sich fest vorgenommen die Sache nicht einfach fallen zu lassen. Allein schon deswegen nicht, weil es momentan ihr einzige Aufgabe ist, die sie hat und die ihrem ewigen in den Tag hinein leiben kurzfristig eine Pause verschafft. Griesgrämig lässt sich Shyada beim Frühstück sehen, verdrückt sich dann aber wieder sofort, da ihr die Liebeleien zwischen Olyvar und Diantha ohnehin stören, aber gerade heute besonders nervtötend wirken. Es hatte bereits vorher schon Anzeichen dafür gegeben, dass zwischen den beiden mehr abläuft und Diantha längst nicht mehr die Kinder hütet, doch bis es auch endlich zu Shyada durchgedrungen war, hatte es doch etwas gedauert. Nicht zuletzt, da sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.

Shyada bleibt solange in ihrem Erkerzimmer, bis sie der Meinung ist, dass man sich endlich nach draußen wagen kann, ohne dass Olyvar, Diantha oder Mattis ihr über den Weg laufen und verbringt den ersten Teil des Tages dann wie üblich mit Waffenübungen. Auch wenn alle Gardisten liebend gerne Inari gehuldigt hätten, viele die letztes Jahr aktiv am Fest teilnehmen durften, müssen heute im Dienst bleiben und laufen mit langen Gesichtern durch die Steinfaust. Beim Anblick Shyadas keimt zwar gelegentlich kurzzeitig so etwas wie Hoffnung auf, doch als die Blaumäntel bemerken wie absurd diese ist, verschwindet sie auch schnell wieder im Nichts. Einigen Blaumäntel verschafft Shyada dann aber doch noch eine Verabredung, auch wenn diese mit Holzschwerter und Geschicklichkeitsübungen zu tun hat. Den Männern scheint es jedoch willkommen zu sein und so prügelt sich Shyada durch den halben Inarifesttag, um sich dann wieder in die Badehäuser zu flüchten. Natürlich wird sie dort bereits, wie jedes Mal erwartet, doch genauso beharrlich wie die Gardisten versuchen Shyada begleiten zu dürfen, genauso beharrlich werden sie jedes Mal wieder von ihr vertrieben. „Verzieht euch gefälligst!“ Doch trotz aller Ablehnung gegen das Fest, kann Shyada nicht verhindern, dass sie von dem Zauber der über der Stadt liegt angesteckt wird. Es ist nicht so, dass sie plötzlich lächelnd durch die Steinfaust rennt, aber trotzdem scheint die ganze Stadt jedes Jahr Ende des Sturmwindes sich nicht dem Bann entziehen können und so ertappt sich sie sich dabei, wie sie letztendlich doch ihr Vorhaben übern Haufen wirft und die Steinfaust verlässt.

-> Perlenhafen

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 09. Mai 2007, 23:32 Uhr
Der Sturmwind hat einiges an Veränderung in Dianthas Leben gebracht, sie hat beide Hände voll zu tun und fühlt sich vielleicht gerade deshalb so gut. Neben dem Sauberwerden der Zwillinge, das so wenige Probleme wie gehofft gemacht hat, hat sie sich kopfüber in die Umgestaltung der Steinfaust gestürzt und mit Begeisterung jeden Abend begutachtet, was sie den Tag über geschafft hatte. Natürlich hat sie nicht alleine damit dagestanden, Olyvar hatte trotz seiner knapp bemessenen Freizeit seinen Teil dazu geleistet – manchmal zugegebener Maßen auch erzwungener Weise. Ja, sie ist vielleicht dann und wann in sein Solar geplatzt, wenn nicht der günstigste Augenblick dafür war, aber zu manchen Themen musste sie nun einmal seine Meinung wissen. All die Wände, besonders die in der großen Halle, alleine zu streichen wäre eine Heidenarbeit gewesen, aber wozu gibt es jede Menge Kinder und Jugendliche, die durch die Steinfaust wuseln? Also hat sie sich ein paar von denen als Unterstützung geschnappt, meistens mit dem Versprechen, ihnen die wichtigsten Kartentricks beizubringen – es kann schon hart sein, wenn man bei jeder Kartenrunde verliert, nur weil die anderen besser schummeln als man selbst. Wenn es etwas gibt, dass Diantha wirklich kann, dann ist das schummeln und es so aussehen lassen, als hätte man gar nichts getan. Als sämtliche Wände gekalkt oder gestrichen sind, hat die Steinfaust sechs weitere begeisterte Kartenspieler, die sich von niemandem mehr an der Nase herumführen lassen. Der Möbelkauf hatte sich da als erheblich schwieriger gestaltet, trotz des Gelds, dass Olyvar ihr im wahrsten Sinne des Wortes aufgedrängt hatte. Es ist nicht so, dass Diantha eine absolut begeisterte Einkäuferin ist und sich nichts Schöneres vorstellen könnte, als stundenlang von einem Schreiner zum anderen zu laufen, aber sie hat ein sehr klares Bild davon, was sie möchte und wie viel das kosten darf. Besonders in letzten Punkt ist sie sich häufig mit Olyvar uneins, der auch kein Problem damit hat, um einiges mehr zu bezahlen, als etwas tatsächlich wert ist. Die Vorstellung, dass sie eigentlich gar nicht mehr sparen und um alles handeln muss, will und will nicht in Dianthas Kopf hinein. Als Olyvar ihr die kleine Truhe mit Gold in die Hand gedrückt hatte, war sie wirklich erstaunt gewesen. Lord Commander hin oder her – sie hätte nie gedacht, dass er reich ist, er benimmt sich einfach absolut nicht so, wie sie es von reichen Leuten kennt. Jedenfalls von den reichen Leuten, die sie früher beklaut hatte, die mit ihrem Geld nur so um sich geschmissen hatten. >"Du bist meine Frau … Das bedeutet, mein Geld ist auch deines“<, hat Olyvar zu ihr gesagt. Deine Frau, dass ich nicht lache! Ich gehöre zu dir, das ja, aber ich gehöre dir nicht und verheiratet sind wir außerdem auch kein Stück!, hätte sie ihm da fast an den Kopf geworfen. Stattdessen hatte sie das Geld an sich genommen – was sie sonst nicht getan hätte, genau wie sie sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als um Geld zu bitten – aber die Art, wie er mit ihr geredet hatte, hatte sie umgestimmt. Er hatte ihr doch tatsächlich eine Standpauke darüber gehalten, dass sie den Westflügel von ihrem Geld umgestalten wollte und das mit einer Fassungslosigkeit in der Stimme, als hätte sie ihm gerade erzählt, dass sie die Wände schwarz streichen wollte! Bitteschön, wenn du das Geld nicht brauchst, dann nehme ich es gerne, ich kann es gebrauchen!
Mit diesem finanziellen Hintergrund ist es ein ganz anderes Gefühl einkaufen zu gehen, plötzlich werden Dinge erschwinglich, die sich Diantha früher nicht einmal näher angeguckt hätte. Aber nur weil sie es sich jetzt rein theoretisch leisten könnte, lässt sich die Immerfrosterin trotzdem nichts aufschwatzen, was sie nicht wirklich haben will. So kommen die zwei Wagenladungen verschmähter Möbel genau richtig, sie sind doch tatsächlich genau das, was Diantha von Anfang an wollte. Sie kann nichts mit kleinen, filigranen Tischchen und Stühlchen anfangen und was die Zwillinge damit alles anfangen könnten, will sie sich gar nicht vorstellen. An einem Tisch muss man nicht nur sitzen können, er muss auch einiges aushalten, da sind zwei übermütige Kinder schon das mindeste. Aber da hat sie bei den nun erstandenen Möbeln keine Angst, damit könnte man zur Not wahrscheinlich auch über den Llareon schippern und es würde ihnen nichts weiter ausmachen. Diantha ist so zufrieden über ihren Einkauf, dass sie sich doch tatsächlich von Olyvar übers Ohr hauen lässt, der ihr einfach das Versprechen abnimmt, ihn zu begleiten, das sie ihm gutgelaunt und unvorsichtig auch einmal prompt gibt, bevor sie danach fragt, wohin sie ihn begleiten soll. Die Frage nach dem Wohin lässt er aber nicht lange im Dunkeln: Natürlich zum Inarifest, dabei war es doch genau das, was sie verhindern wollte! Nach dem Debakel im vorherigen Jahr wollte sie dieses Mal gar nicht da auftauchen, sondern sich einen schönen Tag mit Fianryn und Connavar machen und den Westflügel fertig einräumen. Doch nun hat sie es versprochen und Diantha ist kein Mensch, der Versprechen bricht.

Am Vormittag des Inarifesttages steht die Immerfrosterin mit einem fragenden Gesichtsausdruck im Schlafzimmer des Westflügels und seufzt. Sie hat keine Ahnung, wie sie sich für das Fest herrichten soll, schon allein bei der Frage, was sie mit diesem blonden Heer von Locken anstellen soll, scheint ein einziges, riesiges Rätsel zu sein. Dianthas Einstellung ist was ihre Haare angeht sehr simpel: Sie sind vorhanden, man muss sie regelmäßig bürsten und waschen, weil sie sonst anfangen unangenehm sowohl zu riechen als auch auszusehen und sie wachsen, wenn man sie nicht abschneidet. Rein theoretisch könnte man damit zwar irgendwelche Frisuren machen, aber der letzte Mensch in den Immerlanden, der das kann, ist sie. Wahrscheinlich hätte selbst Olyvar weniger hilflos mit Dianthas einziger Spange in der Hand dagestanden als sie es gerade tut. Das gute Stück hatte ihr in den letzten Wochen beste Dienste geleistet, denn dazu einen Zopf zu tragen hatte sie sich doch nicht überwinden können. Aber mit offenen Haaren Wände zu streichen ist nicht unbedingt die beste Idee, also hatte sie sich diese Spange besorgt und sich die Locken einfach hochgesteckt – sonderlich ordentlich hatte das allerdings nicht gerade ausgesehen. Ich kann doch nicht mit einem Kuddelmuddel an Haaren, das mir dauernd ins Gesicht fällt, auf dem Fest auftauchen! Nicht weniger problematisch sind die Anziehsachen, es fühlt sich vollkommen falsch an sich vorzustellen Olyvar in Hemd und Hose auf das Inarifest zu begleiten, allerdings ist das alles, was sie in ihrem Kleiderschrank hat. Alles bis auf … Zögernd schiebt sie ihre sämtlichen viel getragenen Kleidungsstücke in dem Schießkorb zur Seite, der ihr zurzeit als Kleiderschrank dient, da sie es noch nicht geschafft hatte ihre Kleidung in den großen Schrank einzuräumen, bis ganz unten ein Zipfel blau auftaucht. Mit einem Seufzen zieht sie an eben jenem Zipfel und hält kurz darauf ihr einziges Kleid in der Hand, das sie skeptisch mustert. Sie hatte es einzig und allein gekauft um die Wette mit Mattis zu erfüllen, dass es gerade dieses geworden war hatte zunächst einmal an der Farbe gelegen, dann schien es von relativ guter Qualität zu sein – Diantha hat davon zwar nicht so viel Ahnung, aber dass man bei einem Kleid auf den Saum gucken sollte, weiß sie dann doch – und es war günstig gewesen. Ein Reststück, das der Händler noch rasch loswerden wollte und von dem er selber wusste, dass es nicht wirklich etwas Besonderes war. Ganz hübsch, aber ohne irgendwelche Stickereien, ohne sonstige Verzierungen, einfach nur ein blaues Kleid, von dem man nicht so recht weiß, ob es nun ein Alltagskleid oder eines für feinere Anlässe sein soll. Der Rock tendiert eigentlich in Richtung des Letzteren, er fällt sehr weich und recht weit, aber das Oberteil mit dem nicht besonders tiefen, U-förmigen Ausschnitt ist doch recht schlicht. So hatte der Händler es Diantha mit einem breiten Grinsen und einem Kommentar zu ihren blauen Augen fast geschenkt und sie hatte natürlich zugegriffen.
Nun geht sie schon zum fünften Mal an der Matratze vorbei, auf der das Kleid liegt und denkt darüber nach, ob sie sich wirklich so auf die Straßen Talyras und noch dazu auf dieses vermaledeite Fest trauen soll. Nur zu genau erinnert sie sich an Olyvars Worte: >Außerdem sehen Frauen in Kleidern und Röcken eindeutig besser aus als in Bruche und Beinlingen.< „Verdammt geliebter Scheißkerl…“, murrt sie schließlich, beschafft sich einen Beutel, steckt das Kleid und die weichen Schuhe hinein, die sie irgendwann einmal gekauft, aber nie getragen hat und verlässt das Schlafzimmer, nur um eben diesem „Scheißkerl“ zu verkünden, dass sie jetzt sofort zu Morna müssten. Wenn jemand weiß, wie man meine Haare zähmen kann und wie man aussehen sollte, wenn man den Lord Commander begleitet, dann ganz bestimmt sie. All sein Fragen und seine Verwirrung hatten nicht geholfen, sie hatte ihn über das Warum für diesen überstürzten Aufbruch nicht aufgeklärt. Du hast mir das Schlamassel eingebrockt, indem du mir das Versprechen abgenommen hast da hin zu gehen, dann badest du es jetzt auch aus.

Morna hat tatsächlich eine überaus genaue Vorstellung davon, wie man sich kleiden sollte, wenn man Olyvar auf ein Fest begleitet und dabei kommt nicht einmal Dianthas Kleid sonderlich gut weg. Nach einem ersten Blick auf eben jenes hat Rhodris Frau Diantha schräg von der Seite angesehen und dann vorgeschlagen: „Was hältst du davon, wenn du Lillias’ entzückendes Kleid in beige trägst, dass sie sich letztes Jahr gekauft hat? Sie hat es nie angezogen, weil sie doch kurz danach schwanger geworden ist und jetzt passt sie nicht mehr rein.“ Das bringt Morna natürlich einen bösen Blick von einer ihrer Schwiegertöchter ein, die tatsächlich fast so groß wie die Immerfrosterin ist und eine ähnliche Statur hat.
„Äh“, ist alles, was Diantha im ersten Moment dazu gesagt hat, vollkommen überrascht von diesem großzügigen Angebot.
Das wird selbstredend gleich als Zustimmung gedeutet. „Kein Problem, ich bin gleich wieder da!“, verkündet Morna und ist schon fast aus der Tür verschwunden gewesen. Mit den Worten: „Halt, jetzt aber mal langsam!“ hält Diantha sie im letzten Moment doch zurück. „Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder dieses Kleid da oder die Hose und das Hemd! Keine andere!“
„Aber…“ Das Unbehagen bei diesen beiden Wahlmöglichkeiten steht der alten Frau nur so im Gesicht geschrieben und sie ringt die Hände.
„Morna, nein! Ich meine es ernst!“, widerspricht Diantha nachdrücklich. Wie zwei Hunde, die den gleichen Knochen wollen, taxieren sie sich, bis die Ältere schließlich nachgibt. Es gibt einfach Dinge, von denen man Diantha nicht überzeugen kann. „Aber es sind Falten drin!“
„Dann sorgst du entweder dafür, dass sie verschwinden oder ich gehe in einem Kleid mit Falten“, hatte Diantha sachlich festgestellt. Schon seit ihrem ersten Besuch bei Rhordris Familie duzt sie die alte Frau, Morna ist einfach kein Mensch, den man mit Euch anredet und sie will auch selbst gar nicht so angeredet werden.
Widerwilliges Kopfschütteln und ein geknurrtes: „Ich verstehe gar nicht, wie so ein Sturkopf die Männer nur so um den Finger wickeln kann! Erst Olyvar und jetzt redet auch noch Rhordri in letzter Zeit nur gut von ihr…“, sind die Antwort, was mit lautem Lachen beantwortet wird. „Als ob Männer nicht schon immer Frauen gemocht hätten, die wissen, was sie wollen!“,  verkündet Lillias selbstbewusst und macht sich daran, Dianthas Haare hochzustecken. Ab diesem Zeitpunkt hat die Immerfrosterin nicht mehr sonderlich viel Möglichkeiten sich überhaupt bemerkbar zu machen, denn fortan streiten sich die Frauen nur lautstark darüber, ob man ihre Haare nun so oder ganz anders hochstecken sollte, ob man ihr nicht vielleicht sogar irgendwelche Bänder einflechten sollte und es dauert einige Zeit, bis sie sich darüber endlich einig sind. Dann machen sie sich aber mit einem Feuereifer ans Werk, der Diantha nur staunen lässt. Wie kann die Beschäftigung mit ihren Haaren jemand so viel Spaß machen?
Als Morna endlich zufrieden nickt, ist Diantha auch tatsächlich am Ende mit ihren Nerven und will nur noch weg, nachdem sie sich allerdings im Spiegel betrachtet hat, muss sie zugeben, dass Rhordris weibliche Verwandten ein wahres Wunder vollbracht haben, sie sieht vollkommen anders aus als sonst. Na, so nimmt man es dir sogar ab, dass du Olyvars Geliebte sein könntest, stellt sie mit einer gewissen Selbstironie fest und fällt Morna um den Hals. „Du musst dich doch nicht bedanken Schätzchen“, antwortet diese herzlich auf Dianthas Dankesbekundungen und augenblicklich sind sämtliche Sprüche über Sturköpfe vergessen.

Olyvars Gesichtsausdruck entschädigt Diantha doch sehr schnell für die lange Zeit, die sie an sich hat herumfuhrwerken lassen, die ihr an den Haaren gezogen und am Kleid gezupft wurde, bis beides genau so saß wie sich Rhordris Frau das vorstellte. Es war wirklich erstaunlich gewesen, wie schnell und wortlos die alte Frau sie verstanden hatte, als sie mit einem Hilfe suchenden Gesichtsausdruck neben Olyvar in der Tür gestanden hatte, in der einen Hand das Bündel mit Dianthas einzigem Kleid und den bisher ungetragenen, weichen Schuhen. Als sie es nach der Wette angezogen hatte, hatte sie aus reinem Protest ihre schweren, alten aber immer noch guten, schwarzen Halbschuhe getragen, das kann sie bei einem solchen Anlass natürlich nicht tun. Nach ein paar Testschritten nickt die Immerfrosterin zufrieden, sie wird wohl kaum über ihre eigenen Füße fallen. Mit einem amüsierten Lächeln nimmt sie daraufhin Olyvars ausgestreckte Hand. Vor seinen musternden Augen dreht sie sich einmal um sich selbst, muss dabei aufpassen, nicht über den Saum des Kleids zu stolpern und wirft ihm  lachend an den Kopf: „Nun hör schon auf mich anzustarren als wärst du die Katze und ich die Milch!“ Allerdings würde sie lügen, wenn sie behaupten würde, dass es ihr nicht gefällt, wie er sie ansieht, das gefällt ihr sogar sehr, wenn sie sich allerdings vorstellt, dass sie so bald auf dem großen, talyrischen Marktplatz stehen wird, ist ihr schon ein wenig mulmig zumute. Es ist einfach ein vollkommen ungewohntes Gefühl Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ohne dass einem gleich sonst wer etwas tun will. Normalerweise war übermäßige Aufmerksamkeit in ihrem bisherigen Leben immer ein eindeutiges Indiz für aufziehenden Ärger gewesen, das ist einer der Gründe aus denen Diantha nicht mit Komplimenten umgehen kann. >"Mo nighean mhaiseach."<, ist alles, was Olyvar zunächst sagt. „Das mhaiseache an deinem nighean ist die Leistung von ganzen sieben Frauen, also genieß es so lange es hält“, antwortet sie grinsend und erwidert seinen Kuss, bis er sich irgendwann von ihr löst und sagt: >"Gehen wir. Jetzt gleich, sonst muss ich umkehren und dich auf der Stelle ins Bett zerren."< Ein teuflisches Lächeln umspielt ihre Lippen, als sie antwortet: „DU warst derjenige, der auf dieses Fest wollte, ich könnte dem Bett erheblich mehr abgewinnen.“ Dann aber tritt sie mit funkelnden Augen einen Schritt zurück. „Obwohl, du hast Recht, wir sollten gehen, sonst wäre das ganze Trara hier umsonst gewesen und um ehrlich zu sein – ich bezweifle, dass ich mich in naher Zukunft wieder in so ein Teil bemühe. Du glaubst ja nicht, wie viele Schnüre und Knöpfe so ein Kleid hat, dabei hat das hier ja noch nicht mal eine Corsage!“ Sie wird still, schaut wieder zu ihm hoch und sieht ihm nur in die Augen. Ich hoffe, du weißt, dass ich mich für niemand sonst so anziehen würde! Wer hätte das gedacht, Diantha Korhonen trägt einzig und allein für einen Mann ein Kleid und einen halben Garten im Haar – ja, was die Liebe nicht alles aus einem Mensch machen kann. Inari, es ist durchaus berechtigt, dass man dich so begeistert feiert „Also komm, lass uns gehen“, meint sie schließlich und so verabschieden sie sich rasch bei den Kindern, die von Dianthas neuem Aufzug recht angetan zu sein scheinen, aber noch begeisterter davon sind, dass einer von Rhordris Enkeln ihnen gerade zeigt, wie man sich eine Zwille bastelt. In Anbetracht der kleinen Steinschleuder ahnt Diantha schon Schlimmes für die Zukunft im Westflügel, doch als Morna das mitbekommt werden dem Jungen erst mal gehörig die Ohren lang gezogen und die Immerfrosterin winkt noch ein letztes Mal grinsend.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 16. Aug. 2007, 23:47 Uhr
Von Grünglanz bis Ende Goldschein


Ein kleiner Ring aus Gold an einem schlanken Finger. Natürlich nicht aus reinem Gold, das wäre viel zu weich um es ihm Alltag zu tragen, würde zerkratzen, seinen Glanz verlieren. Aber doch aus genug Gold um einen Hauch von Unendlichkeit an sich zu haben. Wie ein unausgesprochenes Versprechen weit mehr als ein Menschenleben zu überdauern. Is leatsa m'anam gus an criochnaich ar saoghal. Immer wenn sie in Gedanken ist fährt Diantha mit dem Daumen über das Metall, die ehemals harte Haut an ihren Fingern ist jetzt so weich, dass sie die eingravierten Stechginsterblüten durch eine sanfte Berührung zumindest erahnen kann, ohne hinzusehen. Conasg, die passende Pflanze für Diantha. Sie wäre keine Rose oder Amaryllis, die gerühmt werden für ihre Schönheit und je edler sie sind, desto höhere Standortansprüche stellen. Auch keine exotische Blume wie Strelizie oder Helikonie, die durch ihre außergewöhnlichen Farben auf sich aufmerksam machen und eine spezielle Behandlung brauchen. Stechginster geht nicht so schnell ein, nach Feuer wächst er sehr schnell nach und damit sich auszubreiten hat er keinerlei Probleme. Einerseits stechende Blätter, Dornen und giftige Samen, andererseits nützlich als Färbstoff und zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit. Die Blüten sind auf ihre Art auch durchaus hübsch und leuchtend gelb. Wenn Diantha eine Pflanze wäre, dann wäre sie ein conasg, stachelig, abweisend, aber mit einem Kern, mit dem man etwas anfangen kann. Und wenn sie sich erst einmal eingebürgert hat, dann wird man sie so schnell nicht los. Wenn Diantha wirklich ein conasg wäre, dann würde sie blühen, seitdem sie Olyvar kennt. Es ist nicht unbedingt ein typischer Ehering, aber Diantha trägt ihn mit einem Stolz, den sie selbst ein wenig albern findet, aber nicht unterdrücken kann. Diesen Ring verbindet sie mit einer besonderen Nacht, in der die Zeit sich ihrem Willen zu unterwerfen den Anschein machte, einem Baum, der einen uralten Zauber zu weben schien, einem an die Unerfüllbarkeit grenzenden Sehnen nach dem, an den sie ihr Herz verloren hat, dem Tanz der kleinen Brüder der Sterne und einem Versprechen, das sie nie vergessen wird. Dieses Schmuckstück ist für Diantha von einem Wert, den man mit Gold nicht aufwiegen kann.

Der nächste Tag war allerdings weniger von trauter Zweisamkeit erfüllt gewesen, es hatte sich schließlich herumgesprochen, dass der Lord Commander wieder unter der Haube war. Folglich schien gleich halb Talyra gratulieren zu wollen, nachdem der Rausch ausgeschlafen und der Inarifestpartner einer genaueren Inspektion unterzogen worden war. Es hatte an diesem und den folgenden Tagen jede Menge Glückwünsche, ein Haufen Bemerkungen mit einem Augenzwinkern, hier ein Schulterklopfen, dort ein Spruch gehagelt. Besonders wenn sie auch nur einen Fuß aus der Steinfaust setzten, schienen sie schon von irgendjemand verfolgt zu werden. Olyvar begegnet dem allen mit einer unerschöpflichen Ruhe, kontert hier und da, belässt es in anderen Fällen nur bei einem viel sagenden Grinsen. Von Diantha scheint man hingegen hauptsächlich zu erwarten zu lächeln, glücklich zu sein, was ihr nicht weiter schwer fällt, und sich eine Menge Ratschläge anzuhören, was schon weniger leicht ist. So allmählich bekommt die frischgebackene „Lady von Tarascon“ nämlich das Gefühl, dass eine Menge Frauen in dieser Stadt genau zu wissen scheinen, wie sie ihre Ehe zu führen hat, zumindest in der Theorie. Irgendwann hatte es ihr dann gereicht, als ihr zum fünften Mal erzählt wurde, wie genau man die Leidenschaft in einer Ehe aufrecht erhält, ein wenig aufbrausender als vermutlich nötig gewesen wäre, hatte sie ihren Gegenübern ins Gesicht  gepfeffert, dass es ja sehr nett wäre, dass sich alle so viele Gedanken um ihr Liebesleben machen würden, aber sie wäre durchaus in der Lage sich alleine darum zu kümmern, danke schön. Die Eine – Frau irgendeines Fischhändlers – hatte nur wissend gegrinst und verkündet: „Ja, ja, das sagen die jungen Dinger am Anfang alle. Einen Zwölfmond später sitzen sie abends allein zuhause und warten, dass ihr Mann aus der Kneipe wieder kommt.“ Die Andere war allerdings beleidigt gewesen: „Mädchen, wir meinen es doch nur gut mit dir. Wir wollen ja nicht, dass es dir auch so geht wie der Letzen, nicht wahr?“ Begleitet wurde die Frage von einem abschätzigen Blick, der zu sagen schien: Glaubst du etwa, deine Chancen stehen viel besser? Das war die einzige Situation gewesen, in der sich Diantha ernsthaft einen Wurfstern in die Hand gewünscht hatte. Wirklich etwas bedeutet hatten ihr eigentlich nur die Glückwünsche der Blaumäntel und Steinfaustbewohner, weil sie am aufrichtigsten gewesen waren und natürlich die von Rhordris Familie. Es war ein sehr faszinierendes Schauspiel gewesen, Morna zwischen Freude und Ärger hin und herschwanken zu sehen. Diantha hätte ihr doch etwas sagen können! Sie habe nichts davon gewusst? Papperlapapp, Frauen ahnen immer was ihre Männer vorhaben. Sie muss doch zumindest etwas von dem Ring gewusst haben! Das ist allerdings tatsächlich etwas, das Diantha ein wenig verwundert, woher um alles in der Welt hatte Olyvar ihre Ringgröße? Andere Ringe, an denen er sich orientieren könnte, hat sie schließlich nicht und will sie auch gar nicht. Diantha ist romantisch, aber auf ihre eigene, stille Art. Ein Ring reicht, so wie auch ein Mann reicht. In allen Einzelheiten hatte sie Morna und ihren Schwiegertöchtern von der Trauung auf dem Marktplatz erzählen müssen und dann wurde kommentiert, was denn alles vergessen worden sei. Keine Brautjungfern und keine Blumenkinder? Dabei sei das doch wichtig für das Eheglück und den Kindersegen! Aber immerhin habe Diantha etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes und etwas Blaues gehabt, das wiege schon einiges wieder auf.  
Die einzigen, die das ganze Hochzeitstrara ein wenig skeptisch verfolgt hatten, waren Fianryn und Connavar gewesen. Diantha hatte zwei Anläufe gebraucht um ihnen zu erklären, warum plötzlich so viel Trubel in der Steinfaust war. Was wurde denn da gefeiert? Hatte Diantha Geburtstag? Die Erklärung, dass Diantha jetzt zu ihnen gehören würde, hatten sie nicht durchgehen lassen. Das tut sie ja sowieso, schon lange, was durchaus stimmt. Also hatte Diantha zu erklären versucht, dass das aber noch nicht alle Leute in Talyra wussten und dass sie außerdem ab sofort auch unter keinen Umständen mehr weggehen würde. Sie würde hier bleiben, hier bei ihnen und bei Olyvar. Das hatten die Zwillinge großzügig akzeptiert, na gut, das wäre ein Grund zum gratulieren, aber warum sollte sie auch weggehen, hier sei es doch schön, jedenfalls meistens. „Ganz genau, Kullanmuru, damit hast du es erfasst“, hatte Diantha geantwortet und dafür ein zufriedenes Kleinkindergrinsen geerntet.  

Eine weitere wichtige Änderung im Leben im Westflügel der Steinfaust ist Shyadas Abschied wenige Tage nach dem Inarifest. Trotz  all der Zeit, die sie gemeinsam verbracht haben, ist es kein tränenreicher Abschied, die Amazone war seitdem sie wieder zu sich gekommen war, ein sehr kühler, zurückhaltender Zeitgenosse gewesen. Das hatte sich zwar mit der Zeit ein wenig zum Positiven verändern, aber nicht so viel, das sie Diantha wirklich ans Herz hätte wachsen können. Mit ein wenig Bedauern erfüllt es die Immerfrosterin allerdings schon, sodass sie Shyada ohne weiter darüber nachzudenken ihren Dolch anbietet. „Du kannst ihn doch gebrauchen, oder?“ Irgendwo hatte sie aufgeschnappt, dass die Dolche der Amazone bei ihrem Abenteuer in Blurraent verloren gegangen waren. „Er hat mir gute Diente geleistet, aber ich brauche ihn nicht mehr. Bevor er hier nur herumliegt, dürfte er bei dir besser aufgehoben sein. Außerdem könnten ihn die Kinder in die Hände kriegen und das muss ja nicht sein. Ich weiß, er ist nichts besonderes, wenn er dir nicht gut genug ist, kannst du ihn auch verkaufen.“ Die gebürtige Immerfrosterin zuckt mit den Schultern. Mit dem Dolch hat sie nie etwas besonderes verbunden, er war nur irgendeine willkürliche Nahkampfwaffe, mit der sie so einigermaßen umgehen konnte. Sie hatte ihn unter der Hand günstig erstanden, er war nicht wie die Wurfsterne extra für sie geschmiedet worden. Einfach nur irgendein Dolch, unauffällig und schlicht, nichts um damit anzugeben. Sie hatte Blut mit ihm vergossen, woran sie nun auch nicht gerade die angenehmsten Erinnerungen ihres Lebens hat, allerdings nicht vorsätzlich. Für Diantha war es eine Waffe zum Schutz gewesen, für den Fall, dass jemand sie angriff und zu dicht für ihre Wurfsterne gekommen war. Diesen Überlebenssicherung braucht sie hier in der Steinfaust jetzt nicht mehr. Wenn es einen Ort gibt, an dem sie sich in den gesamten Immerlanden sicher fühlen kann, dann ist es an Olvyvars Seite. Für den Fall, dass sie sich doch selbst verteidigen muss, weiß sie außerdem, wo in der Steinfaust ein paar sehr passable Ochsenzungen zu finden sind. Shyadas Reaktion ist, wie zu erwarten war, zunächst recht skeptisch, allerdings überwiegt nach Dianthas Versicherung, dass sie die Waffe nur loswerden möchte und sie sonst jemand anderen geben würde, Shyadas praktische Seite. Diantha hätte an ihrer Stelle den Dolch auch genommen und so verlässt die Amazone samt Dolch die Steinfaust, ohne genau angeben zu können wohin sie gehen würde. Worauf ihr die Immerfrosterin versichert, dass sie zurückkommen könne, wenn sie wolle. Dafür erntet sie von Olyvar einen leicht verwunderten Blick, den sie nur mit einem angedeuteten Schulterzucken beantwortet. Ihr selber bedeutet Shyada nicht wirklich etwas, aber ihre ungewöhnliche Freundschaft mit Olyvar – wenn man auch über die Bezeichnung „Freundschaft“ streiten kann – erinnert Diantha sehr an eine, die sie selber einmal geführt hat. Außerdem hat sie sich an dieses Paar braune Augen am Essentisch gewöhnt, so ablehnend sie auch geschaut haben mögen. Dennoch bezweifelt sie, dass Shyada bald wiederkommen wird, das ist einfach nicht ihre Art und grundlose Freundschaftsbesuche wird sie bestimmt keine machen.

Die ersten Tage ohne Shyada sind daher auch ein wenig seltsam, doch allmählich kehrt nach dem ganzen Trubel um die Hochzeit und den Fragen nach Shyadas Aufenthalt, denn zumindest auf dem Übungsplatz wird sie vermisst, wieder etwas Ruhe ein. Olyvar ist in der Steinfaust sehr beschäftigt, allerdings nicht so sehr, dass er keine Zeit mehr für seine Familie hätte. Wenn es das Wetter erlaubt, ist Diantha viel mit Fianryn und Connavar draußen, allerdings fällt auf, dass sie lieber im Regen als im strahlenden Sonnenschein unterwegs ist. An richtigen Sommertagen, an denen Mattis verkündet, dass endlich mal das richtige Wetter zum Schwimmen sei, findet sie immer Begründungen um lieber in der Steinfaust oder auf dem kleinen Stück Rasenfläche hinter dem Westflügel zu bleiben. Nur Olyvar gesteht sie eines Abends ein, dass sie eigentlich nicht in der Festung geblieben waren, weil Fianryn sich am Vortag beim Spielen ein paar Kratzer geholt hat, sondern weil Diantha die Hitze schlichtweg nicht gut verträgt. Sie hat ja grundsätzlich nichts gegen Sonnenschein, aber wenn es dann noch so schwülwarm ist und sich nicht einmal für ein paar Augenblicke eine Wolke vor die Sonne schiebt, fühlt sich Diantha wie erdrückt, fast als würde sie keine Luft mehr kriegen und als würde es bei jeder Bewegung nur noch heißer werden. Sie ist jedes Mal froh, wenn die Sommerhitze von ein paar kühleren, bedeckten Tagen abgelöst wird und fragt sich bei dem Jammern einiger Blaumäntel, wie sie jemals einen Sommer in Talyra überstehen soll, den man als „schönen“ Sommer bezeichnen soll. Auch wenn ihr Stolz ihr verbietet irgendjemand anderen davon zu erzählen – obwohl Olyvar ja eigentlich auch nicht ändern kann, dass Diantha mit Hitze nicht umgehen kann, aber bei ihm ist das etwas anderes, vor ihm darf sie ihrer Ansicht nach Schwäche zeigen – scheint Mattis doch recht schnell zu verstehen, wie der Hase läuft und er verzichtet großzügig darauf, Diantha damit aufzuziehen.

So vergehen die Siebentage, in den zwei Monden nach dem Inarifest gibt es eigentlich nur zwei erwähnenswerte Vorkommnisse. Zunächst einmal Ende Grünglanz eine mehrtägige gedämpfte Laune Phase von Seiten Dianthas, in denen sie versucht sich nichts anmerken zu lassen und genauso mit allen umzugehen, wie sie es sonst auch tut, die selbe gute Laune und Aktionsbereitschaft zu versprühen, wie normalerweise. Das gelingt Olyvar gegenüber wie erwartet nicht, der selbstverständlich merkt, dass seine Frau nachdem sie eines Nachts panisch nach einem Albtraum erwacht ist, plötzlich fast gar nicht mehr schläft und ihn entweder auf Distanz hält oder nach seiner Nähe sucht, wie der Ertrinkende das Ufer. Eine wirklich befriedigende Antwort bekommt er nicht, mehr ein daher genuscheltes „Das ist bald vorbei“ und einen bittenden Blick, nicht weiter in sie zu dringen. Sie will nicht sprechen, nicht ausformulieren, was ihre Stimmung drückt, schlafen kann sie allerdings auch nicht. Stattdessen sitzt sie stundenlang in den Zimmern der Zwillinge, als müsste sie sie beschützen, sich davon überzeugen, dass wirklich alles in Ordnung mit ihnen sei. Wenn sie einmal nicht bei den beiden ist, hält sie sich in der Halle auf und schnitzt in dem matten Licht einer Kerze vor sich hin. Das Schnitzermesser hatte sie sich im Winter gekauft und seitdem nie benutzt, jetzt kann sie es gebrauchen. Denn wenn sie schnitzt, noch dazu bei einer eher matten Beleuchtung, muss sie sich konzentrieren und kann sie beim besten Willen nicht grübeln. Also verbringt Diantha eine Handvoll Nächte damit nicht darüber nachzudenken, was vor fünf Zwölfmonden war, sondern stattdessen einfache Spielfiguren für Fianryn und Connavar zu schnitzen. Der Großteil der ersten Versuche misslingt und landet am Folgetag in der Küche, um als Feuerholz zu dienen, doch mit der Zeit entstehen auch ein paar Figuren, die Gnade unter Dianthas Augen finden. Ein paar stilisierte Bären, zwei Schneehasen und ein Wolf finden den Weg in die Hände der Zwillinge, wenn auch nur vorläufig. Denn allmählich ist Dianthas Ehrgeiz geweckt, die einfachen Tiergestalten ohne nennenswerte Feinheiten sind zwar gut geeignet um als Spielzeug benutzt zu werden, aber so besonders schön anzusehen sind sie nicht. So kommt es, dass die Immerfrosterin auch nachdem sich ihre Laune und ihr Schlafverhalten nach einem lange heraus gezögerten Besuch im Siethechtempel wieder gebessert hat, dann und wann mit Fianryn und Connavar im Gepäck die Zimmerleute der Steinfaust aufsucht. Wie erhofft gibt es unter ihnen nämlich ein paar, die nicht nur Dachstühle, Treppen und Türe zimmern können, sondern auch wirklich gut schnitzen. Anfangs sind sie sehr verwirrt über Dianthas Besuch, fragen ob etwas in der Steinfaust nicht zu ihrer Zufriedenheit ist, was diese natürlich verneint. Doch kinderlieb wie sie sind, freuen sie sich über die Begeisterung der Zwillinge und beantworten Diantha auch die ein oder andere Frage, wenn auch mit einem belustigten Grinsen und prahlen ein wenig mit dem, woran sie arbeiten. Und das ist wirklich nicht zu verachten, wer auch immer diese Handwerker eingestellt hat, wusste was er tat. Obwohl sie immer öfter, wenn sie Zeit hat, nach den Schnitzermesser greift, zeigen sich die Verbesserungen nur langsam.

Das zweite erwähnenswerte Vorkommnis ist, dass Olyvar an einem der letzten Tage des Goldscheins endlich dazu kommt sein Versprechen wahr zu machen und für Diantha zu kochen. Allerdings kein Karjalanpaisti , Särä oder Porkkanalaatikko, sondern etwas ganz edles, jedenfalls für Immerfroster Verhältnisse: Flusskrebse. Etwas, was Diantha selbst erst einmal gegessen hat, weil Krebse in ihrer gebürtigen Heimat mit Begeisterung an so genannten Krebsfesten gegessen werde, natürlich mit jeder Menge Wein und Schnaps und sonst abgesehen von Toast mit herzlich wenig als Beilage. Allerdings erfreuen sich diese Feste so großer Beliebtheit, dass der Bedarf an Krebs nicht ausreichend aus den natürlichen Vorkommen gedeckt werden kann, sondern teuer importiert wird. Nicht unbedingt das, was normalerweise zu Dianthas mageren Geldbeutel gepasst hat, aber jetzt hat sie Geld, auch wenn diese Tatsache sich noch nicht so ganz in ihrem Kopf festgesetzt hat. Dieses Krebsessen unterscheidet sich allerdings sehr von dem, das sie aus Immerfrost kennt, da es herzlich wenig mit Krebsen zu tun hat, die in Dill gekocht und danach mit bloßen Händen ausgegessen und getrunken werden. Stattdessen brät Olyvar sie in etwas Cognac und etwas mehr Weißwein und serviert sie mit allergrößter Selbstverständlichkeit überzogen mit einer Sauce aus gewürfelten Karotten, gehackten Zwiebeln, Schalotten, Petersilie, sowie Thymian und einem Lorbeerblatt. Wenn auch zunächst etwas verblüfft über die Behandlung der Krebse ist es Diantha relativ schnell egal, was für ein Grünzeug er da nun in die Pfanne gibt, als sie feststellt, wie verdammt attraktiv ein Mann sein kann, wenn er kocht. Mit einer Miene als würde er den ganzen Tag nichts anderes tun und als sei das ganz selbstverständlich hackt er da irgendwelches Gemüse und brät Krebse an, weil sie sich das gewünscht hat. Wobei es eigentlich vollkommen schwachsinnig ist, weil sie wie jeden Tag von der steinfausteigenen Küche hätten bekocht werden können. Er hätte sogar versucht für sie Gerichte zu kochen, die Mattis’ Reaktion zufolge nicht gerade typisch herzländisch sind, auch wenn das Dianthas Meinung nach ein wirkliches Defizit ist. Sie hatte bis zum Schluss nicht so recht glauben wollen, dass Olyvars Angebot wirklich ernst gemeint war, bis sie gemeinsam Krebse kaufen gegangen waren. Jetzt, nachdem sie ihn aber einmal mit einem Küchenmesser in der Hand gesehen hat, stellt sie mit ein wenig Verwunderung fest, wie gut er ihr damit gefällt. Sie, die immer einen möglichst großen Bogen um die Küche gemacht hatte und die Nase gerümpft hatte, wenn das Wort „kochen“ gefallen war. Essen gerne, immer viel und reichlich, aber kochen? Bloß nicht. Olyvar beim Kochen zuzusehen ist da was ganz anderes, das gefällt ihr mehr als gut. Der hat bei ihrem Blick nur belustigt die Augenbraue hochgezogen und einen Kommentar dazu gemacht, ob sie nicht helfen wolle. „Lieber nicht, ich will dir dein  Essen nicht versauen, das riecht schon so gut“, lautet ihre Antwort als sie sich zwischen Olyvar und die Pfanne schiebt. Nachdenklich schaut sie zu ihm hoch, ehe sie ihn küsst. „Eigentlich gehört das ja andersrum“, schnurrt sie an seinen Hals. „Aber du siehst erheblich besser beim Kochen aus als ich.“ Beinahe wäre die Soße verbrannt,  in allerletzter Sekunde hat Olyvar sie gerettet und so damit gesorgt, dass Diantha an diesem Abend die besten Krebse ihres Lebens gegessen hat.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 19. Aug. 2007, 00:47 Uhr
Es ist das reinste Wunder gewesen, dass die Krebse überhaupt genießbar waren - nicht, weil Olyvar sie nicht hätte kochen können, sondern weil Diantha dabei um ihn herumgeschnurrt war, wie eine Katze um einen sonnigen Mauerpfosten und ihm so um ein Haar alles angebrannt wäre. Kochen, ja - aber kochen, wenn man nur noch im Kopf hat, seine Frau auf der Stelle in die nächste Vorratskammer zu zerren und dort an die Wand zu drücken, das ist etwas ganz anderes, vor allem, wenn man eigentlich eine Weinbrandsauce im Auge behalten und bestimmte Gewürzmengen nicht vergessen sollte. Die Köche und Spüljungen hatten ihn wahrscheinlich ohnehin für nicht mehr ganz bei Trost erklärt, als er sich für zwei Stunden die höhlenartige Küche ausbedungen hatte - allein. Er hatte dort zwar schon öfter etwas gekocht, und ein Herd war ihm immer bereitwillig zur Verfügung gestellt worden, aber der Lord Commander in der Küche allein mit seiner Frau und dann auch noch zu später Stunde, das war verdächtig. Und verfänglich... sehr verfänglich. Sie hatten ja keine Ahnung wie verfänglich. Dabei hatte er gar nichts getan - gut, er hatte Möhren, Zwiebeln und ein paar Schalotten klein geschnitten, was daran so faszinierend sein soll, kann er beim besten Willen nicht sagen, aber Diantha hatte ihn dabei beobachtet wie die Katze den sprichwörtlichen Sahnetopf. "Ist alles in Ordnung mit dir, mo cridhe?" Hatte er sich irgendwann belustigt erkundigt. "Ich hoffe, du bist nicht so hungrig, wie du aussiehst, denn das hier braucht noch ein Weilchen. Willst du mir vielleicht helfen?"
>Lieber nicht, ich will dir dein Essen nicht versauen, das riecht schon so gut,< hatte sie erwidert, und allein der Klang ihrer dunklen Stimme hatte Feuerfäden sein Rückgrat hinuntertropfen lassen. Dann war sie auf einmal in seinen Armen gewesen, zwischen ihm und dem Herd, hatte sich an ihn geschmiegt und ihn geküsst, und ihn damit mehr als erfolgreich von allem anderen abgelenkt. >Eigentlich gehört das ja andersrum. Aber du siehst erheblich besser beim Kochen aus als ich.< "Hmmm... das halte ich für ein Gerücht... " Welches Kochen? Welche Krebse? Er hatte keinen Hunger mehr außer dem nach ihr. Allen Göttern sei Dank hatte er sich gerade noch rechtzeitig an die Sauce erinnert, bevor sie jämmerlich zu Grunde gegangen wäre. Sie hatten gegessen, Krebse, Sauce und geröstetes Weißbrot, und hellen Sommerwein dazu getrunken, allein in dem riesigen, halbdunklen Raum voller köstlicher Gerüche nach Brotteig, der in großen Trögen aufging, nach Zwiebelzöpfen, die von hohen Regalen baumelten, nach zahllosen Kräutern, Gewürzen und nach dem Duft des Essens. Das Herdfeuer hatte auf dem Kupfergeschirr geglänzt und schwachen Schein um den großen Tisch verbreitet, während der Rest der Küche in dunklen Schatten versunken war, und der Wein kleine Feuer in ihrem Inneren entzündet hatte.

Nach ihrem denkwürdigen Krebsessen Ende des Goldscheinmonds hält der Sommer endgültig Einzug in Talyra und die Hundstage legen sich mit ihrer Hitze wie eine Glocke über die Stadt und das Umland. Der Geruch nach sonnenwarmer Erde, reifenden Korns und der süße Duft gemähten Grases ziehen mit dem an t-Iuchar, dem Sonnenthron, durch Talyra und auch die Heuschober und Strohlager der Steinfaust füllen sich für den kommenden Winter. Diantha verkriecht sich in der Kühle des Westflügels und ist diesmal wohl froh über die dicken Steinmauern, die die Hitze draußen halten. Ab und an gelingt es Olyvar und den Zwillingen, alle drei längst sonnenverbrannt wie Azurianer, dann aber doch, sie wenigstens für ein paar Stunden ins Larisgrün zu locken... abends, wenn die größte Hitze des Tages verblasst ist und der uralte Wald ihr mit seinen tiefen, grünen Schatten Schutz vor der Sonne verspricht. Sie schwimmen in kalten Waldteichen auf vergessenen Lichtungen, sammeln wilde Kirschen und Himbeeren, fangen Kaninchen und Forellen, die sie gleich an Ort und Stelle über offenem Feuer braten, und stehlen sich auf diese Weise so oft es geht zumindest ein paar Stunden für sich und die Kinder, weit fort von allen Pflichten und dem Alltag in der Steinfaust. Conn schwimmt bald wie ein Otter - oder zumindest wie ein kleiner, tollpatschiger Otter -, Fianryn kann dafür länger die Luft anhalten, und Angst vor Wasser scheinen die beiden überhaupt nicht zu kennen. Wird es zu tief für die Zwillinge, klammern sie sich einfach wie Frösche an die Arme und Schultern ihrer Eltern und lassen sich unter lautem Kreischen durchs Wasser ziehen... und wenn der Mond aufgeht, das Feuer heruntergebrannt ist, und die Kinder trocken, pappsatt und todmüde in ihren Decken schlafen, gehören weder Diantha noch Olyvar zu jenen, die sagen würden: "Nicht hier" oder "die Kinder könnten aufwachen." Oft ist es Mitternacht, bis sie in den Westflügel der Steinfaust zurückkehren, auf einem zufrieden schnaubenden Bayvard, jeder ein schnarchendes Kind im Arm. In der Festung selbst vergeht der Sonnenthron hauptsächlich mit den alljährlichen Instandhaltungsarbeiten, welche aber vorrangig Rhordri und die Handwerker um den Verstand bringen: die Ställe werden frisch gekalkt und ein bis zu diesem Frühjahr unbewohnter Trakt der Festung wird renoviert und mit Quartieren für zweihundert Mann versehen, da Olyvar die Garde noch immer beständig aufstockt. Kaney und seine Spähertrupps melden keinerlei ungewöhnliche Vorkommnisse von den Grenzen oder aus dem Larisgrün, nur Serval, die Kommandantin der Sappeure, jagt ihre Maulwurfsgarde zu einem mehrwöchigen Manöver in die Ruinen am Rabenbruch, das Übungsgeländer der Stadtgarde - die Schwarzpulverexperimente und Seefeuerexplosionen, die sie veranstalten, hört man einen ganzen Siebentag lang wie Donnergrollen am Horizont.

Da es in der Steinfaust selbst, in Talyra und im Umland während des ganzen Sonnenthron nur zu kleineren Zwischenfällen wie ein paar Diebereien, einem kleinen Brand und ein paar Scharmützeln mit Wilderern gibt (mit denen Niniane kurzen Prozess macht), hat Olyvar unerwartet viel Zeit und so beginnt er damit, Diantha das Reiten beizubringen, wenn das Wetter es erlaubt und es kein allzu schöner (mit anderen Worten ein windiger und verregneter) Tag ist. Die Verzweiflung, die sie Ende des Grünglanzmondes so fest in ihren Krallen gehabt hatte, ist mittlerweile vollkommen verflogen, doch darüber sprechen scheint sie immer noch nicht zu wollen. Olyvar bedrängt sie nicht, das hatte er die ganzen letzten sechs Wochen nicht getan, auch wenn es ihm schwer gefallen war. Den letzten Siebentag des an Céitean, des Grünglanzes, war Diantha im Westflügel herumgeschlichen wie ein geprügelter Hund, hatte tagsüber tapfer gelächelt und hatte, was ihre Verfassung anging, sowohl den Kindern, als auch Mattis gegenüber ein bemerkenswertes schauspielerisches Talent an den Tag gelegt, aber ihn hatte sie nicht getäuscht. Nachts hatte sie entweder überhaupt keinen Schlaf gefunden oder sich in Alpträumen hin und her geworfen - und er war mehr als einmal in einem leeren Bett erwacht, und hatte seine Frau blass und zitternd, voll stummer Verzweiflung und mit brennenden Augen an den Betten der Kinder gefunden - und sie hatte immer noch kein Worte für ihn gehabt außer: >Das ist bald vorbei<. Olyvar, der vage ahnt, was ihr so zu schaffen macht, auch wenn er nur raten kann, hatte keine Fragen gestellt, ihr einen Becher Uisge und eine Decke gebracht, sie warm darin eingehüllt und dann in Ruhe gelassen. Nach ein paar Tagen war sie wieder halbwegs bei sich gewesen, hatte die Melancholie abgestreift wie eine Schlange ihre Haut... doch bis jetzt hatte sie nicht ein Wort darüber verloren. Er weiß, dass es nicht an ihm liegt, aber die Tatsache, dass er ihr offenbar nicht im Geringsten hatte helfen können, nagt noch immer an ihm und rumort irgendwo in seinem Inneren. Er kann ihre Erinnerungen nicht vertreiben und er kann ihr den Schmerz nicht nehmen, das weiß er... dennoch wird er das Gefühl nicht los, dass er mehr hätte tun müssen - dabei kann er noch nicht einmal sagen, was. So vergeht der Sonnenthron, die Erntezeit am Mantelsaum, und die Bauern liefern in der Steinfaust den Zehnten ab, weshalb die Festung tagelang eher einer von Fuhrwerken und Kornhändlern belagerten Markthalle gleicht. Die tiefen Kellergewölbe und Speicherhäuser der Stadt füllen sich beruhigend üppig und die Späher melden, als Zuckerbrot zur allgemeinen Hochstimmung sozusagen, zum anstehenden Sommerfest (das eher bescheiden ausfallen wird) eine große Händlerkarawane mit zahllosem exotischem Getier aus Azurien oder von noch weiter her. Der einzige Wehmutstropfen im Beerenreif ist, dass Olyvar für ein paar Tage fort muss, um in Caernavon eine ausufernde Sippenfehde zu beenden, doch die Sache ist allen Göttern sei Dank rascher - und unblutiger - erledigt als erwartet.  

Er ist noch keine zwei Tage wieder Zuhause, als ein Rabe aus Torhof im Rabenschlag der Steinfaust, hoch oben im Branturm, ankommt  - in der Stunde vor Morgengrauen, als die Welt noch still und grau ist. Eine Stunde später hält Olyvar den Brief, den der erschöpfte Vogel einen so weiten Weg gebracht hat,  in den Händen, die Augen hell und hart wie gehämmertes Silber. Mattis hatte ihm das dünne Lederröhrchen übergeben, zusammen mit den anderen Botschaften und Berichten an den Lord Commander, die sich im Lauf einer Nacht ansammeln, und die der Junge jeden Morgen in den Westflügel heraufbringt - zwischen den hingekritzelten Notizen Rhordris auf seinen Wachstafeln und Vareyars kurzen, akkuraten Nachrichten sticht Kizumus Brief heraus wie ein Stück Katzengold unter Flusskieseln. Es ist ihre Schrift - noch hat er ihr Schreiben nicht gelesen, dreht es nur nachdenklich in seinen großen Händen, aber der eng beschrieben Bogen Papier ist dünn, die schwarze Tinte schimmert durch. Auch wenn er zögert, die Gewissheit, dass sie selbst geschrieben hat, erleichtert ihn - es hätte ebenso gut eine Botschaft von Ieras oder Sefra sein können, die ihm mitteilte, dass der Elbin etwas zugestoßen war. Olyvar hebt den Blick und sieht direkt in ein Paar himmelblaue Augen neben ihm. "Ein Brief von Kizumu," erklärt er schlicht, obwohl Diantha überhaupt nicht gefragt hat. Sie hat ein Recht darauf es zu wissen und er würde vor ihr keine Geheimnisse haben - in Sachen Kizumu schon gar nicht. "Ich bat sie, Bescheid zu geben, sobald sie angekommen ist." "Ah," macht Diantha nur und bemüht sich sehr, ein gefasstes Gesicht aufzusetzen und den Brief in seinen Händen nicht anzusehen, "gut." Olyvars Mundwinkel zucken. Gut?! Er hebt fragend eine Braue, doch sie hat bereits irgendetwas Hochinteressantes im Brotkorb entdeckt, das zweifellos genau jetzt, in diesem Moment, ihre ungeteilte Aufmerksamkeit heischt. Connavar und Fianryn dagegen blicken nicht einmal auf, als der Name ihrer Mutter fällt. Sie waren zu klein, als sie gegangen ist... sie erinnern sich nicht. Sein Sohn spürt zwar seinen nachdenklichen Blick und hebt kurz den Kopf, um ihn fragend anzusehen und sich gleichzeitig mit Honig zu bekleckern, doch das ist auch alles. Olyvar streckt lächelnd die Hand aus und wischt Conn den Breiklecks vom Kinn. "Iss auf, a cuishle." Würde er jetzt, nach mehr als einem Zwölfmond, erfahren, warum Kizumu damals ihre Kinder und ihn verlassen hatte? Er lehnt sich zurück und nimmt einen Schluck Cofea. Will ich es überhaupt noch wissen? Er weiß es nicht, er weiß nur, dass es keine Rolle mehr spielt. Die Kinder verziehen sich nach einer notdürftigen Säuberung klebriger Finger, Münder und Wangen zu ihren Spielkisten und Mattis räumt den Tisch ab - und dann gibt es keinen Grund mehr, noch länger zu warten. Diantha sitzt noch immer neben ihm, doch als sie aufstehen will, um sich zurückzuziehen, legt er ihr die Hand auf den Arm. "Nein, bleib. Was immer sie schreibt, ich will, dass du es weißt." Sie tauschen einen langen Blick, dann entrollt er das dünne Papier und beginnt, vorzulesen.


"Die Zwölf zum Gruß, Olyvar,

ich werde dir nicht sagen, die wievielte Version dieses vermaledeiten Briefes du jetzt in Händen hältst; das Zählen habe ich längst aufgegeben. Und ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich jetzt die richtigen Worte finde. Es geht uns allen gut, auch wenn sich unsere Reise aufgrund Kea´s Krankheit um einiges verzögert hat. Ierás und sie sind uns gefolgt und es war mir nicht möglich, sie daran zu hindern, uns weiter zu folgen. Das Mädel hat sich im Tiefen Grund das Sumpffieber eingefangen und uns in den Llelarebenen damit überrascht. Wir haben den ganzen Sommer gebraucht, um wenigstens bis an die Ufer des Elayor zu gelangen. Zum Glück gibt es in Eldena, einem Dörfchen am Ufer des Flusses, eine in der Heilkunde bewanderte Wirtin, die uns bei der Pflege unterstützt hat. Sie schickte Ierás in die Ebenen zu den Faunen, eine Rinde, ein Heilmittel namens Cinchona besorgen.

Der Rest unserer Reise verlief ereignislos, aber wir sind noch immer nicht am Ziel angelangt. Auch wenn man den Riatyr an klaren Tagen schon am Horizont erkennen kann. Jetzt rasten wir seit etwa einer Woche in Torhof, um den Pferden und uns genug Zeit zum Ausruhen zu gönnen. Gestern erreichte eine kleine Karawane Torhof, und einer der Händler kam sofort zu uns. Wir fallen auf, wie die sprichwörtlichen bunten Hunde. Er hatte deinen Brief und die Unterlagen dabei. Es erleichtert mich, zu wissen, dass es den Kindern und auch dir gut geht. Und dass sie nachdem Feorna fort ist wieder jemanden haben, der für sie da ist. Ich vermisse sie wirklich sehr.
 
Der Abend ist längst hereingebrochen und ich habe mich vor dem weiter schreiben lange genug gedrückt. In zwei Tagen werden wir aufbrechen, die letzte Etappe unserer Reise steht uns noch bevor. Mir graut vor dem, was uns erwarten mag. Sefra und ich haben lange über den Grund dieser Nachricht gerätselt. Ich habe mich bemüht, diesen Brief möglichst, wie soll ich sagen, sachlich zu verfassen; für all die Dinge die ich in den letzten Monden gelernt habe, ist kein Platz mehr, weder hier auf dem Papier, noch wie ich vermute in deinem Leben. Ich möchte dich um Verzeihung bitten, dafür dass ich Mut vorgetäuscht habe, wo im Endeffekt gar keiner war und für ein gebrochenes Versprechen; denn das ist es, auch wenn du mich davon los gesprochen hast. Ich weiß, dass du dich um die Kinder gut kümmern wirst, darum muss ich dich nicht bitten. Meine Hoffnung ist, auch wenn es schmerzt so etwas zu denken, dass sie mich nicht vermissen; ich weiß wie es sich anfühlt, das genügt wohl. Ebenso hoffe ich, dass dieser Brief die Kinder und dich bei guter Gesundheit antrifft. Falls du Niniane, Arúen und den anderen begegnest; vielleicht kannst du sie von mir grüßen?

Ich weiß nicht, wann oder ob ich überhaupt wieder nach Talyra zurückkehre, aber ich... Ach, Götterverdammt, ich würde mich freuen, ab und zu etwas von euch zu hören.

Shunjalinn"


Olyvar holt tief Luft und starrt auf das Papier zwischen seinen Fingern, dann schüttelt er langsam und mit einer Art leisen Melancholie den Kopf.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 22. Aug. 2007, 19:30 Uhr
(Dieser Beitrag ist hauptsächlich beim Warten auf und im Flugzeug, sowie im Zug entstanden und zum Abtippen hatte ich nicht viel Zeit. Wenn ihr also das Bedürfnis habt Fehler zu suchen - viel Spaß ;) )

Wie schnell vier kleine Worte ein Herz zu Eis gefrieren lassen können. Ein Brief von Kizumu. Eben hatte Diantha Olyvar nach einem Blick aus dem Fenster  in einen wolkenverhangenen Morgen fragen wollen, ob er heute Zeit für eine Reitstunde hätte. In den letzten zwei Monden hatte sie Gefallen daran gefunden, obwohl sie nach den ersten Stunden davon überzeugt gewesen war, dass sie vor Muskelkater ganz sicher sterben müsste. Dennoch gefällt ihr mittlerweile das Gefühl auf einem Tier zu sitzen, dass ihr allein von seiner körperlichen Masse vollkommen überlegen wäre, dass sich aber wenn man es richtig behandelt freiwillig von ihr führen lässt. Sie hat das Reiten mögen, ja fast schon lieben gelernt und war recht stolz darauf, als Bayvard sie das erste Mal begrüßt hatte, zwar nicht so begeistert wie Olyvar, aber trotzdem ist es ein gutes Gefühl, dass er sie erkennt. Doch jetzt sind sämtliche Gedanken an Pferde wie weggefegt, alles was Diantha jetzt noch wissen will ist, warum verdammt noch mal Kizumu Olyvar Briefe schreibt. Das wird ihr auch prompt beantwortet, ohne dass sie fragen müsste. >"Ich bat sie, Bescheid zu geben, sobald sie angekommen ist."< Die Immerfrosterin versucht ein gelassenes Gesicht aufzusetzen und sagt dazu erst einmal ganz schlicht: "Ah, gut." Ihrer Ansicht nach verhält sie sich damit ausgesprochen diplomatisch, es ist ja schließlich auch normal, dass man wissen möchte, wie es der Mutter seiner Kinder geht, nicht wahr? Man möchte wissen, dass es ihr gut geht, ob sie einen nun verlassen hat oder nicht, nicht wahr? Es ist albern, dahinter mehr als nur eine nette Geste zu erahnen. Kizumu wird es sich nach über einem Jahr schliesslich nicht plötzlich anders überlegt haben und Olyvar wieder zurück haben wollen. Selbst wenn, Olyvar würde nicht darauf eingehen. Würde er nicht. Sicher nicht. Sie weiss, dass sie ihm Ende Grünglanz einiges Kopfzerbrechen bereitet hatte, im Sonnenthron und Beerenreifmond hatte sie allerdings das Gefuehl gehabt, dass er genauso glücklich über die viele Zeit, die sie zu viert verbracht hatten, gewesen war, wie sie. All die vielen kostbaren Momente im Licht der untergehenden Sonne. Hatte sie sich vielleicht nur eingebildet, dass er genauso glücklich wie sie gewesen war? Hatte sie nur das in seinen Augen gesehen, was sie hatte sehen wollen? Vier kleine, kurze Worte und ein Stück Papier, beschrieben mit Zeichen, mit denen Diantha zum Grossteil nichts anfangen kann und plötzlich gerät alles in Wanken, was sie bis vor Kurzem noch für sicher hielt. Jetzt ist sie abhängig davon, dass Olyvar ihr vorliest, was seine ehemalige Frau geschrieben hat, aber sie wird ihn nicht darum bitten, nicht betteln Ausserdem weiß sie auch nicht, ob sie wirklich wissen will, was in diesem Brief steht. Während sie im Brotkorb herumstochert, als gäbe es da auch nur etwas ansatzweise interessantes zu sehen, spürt sie Olyvars Blick zunächst auf sich ruhen, dann redet er leise mit Conn. Die Zwillinge sind fast fertig mit dem Essen, sodass es nur noch ein wenig Überredungskunst bedarf um die letzten Reste auf den Tellern in den Mündern der Kinder verschwinden zu lassen. Danach wischt Diantha Connavar notdürftig das Gesicht und die Hände ab, während Olyvar bei Fianryn dasselbe tut und sie können die Kinder spielen schicken. Dianthas Lächeln ist warm, als sie Connavar noch rasch über den Kopf streicht, ehe sie ihn einigermaßen sauber zu seiner Schwester schickt. Sie wusste von Anfang an, worauf sie sich einlässt und dass Kizumu auf gewisse Art und Weise dazu gehört. Diantha hatte den Einfluss der Elbin zwar aus der Einrichtung des Westfluegels verscheuchen können, aber gegen ihr Blut in den Venen der Kinder, die Diantha schon seit einigen Monden als ihre eigenen ansieht, und gegen Olyvars Erinnerung an die Elbin kann sie nichts tun, sondern muss lernen damit zu leben. Irgendwo sollte sie Kizumu eigentlich auch dankbar sein, denn ohne sie gäbe es die Zwillinge nicht, ohne die sich Diantha ihr Leben kaum mehr vorstellen kann. Sie muss die Zwei schrecklich vermissen, denkt Diantha und will gerade aufstehen um Olyvar allein mit seinen Erinnerungen zu lassen, doch da legt sich eine grosse, raue Hand auf ihren Arm und sie schaut überrascht auf, direkt in Olyvars graue Augen, manchmal so hart wie Stahl, dann wieder so weich und voller Liebe. >"Nein, bleib. Was immer sie schreibt, ich will, dass du es weißt."< Der eisige Griff, der sich um Dianthas Herz geschlossen hatte, als sie von Kizumus Brief erfuhr, lockert sich ein wenig, als sie ihn das sagen hört und in seinen Augen sieht, dass er es wirklich so meint. Er will sie teilhaben lassen, obwohl er selbst nicht zu wissen scheint, was in dem Brief stehen wird und das macht Diantha unendlich froh. Also bleibt sie sitzen und hört zu, als Olyvar ihr den Brief vorliest.

Nachdem er zu Ende gelesen hat, herrscht an dem Tisch zunächst enmal Schweigen, während aus der Kinderecke gedämpfte Stimmen und die Geräusche von Bausteinen, die aufeinander gestapelt werden, herüberklingt. Mattis war mit dem Brotkorb und zwei Tassen in den Händen in der Tür stehen geblieben, erst jetzt geht er weiter in die Küche, sodass Diantha und Olyvar wirklich alleine sind. Die Immerfrosterin weiss nicht so recht, was sie zu dem Brief sagen, mit ihm anfangen soll. Neues über den Grund für Kizumus Weggehen erfährt man von ihm jedenfalls nicht, es ist eher ein Reisebericht und eine Entschuldigung. Was Diantha schlichtweg nicht nachvollziehen kann ist, wie Kizumu einerseits schreiben kann, dass sie die Kinder so sehr vermisst und andererseits, dass sie nicht weiss, ob sie jemals nach Talyra zurück kommen wird. Wie kann es eine Mutter aushalten länger als notwendig von ihren Kindern wegzubleiben? Auch wenn man keine Beziehung mehr zu dem Vater der Kinder hat und entschieden kann, dass es für sie besser ist sie bei ihm zu lassen - wofür Diantha Kizumu beneidet, sie wäre wohl selber zu egoistisch gewesen um wirklich das Beste für die Kinder zu tun - will man nicht wenigstens aus der Ferne einen Blick erhaschen? Wie kann man nur auf die Jugend eines Kinds vollständig verzichten? Doch da kommt Diantha plötzlich ein ganz anderer Gedanke: Kizumu hat alle Zeit der Welt, um ihre Kinder kennen zu lernen. In sechzig, siebzig Jahren, wenn Olyvar und Diantha höchstwahrscheinlich nicht mehr leben und die menschlichen Freunde der Zwillinge auch schon alt und gebrechlich wären, könnte Kizumu auf der Bildfläche erscheinen. Die lange entschwundene, unsterbliche Mutter könnte sich für die verlorene Zeit entschuldigen, aber eine gemeinsame jahrzehntelange, vielleicht sogar jahrhundertelange Zukunft versprechen. Aber selbst wenn, es wäre nur legitim und eigentlich schön zu wissen, dass es zumindest irgendwen gibt, der die Zwillinge in der lagen Zeit, in der Diantha nicht da wäre, die Kinder begleite und ein Ansprechpartner für sie sein könnte.

Diese Gedanken führen dazu, dass Diantha - obwohl sie bei Olyvars nachdenklichem, fast traurigem Blick das Gefühl hat, dass jemand ihr Herz in einen Schraubstock steckt und ihn langsam zudreht - die entstandene Stille mit den Worten bricht: "Schreib ihr von den Kindern, was sie in den letzten Monden alles gelernt haben. Dass sie seit diesem Sommer schwimmen können und wie aufgeweckt sie allgemein sind. Schreib ihr von Connavars Liebe zu Pferden und Fianryns Tauchkünsten, eine Mutter sollte so etwas wissen." Ihre Stimme ist behersscht, als sie das sagt, die Worte klingen eher wie eine einfache Feststellung. "Schreib ihr, dass sie stolz auf ihre Kinder sein kann, dass die Zwei die Lieblinge alle Steinfaustbewohner sind. Vielleicht kann man eine Zeichnung von ihnen anfertigen lassen und sie ihr schicken." Sie hat die Kinder geboren, die ich mehr als mein Leben liebe, so sollte man sie auch behandeln. Trotzdem kocht in Diantha die Eifersucht hoch, seitdem sie Olyvars Blick auf den Brief gesehen hat und die hat nichts mit den Kindern zu tun. Was hast du denn erwartet? Dass die Zeit mir dir jede Erinnerung an sie vertreibt? Wie albern von ihr. Über ein paar Umwege hatte sie schließlich erfahren, dass Kizumu bei Olyvar gewesen war, als er dem Tod nah war und dass die Geburt der Zwillinge sehr schwer gewesen war hatte Feorna gleich am Anfang erwähnt, weil sie Angst davor gehabt hatte, selbst eine so schwere Geburt zu haben. So etwas verbindet und dem hat Diantha nichts hingegen zu setzen, etwas so dramatisches hat sie nie für ihren Mann getan. Diese Erkenntnis ist bitter und so kann Diantha den Impuls doch nicht unterdruecken noch hinzuzufuegen: "Vermisst du sie?" Dabei ruht ihr Blick sehr nachdrücklich auf ihren Händen, wenn sie Olyvar ansehen würde, würde er viel zu viele Gefühle sehen, auf die sie nicht gerade stolz ist. Vor allem schwarze Eifersucht, die sie nicht loswird, wie oft sie sich auch sagt, dass Olyvar sie nicht geheiratet hätte, wenn er Kizumu noch lieben würde. Das bisschen Bedauern, dass sie in seinem Blick gesehen hat, reicht um ein beissendes Gefühl in ihrer Magengegend aufsteigen zu lassen. Aber neben der Eifersucht ist da auch noch Angst, schreckliche Angst, die ihr den Hals zuschnürt bei dem Gedanken daran, wie schnell sie alles verlieren könnte, was sie liebt.  Vier kleine Worte, die ihr klar machen, wie rettungslos sie sich in dieser Art zu leben verloren hat und wie sehr sie sie gegen Eindringlinge verteidigen würde. Nur ist Kizumu kein Eindringling. Du benimmst dich albern, bist eifersüchtig, obwohl es keinen ernsthaften Grund gibt und besitzergreifend, als ob es notwendig wäre. Also reißt sie sich zusammen, schaut auf, direkt in Olyvars Augen, obwohl sie weiß, dass sie ihre Gefühle nicht vor ihm verbergen kann. Sie hatte ihm versprochen ehrlich zu sein und das würde sie. "Ich weiss, dass ich dir nicht immer die Frau bin, die du verdienst. Besonders im letzten Grundglanzsiebentag war ich das nicht, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe. Kein frisch gebackener Ehemann sollte drei Siebentage nach der Hochzeit nachts allein in seinem Bett aufwachen, wenn er seine Frau so behandelt wie du mich. Es tut mir wirklich leid Olyvar, ich verspreche dir, es ist nur einen Siebentag im Zwölfmond so. Allerdings war es dieses Mal besser als sonst, weil die Kinder mich brauchen und weil du da bist." In Dianthas Augen liegt echtes Bedauern, als sie das sagt und sie fasst sacht nach seiner Hand um sie zu drücken. "Du hättest mich ins Bett schicken können und ich wäre deinetwegen gegangen, aber das hast du nicht. Dafür wollte ich mich noch bei dir bedanken. Du hast mir Nähe gegeben, wenn ich sie brauchte und mich allein gelassen, wenn ich das brauchte. Ich weiss nicht, wie ich dafür danken soll." Ihr ist schon klar, dass sie vom eigentlichen Thema abgekommen ist, aber das wollte sie ihm ohnehin sagen, hatte aber nie die richtigen Worte gefunden, bis ihr Kizumus Brief klar gemacht hat, dass man manche Dinge nicht aufschieben sollte.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 28. Aug. 2007, 23:55 Uhr
>Schreib ihr von den Kindern, was sie in den letzten Monden alles gelernt haben. Dass sie seit diesem Sommer schwimmen können und wie aufgeweckt sie allgemein sind. Schreib ihr von Connavars Liebe zu Pferden und Fianryns Tauchkünsten, eine Mutter sollte so etwas wissen.< Mehr noch als Dianthas Worte, lässt Olyvar ihre so gefasste Stimme beunruhigt den Blick heben, doch sie sieht ihn nicht an, sondern starrt auf ihre Hände. >Schreib ihr, dass sie stolz auf ihre Kinder sein kann, dass die Zwei die Lieblinge alle Steinfaustbewohner sind. Vielleicht kann man eine Zeichnung von ihnen anfertigen lassen und sie ihr schicken.<
"Eine Mutter sollte so etwas wissen," murmelt er und schüttelt sacht den Kopf, aber er sieht sie dabei an. Er weiß genau, wie sehr Diantha die Kinder liebt, wie sehr sie sie als ihr Eigen ansieht und wie schwer ihr damit diese Worte fallen müssen. Dennoch spricht sie sie so tapfer aus und versucht dabei außerdem noch, sich nicht das Geringste anmerken zu lassen. Erzähl du mir noch einmal etwas von deinem ach so schlechten Charakter, a nìgheanag. "Du hast Recht, mo cridhe," fährt er fort, immer noch ein wenig fassungslos, aber sehr zärtlich. "Aber es bist du, die das alles weiß, nach eil?" Es ist wahr. Kizumu hatte die Zwillinge geboren, aber sie hatte sich damals schließlich nicht einfach nur von ihm getrennt, sie war auch völlig aus dem Leben ihrer Kinder verschwunden. Noch sind sie klein, doch die Elbin ist seit mehr als einem Jahr fort und würde es auch noch länger bleiben - vielleicht kehrt sie niemals zurück. Sie ist ihnen lange schon fremd geworden und mit den Jahren würde sie ihnen noch fremder werden - nichts und niemand kann das ungeschehen machen oder etwas daran ändern. "Diantha, sieh mich an." Sie tut es nicht, schüttelt nur ein wenig hilflos den Kopf und presst die Lippen aufeinander. "Kizumu mag Conn und Fianryn zur Welt gebracht haben, das ist wahr. Und ich werde ihr von den Kindern schreiben, damit sie weiß, wie es ihnen geht. Aber in allen Dingen, auf die es wirklich ankommt, in den vielen kleinen Dingen, die eine solche Bindung ausmachen, bist du ihre Mutter und niemand sonst. Das warst du schon, lange bevor zwischen uns beiden mehr war als Freundschaft... und die Kinder wissen das auch ganz genau."

>Vermisst du sie?< Ihre Frage ist leise, aber deutlich, und sie erreicht ihn so unvermittelt, dass sich auf seinem Gesicht einen kurzen Moment lang gar nichts zeigt, nicht einmal Überraschung oder Schrecken - nichts, außer der Leere völliger Verständnislosigkeit. Hätte Diantha in diesem Augenblick sein Gesicht gesehen, hätte sie ihre Antwort schon gehabt, doch sie sieht ihn immer noch nicht an.
"Was?" Erwidert er und weiß einen Herzschlag lang noch nicht einmal, wen sie überhaupt meint, ehe er wirklich realisiert, was sie da eben gesagt hat. Noch bevor er jedoch den Mund öffnen kann, um "Nein" zu sagen, oder auch nur dazu kommt, den Kopf zu schütteln, hebt Diantha plötzlich ihren Blick und er kann in ihren Augen ein Echo all ihrer verworrenen Gefühle sehen. Eifersucht, Angst, Zweifel und Kummer. >Ich weiß, dass ich dir nicht immer die Frau bin, die du verdienst. Besonders im letzten Grünglanzsiebentag war ich das nicht, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe. Kein frisch gebackener Ehemann sollte drei Siebentage nach der Hochzeit nachts allein in seinem Bett aufwachen, wenn er seine Frau so behandelt wie du mich. Es tut mir wirklich Leid Olyvar, ich verspreche dir, es ist nur einen Siebentag im Zwölfmond so. Allerdings war es dieses Mal besser als sonst, weil die Kinder mich brauchen und weil du da bist.< Sie streckt ihre Hand nach seiner aus und seine Finger drehen sich sofort um und biegen sich ihren entgegen, so dass sich ihre Hände fest umschließen. >Du hättest mich ins Bett schicken können und ich wäre deinetwegen gegangen, aber das hast du nicht. Dafür wollte ich mich noch bei dir bedanken. Du hast mir Nähe gegeben, wenn ich sie brauchte und mich allein gelassen, wenn ich das brauchte. Ich weiß nicht, wie ich dafür danken soll.< Eine ganze Weile lang sagt er gar nichts, sieht sie nur an und hält ihre Hand fest in seiner, warme Haut, lebendes Fleisch, bebender Pulsschlag und darunter Knochen, die ihm im Vergleich zu seinen viel zerbrechlicher wirken, als sie es eigentlich sind. Sie sitzen keine vierzig Sekhel auseinander und er wendet sich vollends zu ihr um, nimmt ihr Gesicht in beide Hände und küsst sie, schweigend und lange, sehr sanft und eindringlich genug, um ihren Seelenfrieden zumindest ansatzweise wiederherzustellen. Dann öffnet er die Arme und zieht sie auf seinen Schoß, so dass er sie halten, ihr Gesicht an seinem Hals bergen und den Duft ihres Haares einatmen kann.

"Nein, ich vermisse Kizumu nicht," erwidert er schließlich mit großem Nachdruck. "Sie ist mir nicht gleichgültig und ich wünsche ihr nur gutes, und dass sie eines Tages vielleicht das findet, was ich gefunden habe. Aber ich habe schon seit einer ganzen Weile aufgehört, etwas für sie zu empfinden, das über Freundlichkeit hinausgeht - lange, bevor zwischen uns irgendetwas war. Und was dich angeht, was soll das heißen, du wärst nicht immer die Frau, die ich verdiene? Das ist Blödsinn, hörst du mich?" Sein sanfter Ton steht in krassem Gegensatz zu den derben Worten. "Absoluter Blödsinn! So darfst du nicht einmal denken. Was glaubst du, waren die Worte unter dem Herzbaum? Leeres Geschwätz?" Er legt seine Hand in ihren Nacken und gräbt alle fünf Finger in die weichen, wirren Locken. "A chuishla mo cridhe... Ich habe keine Ahnung, ob du die Frau bist, dich ich verdiene, aber eines weiß ich absolut sicher: du bist meine Frau und die einzige, die ich will. Diese Tage im Grünglanz..." fährt er fort, "glaubst du ich hätte nicht gesehen, dass du leidest? Es war wegen des Kindes, das du... das dir genommen wurde, nicht wahr?" Sie kann nur nicken und eine Weile schweigt er, hält sie nur fest, drückt einen Kuss auf ihr Haar und beobachtet die Kinder, die selbstvergessen ihre Bauklötze auftürmen. "Du musst dich wirklich nicht dafür entschuldigen, wenn es dir deswegen schlecht geht, Diantha, und bedanken musst du dich bei mir erst recht nicht. Ich wünschte nur, ich hätte wirklich irgendetwas tun können, damit es dir besser gegangen wäre." Eine Weile schweigen sie beide und bis auf das leise Klicken der hölzernen Bausteine und das leise Murmeln von Kinderstimmen hin und wieder ist es vollkommen still, bis er schließlich mit einem tiefen Seufzen weiter spricht. "Ich weiß, dass du nicht darüber reden willst... oder vielleicht nicht kannst... und ich will dich bestimmt nicht dazu drängen, Diantha. Aber wenn du deine Meinung änderst, wenn du mir erzählen willst, was damals geschehen ist, dann... du weißt, dass ich dir zuhöre. Das weißt du doch, nicht wahr? Ich kann dir vielleicht deinen Schmerz nicht nehmen, mo cridhe, aber ich kann ihn teilen."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 31. Aug. 2007, 23:29 Uhr
Aber in allen Dingen, auf die es wirklich ankommt … bist du ihre Mutter und niemand sonst. Die Worte hallen in Dianthas Inneren wider und verscheuchen einige Fragen, die sie sich schon des Längeren stellt. Wie wichtig ist das Blut? Darf ich mich wirklich als ihre Mutter bezeichnen, obwohl Kizumu noch lebt? Was passiert, wenn sie wiederkommt und ihre Kinder zurück will? Die Fragen lösen sich zwar nicht gänzlich in Luft auf, aber sie verschwinden vorerst in die finsterste, hinterste Ecke zu den Dingen, über die man sich vorerst wirklich keine Gedanken machen sollte. Auf ihre Entschuldigung hin hatte Olyvar sie geküsst, wie nur er es kann, das schnellste und effektivste Mittel um ihre Zweifel zu zerstreuen. Nun sitzt sie auf seinem Schoß, das Gesicht an Olyvars Hals geschmiegt, mit seinem unverwechselbaren Geruch in der Nase hört sie ihm zu und seine Worte legen sich wie Balsam auf ihr Herz. >"Nein, ich vermisse Kizumu nicht." So absolut überzeugt, wie er das sagt, muss man ihm einfach glauben, dass er es so meint. >"Sie ist mir nicht gleichgültig und ich wünsche ihr nur gutes, und dass sie eines Tages vielleicht das findet, was ich gefunden habe."< Was er gefunden hat? In mir?, geistert ihr durch den Verstand und dieser Gedanke macht sie unsagbar glücklich, allerdings schwingt auch ein Hauch Bitterkeit mit. Oder eher was er in mir gefunden zu haben glaubt, weil er nicht alles von mir weiß. >"Aber ich habe schon seit einer ganzen Weile aufgehört, etwas für sie zu empfinden, das über Freundlichkeit hinausgeht - lange, bevor zwischen uns irgendetwas war."< Diesen Satz aus seinem Mund zu hören tut gut, auch wenn sie sich selbst schon oft gesagt hat, dass es zwischen ihnen beiden wohl etwas rasch gegangen sein mag, sie aber trotzdem kein Lückenfüller für Kizumu sein kann, sonst hätte er sie schließlich nicht geheiratet und ihr nichts geschworen. >"Und was dich angeht, was soll das heißen, du wärst nicht immer die Frau, die ich verdiene? Das ist Blödsinn, hörst du mich?"< Da ist sie zwar völlig anderer Meinung, was sie auch schon von Anfang an war, aber ihm das klar zu machen hat sie an einem sonnigen Nachmittag im Larisgrün aufgegeben. Schließlich wollte er es schlichtweg nicht hören und um ihm wirklich klar zu machen, warum sie der Ansicht ist, dass er jemand erheblich Besseren verdient hat als sie, hätte sie ihm alles erzählen müssen und das wollte sie nicht. Sie wollte das letzte dreckige Stückchen ihrer Selbst vor ihm geheim halten, damit er sie weiterhin liebt. >"Absoluter Blödsinn! So darfst du nicht einmal denken. Was glaubst du, waren die Worte unter dem Herzbaum? Leeres Geschwätz?" Perplex hebt sie den Kopf um ihm in die Augen zu schauen und widerspricht sofort: „Nein! Ich glaube dir, dass du jedes Wort so gemeint hast!“ Und ich weiß, dass ich nichts davon verdiene. Sie spürt seine Hand auf der Haut ihres Nackens und die Berührung jagt einen wohligen Schauer über ihren Rücken. Als er seine Finger in ihren Haaren vergräbt, lehnt sie sich wieder an ihn, der einzig sichere Halt in ihrem Leben, auf den sie sich wirklich verlassen kann und bei der Vorstellung ihn verlieren zu können zieht sich ihr Herz zusammen. >"A chuishla mo cridhe... Ich habe keine Ahnung, ob du die Frau bist, dich ich verdiene, aber eines weiß ich absolut sicher: du bist meine Frau und die einzige, die ich will."< Bei diesen Worten schießen ihr alberner Weise die Tränen in die Augen, obwohl sie selbst nicht so recht weiß warum. Die einzige, die ich will.

>"Diese Tage im Grünglanz... glaubst du ich hätte nicht gesehen, dass du leidest?"< Was ich auch verdient habe, aber ich hätte dich nie damit belasten dürfen. >"Es war wegen des Kindes, das du... das dir genommen wurde, nicht wahr?"< Ihr Mund ist wie zugeleimt und alles was sie tun kann ist zu nicken. Sie hat es selbst nie beim Namen genannt, Olyvar tut es nun schon zum zweiten Mal, allerdings ist diese Formulierung erheblich treffender. Sie hat das Kind nicht „verloren“ wie einen Schlüssel, der aus einer Tasche gefallen ist. Es wurde ihr vorsätzlich und mit vollem Wissen gegen ihren Willen genommen, aber dass er das so in Worte fassen kann, lässt sie verstummen, denn ihr ist das selbst nie gelungen. Einige Zeit lang sagt keiner von ihnen ein Wort und Diantha hätte wohl weiterhin schweigend dagesessen, doch Olyvar fährt schließlich fort: >"Du musst dich wirklich nicht dafür entschuldigen, wenn es dir deswegen schlecht geht, Diantha, und bedanken musst du dich bei mir erst recht nicht. Ich wünschte nur, ich hätte wirklich irgendetwas tun können, damit es dir besser gegangen wäre."< Wieso wirklich? Was hättest du denn noch tun sollen? Du hast schon mehr als genug getan!, denkt sie, doch sie bringt immer noch kein Wort heraus. Im Hintergrund sind die zufriedenen Stimmen der Zwillinge zu hören, die gerade glücklicherweise zum passenden Zeitpunkt so sehr mit sicher selber beschäftigt sind, dass sie Dianthas aufgewühlten Gemütszustand nicht bemerken. In diesem Moment wäre es ihr schwer gefallen auf einmal so zu tun, als wäre alles in Ordnung, außerdem ist es ohnehin nicht so ganz einfach Kindern vorzuspielen, alles sei wie immer, wenn man sich nicht so fühlt. Im Grünglanz war es ihr einigermaßen gelungen, doch es war ein wahrer Kraftakt gewesen. Der Seelenfrieden der beiden war es aber selbstverständlich wert. Plötzlich seufzt Olyvar tief, was sie überrascht aufblicken lässt und die Worte, die darauf folgen, sind nicht weniger unerwartet: >"Ich weiß, dass du nicht darüber reden willst... oder vielleicht nicht kannst... und ich will dich bestimmt nicht dazu drängen, Diantha. Aber wenn du deine Meinung änderst, wenn du mir erzählen willst, was damals geschehen ist, dann... du weißt, dass ich dir zuhöre. Das weißt du doch, nicht wahr?"< Sofort nickt sie nachdrücklich, natürlich weiß sie, dass Olyvar für sie da ist und ihr zuhört. Sie will nur nicht, dass er hört, was sie ihm schon lange hätte sagen müssen. >"Ich kann dir vielleicht deinen Schmerz nicht nehmen, mo cridhe, aber ich kann ihn teilen."< Seine Stimme ist so sanft, so verständnisvoll. Wie soll sie ihn darauf weiterhin mit Schweigen strafen? „Den Schmerz teilen?“, fragt sie mit heiserer Stimme und dreht die Worte so fragend im Mund hin und her, als wäre ihr dieser Gedanke nie in den Sinn gekommen. „Ja, das wäre schön.“ In ihrer Stimme liegt unterdrückte, aber trotzdem unverwechselbar Sehnsucht, als sie das sagt, trotzdem schüttelt sie den Kopf. „Nein, ich habe ihn verdient und werde ihn mein Leben lang in meinem Herzen tragen, ich kann dir nicht etwas aufbürden, das du nicht verdient hast. Dazu liebe ich dich zu sehr.“ Einen Moment schweigt sie und ihre Hand wandert zu Olyvars Zopf, sucht sich eine Haarsträhne und lässt sie durch die Finger gleiten. Haare von dunklem, warmen braun mit einem ganz leichten Stich ins Rötliche wandern blasse Handflächen entlang. Sie liebt dieses Kastanienbraun, es verspricht Wärme, passt so gut dazu, was Olyvar ihr gibt. Wärme, die sie auch jetzt in seinem Arm findet und sie lehnt vertrauensvoll den Kopf an seine starke Schulter, bevor sie weiter spricht. Leise, denn ihre Worte sind nur für Olyvar bestimmt, egal wie sehr sie ihn sonst auch mag, manche Dinge gehen Mattis nun einmal nichts an, der jeden Moment in der Tür stehen könnten. „Doch du sollst erfahren, was damals passiert ist, damit du weißt, was für einen Mensch du da wirklich geheiratet hast. Ich wollte es erzählen bevor du auf die Idee kommen könntest mich heiraten zu wollen, aber dann kam das Inarifest so überraschend und in der Zeit danach war ich unsagbar glücklich. Alles was ich wollte war, dieses Gefühl noch einmal voll auszukosten, bevor es auf die Probe gestellt wird und vermutlich zerbricht.“ Daraufhin räuspert sie sich erst einmal, weil ich Stimme zum Ende hin immer dünner geworden war. Verdammte Stimme, warum macht die jetzt so Querelen?, fragt sie sich insgeheim wütend, obwohl sie die Antwort sehr genau kennt. Alles in ihr sträubt sich dagegen die letzten Barrikaden fallen zu lassen, jedoch weiß sie, dass Olyvar Ehrlichkeit verdient hat. „Du hast einmal gesagt, dass es elementare Dinge gibt, die man von einander wissen muss, womit du recht hattest und das ist wohl eins der grundlegendsten in meinem Leben.“

Sie atmet tief durch. „Ich … ich habe nur noch nie mit jemandem … darüber gesprochen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll … ich kann dir ja nicht meine ganze Lebensgeschichte erzählen.“ Etwas hilflos zuckt sie mit den Schultern, doch nach einem Moment des Zögerns legt sie die Arme um seinen Hals und haucht die Frage mehr, als dass sie sie ausspricht: „Kennst du den Wunsch, nur einmal etwas an der Vergangenheit ändern zu können? Nur dieses eine Mal.“ Sie schluckt und starrt für einen Moment geradeaus in den Raum, dann schließt sie die Augen und vergräbt ihr Gesicht an Olyvars Schulter. „Als der Großteil meiner Familie und viele meiner Freunde starben, war ich wütend auf die Welt und die Götter, weil sie so etwas zugelassen haben. Wie ich mir gewünscht habe, etwas dagegen tun zu können! Aber ich wusste, dass ich nichts tun konnte, ich hatte keine Schuld daran.“ Ihre Stimme hat an Ruhe und Sachlichkeit gewonnen, sie klingt nun beinahe so, als würde sie nicht von ihrem eigenen Leben erzählen, sondern von dem eines Fremden. Nur an dem Beben ihres Körpers ist zu merken, dass ihr diese Worte etwas bedeuten, aus reinem Selbstschutz hat sie wieder die Maske der Unerschütterlichen aufgesetzt. „Keine zwei Zwölfmonde später hätte ich etwas tun können um mein Kind zu verteidigen und was habe ich getan? Ich war wie erstarrt, ich wollte nicht glauben, dass das wirklich passieren könnte.“ Langsam, ohne dass sie es wollen würde, gräbt Diantha ihre Fingernägel immer tiefer in Olyvars Hemd. „Verdammt, ich habe einfach nur da gesessen und sie fassungslos angestarrt!“ Die Maske beginnt zu bröckeln und in ihrer Stimme klingt Wut durch, fast ausschließlich auf sich selbst. „Ihn und den Mann mit den Augen kalt und hart wie Granit“, fügt sie fahrig hinzu, bei der Erinnerung an diese Situation läuft es ihr kalt den Rücken herunter. Für den Bruchteil eines Augenblicks hat sie das Gefühl wieder in diesem Raum zu sitzen, spürt die Panik und das Bewusstsein, dass sie hoffnungslos unterlegen ist, wieder in sich aufsteigen, die sie erstarren ließen, als sie in diese Augen blickte. Wenn Augen wirklich die Fenster in die Seele sind, dann machten diese eindeutig klar, dass sie einen Menschen vor sich hatte, der keine Skrupel, Reue oder Scham kannte. Stattdessen loderte in ihnen ein Feuer, dass sich an ihrer eigenen grenzenlosen Angst ergötzte, dem es gefiel, das sie nicht wollte, wofür Riku ihn bezahlt hatte. Noch immer in der Erinnerung gefangen wispert sie Olyvar zu: „Als du mir erklärt hast, warum du die Auspeitschungen durchführst hast du gesagt, dass es Menschen gibt, die gerne andere über alle Maßen schinden. Ich habe einen kennen gelernt …  Und wahrscheinlich noch Glück gehabt, dass er wusste Riku hätte ihn umgebracht, wenn er mich … verunstaltet hätte.“ Sie löst die Arme von Olyvars Hals und schüttelt den Kopf, dass die Haare nur so fliegen, bei dem Versuch diese Augen aus ihren Gedanken zu vertreiben. Nun schon seit fünf Jahren wird sie von ihnen verfolgt, doch bis auf den Grünglanz kann sie sie normalerweise sehr gut aus ihrem Alltag, ihrem Leben und ihren Gedanken ausschließen. Ich hätte gar nicht erst anfangen sollen zu reden! Hier und jetzt ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Doch sie weiß, dass es für so etwas keinen richtigen Zeitpunkt gibt, immer kann man Gründe finden, warum jetzt gerade nicht die rechte Zeit für etwas Unangenehmes ist. „Ich hätte kämpfen müssen oder wenigstens weglaufen!“, ein verzweifelter Ausruf und dennoch kaum lauter als ein Flüstern. Sie schlingt ihre Arme um ihre eigene Mitte, die Erinnerung beschwört eine Kälte hinauf, gegen die selbst Olyvars Wärme nicht hilft. In ihren Augen liegt Schmerz und sie verzieht das Gesicht. „Ich war so jung, so dumm, so überzeugt davon, dass ich den Mann, den ich liebte, kenne. Als ich dann endlich, nach einer halben Ewigkeit, realisiert hatte, dass es kein übler Scherz war, dass man mir mein Kind wirklich nehmen wollte, als ich endlich aus meiner Erstarrung erwacht war und mich gewehrt habe, war es viel zu spät“, stellt sie schlicht fest, doch der Hass auf sich selber ist aus ihrem Tonfall leicht herauszuhören. „Außerdem war ich damals so schwach und konnte mit Waffen kaum umgehen. Riku würde mich ja schließlich beschützen, nicht wahr?“ Hier liegt der Ursprung für den Grimm, den sie so lange Zeit an der ganzen Welt ausgelassen hat, der Grimm dafür so verraten worden zu sein von einem Mensch, den sie bedingungslos liebte. „Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich ihn mir nur so zurechtbiegen, wie ich ihn haben wollte, ohne zu sehen, wie er wirklich war? Ohne zu sehen, was für ein Monster er war? Ich wollte es schlichtweg nicht wissen, ich habe mir ja sogar eine halbe Ewigkeit eingeredet er wäre ein aufrichtiger Edelsteinhändler. Aufrichtig! Er!“ Ihr Lachen kann man kaum als solches bezeichnen, so kalt ist es, genau wie ihr Blick. Kalt und blau wie Eis, das kaum Luft enthält.

Diantha fährt unerbittlich fort, als ob sie nicht mehr aufhören könnte, jetzt, wo sie erst einmal angefangen hat. Sie hatte gedacht es würde immer schwerer werden, je mehr sie erzählt, war davon ausgegangen, dass sie viel vor sich hinstottern würde. Doch stattdessen scheinen die Worte je länger sie redet immer klarer zu werden. „Er hat mir einfach alles weggenommen, das etwas zählt. Er hätte alles war ich an Wertbesitz hatte mit einem Handkuss haben können, die grässlichen Kleider in die er mich gesteckt hat, den plumpen Schmuck, den er mir umgehängt hat. An mir, seinem Eigentum, seiner Puppe.“ Das letzte Wort spuckt sie förmlich aus und in ihrer Miene steht pure Abscheu darüber, wie sie sich damals selbst verraten hat. „Das war alles, was er von Anfang an wollte, eine Puppe, kleiner und zarter als die anderen Frauen, mit großen blauen Augen und den mehr als eine Elle langen blonden Locken. Immer noch ein bisschen naiv und von der Liebe überzeugt. Ich war perfekt, vor allem als ich noch lernte den Mund zu halten, schließlich sollten die wichtigen Kunden nicht an meiner Wortwahl hören, aus was für einfachen Verhältnissen ich kam.“ Sie kann nur noch über sich selbst mit dem Kopf schütteln. „Ich hätte ihm alles gegeben, alles für ihn getan, aber dieses Kind hätte er mir nicht nehmen dürfen. Das war wirklich dumm von ihm, damit hat er sich den einzigen Menschen zum Feind gemacht, dem er wirklich vertrauen konnte und der ihm den Rücken frei gehalten hat.“ Wieder fällt sie zurück in den sachlichen Tonfall, weil sie die Worte sonst hätte schreien müssen bei all dem Hass und der Wut, die sie in diesem Moment empfindet, womit sie die Kinder zu Tode erschreckt hätte. Also zügelt sie sich lieber und lässt ihre Stimme unbeteiligt klingen. „An einem Nachmittag hat er mir mein Kind, meinen Stolz, meine Selbstachtung und meine Ehre weggenommen und das Schlimmste ist, dass ich mir das alles einfach habe nehmen lassen, ich habe nicht genug gekämpft.“ Unerwartet steigt ein Schluchzen ihre Kehle hoch und es gelingt ihr kaum es zu unterdrücken, sodass sie die Hände vors Gesicht schlägt. Es kommen keine Tränen, die kommen schon lange nicht mehr für das, was ihr damals geschehen ist, sie hatte direkt danach so viele vergossen, dass sie irgendwann versiegt waren. Diantha braucht dennoch einen Moment um sich zu beruhigen, dann nimmt sie langsam wieder die Hände herunter und starrt auf die Handflächen, wie um eine Antwort von ihnen zu bekommen. „Heute würde ich meine Kinder mit meinem Leben beschützen. Das hätte ich damals auch tun müssen! Wie konnte ich das nur geschehen lassen? Wie konnte ich nur?“ Ihre Verzweiflung und die Vorwürfe kann man nun aus jedem ihrer Worte heraushören, der sachliche Tonfall ist seit diesem Schluchzen wie weggeblasen. „Nicht einmal an ihm rächen konnte ich mich, als ich endlich gelernt hatte mit Waffen so gut umzugehen, dass ich gegen ihn und seine Leute angekommen wäre wollte ich meine Schuld an meinem Kind begleichen. Doch er war wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt um herauszufinden wo er war und ich war nicht immer zimperlich.“ Sie geht davon aus, dass Olyvar weiß, was sie meint. Bei all der Wut, die damals ihr gesamtes Denken beherrscht hatte, war Diantha teilweise wirklich alles andere als zimperlich gewesen und hatte eine ganz neue Seite an sich kennen gelernt. Eine Seite, die zu ihrer eher negativen Einstellung seit Kinderzeit gegenüber Gewalt nicht wirklich passen will. Die Seite, die sie die Diebin nennt. „Er hatte den Mund zu weit aufgerissen und war der Gilde ein Dorn im Auge geworden, das konnte ich herausfinden. Das bedeutet entweder sie haben ihn still und leise entsorgt oder er ist ihnen in letzter Minute entwischt und hat sich eine neue Identität zugelegt. Ich wollte das Letztere ausschließen und bin ihm vier Jahre hinterher gejagt, so bin ich auch nach Talyra gekommen. Es war eine aussichtlose Suche nach einem Phantom, aber ich war es meinem Kind schuldig. Dann kamen Fianryn und Connavar, an ihnen habe ich versucht es wieder gutzumachen, es schien so sehr zu passen: Eine Mutter ohne Kind und zwei Kinder ohne Mutter. Jetzt weiß ich, dass sie vermutlich nur mit ihrem Vater besser dran gewesen wären als mit … so etwas wie mir.“  Erschöpft und emotional vollkommen aufgebracht löst sie den Blick von ihren Händen und schaut Olyvar in die Augen: „Nun weißt du es. Du hast einen selbst selbstverleumdnerischen, schwachen, ehrenlosen Feigling geheiratet. Ich will nicht deine Nacht sein, denn dann wäre sie sternenlos, wäre ich dein Morgen wäre er nebelverhangen und als dein Tag wäre ich ein kalter Regentag. Nun verstehst du doch, dass ich mir etwas Besseres für dich wünsche als mich, gerade weil ich dich so liebe, oder? Dein Herz und dein Leben wäre an mir nur verschwendet, ich habe sie nicht verdient.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 04. Sept. 2007, 00:34 Uhr
>Den Schmerz teilen?< Dianthas Stimme klingt so rau, als säßen ihr Splitter im Hals. "Aye. Das sollte ein guter Ehemann tun, nach eil?"
>Ja, das wäre schön.< Erwidert sie und klingt so wehmütig, dass es ihm die Kehle zuschnürt, dennoch schüttelt sie beinahe noch im selben Moment, da sie die Worte ausspricht, den Kopf. >Nein, ich habe ihn verdient und werde ihn mein Leben lang in meinem Herzen tragen, ich kann dir nicht etwas aufbürden, das du nicht verdient hast. Dazu liebe ich dich zu sehr.< "Und ich liebe dich. Willst du also wohl mir überlassen, was ich verdiene und was nicht?" Widerspricht er sanft und drückt sie einen Moment lang an sich. Ihre Worte wärmen ihn bis in sein Inneres, aber ebenso alarmieren sie ihn, fast mehr als ihre merkliche Verzweiflung. Was kann so schlimm sein, dass sie glaubt, mich davor bewahren zu müssen? Olyvar spürt ihre Finger in seinem Nacken, in seinem Haar und dreht den Kopf, um für einen Moment seine Wange an ihren Handrücken zu schmiegen, und Diantha lehnt sich an ihn und vergräbt ihr Gesicht an seiner Schulter, ehe sie weiter spricht - leise, gedämpft durch den Stoff seines Hemdes und schließlich halb erstickt, aber er hört jedes Wort. >Doch du sollst erfahren, was damals passiert ist, damit du weißt, was für einen Mensch du da wirklich geheiratet hast. Ich wollte es erzählen, bevor du auf die Idee kommen könntest, mich heiraten zu wollen, aber dann kam das Inarifest so überraschend und in der Zeit danach war ich unsagbar glücklich. Alles was ich wollte war, dieses Gefühl noch einmal voll auszukosten, bevor es auf die Probe gestellt wird und vermutlich zerbricht.< "Pssst," murmelt er, leise und beruhigend, wie zu einem Kind, das Angst vor der Dunkelheit hat und streicht ihr über den Rücken. "Hier wird gar nichts zerbrechen, Diantha."
>Du hast einmal gesagt, dass es elementare Dinge gibt, die man von einander wissen muss, womit du recht hattest und das ist wohl eins der grundlegendsten in meinem Leben. Ich... ich habe nur noch nie mit jemandem... darüber gesprochen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll... ich kann dir ja nicht meine ganze Lebensgeschichte erzählen.<
"Warum nicht, mo cridhe?" Er lächelt leicht, fährt mit den Händen unter die Aufschläge ihres Hemdes und umfasst ihre Arme. Ihre Haut ist kühl, fast klamm und die Muskeln darunter sind vollkommen verkrampft. "Du zitterst ja." Er will sie festhalten, um sie zu wärmen, dicht an seinem Körper geborgen und eingehüllt in seine Wärme, doch sie schlingt die Arme um seinen Nacken, starrt mit brennenden Augen auf einen Punkt irgendwo hinter ihm, ohne etwas von ihrer Umgebung wirklich wahrzunehmen und flüstert: >Kennst du den Wunsch, nur einmal etwas an der Vergangenheit ändern zu können? Nur dieses eine Mal.<
"Aye. Das kenne ich gut," murmelt er und nickt. Er weiß genau, wovon sie spricht - auch in seinem Leben gibt es das eine oder andere, mit dem er leben muss und das er sofort ändern würde, hätte er die Chance dazu. > Als der Großteil meiner Familie und viele meiner Freunde starben, war ich wütend auf die Welt und die Götter, weil sie so etwas zugelassen haben. Wie ich mir gewünscht habe, etwas dagegen tun zu können! Aber ich wusste, dass ich nichts tun konnte, ich hatte keine Schuld daran.<

Dianthas Tonfall ist merkwürdig unbeteiligt, sehr beherrscht, ja fast kühl - doch er spürt ihr Zittern nach wie vor und Olyvar kennt sie gut genug, um zu wissen, dass sie diese Fassade der Sachlichkeit braucht, um das alles überhaupt über die Lippen zu bringen. >Keine zwei Zwölfmonde später hätte ich etwas tun können um mein Kind zu verteidigen und was habe ich getan? Ich war wie erstarrt, ich wollte nicht glauben, dass das wirklich passieren könnte.< Ihre Fingernägel bohren sich schmerzhaft in seine Schultern, wo sie sich am Stoff seines Hemdes festkrallt als sei er ihr einziger Halt im Mahlstrom des Chaos, und seine eigenen Gedanken rasen in ein halbes Dutzend Richtungen davon. Zwei Zwölfmonde später? Ah dhia! Damals kann sie gerade einmal... "Diantha..."
>Verdammt, ich habe einfach nur da gesessen und sie fassungslos angestarrt! Ihn und den Mann mit den Augen kalt und hart wie Granit.< Er spürt sie einmal von Kopf bis Fuß erschauern und hält sie fest. Obwohl er weiß, was kommt, was damals geschehen sein muss, erschüttern ihn ihre nächsten Worte bis ins Mark. >Als du mir erklärt hast, warum du die Auspeitschungen durchführst, hast du gesagt, dass es Menschen gibt, die gerne andere über alle Maßen schinden. Ich habe einen kennen gelernt...  Und wahrscheinlich noch Glück gehabt, dass er wusste, Riku hätte ihn umgebracht, wenn er mich... verunstaltet hätte. <
Nein! Oh Götter, bitte... nein... Diantha schüttelt so heftig den Kopf, als wolle sie die Bilder der Erinnerung aus ihren Gedanken verbannen, aber gegen die Bilder in seinem Kopf kann sie nicht das Geringste tun. Bleich und schockiert holt er so vernehmlich Luft, dass es klingt, als zerreiße irgendwo Tuch. >Ich hätte kämpfen müssen oder wenigstens weglaufen. Ich war so jung, so dumm, so überzeugt davon, dass ich den Mann, den ich liebte, kenne. Als ich dann endlich, nach einer halben Ewigkeit, realisiert hatte, dass es kein übler Scherz war, dass man mir mein Kind wirklich nehmen wollte, als ich endlich aus meiner Erstarrung erwacht war und mich gewehrt habe, war es viel zu spät.< Noch mehr als die ungebetenen Bilder von brutalen Händen und blutigen, verbogenen Drähten in seinen Gedanken, die er einfach nicht wieder loswird, trifft ihn die abgrundtiefe Selbstverachtung in ihrer Stimme. >Außerdem war ich damals so schwach und konnte mit Waffen kaum umgehen. Riku würde mich ja schließlich beschützen, nicht wahr? Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich ihn mir nur so zurechtbiegen, wie ich ihn haben wollte, ohne zu sehen, wie er wirklich war? Ohne zu sehen, was für ein Monster er war? Ich wollte es schlichtweg nicht wissen, ich habe mir ja sogar eine halbe Ewigkeit eingeredet er wäre ein aufrichtiger Edelsteinhändler. Aufrichtig! Er!<

Riku. Er weiß, dass es einen Mann in ihrem Leben in Nachtschimmer gegeben hat, aber bisher war es ein gesichtsloser Schatten gewesen - jetzt hat er einen Namen und damit unwillkürlich auch ein Gesicht, wenn auch keines, das klare Züge trägt. Mac na galladh. Danke den Göttern, dass sie neun Höllen erschaffen haben, denn eine wäre niemals groß genug für uns beide! "Conasg..."
>Er hat mir einfach alles weggenommen, das etwas zählt. Er hätte alles war ich an Wertbesitz hatte mit einem Handkuss haben können, die grässlichen Kleider in die er mich gesteckt hat, den plumpen Schmuck, den er mir umgehängt hat. An mir, seinem Eigentum, seiner Puppe.< Sie faucht wie eine aufgebrachte Katze, aber gedämpft, um die Kinder nicht aufzuschrecken, die ihnen und der Dramatik am Tisch jedoch keinerlei Beachtung schenken und Olyvar wird einiges klarer - etwa ihre seiner Meinung nach völlig unbegründete Abneigung gegen Kleider und so vieles, das in irgendeiner Weise als weiblich gelten könnte. >Das war alles, was er von Anfang an wollte, eine Puppe, kleiner und zarter als die anderen Frauen, mit großen blauen Augen und den mehr als eine Elle langen blonden Locken. Immer noch ein bisschen naiv und von der Liebe überzeugt. Ich war perfekt, vor allem als ich noch lernte den Mund zu halten, schließlich sollten die wichtigen Kunden nicht an meiner Wortwahl hören, aus was für einfachen Verhältnissen ich kam.<  Sie schüttelt bitter den Kopf und legt die Maske der Unnahbarkeit wieder an, spricht ruhig und beinahe tonlos weiter, doch ihre Stimme hat einen Beiklang, der seinen Magen beklommen rumoren lässt. In ihr gären Schmerz und Wut, Olyvar kann es so deutlich spüren, als wären es seine eigenen Eingeweide, die sich zusammenballen und zu einem kalten Knoten verschlingen. >Ich hätte ihm alles gegeben, alles für ihn getan, aber dieses Kind hätte er mir nicht nehmen dürfen. Das war wirklich dumm von ihm, damit hat er sich den einzigen Menschen zum Feind gemacht, dem er wirklich vertrauen konnte und der ihm den Rücken frei gehalten hat. An einem Nachmittag hat er mir mein Kind, meinen Stolz, meine Selbstachtung und meine Ehre weggenommen und das Schlimmste ist, dass ich mir das alles einfach habe nehmen lassen, ich habe nicht genug gekämpft.< Er will ihr widersprechen, will sie trösten und ihr den Schmerz nehmen, doch er kommt nicht dazu, denn in diesem Moment hört er ein Jammern und es kommt von ihr. Der Ton dringt direkt in sein Herz, doch Diantha verbirgt ihr Gesicht in ihren Händen und berührt ihn nicht mehr. Olyvar hört sie nicht weinen, aber ihre Schultern zucken und ihr ganzer Körper bebt, lautlos geschüttelt von einer Qual, für die sie nicht einmal mehr Tränen zu haben scheint. Er legt beide Arme um sie, hält sie, wiegt sie wie ein Kind und murmelt leise, tröstende Worte auf Tamar in ihr Haar, doch ob sie ihn hört, kann er nicht sagen. Es dauert eine Weile, ehe sie sich wieder soweit gesammelt hat, dass sie die Hände herunter nehmen und fortfahren kann, doch nun hat sie jede Maske fallen lassen - sie spricht noch immer gedämpft, doch sie klingt nicht länger beherrscht und distanziert.

>Heute würde ich meine Kinder mit meinem Leben beschützen. Das hätte ich damals auch tun müssen! Wie konnte ich das nur geschehen lassen? Wie konnte ich nur? Nicht einmal an ihm rächen konnte ich mich, als ich endlich gelernt hatte mit Waffen so gut umzugehen, dass ich gegen ihn und seine Leute angekommen wäre, wollte ich meine Schuld an meinem Kind begleichen. Doch er war wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um herauszufinden wo er war und ich war nicht immer zimperlich.< Das kann er sich lebhaft vorstellen, denn er selbst hätte keinen Deut anders reagiert, wäre er an ihrer Stelle gewesen. >Er hatte den Mund zu weit aufgerissen und war der Gilde ein Dorn im Auge geworden, das konnte ich herausfinden. Das bedeutet, entweder sie haben ihn still und leise entsorgt oder er ist ihnen in letzter Minute entwischt und hat sich eine neue Identität zugelegt. Ich wollte das Letztere ausschließen und bin ihm vier Jahre hinterher gejagt, so bin ich auch nach Talyra gekommen. Es war eine aussichtlose Suche nach einem Phantom, aber ich war es meinem Kind schuldig.< Das Begreifen kommt so schlagartig, als hätte ihn eine Faust direkt unterhalb des Brustbeins getroffen. A Dhia, thois cobhair! Olyvar hatte fest geglaubt, Riku sei tot, sie hätte ihn getötet und ihr Kind gerächt, bevor sie Nachtschimmer verlassen hatte - jetzt erfährt er, dass dem gar nicht so war. Es mag nicht sehr wahrscheinlich sein, dass der Bastard noch irgendwo am Leben ist, aber möglich ist es durchaus. Olyvars Kiefer pressen sich bei diesen Aussichten so fest aufeinander, dass die Muskeln über seinen Wangeknochen spielen und für einen Moment sind seine Augen wintergrau und kalt wie Flusswasser. Wenn du es noch bist, Mann aus Nachtschimmer. Wenn du noch atmest und irgendwo lebst, dann finde ich dich. Bevor er Luft holen kann, um etwas zu sagen, fährt Diantha fort: >Dann kamen Fianryn und Connavar, an ihnen habe ich versucht es wieder gutzumachen, es schien so sehr zu passen: Eine Mutter ohne Kind und zwei Kinder ohne Mutter. Jetzt weiß ich, dass sie vermutlich nur mit ihrem Vater besser dran gewesen wären als mit... so etwas wie mir.<
"Besser dran gewesen...? So etwas wie... dir?" erwidert er verwirrt und glaubt ernsthaft, sich verhört zu haben. Diantha, die bis jetzt entschlossen auf ihre Hände gestarrt hatte, hebt den Kopf und sucht seinen Blick. >Nun weißt du es. Du hast einen selbst selbstverleumderischen, schwachen, ehrenlosen Feigling geheiratet.<
"Einen... Feigling?" Wiederholt er ziemlich bestürzt und nicht minder sprachlos, doch sie ist noch nicht am Ende mit ihrer Selbstgeißelung. >Ich will nicht deine Nacht sein, denn dann wäre sie sternenlos, wäre ich dein Morgen wäre er Nebel verhangen und als dein Tag wäre ich ein kalter Regentag. Nun verstehst du doch, dass ich mir etwas Besseres für dich wünsche als mich, gerade weil ich dich so liebe, oder? Dein Herz und dein Leben wären an mir nur verschwendet, ich habe sie nicht verdient.<

Es fehlt nicht viel und er würde aufspringen und seine närrische Frau schütteln, bis ihr die Zähne klappern, doch er ist derart erschrocken, solche Worte aus ihrem Mund zu hören, dass er Diantha einen Herzschlag lang nur fassungslos anblinzeln kann, ehe er seine Sprache - und gleich darauf auch ein paar funktionierende Muskeln und Nervenenden - wieder findet. Olyvar steht auf, hebt sie hoch und setzt sie auf die Tischplatte hinter ihr als wöge sie nichts, packt sie an den Armen und hält ihren Blick dann fest in seinem. "Sag das nicht! Sag das nie wieder, hörst du? Das dulde ich nicht!" Am liebsten hätte er mit der Faust auf den langen und entsprechend massiven Tisch geschlagen, aber das hätte die Kinder aufgeschreckt und die Tischplatte vermutlich in Splitterbrei verwandelt. "Das ist mit Abstand der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe. Du darfst so etwas nicht einmal denken, conasg. Ich wäre nicht besser ohne dich dran, die Kinder wären es ebenfalls nicht, und du bist nichts von alledem, was du behauptest hast zu sein, gar nichts!" Er ist unleugbar schockiert, dass sie so etwas von sich selbst auch nur für einen Moment annehmen kann, aber noch mehr bestürzt ihn, dass sie offenbar wirklich glaubt, er müsste jetzt, da er es weiß, ebenso denken. "Himmel, im Gegenteil, du bist sehr tapfer, weißt du das?" Jetzt schüttelt er sie wirklich, wenn auch sacht, und nur, um sie gleich darauf langsam, aber so fest an sich zu pressen wie er es nur irgend wagen kann, ohne ihr dabei ein paar Rippen zu brechen. Er birgt ihren Kopf an seiner Brust und glättet ihr wirres Haar, in dem sich seine Finger verfangen. "Hör mir zu, conasg," drängt er, von der plötzlichen Furcht gepackt, er könnte sie verlieren - dass sie gehen könnte, um ihr Leben ohne ihn zu leben, dass sie ihn verlassen könnte, weil sie der völlig absurden Annahme zu sein scheint, er hätte etwas Besseres als sie verdient, wenn er sie nicht irgendwie an sich binden und sie fest an seiner Seit halten kann. Diantha schüttelt wild den Kopf, doch er lässt ihr keine Gelegenheit, zu widersprechen. "Nein, hör mir zu, verdammt noch mal!" Olyvar zwingt ihr Gesicht mit sanfter Gewalt nach oben und hält es zwischen seinen großen Händen, während er mit den Daumen über ihre Wangen streichelt. Er spürt die weiche Haut und die festen Umrisse der Knochen darunter, spürt die Adern an ihren Schläfen pochen und wünscht sich, er könnte sie in sein Inneres, direkt in seinen Blutstrom aufnehmen und sie bis in die sicheren Kammern seines Herzens davontragen. "Diantha." Sie hört die Not in seiner Stimme und sieht ihn an. "Diantha," wiederholt er noch einmal, sanfter. "Ich liebe dich. Nichts, was du mir erzählt hast, könnte daran etwas ändern. Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast, dass ich es weiß und dich besser verstehen kann - und gleichzeitig tut es mir leid, dass ich dich dazu gebracht habe, wieder an all diese Dinge denken zu müssen... es tut mir so leid, conasg. Was man dir angetan hat, erfüllt mich mit einer solchen Wut, dass ich das Gefühl habe, ich muss jemanden umbringen oder platzen, aber nichts davon war deine Schuld.

Hörst du? Es. War. Nicht. Deine. Schuld. Es war nicht deine Schuld. Sieh mich an. Du hast gesagt, du bist etwa um die zwanzig Zwölfmonde alt," fährt er kompromisslos logisch fort. "Es war vor fünf Jahren, Diantha, nach eil? Das heißt, du warst erst fünfzehn! Fünfzehn, vielleicht sechzehn, aber in jedem Fall selbst noch ein halbes Kind. Und du hast diesen... Mann," er bringt den Namen nicht über die Lippen, selbst so fletscht er beinahe die Zähne und hätte am liebsten geknurrt, "geliebt. Wie hättest du das ahnen können? Und wie hättest du dich wehren sollen? Selbst wenn du auf dem Absatz kehrt gemacht hättest und um dein Leben gelaufen wärst, hätte er dich gehen lassen? Ich denke nicht. Es war nicht deine Schuld und es gab nichts, das du hättest tun können. Es hätte keine Rolle gespielt, ob du dich mehr gewehrt hättest oder nicht, du hättest ihn nicht daran hindern können. Du bist eine tapfere, wunderbare Frau, aber du bist eine Frau. Du hast es selbst gesagt - du warst schwach, kleiner und zarter als andere. Und du wusstest wenig vom Umgang mit Waffen. Willst du dich zu Tode grübeln und dir vormachen, dass du ein Feigling wärst, weil du als Mädchen nicht mit bloßen Händen einen Branbären vertreiben konntest?" Er holt tief und langsam Luft und neigt den Kopf, bis seine Stirn die ihre berührt. "Erinnerst du dich, was ich im Wald zu dir gesagt, habe, als wir mit Conn und Fianryn bei den Waldkoppeln waren? So lange ich lebe, wird nie wieder jemand Hand an dich legen oder dir Leid zu fügen. Ich dachte... Riku wäre tot. Ich weiß nicht, ob er es ist oder nicht und du scheinbar auch nicht, aber wenn du Gewissheit willst, wenn dir das Frieden geben würde, dann lasse ich ihn suchen. Falls er noch lebt, finde ich ihn. Und wenn ich ihn finde, wird er seine Schuld begleichen."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 06. Sept. 2007, 23:49 Uhr
Auf Dianthas Worte folgt zunächst fassungsloses Schweigen und alles was sie hofft ist, dass Olyvar ruhig reagieren wird, sie einfach nur mit ruhiger Stimme wegschickt, weil sie ihm die Wahrheit so lange verschwiegen hat und er ihr seine Kinder nicht mehr anvertrauen kann. Diese Hoffnung scheint sich allerdings nicht zu erfüllen, stattdessen findet sie sich plötzlich auf dem Esstisch wieder, mit einem wutschnaubenden Olyvar vor sich, dessen Hände sich um ihre Arme geschlossen haben. Sie hat lange genug darüber gegrübelt, wie er reagieren könnte und sich zahlreiche Szenarien ausgemalt, sodass sie diese Reaktion nicht wirklich verwundert. Das einzige was sie bedauert ist, dass die Kinder es mit anhören werden, wenn er ihr lauthals klar macht, was er nun von ihr hält, sie möchte nicht, dass die Zwillinge Angst kriegen. Es kommt ihr überhaupt nicht in den Sinn, dass ihr Mann sie nicht wie ein Stück Abfall aus seinem Leben schmeißen, sich nicht laut über sie auslassen könnte. Doch obwohl sie durchaus mit einer solch unangenehmen Reaktion gerechnet hat, fühlt sie eine gewisse Unruhe in sich aufsteigen, als er so vor ihr steht. Natürlich weiß sie wie groß er ist, sie kennt diese starken Schultern und das breite Kreuz sehr gut, allerdings hat er sich noch nie so drohend vor ihr aufgebaut. Dass ihr Gewicht für ihn nicht gerade eine außergewöhnlich schwere Last ist, erfährt sie nicht zum ersten Mal und zugegebener Maßen hatte sie das auch immer sehr anziehend gefunden. Ihr gefällt seine durchaus beeindruckende Erscheinung , den aufgebrachten, fast schon grimmigen Blick in seinen Augen kennt sie jedoch nicht und obwohl sie sich nicht vorstellen kann, dass er ihr etwas tun würde, macht sie dieser Blick nervös. Die einzige Assoziation, die ihr in den Sinn kommt ist karhu und zwar ein verdammt wütendes Exemplar. Diantha kommt sich schutzlos vor, gleich in zweifacher Hinsicht, zunächst einmal weil sie ihm jetzt alles erzählt hat, ihm ihre größte Schwachstelle offenbart hat und er den Dolch in der Wunde nun noch weiter herumdrehen kann, indem er ihr aufzählt, was sie hätte tun können und müssen. Noch dazu rein körperlich, sie fühlt sich wie ein Hase, den der Steinadler fest im Griff hat und problemlos zerdrücken kann, wann immer er es für richtig hält. Sie erwartet alles – Anschuldigungen, Beleidigungen, harte Worte, aber ganz sicher nicht das, wozu er sie dann tatsächlich auffordert: >"Sag das nicht! Sag das nie wieder, hörst du? Das dulde ich nicht!"< „Was?“, fragt sie leise und vollkommen perplex. Wolltest du nicht wissen, wer oder eher was ich wirklich bin? Wolltest du dir lieber etwas vorlügen? Das glaube ich dir nicht, mieheni! Außerdem stellt sie verwundert fest, dass dies das erste Mal ist, dass er ihr doch etwas schlichtweg verbietet. >"Das ist mit Abstand der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe. Du darfst so etwas nicht einmal denken, conasg. Ich wäre nicht besser ohne dich dran, die Kinder wären es ebenfalls nicht, und du bist nichts von alledem, was du behauptest hast zu sein, gar nichts!"< Diantha schnappt nach Luft wie der Fisch auf dem Trockenen, kann mit diesen Worten überhaupt nichts anfangen. Niemals hätte sie in Betracht gezogen, dass jemand ihre Selbstvorwürfe für schlichtweg falsch halten könnte, zu lange hat sie sich ihre Schuld eingeredet. Jetzt steht der Mann vor ihr, den sie so sehr liebt, dass sie bereit wäre ihren Platz für eine Bessere zu räumen und der raunzt sie an, dass sie nicht einmal daran denken soll. Plötzlich hat sie das Gefühl, dass er eine fremde Sprache spricht, natürlich versteht sie seine Worte, doch deren Sinn zu erfassen scheint unmöglich zu sein, sie muss ihn missverstehen. Doch es wird noch grotesker: >"Himmel, im Gegenteil, du bist sehr tapfer, weißt du das?"< Sie starrt ihn an, als hätte er ihr gerade erzählt  Immerfroster Windläufer hätten Kiemen und würden sich von Plankton ernähren. Tapfer? Ich? Wie kommt er denn auf diese absurde Idee?, geht ihr durch den Kopf, während er sie sacht schüttelt.

Da er sie an den Oberarmen festhält, will sie gerade mit den Händen nach seinen Handgelenken greifen und sich von ihm losmachen, um ein wenig Distanz zwischen sie zu bringen und klar zu stellen, dass er etwas missverstanden haben muss, als Olyvar sie in seine Arme zieht und so fest an sich drückt, dass ihr Hören und Sehen vergeht. Für einen Moment bleibt ihr der Atem weg, während er ihr über den Kopf streicht und sich seine Finger immer wieder in dem lockigen Haar verharken. >"Hör mir zu, conasg". In seiner Stimme klingt fast etwas wie Angst, sodass sich Diantha wünscht, sie könnte weglaufen, weg von dem Leid, das sie über ihn gebracht hat, obwohl sie ihn genau davor beschützen wollte. Doch seine Umarmung ist immer noch so fest, dass sie kaum die Möglichkeit zu atmen hat, geschweige denn sich von ihm zu lösen. Einerseits fühlt sie sich davon schrecklich eingeengt, andererseits macht diese Umarmung eindeutig klar: Er wird sie nicht wegschicken, nicht jetzt und nicht in naher Zukunft, stattdessen wird er sie nicht gehen lassen, selbst wenn sie es um seinetwillen möchte. Sie beginnt den Kopf zu schütteln, immer stärker, das hier ist nicht richtig, sie muss sich falsch ausgedrückt haben, er muss etwas missverstanden haben. Sie ist es ihm schuldig klarzustellen, wer sie wirklich ist und will ansetzen es ihm noch einmal zu erklären, doch er lässt ihr dazu keinerlei Gelegenheit, sondern schneidet ihr einfach das Wort ab: "Nein, hör mir zu, verdammt noch mal!" Er hebt ihren Kopf an und hält ihn fest, doch die Berührung seines Daumens auf ihrer Wange ist sanft. Trotzdem will sie ihm nicht in das Gesicht sehen, sie fühlt sich klein und dreckig, nicht einmal ihrem Mann kann sie begreiflich machen, was – ihrer Meinung nach – Fakt ist. >"Diantha."< Nun ist die Besorgnis aus seiner Stimme nicht mehr wegzuhören, was sie doch aufschauen lässt und in seinen Augen findet sie neben Wut und Schockiertheit noch immer die Liebe, von der sie überzeugt war, dass sie verschwunden sein würde, doch sie ist noch da, ebenso wie die Zärtlichkeit, die ihr die Knie so problemlos schwach machen kann, die hört man auch deutlich, als er ihren Namen noch einmal wiederholt. Noch dazu kann sie eindeutig Angst erkennen, Angst um sie. Wie kann das sein?  >"Ich liebe dich. Nichts, was du mir erzählt hast, könnte daran etwas ändern."< Verdattert schaut sie ihn an und ein kleiner Hoffnungsfunke schleicht sie aus den tiefen ihres Herzens an die Oberfläche. Sie war von dem Schlimmsten ausgegangen um nicht enttäuscht zu werden und sie mag immer noch nicht so recht wahrhaben, dass sie damit falsch gelegen hat. >"Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast, dass ich es weiß und dich besser verstehen kann - und gleichzeitig tut es mir leid, dass ich dich dazu gebracht habe, wieder an all diese Dinge denken zu müssen... es tut mir so leid, conasg."< „Das… das muss dir doch nicht Leid tun…“, murmelt sie prompt. Er entschuldigt sich bei mir dafür, dass ich ihm alles erzählt habe? Dabei hat er doch ein Recht darauf! >"Was man dir angetan hat, erfüllt mich mit einer solchen Wut, dass ich das Gefühl habe, ich muss jemanden umbringen oder platzen, aber nichts davon war deine Schuld."< Sie will etwas einwenden, doch er scheint zu wissen, was sie sagen will und schneidet ihr ein weiteres Mal das Wort ab. >"Hörst du? Es. War. Nicht. Deine. Schuld. Es war nicht deine Schuld."< Wie gerne würde sie ihm glauben, einfach alles vergessen und noch einmal neu anfangen, doch das kann sie nicht. Wieder senkt sie den Blick, doch gleich fordert Olyvar sie auf: >"Sieh mich an. Du hast gesagt, du bist etwa um die zwanzig Zwölfmonde alt." Sie schaut wieder  in seine grauen Augen und ihr ist, als ob sie jeden kleinen Sprenkel darin sehen kann und nicht das erste Mal an diesem Morgen fragt sie sich, was hinter diesen Augen vor sich geht. Worauf will er jetzt wieder hinaus? >"Es war vor fünf Jahren, Diantha, nach eil? Das heißt, du warst erst fünfzehn! Fünfzehn, vielleicht sechzehn, aber in jedem Fall selbst noch ein halbes Kind."< Selbst wenn sie ihm gesagt hätte, dass er dabei unterschlägt, dass seitdem sie ihm das gesagt hat ein weiteres Jahr vergangen ist und sechzehn oder siebzehn Jahre ein ganz normales Alter für das erste Kind ist, jedenfalls bei dem einfachen Volk, aus dem sie stammt, hätte er ihr nicht zugehört. Er redet sich in Rage und wirkt dabei auch noch sehr überzeugend, als er sie von jeglicher Schuld freispricht. >"Und du hast diesen... Mann geliebt. Wie hättest du das ahnen können? Und wie hättest du dich wehren sollen? Selbst wenn du auf dem Absatz kehrt gemacht hättest und um dein Leben gelaufen wärst, hätte er dich gehen lassen? Ich denke nicht."< Natürlich hat er recht, Riku hätte sie niemals gehen lassen, wäre sie schwanger entkommen hätte er seine Männer auf sie Jagd machen lassen. Das hatte er ja auch getan, als sie nach dem Verlust ihres Kinds verschwunden war, doch niemand hatte in dem verwahrlosten, großmäuligen, stets Streit suchenden Gör, das seine Haare nur noch wenige Fingerbreiten lang trug, das stille, liebenswürdige, goldgelockte Mädchen wieder erkannt. Die Haare und die Kleidung waren schließlich nicht alles gewesen, was sie geändert hatte: Sie war anders aufgetreten, aufmüpfig und dreist, hatte anders geredet, Worte in den Mund genommen, die sie vorher nie ausgesprochen hätte und hatte alles versucht um sich von der alten Diantha zu distanzieren. Außerdem hatte sie mit diesem Verhalten die Abneigung in ihren Mitmenschen provoziert, die sie ihrer Meinung nach verdiente. Allerdings hatte nichts den Schmerz in ihr ersticken können, nicht die Schlägereien, die sie angezettelt hatte, nicht der Alkohol, nicht der häufige Ortswechsel, nicht die Zeit hinter Gittern. Sie hatte sich in diesem neuen Mensch verlaufen, den sie aus Wut und Hass auf sich selbst geschaffen hatte, trotzdem eine Freundin gefunden und das Ende der Freundschaft hatte sie nur noch weiter in den selben Kreislauf getrieben. Sie hatte vor sich hinvegetiert, auf einer erfolglosen Suche nach Riku und Vergeltung, nach irgendetwas für das es sich zu leben lohnt. Dahinein war ein Paar grauer Augen mit kleinen schwarzen Sprenkeln geplatzt, dass zu sagen schien: Beweis mir, dass du auch etwas anderes sein kannst als ein Miststück, dafür nehme ich dich mit. Ich traue dir nicht, aber möglicherweise könnte ich es eines Tages tun. Die einzigen Augen, die sie ansahen, als würde ihr Besitzer sich nicht vor ihr ekeln, obwohl er wusste, was für eine Giftspritze sie sein kann. Die einzigen Augen, die sie auch jetzt, wo sie Dianthas ganze Geschichte kennen, noch immer nicht mit Abneigung bedenken.

>"Es war nicht deine Schuld und es gab nichts, das du hättest tun können. Es hätte keine Rolle gespielt, ob du dich mehr gewehrt hättest oder nicht, du hättest ihn nicht daran hindern können. Du bist eine tapfere, wunderbare Frau, aber du bist eine Frau. Du hast es selbst gesagt - du warst schwach, kleiner und zarter als andere. Und du wusstest wenig vom Umgang mit Waffen. Willst du dich zu Tode grübeln und dir vormachen, dass du ein Feigling wärst, weil du als Mädchen nicht mit bloßen Händen einen Branbären vertreiben konntest?" Aber ich hätte es doch versuchen müssen?, fragen ihre Auge und als Antwort legt er nur seine Stirn an ihre. Nun hat er nichts beunruhigendes mehr an sich und sie hebt zögerlich die kalte, zitternde Hand um sie an Olyvars Wange zu legen. Er ist tatsächlich hier, sie kann seine Haut an ihren Fingern fühlen, es ist nicht irgendein kindlicher Wunschtraum. >"Erinnerst du dich, was ich im Wald zu dir gesagt, habe, als wir mit Conn und Fianryn bei den Waldkoppeln waren? So lange ich lebe, wird nie wieder jemand Hand an dich legen oder dir Leid zu fügen. Ich dachte... Riku wäre tot. Ich weiß nicht, ob er es ist oder nicht und du scheinbar auch nicht, aber wenn du Gewissheit willst, wenn dir das Frieden geben würde, dann lasse ich ihn suchen. Falls er noch lebt, finde ich ihn. Und wenn ich ihn finde, wird er seine Schuld begleichen."< Natürlich erinnert sie sich an diesen Nachmittag, er ist fest in ihren Erinnerungen verankert und hat ihr Ende Grünglanz viel geholfen. Ein strahlend heller Tag in ihrem Leben, der so einige dunkle problemlos aufwiegen kann. Olyvars Angebot eröffnet ganz neue Möglichkeiten, doch sie muss erst einmal fassen, dass das, was in den letzten Minuten passiert ist, Realität ist, seine Worte dringen gar nicht ganz bis zu ihr durch. Sie schaut ihn einige Zeit nur an, ihre Hand liegt noch immer an seiner Wange und er gibt ihr den Moment, den sie braucht, um ihre Gedanken zu sortieren.
„Es ist dein Ernst, was du da gesagt hast?“, fragt sie skeptisch, als wolle sie jegliches Missverständnis aus dem Weg räumen. Als ihr die Antwort bejaht wird, wird ihr Blick weich und weit. „Du … du meinst wirklich … dass ich keine Schuld habe?“, flüstert sie fragend, als ob sie abwägen würde, ob er rein theoretisch recht haben könnte. „Du … du … du findest mich … nicht … abstoßend?“ Der Blick in seine Augen genügt als Antwort, lässt keinerlei Zweifel zu. „Du lässt mich bei euch bleiben? Schickst mich nicht weg? Wirklich nicht?“ Langsam füllen sich ihre Augen mit Tränen, Tränen des Unglaubens,  Tränen der Freude, Tränen der Befreiung, sie hat doch tatsächlich jemanden gefunden, der sie auch nachdem er den dunkelsten Tag ihres Lebens kennt, nicht von sich stößt. Sie schluckt, dann klebt sie mit einem Mal an seinem Hals und hat das Bedürfnis ihn nie wieder loszulassen, komme was da wolle. „Danke“, schluchzt sie, während sich sein Hemd mit salzigem Wasser mehr und mehr voll saugt. „Ich … ich will doch nichts mehr, als bei euch zu bleiben“, bringt sie irgendwann, nach einer halben Ewigkeit hervor. „Wie sollte ich denn ohne euch leben? Alles was ich will ist, dass du glücklich bist, du hast mich doch damals wider besserem Wissen mit nach Blurraent genommen.“ Sie wischt sich über das Gesicht, aber all die Tränen, die sie in den vergangenen Jahren nur höchst selten vergießen konnte, scheinen sich jetzt ganz plötzlich einen Weg bahnen zu wolle. „Bei dir hatte ich das Gefühl, dass ich trotz des Debakels auf dem Inarifest beweisen konnte, dass ich mehr bin als nur irgendein dahergelaufener Dieb.“ Bei dem Gedanken daran lächelt sie. „Deshalb wollte ich auch nicht von dir weg, als wir wieder zurück in Talyra waren und habe lauter dumme Ausreden erfunden um nicht gehen zu müssen. Du bist doch der Einzige, der von Anfang an mehr in mir gesehen hat und trotz allem, was ich dir heute erzählt habe, tust du es noch immer.“ Sie holt tief Luft, weinen und reden ist keine sonderlich gute Kombination, dabei vergisst man nur allzu leicht das Atmen, und sie lässt ihn gerade so weit los um ihm in die Augen sehen zu können. „Soris muss dich extra für mich ausgesucht haben“, haucht sie und küsst ihn, es ist ein von Tränen salziger Kuss, doch innig und so hingebungsvoll, als wolle sie ihm damit für all das danken, was er für sie getan hat und auch noch immer tut. Einfach indem er ist, wie er ist, indem er alles an ihr liebt – nicht nur den holen Schein, sondern die wahre Diantha, mit ihrer dunklen, verzweifelten, von Selbsthass zerfressenen Seite. Während sie ihn küsst gehen ihr einige Worte durch den Kopf, deren Bedeutung ihr jetzt erst so recht klar wird. Willst du sie lieben und ehren, in den guten wie in den dunklen Tagen … in Freude und Leid? Und sie hört sein „Ja“, als ob es erst ein paar Augenblicke her wäre.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 18. Sept. 2007, 11:28 Uhr
Ihre Hand legt sich an seine Wange, so leicht wie ein Vogel, kühl und bebend, unsicher wie sie es schon einmal getan hatte, in jener uisgetränkten Nacht in der Laube. Doch was er sich damals kaum gestattet hatte, tut er jetzt gleich - er schmiegt seine ganze Wange in ihre Handfläche und wärmt ihre klammen Finger. Diantha berührt ihn so zögernd, als erwarte sie halb, er müsse sich beim kleinsten Kontakt in Luft auflösen, aber sie nimmt ihre Hand nicht fort, nicht einmal, als sie den Kopf zurücklegt und zu ihm hoch blinzelt. Olyvar richtet sich auf, steht still und sieht ihr direkt in die Augen. Eine ganze Weile, die ihm sehr lang vorkommt, ruht ihr Blick fragend auf ihm und sie mustert ihn eindringlich, bis sich erst allmähliches Begreifen, dann fassungsloses Staunen in ihre Augen zeigt. >Es ist dein Ernst, was du da gesagt hast?< Hört er sie fragen und das Misstrauen in ihrer Stimme ist nur zu deutlich. "Mein voller Ernst, conasg," erwidert er ruhig. In den dunklen, blauen Tiefen ihrer Augen verändert sich etwas, gerät in Bewegung wie Wasser, in das man einen Stein wirft, als habe jemand - oder etwas - oder vielleicht auch seine Worte, eine dunkle, sperrige Tür in ihrem Inneren geöffnet. Dann weiten sie sich, und er meint so etwas wie Hoffnung in ihnen zu sehen. >Du... du meinst wirklich... dass ich keine Schuld habe? Du... du... du findest mich... nicht... abstoßend?< Olyvar öffnet den Mund, um zu protestieren... Abstoßend? Du lieber Himmel!... doch er kommt nicht dazu, denn offensichtlich sagt ihr sein Gesichtsausdruck deutlich genug, was er von einem derart absurden Gedanken hält. >Du lässt mich bei euch bleiben? Schickst mich nicht weg? Wirklich nicht?<
"Wegschicken?" Echot er wie vom Donner gerührt. "Ifrinn! Diantha, warum sollte ich dich..."  Er sieht ihre Miene und die Tränen, die sich in ihren Augen sammeln, und das nimmt jedem weiteren Ausbruch der Empörung den Wind aus den Segeln. "Nein," er schüttelt langsam den Kopf, berührt ihr Gesicht, spürt die Feuchtigkeit an seinen Fingern und wischt behutsam die Tränen fort. "Bei allem, was mir heilig ist, Diantha, ich liebe dich, begreifst du das nicht? Und ich brauche dich. Warum also sollte ich etwas so..." weiter kommt er mit seinen Erklärungen nicht, denn sie umarmt ihn plötzlich so heftig, dass er um ein Haar gestolpert wäre - und dann gibt es kein Halten mehr. Sie klammert sich an ihn, als wolle sie mit ihm verschmelzen und er hält sie ebenso fest. Diesmal gibt es etwas, das er sagen kann, Worte, die ihr vielleicht Trost geben, und er flüstert sie alle in ihr wirres Haar - doch er sagt nicht "Beruhige dich" oder "Weine nicht". Er weiß, dass diese Tränen fließen müssen, soll es ihr besser gehen, denn sie schleppt diesen Schmerz schon so lange mit sich herum und - wenn überhaupt -, dann hatte es wohl nur sehr, sehr wenige Gelegenheiten gegeben, sich etwas davon von der Seele zu weinen.

Er hört sie etwas murmeln, versteht aber kein Wort, wiegt sie sacht wie ein Kind und spürt, wie ihre Tränen den Stoff seines Hemdes tränken, auf seine Haut treffen, sich in der Kuhle zwischen Schlüsselbein und Hals sammeln, über seine Brust rinnen und versickern. Ich kann dir deinen Schmerz nicht nehmen, aber ich kann ihn teilen, hatte er gesagt und er hatte es ernst gemeint, jetzt nimmt er ihn tatsächlich in sich auf, im wahrsten Sinne des Wortes. Olyvar kann nicht sagen, wie viel Zeit vergeht, während er sie hält und sie weinen lässt, aber irgendwann spürt er, wie sie sich regt, schnieft und Luft holt. >Ich... ich will doch nichts mehr, als bei euch zu bleiben. Wie sollte ich denn ohne euch leben?< Er beugt sich über sie und küsst ihre kalte Stirn. "Gar nicht. Du sollst mit uns leben, Diantha. Wir sind eine Familie. Du, die Kinder, ich. Wir. Das ist doch alles, was zählt." >Alles was ich will ist, dass du glücklich bist, du hast mich doch damals wider besserem Wissen mit nach Blurraent genommen.< Sie lässt ihn nicht los und sie weint noch immer, spricht aber dennoch abgehackt und hicksend weiter. >Bei dir hatte ich das Gefühl, dass ich trotz des Debakels auf dem Inarifest beweisen konnte, dass ich mehr bin als nur irgendein dahergelaufener Dieb.< Er kann ihr Lächeln nicht sehen, aber er hört es in ihrer Stimme. >Deshalb wollte ich auch nicht von dir weg, als wir wieder zurück in Talyra waren und habe lauter dumme Ausreden erfunden um nicht gehen zu müssen. Du bist doch der Einzige, der von Anfang an mehr in mir gesehen hat und trotz allem, was ich dir heute erzählt habe, tust du es noch immer.< Jetzt lächelt auch er. "Dumme Ausreden? Soso. Nun, was immer an den Tatsachen, dass du Kinder so liebst und ich zufällig jemanden für die Zwillinge gebraucht habe, dumme Ausreden gewesen sein sollen, ich bin froh, dass sie dir eingefallen sind." Dann wird er ernst. "Diantha, denk nie wieder solchen Unsinn, dass du nicht gut genug für mich wärst. Du bist meine Frau. Geh aus dieser Tür und brich dein Herz und meines dazu, oder bleib und stell dich deinen Ängsten - es wird nicht das Geringste ändern. Schweig' dich über deine Vergangenheit aus oder erzähl mir alles - es wird nicht das Geringste ändern. Teile alle deine Geheimnisse mit mir oder behalte sie für dich, rede mit mir über was immer du willst oder fürchte dich vor allen Fehlern, die wir machen könnten - es wird nicht das Geringste ändern. Ich liebe dich. Ich sehe gar nicht mehr in dir, als irgendjemand sonst, conasg. Ich sehe einfach... dich."
Sie schnieft noch immer, holt ein paar Mal tief und zittrig Luft, hickst noch mehr und rückt dann ein Stück von ihm ab, um ihm ins Gesicht zu sehen, murmelt etwas von Soris und ausgesucht haben, stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn.

Er schmeckt süße Wärme, salzige Trauer und ihre Hingabe und noch etwas, das er nicht genau benennen kann, das aber unverwechselbar zu ihr gehört und ihn immer an einen Sommermorgen erinnert. Schmeckt er es oder ist es ihr Haar, ihre Haut, die so duftet? Er kann es unmöglich sagen, aber es geht direkt in sein Blut über und er hätte sie endlos so weiterküssen können, ihren Atem atmen, ihr Herz schlagen spüren, als läge es in seiner eigenen Brust, bis alle Grenzen sich auflösen, doch irgendwann muss er aufhören - notgedrungen, da kleine Finger an seinem Hosenbein zupfen. Als Olyvar nach unten blickt, sieht er in das sorgenvoll gefurchte Gesicht seines Sohnes, der sich flüsternd erkundigt, ob Dia ein "Aua" habe. Diantha vergräbt ihr verweintes Gesicht an seiner Schulter und wischt sich hastig die Tränen von den Wangen. Olyvar, der noch nie etwas davon gehalten hat, Kinder mit unumgänglichen Wahrheiten zu verschonen, nickt langsam. "Aye. So kann man es auch sagen."
"Wo denn?" Will Fianryn, direkt hinter ihrem Bruder und nicht minder interessiert, prompt wissen und Olyvar lächelt, wider Willen belustigt. "Man kann es nicht sehen, a leannan. Es ist in ihrem Inneren. Sie ist traurig, deshalb musste sie sich ein bisschen ausweinen, aye?"
"Ist sie hingefallen?"
"Nein. Vor langer Zeit ist etwas passiert, dass sie sehr traurig gemacht hat. Ab und an muss sie daran denken, verstehst du?" Fianryn legt ihre kleine Stirn sorgfältig in ein paar steile Denkfalten, tätschelt dann mitfühlend Dianthas Knie und hakt noch einmal nach, ob sie nicht vielleicht doch besser irgendwo pusten solle, das würde helfen? Olyvar spürt Dianthas leises, zittriges Lachen mehr, als dass er es hört, dann schnieft sie belegt etwas von "Buss Dase putzen" und Conn, der hinter derart edelmütigen Gesten seiner Schwester nicht zurückstecken will, bringt auch sofort eine saubere Batistwindel aus dem Wäschekorb als Taschentuchersatz. Sie setzen sich, wo sie stehen, direkt auf den Boden, und werden umzingelt von zwei fürsorglichen Kindern, die sich mit großen Augen, Patschehänden und Umarmungen (Fianryn pustet doch noch sicherheitshalber Dianthas verweintes Gesicht und bemalt es mit einem Dutzend kleiner Küsschen) davon überzeugen müssen, dass wirklich wieder alles in Ordnung ist. Diantha schnieft geräuschvoll in ihr Taschentuch und drückt die Zwillinge an sich, hin und her gerissen zwischen ihrem Schmerz und der Rührung über die Anteilnahme der Kinder, doch nach einer Weile gewinnt sie allmählich ihre Fassung zurück. "Geht es wieder?" Erkundigt er sich leise und als sie nickt und sich die letzten Tränenspuren vom Gesicht wischt, fasst er einen Entschluss. "Komm." Olyvar steht auf und zieht sie mit sich hoch. "Du brauchst ein bisschen Ablenkung, mo cridhe, und deswegen," er macht eine kleine, dramaturgische Pause, "gehen wir jetzt auf den Platz der Händler. Gestern Nacht ist eine Karawane angekommen, es gibt tausend Dinge zu sehen und die Kinder brauchen ohnehin einen Satz neue Kleider und warme Sachen für den Winter."

->Steinfaust

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 05. Jan. 2008, 22:27 Uhr
---> Platz der Händler

Von Ende Beerenreif bis Ende Erntemond


Wie zu erwarten war übersteht das Paar Spinnenseidenstrümpfe noch nicht einmal eine Nacht im Westflügel der Steinfaust – jedenfalls nicht in einem Stück. Allerdings hegt Diantha die leise Vermutung, dass das nicht einmal das reißfesteste Paar Wollsocken der ganzen Immerlande getan hätte. Erstaunlicherweise macht sie ihre Drohung Olyvar umzubringen nicht wahr, den nächsten Morgen erlebt er zwar mit tiefen Augenringen, doch seinem unleugbar zufriedenen Gesichtsausdruck zufolge fühlt er sich nicht gerade tot. Diantha geht es da nicht anders und als sie halblaut verkündet, dass sie vielleicht öfter Mal neue Strümpfe zulegen sollte, woraufhin Olyvar sich prompt an seinem Cofea verschluckt, erklärt Matthis die beiden offiziell für verrückt, während die Zwillinge synchron desinteressiert ihr Frühstück auf dem Tisch verteilen.

Der Rest des Beerenreifs vergeht recht ruhig, das Wetter wird wieder besser, was Diantha nicht so recht gefallen mag, doch die horrende Hitze des Sonnenthrons bleibt aus, sodass sie sich nicht mehr in der Steinfaust verkriecht, sondern wieder mit den Kindern draußen herumtobt, allerdings bevorzugt an schattigen Plätzen. Außerdem macht sie natürlich ihre Drohung Syphenae gegenüber wahr und stattet der jeden Siebentag einen Besuch an ihrem Marktstand ab, allerdings selbstverständlich ohne jemals eine feste Verabredung mit ihr zu haben. Denn weder Diantha, noch Syphenae würden eine solche Verpflichtung eingehen, wenn es so auch wunderbar funktioniert. Olyvar beobachtet das Treiben amüsiert, Diantha hatte ihm am Morgen nach dem Besuch der Platz der Händler von Syphenae erzählt. Viele Details, die man dem Lord Commander der Steinfaust nicht unbedingt auf die Nase binden muss, hatte sie zwar weggelassen, doch das, was sie sagte, hatte genügt um ihm klar zu machen, dass Syphenae einfach eine ungewöhnliche Stellung in Dianthas Leben hat. Von ihr wurde sie aufgesammelt, als sie vollkommen am Ende gewesen war, wurde aus der Kneipe herausgeholt, in der Diantha Karten gespielt und mit Besuchern um die Wette getrunken hatte – Wer trinkt das kleine Mädchen unter den Tisch? Sie war gut gewesen, doch eine Zukunft hätte das niemals gehabt. Also war sie mit Syphenae gegangen und nach einigen von Diantha provozierten Streitereien, die Syphenae schlichtweg ignorierte, war etwas wie Vertrauen entstanden. Eine Freundschaft auf Zeit und den Umständen entsprechend – aber weit mehr, als man üblicherweise auf der Straße findet. Sie waren ein gutes Team, ergänzten sich perfekt, doch irgendwann wurden sie zu erfolgreich, was der Gilde ein Dorn im Auge war und wie Diantha es formulierte: „Es gibt Alternativen, neben denen sieht der Kerker rosig aus." Sie waren in zwei unterschiedliche Verließe gewandert, keiner wusste wo der andere war und für wie lange, daher hatten sie sich jahrelang nicht gesehen. Natürlich hatten sie sich in der langen Zeit beide verändert, waren erwachsener und ruhiger geworden, dennoch ist die Vertrautheit nach wie vor da. So fragt Diantha die Händlerin bei jedem Besuch auf dem Platz der Händler mehr darüber aus, wie sie es zu einem eigenen Stand geschafft hatte und Syphenae gibt ihr auch durchaus Auskunft, wenn auch nicht immer direkt. Eigentlich sollte Diantha das wundern, doch sie sieht es nur als ganz selbstverständlich an, sie erzählt schließlich auch genug davon, wie es ihr selbst ergangen ist, schwärmt von Olyvar und den Kindern, die sich bei den Besuchen auf dem Platz der Händler mit Kirsikka anfreunden und mit Pyry Holzschwertkämpfe ausfechten. Mit diesen Kämpfen locken sie immer wieder Kinder an den Stand, die von ihren Eltern unbedingt auch genau solche Schwerter haben wollen, sodass Syphenae schließlich überrascht feststellt, dass liebevoll verzierte Holzschwerter eine durchaus sinnvolle Ergänzung ihrer Ware sein können. So akzeptiert sie schließlich auch, dass Diantha den Kindern grinsend erlaubt die Händlerin statt Syphenae Phena zu nennen, auch wenn sie nicht gerade höchst begeistert davon wirkt.

Es dauert bis zur Mitte des Erntemonds, bis Syphenae sich irgendwann aufrafft Diantha zu besuchen und an der Steinfaust angekommen laut der Torwache beinahe wieder umgedreht wäre. Da ihre Gastgeberin so etwas schon ahnte, hat sie den Wachen eingeschärft, dass sie, wenn jemand nach Diantha fragt und diese Person bei der Frage nach ihrem Namen „Syphenae" antwortet, diese sofort zu ihr in den Westflügel schicken sollen. Ihre Erschütterung darüber, dass Diantha umringt von einem Haufen Stadtwachen wohnt, steht ihr immer noch ins Gesicht geschrieben, als sie schließlich den Westflügel erreicht und diesmal ist es an Diantha selbstzufrieden zu grinsen. Dafür kriegt sie, als sie Syphenae ihr Zuhause zeigt, aber auch prompt reingewürgt, dass es ja wohl ein Glück ist, dass es hier keine Küche gibt, weil Olyvar sonst jeden Tag essen müssen, was Diantha beim Kochen so verbricht. Darauf kann die nur grinsen, es ist nicht zu verleugnen, dass sie absolut keine Lust darauf hätte jeden Tag zu kochen, außerdem bindet sie der verdutzten Syphenae auf die Nase, dass Olyvar das ja übernehmen könnte, der kann schließlich um Welten besser kochen als die Händlerin. Da Syphenae damals des Öfteren für Diantha gekocht hatte, kann sie die Kochkünste schließlich direkt vergleichen. Einen Moment lang schaut Syphenae ihr forschend ins Gesicht, doch Diantha lacht sie nur aus, es ist ja tatsächlich wahr, dass ihr Ehemann kochen kann und zwar wirklich gut. Das hat die Händlerin eindeutig nicht erwartet, daher wechselt sie rasch das Thema und macht einen amüsierten Kommentar über die ungewöhnliche Farbkombination der Halle, allerdings scheint es ihr gar nicht so schlecht zu gefallen, denn sie diskutiert ungezwungen mit Diantha darüber wie es so ist, in der Steinfaust zu leben, während sie gegen ihren Willen mit Gebäck und Cofea bewirtet wird und Diantha darauf besteht, dass Syphenae auch isst, was sie vorgesetzt kriegt. Einen absoluten Vorteilt sieht die Händlerin darin, dass man hier ja immer jemanden findet, mit dem man Schwertübungen machen kann, als Diantha dann aber verkündet, dass sie schon seit längerem mit niemandem gekämpft hat, kann sie es gar nicht glauben. „Na, ich habe den ganzen Tag mit den Kindern zu tun!“, entgegnet Diantha lautstark. „Das macht man nicht so nebenher!“ „Hm“, ist alles was Syphenae dazu sagt, mit einem Blick auf die Kinder, die gerade mit ihren Holzklötzen beschäftigt sind. „Und was machst du wenn sie schlafen?“ Es scheint der Händlerin nicht so recht zu passen, dass Diantha ihre Zugvogelfreiheit überhaupt nicht vermisst, nicht das kleinste Bisschen. „Syphenae, ich bin seit vier Monden verheiratet, glaubst du nicht, dass mein Mann eventuell Interesse daran haben könnte, Zeit mit mir zu verbringen?“ Dafür erntet sie ein gelangweiltes Schulterzucken. „Außerdem verbreche ich manchmal so etwas“, fährt sie fort und führt ihr ein paar der Holzfiguren vor, die sie für die Zwillinge geschnitzt hat. „Hm“, ist zunächst alles, was Syphenae dazu sagt als sie die kleinen Bären, Schafe, Pferde und Kühe kritisch betrachtet. „Hm?“, fragt Diantha grinsend zurück. „Deshalb wollten die Kinder unbedingt diese Schwerter haben“, meint Syphenae ruhig, was Diantha einen Moment blinzeln lässt, bis ihr die Auswahl an Spielzeug einfällt, aus dem sich beide Zwillinge ein Schwert ausgesucht hatten. „Mit ein wenig Übung könnte ich sogar ein Abnehmer deiner Figuren werden“, sagt die Händlerin schließlich mit einem Gesichtsausdruck, als wäre sie dadurch höchst gnädig. „Oh, was für eine Ehre!“, antwortet Diantha sarkastisch. „Außerdem bringt mir Olyvar gerade reiten bei“, erwähnt sie noch so nebenbei. Daraufhin wird natürlich sofort der Stall inspiziert und Syphenae verkündet amüsiert jetzt sei alles klar, Dianthas Ehemann will eindeutig eine Kavallerie aufziehen und das Tarasconsche Imperium gründen. „Schließ nicht immer von dir auf andere“, antwortet Diantha darauf schlicht, große Lust zu erklären, dass das alles hier der Steinfaust gehört und nicht Olyvar, hat sie nicht. „Mir ist schon klar, warum du hier bist. Du willst eine direkte Handelsverbindung von Immerfrost bis Talyra schaffen und testest gerade aus, wie viel Konkurrenz du damit hättest!“ Syphenae setzt diesen undurchdringlichen Blick auf und lächelt nur, was so ziemlich alles bedeuten kann, außerdem verkündet sie ironisch, dann müsse sie sich ja jetzt Mal aufmachen um ihr „Imperium“ auszubauen. Kopfschüttelnd schaut ihr Diantha dabei zu, wie sie den äußeren Zwinger verlässt. Noch genauso hochtrabende Träume wie früher…

Überhaupt läuft im gesamten Erntemond in Dianthas Leben alles glatt. Vor allem in den letzten beiden Wochen hat Olyvar nicht so furchtbar viel Arbeit, es kommt nur zu wenigen Verbrechen in der Stadt. Bei Rhordri hingegen sieht das anders aus, der hat mit der alljährlichen Inventur alle Hände voll zu tun, wofür Diantha ihn ein wenig bemitleidet, dennoch genießt sie die vermehrten Reitstunden auf Bayvard und ist stolz darauf, dass sie sich allmählich merklich verbessert. Außerdem entdeckt sie mehr durch Zufall die Jagdfalken der Steinfaust und kann es überhaupt nicht glauben, dass sie bisher noch gar nicht davon mitbekommen hat, dass es die dort gibt. Aus ihrer Kindheit kennt sie nur die Jagd mit Jagdhunden, aber ihr Vater hatte ihr oft davon erzählt, dass von den Adligen und reichen Leuten gerne mit diesen edlen Tieren gejagt wird. Sie ist absolut hin und weg von diesen Geschöpfen des Himmels und strapaziert mit ihren Begeisterungsstürmen Olyvars Geduld so lange, bis der sie lachend auffordert, wenn sie diese Tiere wirklich so unglaublich findet, dann solle sie sich von Faron beibringen lassen mit ihnen umzugehen. Noch bevor Diantha darüber ernsthaft nachdenken kann, wechselt er allerdings das Thema und fragt sie, wo sie doch gerade beim Thema Jagd sind, ob sie nicht bei der diesjährigen Büffeljagd mit reiten wollen. Sie hätten ja schon beim Inarifest darüber geredet, doch da wäre noch nicht sicher gewesen, ob er sich in der Zeit von der Steinfaust frei machen könne, da sehe es momentan sehr gut aus. Diantha ist sofort Feuer und Flamme, quetscht Olyvar über sämtliche Details aus und verkündet: Nichts lieber als das, sie war schon so lange nicht mehr jagen, ob sie denn dafür schon sicher genug auf dem Pferd ist? Darauf grinst Olyvar nur und stellt fest: „Damit ist es also klar, wir reiten mit."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 23. Jan. 2008, 22:44 Uhr
Von der Rückkehr der Büffeljäger aus dem Larisgrün (Ende Blätterfall)  bis kurz vor der  Rückkehr aus dem Manöver (Anfang Langschnee)



Die Stimmung der gesamten Truppe hebt sich zunehmend und Diantha kann das nur zu gut verstehen: Der Wald um sie herum wird immer vertrauter, es ist nicht zu übersehen, dass sie sich der Stadt nähern – wenn alles gut geht dürfte es nur noch an die zwei Stunden dauern, bis sie wieder daheim wären. Der Gedanke daran endlich wieder die Zwillinge in ihre Arme schließen zu können, lockt ein Lächeln auf Dianthas Gesicht, das Olyvar neben ihr prompt erwidert, als sie ihn ansieht, er weiß sofort was sie denkt, ohne dass sie etwas sagen müsste. Dann muss sie sich aber gleich wieder auf den Falben konzentrieren, der Dianthas Aufregung und Vorfreude selbstverständlich spürt und dem es nur recht wäre ein zügigeres Tempo vorzulegen, doch sie weist ihn mit der Vehemenz in seine Schranken, die sie sich über die letzten Wochen angeeignet hatte. „Hallakkoni…“, murmelt sie und wundert sich ein weiteres Mal, wie sie es geschafft hatte, Olyvar dazu zu überreden ihr gerade dieses Pferd zu überlassen. Es war nicht einfach gewesen, doch sie hatte ihn schließlich überzeugt – und seitdem merkt sie jeden Tag mehr, wie richtig ihr Entschluss war. So sehr sie auch über ihn schimpfen und so anstrengend es auch sein mag: Diantha hat ihr Herz an ihn verloren, daran wird sich auch nichts ändern, egal wie oft sie im Dreck landet und sich über seine Unausgeglichenheit ärgert. Sie braucht den Falben nur anzusehen um auf einer rein emotionalen Ebene zu wissen, dass er zu ihr gehört und wenn sie auf seinem Rücken sitzt fühlt es sich trotz aller Unsicherheiten schlichtweg richtig an. Das Faszinierendste daran ist aber, wie das Tier ihre Gefühle erwidert: Seine Begeisterung, wenn er sie morgens sieht, ist mittlerweile wirklich nicht mehr mit Bayvards ruhiger Freundlichkeit zu vergleichen. Die Leichtigkeit seiner Bewegungen und die Jugendlichkeit, die er verströmt, faszinieren sie immer aufs Neue. Mein Wildfang…, denkt sie, während sich das Tier wieder an den Schritt der Truppe anpasst, der nicht sonderlich schnell ist, da sie gemeinsam mit den schwer beladenen Karren reiten. Sie kehren erfolgreich zurück, mit ihrer Beute können sie vollauf zufrieden sein, doch kann man in den Gesichtern ringsherum auch bloße Erschöpfung sehen. Diese Jagd war ereignisreich, besonders ein Vorfall war ein wenig zu nervenaufreibend für Dianthas Geschmack, noch dazu waren die letzten Tage sehr anstrengend, denn den ganzen Rückweg über schien das Wetter ganz klar etwas gegen sie zu haben. Mal regnete es wie aus Eimern, dann nieselte es nur ein wenig, doch immer reichte es um den Boden in einen dunkelbraunen Morast zu verwandeln, in dem die Karren nur zu gerne stecken blieben. Das hatte die Dauer des ganzen Jagdausflugs beträchtlich verlängert und so ist die Vorfreude auf das Zuhause entsprechend groß. Erst seit dem Vortag hat es wieder aufgehellt, jetzt, wo sie wieder auf fester Straße und nicht weit von Talyra sind, zeigt sich der Herbst natürlich prompt von seiner schönsten Seite mit sanften Sonnenstrahlen, die durch das bunte Blätterdach fallen und den Weg vor ihnen erhellen. Allmählich verwandelt sich der Himmel immer mehr in ein berauschendes Farbspiel der unterschiedlichsten Gelb- und Rottöne, in den Ausläufern gar bis ins tiefste Violett. Nicht lange und das strahlende Rund ist zwischen den Bäumen verschwunden, woraufhin es rasch empfindlich abkühlt. Dennoch treibt sie alle der Wunsch anzukommen, sich endlich mit einigermaßen warmem Wasser waschen und in einem richtigen Bett von den Strapazen erholen zu können, an, sodass sie auf eine Rast verzichten.

Es scheint eine halbe Ewigkeit zu vergehen, in der die Schatten immer länger werden und sich schließlich Dunkelheit über die Gruppe legt. Nach und nach werden Laternen entzündet um zumindest einen Teil des Wegs zu erhellen – sie können es wirklich nicht gebrauchen, dass einer der Karren in ein Loch gefahren wird und sie von einem Achsenbruch aufgehalten werden. Sie sind an diesem Tag sehr gut vorangekommen, daher erreichen sie das Stadttor am Abend, statt wie erwartet erst gegen Mitternacht. Dort werden sie mit einem großen Hallo begrüßt und ihnen wird gleich beschieden, dass man sie in der Steinfaust schon erwartet, sie hatten bereits am späten Nachmittag einen Reiter losgeschickt um sie anzukündigen, damit schon alles vorbereitet wird, siebzehn grob in ihre Einzelteile zerlegte Büffel sind schließlich keine Kleinigkeit. Da muss in den Kühlhäusern Platz geschaffen werden, man braucht genügend Hände, die mit anfassen und so herrscht auf dem Zwinger einiger Anlauf als sie die Steinfaust erreichen. Als sie vom Pferd steigt schaut Diantha unter all den Küchenmädchen und Spüljungen, die von den Köchen hin und her geschickt werden um das Fleisch an die richtigen Stellen zu tragen,  allerdings nur nach einer Person aus und diese erscheint schließlich auch auf der Bildfläche, angezogen von dem Lärm, den der Tross auslöst: Morna tritt auf den Zwinger hinaus, mit den Zwillingen an den Händen, die die alte Frau hinter sich herziehen und sich aufgeregt umschauen. Zwei Paar graublaue Augen beginnen zu strahlen, wie es nur Kinderaugen können, als sie ihre Eltern sehen und dann gibt es kein Halten mehr: Morna beobachtet nur mit einem Lächeln wie die Zwillinge laut durcheinander rufend losrennen um kurz darauf am liebsten ihre beiden Eltern gleichzeitig zu umarmen, was sie natürlich nicht schaffen. Auch die Jagdteilnehmer schauen wohlwollend auf die kleine Willkommensszene, mit den Gedanken schon bei der eigenen Familie, die so manch einen von ihnen genauso sehnsüchtig erwartet. Diantha bemerkt von den Blicken der anderen nichts, sie drückt zunächst Fianryn fest an sich, kann ob dem Strahlen in deren Augen nur glücklich lachen und versichern, dass sie ganz bestimmt nicht bald wieder sooo lange weggehen wird und dass sie sie auch furchtbar vermisst hat, wonach sie Connavar in ihre Arme zieht. Kann es ein schöneres Willkommen geben, als von zwei Kindern mit einem solchen Leuchten in den Augen begrüßt zu werden? Die Immerfrosterin kann es sich nicht vorstellen.  Sicher war es schön auch mal etwas mehr Zeit allein mit Olyvar zu verbringen, dennoch haben die Kinder an allen Ecken und Enden gefehlt. Vor allem nachts im Lager, wenn sie nicht schauen konnte, ob sie beide ruhig schlafen, das Lachen hat sie vermisst, die Begeisterung, mit der die Zwei alles Neue entdecken, ihre Stimmen, ihre aufgeregten Erzählungen darüber, was sie alles erlebt und gelernt haben. Besonders dieser furchtbar gute Kindergeruch hat gefehlt, weshalb Diantha tief einatmet, bevor sie endlich auch Morna begrüßt. „Als sie den Boten gesehen haben, waren sie nicht mehr zu halten, unruhig wie ein Sack Flöhe und ans Bettgehen war nicht mehr zu denken“, erklärt die auch gleich, als sie Diantha mit einer warmen Umarmung willkommen heißt. „Ach, ich habe gehofft, dass sie noch wach sind“, muss die Immerfrosterin lachend gestehen, bevor Connavar ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht, der ihr unbedingt davon erzählen muss, was heute alles geschehen ist.

Der nächste Tag vergeht wie im Flug, denn der Geburtstag der Zwillinge will vorbereitet werden, der dieses Jahr doch etwas andere Maße ausnimmt als im Vorjahr, als ihnen die Bedeutung des Worts noch nicht so recht bewusst war. Aus ihrer Kindheit kennt Diantha solche Feiern nicht wirklich, da gab es dann auch hauptsächlich ein neues Paar Schuhe oder ein Hemd, sowie wenn möglich etwas besonders Leckeres zu essen. Eventuell auch noch eine Kleinigkeit zu spielen, wie eine Holzpfeife oder eine neue Puppe, aber auch das nur für die Kleinen. Speziell den Winterkindern wurde auch lieber nur grob ihr Geburtsdatum gesagt, damit gefeiert werden konnte, wenn es gerade einigermaßen passte und man sich eine Kleinigkeit leisten konnte. Als Kind hatte sie das nie verstanden, doch mittlerweile kann sie es nachvollziehen und denkt, dass es unter den damaligen Umständen wohl sinnvoll war. Der tiefe Winter in Immerfrost kann sehr hart sein und oft genug gab es zu dieser Zeit tagelang das gleiche Essen, auch wenn ihr Vater die kurze Zeit, in der es einigermaßen hell war, auf die Jagd ging, brachte er nur selten etwas mit. Dann wurde eben Geburtstag gefeiert wenn Nimrod Schattenjäger ihm hold war, ob das nun am ersten oder am zehnten Tag des Langschnees der Fall war. Dieser Hintergrund hindert die Immerfrosterin aber nicht daran, ihren eigenen Kindern etwas mehr bieten zu wollen, sie können es sich ja schließlich leisten und sie ist überzeugt: Wenn ihre Eltern es gekonnt hätten, dann hätte es sicher auch etwas weniger nützliche und dafür schöne Geschenke gegeben. Unter den Angestellten der Steinfaust findet sie damit sehr leicht Unterstützung, schließlich sind Connavar und Fianryn die Lieblinge von ihnen allen, ganz besonders in der Küche stößt sie selbst mit dem kleinsten Vorschlag auf offene Ohren. So wird während sie mit den Kindern draußen spielt und herumtobt in den hohen Gewölben eifrig geknetet, gerührt, gebacken und verziert. Der einzige Wehmutstropfen dabei ist, dass Olyvar vor Arbeit kaum noch aus seinem Solar kommt. Dort erwarten ihn Nachrichtentürme, er scheint schrecklich gefehlt zu haben in diesen zwei Wochen, in denen sie weg waren. Alle wollen ihm Bericht erstatten, über das was in seiner Abwesenheit geschehen ist, unter unzählige Dokumente muss er seinen Namen setzen, hier will man seine Meinung hören, dort seinen Rat. So bemüht sie sich am Abend sehr darum ihn auf andere Gedanken zu bringen, erzählt begeistert davon, was sie für den nächsten Tag für die Zwillinge geplant hat, wie gerne ihr alle anderen geholfen haben und dass vermutlich ein Festbankett aufgefahren werden würde, als wäre ein Staatsempfang. Olyvar hört ihr lächelnd zu, doch als er wie im Nebensatz erwähnt, dass das ja auch gleichzeitig ein schöner Abschied wäre bleibt ihr für einen Moment die Luft weg. Auf ihren vollkommen verwirrten Blick antwortet ihr Mann nur verwundert, dass er ihr doch vor der Büffeljagd von dem Manöver erzählt hat. Hat er auch, aber bei all der Aufregung hatte sie es schlichtweg verschwitzt und so beginnt sie sich prompt zu winden wie ein Fisch am Haken. Ob er denn unbedingt mit müsse? Sie seien doch erst seit Kurzem wieder alle zusammen und dieses Manöver könne bestimmt auch jemand anderes beaufsichtigen! Wenn er schon weg müsse, dann könnten sie doch wenigstens mitkommen! Sie redet sich richtig in Rage, doch der Ausdruck in Olyvars Augen lässt sie sich schließlich selbst unterbrechen. Als er daraufhin ihre Hände in seine nimmt und versucht in Worte zu fassen, warum er da auf jeden Fall mit muss und seine Familie auf keinen Fall mitnehmen kann, erstickt der Ernst seiner Worte ihre Aufgebrachtheit im Kern. An diesem Abend lernt sie viel über Olyvars Einstellung zu der Verantwortung seinen Männern gegenüber und die erfüllt sie mit einem seltsamen Stolz, den sie nicht in Worte fassen könnte. Sie sieht ein, dass er vor Ort sein muss, es ist wichtig, dass ihn da niemand ersetzt, denn ein Bericht ist nun einmal nicht dasselbe wie dabei zu sein, die Leute mit eigenen Augen zu sehen. Diese Einsicht sorgt dafür, dass sie von da an nie wieder infrage stellt, ob er mit muss. Gefallen tut es ihr trotzdem nicht, dass sie sich so bald für ganze sechs Siebentage von ihrem Mann verabschieden muss, so lange waren sie noch nie getrennt.

Die Aufregung vom Vortag merkt man ihr am Geburtstag der Zwillinge kaum an, nur die Art, wie sie noch ein klein wenig mehr als sonst Olyvars Nähe sucht zeigt, dass sie seine Worte nicht verdrängt hat. Höchst zufrieden schaut sie dabei zu, wie begeistert die Zwillinge die Kerzen auf ihren Kuchen auspusten, Connavar die auf seinem Nusskuchen, Fianryn auf Weonards hoch gerühmtem Mohnkuchen. Beide wurden liebevoll verziert, mit Sirup wurden die Anfangsbuchstaben der beiden darauf geschrieben, auch wenn die Zwei damit genauso wenig anfangen können wie Diantha. Aber es schaut auch für sie sehr hübsch aus, noch mehr Begeisterung wird allerdings den Süßigkeiten entgegen gebracht. Sicher stauben die Zwillinge regelmäßig eine Kleinigkeit in der Küche ab, aber das sind dann Honigkugeln oder andere Reste, die beim Backen übrig geblieben sind, keine richtigen Pralinen. Daher ist das heute auch etwas ganz besonderes, auch nur eine Einzige der teuren Schlemmereien aus dem Papier wickeln zu dürfen. Danach geht man aber natürlich zu den heiß ersehnten Geschenken über, über die sich Diantha schon vor der Büffeljagd ein paar Mal den Kopf zerbrochen hatte. Sie hat zwar ein paar Figuren geschnitzt, die den Kindern sicher gefallen würden, aber Holzfiguren kriegen sie ohnehin zwischendurch immer wieder. Also war sie mit Syphenae über den Platz der Händler und den Markt gezogen, die das ganz Spielzeug nur mit einem skeptischen Blick bedachte, und hatte nach etwas Passendem gesucht. Schließlich war die Wahl dann auf einen wunderschön gearbeiteten Kreisel für Connavar und für Fianryn auf ein neues Rad gefallen, das man mit einem Stock antreiben kann. Das Spiel ist für ihr Alter zwar eigentlich noch zu schwierig, aber sie hatte so lange mit Matthis geübt, bis sie es mittlerweile einigermaßen kann. Ihr Bruder ist nie so begeistert davon gewesen, dafür liebt er bunte Kreisel, daher sind beide mit ihren Geschenken auch hochzufrieden. Außerdem bekommen sie beide noch ein Geschenk, doch diesmal beinah identische, die ihre Augen erst recht strahlen lassen: Richtige kleine Schwertgurte für ihr Holzschwerter! Was den beiden natürlich nicht klar ist, ist was für kleine Kunstwerke sie da in den Händen halten: Ein normaler Schwertgurt ist ja schon nicht gerade die einfachste Lederarbeit, die dann aber noch in einer erheblich kleineren Version so zu fertigen, damit die Schwerter wirklich halten, ist eine wirklich Leistung. Noch zusätzlich hatte die junge Frau, bei der Diantha die Aufträge in Arbeit gegeben hatte, die Gurte noch mit entzückenden Mustern versehen. Die geschwungenen Linien bei Fianryns Gurt erinnern entfernt an eine Harpyie, die auf Connavars lassen an einen Phönix denken, allerdings nur sehr angedeutet, man kann es auch schlichtweg als hübsche, ineinander laufende Linien ansehen. Die zahlreichen Nutzgegenstände, die die Zwillinge davon abgesehen noch geschenkt bekommen, verblassen im direkten Vergleich natürlich sehr. Nachdem sie ihre Geschenke bekommen haben, müssen die natürlich sämtlichen Freunden in der Steinfaust gezeigt werde, vom jüngsten Botenjungen bis zum alten Ballabar. Ausnahmslos alle freuen sich mit ihnen, darunter natürlich auch Faron, Rhordri und Morna. Der Rest des Tages verläuft sehr harmonisch und Diantha versucht die gemeinsame Zeit voll auszukosten, es würde schließlich für mehr als einen Mond der letzte Tag zu viert sein.

Damit tut sie genau das Richtige, denn schon am nächsten Tag sieht sie Olyvar erst abends für länger als eine halbe Stunde, er ist voll ausgelastet mit den Vorbereitungen für das Manöver und allmählich werden Diantha auch die Ausmaße dieses Einsatzes klar: Es ist ja nicht so, als ob Olyvar nur mit einer kleinen, ausgewählten Gruppe meilenweit fort irgendwo mitten ins Larisgrün ziehen würde, weit gefehlt. Die gesamte Indigogarde und noch irgendwelche anderen Blaumäntel – Diantha hat den Überblick schon längst verloren, wer denn noch alles – werden mit ihm dorthin ziehen um für den Ernstfall zu trainieren. All diese Menschen wollen natürlich auch versorgt werden, dementsprechend sieht es auf den Zwingern der Steinfaust auch aus, als würde am kommenden Tag eine Völkerwanderung beginnen. Die Immerfrosterin hätte von ihrem Mann bevor er fortzieht natürlich gerne mehr gehabt, aber sie kann auch verstehen, dass er viel zu planen und zu organisieren hat. Sie ist an diesem Tag in einer sehr seltsamen Stimmung, was sie selbst nicht so ganz versteht, bis ihr klar wird warum: Bisher ist sie nur ein einziges Mal zurückgelassen worden, sie war immer diejenige, die ging, nur ein einziges Mal war Olyvar für wenige Tage in Caernavon gewesen. Wenn sie früher in einer der Städte, in der sie war, engere Verbindungen aufgebaut hatte, dann war sie es, die diese hinter sich ließ um später wiederzukommen oder auch nicht. Es fällt ihr schwer zu verkraften, dass sie in die jetzige Aufbruchstimmung nicht eingebunden ist, dass sie nicht mitziehen wird. Der kleine Teil in ihr, der das zigeunerhafte Leben, das sie mehrere Jahre lang geführt hat, ganz schön fand, rebelliert jetzt in ihr, will zurück auf die Straße, will Neues erleben und sehen, schimpft sie häuslich und in Eintönigkeit gefangen. Natürlich weiß ihr Verstand, dass das Unsinn ist, dass sie auf keiner Straße der Welt so glücklich sein könnte wie hier, bei ihren Kindern. Trotzdem ist da der unleugbare Drang mit Olyvar zu ziehen, irgendwo, auch wenn sie sich das nicht eingestehen will, sicher auch darin verwurzelt, dass sie Angst hat, er könnte sich in den sechs Siebentagen ändern, feststellen, dass sie gar nicht so wunderbar ist, wie er sie jetzt zu sehen scheint. Was ist, wenn er sie, wenn er zurückkommt, mit anderen Augen sieht? Wenn ihm dann erst all ihr Schwächen und ihre dummen Angewohnheiten auffallen? In anderthalb Monden kann so viel geschehen, die Weltsicht kann sich so sehr ändern, das weiß sie aus Erfahrung. Diese unterbewusste Angst treiben Diantha am nächsten Morgen beim Abschied zwar nicht die Tränen in die Augen, das macht ihr Lebewohl aber nicht weniger zärtlich. Am Frühstückstisch hatte sie noch versucht so zu wirken, als würde es ihr nicht so viel ausmachen, so lange von ihrem Mann getrennt zu sein, doch als Olyvar sie in seinen Armen hält und zum Abschied küsst, gelingt ihr das nicht einmal im Ansatz. Sie sieht mit einem traurigen Lächeln zu ihm auf, woraufhin er seine Stirn an ihre legt. „Du weißt, dass wir auf dich warten“, stellt sie leise fest, streicht ihm sanft über die Wange und schluckt. Dann hält sie wie aus dem Nichts einen Kettenanhänger in der Hand, den Olyvar noch nie gesehen haben dürfte. Er ist ungefähr so lang wie das erste Glied ihres Daumens und von ovaler Form, er besteht aus mehrfach behandeltem Holz, sodass die Oberfläche sehr glatt ist, wenn man mit dem Finger darüber streicht. Abgebildet ist darauf ein stilisierter Bärenkopf, der dem Betrachter direkt in die Augen zu schauen scheint, wie man ihn auch hält, der Effekt kommt daher, dass die Augen tiefer liegen als der Rest des Kopfes. Wer auch immer diesen Anhänger geschnitzt hat, muss wirklich etwas davon verstanden haben, sonst hätte er nicht all die feinen Härchen des Fells so darstellen können. Der Gesichtsausdruck ist weder aggressiv, noch unterwürfig, eher sehr ernst und beobachtend. Olyvar schaut Diantha ein wenig fragend und verwundert an, vermutlich weil ihm das Schmuckstück noch nie unter die Augen gekommen ist, sie trägt es schließlich auch nie als Kette um den Hals. „Das ist das Schutztier meiner Familie“, erklärt sie zögerlich, das Wort „Schutztier“ scheint ihr nicht so recht zu passen, doch sie wüsste nicht, wie sie es in der Allgemeinsprache anders nennen sollte. „Er ist kein Glücksbringer, stattdessen soll er Mut in der Verzweiflung geben, Tapferkeit und Stärke in Momenten der Schwäche.“ Sie schaut nachdenklich auf das Schmuckstück in ihrer Hand. „Ich glaube zwar nicht, dass du das brauchst, aber wenn ich schon nicht mit dir kommen kann, dann wenigstens er. Ich trage ihn schon so lange mit mir herum, dass er fast wie ein Teil von mir ist.“ Dem Ernst ihrer Worte folgt ein kleines Grinsen. „Wenn du ihn mit dir nimmst, _kannst_ du mich gar nicht vergessen.“ Olyvar will etwas einwenden, doch sie verschließt ihm den Mund mit einem Kuss. „Ich weiß“, flüstert sie und drückt ihm den Kettenanhänger in die Hand, dann löst sie sich von ihm und schlingt die Arme um ihre Mitte. „Jetzt aber los, ihr schlag hier ja noch Wurzeln!“, befiehlt sie und versucht die Traurigkeit aus ihrer Stimme zu vertreiben. Olyvar lächelt und macht sich auf zu seinem Pferd, nicht viel später setzt sich der Tross in Bewegung. Diantha und die Zwillinge winken ihnen so lange, bis sie inmitten der Bäume nicht einmal mehr zu erahnen sind.

Die ersten Tage nachdem Olyvar fort ist, hält sich Dianthas Laune noch einigermaßen, sie konzentriert sich vollkommen auf die Zwillinge, treibt sich mit ihnen noch mehr im Freien herum als sonst. Doch am vierten Tag stürzt ihre Laune in die tiefsten Abgründe, die ganzen vorherigen Nächte konnte sie kaum schlafen, was ihr anhand der tiefer werdenden Augenringe auch sehr gut anzusehen ist. Sie hätte nie erwartet, dass ihr das Ehebett so kalt und riesig vorkommen könnte, sie fühlt sich viel zu klein und schrecklich verloren darin. Die Nächte über liegt sie grübelnd wach, fragt sich wie es Olyvar wohl gerade geht, ob er vielleicht auch an sie denkt. Wenn sie schließlich doch einmal schläft, dann ist ihr Schlaf so leicht, dass das kleinste Geräusch sie aufweckt. Ihr fehlt einfach der beruhigende Pol im Bett neben ihr, der ihr die Sicherheit gibt, so tief schlafen zu können, wie sie will. Denn sollte irgendetwas sein, irgendeine Form von Bedrohung, dann muss sie sich jetzt wieder allein verteidigen. Natürlich ist das Unsinn, wer sollte sie mitten in der Steinfaust schon angreifen, das versucht sie auch sich einzureden, trotzdem wandert ein Wurfstern wie von unsichtbarer Hand auf ihren Nachttisch. Allerdings lässt selbst der sie nicht besser schlafen. Auch tagsüber ist Olyvars Abwesenheit überall zu spüren, der Westflügel ist so leer ohne ihn, am Essenstisch schaut Diantha unentwegt auf das Loch zwischen ihnen, dazu kommt, dass die Steinfaust aufgrund des Manövers tatsächlich etwas weniger besetzt ist als sonst. Natürlich hat sie erwartet, dass sie ihn vermissen würde, aber dass sie sich so unvollständig ohne ihn fühlen würde, damit hat sie nicht gerechnet. Als er damals in Caernavon war, war die Situation eben doch eine sehr andere gewesen, da waren nur ein paar Tage zu überbrücken gewesen, doch jetzt liegen noch so viele Wochen vor ihr. Dieses Bewusstsein lässt sie jeden, der sie anspricht, anfauchen, als hätte er ihr etwas getan, selbst wenn er ihr nur einen guten Morgen gewünscht hat. Ihr Lachen, dass man in den letzten Monden regelmäßig gehört hat, erklingt nicht mehr, selbst die Zwillinge bringen Diantha nur noch selten zum Lächeln. Ihnen gegenüber ist sie natürlich so liebevoll wie sonst auch, trotzdem bemerken die Zwei ihre gedämpfte Laune, sind unruhiger als sonst und fragen häufig nach ihrem Vater. Matthis fühlt sich von der schlechten Stimmung im Westflügel leicht überfordert, er gibt sich vor allem abends alle Mühe um Diantha abzulenken, die sonst wohl stundenlang nur vor sich hinbrüten würde. Das bemerkt sie zwar und gibt sie gibt sich auch Mühe ihm gegenüber freundlich zu sein, würfelt mit ihm, spielt Mühle und schließlich sogar Schach, doch immer wirkt sie abwesend und unkonzentriert. Außerdem ahnt sie, wie gerne er statt hier mit ihr den Abend totzuschlagen mit den anderen Jugendlichen zusammen wäre oder aber beim Manöver, auch wenn er dafür noch ein wenig zu jung ist. So schleicht sie entweder wie ein Häufchen Elend durch die Steinfaust oder aufgebracht wie ein in die Ecke gedrängter Schneeluchs, weshalb alle anfangen einen Bogen um die Frau des Lord Commanders zu machen. Oft findet man sie im Pferdestall bei ihrem Falben, während die Kinder Faron einen Besuch abstatten oder mit den mittlerweile nicht mehr gerade kleinen Katzen spielen. Das Pferd scheint zu verstehen, dass es ihr nicht gut geht, hört sich geduldig jedes Gejammer an und genießt die zusätzlichen Striegeleinheiten. Rhordri lässt sich als einer der Wenigen von ihrer Art herumzufauchen nicht im Geringsten beeindrucken, alles was er dazu sagt ist, dass er Olyvar auch vermisst, wogegen Diantha natürlich nichts einzuwenden hat. Morna sieht sich das zwei Siebentage an, dann wäscht sie der jungen Immerfrosterin gehörig den Kopf, macht ihr klar, dass es nun wirklich keinen Grund gibt, sich hier so aufzuführen, es gibt jede Menge Menschen, die es erheblich schwerer haben als Diantha. Sie hat zwei kleine Kinder, die sie von Herzen lieben, einen Ehemann, der verrückt nach ihr ist, was sich auch in sechs Siebentagen nicht ändern wird, das ist einfach nicht seine Art, außerdem gibt es jede Menge Menschen, die Anteil an ihr nehmen und sie mögen, wenn sie nichts zu tun hat, soll sie sich gefälligst etwas suchen. Damit hat die Frau des Kastellans natürlich Recht und Diantha schämt sich ein bisschen dafür, wie sie die anderen Bewohner der Steinfaust behandelt hat, die allesamt absolut gar nichts dafür können, dass Olyvar fort ist.

Also sucht sie sich in den nächsten Wochen jede Menge Beschäftigung um sich abzulenken und es funktioniert. An den Abenden beginnt sie ein Julgeschenk für Olyvar zu schnitzen, das sie einige Geduld und jede Menge missglückter, im Kamin landender Versuche kostet. Für die Schrift darauf sucht sie Pumquat auf, der bei ihrer Bitte nur mit der Zunge schnalzt und meint, dass die werte Frau vom Lord Commander ja wohl zumindest ihren Nachnamen schreiben können sollte, worauf Diantha beichtet, dass sie selbst von ihrem Vornamen nur genau zwei Buchstaben kennt – wofür Syphenae sie schon seit Jahren aufzieht. Als ihr der Kobold daraufhin vorschlägt, dass er ihr gerne das Schreiben beibringen kann, zögert sie nicht lange und sagt zu. Sie mag seine Art ohnehin und vermutlich ist es ganz gut, dass sie das Lesen von ihm lernt und nicht von Olyvar, der bringt ihr schließlich schon das Reiten und Tanzen bei und muss ihre Ungeduld im Alltag ertragen. Der Skriptor stellt eine unauffällige Schatulle auf den Tisch, die geschnitzte Buchstaben und Zahlen, sowie einen Würfel enthält. Na, wenigstens etwas, womit man was anfangen kann, denkt sie und beginnt prompt zu würfeln und die gewürfelte Zahl mit zweistelligen, wahllos gelegten Zahlen zu multiplizieren und zu dividieren, bis Pumquat in meckerndes Lachen ausbricht. Wie ertappt legt sie den Würfel zur Seite und spricht jeden Buchstaben nach, den er ihr zeigt und laut benennt. Das D erkennt sie auch tatsächlich auf den ersten Blick, als der Kobold dann ihren Namen in zwei unterschiedlichen Variationen legt, weil er sich nicht sicher ist ob man ihn mit oder ohne h schreibt, ist sie schon ein wenig verwirrt. Sofort drängt sie darauf, dass er die Namen von Olyvar, Fianryn und Connavar legt und schließlich gibt Pumquat nach, obwohl sie alle drei nun nicht die einfachsten Worte sind. Bei Olyvar ist Diantha dann auch sofort vollkommen irritiert, sie versteht nicht, warum man ihn nicht mit dem gleichen Buchstaben wie in ihrem Namen schreibt, also „Olivar“ und der Skriptor braucht einige Zeit um ihr klar zu machen, dass es auch Buchstaben gibt, die sich ähnlich anhören, aber anders schreiben. Da ahnt sie schon, dass das alles nicht so leicht werden wird und damit behält sie auch Recht. Zu Anfang ist es eine ziemliche Quälerei, aber da sie sich unbedingt in den Kopf gesetzt hat bis zu Olyvars Rückkehr zumindest einen einfachen Satz legen zu können, übt sie immer, wenn die Kinder einmal ruhig spielen und auch abends, wenn sie nicht schnitzt. Ständig legt sie Wörter und wenn sie Pumquat dann fragt, ob sie so stimmen erntet sie oft ein Nein, weil da doppelte oder stimmlose Buchstaben darin sind, die man kaum hört. Die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinbuchstaben fällt ihr außerdem schwer, dass man Namen groß schreibt versteht sie ja, aber warum man das dann noch bei anderen Worten tut, versteht sie nicht und Pumquats Fragerei nach Wer, Wem und Wen hilft ihr da nicht im Geringsten. Sie quält sich ganze zwei Wochen jeden Tag mehrere Stunden und hat das Gefühl vollends verrückt zu werden, doch dann fällt so plötzlich wie unerwartet der Groschen. Mit einem Mal versteht sie das Prinzip, sie macht zwar immer noch hin und wieder Fehler, doch die ganze Wortlegerei beginnt ihr schließlich sogar Spaß zu machen und auch Pumquat wirkt nun mit den raschen Fortschritten seiner Schülerein höchstzufrieden. Trotzdem ist sie noch weit davon entfernt flüssig lesen oder schreiben zu können, das lernt man schließlich nicht über ein paar Wochen, aber der Kobold ist zuversichtlich, dass sie wenn Olyvar zurückkommt zumindest ein paar einfache Sätze aufs Pergament bringen wird. Diantha freut sich schon diebisch darauf, ihn dann mit einem schriftlichen Liebesbekenntnis überraschen zu können, also übt sie nun mit Pumquat kurze Sätze zu schreiben.

So vergehen die Wochen mit vielen Buchstaben, vielen Schnitzereien, außerdem stattet die Frau des Lord Commanders Syphenae wieder häufiger Besuche ab, die den Winter über in Talyra bleibt, was Diantha nur zu gut gefällt, sie verbringt gerne die Zeit mit der Händlerin. Sie beginnt sogar nebenbei ihr Ratschläge zu geben, welchen Schmuck sie wie teuer verkaufen könnte oder wie sie ihn so putzen kann, dass er noch ein wenig schöner aussieht, wobei die immer die Ohren weit offen hält. Außerdem sucht Diantha auch schließlich zögernd die Nähe von Faron, der das zunächst ein wenig merkwürdig zu finden scheint, als er aber feststellt, dass die Immerfrosterin seine Begeisterung für Jagdfalken teilt, beantwortet er ihr bereitwillig ihre Fragen und zeigt ihr, wie man Falken artgerecht behandelt. Das Wetter wird immer schlechter und bei strömendem Regen jagt nicht einmal Diantha die Kinder lange nach draußen, das macht schlichtweg keinen Spaß. In dieser Zeit besuchen sie öfters Morna, dort finden die Zwillinge immer irgendjemanden mit dem sie spielen können und die Immerfrosterin unterhält sich gerne mit der Frau des Kastellans, sie mag ihr gutgelauntes, das Chaos überblickendes Wesen. Außerdem gibt es da auch immer etwas Leckeres zu essen, seitdem Olyvar fort ist, hat Diantha des Öfteren Fressanfälle – aus Frust, wenn man schon seinen Mann nicht haben kann, dann zumindest doch etwas Ordentliches zwischen die Zähne. Besonders angetan hat es ihr Mornas Honigkuchen, von dem kann sie gar nicht genug kriegen und die freut sich immer darüber, was für ein herzhafter Esser die junge Frau ist und behauptet ständig, Diantha wäre zu dünn, was die gar nicht verstehen kann. Es gab Zeiten in denen sie erheblich dünner war, sie findet sich zurzeit sogar ganz schön wohlgenährt. Allmählich gelingt es ihr auch jede Nacht mehr als zwei bis drei Stunden zu schlafen, aber sie ist nach wie vor nachts lange Zeit mit den Gedanken bei ihrem Mann. So ist sie auch voller Vorfreude, als es endlich, endlich so weit ist, dass er in wenigen Tagen zurückkommen wird, sie wirkt wie ein ganz anderer Mensch. An dem Tag, an dem Rhordri die Rückkehr angekündigt hat, treibt sie sich stundenlang mit den Zwillingen auf dem Zwinger herum, immerhin erlaubt es das Wetter es endlich einmal wieder draußen herumzutoben, dann und wann finden sogar ein paar Sonnenstrahlen den Weg durch die dicken Wolken. Wie magisch zieht das Waldtor immer wieder Dianthas Blick auf sich, die bohrende Frage, wann sie ihn endlich wieder in die Arme schließen kann, lässt sie nicht los. So scheint die Zeit sich in die Länge zu ziehen, Sekunden scheinen zu Stunden zu werden und auch am Nachmittag ist noch immer nichts zu sehen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 09. Feb. 2008, 01:35 Uhr
Am Tag vor dem ersten Leichenfund




>Und jetzt mach, dass du weg kommst!< lässt Olyvar sich nicht zweimal sagen und Bayvard, der die Unruhe seines Reiters spürt, erst Recht nicht. Der Hengst war zwar zu keinem Zeitpunkt versucht gewesen, durchzugehen, doch hätte Olyvar ihn gelassen, er hätte von sich aus eine sehr viel schnellere Gangart gewählt - jetzt lässt er ihn nach einem grinsenden Abschiedswinken an Ced und Colevar laufen und Bayvard fällt augenblicklich in einen leichten Kanter. Olyvar ist in Eile, also lenkt er sein Pferd auf einen verschlungenen Saumpfad durch den Wald, anstatt weiter nach Norden auf den Kreuzweg zuzuhalten. Doch selbst wenn er den Weg abkürzen und querfeldein reiten würde, liegt vor ihm noch ein guter Halbtagesritt, also überlässt er im Großen und Ganzen Bayvard das Tempo, der genau weiß, wie weit es zum heimatlichen Stall und der Futterkrippe noch ist. Trotz seinem drängenden Wunsch, so rasch wie möglich nach Hause zu kommen, genießt Olyvar auch den Ritt durch die graukalte, neblig gefrorene Welt ringsum. Für herzländische Verhältnisse ist es feucht und eisig - schon seit Tagen herrschen Minusgrade, auch wenn es noch kaum Schnee hat. Schnee fällt hierzulande ohnehin wenig im Vergleich zu nördlicheren Gegenden, doch der stete Nebel der vergangenen Wochen ist in der Kälte zu Raureif gefroren, der auch tagsüber alles mit einem bizarren, silbergrauen Mantel überzieht. Selbst der Himmel hat die Farbe von nassem Granit, auch wenn ab und an ein paar Sonnenstrahlen wie blasse, leuchtende Finger durch die tief hängende Wolkendecke stoßen. Olyvar lässt ein verschlafenes Dorf hinter sich, legt eine kurze Rast an einer Quelle unter moosbewachsenen Findlingen ein und tränkt sein Pferd, sitzt jedoch nach einer knappen halben Stunde bereits wieder im Sattel. Vor ihm liegt der Farnweg nach Talyra - er hat das Umland der Stadt erreicht, wo das Larisgrün lichter und immer wieder von Waldweiden und kleinen Gehöften durchbrochen wird. Zwei Stunden noch und er wäre zu Hause - nichts auf der Welt würde ihn jetzt noch dazu bringen, unnötig Zeit zu verlieren. Als die Stadt mit ihren trutzigen Mauern und die Türme der Steinfaust endlich in Sicht kommen, hat es ein wenig aufgeklart, doch die matte Wintersonne gibt nur noch ein kurzes Gastspiel am abendlichen Himmel. Die früh einsetzende Dämmerung taucht die Welt in weiches, bronzegoldenes Licht, der westliche Horizont glüht wie ein reifer Pfirsich und die Stadt liegt dunkel und zwielichtig vor ihm, hinter ihr der schimmernde Ildorel. Zu Hause... Noch ein knapper Tausendschritt durch die Randbezirke des Larisgrüns, durch das abendstille Nachtschattental, vorbei an den Waldkoppeln der Steinfaust und der Quelle, an der Diantha und er im vergangenen Frühjahr gesessen waren und geredet hatten. Wird sie da sein? Irgendwo auf den Zwingern? Wird sie auf mich warten? Bayvard, der sowohl den nahen Stall wittert, als auch die Stimmung seines Herren unfehlbar erkennt, spannt sich und Olyvar kann spüren, wie der Hengst sich unter ihm zusammenzieht wie eine Sprungfeder. "Du spürst es auch, nach eil?" Grinsend lässt er seinem Pferd die Zügel frei und Bayvard schießt davon, als wäre er nicht schon seit Stunden unterwegs, sondern gerade eben frisch und ausgeruht aus seiner Box spaziert. "Dann bring uns nach Hause."

Olyvar erreicht das Waldtor der Steinfaust, als die Sonne in einer Lache aus Feuer zwischen rotgeränderten Wolken versinkt. Alles, was ihre letzten Strahlen treffen, wird mit flammendem Gold gesäumt - und das erste, das er sieht, ist seine Frau. Diantha treibt sich mit den Zwillingen auf der heruntergelassenen Zugbrücke des Waldtores herum und spielt mit Conn und Fianryn Tempelhüpfen, während die beiden Torwächter ihnen auf ihre Lanzen gestützt zusehen. Noch hat sie ihn nicht gesehen, aber als er Bayvard zügelt und aus dem Schatten der letzten Bäume reitet, hört sie den dumpfen Hufschlag und dreht sich um. Ihr Gesicht ist blass und unter ihren Augen liegen dunkle Schatten, aber ihr Blick wird weit und strahlend, und ihr Mund verzieht sich zu einem wundervollen, breiten Lächeln, nur für ihn allein. Dann beginnt sie zu laufen und er erträgt es keinen Herzschlag länger, sie nicht zu berühren. Olyvar kann gerade noch rechtzeitig aus dem Sattel springen, um sie aufzufangen, als Diantha sich im wahrsten Sinne des Wortes auf ihn stürzt und dann kann er sie endlich, endlich festhalten. "Es hat so lange gedauert, wieder zu dir zu kommen, conasg, so lange." Er drückt sie an sich, als wolle er sie nie wieder loslassen, hebt sie ein Stück vom Boden, um sie heftig zu küssen, umfasst ihr Gesicht mit beiden Händen, küsst ihren Mund, ihre Stirn, ihre Wangen, atmet den Geruch ihrer Haut und ihres Haars - "Geht es dir gut? Ist alles in Ordnung?" - und wird beinahe von den kreischenden Zwillingen gefällt, die auf ihren kurzen Beinchen auf ihn zustolpern und sich dann mit leuchtenden Augen an seine Beine klammern. Plötzlich reden sie alle durcheinander: Diantha drückt sich an ihn, nickt und jappst atemlos etwas, Conn verlangt hochgenommen zu werden, "Arm, Papa!" und Fianryn versucht schon, ihn in Richtung Steinfaust davon zu zerren "Papa, komm!", während er eine kleinkindlich wirre Schnellzusammenfassung der letzten Stunden zu hören bekommt - und ihr wildes, völlig konfuses Geplapper ist die süßeste Musik in seinen Ohren. Olyvar schnappt sich lachend seine Tochter, setzt sie sich in den Nacken, wo Fianryn thront wie Königin Costbera auf ihrem Greifen, klemmt sich Connavar unter den einen Arm, nimmt Diantha in den anderen und ist endlich wieder zu Hause. Auf dem Inneren Zwinger angekommen, überlässt er Bayvard der Obhut eines Stalljungen und versichert Rhordri und Vareyar, die ihn willkommen heißen und dabei besorgt über seine Schulter schielen, wo bei allen Höllen er nur die dreitausend übrigen Blaumäntel gelassen haben könnte, dass Ced und Colevar den Trupp nach Hause bringen und nicht vor Mitternacht oder der Morgendämmerung hier eintreffen würden, dann kehrt er mit seiner Familie in den Westflügel zurück.

Ein freudestrahlender Mattis, der aus irgendeinem Grund einen leisen Stoßseufzer der Erleichterung an die Hallendecke schickt, als er Olyvar sieht, erwarten ihn, und nicht lange darauf auch ein paar Bissen zum Abendessen. Er verschlingt Brot und kaltes Fleisch so hungrig wie ein Bär nach dem Winterschlaf die erste Mahlzeit im Frühling - nur das Essen an sich gestaltet sich etwas schwierig, einhändig, da er Diantha nicht für einen Augenblick loslassen will und auf jedem Knie ein Kind hat. Irgendwie und unter viel Gelächter der Zwillinge gelingt es ihnen allen vieren schließlich aber doch noch, einigermaßen satt zu werden. Immerhin sind Conn und Fianryn abgefüttert und müde, bereit um ins Bett gebracht zu werden. Olyvar ist hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, endlich mit seiner Frau allein zu sein und dem nicht minder großen Verlangen, seine Kinder noch eine Weile um sich zu haben, also schließt er sich der abendlichen Zu-Bett-Geh-Prozession an. In diesem Fall besteht sie aus mit Nachtkittelchen, Lieblingsstofftier und Kuscheldecke bewaffneten Zwillingen und Diantha mit dem Nachtlicht. Er folgt ihnen in die Kinderzimmer und hält anschließend das hingerissen der Gutenachtgeschichte lauschende Publikum in den Armen, bis es leise schnarchend eingeschlafen ist. Die kleinen, warmen Kinderkörper sind tröstliche Gewichte in seinen Armbeugen, nur das Nachtlicht brennt und Dianthas dunkle Rauchstimme erfüllt den Raum. Sie spricht zu den Kindern, so sanft wie das Murmeln eines kleinen, ruhigen Flusses, und gibt irgendeine haarsträubende Geschichte von einem Löwen in Immerfrost, der in den Steineichenwäldern von Nachtschimmer wilde Abenteuer erlebt, zum Besten - aber ihre Augen ruhen auf ihm und ihre Blicke führen einen ganz eigenen Dialog. Olyvar lauscht nicht auf die Worte - er will sie nur ansehen und den Klang ihrer Stimme hören, sie könnte erzählen, was immer sie wollte. Sie sieht müde aus, vermutlich hatte sie so wenig geschlafen wie er, dennoch schafft sie es irgendwie zu leuchten, als trage sie ein leises, beständiges Glühen unter der Haut, das durch sie hindurch und aus ihrem Inneren strahlt. Ihre Wangen sind rosig, die Sommersprossen winzige, bronzefarbene Tupfer auf ihrer Nase. Ihr Haar ist wieder ein Stück länger geworden, und ringelt sich in weichen, gedrehten Locken in alle Richtungen davon. Er kann es nicht erwarten, seine Hände darin zu vergraben und es mit den Fingern auszukämmen, ebenso wenig, wie er es erwarten kann, diesen Mund wieder zu küssen - und sie sieht ihn an, als wüsste sie genau, woran er jetzt denkt. Als die Kinder schlafen und in ihre Bettchen verfrachtet werden, als sie ihm Fianryn abnimmt, um die Kleine hinzulegen und er Connavar zudeckt, kann er sie so deutlich spüren, als läge ihr Körper schon der Länge nach an seinem, obwohl sie einen Schritt von ihm entfernt steht, als habe irgendjemand oder irgendetwas, vielleicht das Schicksal, einen glühenden Draht zwischen ihnen beiden gespannt.

Sie schaffen es gerade noch, einigermaßen die Finger voneinander zu lassen so lange, wie sie brauchen, um aus den Kinderzimmern in den dunklen, verschwiegenen Gang hinaus zu kommen. Doch dann ist es mit ihrer beider Selbstbeherrschung vorbei und Diantha findet sich augenblicklich rittlings an die halbhoch mit Holz vertäfelte Wand gedrückt wieder, und ist binnen weniger Herzschläge ihr Hemd los - sie aus diesen dreimal verfluchten Hosen zu bekommen erweist sich da schon als weitaus schwieriger, vor allem, wenn man dafür den berauschend atemlosen Kuss nicht unterbrechen will und die Finger gerade ganz und gar unmöglich von zwei Brüsten nehmen kann, die so faszinierend fest und nachgiebig zugleich sind - und wundervoll rund obendrein. Für ein zusätzliches Paar Hände hätte Olyvar in diesem Augenblick ohne zu zögern seine Seele verkauft. Dianthas Hemd landet auf dem Boden, ebenso wie sein eigenes und dann hinterlassen sie eine Spur aus verschiedensten Kleidungsstücken und achtlos verlorenen Schuhen auf ihrem Weg durch die Halle (von Mattis ist dankenswerterweise nichts mehr zu sehen und zu hören) hinauf in ihr Schlafgemach. Sie lieben sich mit hellhöriger Rücksichtslosigkeit für den Hunger im jeweils anderen, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, es nicht enden zu lassen und nie wieder aufzuhören, verschmolzen zu sein und zu bleiben, und voller blinden, drängenden Verlangens gleichzeitig, an jedem bebenden Nervenende hellwach und absolut schamlos. Eingehüllt in warme Decken und die Wärme, die von Dianthas weicher Haut ausgeht, satt und träge vor Liebe und so zufrieden wie ein Kater in einer Sommernacht liegt Olyvar schließlich neben ihr. Er hat die Arme fest um sie geschlungen und fährt mit der Hand durch ihr Haar, dessen geringelte Strähnen unter seinen Fingern nachgeben wie Sprungfedern, seidenweich und lebendig an seiner Haut. Schneeregen klebt in schmierigen, feuchten Flocken an der Fensterscheibe, doch im Kamin brennt ein Feuer, es ist angenehm warm und der Raum ist erfüllt vom Geruch nach Sommer und dem warmen Moschusgeruch gründlicher Befriedigung. Diantha liegt halb auf, halb neben ihm und reibt gerade ihre kleine Nase an seinem Hals. "Schön, dass ich dir gefehlt habe," ertönt es höchst selbstzufrieden unter seinem Kinn und ihre Finger berühren sacht den Bärenanhänger um seinen Hals. Olyvar lacht leise und seine Hand schließt sich beifällig um die erreichbare Hälfte ihres wundervollen Hinterns. "Gefehlt ist gar kein Ausdruck," erwidert er. "Vermutlich werden die Männer, wenn sie morgen zurück sind, als erstes eine Bittschrift einreichen, dass du mich ab sofort zu jedem Manöver begleiten musst, weil ich sonst absolut unausstehlich bin."

Diantha prustet leise und stützt ihr Kinn bequem auf seine Brust, um ihn anzusehen. Sie lächelt hintergründig, vermutlich, weil sie gerade dabei ist, seine schätzungsweise ein halbes Dutzend "Du bist so wunderschön", mindestens vier "Ich liebe dich" und ein einziges (aber sehr effektives) "Ich muss dich haben", nach dem Grad ihrer relativen Ehrlichkeit zu sortieren, doch dann fragt sie nur nach den letzten Wochen, wie die Feldübungen verlaufen waren und ob alles gut gegangen war. Olyvar streckt sich wie eine große Katze, zieht sie fest an sich und erzählt ihr von den sechs verregneten, eiskalten Siebentagen im Rabenbruch. Er lässt nichts aus und erzählt ihr von den Schwierigkeiten der Männer mit dem Manöver an sich ebenso wie von seiner entsetzlichen Einsamkeit, von Rhordris Besuch und den langen Nächten, die er halb durchwacht hatte. "Es hat viel zu lange gedauert," endet er schließlich. "Wieder nach Hause zu kommen, meine ich." Diantha fährt mit den Fingern über sein Gesicht, die Linien seines Kiefers entlang, über sein Kinn und seinen Hals. "Hier war es auch einsam ohne dich," erwidert sie leise und ein melancholisches Lächeln begleitet ihre Worte. Dann schwindet die Schwermut aus ihrem Blick und sie beginnt ihrerseits, ihm Bericht zu erstatten, erzählt von den Kindern, von all dem Neuen, das die Zwillinge in den letzten zwei Monden entdeckt und gelernt hatten,  wie viele neue Wörter sie nun können (immerhin ist nur die Hälfte davon unanständig), dass sie das Versprechen mit dem Hund nicht vergessen hatten und mit schöner Regelmäßigkeit nachfragen, ob sie denn jetzt schon älter genug wären. Mittlerweile können beide wunderbar und ganz allein essen, ohne dass der ganze Tisch hinterher aussieht wie ein Schweinetrog, zumindest von den kleinen Löffeln, die Diantha ihnen geschnitzt hatte, denn um ihnen einen Munddolch in die Hand zu geben, sind sie noch viel zu klein (auch wenn da beide ganz anderer Ansicht sind). Mit jedem Wort, das er hört, wird Olyvars Lächeln ein wenig breiter und zufriedener - wenn schon nicht ihm oder ihr, so war es wenigstens den Kindern gut gegangen. Er lauscht gerade Dianthas grinsender Nachahmung eines von Fianryns trotzigen Wutanfällen, wenn ihr etwas, das sie sich unbedingt in den Kopf gesetzt hatte, einfach nicht gelingen will und lacht leise in sich hinein, als seine Frau plötzlich wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett hüpft. "Wa...?"
"Gleich, gleich ich muss dir unbedingt etwas zeigen!" Versichert Diantha eilig und im drängenden Tonfall eines Menschen, der etwas Wichtiges einfach vergessen hat, eilt zum Schreibtisch, holt Pergament, Federkiel und Tintenfass und ist - mitsamt allen Schreibutensilien - so schnell wieder bei ihm, wie sie gerade aus dem Bett gesprungen war.
"Was denn?"

Statt einer Antwort schenkt sie ihm ein hinreißend verschwörerisches Lächeln, breitet einen Bogen Pergament vor sich aus, tunkt die Schreibfeder in die Tinte und kleckst dann so sauber es ohne eine feste Unterlage nur irgend geht ein wundervolles und ganz und gar fehlerfreies Diantha auf das Papier. "Du kannst schreiben," entfährt es ihm so überrascht, wie begeistert und sie nickt voller Stolz. "Ja, und Lesen auch... nun ja. Fast alles, was ich kritzele. Schau nur, ich kann auch das hier..." Sie schreibt Olyvar. "Und das..." Es folgt Fianryn. "Und natürlich auch das." Connavar wird auf das Pergament gekratzt.  "Und ich kann auch Mattis schreiben, und Pumquat und Steinfaust und Morna und Faron und..." sie hält inne und schüttelt leicht den Kopf. "Obwohl ich so meine Schwierigkeiten mit dem Y hatte. Pumquat hat es mir gezeigt." Olyvar lächelt und küsst ihre Schulter. Jetzt weiß er auch, warum die Finger ihrer rechten Hand so dunkel und fleckig gewesen waren, als habe sie wochenlang nur Brombeeren genascht - Diantha hatte geübt, zu schreiben. "Dafür dass du nur sechs Wochen Zeit hattest, hast du erstaunlich viel gelernt. All diese Namen und..."
"Warte, warte, ich kann noch viel mehr..."
Olyvar hebt eine Braue, doch seine Mundwinkel verziehen sich zu einem Lächeln. "Ahja?"
"Ja." Sie tunkt den Federkiel ein und schreibt dann eifrig etwas nieder, dreht sich dabei aber so, dass er ihr nicht über die Schulter sehen kann. Dann hält sie ihm mit einem strahlenden Lächeln das Ergebnis ihrer Bemühungen unter die Nase. Ich liebe dich steht in noch ein wenig windschiefen und krakeligen Buchstaben, aber eindeutig lesbar unter den ganzen Namen, die sie vorhin aufgeschrieben hatte. Olyvar lächelt leicht. "Oh, nun... wenn das so ist..." er nimmt ihr den Gänsefederkiel und das Pergament ab und schreibt leicht und flüssig wie jemand, der es früh gelernt hat und Zeit seines Erwachsenenlebens leidigen Papierkram zu erledigen hatte: Is mi a tha gràdh agam ort. Diantha sieht stirnrunzelnd auf den Satz, sieht ihn an, sieht wieder auf das Pergament und beginnt langsam und sorgfältig zu entziffern "Is... mi... ta... grad... a... agan...nein, agam... orr.. ort? Was soll das denn..." beginnt sie, doch Olyvar unterbricht sie, schiebt seine Finger in die wilde Masse ihres Haars, umschließt ihren Kopf mit den Händen und küsst sie. " Is mi a tha gràdh agam ort," flüstert er in ihren Mund und sie reißt überrascht die Augen auf, als sie die vertrauten Worte auf Tamar hört, schließlich spricht man seine Sprache ganz anders, als man sie niederschreibt. "Das heißt 'Ich liebe dich'?"
Sein Mund wandert über ihre Wangen, ihr Kinn und ihren Hals bis zu ihrem Ohr und Olyvar hört sie leise nach Luft schnappen, als gerieten ihre Gedanken vorübergehend auf Abwege "Ah. Oh. Aber... warum..." ihre Finger krallen sich in seine Brust. "Warum... verdammt... schreibt man es..."
"Tha thu a'coimhead maiseach,"Du bist so wunderschön. murmelt er in ihr Ohr, dann schnippt er  die Schreibfeder beiseite und nimmt ihr das Pergament wieder ab. Es segelt knisternd neben dem Bett zu Boden, das Tintenfässchen allerdings hätte er beinahe nicht heil außer Reichweite gebracht, weil seine andere Hand und sein Mund, von seinen Sinnen ganz zu schweigen, gerade mit viel wichtigeren Dingen beschäftigt sind.
"Hmm," ächzt Diantha leise, klingt aber ziemlich angetan von seinem Atem, sanft und warm auf ihrer Haut. "Tamar. Warum..."
"Feumaidh mi..." Ich muss...
"Aber..."
"Auf der Stelle, conasg."


"M'lord Commander..."
Am nächsten Morgen, gerade als die Dämmerung über den östlichen Horizont kriecht und so etwas wie die Ahnung von Tageslicht verbreitet, wird Olyvar mehr als unsanft aus dem Schlaf gerissen.
"M'lord Commander!"
Es ist Mattis, der ihn weckt, indem er ihn an der Schulter rüttelt und allein die Tatsache, dass sein Knappe bis in sein Schlafgemach gegangen war, anstatt wie sonst auch an der Tür zu klopfen, kündet von mehr als nur Ärger. Diantha neben ihm blinzelt besorgt ins graue Zwielicht und Olyvar sieht in Mattis unleugbar verstörtes Gesicht. "Was ist?"
"M'lord Commander, am Nordtor... eine Leiche... Rhordri, ich meine der... Euer Kastellan schickt mich. Ihr müsst kommen. Jetzt gleich."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 10. Feb. 2008, 00:54 Uhr
Es fühlt sich unendlich gut an, Olyvar endlich wieder zuhause zu haben und das ganz sicher nicht nur, weil Diantha endlich einmal wieder tief schlafen kann – wenn auch nicht besonders lange. Ein Wiedersehen nach sechs Siebentagen will schließlich gebührend gefeiert und ein lang gehegter Hunger gestillt werden. Die zwei Tage nach seiner Rückkehr hätte sie sich allerdings wirklich schöner vorstellen können oder zumindest zweisamer, denn es hatte gleich damit begonnen, dass Mattis im Morgengrauen vor dem Bett stand und etwas von Leichen und Rhordri stotterte, aschfahl und vollkommen aus dem Häuschen. So hatte die Immerfrosterin den Jungen noch nie gesehen, sein Anblick hatte sie schon gehörig beunruhigt, aber ihr dann im Laufe des Tages  von Olyvar alles erzählt worden war, hatte sie erst das Ausmaß des Schreckens verstanden. Er war zwar alles andere als panisch, so wie Mattis, aber sie merkte schon, dass es ihn beschäftigte, zu recht. Diantha mag nicht unbedingt sehr zart besaitet sein, das hat ihr das Leben auf der Straße schlichtweg ausgetrieben, aber davon, dass ein junges Mädchen, noch fast ein Kind, auf so bestialische Art und Weise ermordet wurde und dann auch noch so eine Leichenschändung mit ihr getrieben worden war, davon hat sie selbst in den dunkelsten und dreckigsten Gassen Nachtschimmers noch nie gehört. Sie versucht alles um Olyvar von den Ereignissen abzulenken, wenn er, wann immer es ihm möglich ist, bei ihr und den Kindern ist und es gelingt auch einigermaßen. Sie bringt ihn zum Lächeln und auf andere Gedanken, trotzdem hat man den ganzen Tag über in der gesamten Steinfaust das Gefühl, dass eine dunkle Gewitterwolke über dem Gebäude hängt. Auf den Zwingern herrscht ein ziemliches Chaos, sodass Diantha mit den Kindern im Westflügel bleibt. Davon halten die beiden zwar absolut nichts, aber sie alle drei hätten auf den Zwingern und den Höfen unten nur gestört. Die ganze Situation verschärft sich noch dazu am Folgetag, als eine weitere grausig zugerichtete Frauenleiche gefunden wird. Immerhin ist Yarranwyn die Bardin kein Kind mehr, dennoch hört sich das ganze immer mehr nach einer Schauergeschichte an, die irgendein Wahnsinniger in die Realität umgesetzt hat. Überall wird von Massenmördern geraunt und Diantha sieht es absolut nicht ein, die Zwillinge dieser aufgewühlten, wenn auch absolut nachvollziehbaren Stimmung in der Steinfaust auszusetzen. Die Kinder noch einen ganzen weiteren Tag im Westflügel einsperren will sie auch nicht, außerdem können die Zwei unmöglich im Solar spielen, wenn Olyvar gerade Beratungen mit den Ermittlern hält. Daher entschließt Diantha sich, mit Fianryn und Connavar die Familie des Kastellans zu besuchen, Morna freut sich immer, wenn sie vorbeikommen und wenn man Grabesstimmung und wachsende Aufgebrachtheit gegen die fröhliche Atmosphäre einer Großfamilie eintauschen kann, dann zögert Diantha nicht lange. Sie bedauert es zwar, dass Olyvar nicht mitkommen kann, aber so ist es nun einmal und er stimmt ihr auch zu, dass es für sie alle das sinnvollste so ist. Außerdem kommt ihr der Ausflug zu Morna auch ganz gelegen, denn Diantha brennt eine Frage auf der Zunge, von der sie nicht weiß, wem sie die stellen soll und sie denkt, dass Rhordris Frau genau die Richtige dafür ist.

„Diantha, bei aller Liebe, du brauchst wirklich keinen Heiler um dir zu sagen was mit dir ist“, verkündet Morna ganz selbstverständlich und lächelt Diantha fröhlich an. Die kann nur fragend und verwirrt zurück lächeln, diese Antwort hat sie auf ihre Frage nicht erwartet, sie wollte nämlich wissen zu wem sie am besten gehen soll, weil sie sich doch allmählich wundert, was mit ihrem Körper so vor sich geht. Anfangs hatte sie ihre seltsamen Essgelüste darauf geschoben, dass Olyvar nicht da war und sie sich einsam fühlte, diese Hypothese hatte sich aber nicht halten lassen, nachdem es in den letzten beiden Tagen genauso weitergegangen war. Früher eher eine Anhängerin der deftigen Kost wird sie auf einmal zur Naschkatze und Honig beginnt einen ganz neuen Stellenwert in ihrem Essenplan einzunehmen. Es wäre untertrieben zu sagen sie habe ihre Leidenschaft für das süße Zeug entdeckt, sie braucht es, als wäre in dem anderen Essen nicht genug Energie für sie. Bei dem Honigkonsum hat sie natürlich auch zugenommen, das ist ja kein Wunder, auch wenn Diantha eigentlich nicht dazu neigt schnell an Gewicht zuzulegen. Das fällt besonders auf, weil Olyvar in der Zeit des Manövers ihrer Meinung nach erschreckend viel abgenommen hat, sie hätte beinah den Koch zur Rede gestellt, warum der ihren Mann hat hungern lassen, doch Olyvar hat sie unter einigen Anstrengungen davon überzeugt, dass es an ihm lag, dass er nichts essen konnte. Nun gut, vielleicht weniger an ihm als an ihrer Abwesenheit. Daneben fühlt sie sich schon ein wenig aufgedunsen, jetzt wo selbst ihre weiten Hosen allmählich eng werden, das geht ihr entschieden gegen den Strich. Noch mehr als ihr Bauch hat ihre Oberweite Dimensionen angenommen, die sie sich nie hätte vorstellen können, was ihr absolut unverständlich ist. Im Alltag lässt sich das jetzt im Winter gut verstecken, sie ist ja schließlich ohnehin eine Anhängerin der eher weiten, recht formlosen Pullover und Hemden. Olyvar ist es natürlich trotzdem aufgefallen, der hatte das aber nur mit einem viel sagenden Grinsen kommentiert und überzeugend versichert dass er gegen diese Veränderungen nichts einzuwenden hat. Das ändert nichts daran, dass sie nicht vor hat es so weiter gehen zu lassen, daher wollte sie Mornas Rat zu wem sie da am besten gehen soll, aber mit dieser Antwort hat sie nicht gerechnet. „Wieso nicht?“, fragt Diantha sie nach einem Moment besorgt und Mornas wissendes Lächeln trägt nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. „Schätzchen, selbst ein Blinder sieht, was mit dir ist: Du bist schwanger!“, verkündet diese gerade beiläufig, während sie in ihrem Kochtopf rührt und abschmeckt, ob in die Suppe noch ein wenig Salz muss. Die Küche ihr Reich, hier herrscht sie uneingeschränkt, deshalb kommt auch jeder, der ein Problem hat hierher um ihr sein Herz auszuschütten. Es ist zwar nicht so, dass sie hier normalerweise allein ist, aber wenn jemand unter vier Augen mit ihr reden will, dann werden sämtliche Kinder und Enkelkinder, Cousins und Cousinen, Großcousins und Großcousinen, Vettern, Nichten und Neffen daraus verbannt und man hat die uneingeschränkteste Aufmerksamkeit, die man von Morna kriegen kann – man muss sie nämlich nur mit ein paar Töpfen und einem gewaltigen Ofen teilen. Diantha ist gerne hier und schaut Morna dabei zu, wie sie das ganze Chaos organisiert und dabei noch wundervolles Essen zaubert, behilflich ist sie aber nur insofern, dass sie ein wenig Geschirr abwäscht, mitzukochen weigert sie sich strikt. So lässt sie auch jetzt abrupt einen großen Topf sinken, der prompt Wasserlachen auf den Boden tropft. „Schwanger?“, wispert sie ungläubig. „Bist du dir da sicher? Ganz sicher?“ Natürlich hatte auch sie diesen Gedanken, aber sie hatte ihn so nachdrücklich aus den Möglichkeiten gestrichen, damit sie sich bloß keine falschen Hoffnungen macht, dass sie es irgendwann selber geglaubt hatte. „Ich habe genug Kinder auf die Welt gebracht und genug schwangere Töchter und Schwiegertöchter gesehen um dir sagen zu können, dass du auf jeden Fall schwanger bist“, lautet die selbstsichere Antwort darauf, die keine weiteren Fragen zulässt. „Bisher habe ich mich noch bei keiner Frau geirrt, der ich das gesagt habe und bei dir bin ich mir schon sei einem Mond sicher. Rechne doch einfach mal nach, wann du deine letzte Monatsblutung hattest, ich wette mit dir es ist über zwei Monde her. Nimmst du wohl die Finger da weg!“ Mit den letzten Worten verscheucht sie nachdrücklich eins ihrer Enkel, dass sich hinter Mornas Rücken in die Küche geschlichen hatte um sich rasch einen Keks zu stibitzen und jetzt enttäuscht feststellt, dass seine Großmutter ganz offensichtlich auch am Hinterkopf Augen hat und sich prompt trollt. Einen Moment ist sie still, dann sagt die Immerfrosterin schließlich: „Das ist schon wahr, aber…“ „Was aber?“, fragt Morna mit einem irritierten Blick. „Du hast mit einem Mal seltsamste Essenswünsche, nimmst an sehr eindeutigen Körperteilen zu, kannst gewisse Gerüche nicht mehr leiden, die dir vorher nichts ausgemacht haben und neigst zur Launenhaftigkeit. Was bitte erwartest du denn noch für Zeichen? Dass Carsai höchstpersönlich vorbei kommt um dir zu sagen, dass du ein Kind unter deinem Herzen trägst?“ Das sitzt und Diantha und wird auf einmal sehr still und nachdenklich, bis Morna sie irgendwann fragt: „Was hast du denn? Freust du dich nicht?“ Man sieht ganz offensichtlich, dass der Gedanke sie sehr verwundert, weshalb Diantha auch prompt erwidert: „Doch sicher… Ich habe nur nicht damit gerechnet und … ich weiß nicht, wie ich Olyvar das sagen soll…“ Trotz des Stotterns schleicht sich in ihren Blick ein glückliches Strahlen. Ein Kind… nach all der Zeit! Sicherlich freut sie sich, aber bis zu ihrem Herzen ist das alles noch längst nicht vorgedrungen, theoretisch versteht sie es zwar, aber in dem Moment beherrschen nicht Freude, sondern tausend Befürchtungen ihr Denken. „Na, mach dir um deinen Mann da mal keine Sorgen“, meint Morna nur. „Probier mal, schmeckt das?“

Mach dir mal keine Sorgen – was für ein einfacher Satz. Viel einfacher gesagt als getan, Diantha sorgt sich nämlich ganz schrecklich. Sicher, sie liebt ihren Mann, sogar sehr, aber das ändert nichts daran, dass etwas in ihr laut aufschreit, wenn sie nur daran denkt ihm zu erzählen, dass sie schwanger ist. Ich kann das nicht, ist alles was ihr dazu in den Sinn kommt. Das ertrage ich nicht noch einmal! Aber ich habe es ihm doch versprochen… Nur zu gut erinnert sie sich an diesen Nachmittag im Larisgrün und daran, wie er ihr das Versprechen abgenommen hatte, dass sie es ihm sagen wird, wenn sie schwanger ist. Allerdings glaubt sie nicht, dass er weiß, wie schwer ihr das fällt. Nie wurde sie mehr verletzt als damals, nie hat sie Schrecklicheres erlebt, die Erinnerung daran schnürt ihr noch immer den Hals zu. Dennoch – eine Immerfrosterin steht zu ihrem Wort! Sie muss es ihm sagen, möglichst schnell, aber auf keinen Fall vor den Kindern. Sie gibt sich nicht eine Minute um sich wirklich ihrer Schwangerschaft bewusst zu werden, stattdessen dankt sie Morna mehrfach, auch wenn die behauptet es gäbe überhaupt nichts zu danken und das wäre doch selbstverständlich, schnappt sich die Zwillinge und tobt mit ihnen und einigen Enkelkindern von Morna und Rhordri bis es anfängt zu dämmern. Erst dann betreten sie die Steinfaust wieder, die Kinder mit roten Pausbäckchen und schniefenden Nasen, selbst Dianthas Nase ist leicht rot und alle drei sind sie hungrig wie ein Rudel Wölfe. Schon beim Abendbrot ist Connavar kurz davor einzunicken und Diantha lächelt zufrieden, es würde wirklich kein Problem werden die Zwei heute Abend zeitig ins Bett zu bekommen. Olyvar fragt freundlich, was sie denn den Nachmittag über gemacht haben, sie wären ja lange fort gewesen und Diantha gibt ihm ausführlich Auskunft, allerdings schaut sie dabei auffallend nachdrücklich auf ihren Teller. Sie spürt seinen Blick auf sich ruhen und lächelt nur, dann gibt ihr Connavar passender Weise einen Vorwand um sich zu ihm umzudrehen, weil er schläfrig seinen Löffel so schief hält, dass die Hälfte des Eintopfs wieder zurück auf den Teller tropft. „Ach Kullanmuru, bist du so müde?“, fragt sie lächelnd. „Ich bin nicht müde!“, erwidert der Kleine entschlossen, doch er kann ganz offensichtlich die Augen kaum noch offen halten. „Natürlich nicht“, sieht Diantha mit einem Lächeln scheinbar ein, sie weiß, über diese Tatsache sind Diskussionen vollkommen sinnlos.. „Gib mal deinen Löffel her, ich kratze dir den Rest aus und nach dem Abendessen mache ich euch bettfertig…“ Prompt zieht ein Gewitter in zwei Kindergesichtern auf und die Immerfrosterin kann das laute Verkünden: „Wir wollen nicht ins Bett, wir sind noch hellwach!“ schon hören, also setzt sie noch rasch hinzu: „… und dann erzähle ich euch eine Geschichte, in Ordnung?“ Sofort herrscht wieder eitel Sonnenschein und beide nicken begeistert. Diantha hält sich nicht gerade für eine besonders gute Geschichtenerzählerin, das hindert die Zwillinge allerdings nicht daran immer noch mehr hören zu wollen. Glücklicherweise kennt Diantha aus ihrer eigenen Kindheit genug Sagen und Legenden aus Immerfrost um den Kindern ein wenig Abwechslung zu bieten, das ist auch gut so, schließlich gibt es nichts Schlimmeres als immer und immer wieder das Gleiche erzählen zu müssen. Problematische ist dabei nur eins: Die Zwillinge haben Lieblingsthemen, die gefälligst in jeder Geschichte vorzukommen haben, egal wie, aber sie müssen eine Rolle spielen. Für Connavar muss unbedingt Bayvard vorkommen und Fianryn erwartet, dass der große Löwe Yksi auftaucht, von dem sich Diantha mittlerweile fast schon verfolgt fühlt. Seitdem Pumquat ihr das erste Mal von einem Löwen erzählt hat ist das Mädchen absolut begeistert von diesen Tieren und hatte so lange auf Diantha eingeredet, bis die sich von dem Kobold ein Bild hatte geben lassen und Fianryn einen Löwen geschnitzt hatte. Die Immerfrosterin weiß nicht, ob er ihr gelungen ist, sie hat schließlich noch nie mit eigenen Augen so ein Tier gesehen, aber als Fianryn endlich ihren Löwen gehabt hatte, wollte sie prompt wissen, was der denn für einen Namen habe. Darauf hatte Diantha nur mit den Schulter gezuckt und hilflos auf Pakkakieli gestöhnt sie weiß es nicht, am liebsten würde sie den ganzen Figuren ohnehin nur Nummern geben, eins, zwei, drei. Daraufhin war prompt verkündet worden Yksi sei doch ein wunderschöner Name, perfekt für einen großartigen Löwen und daher heißt Fianryns Lieblingsfigur jetzt übersetzt „Eins“. So darf Diantha sich auch an diesem Abend wieder aus den Fingern saugen wie zum Geier ein Löwe in einem Märchen auftauchen kann, das an einem Wintertag in Immerfrost handelt, und warum gerade Bayvard sich dort herumtreibt.  

Wie erhofft dauert es nicht lange bis die Zwillinge schlafen, lange noch bevor die Geschichte zu Ende ist und nachdem jedes Kind in sein Bett verfrachtet ist, hat Diantha die perfekte Gelegenheit mit Olyvar zu sprechen, da Matthis unten bei anderen Jugendlichen der Steinfaust ist. Ihr Herz schlägt bis zum Hals, doch die Immerfrosterin weiß nicht, wie sie anfangen soll und so holt sie sich zunächst ihr Schnitzzeug, Olyvar ist nämlich auch noch mit irgendwelchen Papieren beschäftigt. Mit vor Angst nassen Fingern fängt sie an das Holz zu bearbeiten, daher ist es auch kein Wunder dass ihr prompt das Messer ausrutscht und sie sich tief in die linke Hand schneidet. „Kirottua!“, flucht sie laut und springt auf um sich etwas zum Verbinden zu holen, doch Olyvar ist schneller und bringt rasch eine Mullbinde, eine paar Verbandssachen haben sie immer im großen Saal herumstehen, da es doch regelmäßig vorkommt dass eins der Kinder hinfällt oder sich irgendwo anstößt. „Halt still“, sagt er bestimmt und ignoriert Dianthas gemurmeltes „Ich kann das auch alleine…“, wobei sie ihm immer noch nicht in die Augen sieht. Als die Hand erheblich besser verbunden ist, als sie es allein hinbekommen hätte, zieht er sie in seine Arme und fragt, was denn los sei, was sie habe. Ruckartig macht sie sich von ihm los und schaut ihm endlich ins Gesicht, voller Angst und Unsicherheit. „Ich … ich muss mit dir reden…“, sagt sie schließlich stockend, ihr Gesicht ist bleich. „Bitte, lass uns uns setzen…“, fordert sie ihn auf, also lassen sie sich am Tisch nieder und sie muss sich zwingen ihm in die Augen zu sehen, in denen sie jede Menge Befürchtungen sehen kann. Nicht für einen Augenblick versetzt sie sich in Olyvars Lage, für den das hier schrecklich sein muss, besonders nach dem harten Tag in der Steinfaust, während dem er sich vermutlich die ganze Zeit auf ein wenig Ruhe und Zweisamkeit gefreut hat – nicht auf so ein Theater. Doch dafür steigert sie sich in diesem Moment viel zu sehr in ihre Ängste hinein. Nervös rutscht sie auf ihrem Stuhl hin und her und fingert an ihrem Verband herum, während sie vor sich hin stottert: „Du darfst nicht wütend sein…“ Prompt hakt er weiter nach, was Diantha nur noch nervöser werden lässt. „Ich habe es ja versprochen…“, setzt sie gequält hinzu, was ihm auch nicht viel weiter hilft. „Ich … ich … ich bin …“, sie bricht ab, beißt sich auf die Unterlippe und fängt neu an: „Du weißt doch, dass wir nie ...“, doch wieder bringt sie es nicht über die Lippe und setzt ein weiteres Mal an. „Weißt du noch damals im Larisgrün haben wir doch besprochen … ich meine… ich…“ Was sieht sie da in seinen Augen? Besorgnis? Oder etwa doch Wut? Zwei Bilder schieben sich über einander, eins das wirklich da ist und eins, das nur in ihren Erinnerungen existiert. Nein, nein, keine Wut! Das ertrag ich nicht! Ich muss hier weg! Nicht noch einmal! „Ich kann das nicht!“ Ohne weiter darüber nachzudenken springt sie vom Stuhl auf und rennt in halsbrecherischem Tempo aus der Halle und den Gang hinunter. Kein Mann mit einem Funken Stolz im Leib würde ein Kind von dir wollen, wie kannst du das nur glauben!, hallt durch ihre Gedanken und treibt sie zu noch höherem Tempo an. Kein Mann… kein einziger Mann… ein Kind von dir, ha! Ein Kind von dir… kein Mann… Sie stürmt auf den inneren Zwinger, es ist schon spät, kaum jemand ist noch unterwegs, bis natürlich auf die Wachen. Die schauen Diantha nur höchst verwirrt dabei zu, wie sie in Richtung Pferdestall rennt, während die Immerfrosterin sie keines Blickes würdigt. Im Nachhinein weiß sie nicht mehr, wie sie auf ihr Pferd gekommen ist, jedenfalls hat sie sich keine Zeit genommen um es zu satteln, nur aufgezäumt hat sie es und ihm rasch die Satteldecke übergeworfen. Sie nimmt sich genau einen Wimpernschlag Zeit um zu überlegen wo sie hin will und treibt das Tier prompt in Richtung Waldtor an. Die Wachen fragen beunruhigt: „Mylady, können wir…“ Doch ohne auch nur im Entferntesten auf sie zu reagieren gibt Diantha Fersengeld, sie hört längst nicht mehr, wie sie den Satz beenden: „… euch helfen?“. Das Tier spürt sofort die Panik, die sie ergriffen hat und legt eine entsprechende Geschwindigkeit vor, auch ohne dass es noch großartig angetrieben werden müsste. Zu Dianthas Glück ist es eine klare Nacht, der Mond beleuchtet den Weg durch den Wald und es hat schon längere Zeit nicht geschneit, sodass sie ihr Pferd immerhin über einigermaßen rutschfesten Untergrund jagt. Nur am Rand liegen noch bis zu einem halben Schritt hohe Schneeberge. Sollte das Tier wirklich in diesem Tempo stolpern, dann wäre es nicht unwahrscheinlich, dass es sich die Beine bricht und Diantha unter sich begräbt, die Wahrscheinlichkeit nimmt immer mehr zu, je schneller es wird. Seine Reiterin verschwendet daran allerdings nicht im Entferntesten einen Gedanken, genauso wie ihr ihre mangelhafte Kleidung egal ist, sie registriert zwar, dass der eisige Wind durch ihren dünnen Wollpullover bläst und die Kälte sich durch ihre Haut bis auf die Knochen zu fressen scheint, doch es ist ihr egal. Es fühlt sich unwirklich an, als wäre es nicht wirklich sie, die hier durch den Wald jagt, ihre Gedanken verweilen ganz wo anders. Sie registriert zwar, was vor sich geht, doch das ist auch alles.

Freudestrahlend saß die so viel jüngere Diantha Riku gegenüber und schaute ihn erwartungsvoll an. „Bald sind wir zu dritt!“, hatte sie gerade verkündet. „Ich bin schwanger!“ Nun erwartete sie, dass sich endlich ein glückliches Lächeln über sein Gesicht ausbreiten würde, doch nichts dergleichen geschah. „Freust du dich nicht?“, fragte sie schließlich verständnislos – wie konnte sich schließlich jemand nicht über eine Schwangerschaft freuen? Von Überraschung wandelte sich sein Blick allmählich in unglaubliche Wut und Diantha stellte mit Schrecken fest, dass es scheinbar doch nicht selbstverständlich war, sich über eine ungeborenes Kind zu freuen. Plötzlich holte er aus und schlug ihr aus voller Kraft ins Gesicht. Kein Mann hatte das Mädchen je geschlagen, selbst ihr Vater hatte nie Hand an sie gelegt, das war wenn dann die Mutter gewesen und vor Überraschung setzten ihre Instinkte aus, sodass sie den Schlag mit voller Wucht abbekam. Sogleich begannen die Augen zu tränen, die Tränen suchten sich einen Weg mit dem Blut, das aus der Nase strömte, zusammen bildeten sie einen dunklen, salzigen Strom, der Dianthas Kinn hinunter strömte und allmählich auf ihr feines Kleid tropfte. Pitsch. Patsch. Ungläubig starrte sie ihn an, doch er war vollkommen unbeeindruckt davon und brüllte nur auf sie ein: „Mich freuen? Wie könnte ich! Glaubst du, ich habe dich zu mir geholt, weil ich will, dass du die Mutter meiner Kinder wirst? Wie vermessen! Was glaubst du denn, wer du bist?!“ Verachtung, so viel Verachtung in seinen Augen. „Du hast die Ehre bei mir zu sein, weil du ganz nett aussiehst und dich im Bett nicht schlecht machst, auch arbeiten kannst du recht gut. Das ist auch alles! Glaubst du, ich will, dass die Mutter meiner Kinder ein dummer Bauerntrampel wird, wie du einer bist? Deine Dummheit mag ja ganz nützlich sein, sie verhindert, dass du mich verrätst, aber sie macht dich nicht gerade zu einer geeigneten Mutter: Die Kinder könnten deine Dummheit erben, glaubst du, ich will einen stohdoofen Erben? Ganz sicher nicht!“ Schon seitdem er sie schlug ist dieser Ausdruck in seine Augen getreten, vor dem sie sich so fürchtete, den sie bisher aber erst wenige Male gesehen hatte und er war nie auf sie gerichtet gewesen. Sie hatte ihn gefragt, was dieser Blick bedeutete und er hatte gesagt das wäre der Grund, weshalb er noch immer so eine hohe Stellung in der Gilde hätte: Wenn er ihn aufsetzte würde er ein anderer, dann täte er Dinge, die er sonst nie tun würde um seine Position zu sichern. Aber solange sie ihn nicht gefährdet, müsst sie keine Angst haben. Wenn er diesen Blick aufsetzte, dann quälte er, dann ergötzte er sich an dem Leid anderer. Immer weiter dreht er den verbalen Dolch in Dianthas Brust herum, bis ihr Herz nichts mehr ist als eine blutige Masse. „Kein Mann mit einem Funken Stolz im Leib würde ein Kind von dir wollen, wie kannst du das nur glauben! Wie weltfremd bist du eigentlich? Und so leichtgläubig! Kein Mann will ein Kind von einer Frau wie dir, hörst du? Kein einziger! Nichts als eine billige Schlampe, die kaum ist man ein wenig nett zu ihr, die Beine breit macht. Nein, ich freue mich nicht und ich werde dafür sorgen, dass dieses Kind nie das Licht der Welt erblicken wird, verstanden?“

Sie hört Hufschlag hinter sich und blickt sich Schlimmes ahnend um. Da ist er, ein Schemen, noch ein ganzes Stück hinter ihr, er jagt sie, wird sie kriegen. Dianthas Panik steigert sich immer mehr, wenn er sie erst einmal eingeholt hat, dann ist es aus, dann hat sie keine Chance mehr, sie trägt keinerlei Waffen bei sich. Sie ist von Sinnen, immer mehr treibt sie das arme Tier an, auch wenn sie in den Armen kaum noch Gefühl hat. Diantha ist genauso durchgeschwitzt wie ihr Pferd und wenigstens für einen Moment durchdring ihr Überlebensinstinkt durch die Panik, die ihr Herz fest umklammert hält: Wenn du so weiter machst, reitest du euch in den sicheren Tod! Doch alles was ihr darauf in den Sinn kommt ist Schade um das schöne Tier, das hat es nicht verdient… Hätte er sie einfach davon reiten gelassen, dann wäre ihr jetzt allmählich aufgegangen, dass sie gar nicht gehen kann, dass sie die Zwillinge niemals zurücklassen könnte und dass Olyvar außerdem damals gesagt hat: >„Ich fürchte allerdings, ich wäre mehr als nur ein wenig angetan. Es könnte sogar sein, dass ich mich furchtbar darüber freuen würde. Ganz sicher sogar“< Außerdem ist da noch das ungeborene Kind, dessen Wohl sie ebenfalls leichtfertig riskiert, was ihr allerdings noch gar nicht in den Sinn gekommen ist, sonst hätte sie über ihr eigenes Handeln die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Eigentlich ist ihr noch gar nicht klar geworden, dass sie wirklich schwanger ist, alles was ihr seitdem Morna das gesagt hat im Kopf herum schwirrt ist, dass sie so schnell weg wie möglich muss. Dass sie tatsächlich ein unerwartetes Kind unter dem Herzen trägt, hat sie noch nicht realisiert. Jetzt, wo sie gejagt wird, dringt die keinerlei Vernunft zu ihr durch, der Gedanke Fort! Sofort! regiert ihr Denken, zu lange war sie die Gejagte und später hat sie jahrelang selber gejagt, nach einer Beute, die sie nie aufspüren konnte. Allerdings weiß sie: Hätte sie ihn gefunden, dann wäre er lebend nicht davon gekommen. Nun ist es wieder an ihr, gejagt zu werden, doch sie wird entkommen, sie muss! Mit einem Mal hört sie Geräusche vor sich, was ist da? Eine Gruppe Wildschweine wechselt über den breiten Weg, blind und taub für alles, was um sie herum passiert. Bei den Göttern! Auf diese kurze Distanz kann sie das Tier nicht zum Stillstand bringen, nicht bei dem halsbrecherischen Tempo, mit dem sie heranpreschen, da hilft kein „Hooo!“, selbst wenn es wollte, könnte es nicht still stehen, bis es bei den Wildschweinen ist, also steigt der Falbe, wirft seine Reiterin in hohem Bogen ab, springt kurzerhand über die Wildschweine und stürmt kopflos davon. Sie hat Glück und landet auf einem der Schneeberge am Straßenrand, sonst hätte sie sich sonst etwas tun können, auch so ist es ein ordentlicher Aufprall, den hauptsächlich ihre Schulter abbekommt. Da sie von ihren Armen aber ohnehin kaum noch etwas spürt, rappelt sie sich nur so schnell wie möglich auf. Sie sieht wie der Mann vor ihr absteigt, natürlich, er hat sein Pferd unter Kontrolle behalten, was war anderes zu erwarten. Panisch und nah an einem Nervenzusammenbruch stolpert Diantha rückwärts, Richtung Wald, tiefer in den Schnee hinein. Olyvar folgt ihr, das Mondlicht fällt auf seinen Rücken, sodass er nichts mehr als ein gesichtslose Schatten für sie ist. „Nein, geh fort, lass mich! Niemand nimmt mir mein Kind!“, schreit sie ihn an. „Niemand! Mein Fleisch und Blut! Das lasse ich nicht zu!“ Das Blut rauscht ihr in den Ohren, sie spürt ihren Körper nicht mehr und plötzlich wird ihr schwarz vor Augen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 13. Feb. 2008, 19:36 Uhr
In der Nacht nach dem zweiten Mord


Schon beim Abendessen war Diantha mit ihren Gedanken weit fort und ziemlich unruhig gewesen, doch als sie jetzt, nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht hatte, in die Halle zurückkommt, erscheint sie Olyvar so zappelig wie eine Forelle, die sich verzweifelt am Haken windet. "Conasg, was ist los?" Sie wirft ihm einen fast erschrockenen Blick zu, ringt sich ein Lächeln ab und schüttelt den Kopf, dann eilt sie zum Kamin und angelt nach ihrem Schnitzzeug, das dort immer in einer Holzkiste bereit liegt - ein paar Stücke Holz, ihre Messer und halbfertige, neue Figuren. Es dauert schätzungsweise vier Herzschläge, ehe er sie laut und schmerzerfüllt fluchen hört und schon presst sie ihren blutigen Daumenballen an den Mund. Olyvar ist bei ihr, noch ehe sie die Kiste mit den Verbandsachen erreicht, nimmt ihre Hand und drückt ein Stück Gaze auf die Wunde. "Halt still," fordert er sie auf, während er ihre Hand verbindet, doch sie sieht ihm kein einziges Mal ins Gesicht, während er sie seinerseits eindringlich mustert. Irgendetwas - und er will verdammt sein was -, stimmt mit seiner Frau ganz und gar nicht. Olyvar hätte Stein und Bein geschworen, dass noch heute morgen, als sie mit den Kindern zu Morna aufgebrochen war, um der durch die beiden Morde ziemlich unheilschwangeren Stimmung in der Steinfaust für eine Weile zu entkommen, alles mit ihr und zwischen ihnen in Ordnung gewesen war. Sie hatte sich mit einem langen Kuss von ihm verabschiedet und geschimpft wie ein Rohrspatz, dass sie ihn, kaum dass sie ihn endlich wieder habe, schon wieder allein lassen müsse. Jetzt dagegen erweckt sie eher den Eindruck, als wäre sie in diesem Augenblick überall lieber als hier bei ihm. Dennoch nimmt er sie in die Arme, nachdem er den Verband ordentlich festgesteckt hat, und fragt sie zum dritten Mal an diesem Abend, was mit ihr los sei. Diantha befreit sich nachdrücklich von ihm und seiner Nähe, und Olyvar ist vollkommen überrumpelt von der Heftigkeit ihrer Reaktion - der Ausdruck in ihren Augen, als sie endlich doch den Blick hebt, um ihn anzusehen, lässt ihm allerdings jedes Wort und jede weitere Frage, und auch jedes Gefühl der Zurückweisung erst einmal im Hals stecken bleiben. Ihr Gesicht ist bleich wie eine frisch gekalkte Wand. >Ich... ich muss mit dir reden... Bitte, lass uns uns setzen...< Olyvar holt tief Luft. Hatte er irgendetwas angestellt, von dem er nichts weiß? War irgendetwas geschehen?
>Du darfst nicht wütend sein... <
"Wütend? Wieso sollte ich..."
>Ich habe es ja versprochen... < Unterbricht Diantha ihn kläglich. >Ich... ich... ich bin... Du weißt doch, dass wir nie...<
Olyvar mustert Diantha mittlerweile unleugbar besorgt. "Conasg, beruhige dich. Es ist alles in Ordnung. Sag mir einfach, was los ist."
>Weißt du noch damals im Larisgrün haben wir doch besprochen... ich meine... ich...<
"Im Larisgrün...?" Fragt er behutsam nach als sie schon wieder ins Stottern gerät. Sie hatten im Larisgrün über so vieles gesprochen, dass er beim besten Willen nicht ahnt, worauf sie eigentlich hinaus will. Diantha starrt ihn an, als würde sie einen Geist sehen und in ihren Augen verändert sich etwas, einen Atemzug, bevor es plötzlich aus ihr heraus bricht: >Ich kann das nicht!< - und im nächsten Moment sitzt Olyvar allein in der Halle des Westflügels und blinzelt entgeistert den leeren Stuhl an, auf dem eben noch seine Frau saß. Diantha dagegen hetzt schon davon, als wären die Dämonen aller Neun Höllen hinter ihr her, hinaus aus der Halle und den Gang hinunter - und er hat nicht den blassesten Schimmer, warum.
"Ifrinn..." Was bleibt ihm übrig, als ihr nachzulaufen? Gar nichts, also steht er auf und folgt ihr. "Diantha, warte... !"

Er holt sie nicht ein, als sie in halsbrecherischem Tempo über hundert Treppenstufen aus dem Bergfried stürzt, und auch nicht, als sie über den Inneren und den Äußeren Zwinger in Richtung der Ställe davon stürmt, als wäre ihr der Leibhaftige auf den Fersen. Hätte Olyvar auch nur einen Moment Zeit gehabt, nachzudenken, hätte er etwas Intelligentes tun können, wie zum Beispiel das Fallgitter nieder und die Zugbrücke des Waldtores schließen zu lassen, doch er hat noch nicht einmal die Gelegenheit, um auch nur einmal Atem zu holen, geschweige denn, den Torwachen irgendeinen halbwegs vernünftigen Befehl zuzurufen - alles, was er weiß, ist dass seine Frau vor ihm flieht und nicht den allerleisesten Grund dafür hat. Er rennt ihr fluchend hinterher, wird im breiten, sperrangelweit offen stehenden Stalltor beinahe von ihr über den Haufen geritten und hastet fluchend zu Bayvards Box. Olyvar verliert keine Zeit mit Sattel und Zaumzeug, sondern schwingt sich so auf den Rücken seines Pferdes - wie jedes gut ausgebildete Schlachtross lässt sich Bayvard auch nur mit Gewichts- und Schenkelhilfen reiten, schließlich hat ein berittener Kämpfer auf dem Schlachtfeld im wahrsten Sinne des Wortes oft genug alle Hände voll mit Schwert und Schild zu tun. Allen Göttern sei Dank scheint der Mond rund und hell, obwohl immer wieder dunkle Wolken im kalten Nachtwind dahin treiben, und er kann seine Frau als dunklen Schemen unter den Bäumen in Richtung Norden ausmachen und ihr folgen - sie bleibt jedoch nicht lange auf der Großen Nordstraße, sondern jagt den Falben wie von Furien gehetzt auf einem schmalen Waldweg mitten hinein ins winterliche Larisgrün. Olyvar ist hinter ihr, sein Pferd ist schnell und ihr Vorsprung schwindet, doch er verringert sich nicht annähernd schnell genug. Fünfhundert Schritt. Grün und Braun, grau und weiß, nass und kalt zieht der Wald an ihm vorbei. Die Bäume sind nicht mehr als verschwommene Schemen am Rand seines Blickfeldes und alles, was er hört, ist das wilde Klopfen seines Herzens, das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren, und das dumpfe Trommeln von Bayvards Hufen auf dem halbgefrorenen Waldboden. Noch vierhundert Schritt. Ein breiter Keil Mondlicht erleuchtet den Weg vor ihnen taghell und geisterhaft zugleich. Diantha dreht den Kopf und sieht ihn, er weiß, dass sie ihn sieht, weil er die Angst in ihrer Miene selbst auf diese Entfernung erkennen kann, und treibt ihr Pferd erbarmungslos weiter. Der Falbe schießt davon, als habe ihm jemand glühende Eisen in die Flanken gerammt, wirbelt mit seinen Hufen reifüberzogenes Laub auf und reißt tellergroße, feuchte Erdbrocken aus dem Boden, die hinter ihm in morastigen Fontänen davonspritzen. Noch dreihundert Schritt, bis er sie eingeholt haben würde - und die Erkenntnis, dass dieser Blick voller Entsetzen von ihr gerade ihm galt, schlägt bitterscharfe, kalte Krallen in Olyvars Herz. "DIANTHA!" Er ist längst heiser vom Schreien ihres Namens, doch sie reagiert nicht. Der Falbe schliddert in rasendem Galopp eine breite Senke hinab und Olyvar hört das unheilvolle Krachen im Unterholz, lange bevor er die Rotte schwarzborstiger, gedrungener Leiber sehen kann, die ausgerechnet jetzt ihren Weg kreuzen muss. Noch zweihundert Schritt. "Diantha! Pass auf... Dia!" Sie hört ihn nicht oder sie will ihn nicht hören. Hundertfünfzig Schritt. "VERDAMMT, du wirst..." Seine vollkommen übergeschnappte Frau hält keine Sekunde lang inne, sie scheint die Wildschweine nicht einmal zu sehen, sondern prescht mitten in die kleine Herde hinein. Olyvar hört die Tiere kreischend Quietschen, hört den Falben erschrocken Aufwiehern, sieht ihn springen und das gut siebenhundert Stein schwere Pferd panisch in alle Richtungen ausschlagen, sieht Diantha unsanft im Schnee landen, während die Schweine grunzend vor Empörung im Wald jenseits des Weges verschwinden, und sein Herz setzt bestimmt drei Schläge aus. Sie bewegt sich nicht. Er erreicht sie, gerade als ihr Zwerchfell sich offenbar soweit erholt hat, dass sie sich Schnee und Dreck spuckend auf die Füße zurückkämpfen kann, springt vom Pferd und eilt zu ihr. "Ifrinn, was bei allen..."
Sie sieht ihn an, ohne ihn zu sehen. Ihr Blick ist bis auf die nackte Angst darin vollkommen leer, während sie hektisch rückwärts taumelt, als wolle sie unter den nahen Bäumen Schutz vor ihm suchen, und sie sieht dabei so wild aus, wie eine Druidenhexe, die beim großen Erdtanz aus dem Takt gekommen war: Ihre Kleider sind zerrissen und matschfleckig von ihrem Sturz, das Haar klebt ihr in feuchten, windzerzausten Strähnen um den Kopf, ihr Gesicht ist erschreckend blass und ihre Augen glühen.

>Nein, geh fort, lass mich!< Schleudert sie ihm entgegen und Olyvar spürt, wie langsam aber sicher Zorn zwischen all seiner Angst um sie und seiner völligen Verwirrung in ihm aufwallt. Er war noch nie ein furchtsamer Mann und er ist auch nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber Dianthas mehr als bizarres Benehmen hat es spielend geschafft, blinde Panik unter der Oberfläche seines Bewusstseins auszulösen. Er hat ihr nichts getan, nicht das Geringste, und selbst wenn sie irgendeinen närrischen Grund für dieses Drama zu haben glaubt, so hat er wenigstens das Recht, ihn auch zu erfahren. Das hier hat er mit Sicherheit nicht verdient. "Dia..." beginnt er mühsam beherrscht und macht einen entschlossenen Schritt auf sie zu, doch ihre nächsten Worte lassen ihn zurückprallen, als wäre er plötzlich gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen. >Niemand nimmt mir mein Kind!< Ihre Stimme überschlägt sich fast. >Niemand! Mein Fleisch und Blut! Das lasse ich nicht zu!<
"Kind?!" Echot er vollkommen entgeistert und ist gerade noch geistesgegenwärtig genug, die Arme auszustrecken und seine besinnungslos zusammenbrechende Frau aufzufangen. Kind...? Olyvar geht wie betäubt mitten im Schneematsch des nächtlichen Larisgrüns in die Knie, hält die ohnmächtige Diantha im Arm, starrt in ihr schneeweißes Gesicht und in seinem Kopf geht alles durcheinander, während seine Finger sich so mechanisch wie zitternd an eine hastige Bestandsaufnahme machen. Ihr Puls schlägt beruhigend gleichmäßig, sie atmet und er kann keine sichtbaren Verletzungen entdecken, aber ihre Haut ist klamm und kalt und ihr Gesicht weiß wie der Schnee. Ein Kind. Sie ist schwanger? Er schüttelt sie leicht. "Dia... Diantha!" Sie ist vor mir davongelaufen? Vor mir? "Dia, verdammt noch mal, mach die Augen auf!" Daingead, es ist auch MEIN Fleisch und Blut! "Dia..." er schüttelt sie wieder, wagt aber nicht, sie wirklich hart anzupacken und kontrolliert bestimmt zum fünften Mal, ob sie auch atmet - sie tut es, flach, aber gleichmäßig. Olyvar blickt sich im nächtlichen Wald um, der plötzlich merklich dunkler wird, da der Mond hinter drohenden Wolken verschwindet. Sie hätte sich den Hals brechen können! Sie erwartet ein Kind. Von Dianthas Pferd ist weit und breit keine Spur zu entdecken, doch Bayvard scharrt in der Nähe nach etwas Moos unter der dünnen Schneedecke und kommt auch prompt, als Olyvar leise nach ihm pfeift. Warum zum Teufel war sie nur... sie ist schwanger! Sie müssen hier weg, bevor die Schweinehorde es sich am Ende noch anders überlegt, umkehrt und auf dem Rückweg noch einmal vorbeikommt. Er hat keine Waffe außer seinem Dolch bei sich und kann gern darauf verzichten, damit schon gegen ein einziges Wildschwein antreten zu müssen, von einem guten Dutzend ganz zu schweigen. Warum wohl? Wegen des immerfroster Schweinehunds. Ja, verdammt, aber ich bin nicht er. Und gnaden die Götter diesem närrischen Weib, wenn es die Augen wieder aufmacht... Abgesehen davon sieht es nach Schnee oder Regen oder einer kalten, nassen Mischung aus beidem aus, und Diantha ist immer noch ohne Besinnung und schlaff wie ein entgräteter Fisch. Ihre Haut ist so kalt. Will er sie nicht wie einen Mehlsack behandeln und sie sich einfach über die Schulter werfen, käme er mit ihr auf den Armen niemals in die luftige Höhe von Bayvards Rücken, die sich gut sechs Fuß über dem Erdboden befindet. Hmpf. Kommt davon, wenn man... Ifrinn! Sie blutet doch nicht? Eiskalt wie sie ist, wagt er es nicht, sie hier aus ihren Kleidern zu schälen, um nachzusehen. Stattdessen bettet Olyvar Diantha sanft in den Schnee, nimmt Bayvards linkes Vorderbein und zieht es langsam so weit unter den Bauch des Hengstes, bis das Pferd mit der Vorderhand einknickt, seine Nase fast den Boden berührt und es aussieht, als würde es sich gleich verbeugen wollen. Sie wird das Kind nicht verlieren. Sie ist ohnmächtig und sie ist unterkühlt, aber sie ist gesund und sie ist stark. Sie hat mich für... für... Es wird alles gut gehen... es wird... es wird alles gut. "Bleib so, Bayvard. Braver Junge." Er hebt seine Frau hoch, schwingt ein Bein über Bayvards Kruppe, die sich nun in wesentlich reiterfreundlicherer Höhe befindet, und lässt das Pferd dann antreten.

Der Hengst ist mit einem kleinen Satz wieder auf allen vier Hufen und Olyvar beugt sich schützend über Diantha, als es zu allem Überfluss auch noch heftig zu regnen beginnt. Fluchend lenkt er Bayvard auf den Nachhauseweg, lässt den Hengst jedoch trotz seiner drängenden Eile und der eisigen Sintflut, zu der sich der Schneeregen binnen weniger Herzschläge auswächst, nicht schneller als zügigen Schritt gehen. Jede andere Gangart würde Diantha zu sehr durchschütteln - er weiß nicht, wie es um sie steht, er weiß nicht, ob sie sich bei ihrem Sturz schlimmere Verletzungen als ein paar Prellungen und blaue Flecke zugezogen hat, aber immerhin hat sie keine Krämpfe - zumindest sind die Muskeln ihres Unterleibs weich und zittern nicht. Keine Krämpfe... Er weiß inzwischen, warum sie davongelaufen und derart außer sich gewesen war, und auch, wenn diese Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht ist und ihn tief in seinem Inneren trifft, er weiß ebenso, dass sie sich selbst nie verzeihen könnte, wenn sie dieses Kind durch ihre eigene Schuld verlieren würde, also betet er - stumm und lautlos zu Göttern, die keine Namen haben. Der Schneeregen wird zu Eisregen und sie sind beide bis auf die Haut durchnässt, ehe sie auch nur die Hälfte des Rückweges hinter sich gebracht haben. In Olyvars Kopf herrscht immer noch vollkommenes Durcheinander und in seinem Herzen wirbelndes Chaos, das zu gleichen Teilen aus vager Freude, handfester Angst um seine Frau und das Ungeborene, grausamer Verwirrung und bitterem Schmerz besteht, doch das alles kann warten, Diantha nicht - sie muss auf der Stelle ins Warme und zu einem Heiler. Aus dem Eisregen werden Hagelkörner so groß wie Kichererbsen, und Olyvar zieht fluchend den Kopf in den Nacken und birgt Diantha so gut es geht an seiner Brust. Als sie nach einer halben Ewigkeit, wie ihm scheint, endlich das Waldtor der Steinfaust erreichen, können sie nässer und kälter gar nicht mehr werden. Die Wachen am Tor reagieren geistesgegenwärtig und ohne Fragen zu stellen, nehmen ihm Diantha und anschließend Bayvard ab und werfen ihm einen trockenen und paradiesisch warmen Umhang über die Schultern, ehe er mit einem knappen Dankesnicken davoneilt, um Diantha in den Westflügel hinaufzubringen. Unterwegs schnappt er sich den erstbesten Blaumantel, der ihm über den Weg läuft, wie der Zufall so will, ist es der Narrenkönig. "Hol Selket, die Heilerin, sofort. Meine Frau ist vom Pferd gestürzt. Sie ist..." Sei kein Narr. Du wirst kein Unglück dadurch heraufbeschwören, dass du es aussprichst, und Selket muss wissen, was sie erwartet! "...schwanger." Der Narrenkönig wirft einen kurzen Blick auf Dianthas blasses Gesicht, macht eine alte, südländische Geste, die Olyvar als Schutzzeichen in Erinnerung hat, und hastet davon, dass die kleinen Glöckchen an der Kappe über seinem Helm leise klingeln. Im Westflügel angekommen, eilt Olyvar an einem zu Tode erschrocken dreinblickenden Mattis vorbei und trägt Diantha durch die Halle hinauf ins Schlafgemach, ohne seinem Knappen und dessen hundert Fragen auch nur einen Blick zu gönnen. Erst als er sie im Bett hat und ihr die schweren Stiefel aufschnürt, schickt er den Jungen mit den knappen Worten hinaus, Diantha sei vom Pferd gefallen, er solle in der Halle unten auf Selket, die Heilerin warten, die bald hier eintreffen müsse, sie heraufschicken und dann nach den Kindern sehen. Mattis schleicht davon wie ein geprügelter Hund und als Olyvar beginnt, seine Frau aus ihrem schweren, vom Regen durchtränkten Pullover und den triefenden Hosen zu schälen, zeigt Diantha endlich eine schwache Regung. Ihre Lider flattern und ihre Zähne beginnen lautes Stakkato zu klappern, während sie fahrig und unkoordiniert versucht, seine Hände fortzuschieben... offenbar hält sie ihn immer noch für jemand anderen. "Schsch... ich bin es. Ganz ruhig. Du bist in Sicherheit. Selket ist gleich hier." Er zieht ihr die feuchtklamme Leibwäsche aus, kein Blut, allen Göttern sei Dank, und packt sie dann fest in die Decken, doch er sieht sie nicht an. Er kann ihr jetzt einfach nicht ins Gesicht sehen, denn das letzte, das er will, ist in ihrem Blick wieder Panik und kein Erkennen zu finden, doch Diantha ist überhaupt nicht wirklich bei sich. Ihre Augen sind glasig, ihre Zähne klappern so laut, dass er es noch drei Räume weiter hören könnte und sie zittert völlig unkontrolliert am ganzen Leib.

Olyvar schürt das Feuer neu, legt Holz nach und füllt eine kupferne Bettpfanne mit Glut aus dem Kamin, um sie Diantha an die eiskalten Füße zu schieben. Dass er selbst eine Spur aus Pfützen und Rinnsalen auf den Bodendielen hinterlässt und seine Kleider noch immer vor sich hintriefen, bemerkt er nicht einmal. In der Halle steht eine irdene Kanne mit Tee, nicht mehr wirklich heiß, aber immerhin noch warm, die Mattis ihm bringt, und Olyvar zwingt Diantha, einen Becher Kräutertee mit Honig nach dem anderen zu trinken, bis er Selkets Stimme nach einer Weile in der Halle unten vernehmen kann. Mattis führt die Heilerin zu ihnen und Olyvar stellt den Becher beiseite und nickt Selket erleichtert zu. Diantha zittert immer noch wie Espenlaub und die halbe Stunde, die es gedauert hat, die Heilfrau herzuholen, hat sie halb ohne Besinnung verbracht und war die andere Hälfte völlig benommen. "Gut, dass Ihr so rasch gekommen seid. Diantha ist vom Pferd gestürzt," Olyvar steht auf und macht Selket Platz. "Ich glaube zwar nicht, dass ihr ernsthaft etwas fehlt, aber ich weiß es nicht. Sie hat ein paar Prellungen an der linken Seite und... sie ist schwanger, völlig außer sich und unterkühlt. Wenn Ihr irgendetwas braucht aus den Beständen meiner Maester an Heilkräutern oder Medizin, dann sagt es und Ihr werdet es bekommen." Er denkt nicht, dass er Selket ernsthaft erklären muss, warum er in dieser Situation keinen seiner Maester gerufen hatte, sondern sie - erstens ist sie die einzige echte Heilerin und nicht "nur" Heilkundige, die er kennt, und zweitens ist sie eine Frau.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 14. Feb. 2008, 21:26 Uhr
« Immergrün

Schweigend lässt Riarîl sich vom Narrenkönig durch die nächtlichen Straßen zur Steinfaust führen. Sie kennt den hochgewachsenen Stadtgardisten der Indigogarde flüchtig. Sein mit Tätowierungen übersätes Gesicht ist ihr durchaus vertraut und das sachte Klingeln der kleinen Glöckchen an seiner blauen Narrenkappe, die er über seinem Helm trägt, hat etwas Tröstliches an sich in der nächtlichen Dunkelheit dieser Tage, in der mehr Schrecken lauern als gewöhnlich. Natürlich haben die Gerüchte über die zwei blutigen Morde nicht vor den Toren des Immergrüns halt gemacht und alle Bewohner des Anwesens mit Angst und Bestürzung erfüllt. Seither gestattet Mette es Brya nicht mehr ohne Begleitung in die Stadt zu gehen, was zur Folge hat, dass Riarîls Lehrmädchen Sieben Linden nur noch verlassen kann, wenn es von der Köchin oder ihrem Sohn Joos begleitet wird. Während Brya von dieser Regelung wenig begeistert ist, sich Mettes strengem Regiment allerdings nicht entziehen kann, gewinnt Riarîl mehr und mehr den Eindruck, dass Joos durchaus Gefallen daran findet, die zurückhaltende, hübsche Silberelbe zu begleiten und Taschen und Körbe für sie zu tragen. Nachdenklich   runzelt die Heilerin die Stirn. Sie versteht, dass Brya es vorziehen würde, wenn Mette sie etwas weniger bemuttern täte, doch so wie die Dinge im Augenblick liegen, befürwortet sie die strenge Entscheidung der Köchin und hat auch Than gebeten, ein wachsames Auge auf Brya und die anderen zu haben.
Obwohl ihr Mann nun schon einige Zeit in Talyra lebt, ist er mit kaum jemandem bekannt – viel Stoff für Gerede also. Die Heilerin ist sich des zwielichtigen Rufs ihres Gatten bewusst und bedauert sehr, dass der Halbelb bisher nichts unternommen hat, um daran etwas zu ändern. Bisher hat sie nicht viel auf das Gerede der Leute gegeben, doch das aufkommende Getuschel über die beiden Morde hat sie nachdenklich gestimmt. Sie selber ist sich absolut sicher, dass Than in keinerlei Verbindung zu den Morden steht, zu derartige Gräueltaten würde er sich nicht herablassen, auch wenn er ganz gewiss kein Waisenknabe ist. Der Gedanke, dass die Leute andere Schlüsse ziehen könnten, behagt Riarîl allerdings nicht, und beschäftigt sie beinahe ebenso sehr wie die Tatsache, dass Talyra offenbar von einem blutrünstigen Mörder heimgesucht wird. Ein leichter Schauder läuft ihr den Rücken hinab und sie zieht sich ihren dicken Mantel enger um die Schultern, während sich ihre Gedanken der Steinfaust zuwenden.  

Die Botschaft, die der Lord Commander ihr durch den Narrenkönig hat zukommen lassen, gibt ihr das eine oder andere Rätsel auf. Eine Schwangerschaft ist kein Unglück - der Sturz von einem Pferderücken schon eher, vor allem für eine Schwangere. Die Heilerin kann sich allerdings nicht genau erklären, warum man zu solch später Stunde nach ihr ruft. Sie kennt den Lord Commander und weiß, dass er umsichtig genug ist, um so schnell wie möglich nach ihr zu schicken. Auch kann sie sich zumindest den einen oder anderen Grund vorstellen, warum er nach ihr und nicht einfach nach einem seiner Maester gerufen hat. Sie versteht jedoch nicht wie es kommt, dass eine schwangere Frau mitten in der Nacht, noch dazu zu dieser kalten Jahreszeit, von einem Pferd stürzt, anstatt sicher an der Seite ihrer Familie am warmen Kaminfeuer zu sitzen... Noch dazu zu einer Zeit, in der die ganze Stadt voller Angst und Schrecken ist und kaum jemand vor die Tür geht, wenn es keinen triftigen Grund dafür gibt. Verständnislos schüttelt Riarîl den Kopf und lässt sich vom Narrenkönig zum Westflügel der Steinfaust hinüber geleiten, wo sie unten in der Großen Halle bereits von Mattis, Olyvars Knappe, ungeduldig erwartet und sogleich ins Schlafgemach hinauf geführt wird.  
Mit einem Nicken erwidert sie den Gruß des Lord Commanders. »Gut, dass Ihr so rasch gekommen seid. Diantha ist vom Pferd gestürzt« - die Heilerin kann die Frage, was Olyvars Frau zu solch später Stunde überhaupt noch auf einem Pferderücken zu suchen hatte, gerade noch rechtzeitig unterdrücken - »Ich glaube zwar nicht, dass ihr ernsthaft etwas fehlt, aber ich weiß es nicht. Sie hat ein paar Prellungen an der linken Seite und... sie ist schwanger, völlig außer sich und unterkühlt. Wenn Ihr irgendetwas braucht aus den Beständen meiner Maester an Heilkräutern oder Medizin, dann sagt es und Ihr werdet es bekommen.« Ohne Umschweife wendet sich die Heilerin dem Bett zu. „Gut“, murmelt sie, „lasst mich sehen, was ich für Eure Frau tun kann.“ Ihr geübter Blick nimmt die junge Frau, deren Körper noch immer wie Espenlaub zittert, bereits kritisch in Augenschein. Behutsam beugt sie sich vor, und nimmt die kalte, blasse Haut ebenso zur Kenntnis wie die schnelle, vertiefte Atmung und den beschleunigten Puls. Auch registriert sie die dicken Decken, in man Diantha umsichtigerweise gewickelt hat und bemerkt die Kanne sowie den Becher mit Kräutertee, die neben dem Bett auf einem Tisch abgestellt wurden. Prüfend greift sie danach. Das Getränk ist nicht mehr sonderlich heiß, aber immerhin noch lauwarm. Ihr Blick wandert zu Mattis hinüber, der sich gerade still zurückziehen will. „Welche Kräuter genau wurden für den Tee verwendet?“, erkundigt sie sich, doch der Knappe zuckt nur hilflos die Schultern. „In Ordnung, dann finde es bitte heraus“, trägt sie dem Burschen freundlich auf. „Und lass gleich noch eine Kanne mit frischem Tee zubereiten und heraufbringen – ein Teil Melissenblätter, ein Teil Hopfenzapfen, ein Teil Baldrianwurzel, mehr nicht, hörst du? Dazu ein paar saubere Tücher für Umschläge. Eine große Schale. Und einen Krug mit heißem Wasser.“ Der Knappe nickt und entfernt sich rasch, während die Heilerin ihre ganze Aufmerksamkeit wieder Diantha zuwendet. Behutsam untersucht sie die Prellungen, die die junge Frau sich zugezogen hat und überprüft gewissenhaft, ob der Sturz sich ungünstig auf ihre Schwangerschaft ausgewirkt hat, kann aber nichts beunruhigendes feststellen. Die Frau des Lord Commanders ist jung und kräftig, ein großes Glück.

Allerdings spürt die Heilerin, dass Diantha innerlich ziemlich aufgewühlt zu sein scheint und sie gewinnt mehr und mehr den Eindruck, dass diese Empfindungen nicht allein von dem Sturz herrühren können. „Ruhig, ruhig“, versucht sie die Immerfrosterin, die noch immer nicht richtig ansprechbar ist, zu besänftigen. Schließlich wendet sie sich an den Lord Commander. „Hat Maester Ballabar etwas Shanbalor-Elixier in seinen Beständen?“, erkundigt sie sich. „Schlangensteinpulver wäre ebenfalls hilfreich. Außerdem Holunder-Salbe und eine Tinktur aus Arnika und Ringelblume.“ Sie wartet kurz bis Olyvar alles veranlasst hat, bevor sie weiter spricht. „Eure Frau scheint mir sehr aufgebracht zu sein. Und das liegt nicht nur an dem Sturz, habe ich recht?“, hakt sie vorsichtig nach. Es ist allzu offensichtlich dass Diantha total erschöpft und mit den Nerven völlig am Ende ist. Die Elbenfrau sieht den Lord Commander ruhig an. „Ich weiß, dass ich viel von Euch verlange und es gewiss nicht leicht für Euch ist, aber sagt mir alles, von dem ihr denkt, dass ich es wissen sollte, damit ich eurer Frau so gut ich es vermag helfen kann“, erklärt sie sanft, aber bestimmt, lächelt abermals und lässt Olyvar erst einmal ein wenig Zeit, um sich eine angemessene Antwort zurecht zulegen. In Gedanken geht sie währenddessen durch woran es als nächstes zu denken gilt. Salbe, Umschläge und das Schlangensteinpulver, um die Blutergüsse und Prellungen zu behandeln. Tee und Shanbalor-Elixier zur Beruhigung und um die Körperwärme zu regulieren. ... Und später unbedingt Sanddorntee um einer möglichen Erkältung entgegen zu wirken.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 15. Feb. 2008, 00:07 Uhr
"Was in dem Tee war, kann ich Euch sagen - Kamille, Pfefferminze und ein wenig Lindenblüten," erwidert Olyvar, gerade als Mattis hinaus flitzt, um die präzisen Anweisungen Selkets so schnell wie möglich auszuführen. Kaum ist der Junge davongeeilt, wendet die Heilerin sich Diantha zu, um sie zu untersuchen, und Olyvar tritt neben den Kamin, um aus dem Weg zu sein und ein wenig mehr von der Wärme des hell lodernden Feuers abzubekommen. >Hat Maester Ballabar etwas Shanbalor-Elixier in seinen Beständen? Schlangensteinpulver wäre ebenfalls hilfreich. Außerdem Holunder-Salbe und eine Tinktur aus Arnika und Ringelblume.<
Olyvar kann nicht von sich behaupten, in medizinischen Dingen sonderlich bewandert zu sein, aber er hat selbst oft genug Wunden, Brüche und auch schon schlimmere Verletzungen behandeln müssen, auf dem Schlachtfeld, im Krieg, selbst unten auf den Waffenhöfen - oder auch am eigenen Leib erlitten - dass er von dem ein oder anderen Heilkraut schon gehört hat. "Es kommt nur selten vor, dass Maester Ballabar irgendetwas nicht in seinen Vorräten hat... ich lasse Euch alles bringen." Er verlässt das Schlafgemach genau so lange, wie es dauert, um einer der Wachen vor dem Westflügel Bescheid zu geben und den Mann zu Ballabar zu schicken und kehrt dann an Dianthas Seite zurück... sie ist nicht mehr wirklich besinnungslos, aber bei sich scheint sie auch nicht zu sein, jedenfalls sieht sie weder ihn, noch Selket an, sondern zittert stumm in ihrem Deckenberg vor sich hin. >Eure Frau scheint mir sehr aufgebracht zu sein. Und das liegt nicht nur an dem Sturz, habe ich recht?< Diese Frage trifft ihn unvorbereitet und Olyvar erstarrt kurz, ehe er sich langsam zu Selket umwendet. Aufgebracht? Wohl eher vollkommen übergeschnappt. Ein Holzscheit im Kamin knackt unerwartet laut. >Ich weiß, dass ich viel von Euch verlange und es gewiss nicht leicht für Euch ist, aber sagt mir alles, von dem ihr denkt, dass ich es wissen sollte, damit ich eurer Frau so gut ich es vermag helfen kann.<

"Nein," erwidert er bedächtig. "Es liegt nicht an dem Sturz." Er wird Selket nicht in allen Einzelheiten auf die Nase binden, warum Diantha vollkommen kopflos aus dem Westflügel und vor ihm geflohen war, denn das steht ihm einfach nicht zu, sondern ist allein Sache seiner Frau. Aber er kann ihr sagen, was sie wissen muss, um Dianthas Zustand besser einschätzen zu können. "Ihr solltet wissen, dass sie schon einmal schwanger war. Vor einigen Jahren in ihrer Heimat Immerfrost. Sie hat das Kind nie zur Welt gebracht..." er zögert kurz und überlegt, zu sagen "verloren" aber das verbietet ihm die Ehrlichkeit. Sie hat es nicht "verloren". "Sie wurde gezwungen und ihre Schwangerschaft gewaltsam beendet." Um präziser zu sein: Der Vater des Kindes hat es kalt lächelnd aus der Welt geschafft. "Sie hatte..." Olyvar fährt sich müde mit den Händen übers Gesicht und durch sein noch immer nasses Haar. "Sie dachte, sie könnte vielleicht keine Kinder bekommen. Ich weiß nicht, ob sie vor dem heutigen Tag schon wusste, dass sie schwanger ist, aber ich denke, sie hatte vor es mir zu sagen." Ein bitterzartes Lächeln zuckt in seinen Mundwinkeln. "Doch anstatt das auch zu tun, ist sie davongerannt, hat sich ihr Pferd geschnappt und ist auf und davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her. Ich bin ihr nachgeritten, sie ist vom Pferd gestürzt und dann zusammengebrochen. Als ich sie nach Hause gebracht habe, hat es angefangen zu regnen und ich... musste ganz langsam reiten, ich wusste nicht, ob sie das Kind verlieren könnte oder sich beim Sturz verletzt hatte... deshalb sind wir auch so nass. Sie..." Olyvar verstummt, als er in Dianthas wächsernes Gesicht sieht. Sie hat die Augen aufgeschlagen und sieht sich zum ersten Mal wieder mit einem halbwegs klaren Blick um - einen Herzschlag lang noch verwirrt und angespannt, und, als sie begreift, wo sie ist, plötzlich unsagbar müde und verletzlich. Sie zittert immer noch, aber immerhin ist sie wieder soweit bei sich, dass sie zähneklappernd seinen Namen krächzt, bibbernd fragen kann, warum ihr nur so verdammt kalt sei und dann völlig irritiert Selket ins Auge fasst. "Du bist vom Pferd gefallen," erklärt Olyvar, obwohl Diantha danach gar nicht gefragt hat. "Ich habe Selket holen lassen, um sicher zu gehen, dass mit dem Kind alles in Ordnung ist." Dann steht er auf und verlässt den Raum. Für heute hat er genug ertragen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 17. Feb. 2008, 23:09 Uhr
Dianthas Geist versinkt in gnädiger Schwärze, sie hört weder, was Olyvar sagt, noch spürt sie, wie er sie auffängt als ihr die Beine unter dem Körper wegknicken und er hätte sie schütteln können, wie er wollte, damit hätte er rein gar nichts bewirkt. Sie hat keine Visionen oder Träume, ihr Bewusstsein setzt ganz schlicht und ergreifend vollkommen aus, es ist ihr unmöglich zu sagen, für wie lange. Einmal kämpft sie sich so weit an die Oberfläche, dass sie das sanfte Schaukeln eines Pferdekörpers unter sich spüren kann, ohne dass ihr klar wird, wovon diese Bewegung kommt, außerdem bemerkt sie einen sicheren, festen Griff, der sie hält und beschützt. Irgendwie ist es nass ums sie herum, aber ehe sie sich auch nur Gedanken darüber machen kann, warum sie ihren Körper kaum spürt, sinkt sie zurück in die Dunkelheit. Sie ist so weit fort von der Realität, dass sie nicht einmal bruchstückhaft mitbekommt, wie sie die Steinfaust erreichen, sie hört nichts von Olyvars kurzer Anweisung an den Narrenkönig, nicht einmal die paradiesische Wärme des Westflügels nimmt sie in irgendeiner Form wahr. Ihr Geist befindet sich an einem Ort ohne Angst oder Panik, ohne Hoffnung oder Mut, an dem all diese Gefühle nur vage Erinnerungen sind, wo Zeit keine Rolle spielt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander verwischen und keine Bedeutung kennen. Hier ist sie genauso weit weg von allem Guten, wie auch von allem Schlechten und Gedanken machen kann sie sich hier über nichts. Erst als sie im Bett liegt und ein Paar Hände sich an ihren Kleidern zu schaffen machen, kehrt sie langsam, Stück für Stück in ihren Körper zurück. Gleich beginnt sie am ganzen Körper zu zittern wie Espenlaub und irgendwo erklingt dumpf ein unangenehmes Geräusch, dessen Ursache ihr nicht klar ist. Sie fühlt sich wie in einem Halbschlaf gefangen, doch eins dringt durch: Irgendjemand berührt sie und sie hat das unterbewusste Gefühl, dass es nicht gut ist, wenn jemand sie in diesem Zustand anfasst, warum könnte sie aber nicht sagen, Logik ist so unendlich fern. Irgendwann bekommt sie ihre Glieder so weit unter Kontrolle, dass sie die Hände, die sich an ihr zu schaffen machen, beiseite schieben kann. Darauf erklingt ein sanftes Murmeln, zunächst versteht sie die Worte nicht ansatzweise, doch dann schärft sich ihr Gehör ein wenig, sodass sie einen Bruchteil verstehen kann: „Du bist in Sicherheit.“ Sicherheit – das klingt gut, der Tonfall noch besser und aus irgendwelchen, ihr gerade unklaren Gründen, verbindet sie mit dieser Stimme nur Gutes: Geborgenheit und Halt, wem auch immer diese Stimme gehört, der muss es gut mit ihr meinen. Also gibt sie mit einem leisen Seufzen nach und lässt alles mit sich geschehen. Ihr Körper wird von Wellen an Stärke zu- und abnehmenden Anfällen haltlosen Zitterns gequält, womit er versucht die viel zu niedrige Körpertemperatur wieder einigermaßen herzustellen. Das fühlt sich alles andere als angenehm an, wenn man mitten drin steckt und nun, da sie ihr Wohlergehen in guten Händen weiß, zieht sie sich zurück und schaut plötzlich auf einen kleinen, schmalen Körper inmitten lauter Decken und Kissen hinab, mit einem Gesicht blass wie der Tod, an dem triefende Haare kleben, mit blauen Lippen und geschlossenen Augen. Fast wie eine Wachspuppe, oder eine Wasserleiche, taucht irgendwann ein Gedanke auf. Etwas sagt ihr, dass ertränken das falsche Wort ist, der Grund hierfür hat irgendetwas mit kalten Augen und einem Kind zu tun, aber was, das ist ihr unklar. Neben dem Wachsgesicht fuhrwerkt ein Mann herum, ein brauner Haarschopf auf breiten Schultern. Wie er sich bemüht! Warum nur? Kurz tritt er an den Kamin, um daraufhin irgendetwas unter den Deckenberg zu schieben, dann zwingt er Tasse um Tasse in den kraftlosen Körper hinein. Sie muss ihm viel bedeuten… Woher kenne ich ihn nur? Ganz sicher kennt sie die Art, wie er sich bewegt, die liebevolle Nachdrücklichkeit, mit der er dem Körper Tee einflößt und fast bedauert sie die Ferne zu ihm. Plötzlich taucht noch eine Person auf und sie hört den Mann sprechen, als sie sich konzentriert versteht sie ihn auch: „Diantha ist vom Pferd gefallen.“ Diantha. D-i-a-n-t-h-a, das klingt so vertraut, ja – das ist doch ihr Name! Er scheint allerdings ganz eindeutig von der Person in dem Bett zu sprechen. Dieses kalkweiße, bibbernde Häufchen Elend soll ihr Körper sein? Er wirkt allemal wie ein schlechter Abklatsch ihrer selbst und so viel hilfloser als das Abbild von sich, im Wasser, das sie kennt. Es scheint wohl wirklich so zu sein, so fremd ihr das auch vorkommen mag. Dann ist es nun wahrscheinlich an ihr, etwas zu tun, nachdem der Mann – der Name Olyvar erklingt irgendwo in ihrem Hinterkopf – sich solche Mühe um sie gegeben hat. Also sucht sie den Weg zurück in ihren Körper, während die beiden Leute miteinander reden, es ist gar nicht so einfach, doch schließlich gelingt es ihr.

Zunächst spürt sie, dass die Muskeln von all dem Zittern allmählich anfangen zu schmerzen, dann wird ihr klar, dass das unangenehme Geräusch, dass schon seit einiger Zeit zu hören ist, von ihren Zähnen kommt, die laut klappern. Dann folgt sie der Stimme, dem Sicherheit verströmenden Klang, es scheint die einzige Möglichkeit zu sein um wirklich wach zu werden. Sie ist ein guter Führer und geleitet Diantha zuverlässig in die Realität, auch wenn sie die Bedeutung der Worte nur bruchstückhaft wahr nimmt. „Heimat … Kind … Welt … beendet … keine … sagen … Pferd … Leibhaftige … regnen … verlieren … Sturz.“ Das alles ergibt keinen Zusammenhang, sie spürt aber, dass es wichtig für sie sein muss, also zwingt sie sich die Augen zu öffnen – ein Gewaltakt, der unendlich viel Kraft zu brauchen scheint, aber sie schafft es. Kurz schaut sie sich leicht durcheinander um, dann entspannt sie sich aber wieder, es ist ihr Schlafzimmer, im Westflügel, Olyvar ist hier und noch eine Person, rotes Haar, ein goldenes Auge und ein Bernstein, von irgendwo bekannt, jedenfalls keine Bedrohung. Wer und wo ist damit klar, das Warum allerdings nicht und sie weiß zwar, dass der Grund irgendwo in ihrem Kopf sein muss, doch jetzt auf Anhieb findet sie ihn nicht, also richtet sie sich an ihren Mann: „Olyvar?“ Ihre Stimme klingt krächzend wie die einer Krähe und absolut nicht wie ihre eigene, also schluckt sie, nun klingt ihre Stimme schon ein wenig mehr wie ihre und sie zwingt ihre Zähne nicht mehr aufeinander zu klappern: „Warum ist es so verdammt kalt?“ Dann schaut sie wieder zu der Elbin. Woher kenne ich dich? Sie bekommt eine Antwort von ihm, wenn auch nicht die Erwartete und sein Tonfall sagt ihr ganz eindeutig, dass mit ihrem Mann etwas absolut nicht stimmt: >„Du bist vom Pferd gefallen. Ich habe Selket holen lassen, um sicher zu gehen, dass mit dem Kind alles in Ordnung ist.“< Sie schaut ihm in die Augen und sieht bitteren, tiefen Schmerz und genau in diesem Moment wird ihr klar, dass sie die Wunden mit scharfen Krallen höchstpersönlich in sein Herz gerissen hat und sie erinnert sich auch wieder daran, wie. Bei allen Göttern, was habe ich getan?, ist alles, was in ihrem Kopf Platz hat, eine bohrende Frage, auf die sie nur eine Antwort kennt. Prompt steigt Übelkeit in ihr hoch und sie schnappt hektisch nach Luft um den Brechreiz zu unterdrücken. Mit einem Mal ist die Erinnerung wieder da, wie sie in den Wald gejagt ist und „verfolgt“ wurde, wie sie dachte, dabei muss es Olyvar gewesen sein, der sie nur zur Vernunft bringen wollte. Wie sehr muss sie ihm Angst gemacht haben? Wie sehr muss es ihn verletzt haben, nicht zu wissen, was mit ihr war? Wie konnte sie ihm das nur antun? Dabei hatte er sich doch nichts, wirklich gar nichts zuschulden kommen lassen, jetzt erinnert sie sich auch an seine Worte im Larisgrün: >„Es könnte sogar sein, dass ich mich schrecklich darüber freuen würde. Ganz sicher sogar.“< Sie hätte ganz normal mit ihm reden müssen und vielleicht hätte er sich sogar wirklich über die Schwangerschaft gefreut, das, was sie ihm angetan hat, war jedenfalls vollkommenes Unrecht. Die Übelkeit lässt sich schließlich unterdrücken und sie schaut der Elbin ins Gesicht, woraufhin prompt ein Bild in ihrem Gedächtnis auftaucht. Es stammt von einem wunderschönen Inarifesttag in Talyra, trunken vor Liebe, sie weiß noch, wie die Heilerin ihr eine Kette borgte und plötzlich tauchen die Worte eines Versprechens in ihr auf: >"Diantha Korhonen, nimmst du Olyvar von Tarascon zu deinem rechtmäßigen Gemahl? Willst du ihn lieben und ehren, in den guten wie in den dunklen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, in Reichtum und Armut, Freude und Leid? Willst du ihm die Treue halten und ihm gehorchen von diesem Tage an bis dass der Tod euch scheidet?"< Und ihr vollkommenen sicheres "Ich will" als Antwort. Das nennst du also ihm Treue halten und ihn in Freude und Leid ehren? Du hältst dein Versprechen ja ganz wunderbar, indem du dich von der Vergangenheit in Besitz nehmen lässt und vor deinem Ehemann wegläufst, der dir nicht das Geringste getan hat!, hält sie sich selber vor und sie wünscht, sie könnte augenblicklich aus dem Bett aufspringen und ihn um Entschuldigung bitten, doch ihre Glieder sind viel zu schwer und ihr Hals ist wie zugeschnürt, so muss sie wortlos zusehen, wie Olyvar sich umdreht und aus dem Zimmer tritt. Ein Schluchzen steigt in ihr auf und es gelingt ihr nicht, das zu unterdrücken. „Was habe ich nur getan? Wie konnte ich ihn so verletzen?“, bricht es aus ihr heraus, wenn sie auch weiß, dass die arme Selket ihr nun wirklich keine Antwort darauf geben kann.

Erst jetzt wird ihr die Bedeutung seiner Worte klar: >„um sicher zu gehen, dass mit dem Kind alles in Ordnung ist.“< Seitdem Morna ihr gesagt hat, dass sie mit absoluter Sicherheit schwanger ist, war Diantha nur damit beschäftigt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sie Olyvar von ihrer Schwangerschaft berichten soll und dann damit, so rasch wie möglich einen Fluchtplan aufzustellen. Die Tatsache, dass sie wirklich ein Kind unter dem Herzen trägt, hatte es nie bis in ihr Bewusstsein geschafft und auf die Idee, dass sie wegen dieser ganzen Flucht das Ungeborene vielleicht verlieren könnte, ist sie gar nicht erst gekommen. Wie sehr hat sie sich in den letzten Monden insgeheim immer wieder gewünscht, dass sie doch schwanger werden könnte, aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz. Sie hatte mit Olyvar nicht darüber geredet, keine falschen Hoffnungen in ihm schüren wollen, wenn sie wieder um mehr als eine Woche überfällig war und sich schließlich selbst verboten die Tage zu zählen, sie hatte sich eingeredet, dass es nun einmal unmöglich war, man nicht alles haben könne. Nun hatte es sich als wahr herausgestellt und was war das erste, dass sie tun musste? Ihr Glück aufs Spiel setzen! Ich wollte es doch nur beschützen!, versucht sie sich vor den quälenden Gedanken zu verteidigen. Ja, beschützen vor seinem Vater, dem selbst mehr an seiner Sicherheit lag, als dir! Diese Erkenntnis frisst sich schmerzhaft in ihr Herz. „Selket!“, japst sie und in ihrem Blick liegt tiefste Angst. „Selket, mein Kind. Mein Kind! Geht es ihm gut? Oh bitte…!“ … sag mir, dass ich ihm nichts zuleide getan habe! Sag mir, dass ich kein Monster bin! Ich kann nicht noch ein totes Kind verkraften, auf keinen Fall. In diesem Moment wird ihr eins klar: Wenn es nicht mehr lebt, dann ist es aus. Sie könnte niemals mit dem Wissen weiterleben, dass sie für den Tod ihres eigenen Kindes verantwortlich ist, den sie vielleicht nicht wissentlich verursacht hat, dafür aus bloßer Dummheit, was es auch nicht viel besser macht. Dann könnte sie auch alle Liebe zu ihrem Mann und den Zwillingen nicht aufrecht erhalten, so bitter die Erkenntnis auch ist. Sie haben es nicht verdient, noch eine Mutterfigur zu verlieren… Dennoch könnte sie nicht leben, während sie ihrem Fleisch und Blut diese Möglichkeit genommen hätte, nicht nach allem, was passiert ist. Olyvar ist schon gegangen… Er hat sie allein gelassen, allein mit ihrer Schuld und der Möglichkeit, Mörderin ihres eigenen, ungeborenen Kindes zu sein. Wer könnte es ihm verdenken, nach dem, was sie ihm angetan hat? Sie schaut Selket an, ihr Gesicht ist noch ein wenig fahler, als es ohnehin schon war und ihr Augen scheinen zu bitten: Sag mir nicht, dass meine Welt wie ein Kartenhaus zusammenbricht, sag mir nicht, dass alles, was ich mir aufgebaut habe, all meine Wünsche und Träume jetzt zu Ende geht. Bitte, ich ertrage nicht, dass mein Leben zerbricht wie ein Stück Eis, das herab fällt und in tausend kleine Teilchen zersplittert! Für einen Augenblick wünscht sie sich zurück in die nun so freundlich anmutende Schwärze, die alles vergessen lässt, doch sie weiß, vor dieser Antwort darf sie nicht fliehen, das ist sie sich selbst und ganz besonders ihrem Kind schuldig.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 19. Feb. 2008, 14:43 Uhr
Statt von Mattis wird Riarîls Frage in Bezug auf den Inhalt des Kräutertees vom Lord Commander persönlich beantwortet. »Was in dem Tee war, kann ich Euch sagen - Kamille, Pfefferminze und ein wenig Lindenblüten«, erklärt er und die Heilerin nickt. „Derartiges hatte ich vermutet“, entgegnet sie. „Bitte achtet darauf, dass man Eurer Frau nach Möglichkeit keinen Tee mehr zubereitet, der Kamille und Lindenblüten enthält. Auch einige andere Kräuter sollten sie während der Schwangerschaft nur in geringen Maßen zu sich nehmen, wenn überhaupt. Eure Maester werden Euch gewiss entsprechend beraten können.“ Die Elbe lächelt höflich. Auch ihrer Bitte um notwendige Kräuter und sonstige Zutaten kommt der Lord Commander persönlich nach, indem er veranlasst, dass alles herbeigeschafft wird, wonach die Heilerin verlangt hat.

Riarîls direkte Frage in Bezug auf Dianthas Verfassung beantwortet er hingegen wie erwartet nur sehr zögerlich und mit so wenigen Worten wie möglich. »Nein. Es liegt nicht an dem Sturz.« Er macht eine kleine Pause. »Ihr solltet wissen, dass sie schon einmal schwanger war. Vor einigen Jahren in ihrer Heimat Immerfrost. Sie hat das Kind nie zur Welt gebracht... Sie wurde gezwungen und ihre Schwangerschaft gewaltsam beendet. Sie hatte... Sie dachte, sie könnte vielleicht keine Kinder bekommen. Ich weiß nicht, ob sie vor dem heutigen Tag schon wusste, dass sie schwanger ist, aber ich denke, sie hatte vor es mir zu sagen. Doch anstatt das auch zu tun, ist sie davongerannt, hat sich ihr Pferd geschnappt und ist auf und davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her. Ich bin ihr nachgeritten, sie ist vom Pferd gestürzt und dann zusammengebrochen. Als ich sie nach Hause gebracht habe, hat es angefangen zu regnen und ich... musste ganz langsam reiten, ich wusste nicht, ob sie das Kind verlieren könnte oder sich beim Sturz verletzt hatte... deshalb sind wir auch so nass. Sie...«
Schweigend hört die Heilerin zu, Olyvars Worte erklären zumindest das eine oder andere, wenn auch nicht alles. Als der Lord Commander schließlich verstummt und sein Blick zum Antlitz seiner Frau wandert, wendet sich auch Riarîl Diantha zu. Die Immerfrosterin hat die Augen aufgeschlagen. Sie sieht ihren Mann man starr an und erkundigt sich schließlich zähneklappernd, was los sein. »Du bist vom Pferd gefallen. Ich habe Selket holen lassen, um sicher zu gehen, dass mit dem Kind alles in Ordnung ist.« Mehr bringt ihr Mann heraus. Riarîl kann nachvollziehen, dass dies alles auch für ihn sehr belastend ist und so wundert es sie nicht, als er ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, den Raum verlässt.

Bestürzt, aber unfähig zu reagieren, sieht Diantha ihm nach und die Heilerin kann beinahe sehen wie sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlagen, auch wenn sie nur ahnen kann, was in der jungen Frau gerade vor sich geht. »Selket!«, stammelt sie schließlich, die Angst in ihrer Stimme ist unüberhörbar und für die Elbenfrau auch mehr als deutlich spürbar. »Selket, mein Kind. Mein Kind! Geht es ihm gut? Oh bitte…!« Beruhigend legt die Heilerin der jungen Frau eine Hand auf die Schulter und drückt sie sanft, aber bestimmt in die Kissen zurück, da sie sich ganz unbewusst etwas aufgerichtet hat. „Schhh, ruhig. Es ist alles in Ordnung. Eurem Kind geht es gut“, erklärt sie freundlich. „Aber Ihr müsst Euch ausruhen. Entspannt Euch ...“ In diesem Moment öffnet sich die Tür und Mattis und ein weiterer Bursche kommen herein. Die beiden bringen nicht nur die Sachen, um die die Heilerin Mattis gebeten hat – eine Kanne mit dampfendem Tee, eine Schale, heißes Wasser und saubere Tücher -, sondern auch diverse Kräuter- und Heilmittel aus den Beständen der Maester. „Ah, Mattis“, begrüßt Riarîl die zwei sichtlich erfreut. „Ihr kommt gerade richtig. Die Schale, das heiße Wasser, die Tücher und die übrigen Sachen stellt bitte dort drüben ab. Und schenkt Diantha etwas von dem frischen Tee ein.“
Sie lächelt der Immerfrosterin aufmunternd zu und erhebt sich, um die gebrachten Heilmittel in Augenschein zu nehmen. Entschlossen greift sie schließlich nach dem Shanbalor-Elixier, gibt es in einen zweiten Becher, füllt diesen zur Hälfte mit etwas heißem Wasser auf und vermischt alles sorgsam. Als sie sich wieder dem Bett zuwendet, will Mattis Diantha gerade einen Becher mit Tee reichen, doch die Heilerin kommt ihm zuvor. „Stellt ihn auf dem Tischchen neben dem Bett ab“, weist sie den Burschen an. Und an die Immerfrosterin gewandt, fügt sie hinzu: „Trinkt zunächst dies hier. Es schmeckt nicht besonders, aber wie sagt man im Volksmund so schön? Je bitterer die Medizin, um so besser die Wirkung.“ Lächelnd nickt die Elbe der jungen Frau zu, bevor sie Mattis und seinen Begleiter entlässt und sich anschließend daran macht, ein paar Umschläge vorzubereiten, während Diantha trinkt. Die Heilerin füllt das restliche Wasser in die bereitgestellte Schale, gibt etwas Schlangensteinpulver sowie ein paar Tropfen der Arnika-Ringelblumen-Tinktur hinzu und tränkt die sauberen Tücher schließlich behutsam darin.

Bevor sie Diantahs Prellungen allerdings mit dem Umschlägen versorgt, reibt sie alle wunden Stellen, die sie nicht auf diese Weise behandeln kann, zunächst sorgfältig mit Holunder-Salbe ein. Während sie gewissenhaft arbeitet, meint sie leise, ohne dabei von ihrem tun aufzusehen: „Ich habe Euren Mann gebeten mir alles zu sagen, was ich wissen muss, um Euch helfen zu können.“ Vorsichtig legt sie den ersten Umschlag auf. „Er hat mir gesagt, das Ihr schon einmal ein Kind erwartet, aber nicht ausgetragen habt.“ Die Elbe macht eine kleine Pause, um Dianthas Reaktion abzuwarten. Die Tatsache, dass Diantha schon einmal schwanger war, jedoch geschwungen wurde, die Schwangerschaft abzubrechen, erklärt ihre heftige Reaktion (»Selket, mein Kind. Mein Kind! Geht es ihm gut? Oh bitte…!«) und lässt auch ihren nächtlichen, einer Flucht ähnelnden Ritt (»..., ist sie davongerannt, hat sich ihr Pferd geschnappt und ist auf und davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her. Ich bin ihr nachgeritten, sie ist vom Pferd gestürzt und dann zusammengebrochen...«) in einem neuen Licht erscheinen. Obwohl so viele Jahre ins Land gezogen sind, erinnert sich Riarîl noch heute in allen Einzelheiten an jene schreckliche Ungewissheit nach dem Erwachen, die schier unerträgliche Angst um das ungeborene Leben im eigenen Leib, und es erfüllt sie mit Erleichterung, dass sie Diantha in dieser Nacht ersparen kann, was man ihr einst nicht ersparen konnte. Sie blickt auf und sieht der Immerfrosterin geradewegs ins Gesicht. „Ihr werdet dieses Kind nicht verlieren, dass verspreche ich Euch“, erklärt sie ernst. „Es hat den Sturz unbeschadet überstanden, dass kann ich spüren.“ Mit dem Anflug eines winzigen Lächelns auf den Lippen streift sie sacht den Bauch der jungen Frau. „Ruht Euch aus, nehmt Euch in den nächsten Tagen Zeit, um vollständig von dem Sturz zu genesen.“ Sie sieht die unausgesprochene Frage auf dem Gesicht der jungen Frau und fügt hinzu: „Und denkt bei allem was ihr tut an Eurer Kind, dann könnt Ihr nichts falsch machen.“

Langsam erhebt sie sich, zum einen um die Schale und die Tücher, die sie nicht benötigt, wieder fort zustellen, zum anderen, damit Diantha ihr Gesicht nicht sehen kann, während sie spricht. „Wenn Ihr jemandem zum Reden oder einfach nur zum Zuhören braucht“, erklärt sie, „könnt Ihr jederzeit zu mir kommen ...“ Bedächtig stellt sie die Schale ab, die nächsten Worte kommen nur schwer über ihre Lippen, doch sie spricht sie in der vagen Hoffnung aus, Diantha damit vielleicht helfen zu können. „... ich verstehe sehr gut, was es bedeutet, ein Kind zu verlieren...“ Sie schluckt und fürchtet einen Augenblick lang, den aufkommenden Schmerz und die drohenden Tränen nicht unterdrücken zu können, doch dann hat sie sich wieder vollständig unter Kontrolle. „Und manchmal fällt es einem leichter, zunächst mit jemandem zu sprechen, der dem eigenen Herzen nicht so nahe steht wie ein Verwandter oder anderer Vertrauter ...“ Kurz wandern ihre Gedanken in der Zeit zurück, damals, vor gut 349 Götterläufen, wäre sie an jenem harten Schicksalsschlag und der Unfähigkeit darüber zu sprechen, beinahe zerbrochen ...

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 21. Feb. 2008, 23:26 Uhr
In der großen Halle des Westflügels


Olyvar starrt in die Feuerstelle des Großen Kamins und das flackernde Licht wirft bizarre Schatten über sein Gesicht. Als er aus dem Schlafgemach gegangen war, weil er es einfach nicht ertragen hätte, in Dianthas Augen, in ihrem Blick, noch einmal solche Angst zu finden, hatte er zuerst nach den Kindern gesehen, die friedlich und unberührt von den Gefühlsdramen um sie her in ihren Betten schnarchen, dann war er in die stille Dunkelheit der Halle zurückgekehrt und hatte sich ans Feuer gesetzt. Olyvar steckt noch immer in den klammen Kleidern, sein Haar ist feucht, seine Füße in den völlig durchweichten Stiefeln sind Eisklumpen und seine Haut ist kalt wie Marmor, aber das spürt er nicht einmal - alles, woran er denken kann, ist Dianthas bleiches Gesicht. In seinem Kopf sind tausend Fragen, von denen jede eine neue aufzuwerfen, aber keine einzige eine Antwort zu haben scheint, und sein Herz schlägt gefangen zwischen den kalten Fingern der Angst um seine Frau und das Ungeborene. Irgendwann kommt Mattis herunter, linkisch und vorsichtig, das Gesicht blass und verkrampft. Der Junge sagt kein Wort, sondern gibt nur ein unartikuliertes Geräusch von sich. Olyvar sieht ihn gespannt an und hätte seinen Knappen am liebsten geschüttelt, bis dieser schließlich hastig hervornuschelt: "Mitdemkindistallesinordnungsollicheuchvondianthasagenm'lord..."
Olyvar holt kurz und tief Luft. "Mit dem Kind ist alles in Ordnung?"
"Ja. M'lord. Und ich soll nach den Kindern sehen und darauf achten, dass..."
Alles in Ordnung. Mit dem Kind ist alles in Ordnung... Ungeheure Erleichterung durchflutet ihn, als wäre irgendwo in seinem Inneren ein Damm gebrochen. Sie wird es nicht verlieren. Am liebsten hätte er gelächelt, von einem Ohr zum anderen, doch seine Mundwinkel sind so erstarrt wie sein Herz.

"Und Diantha?"
Mattis blickt fast erstaunt drein, als begreife er im ersten Moment nicht, worauf sein Lord Commander mit der Frage überhaupt hinaus will, dann zuckt er mit den Schultern. "Oh, Eurer Frau geht es gut. Sie hat nur ein paar blaue Flecken, glaub' ich."
Olyvar merkt erst, dass er die ganze Zeit den Atem angehalten hat, als er zittrig Luft holt und dann kann er spüren, wie die Anspannung langsam aus seinen Muskeln rinnt wie Wasser aus einem Krug. Doch dort, wo eigentlich nichts als reine Freude sein sollte, ist jetzt zu gleichen Teilen bittere Enttäuschung, Zorn und Schmerz. Er weiß, warum Diantha so gehandelt hat, doch das macht es keinen Deut erträglicher, im Gegenteil. Sie war vor ihm davongelaufen, sie war geflohen. Noch vor ein paar Stunden hätte er jeden Eid geschworen, dass sie ihn liebt und ihm vertraut, und dann war sie einfach davongerannt. Sie hat es dir nicht einmal sagen wollen, weil sie dich für... für... Ifrinn! Sie hat dich für Riku gehalten. Für Riku! Seine Hände ballen sich zu Fäusten. Für Riku! Am Rande bekommt er mit, wie Mattis verschreckt etwas von "sehe mal nach den Zwillingen" murmelt und fluchtartig die Halle verlässt. Olyvar blickt nicht einmal auf. Er starrt in die roten und gelben Flammen, und hätte am liebsten auf irgendetwas eingeschlagen - doch plötzlich fühlt er sich nur noch müde. Müde und erschöpft, und seltsam festgewachsen, als könne er keinen einzigen Muskel mehr dazu überreden, sich auch nur einen Fingerbreit von der Stelle zu rühren. Das "Warum?" ist eine einzige, lange, widerhallende Frage in seinem Inneren... das und die schreckliche Ahnung, dass diese Wunde vielleicht tödlich ist. "Es ist auch mein Fleisch und Blut," murmelt er und schaudert vor dem Klang seiner eigenen Stimme, die nicht mehr als ein tonloses Raspeln ist, dessen heiseres Echo verloren zwischen den holzgeschnitzten Säulen umherirrt.

>Niemand nimmt mir mein Fleisch und Blut!< Das hatte Diantha ihm im Wald entgegengeschleudert, vollkommen von Sinnen. "Es ist auch mein Fleisch und Blut," wiederholt er leise. Er hatte sich immer Kinder gewünscht - er hatte immer Kinder von ihr gewollt, wenigstens eines, ein kleines Wunder von ihrer beider Blut, und sie hatte das auch gewusst. Und irgendwo tief in seinem Inneren, in einem stillen Winkel seines Selbst, hatte er immer darauf gehofft, selbst nachdem Diantha ihm gesagt hatte, dass sie vermutlich unfruchtbar sei. Er hatte nur nie daran gerührt, weil sie sich dafür entschieden hatte, sich lieber an die Hoffnung der Ungewissheit zu klammern. 'Es ist deine Entscheidung. Was immer du tust, ich bin bei dir. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es keine Rolle spielt, denn es macht mir etwas aus, aber ob du mir nun Kinder schenkst oder nicht, ich liebe dich.' Das waren seine Worte gewesen, an jenem sonnigen Frühlingsmorgen im Larisgrün, und jedes davon war wahr. Es gibt nichts, nichts, das er sich mehr wünscht, als jetzt zu ihr gehen zu können, um bei ihr zu sein, um Diantha in die Arme zu schließen und zu wissen, dass sie sein ist, dass sie fest in seiner Seele verankert ist, dass sie sein Kind unter dem Herzen trägt - doch er kann nicht. Nicht mit dem Wissen, dass sie in ihm ihren Peiniger gesehen hat, den Mann, den sie so sehr hasst. "Wie konntest du mir das antun, conasg?" Olyvar starrt in die hochschlagenden Flammen, doch das Feuer gibt nur ein knisterndes Prasseln zur Antwort, das klingt wie Hohngelächter. "Wie konntest du?"  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 22. Feb. 2008, 00:13 Uhr
Mit unerwarteter Nachdrücklichkeit wird Diantha wieder zurück in die Kissen geschoben, während Selket ihr beruhigend versichert: >„Schhh, ruhig. Es ist alles in Ordnung. Eurem Kind geht es gut. Aber Ihr müsst Euch ausruhen. Entspannt Euch ...“< In genau diesem Moment scheint es in dem Schlafzimmer um mindestens fünf Grad wärmer und erheblich heller zu werden und Diantha fällt kein Stein vom Herzen, sondern ein Gebirge, mindestens in der Größe des Nordwalls. Der riesige Abgrund, der sich vor ihr aufgetan zu haben schien, verschwindet spurlos aus ihren Gedanken, dafür erfüllt die berauschende Freude darüber, schwanger zu sein, ihre Sinne. Vom einen Moment auf den anderen fühlt sie sich leicht, die Zukunft erscheint so freundlich und ihr wohl gesonnen. Der erste Impuls ist es, zu Olyvar gehen zu wollen um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung ist, allerdings hat sie so den Eindruck, dass die Heilerin davon weniger angetan wäre. Also bleibt ihr wohl nichts anderes übrig als Selkets Anweisung zu befolgen und sich zu entspannen – woraufhin sie gleich wieder anfängt zu zittern, allerdings nur noch leicht, nicht mehr vergleichbar mit den Zitteranfällen bevor die Elbin da war und Diantha nicht ganz bei Bewusstsein. Allmählich dringt auch der Schmerz von ihrer Schulter durch, der ihr vorher gar nicht so bewusst war, doch er ist dumpf genug und auch nicht so stark, dass man ihn nicht einigermaßen ignorieren könnte.  Mattis betritt den Raum, im Gefolge ein anderer Junge, dessen Name Diantha gerade nicht einfallen will und sie lächelt ihm müde, aber glücklich zu. Das lässt ihn ein wenig verwundert aus der Wäsche schauen, aber auch sehr erleichtert, für ihn muss das alles am heutigen Abend sehr seltsam gewesen sein. Er ist eindeutig froh, dass Diantha sich wieder in die Frau zurück verwandelt, die er kennt, mit der er gerne würfelt und scherzt. Selket weist ihn an, wo er die mitgebrachten Dinge hinstellen soll und lächelt der Immerfrosterin freundlich zu, worauf diese das Lächeln erwidert. Sie ist froh, dass Olyvar die elbische Heilerin hat rufen lassen, sie mag die Ruhe und Sicherheit, die sie ausstrahlt, außerdem macht es einen Unterschied, ob man von seiner Trauzeugin behandelt wird oder von jemandem, den man möglicherweise schon getroffen hat, aber dessen Namen man nicht einmal kennt. Gerade will Mattis Diantha einen Becher mit dampfenden Tee reichen – so wie von Selket gewünscht – als die Heilerin plötzlich dazwischen tritt, sodass Diantha den Becher beinahe über sich entleert hätte. Nun wird ihr also etwas anderes in die Hand gedrückt, das erheblich unangenehmer riecht. >„Trinkt zunächst dies hier. Es schmeckt nicht besonders, aber wie sagt man im Volksmund so schön? Je bitterer die Medizin, um so besser die Wirkung.“< Diesen Spruch kennt die Immerfrosterin nur zu gut, den hat sie in ihrer Kindheit immer wieder zu hören bekommen, aber in ihrem momentanen Zustand hätte sie alles getrunken, was ihr Selket in gegeben hätte, selbst den verhassten Lebertran aus ihrer Kindheit. Sie beginnt mit kleinen Schlucken zu trinken und sie muss der Heilerin Recht geben, besonders gut schmeckt es nicht, aber sie hat schon erheblich Abstoßenderes zu sich genommen, also ziert sie sich nicht lange. Als die Elbin Mattis entlässt, bittet Diantha ihn mit einem Blick kurz ans Bett. Sie nimmt noch einen Schluck, Selket ist gerade ohnehin mit den Umschlägen für Dianthas Schulter beschäftigt, und schaut dem Jungen dann in die Augen: „Bitte, Mattis, könntest du zu Olyvar gehen und ihm sagen, dass es dem Kind gut geht?“ Automatisch nickt der Knappe und Diantha legt ihm eine Hand auf den Arm. „Danke, es tut mir Leid, dass ich dir so einen Schreck eingejagt habe“, sagt sie entschuldigend. „Du brauchst dich nicht…“, beginnt er zu erwidern, doch Diantha unterbricht ihn: „Doch, das muss ich, bei dir, aber noch viel mehr bei Olyvar. Kümmere dich um ihn, ja? Ich wette er steckt immer noch in seinen nassen Kleidern…“ Sie weiß, wie ihr Mann sein kann und ihr ist klar, dass es für Mattis so gut wie unmöglich sein wird, ihn auf andere Gedanken zu bringen, daher bittet sie ihn auch nicht darum, diese Suppe hat sie eingebrockt, die muss sie selbst auslöffeln – und das wird sie auch. „Danach – schaust du nach den Kindern, ob sie ruhig schlafen?“ Mattis nickt, versichert ihr, dass er das vor Kurzem schon getan hat, es aber noch einmal tun wird, woraufhin er aus der Tür verschwindet.

Allmählich beginnt sich der intensive, aber durchaus angenehme Geruch von Arnika auszubreiten, bevor Diantha die Umschläge auf ihre Schulter bekommt, wird die erst von Selket mit einer Salbe eingerieben. Ihre Berührung ist sanft, die Finger weich und warm, das ist kein Vergleich zu den wenigen Wundheilern, mit denen die Immerfrosterin bisher Bekanntschaft gemacht hat und die freundlich formuliert weniger Mitgefühl für ihre Patienten hatten. Dagegen ist Selkets Behandlung doch wirklich sehr angenehm und rücksichtsvoll und Diantha ist schon kurz davor wegzudösen, als die Elbin sie mit zwei einfachen Sätzen ziemlich wachrüttelt: >„Ich habe Euren Mann gebeten mir alles zu sagen, was ich wissen muss, um Euch helfen zu können. Er hat mir gesagt, das Ihr schon einmal ein Kind erwartet, aber nicht ausgetragen habt.“< Das sitzt und Diantha bleibt für einen Moment die Luft weg. Sicherlich, sie versteht, warum Olyvar die Heilerin davon informiert hat, es war auch sicherlich wichtig für Selket es zu wissen – trotzdem kennt Diantha sie noch nicht besonders gut und es fühlt sich sehr seltsam an, dass jemand außer ihrem Mann von der erzwungenen Abtreibung weiß. Gut, Syphenae hat zwar auch eine gewisse Ahnung, aber alles was ihr Diantha zu dem Thema gesagt hat war: „Lass mich Ende Grünglanz einfach in Ruhe, rede nicht mit mir, erwarte nichts von mir.“ So hatte sie es eigentlich immer gehalten, sie weiß nicht so recht, was sie nun sagen soll, also bleibt sie erst einmal bei einem sehr viel sagenden: „Hm.“ Dabei kann sie allerdings nicht ewig bleiben, also fügt sie nach einem Moment der Stille hinzu: „Nicht ausgetragen ist vielleicht das falsche Wort, es hatte … keine natürliche Ursache, dass ich es verloren habe. Es wurde mir genommen wäre wohl die bessere Formulierung.“ Die altbekannte Schwermütigkeit befällt sie bei den düsteren Gedanken, aber wieder zeigt sie äußerlich eine Kälte und Härte, mit der es ihr leichter fällt, über das zu reden, was geschehen ist. Es fällt ihr schwer fortzufahren, deshalb ist sie froh, als Selket aufschaut und ihr direkt in die Augen sieht. >„Ihr werdet dieses Kind nicht verlieren, das verspreche ich Euch“<, sagt sie mit einer Entschlossenheit, die Diantha verwundert und in dem Blick meint sie mehr zu sehen als nur Freundlichkeit. Es ist eine seltsame Atmosphäre, die in dem Raum herrscht, geprägt von einer Verbundenheit, die schwer zu benennen ist und wachsendem Vertrauen. Irgendwie hat die Immerfrosterin das Gefühl, dass Selket sie erheblich besser verstehen kann, als sie erwartet hätte, da liegt ein ganz bestimmter Ausdruck in dem goldenen Auge, der zu sagen scheint: „Du bist nicht die einzige.“ Dianthas Stimme ist belegt, als sie den Blick erwidert und antwortet: „Ich danke Euch.“ Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, nach einem Augenblick hakt sie aber doch noch einmal nach: „Und ihr seid ganz sicher, dass es meinem Kind gut geht?“ >„Es hat den Sturz unbeschadet überstanden, das kann ich spüren“<, versicht die Heilerin und fährt sacht mit den Fingerspitzen über Dianthas bisher noch sehr flachen Bauch. Ihr Lächeln hat beinah etwas Liebevolles und Diantha, die sich sonst eher ungern von Menschen berühren lässt, die sie nicht ganz genau kennt, schaut Selket ein wenig fragend an. Das ist keine Frau, die den Verlust eines Kinds nur von ihren Patienten kennt, schießt ihr durch den Sinn und auch wenn sie sich mit Elben nicht besonders gut auskennt, glaubt sie doch, dass sie mit dieser Einschätzung richtig liegt. Deshalb … versteht sie auch? Selket scheint die Frage in Dianthas Augen allerdings als etwas anderes zu interpretieren, denn sie rät: >„Ruht Euch aus, nehmt Euch in den nächsten Tagen Zeit, um vollständig von dem Sturz zu genesen. Und denkt bei allem was ihr tut an Eurer Kind, dann könnt Ihr nichts falsch machen.“< „Das werde ich, keine Sorge“, verspricht Diantha und es stimmt, sie wird ganz sicher nicht noch einmal ihre Gesundheit dermaßen strapazieren und leichtfertig mit dem Leben ihres Kindes spielen. Auf keinen Fall, ich werde dich beschützen – notfalls auch vor mir und meinen Launen, ihmeni. Außerdem ist auch dein Vater da, der holt mich zurück, selbst wenn ich im Dunkeln in den Wald laufe und meine, Flucht wäre der einzige Ausweg, denkt sie und verschränkt wie schützend die Hände auf ihrem Bauch. Dieser Abend sagt sehr viel darüber aus, warum sie ohne Olyvar gar nicht leben könnte – er ist ihr Halt, ihr Anker, auf ihn kann sie sich sogar verlassen wenn ihre Gefühle Achterbahn spielen und selbst wenn sie sich vollkommen daneben benimmt, er überlässt sie nicht sich selbst. Vor allem aber ist er ihre Verbindung zur Zukunft, die ohne ihn schlichtweg nicht denkbar ist. Ich hoffe, er kann mir verzeihen…

Selket hat sich abgewendet um die nicht mehr benötigten Utensilien weg zu stellen, doch noch währenddessen beginnt sie zu reden: >„Wenn Ihr jemandem zum Reden oder einfach nur zum Zuhören braucht könnt Ihr jederzeit zu mir kommen ...“< Es ist seltsam so ein Angebot zu bekommen, wenn einem dabei nicht ins Gesicht gesehen wird, es fällt Diantha schwer aus dem Verhalten der Heilerin zu deuten. Warum sieht sie mich nicht an? Sie klingt doch so, als würde sie es wirklich ernst meinen, aber würde sie mir dann nicht in die Augen sehen? Obwohl sie schon viel herumgekommen ist, ist sie doch noch von ihrer Immerfroster Erziehung geprägt und gerade wenn es um Gefühle geht fällt es ihr schwer sie richtig zu deuten, wenn man sie dabei nicht anschaut. Vermutlich möchte sie nur nicht, dass ich sehe, wie sehr sie das hier bewegt. Nur weil sie kein Elb ist und nicht über deren angeborene Gabe der Empathie verfügt heißt das nicht, dass Diantha vollkommen gefühlskalt ist und nicht bemerken würde, dass Selket das alles hier berührt. Vor allem erinnert sie sich an den Ausdruck in dem goldenen Auge, als die Heilerin ihr versprochen hat, dass sie dieses Kind keinesfalls verlieren wird. Ach Selket, glaub mir, vor mir kannst du dir alle Schwächen erlauben, die du möchtest und ich werde dich dafür nicht verurteilen, du lernst mich doch auch gerade von meiner ängstlichsten Seite kennen… Es bleibt aber bei dem Gedanken, denn Selket will ja ganz offensichtlich nicht, dass man ihr ihre Gefühle auch noch ansieht, das muss Diantha dann wohl akzeptieren. Schließlich bestätigt sich ihr Verdacht auch durch die Worte der Heilerin: >„... ich verstehe sehr gut, was es bedeutet, ein Kind zu verlieren...“< Man hört der Elbin an, dass sie schlucken muss und auch ihre Stimme ist sehr emotional, für einen Moment hat Diantha das Bedürfnis aus dem Bett aufzustehen und ihr die Hand auf den Rücken zu legen, aber zum einen weiß sie nicht, ob ihr Körper das so problemlos mitmachen würde und zum anderen ist sie sich nicht sicher, ob Selket sie nicht gleich lautstark zurück in ihr Bett schicken würde. Die Elbin scheint sich zumindest äußerlich rasch wieder zu fangen, denn ihre Stimme wird wieder klarer: >„Und manchmal fällt es einem leichter, zunächst mit jemandem zu sprechen, der dem eigenen Herzen nicht so nahe steht wie ein Verwandter oder anderer Vertrauter ...“< Aber du hattest niemanden, mit dem du darüber sprechen konntest, oder? Dabei bist du doch verheiratet und hast ein Kind, wenn ich das richtig verstanden habe… „Selket, würdest du mich anschauen?“, bittet Diantha leise und die Heilerin richtet ihren Blick auf sie. „Zu erst einmal möchte ich dir das Du anbieten, du weißt Dinge über mich, die kein Talyrer außer Olyvar weiß, da halte ich es für unangebracht sich so förmlich anzusprechen.“ Sie holt tief Luft, bevor sie fortfährt: „Weißt du, an dem Tag, an dem mir das Kind genommen wurde ist für mich eine Welt zusammen gebrochen. Denn das alles geschah im Auftrag des Mannes, den ich liebte und von dem ich überzeugt war, dass er mich auch lieben würde.“ Einen Moment zieht Ekel über ihr Gesicht, den sie schlichtweg nicht unterdrücken kann. „Ich wurde nie in meinem Leben mehr enttäuscht und verletzt. Damals ist etwas in mir zerbrochen, von dem ich denke, dass man es nicht wieder herstellen kann: der Glaube an das Gute im Menschen.“ Und meine Jugend. Sie weiß nicht so recht, ob das die richtige Formulierung ist, aber sie wüsste nicht, wie sie das sonst ausdrücken soll. „Allerdings denke ich ist es an der Zeit, es durch etwas Neues auszutauschen, das Vertrauen in meine neue Familie. Heute ist mir eins klar geworden: Ich darf meine Familie nicht darunter leiden lassen, was in der Vergangenheit passiert ist. Es ist an der Zeit nach vorne zu sehen und meine Angst hinter mir zu lassen, denn jetzt, in meinem neuen Leben, brauche ich sie nicht mehr. Ich werde es niemals vergessen und diese Erfahrung hat mich geprägt, ohne sie wäre ich nicht die selbe Person, die ich heute bin – aber das darf mir nicht den Weg nach vorne versperren. Vor allem darf das nicht der Grund sein um den Mann zu verletzen, den ich mehr als liebe, als ich es jemals für möglich gehalten hätte.“ Sie stockt für einen Moment und ihr Stimme wird sehr weich. „Er ist da, wenn ich ihn brauche, er hat sich alles angehört, er kennt meine armseligen, schwachen Seiten und trotzdem hat er nicht aufgehört mich zu lieben. Es ist an der Zeit, dass ich ihm dafür etwas zurückgebe und aufhöre mich aufzuführen, als hätte er mir etwas Schlimmes angetan, denn das hat er nie, nicht einen Moment in der Zeit, seit der ich ihn kenne.“ Für einen Augenblick ist sie still. „Ich habe so ein Glück, ihn getroffen zu haben und wenn ich mir vorstelle, dass ich sein Kind erwarte…“ Bei diesen Worten geht ein Strahlen von ihr aus, das eine Verbindung ist aus ihrem glücklichen Lächeln und dem Funkeln ihrer Augen. „Ich danke dir wirklich sehr Selket, für dein Angebot, man trifft so selten auf jemand, der einen wirklich versteht.“ Sie schaut der Elbin bei diesen Worten fest ins Gesicht um ihre Worte zu unterstreichen. „Es würde mich sehr freuen, dich bald wieder zu sehen. Du könntest ja auch deinen Sohn mitbringen, Ladir war sein Name, nicht wahr?“ Sie ist sich ziemlich sicher, den Namen beim Inarifest aufgeschnappt zu haben, er hatte ihr gefallen, deshalb hatte sie ihn sich gemerkt. „Er hätte sicher seinen Spaß mit den Zwillingen und du würdest mich auch in einem etwas … besseren Zustand sehen als heute Abend.“ Diantha kann nur ahnen, wie sie aussieht und das ist sicherlich kein entzückender Anblick, mit noch immer halb nassen Haaren und kaum Farbe im Gesicht. „Außerdem finde ich es keine besonders schöne Vorstellung, dass ich dich zu so nachtschlafender Zeit von deiner Familie weg hole, sie werden sicherlich denken, wir haben sonst was mit dir angestellt.“ Diantha lächelt die Heilerin dankbar an. „Ich bin sehr froh, dass Olyvar dich geholt hat, Selket.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 22. Feb. 2008, 18:18 Uhr
»Selket, würdest du mich anschauen?« Dianthas Aufforderung überrascht die Heilerin zunächst, erst einen Augenblick später wird ihr bewusst, wie ihr Verhalten auf eine Immerfrosterin, die es von Kindheit an nicht anders kennt, als dass man sich während eines Gesprächs immer in die Augen schaut, wirken muss. Der Elbenfrau ist bewusst, dass man ihr Verhalten in Immerfrost als Beleidigung auffassen würde, doch auch sie kann nicht so ohne weiteres aus ihrer Haut. Egal wie ausdruckslos ihr Gesicht und ihr übriges Gebaren erscheinen mag, sie weiß nur zu gut, dass das Leuchten ihres Auges wie ein Fester in ihre Seele ist, und sie möchte Diantha vor allem den Schmerz, der sich dahinter verbirgt in nicht zumuten. daher kommt sie der Aufforderung der jungen frau erst nach, als sie sich absolut sicher ist, ihre Gefühle wieder vollständig unter Kontrolle zu haben. »Zu erst einmal möchte ich dir das Du anbieten, du weißt Dinge über mich, die kein Talyrer außer Olyvar weiß, da halte ich es für unangebracht sich so förmlich anzusprechen.« Erstaunt zieht Riarîl eine Augenbraue in die Höhe, mit etwas derartigem hätte sie in diesem Augenblick nicht gerechnet. »Weißt du, an dem Tag, an dem mir das Kind genommen wurde ist für mich eine Welt zusammen gebrochen. Denn das alles geschah im Auftrag des Mannes, den ich liebte und von dem ich überzeugt war, dass er mich auch lieben würde. Ich wurde nie in meinem Leben mehr enttäuscht und verletzt. Damals ist etwas in mir zerbrochen, von dem ich denke, dass man es nicht wieder herstellen kann: der Glaube an das Gute im Menschen.« Die Elbe nickt unwillkürlich. Dass, was Diantha da beschreibt, kennt sie nur zu gut. Auch sie hatte sich einst nicht nur von Than, sondern von der ganzen Welt verraten und verkauft gefühlt – und schon damals nicht zum ersten Mal.
»Allerdings denke ich ist es an der Zeit, es durch etwas Neues auszutauschen, das Vertrauen in meine neue Familie. Heute ist mir eins klar geworden: Ich darf meine Familie nicht darunter leiden lassen, was in der Vergangenheit passiert ist. Es ist an der Zeit nach vorne zu sehen und meine Angst hinter mir zu lassen, denn jetzt, in meinem neuen Leben, brauche ich sie nicht mehr. Ich werde es niemals vergessen und diese Erfahrung hat mich geprägt, ohne sie wäre ich nicht die selbe Person, die ich heute bin – aber das darf mir nicht den Weg nach vorne versperren. Vor allem darf das nicht der Grund sein um den Mann zu verletzen, den ich mehr als liebe, als ich es jemals für möglich gehalten hätte.« Ein bitteres Lächeln schleicht sich auf Riarîl Lippen, als sie erkennt, dass die neue Lady Tarascon diese harte Lektion wesentlich schneller gelernt hat, als sie selber, auch wenn die Dinge in ihrem eigenen Fall noch etwas anders liegen. Dianthas Vergangenheit hat für die Elbenfrau keinen Namen, doch die Heilerin weiß, dass Dianthas Zukunft Olyvar von Tarascon heißt, während ihr eigener Ehemann sowohl Vergangenheit als auch Zukunft für sie darstellt. Der Halbelb ist ihr Glück und ihr Verderben, ein Schicksal an welches sie über das Ende aller Zeiten hinaus gebunden sein wird. Und obschon ihr bewusst ist, dass dies eigentlich unbegreiflich ist, so hat sie mittlerweile akzeptiert, dass dies unabänderlich ist.

»Er ist da, wenn ich ihn brauche, er hat sich alles angehört, er kennt meine armseligen, schwachen Seiten und trotzdem hat er nicht aufgehört mich zu lieben. Es ist an der Zeit, dass ich ihm dafür etwas zurückgebe und aufhöre mich aufzuführen, als hätte er mir etwas Schlimmes angetan, denn das hat er nie, nicht einen Moment in der Zeit, seit der ich ihn kenne. Ich habe so ein Glück, ihn getroffen zu haben und wenn ich mir vorstelle, dass ich sein Kind erwarte…« Ein strahlendes Lächeln breitet sich auf Dianthas Gesicht aus, welches von Riarîl erwidert wird. „Dann sollte Ihr ihm das sagen“, meint sie sanft. Ein wenig zu spät bemerkt sie, dass die Immerfrosterin ihr ja das Du angeboten hat. „Und auch alles andere, was ... du mir gerade anvertraut hast“, fügt sie daher hinzu. »Es würde mich sehr freuen, dich bald wieder zu sehen. Du könntest ja auch deinen Sohn mitbringen, Ladir war sein Name, nicht wahr?« Riarîl nickt Diantha automatisch zu. »Außerdem finde ich es keine besonders schöne Vorstellung, dass ich dich zu so nachtschlafender Zeit von deiner Familie weg hole, sie werden sicherlich denken, wir haben sonst was mit dir angestellt.« Bei diesen Worten kann die Heilerin ein belustigtes Lachen nicht mehr rechtzeitig unterdrücken. „Mach dir deswegen keine Gedanken“, erklärt sie. Insbesondere Than werden deswegen ganz gewiss keine grauen Haare wachsen. „Ich bin ein Heilerin, es ist Teil meines Lebens, dass man mich ruft, wann immer man meiner Hilfe bedarf – meine Familie kennt es nicht anders und weiß damit umzugehen.“ Meistens jedenfalls, wenn Ladir nicht gerade seine obligatorischen 5 Trotzminuten hat.
»Ich bin sehr froh, dass Olyvar dich geholt hat, Selket.« Die Elbe nickt. „Schon gut.“ Sie lächelt verschmitzt. „Aber da wir mittlerweile beim Du angelangt sind, fände ich es angebracht, wenn du mich Riarîl nennen würdest“, meint sie und muss abermals ein wenig lachen, als sie Dianthas leicht verwirrten, fragenden Blick begegnet. „Mein Geburtsname“, klärt sie die Immerfrosterin erheitert auf. „Ich weiß, in seiner Hochzeitsnacht hat man anderes im Sinn, als die Unterschriften auf einem Stück Pergament zu überprüfen, aber ich hätte gedacht, dass es dir oder deinem Gatten doch früher oder später aufgefallen wäre ...“ Schmunzelnd schenkt sie der jungen Frau noch etwas Tee nach. Es amüsiert sie sichtlich dass ausgerechnet dem Lord Commander der Steinfaust dieses kleine Detail in seiner Hochzeitsurkunde bisher entgangen zu sein scheint. „Wie auch immer, es würde mich freuen, in den nächsten Siebentagen einmal auf einen kleinen Plausch vorbei zuschauen, wenn sich etwas Zeit dafür findet. Und Ladir wird mich gewiss gerne begleiten. Die Steinfaust beeindruckt ihn jedes Mal wieder, wenn wir zufällig vorüber kommen ... und die Pferde. Nun, wie kleine Jungen eben so sind.“ Sie lacht gelöst und kann nicht in Worte fassen, wie sehr es sie beruhigt, dass sich ihr Sohn nicht im geringsten nach seinem leiblichen Vater kommt, und sich von jedweder Art von magischer Schaustellerei, gleichgültig ob simpler Taschenspielertrick oder echte Magierkunst, vollkommen unbeeindruckt zeigt.    

Ihr Blick wandert zum Fenster, vor dem finsterste Nacht herrscht, schweift durch den Raum und bleibt dann an der Tür hängen. Sie streicht sich eine übermütige Haarsträhne aus dem Gesicht, wobei sie kurz das leblose Bernsteinauge in ihrer rechten Augenhöhle streift, bevor sie sich vorbeugt um ihre Sachen zusammen zu sammeln. „Es ist spät und du brauchst Ruhe, außerdem werden das Shanbalor-Elixir und der Tee, den ich für dich habe zubereiten lassen, bald ihre volle Wirkung entfalten und ich vermute, dass du noch mit deinem Mann sprechen möchtest, bevor du schläfst.“ Sie nimmt ihren Tasche und verabschiedet sich. „T'Anar îhiorael ôr lin. Ich werde deinen Mann zu dir schicken wenn ich ihn sehe oder jemanden bitten ihn zu holen“, erklärt sie, nickt Diantha noch einmal kurz zu, bevor sie den Raum endgültig verlässt.
In der Großen Halle sieht sie sich kurz um und entdeckt den Lord Commander tatsächlich in einem Sessel vor dem Großen Kamin, während er gedankenverloren in die züngelnden Flammen starrt. »... mir das antun, conasg? Wie konntest du?«, kann sie ihn gerade noch fragen hören und bleibt für einen Augenblick regungslos stehen, bevor sie sich dezent bemerkbar macht. »Khel'Anar, Eurer Frau und dem Kind geht es gut. Das Shanbalor-Elixir und der Tee werden ihr helfen ein wenig Schlaf zu finden, doch ich denke, Ihr solltet zuvor noch einmal nach Ihr sehen und kurz miteinander sprechen. Im übrigen ...“ Sie nickt ihm zu. „... Ihr habt zwar nicht Euretwegen nach mir schicken lassen, doch wenn Ihr dennoch einen guten Rat von mir annehmen wollt: Trockene Gewänder, ein Becher mit heißem Tee und etwas Schlaf, würden auch Euch gut tun.“ Ihre Worte klingen respektvoll und freundlich, aber auch ernst und dulden keinen Widerspruch. „Also dann, es ist spät geworden. Aber falls irgendetwas etwas sein sollte, Ihr wisst, wo Ihr mich findet. T'Anar.“ Sie verneigt sich knapp zum Abschied, verlässt den Westflügel und begibt sich, diesmal ohne Begleitung, auf den nächtlichen Heimweg. Auch wenn derartige Hausbesuche zu ihren Pflichten gehören, es ist spät und - Heilerin hin oder her - auch sie besitzt eine Familie, der gegenüber sie Verantwortung trägt.

Immergrün »

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 22. Feb. 2008, 23:29 Uhr
Ein trockenes Räuspern in seinem Rücken reißt Olyvar aus seinen Gedanken und als er sich umblickt,  findet er Selket hinter sich im Halbdunkel der großen Halle. >Khel'Anar, Eurer Frau und dem Kind geht es gut.< Olyvar nickt nur, sein Gesicht bleibt so unbewegt wie das einer Bronzestatue. "Aye. Das ist gut," ist alles, was er murmelt, während er ein weiteres Scheit Holz nachlegt. >Das Shanbalor-Elixir und der Tee werden ihr helfen ein wenig Schlaf zu finden, doch ich denke, Ihr solltet zuvor noch einmal nach Ihr sehen und kurz miteinander sprechen,< fährt Selket seelenruhig fort und Olyvar schnaubt leise, aber unüberhörbar - die ebenso stumme, wie bestimmte Erwiderung, dass es, Heilerin hin oder her, absolut seine Sache ist, was er tun wird und was nicht. Doch die Elbin lässt sich nicht beirren. >Im Übrigen... Ihr habt zwar nicht Euretwegen nach mir schicken lassen, doch wenn Ihr dennoch einen guten Rat von mir annehmen wollt: Trockene Gewänder, ein Becher mit heißem Tee und etwas Schlaf, würden auch Euch gut tun.< Ihre penetrante Hartnäckigkeit und ihr Maestra-Tonfall lassen ihn wider Willen unfroh lächeln. "Schlaf ist Euer Heilmittel für alles, nach eil?" Selket zuckt mit den Schultern, eine Geste, die die Feuerelbin mit einem Mal seltsam menschlich erscheinen lässt. >Also dann, es ist spät geworden. Aber falls irgendetwas etwas sein sollte, Ihr wisst, wo Ihr mich findet. T'Anar.<
"Aye... und Selket... taing. Danke."  Er weiß wohl um ihren anderen, ihren eigentlichen Namen - doch da er sie nur unter diesem kennt und sie ihm gegenüber auch nie etwas anderes hatte verlauten lassen, nennt er sie schon aus Höflichkeit stets Selket. Sie wird schon einen Grund dafür haben, nicht gleich jedem auf die Nase zu binden, dass sie eigentlich Riaril heißt... warum auch immer. Die Elbin neigt den Kopf und verlässt den Westflügel leichten und lautlosen Schrittes, und Olyvar schickt auch Mattis, der wieder kommt, kaum dass die Heilerin gegangen ist, und ihm gähnend versichert, dass die Zwillinge immer noch friedlich schlafen, ins Bett. Der Junge hat einen harten Tag und mehrere Stunden Waffentraining unter Vareyars strenger Hand hinter sich, er ist zweifellos ziemlich erledigt. Sein Knappe lächelt dankbar und trollt sich wieder, und Olyvar bleibt allein mit dem knisternden Feuer zurück. Ich denke, Ihr solltet zuvor noch einmal nach Ihr sehen und kurz miteinander sprechen... ich denke... noch einmal nach ihr sehen... kurz miteinander sprechen... miteinander... kurz... nach ihr sehen...

Nun, mit einem hatte die Heilerin zweifellos Recht: Er muss aus den feuchten Kleidern heraus. Er würde keinen Tee hinunterbringen, er war noch nie ein Freund von heißem Wasser mit irgendwelchen - meist scheußlichen - Kräutern darin, und Schlaf würde er mit Sicherheit auch keinen finden, nicht jetzt, nicht nach dem, was geschehen war, aber etwas Trockenes am Leib wäre wirklich nicht zu verachten. Olyvar streift seufzend die klammen Stiefel ab und stellt sie so nahe ans Feuer, wie er es wagen kann, ohne dass die Gefahr besteht, dass Funken das feuchte Leder ansengen. Seine Strümpfe sind immer noch nass, die ledernen Hosen feucht und kalt, sein leinernes Hemd ist inzwischen dagegen schon fast wieder trocken. Das prasselnde Feuer strahlt paradiesische Hitze ab, doch ihm ist kalt und er fröstelt. Ihr solltet nach ihr sehen... noch einmal nach ihr sehen... Selkets Stimme scheint noch immer in den Schatten zwischen den holzgeschnitzten Säulen zu lauern und ihn mit ihrem beharrlichen Flüstern zu narren, ganz gleich, wie entschlossen er sich taub stellt - und noch ehe er merkt, was er eigentlich tut, ist er schon quer durch die Halle und halb die steinerne Treppe hinauf. Zu seinem grenzenlosen Entsetzen wankt ihm jedoch auf den obersten Stufen Diantha in Strümpfen und in einem seiner Hemden entgegen, das ihr zugegebenermaßen immerhin bis zu den Knien reicht. Ihr Gesicht hat die Farbe frischer Buttermilch, sie zittert so, dass sie sich kaum auf den Beinen halten kann und Olyvar bleibt beinahe das Herz stehen. "Ah dhia!" Er ist mit zwei schnellen Schritten bei ihr, hebt seine närrische Frau, die jetzt anscheinend völlig den Verstand verloren hat, ohne Umschweife und weitere Worte hoch, trägt sie ins Schlafgemach zurück und bugsiert sie sanft wieder ins Bett, legt dabei aber durchaus genug unterdrückte Kraft an den Tag, um ihr deutlich zu machen, dass er sie am liebsten aus großer Höhe fallen gelassen hätte. "Wenn du," zischt er aufgebracht und packt Diantha ebenso energisch wie behutsam wieder in die weichen, warmen Decken, "nicht aussehen würdest, als könntest du gleich in Ohnmacht fallen, conasg, dann würde ich dich übers Knie legen und dir den Hintern versohlen, das schwöre ich dir!"
"Das kannst du nicht," erwidert sie schwach, aber absolut unbesorgt. "Ich bin schwanger."
Olyvar erstarrt mitten in der Bewegung und spürt glühende Wärme in seinem Inneren, die irgendwo zwischen seiner Brust und seiner Kehle beginnt und sich mit jedem Herzschlag ein wenig mehr in ihm ausbreitet - doch der Schmerz ist nach wie vor da, ebenso wie die Bitterkeit. "Aye," erwidert er schließlich ganz leise und in völlig verändertem Tonfall. "Das bist du."  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 24. Feb. 2008, 22:32 Uhr
Selket scheint etwas verwundert darüber zu sein, dass ihr Diantha die persönlichere Ansprache anbietet, aber für die ist das eine Selbstverständlichkeit. Um zu jemand „Ihr“ sagen zu wollen, fehlt ihr bei Selket die emotionale Distanz, jemandem so persönliches anzuvertrauen und ihn dann so förmlich anzureden – das ist für sie ein Widerspruch in sich, was allerdings auch daran liegen mag, dass sie in einem recht kleinen Dorf aufgewachsen ist. Der Immerfrosterin fällt auch das unwillkürliche Nicken auf, als sie von ihren Erfahrungen erzählt, was die Verbundenheit nur noch mehr verstärkt. Diantha weiß nicht, ob die Heilerin dasselbe erlebt hat wie sie selbst oder ob es vielleicht kaum vergleichbar mit ihrer Vergangenheit ist. Allerdings scheint sie zumindest ein gewisses Grundverständnis zu haben, das jemand ohne eine schwierige Vergangenheit und schmerzhafte Erinnerungen nur schwer aufbringen kann. Auch den Hauch von Bitterkeit in ihrem Lächeln, als Selket Diantha von ihrer Beziehung zu Olyvar reden hört, entgeht ihr nicht. Nun, das scheint bei dir ein wenig anders zu sein, hm?, geht der Immerfrosterin durch den Sinn. Da scheint eine schlimme Geschichte darauf zu warten, erzählt zu werden, es muss schwer sein, wenn der Partner dafür nicht die richtige Ansprechperson ist… Wieder wird Diantha bewusst, wie unendlich viel Glück sie mit Olyvar gehabt hat und wie leichtfertig sie das am heutigen Tag aufs Spiel gesetzt hat. Hätte sie geahnt, dass Selket sich Gedanken darüber macht, wie viel schneller Diantha versucht mit ihrer Vergangenheit abzuschließen als sie selbst, hätte sie eingewandt, dass fünf Jahre für einen Menschen ganz andere Dimensionen haben, während sie für einen Elb nicht mehr als ein Windstoß im Haar sind. Aber sie kann natürlich nicht ahnen, dass Selkets Verlust mehrere Jahrhunderte her ist, woher auch. >„Dann solltet Ihr ihm das sagen und auch alles andere, was … du mir gerade anvertraut hast“<, meint die Elbin schließlich. Diantha nickt und freut sich insgeheim, dass Selket nun auch in das vertrauliche Du gewechselt hat, sie kann sich vorstellen, dass Elben dazu neigen es mit der Förmlichkeit noch etwas genauer zu nehmen als Menschen, dann hätte Selket das Angebot auch schlicht ignorieren können. Auf Dianthas Feststellung, dass sie die Elbin schon viel zu lange von ihrer Familie fern hält, versichert die glaubhaft, dass ihre Familie es nicht anders kennt und man sie ganz selbstverständlich zu jeder Tages- und Nachtzeit rufen kann. Grundsätzlich gibt Diantha ihr da ja schon recht, das ist das Los der Heiler, aber sie kennt es schließlich selbst, was für ein Theater es mit Kleinkindern sein kann, wenn man auch nur mal kurz ohne sie zum Markt will. Wirklich überraschend findet sie es dann aber, als Selket sagt: >„Aber da wir mittlerweile beim Du angelangt sind, fände ich es angebracht, wenn du mich Riaril nennen würdest.“< Bitte was?, denkt Diantha und kann offensichtlich nicht verhindern sehr perplex und verwirrt aus der Wäsche zu schauen. >„Mein Geburtsname“<, schiebt Riaril nach und Diantha kommt nicht umhin sich zu fragen, was um alles in der Welt eine Heilerin, die nun wirklich harmlos wirkt, mit einem Decknamen will. Bei Verbrechern jeglicher Sorte kann sie das nachvollziehen, da gehört ein falscher Name mit zur Tarnung, aber selbst wenn Riaril eine Verbrecherin wäre – was sich Diantha schlichtweg nicht vorstellen kann und sie hat da auf der Straße schon ein wenig einzuschätzen gelernt – wäre bei ihr ein Deckname ziemlich sinnlos. Zumindest in Nachtschimmer hätte sie im Verbrechermilieu jeder nur Meripihka (Bernstein) oder Yksisilmä (Einauge) genannt. Allerdings kennt Diantha auch zwei andere Gründe für falsche Namen: Entweder das Gefühl den von der Familie gegebenen Namen zu entehren, so ging es ihr selbst jahrelang mit ihrem Nachnamen. Oder das Gefühl, dass man mit seinem Geburtsnamen zu viel von sich Preis gibt, als ob man sich selbst vor anderen beschützen könnte, wenn man den Namen nur nicht verrät. Ihr selber war das eher nicht so gegangen, aber sie weiß, dass das nicht selten ist – vermutlich ist es bei Syphenae auch nicht anders, obwohl sie sich bei der nicht mal sicher ist, ob die jemals einen wirklichen Namen hatte – vielleicht wurde sie in ihrer Kindheit auch schlichtweg „lapsi“ (Kind) gerufen und hat sich als sie älter war selber einen Namen ausgesucht. „Dann Riaril“, meint Diantha und versucht den Namen korrekt nachzusprechen, wobei man an ihrer Art das R zu rollen mit einem Mal ihre Herkunft deutlich anmerkt, denn das Pakkakieli R scheint nicht so recht zu passen. Immer diese Elbennamen… Die Heilerin scheint das sehr amüsant zu finden, denn sie lacht sogar ein wenig, wodurch sie erheblich weniger kühl wirkt. Als sie auf die Hochzeitsurkunde zu sprechen kommt, zuckt Diantha nur mit den Schultern, sicher, mittlerweile kann sie ein wenig lesen, aber das wird sie sicherlich nicht als erstes an verschnörkelten Unterschriften ausprobieren und sie meint sich verschwommen daran erinnern zu können, dass Olyvar ihr etwas Auffallendes von der Urkunde gesagt hat, vermutlich gerade das mit dem Namen, aber dann hat sie es wohl vergessen. So geistesgegenwärtig zu fragen, wie sie Riaril dann in der Öffentlichkeit nennen soll, ist Diantha nicht, denn die Elbin wechselt rasch das Thema: >„Wie auch immer, es würde mich freuen in den nächsten Siebentagen einmal auf einen kleinen Plausch vorbei zuschauen, wenn sich etwas Zeit dafür findet.“< Die Immerfrosterin nickt, natürlich, es kann ja auch sein, dass in der nächsten Zeit Krankheitswellen kommen, um die sich die Heilerin kümmern muss, dann wird sie wohl kaum Zeit für einen Besuch haben. > „Und Landir wird mich gewiss gerne begleiten. Die Steinfaust beeindruckt ihn jedes Mal wieder, wenn wir zufällig vorüber kommen… und die Pferde. Nun, wie kleine Jungen eben so sind.“< „Ja, das kenne ich“, meint Diantha lachend. „Aber kleine Mädchen sind da auch nicht sehr anders.“ Außerdem ist es für deinen Sohn bestimmt auch mitunter ein wenig langweilig, so ohne Geschwister… Fianryn und Connavar haben es da schon sehr gut, sie haben sich selber und die ganzen Botenjungen und –mädchen der Steinfaust, da gibt es schon genügend andere Kinder. Und bald ein kleines Geschwisterchen…

Riaril schaut in Richtung Fenster, dann zur Tür, daraufhin beginnt sie ihre Utensilien zusammen zu sammeln. > „Es ist spät und du brauchst Ruhe, außerdem werden das Shanbalor-Elixir und der Tee, den ich für dich habe zubereiten lassen, bald ihre volle Wirkung entfalten und ich vermute, dass du noch mit deinem Mann sprechen möchtest, bevor du schläfst.“< Darauf kannst du wetten! Ich habe Mattis zwar gebeten nach ihm zu schauen, aber wie ich Olyvar da so kenne, wird er schlechte Chancen gehabt haben. Sie kennt ihn schließlich aus der Zeit, in der Kizumu ihm das Herz gebrochen hatte und die Vorstellung, dass es ihm jetzt nicht viel anders geht, dreht ihr das Herz um. >„T'Anar îhiorael ôr lin.“< Um zu verstehen, was die Heilerin damit sagen will, muss man des Elbischen nun wirklich nicht mächtig sein und in Gedanken versunken antwortet Diantha: „Näkemiin.“ >„Ich werde deinen Mann zu dir schicken wenn ich ihn sehe oder jemanden bitten ihn zu holen“<, meint Riaril noch und verlässt dann den Raum. Noch einige Zeit schaut Diantha auf die geschlossene Tür. Irgendwo dort unten in der Halle sitzt er, darauf möchte sie wetten, starrt ausdruckslos in die Flammen und leidet. Kann ich wirklich von ihm erwarten, dass er zu mir kommt? Wie oft hat er mir all meine Querelchen vergeben, ohne irgendeine Gegenleistung zu verlangen? Wie oft habe ich ihn verletzt, obwohl es ganz sicher nicht meine Absicht war? Nein, sie kann es nicht erwarten, es ist an ihr zu zeigen, dass es ihr wirklich Leid tut und sie etwas ändern wird, dafür muss sie zu ihm gehen. Langsam zieht sie die Beine über den Bettrand und richtet sich vorsichtig auf. Kaum steht sie, ziehen jede Menge schwarze Punkte vor ihren Augen ihre Bahnen und sie muss mehrmals tief durchatmen, bis die verschwinden. Ihre Beine revoltieren dagegen das Bett verlassen zu müssen und ihr Kreislauf schließt sich dem an, aber Diantha nimmt darauf keinerlei Rücksicht. Ich muss zu Olyvar. Jetzt sofort. Und wenn ich hin kriechen muss. Langsam geht sie auf den Schrank zu, zieht mit schlafwandlerischer Sicherheit eins seiner Hemden heraus und knöpft es zu, dabei gibt sie sich alle Mühe auf die Umschläge zu achten, die ihr Riaril gemacht hat. Kurz überlegt sie so hinunter zu gehen, dann geht ihr durch den Sinn, was die Heilerin gesagt hat: >„Und denkt bei allem was ihr tut an Eurer Kind, dann könnt Ihr nichts falsch machen.“< Mein Kind braucht seinen Vater, stellt sie fest, dann entscheidet sie sich aber doch noch dafür zumindest Strümpfe anzuziehen. Das gestaltet sich als ziemlich schwierig, denn nur auf einem Bein stehend wäre sie mit absoluter Sicherheit umgefallen, also setzt sie sich wieder aufs Bett. Noch einmal steht sie auf und schleppt sich dieses Mal in Richtung Tür. Noch nie ist ihr der Weg so weit vorgekommen, er scheint sich immer weiter in die Länge zu ziehen. Bin ich wirklich so erschöpft und beginnt dieses blöde Elixier zu wirken?, fragt sie sich, denn so am Ende, dass ihr die wenigen Schritte wie Meilen vorkommen, ist sie schon wirklich lange nicht mehr gewesen. Erschöpft hält sie sich für einen langen Moment an dem Türgriff fest und wieder holt sie tief Luft. Prompt beginnt ihr Körper zu zittern, als wollte er bestätigen, dass es ihm auch wirklich nicht gut geht und sie eindeutig übergeschnappt sein muss, jetzt irgendwohin zu gehen. Sie schafft es bis an die Treppe und lugt gerade unglücklich die furchtbar vielen Stufen hinab, als ihr ein sehr überraschter Olyvar entgegen blickt. >„Ah dhia!“<, ruft er aus und ist keinen Herzschlag später bei ihr, nur um sie hochzuheben, als wöge sie nicht mehr als ein Kleinkind, und sie zum Bett zu tragen. Für einen Moment hat sie den Eindruck, er würde sie am liebsten darauf werfen, aber das lässt er dann doch bleiben. Stattdessen wickelt er sie in die Decke ein, dass sie das Gefühl hat, da selbstständig so schnell nicht problemlos wieder raus zukommen. > „Wenn du nicht aussehen würdest, als könntest du gleich in Ohnmacht fallen, conasg, dann würde ich dich übers Knie legen und dir den Hintern versohlen, das schwöre ich dir!“<, verkündet er gerade aufgebracht, wie sie geahnt hat, ist seine Kleidung immer noch ziemlich feucht und sein Haar tropft auf die Bettdecke, doch das ist nebensächlich. Oh, er ist wirklich wütend, so wütend, wie sie es noch nicht erlebt hat und sie hat ihn sehr verletzt, das sieht sie in seinen Augen. Aber trotzdem liebt er sie noch, diese Gewissheit breitet sich warm in ihrem Inneren aus und ohne darüber nachzudenken stellt sie fest: „Das kannst du nicht. Ich bin schwanger.“ Es ist die reine Wahrheit: Er kann ihr jetzt, wo sie schwanger ist, kein Härchen krümmen, genausowenig wie er ihrem Kind auch nur das geringste antun könnte. Das steht nicht nur in seinem Blick geschrieben, sondern genau das sagt ihr auch der Großteil ihres Herzens und der kleine Teil, der bis zu diesem Tag noch gezweifelt hat, kapituliert bei dem Blick in seine Augen restlos. Für einige Zeit schauen sie sich nur an, dann antwortet er sehr leise: >„Aye. Das bist du.“< Sie kämpft ihre Arme aus der Bettdecke, in die er sie so fest eingewickelt hat und setzt sich dann im Bett auf. „Kannst du mir verzeihen?“, flüstert sie. „Damals habe ich dir gesagt, dass du mich da finden kannst, wo Ärger ist, aber ich wollte den Ärger nie mit in dein Leben bringen. Vor allem wollte ich dich nie verletzen und das was ich dir heute Abend angetan habe…“ Sie schluckt, aber nein, sie wird jetzt nicht weinen. „Es tut mir schrecklich Leid! Ich habe dich so oft für etwas büßen lassen, das du nicht getan hast und dich mit Riku auf eine Stufe gestellt, obwohl du das nicht im entferntesten verdient hast!“ Ihre eiskalten Hände suchen nach seinen. „Du bist immer so gut zu mir und du liebst mich, obwohl ich manchmal furchtbar dumme Sachen mache und mich so sehr von meiner Vergangenheit einwickeln lasse, dass ich vergesse, was im Hier und Jetzt ist.“ Sie schüttelt über sich selbst den Kopf und schaut ihm dann wieder fest in die Augen: „Ich werde nie wieder so etwas tun und dich nie wieder mit ihm auf eine Stufe stellen, das schwöre ich! Es ist an der Zeit endlich in der Gegenwart zu leben und mein Leben nicht mehr von Erinnerungen bestimmen zu lassen. Für all das brauche ich dich, ich schaffe das nicht alleine.“ Ihre Stimme bist dahin sehr feste und sicher wird jetzt weicher. „Außerdem will ich deine Kinder bekommen, am liebsten ein Dutzend, mich gemeinsam mit dir über sie freuen, wie wir es auch schon bei Fianryn und Connavar tun. Ihr seid doch meine Zukunft! Kannst du mir noch dieses eine Mal verzeihen?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 26. Feb. 2008, 00:32 Uhr
>Das kannst du nicht. Ich bin schwanger.<
"Aye. Das bist du." Er hätte ihr nie etwas getan, schwanger oder nicht, und das weiß sie auch ganz genau - sie übers Knie zu legen und ihr den Hintern zu versohlen, nachdem sie sich das geleistet hatte, fällt nicht unter die Kategorie "Hand an seine Frau legen", sondern unter ausgleichende Gerechtigkeit. Er hätte die größte Lust dazu, aber er wird es nicht tun und sie weiß es. Olyvar lauscht ihren Worten, während sie, sichtlich um Fassung bemüht, zu ihm spricht und ihre leise, rauchige Stimme vermischt sich mit dem stetigen Geräusch seines Herzschlags und dem Rauschen des Nachtwindes draußen vor den Fenstern. Ihr Gesicht ist immer noch erschreckend blass und ihre Finger, die irgendwann zaghaft nach seinen Händen tasten, sind eiskalt. >Kannst du mir verzeihen? Damals habe ich dir gesagt, dass du mich da finden kannst, wo Ärger ist, aber ich wollte den Ärger nie mit in dein Leben bringen. Vor allem wollte ich dich nie verletzen und das was ich dir heute Abend angetan habe...<
"Aye. Aber du hast es getan. Und es ist dir gelungen."
>Es tut mir schrecklich Leid! Ich habe dich so oft für etwas büßen lassen, das du nicht getan hast und dich mit Riku auf eine Stufe gestellt, obwohl du das nicht im Entferntesten verdient hast!< Bricht es verzweifelt aus ihr heraus und er erstarrt. > Du bist immer so gut zu mir und du liebst mich, obwohl ich manchmal furchtbar dumme Sachen mache und mich so sehr von meiner Vergangenheit einwickeln lasse, dass ich vergesse, was im Hier und Jetzt ist.<
"Allerdings," erwidert er trocken und bitter und meint damit alles zugleich. Mit Riku verglichen zu werden hat er ganz gewiss nicht verdient und dennoch hatte sie es immer wieder getan. Olyvar ist immer noch wütend und verletzt, auch wenn ihre Worte und vor allem ihr jämmerlicher Zustand nicht ohne Wirkung bleiben, doch er kann nicht einfach so tun, als wäre nichts geschehen. "Dia..." Er steht auf, verschränkt die Hände vor der Brust und geht langsam ans Fenster, um in die schneefeuchte Nacht hinauszustarren. "Ich möchte dir so gern verzeihen. Ich würde gern so tun, als wäre all das nicht geschehen, weil es so schön wäre, wenn... aber es ist geschehen."

Aus seinem noch immer nassen Haar rinnt langsam ein eiskalter Tropfen in seinen Nacken und die Hose klebt ihm unangenehm klamm an den Beinen. Olyvar schweigt lange, die Lippen fest aufeinander gepresst, so lange, dass er spürt, wie Diantha hinter ihm unruhig in den raschelnden Laken hin und herrutscht - erst dann wendet er sich um und sieht sie an. Sie sieht todunglücklich aus, doch ihre Augen sind trocken, auch wenn sie verdächtig glänzen. "Erinnerst du dich an den Morgen, als Kizumus Brief ankam? Du sagtest, ich sei der Einzige, der von Anfang mehr in dir gesehen hätte und ich habe dir geantwortet, dass ich gar nicht mehr in dir sehen würde, als irgendjemand sonst, ich sähe einfach dich. Ich habe nie etwas anderes getan und tue es immer noch. Du aber..." er schüttelt sacht den Kopf und seine Augen sind im rötlichen Dämmerlicht des glimmenden Kaminfeuers, der einzigen Lichtquelle im Raum, fast schwarz und schmerzerfüllt. "Hast du je mich gesehen? Nur mich, conasg? Ich bin nicht Riku. Nichts an mir ist wie er. Aber du hast immer wieder ihn in mir gesucht. Damals in der Laube, am Morgen nach unserer ersten Nacht... als ich so wütend war auf Shyada... oder nicht einmal auf Shyada, sondern auf die Amazonen im Allgemeinen... immer wieder stand sein Schatten vor mir. Selbst als du erfahren hast, dass du mein Kind erwartest... konntest du nur an ihn denken und an das, was er dir angetan hat. Nicht an dich, nicht an mich, nicht an..." er verstummt und weiß, dass sie den Kummer in seinen Augen sehen kann, den er gewaltsam zurückdrängt, ebenso wie den Zorn, der  ihn fast erstickt - aber vielleicht auch den Mut, der ihn trotzdem sprechen lässt. Seine Worte geben ihr einiges zum Nachdenken, das kann er sehen und nun ist sie es, die eine lange Weile stumm bleibt, ehe sie den Blick wieder hebt und ihn ansieht. Ihre Augen sind so mitternachtsblau wie in jener Nacht in der Laube und ihr Blick ist wie der Himmel - offen, weit und bedingungslos.
>Ich werde nie wieder so etwas tun und dich nie wieder mit ihm auf eine Stufe stellen, das schwöre ich! Es ist an der Zeit endlich in der Gegenwart zu leben und mein Leben nicht mehr von Erinnerungen bestimmen zu lassen.< Sie nickt, wild und entschlossen, doch dann wird ihre Stimme sanft und eindringlich: >Für all das brauche ich dich, ich schaffe das nicht alleine. Außerdem will ich deine Kinder bekommen, am liebsten ein Dutzend, mich gemeinsam mit dir über sie freuen, wie wir es auch schon bei Fianryn und Connavar tun. Ihr seid doch meine Zukunft! Kannst du mir noch dieses eine Mal verzeihen?<


Olyvar sieht sie einen langen Moment nur an, reglos wie ein Fels und mit ausdruckslosem Gesicht. Er wirkt immer noch ruhig, doch seine Augen werden noch eine Spur schmaler, während er sie schweigend anblickt. Schließlich holt er tief und vernehmlich Luft. "Ja. Ja, ich denke schon. Ich verzeihe... wirst du wohl liegen bleiben?!" Kaum hat er den Mund geöffnet, ist Diantha auch schon drauf und dran, sich aus den Decken herauszuarbeiten und notfalls wohl auch auf allen Vieren aus dem Bett zu kriechen, um zu ihm zu kommen. Olyvar ist mit zwei, drei schnellen Schritten bei ihr und will sie eigentlich in die Kissen zurück drücken, kommt aber nicht sehr weit, da sie sich aufgesetzt hat und sich im wahrsten Sinne des Wortes an ihn klammert. Er schlingt die Arme um ihren Rücken, birgt ihren Kopf an seiner Schulter und bringt trotz seiner Erschöpfung sogar ein mattes Lächeln zustande. "Ich verzeihe dir. Psst... ich verzeihe dir." Er wiegt sie wie ein Kind und weiß wirklich nicht, wie lange sie so sitzen und einander festhalten, aber nach einer Weile geht Dianthas Atem sehr viel ruhiger und sie wird schwer und weich in seinen Armen. "Mo cridhe, lass mich..." Sie murmelt einen Protestlaut, als er sie behutsam in die Kissen zurücksinken lässt. "Du kannst die Augen kaum noch offen halten und ich muss aus den nassen Sachen heraus. Gleich, Diantha." Sie nickt fahrig und kämpft eindeutig mit betäubendem Schlaf, während er sich endlich die feuchten Kleider von der Haut schälen kann, sich notdürftig das Haar mit einem ledernen Tuch trocken reibt und dann kalt und klamm wie er ist zu ihr unter die warmen, weichen Pelzdecken kriecht. Diantha tastet nach ihm, obwohl er ihr eigentlich nicht zu nahe kommen will, eisig und durchgefroren, wie er ist, murmelt schläfrig etwas von einem Trank, den Selket ihr gegeben hat und dass sie ihm unbedingt noch etwas sagen muss, obwohl sie die Augen kaum mehr offen halten kann. Doch erst, als sie sich ungeachtet der Kälte seiner Haut fest an ihn geschmiegt hat, ein glühend warmes, tröstliches Gewicht in seinem Arm, und ihr Kopf an seiner Schulter liegt, ergibt sie sich endlich der Betäubung und das letzte, was sie schon halb hinüber flüstert, ist ein sehr leises und halb verschlucktes Ich liebe dich. Olyvar lächelt still in der Dunkelheit. "Das freut mich, conasg, denn ich liebe dich auch." Er dreht Diantha so, dass sie bequem auf der Seite liegt, schmiegt sich fest an ihren Rücken und seine Hand legt sich wie von selbst auf ihren Leib, um das ungeborene Leben darin zu halten und zu beschützen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 26. Feb. 2008, 23:28 Uhr
Es herrscht noch Dunkelheit, als Diantha allmählich erwacht, allzu weit kann es bis zur Dämmerung aber auch nicht mehr sein, denn von den Feuer im Kamin ist nicht viel mehr als ein Haufen Kohle übrig geblieben. Von draußen, von den Zwingern sind auch schon vereinzelte Geräusche zu vernehmen, möglicherweise ist gerade ein Wachwechsel, außerdem ist es gut möglich, dass die Stallburschen schon auf den Beinen sind um die Pferde zu versorgen und in der Küche herrscht vermutlich auch schon reger Betrieb, das Frühstück will schließlich vorbereitet werden. Sie liegt fest in Olyvars Armen, umfangen von der Wärme, die sein Körper ausstrahlt und fühlt seine Hand ruhig auf ihrem Bauch liegen. Diese kleine, unterbewusste Geste berührt sie sehr und sie muss an ihre Erleichterung am Vorabend denken, als er sagte: >„Ich verzeihe dir.“< Sie will sich gar nicht erst ausmalen, was gewesen wäre, wenn er es ihr nicht hätte verzeihen können. Schon als er >„Ja. Ja, ich denke schon“< sagte, wäre sie am liebsten aus dem Bett gesprungen und hätte ihn überglücklich in die Arme geschlossen, wenn sie sich nicht so sicher gewesen wäre, dass ihr Körper da nicht mitgespielt hätte. Auch jetzt noch spürt sie einen leichten Schmerz in ihrer Schulter, der Umschlag von Riaril ist bei der gestrigen Aufregung ein wenig verrutscht und sie kann sich in etwa vorstellen, wie grün, blau und lila die Schulter aussieht. Trotzdem muss man sagen, dass sie unendlich viel Glück gehabt hat, wäre sie bei dem Sturz auf der Straße gelandet, hätte sie sich gut und gerne mehrere Knochen brechen können. Beinahe amüsant findet sie eine andere Tatsache: Wie es aussieht, hat sie sich eine Erkältung eingefangen, ihre Nase ist ziemlich dicht und auch das Schlucken fällt ihr etwas schwer. Bei dem Gedanken muss sie lächeln – wie lange ist es her, dass sie eine Erkältung hatte? Es müssen mehrere Jahre sein. Selbst in Immerfrost hat sie nicht dazu geneigt und dass es für sie in den milden Herzlanden überhaupt möglich wäre, hätte sie gar nicht gedacht. Also nur im Pullover durch eine Winternacht zu reiten und dann auch noch einen Haufen Regen abzubekommen hält selbst mein Körper nicht aus, denkt sie, woraufhin sie genau auf Olyvars Atem achtet, doch es klingt nicht so, als würde ihm das Atmen durch die Nase schwer fallen. Das wäre ja auch noch schöner, wenn mein Mann nur wegen mir ans Bett gefesselt wäre! Ihre Glieder schmerzen wenn sie ruhig liegt nicht, aber sobald sie sich bewegt ein wenig vergleichbar mit einem Muskelkater und auch das ordnet sie als halb so wild ein. Den Göttern sei dank!

Sie muss an das denken, was Olyvar gesagt hat und so dreht sie sich sachte um, damit sie ihm ins Gesicht sehen kann. >„Selbst als du erfahren hast, dass du mein Kind erwartest… konntest du nur an ihn denken und an das, was er dir angetan hat. Nicht an dich, nicht an mich, nicht an…“< Mit jedem Wort hat er Recht, auch wenn Diantha sich wünschte sagen zu können, dass es nicht so wäre. Warum verfolgt er mich nur so? Warum fällt es mir so schwer, mich von meiner Vergangenheit zu lösen?, fragt sie sich, doch wie immer findet sie keine Antwort darauf. Sie weiß nicht wieso, aber dieses Bild ist so fest in ihrer Erinnerung verankert, dass sie es nicht so ohne weiteres loswird. Wie soll ich ihm das begreiflich machen? Bei ihrer Bewegung rührt sich Olyvar und öffnet die Augen, wobei sie sich alle Mühe gegeben hat, ihn nicht zu wecken. Es ist nahezu unmöglich vor Olyvar wach zu sein und selbst wenn, dann schlägt er schon bei der kleinsten Bewegung die Augen auf, das ist immer so. „Guten Morgen“, wispert sie liebevoll. Einen Moment lang schaut sie ihn nur an und sie sieht in seinen Augen genau den gleichen Ausdruck wie als er sagte: >"Ich möchte dir so gern verzeihen. Ich würde gern so tun, als wäre all das nicht geschehen, weil es so schön wäre, wenn... aber es ist geschehen."< Auch sie würde unendlich gerne ungeschehen machen, was passiert ist, doch das kann sie nicht und so muss sie versuchen damit zu leben und dafür sorgen, dass etwas Vergleichbares nie wieder passiert. Die ganze Angelegenheit ist noch lange nicht ausgestanden und Diantha weiß, dass sie am vorherigen Tag noch weiter gesprochen hätten, hätte dieses dreimal verfluchte Elixier nicht irgendwann angefangen zu wirken und sie trotz aller Entschlossenheit überwältigt. Sie sieht in seinem Blick noch immer einen Hauch von dem Schmerz und der Wut, deren Verursacher niemand anderes als sie selbst ist. Er hatte viel gesagt, das sie sehr berührt hat, am deutlichsten hatte aber eins seine Verzweiflung klar gemacht: >„Hast du je mich gesehen? Nur mich, conasg? Ich bin nicht Riku. Nichts an mir ist wie er. Aber du hast immer wieder ihn in mir gesucht.“< Das kann sie auf gar keinen Fall so stehen lassen und so lässt sie ihm keine Möglichkeit das Gespräch zu beginnen, sondern fängt stattdessen selber an zu sprechen: „Du bist Olyvar und ich habe mich in niemand anderes als dich verliebt, in kein Bild von dir, in keinen Schatten, in dich. Nur dir gehört meine Liebe, niemandem sonst.“ Sie hätte gedacht, dass er das weiß, dass es ihm klar ist, allerdings muss sie eingestehen, dass sie es ihm nie so direkt gesagt hat. Er hatte ihr mehrmals seine Liebe gestanden, damals mit den Kindern auf dem Weg ins Larisgrün oder in ihrer Hochzeitsnacht. Ihr selbst war es immer schwer gefallen ihre Gefühle in Worte zu fassen, es hatte alles so unbedeutend neben seinen Worten geklungen. „Rakastan sinua ikuisesti“, stellt sie leise fest. „Mein Herz gehört dir schon lange, aber gestern Abend ist mir erst klar geworden, wie endgültig. Je länger ich mit dir zusammenlebe, desto mehr Gründe gibst du mir um dich zu lieben, was sich auch nicht ändern wird, so lange ich lebe.“ Auch wenn mir das nur dieses Drama zeigen konnte, mit dem ich dich so verletzt habe. Sanft streicht sie ihm eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich kann dir nicht sagen, warum mich meine Vergangenheit so gefangen hält und warum es mir so schwer fällt, sie hinter mir zu lassen. Aber ich bin mir jetzt ganz sicher, dass es mir mit dir an meiner Seite gelingen kann, damit zurecht zu kommen.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 01. März 2008, 00:22 Uhr
Als Olyvar am nächsten Morgen erwacht, blickt er geradewegs in ein Paar Saphiraugen, das ihn unfehlbar und zielsicher schon immer mitten ins Herz getroffen hat - doch noch bevor er auch nur den Mund öffnen kann, um Diantha zu fragen, ob alles in Ordnung sei, ob sie Schmerzen habe und ob es ihr und dem Baby gut gehe, kommt sie ihm zuvor. >Du bist Olyvar und ich habe mich in niemand anderes als dich verliebt, in kein Bild von dir, in keinen Schatten, in dich. Nur dir gehört meine Liebe, niemandem sonst.< Er kann gar nicht anders, als zu lächeln und sie an sich zu drücken. "Ich weiß, conasg. Das weiß ich, daran habe ich auch nie gezweifelt." Es ist wahr. Er weiß, dass sie ihn liebt. Sie kann ihn gar nicht belügen, nicht in dieser Sache, ebenso wenig, wie er ihr über seine Gefühle etwas vormachen könnte. Das hatte sie jedoch nicht davon abgehalten, ihn mit Riku zu vergleichen und ihn auch immer wieder in ihm zu sehen. Sie trägt ihre Angst vor ihm immer noch mit sich herum wie eine Schlange ihre alte Haut, die sie einfach nicht abstreifen kann...
>Rakastan sinua ikuisesti. Mein Herz gehört dir schon lange, aber gestern Abend ist mir erst klar geworden, wie endgültig. Je länger ich mit dir zusammenlebe, desto mehr Gründe gibst du mir um dich zu lieben, was sich auch nicht ändern wird, so lange ich lebe.< Ihre Finger streicheln eine wirre Haarsträhne aus seiner Stirn. "Dia... ich war verletzt und ich war wütend. Aber das ändert nichts an meinen Gefühlen für dich. Ich schätze, ich liebe dich auch, wenn ich dich am liebsten übers Knie legen würde."

>Ich kann dir nicht sagen, warum mich meine Vergangenheit so gefangen hält und warum es mir so schwer fällt, sie hinter mir zu lassen. Aber ich bin mir jetzt ganz sicher, dass es mir mit dir an meiner Seite gelingen kann, damit zurecht zu kommen.<
"Aber ich kann es dir vielleicht sagen, conasg. Nachdem du eingeschlafen warst, bin ich die halbe Nacht wach gelegen und habe nachgedacht." Sie liegt immer noch in seinem Arm und seine Finger streichen ganz unbewusst über ihren Rücken, verweilen, fragen, lesen ihren Körper als wäre er blind. Sie war nicht von ihm abgerückt, hatte sich nur zu ihm umgedreht, um ihn ansehen zu können und ist so nahe bei ihm, wie sie es die ganze Nacht über war. Er hatte sie beobachtet, während sie schlief - sie war eine schöne Schläferin und er war neben ihr gelegen, hatte seine Gedanken wandern lassen und über ihre Träume gewacht. "Du kannst es nicht hinter dir lassen, weil es noch nicht vorbei ist, Diantha. Du hast ihm Rache geschworen und sie nie bekommen. Du hast ihn gesucht und ihn nie gefunden... und ich kenne dich. Rache schwört man nicht leichtfertig, du am allerwenigsten. Und vielleicht ist es das." Olyvar holt tief Luft. "Ich... weiß nicht, ob er noch lebt oder ob nicht. Vielleicht ist er längst tot und schmort bereits in der Hölle... aber ich kann ihn suchen lassen. Das habe ich dir schon einmal angeboten. Ich kann ihn suchen lassen und ich finde ihn, conasg. Nein, sag nichts. Denk einfach darüber nach, aye? Du wirst nicht vergessen, was geschehen ist, mo cridhe. Du wirst es nie vergessen. Aber wenn er tot ist, wenn du gesehen hast, dass er tot ist, wirst du wenigstens wissen, dass er dir nie wieder etwas tun kann." Nach seinen Worten herrscht Schweigen, doch irgendwann nickt Diantha einfach - sie wird darüber nachdenken, das weiß er.

"Morna hat es dir gesagt, nicht wahr?" Wechselt er abrupt das Thema und Diantha blinzelt einen Moment überrumpelt, ehe sie verwundert nickt. "Woher..." beginnt sie, doch Olyvar bringt sie mit einem breiten Grinsen zum verstummen: "Morna hat einen siebten Sinn für schwangere Frauen, aye? Sie hat es allen ihren Töchtern gesagt, lange bevor die auch nur auf den Gedanken gekommen wären, schwanger zu sein..." aus seinem Grinsen wird ein Lächeln, und er erinnert sich an den Abend vor wenigen Tagen, als er aus dem Manöver im Rabenbruch zurückgekehrt war. Sie hatten die Kinder zu Bett gebracht und Diantha hatte irgendeine Gute-Nacht-Geschichte von Yksi - dem einzigen immerfroster Löwen, der außerdem auch noch mit Bayvard befreundet ist - erzählt. Sie hatte geleuchtet, als habe jemand in ihrem Inneren eine Kerze entzündet, sie tut es immer noch - jetzt weiß er auch, warum. Dann sieht er sie an. "Wann, was glaubst du?" Olyvar kann an ihrem verdutzten Gesicht sehen, dass sie sich darüber noch überhaupt keine Gedanken gemacht hatte und Diantha beginnt auf der Stelle nachzurechnen... zieht die Stirn in Falten, rechnet noch einmal nach und bemerkt dann halb verwundert, halb entzückt, sie wäre ja schon im zweiten Mond und das Baby müsse demnach irgendwann Anfang des Sonnenthron zur Welt kommen. Einen langen, einen sehr langen Augenblick sehen sie sich nur an und versuchen beide zu fassen, was sie gerade eben ausgesprochen und damit zum ersten Mal wirklich in Worte gefasst haben. Zwei Monde... das heißt irgendwann während der Jagd im Blätterfall...

Olyvar kann es nicht genau sagen, da hatte es so viele Nächte gegeben, die in Frage kämen. Wenn man es genau nimmt, sogar Tage, an denen sie sich für ein paar Stunden von den übrigen Jägern davongestohlen hatten, um eine Weile allein zu sein. "Anfang Sonnenthron," murmelt er und neben ihm gluckst es leise. Auf Dianthas Gesicht breitet sich ein hingerissenes - und damit absolut hinreißendes - Lächeln aus, ehe sie murmelt, es könne in der Nacht nach seinem Tanz mit dem Büffel geschehen sein, und Olyvar zieht sie an sich, bis sie der Länge nach auf ihm liegt. Ihr Körper schmiegt sich an seinen und zwischen sich halten sie ungeborenes Leben, eine winzige, vollkommen neue Wärme, eine Art Glühen, das gerade zu erahnen ist, noch gestaltlos und blind, entstanden aus ihrer beider verschmolzenem Wesen, und doch schon ganz und gar einzigartig. Und in ihrem Leib geborgen, wächst es heran. "Du bist mein." Er umfasst mit beiden Händen ihr Gesicht. "Meine Frau." Er fährt mit dem Daumen über ihren Mund und verliert ein Stück seiner Seele in diesen Sommerhimmelaugen. "Du trägst mein Kind in dir." In diesem Augenblick liebt er sie so sehr, dass es schmerzt und ihn halb um den Verstand bringt. Und dann kann er sie nur noch küssen, endlos, sanft und hungrig. Hier, in der weichen Kurve ihrer Lippen, wo ihr beider Atem sich vermischt, wo sich Verzweiflung und Bedauern gleichermaßen auflösen und das Begehren, das immer da ist, sich verwandelt bis es nur noch nach Liebe schmeckt, wird es besiegelt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 03. März 2008, 23:41 Uhr
„Auf gar keinen Fall!", stellt Olyvar klar und man sieht ihm an, dass er keine Kompromisse eingehen wird. „Aber…", setzt Diantha an, doch ihr Mann unterbricht sie prompt: „Nein!" Seufzend lehnt sie sich zurück in die Kissen, da könnte sie sich wohl auch auf den Kopf stellen, Olyvar würde seine Meinung nicht ändern und sie fluchend zurück ins Bett stecken. "Den ganzen Tag?", fragt sie mit einem Augenaufschlag, der sonst immer wirkt, heute zeigt sich der Lord Commander allerdings vollkommen unberührt. "Mindestens", erwidert er so schlicht wie nachdrücklich. Augenblicklich bekommt er volle Unterstützung von seiner Tochter, die mit Gelehrtenmiene verkündet: "Dia ist krank und muss im Bett bleiben!" "Und Tee trinken, damit sie wieder gesund wird", fügt Connavar hinzu, so selbstverständlich, als hätte er darin jede Menge Erfahrung – obwohl noch keiner der Zwillinge bisher sehr krank war, selbst von den typischen Kinderkrankheiten wie Masern und Windpocken sind die beiden bisher verschont geblieben. Gegen diese geballte Ladung Überzeugungskraft hat die Immerfrosterin nicht die geringste Chance, einen Funken Hoffnung hat sie aber doch noch: "Wo sollen die Kinder denn dann hin? Die nimmst du nicht mit, wenn es um die Aufklärung irgendwelcher ... Verbrechen geht!" Nein, Kinder sind ganz sicher nicht am richtigen Ort, wenn dort über von Möwen zerpickte Leichen ohne Stimmbänder diskutiert wird. Olyvar erwidert nur, dass die ganze Steinfaust voller Angestellter ist und darunter auch ein Dutzend Mägde sind, die sich liebend gern um die Zwillinge kümmern und dass er sie außerdem auch zu Morna bringen kann. Diantha bleibt nichts anderes übrig als zu kapitulieren: "Gut, bring sie zu Morna." Das gibt eine Menge Ärger, wenn sie feststellt, dass ich krank bin, sie hat mich ja gestern vollkommen gesund gesehen und sie wird bestimmt eins und eins zusammenzählen... Sie kann sich schon lebhaft vorstellen, wie die Frau des Kastellans sofort wenn sie davon erfährt auftauchen und ihr eine Standpauke darüber halten wird, wie sich schwangere Frauen in den ersten drei Monaten ihrer Schwangerschaft zu verhalten haben und dass solche Querelchen wie sich eine Erkältung zu holen absolut nicht dazu gehören. Falls sie von dem Sturz vom Pferd erfahren sollte, dann wird sie Diantha erst Recht die Ohren lang ziehen und wütende Mornas sind nicht gerade ein sehr angenehmer Anblick. Oh je… „Am besten sagst du ihr, mir ist schlecht", meint Diantha. „Sonst dürfte es mit der Ruhe vorbei sein." Olyvar scheint zu ahnen worauf sie hinaus will und nickt, dann fragt er noch einmal, ob er wirklich gehen kann, aber was das angeht ist Dianthas Meinung eindeutig: Er wird in der Steinfaust gebraucht, das weiß er genauso gut wie sie, bei zwei Morden innerhalb der letzten Tage dürfte dort auch heute noch einiges Kopf stehen, da kann der Lord Commander nicht einfach nicht zum Dienst erscheinen. „Jemand muss doch diesen Irren fassen“, meint sie mit einem Lächeln, als er sie zum Abschied küsst, dann nimmt sie den Zwillingen das Versprechen ab, bei Morna brav zu sein. Fianryn und Connavar waren kurz nach Sonnenaufgang im Schlafgemach aufgetaucht, quietsch fidel wie immer und hatten sich ziemlich darüber gewundert, als Olyvar ihnen erzählt hatte, dass Diantha heute krank sei, es zwar nicht schlimm wäre, aber sie trotzdem heute nicht mit ihnen spielen könne. Sofort hatten die Zwei die Immerfrosterin mit Liebe überschüttet und genau wissen wollen, was wo weh tut und wie doll, dann wurde gepustet und getätschelt, bis Diantha versichert hatte, dass sie ganz bestimmt bald wieder gesund sei. Das darauf folgende Frühstück im Bett hatte den beiden sichtlich gefallen, allerdings war ihnen erklärt worden, dass das ganz bestimmt nicht zur Gewohnheit werden würde. Mit kleinen Kindern im Bett zu frühstücken ist auch wirklich nicht besonders einfach, man muss ständig einen Blick darauf haben, dass sie das Bett nicht voller Krümel und bunter, sowie klebriger Flecken von Marmelade, Honig und Butter hinterlassen. Außerdem hätte Fianryn beinah ihre Milch über das halbe Bett verteilt, wenn Olyvar nicht rasch reagiert hätte.

Die Aussicht Diantha allein im Westflügel zu lassen behagt den Zwillingen nicht, obwohl sie immer sehr gerne bei Morna und ihrer Familie sind. „Wir können doch auch hier bleiben“, meint Connavar mit einem bittenden Blick auf großen, blaugrauen Augen. „Genau, wir passen auf sie auf und sind auch ganz, ganz brav!“, stimmt Fianryn bei und schaut ihren Vater mindestens ebenso herzerweichend an wie ihr Bruder. Einen Moment lang würde die Immerfrosterin dem am liebsten zustimmen, obwohl sie genau weiß, dass es erstens unmöglich ist die Zwillinge über Stunden hinweg in einem einzigen Raum zu behalten und es sie zweitens dann nicht lange im Bett halten würde. Die Aussicht den ganzen Tag dort zu verbringen gefällt ihr sowieso nicht, obwohl sie sich zugegebener Maßen noch etwas geschwächt fühlt. Allerdings muss man mit in Betracht ziehen, dass sie sich lange Zeit angewöhnt hat ihren Körper nicht zu beachten und Signale wie Hunger, Kälte und Krankheit vollkommen zu ignorieren. Sich jetzt auf einem Mal Zeit zu nehmen um in ihn hineinzuhören und das zu tun, was für ihn am besten ist, wie Riaril ihr riet, fällt ihr schwer, es wäre leichter gewesen, wenn die Heilerin ihr zwei oder drei Tage strikte Bettruhe verordnet hätte. >„Und denkt bei allem was Ihr tut an Eurer Kind, dann könnt Ihr nichts falsch machen.“< Dieser Satz ist der einzige Grund, dass Diantha also den Mund hält, während Olyvar den Kindern ihre Idee ausredet. „Mattis ist unten, falls du ihn brauchst“, sagt er schließlich an seine Frau gewandt, nur um sie darauf noch einmal zu küssen, bis sie ihn schließlich lachend los schickt. Auch von Connavar und Fianryn kriegt sie noch einen Kuss verpasst, erst dann lassen die beiden sich, noch immer maulend, von ihrem Vater aus dem Schlafgemach führen. Als ihre Familie das Zimmer verlassen hat, schläft Diantha noch einmal ein, ob das nun an ihrer Erschöpfung oder noch eine Nachwirkung des Beruhigungsmittel von Riaril ist, ist ihr nicht klar, es ist jedenfalls recht ungewöhnlich für sie. Die Sonne steht schon um einiges höher, als sie erwacht, es dürfte wohl später Vormittag sein. Neben dem Bett findet sie eine Kanne mit warmen Tee und einen Becher, sowie einem Schälchen mit Keksen, vermutlich von Mattis. Sie schenkt sich etwas von dem Tee ein, der recht angenehm nach Melisse riecht, glücklicherweise hält sie von Kräutertee nicht so wenig wie Olyvar, der egal für welche Sorte nicht einmal einen Blick übrig hat. Wie von selbst wandern ihre Gedanken zurück zu ihrem Gespräch mit Olyvar am Morgen und ihr kommt der Gesichtsausdruck ihres Manns in den Sinn, als er feststellte: >„Du bist mein. Meine Frau. Du trägst mein Kind in dir.“< Die überwältigende Liebe und Zärtlichkeit in seinem Blick in diesem Moment schnüren ihr auch jetzt noch den Hals zu, zaubern ein Lächeln auf ihre Lippen und lassen eine Wärme und Sicherheit in ihr aufsteigen, die sie so nicht erwartet hätte. Diese ganze nächtliche Jagd letztendlich nur, weil ich nicht glauben wollte, dass er sich wirklich ein Kind mit mir wünschen könnte…, stellt sie fest und schilt sich im gleichen Moment selbst, schließlich hatte er das ganz am Anfang ihrer Beziehung klar gemacht, hatte er doch gesagt: >„Es könnte sogar sein, dass ich mich furchtbar darüber freuen würde. Ganz sicher sogar.“< Es liegen allerdings Welten dazwischen, es gesagt zu bekommen, oder es in seinen Augen lesen und von seinen Lippen schmecken zu können, nach all dem, was sie ihm am Vortag angetan hat.

Unvermeidbar wandern ihre Gedanken von diesem schönen Thema zu einem anderen, erheblich unangenehmeren. >„Du kannst es nicht hinter dir lassen, weil es noch nicht vorbei ist, Diantha. Du hast ihm Rache geschworen und sie nie bekommen. Du hast ihn gesucht und ihn nie gefunden... und ich kenne dich. Rache schwört man nicht leichtfertig, du am allerwenigsten“<, hatte Olyvar gesagt und sie muss sich eingestehen, dass er Recht damit hat. Genau das hatte sie jahrelang von Stadt zu Stadt und schließlich auch nach Talyra getrieben und sie nicht zur Ruhe kommen lassen: Die Möglichkeit, dass er sich doch noch irgendwo des Lebens erfreuen könnte. Weil es nie vorbei war… Mit einem liegt er allerdings nicht ganz so richtig: >„Aber wenn er tot ist, wenn du gesehen hast, dass er tot ist, wirst du wenigstens wissen, dass er dir nie wieder etwas tun kann.“< Es ist ihr nicht am wichtigsten, dass sie weiß, dass er ihr nichts mehr tun kann, das kann er auch jetzt nicht, Olyvar beschützt sie selbst vor sich selbst, er würde niemals zulassen, dass Riku ihr etwas antut. Nein, es ist etwas anderes: Schuld. Sie ist es ihrem Kind schuldig, wenn sie es schon nicht beschützen konnte, dann doch wenigstens dafür zu sorgen, dass sein Mörder dafür zahlt. Es darf einfach nicht ungeschoren davon kommen, alles in Diantha sträubt sich dagegen. Das Problem dabei ist ihre tief verwurzelte immerfroster Erziehung, daher hat sie das Gefühl, sie müsse diese Schuld selbst begleichen, ihn selber finden und könne Olyvar nicht einfach jemanden schicken lassen, der das für sie übernimmt. Daher war sie auch nicht darauf eingegangen, als ihr Mann es das erste Mal angeboten hat. Ich kann andererseits jetzt auch nicht mir nichts, dir nichts nach Immerfrost reiten und das ganze Land auf den Kopf stellen! Nicht, so lange ich schwanger bin und auch nicht, solange ich kleine Kinder habe! So lange zu warten, bis ihre Kinder alt genug sind, kommt aber auch nicht infrage, also wäre es wohl am sinnvollsten Olyvars Angebot anzunehmen. Vor allem, wenn man sich einer Tatsache bewusst ist: Riku zu finden ist alles andere als leicht. Es hatte seine Gründe gehabt, dass er sich viel darauf eingebildet hatte, nicht erwischt werden zu können. Zum einen sieht er absolut aus wie der typische Immerfroster: An die zwei Schritt groß, aber nicht so groß, dass er aus der Masse herausstechen würde. Mittelblondes Haar, stahlblaue Augen, absolut nichts besonderes, schmale Lippen, Ansätze einer Adlernase, allerdings nicht stark genug, dass man ihn daran erkennen könnte, auch die kaum sichtbare Narbe über der rechten Schläfe. Ihn hat nie sein Aussehen ausgemacht, sondern viel mehr die selbstsichere Ausstrahlung, das Charisma. Wenn man ihn einmal kennen gelernt hat, wenn man seine Art kennt, dann hat man keine Probleme ihn in einer Masse wieder zu erkennen, sucht man allerdings nur mit einer Zeichnung nach ihm, so hat man nicht sonderlich gute Chancen. Dazu kommt aber noch sein Verfolgungswahn – schon als Diantha ihn kennen gelernt hatte, hatte er großen Wert darauf gelegt nie über seine Herkunft zu sprechen, hatte immer wieder betont, dass man sein Aussehen regelmäßig ändern muss, die Haarfarbe wechseln, die Bartlänge ändern, ebenso wie den Kleidungsstil. Sollte er wirklich die Verfolgung von der eigenen Gilde überlebt haben, dann wird diese Manie nur noch zugenommen haben, da ist sich Diantha sicher. Daher kann man absolut nicht sagen, wie er nun denn tatsächlich aussehen würde. Der Vorteil davon ist allerdings, dass wenn Olyvar jemand auf ihn ansetzen würde, Riku sicherlich bald etwas davon aufschnappen würde und wenn er etwas von einer „Diantha“ hören würde, dann würde er von selber nach Talyra kommen. Das ist wohl das effektivste, entscheidet sie nach einigem Hin und Her. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, betritt Olyvar in diesem Moment das Schlafgemach, über all die Grübeleien war es Mittag geworden, ohne dass sie etwas davon mitbekommen hätte. Sofort fragt er, ob es ihr gut geht, was sie lächelnd bejaht, danach fragt sie ihn, was sich bezüglich der Morde getan hätte und hört aufmerksam zu. Die Geschichte mit dem seltsamen Stein fasziniert sie sehr und an irgendetwas erinnert sie das, doch die Erinnerung lässt sich nicht problemlos greifen. Da war etwas mit einigen Steinen, die im Edelsteingeschäft nicht einmal unter der Hand angenommen wurden, aber warum genau will ihr einfach nicht einfallen, sie hatte es damals auch nur am Rande mitbekommen. Schließlich wechselt sie dann doch das Thema und leise sagt sie: „Ich habe über das nachgedacht, was du sagtest. Ich schätze, dass es sinnvoll wäre, wenn du ihn suchen lässt, wie du schon einmal angeboten hast.“ Sie braucht keinen Namen zu nennen, Olyvar weiß gleich, was sie meint. „Schick im Frühjahr jemand nach Immerfrost, aber ich denke es wäre sinnvoll wenn dieser jemand nicht unbedingt Frau und Kinder zuhause sitzen hat.“ Ihr Blick ist ernst, sie will ihrem Mann nicht vorschreiben, was er zu tun hat, es ist als Rat gemeint. „Er wusste sich immer zu verteidigen und hat nicht sehr freundliche Gesellschaft um sich geschart. Wenn er noch einigermaßen im Geschäft ist, hat er seine Augen und Ohren überall und es war seine Spezialität sobald er auch nur ansatzweise das Gefühl hatte von jemand verfolgt zu werden herauszufinden, wer nach ihm suchen ließ um dem Auftraggeber zuvorzukommen. Er rechnete grundsätzlich immer damit, dass jemand hinter ihm her war, daher kann es gut sein, dass er sobald er davon Wind bekommt, dass das alles etwas mit mir zu tun hat, hier auftaucht um die Bedrohung, die von mir ausgeht aus dem Weg zu räumen. Ich dachte du solltest das wissen um ihn besser einschätzen zu können.“ Sie lächelt freudlos. „Es wird nicht leicht ihn in eine Falle zu locken.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 28. Mai 2008, 01:10 Uhr
~ Gegen Ende des Grünglanz - Mondes ~



An einem sehr, sehr frühen Morgen in den letzten Wochen des Grünglanzmondes erwacht Olyvar davon, dass Diantha seine Hand nimmt, sie unter dem Hemd, das sie zum Schlafen trägt, mitten auf ihrem runden Kugelbauch platziert, sich fest an ihn drängt und verschlafen etwas nuschelt, dass sich wie  "Kümmere-dich-um-deinen-Sohn-er-tritt-mich-sonst-grün-und-blau" anhört.
"Sie," widerspricht er nicht minder schlaftrunken, aber eindeutig wacher und blinzelt über die Schulter aus dem Fenster, wo sich am Himmel gerade einmal die vage Ahnung einer noch ziemlich fernen  Morgendämmerung zeigt. "Nur ein Mädchen kann so frühreif sein, dass es schon im Mutterleib Ringkämpfe über zwölf Runden ausficht..." Olyvar spreizt die Finger und wird prompt mit einem kräftigen Ellenbogenstoß oder Fußtritt begrüßt. "Gib Ruhe, a leannan," murmelt er und legt dann die ganze Hand sanft, aber fest, an Dianthas gespannte Haut. Das Kind in ihrem Leib, quietschfidel und absolut ausgeschlafen, schmiegt sich, begeistert über die Ansprache von Außen, fest dagegen. "Er," beharrt Diantha schläfrig und seufzt erleichtert, als sich ihr kleiner, unsichtbarer Bewohner nicht mehr in ihren Nieren wälzt, sondern sich eifrig der Hand seines Vaters zuwendet. "Ich sage dir... doch seit Wochen, dass ich dir einen Sohn..." Sie schafft es nicht einmal mehr, ihren Satz zu beenden, da ist sie auch schon wieder weg und Olyvar küsst lächelnd ihre nackte Schulter. Was immer ihr Kind werden würde, ob ein Sohn oder eine Tochter, es ist ganz offensichtlich gesund, putzmunter und außerdem ein Frühaufsteher - ganz abgesehen davon, schlägt es gerade Purzelbäume in seine Handfläche. "Ich wette," brummt er in Richtung Kugelbauch und unterdrückt ein Gähnen, während er sich fest an den Rücken seiner Frau schmiegt, "du hast deine arme Mutter wieder die halbe Nacht wach gehalten." Ein paar federleichte Schmetterlingsflügelbewegungen unter Dianthas weicher Haut, weisen diesen ungehörigen Vorwurf unschuldigst zurück, ihre Berührungen wie blinde Liebkosungen, fern und nah zugleich, und Olyvar schließt die Augen. An Schlaf ist nicht mehr zu denken, aber eine Weile wenigstens will er noch liegen bleiben, an der dämmrigen Grenze zwischen der wachen Welt und dem Land der Träume, und so driften seine Gedanken in Erinnerungen an die letzten Wochen und Monde ab. Aus dem grauen, nebelverhangenen Herbst war ein ebenso grauer und feuchtkalter Winter geworden - wochenlang hatte es geregnet, bis alle ungepflasterten Straßen und Wege rund um Talyra in Schlammpisten und Morastfelder verwandelt worden waren, dann war die Kälte gekommen und hatte den allgegenwärtigen Nebel in einen Mantel aus silbernem Reif verwandelt, der alles weiß und glitzernd überzogen und den aufgeweichten Boden zu einer rissigen Kraterlandschaft gefroren hatte, aber geschneit hatte es, zur bitteren Enttäuschung von Diantha und den Kindern, die liebend gern zum Schlittenfahren und Schneemannbauen aufgebrochen wären, kaum. Es hatte auch weit bis in den Winter hinein gedauert, ehe er Diantha mit seiner ganz offensichtlichen Begeisterung über das Kind, das in ihr heranwuchs, nicht mehr in Erstaunen versetzt hatte.

Dieser Gedanke lässt ihn die Augen öffnen und Olyvar blickt, aufgestützt auf einen Arm, auf seine schlafende Frau hinunter. Sie hatte es ihm sicher geglaubt, daran hatte es nicht gelegen, aber sie hatte einfach nicht damit gerechnet - und wohl auch nicht damit, dass er es genoss, das auch zu zeigen, wobei "Begeisterung" fast noch untertrieben war: seit er weiß, dass sie schwanger ist, könnte er andauernd vor Freude platzen wie eine Seifenblase. Die Schwangerschaft hatte ihr keinerlei Schwierigkeiten bereitet, im Gegenteil. Nachdem sie sich von ihrem Sturz und ihrem Schrecken im vergangenen Spätherbst - und der prompt nachfolgenden Erkältung, die sie gezwungen hatte, ein paar Tage das Bett zu hüten - erholt hatte, war sie regelrecht aufgeblüht. Kein bisschen war ihr schlecht gewesen, nie hatte sie über diesen oder jenen Schmerz geklagt und ihre Launen hatten sich bis auf einen unbändigen Tatendrang und seltsame Essgelüste auch in Grenzen gehalten. Andere Frauen mögen schwer an einem Kind tragen und die halbe Schwangerschaft hindurch leiden, Diantha trägt leicht an ihrem. Für sie scheint es weder Last noch Bürde und ihr Zustand entstellt sie nicht, im Gegenteil - es ist, als nähre sie ein beständiges Licht in ihrem Inneren, das warm und weich in ihr glüht, und hell durch ihre Haut schimmert. Außerdem hatte sie einen so bemerkenswerten Hunger auf Süßes entwickelt, dass Olyvar irgendwann in einem Anfall von erheiterter Verzweiflung über ihr Verlangen Unmengen von Honigkugeln und sündhaft teure Xocóatl von den Sommerinseln besorgt hatte - kleine, rosinengroße Stückchen gepressten Kakawas mit Zucker, Vanille und Zimt, die Diantha schnurrend vor Begeisterung im wahrsten Sinne des Wortes verschlungen hatte. Mit einem breiten Lächeln erinnert er sich an das Julfest. Tage- und wochenlang war in der Festung gebacken, gebraut, gefegt und gescheuert worden, bis die alte Burg auf Hochglanz poliert und all ihre Räume mit duftendem Tannengrün, Zirbelnüssen, Äpfeln, Stechpalmzweigen und Misteln geschmückt waren. Sie hatten wie schon im Jahr zuvor mit den übrigen Blaumänteln und ihren Familien in der Großen Halle und auf den Zwingern gefeiert, wo Nachtfeuerkörbe und hunderte von Fackeln Wärme und Licht gespendet hatten - diesmal ohne eine übellaunige Amazone, dafür mit rollenden Trommelklängen, quietschenden Dudelsäcken und trillernden Flöten. Sie hatten getanzt und gelacht, Diantha hatte sich entzückt durch Berge von Pfefferkuchen und Zimtäpfel gefuttert, und die Zwillinge hatten sie zu ihrem Entsetzen (und ihrer Erheiterung) im Lauf des Abends weinselig abgefüllt mit Cidre bei den übrigen Botenkindern entdeckt. Ihnen hatte nicht das Geringste gefehlt, aber sie waren beide gehörig beschwipst und nun todmüde, weil sie heimlich alle Becherreste ausgeschlürft hatten, die ihnen nur in die Finger geraten waren. Angesichts der Tatsachen, dass am Dilemma der Kleinen nun nichts mehr zu ändern war und Conn grinsend schon im Stehen einschlief, während Fianryn mit glasigen Augen vor sich hinkicherte, hatten sie die beiden zu den übrigen Kindern auf die überall als Sitzgelegenheiten und Ruhebänke aufgestellten Strohballen gebettet, fest in ein paar Umhänge und Decken gehüllt und sie dort schlafen lassen.

Irgendwann im Lauf des Abends, hatte Olyvar Diantha fort von den Festfeuern und der Musik in die warmen, dunklen Stallungen der Steinfaust geführt, um ihr sein Geschenk zu überreichen - den Falben, der ihr so ans Herz gewachsen war. Er hatte dem Hengst einen Sattel und ein Zaumzeug aus dunklem Leder fertigen lassen, das mit kleinen, springenden silbernen Hirschen, dem Wappentier Tarascons, und ebenso filigran gearbeiteten Bären beschlagen war - der Bär war das Schutztier ihrer Familie und zugleich das Zeichen der Sterne, unter dem er geboren war. Er erinnert sich an ihre himmelblauen Augen, die groß und rund geworden waren vor Erstaunen, an ihr überraschtes Blinzeln und das wundervolle Lächeln, das sie ihm geschenkt und das sein Herz unfehlbar ins Stolpern gebracht hatte. Er erinnert sich an ihre Hände im Schein der Laternen in der Stallgasse, die langen, schlanken Finger, die bewundernd über das seidige Fell des Tieres und die feine Lederarbeit des Sattels und der Zügel gestrichen und dann sanft, fast fragend, an den silbernen Hirschen und Bären der Beschläge verweilt waren. "Der weiße Hirsch ist jetzt auch dein Wappen, Lady Tarascon," hatte er leise erklärt. "Und das unseres Kindes. Und der Bär soll dich beschützen." Dann hatte sie sich unvermittelt zu ihm umgedreht und den Anhänger an seiner Brust berührt, den Bärenkopf aus geschnitztem Holz, den sie ihm im Herbst geschenkt und den er seither nie abgenommen hatte. Sie hatte den Blick gehoben, ihn im Halbdunkel des Stalles angesehen und geflüstert. "Du bist der Bär."
Sein zweites Geschenk war ein Winterumhang aus samtweichem, dunkelblauem Wildleder, an den Säumen bestickt mit silbernen Hirschen und weißen Bären, den gleichen wie auch auf dem Lederzeug des Pferdes, und gefüttert mit weichen, weißen Eisfuchspelzen - Olyvar hatte ihn hervorgeholt und um ihre Schultern gelegt, ihr die Kapuze aufgesetzt, sie an sich gezogen und geküsst, ihr glühendes Gesicht eingerahmt von weichem, weißem Pelz. Die Nacht war dunkel und kalt gewesen; zahllose Menschen hatten sich draußen auf den Zwingern um die Feuer getummelt, aber hier wo sie waren, in der stillen Friedlichkeit des nächtlichen Stalles gab es nur Licht und Wärme - und sie beide. Ihre Julnachtgabe hatte er bekommen, als sie die Feier schließlich verlassen hatten, jeder ein schlafendes Kind auf dem Arm, und in die Wärme des Westflügels zurückgekehrt waren - ein wundervolles Kästchen aus Lindenholz für seine Schreibutensilien, in dessen Deckel sie etwas geschnitzt hatte, dessen Anblick das Verlangen loszuprusten in seinem Blut hatte prickeln lassen wie Perlwein. Offenbar hatte nämlich nicht nur er an Bären, Hirsche und die Symbolik des ganzen gedacht, sondern sie ebenso, und mit ihren Schnitzwerkzeugen, mit unendlicher Geduld und Kunstfertigkeit eine filigrane Waldszene mit den beiden für sie so bedeutungsvollen Tieren in den Deckel des kleinen Kastens gearbeitet. "Es ist wunderschön, conasg. Aber das größte Geschenk hast du mir schon gemacht." Er hatte die Hand auf ihren Bauch gelegt, auf die damals noch so zarte, kaum zu ertastende Wölbung unter ihrem Nabel. Zwei Siebentage darauf hatte er den Herzschlag seines Kindes zum ersten Mal gehört - in der Stille einer eiskalten Silberweißnacht, nachdem sie sich geliebt hatten... ein leises, regelmäßiges Pochen unter ihrer weichen, weichen Haut.

Der Eisfrost war mit stürmischen Winden und klirrender Kälte über die Herzlande hereingebrochen - und mit der Mahnung an eine alte Rechnung, die es noch zu begleichen galt. Dunkle Worte auf dunklen Schwingen in Gestalt eines halb verhungerten Botenraben, hatten ihnen Nachricht aus den nördlichen Rhaínlanden gebracht - Colevar hatte endlich geschrieben. Als Diantha im vergangenen Herbst zugestimmt hatte, Riku ausfindig machen zu lassen, den Mann, dessen Spielzeug sie gewesen war und der ihr ungeborenes Kind getötet hatte, hatte Olyvar hart mit sich gerungen. Oh, er wollte Rache, Rache für alles, was ihr angetan worden war, Rache für den Schmerz und das Leid, und für jede einzelne Träne, die sie vergossen hatte. Er wollte dem Mann begegnen. Er wollte ihm gegenüberstehen von Angesicht zu Angesicht, um ihn zu töten, um ihm das Herz aus der Brust zu schneiden und es an die Krähen zu verfüttern. Aber er konnte unmöglich nach Immerfrost gehen, um den Mann aufzuspüren und ihm dort den Schädel einzuschlagen. Er konnte die Kinder einfach nicht für Monde oder noch länger zurücklassen und Diantha schon gar nicht, um keinen Preis der Welt - also musste Riku hierher kommen, und die einzige Möglichkeit, ihn dazu zu bringen, war sie als Köder zu benutzen. Dieser Gedanke wollte und wollte Olyvar einfach nicht schmecken. >Er rechnete grundsätzlich immer damit, dass jemand hinter ihm her war, daher kann es gut sein, dass er, sobald er davon Wind bekommt, dass das alles etwas mit mir zu tun hat, hier auftaucht, um die Bedrohung, die von mir ausgeht aus dem Weg zu räumen. Ich dachte du solltest das wissen um ihn besser einschätzen zu können,< hatte Diantha gesagt, damals an jenem Morgen, als sie ihn gebeten hatte, nach Riku suchen zu lassen. >Es wird nicht leicht ihn in eine Falle zu locken.<
Er hatte lange geschwiegen, über ihre Worte nachgedacht und sie dann angesehen. "Du wärst die Falle," hatte er festgestellt und sie hatte zögernd genickt. "Ich weiß, dass du Recht hast, conasg. Bei den Göttern, ich weiß es - und du weißt, wie sehr ich ihn in die Finger bekommen will. Ich werde keinen Mann am Leben lassen, der dich so viel gekostet hat, das kann ich einfach nicht. Aber... verdammt, Dia... ich hasse den Gedanken, dich dafür vielleicht in Gefahr bringen zu müssen."
Sie hatte die Hand gehoben und an sein Gesicht gelegt, ihre Fingerspitzen warm und sanft auf seinen harten Wangeknochen, und ihm versprochen, vorsichtig zu sein. Am Ende der ersten Langschneewoche, als Olyvar mit Colevar Lorcain, Cedric Fitzroy und Varin noch lange nach Dienstschluss  in der Halle des Westflügels bei einem Krug Uisge zusammen gesessen war, hatte er seinen Freunden gegenüber verlauten lassen, dass er im Frühling einen Mann nach Immerfrost schicken müsse - in einer persönlichen Sache. Er war nicht näher auf die Gründe eingegangen, er hatte ihnen nur offenbart, dass es privat, gefährlich und sehr wichtig war, und hatte dann beschrieben, was dieser Mann für Fähigkeiten haben müsse und welche Voraussetzungen er mitbringen sollte. Er wollte gerade die Namen der Blaumäntel nennen, die er schon ins Auge gefasst hatte, als Colevar sich selbst angeboten hatte. "Schick mich," hatte er gesagt und todernst geklungen. Olyvar hatte den Offizier der Lanzergarde überrascht gemustert. "Cole.. das ist ein verfluchter Scherz oder?"

Lorcain hatte den Kopf geschüttelt, seinen Becher geleert und sich dann noch einmal nachgeschenkt. "Nein. Gefährlich, ja, ja ich weiß schon. Aber mir käme es gerade recht, eine Weile aus Talyra zu verschwinden... mein alter Herr macht Ernst, so wie's aussieht und die letzte, die sie mir vor die Nase gesetzt haben, sah aus wie ein Schaf - nein danke." Mit einem missmutigen Lächeln hatte Colevar seinen Uisge hinuntergestürzt, als könne er so das Bild der jüngsten Heiratskandidatin, die seine stets bemühte Familie ihm wohl unlängst präsentiert haben musste, aus seiner Gedanken fortspülen. "Außerdem ist weit und breit kein Schlachtfeld in Sicht und mir ist offen gestanden ein wenig langweilig. Nach dem wenigen, was du uns gerade zu erzählen bereit warst, klingst du, als läge dir die Sache sehr am Herzen..." hatte er argumentiert, und Olyvar hatte ihm nicht widersprechen können, "und als bräuchtest du jemanden, der sowohl gut auf sich aufpassen, als auch alles Mögliche herausfinden kann. Du weißt, dass ich's kann. Außerdem bin ich der geeignetste Mann für diese Sache - ich sehe nordisch genug aus, um als Immerfroster durchzugehen und wenn ich bei den Männern nicht weiterkomme, horche ich ihre Weiber eben im Bett aus. Abgesehen davon bin ich allein - falls dir der Kerl, den du so unbedingt ausfindig machen willst, also meinen Kopf schickt, wird niemand meinetwegen heulen."
"Nein," hatte Olyvar trocken erwidert, "nur alle Weiber in Talyra zwischen vierzehn und vierundachtzig würden ein Geschrei anstimmen, dass man es noch bis auf den Grund des Ildorel hören könnte." Dennoch waren Colevars Begründungen nicht von der Hand zu weisen, Olyvar kennt ihn seit sie beide kleine Jungen gewesen waren, sie waren zusammen in den Räuberkriegen gewesen und Lorcain war ein guter Kundschafter. Außerdem war er groß, mindestens so groß wie er selbst, blond und blauäugig, und sah aus wie ein gefallener Seharim. Nordisch genug. Und ich vertraue ihm blind. "Musst du immer so verflucht logisch sein?" hatte er also resigniert wissen wollen und Colevar hatte wissend gelächelt. "Es gibt nur eine Bedingung - schick mich gleich. Am besten Morgen, bevor mein Vater mir die nächste Schnattergans mit dem Hirn eines Spatzen und dem Temperament eines toten Fisches auf den Hals hetzt." Olyvar hatte sich fast an seinem Uisge verschluckt. "Soweit ich mich erinnern kann, sah die letzte Heiratskandidatin für dich, die ich zu Gesicht bekam, aus wie Inari persönlich, ich weiß wirklich nicht, was du da noch an einer Ehe auszusetzen hast," hatte Varin mit einem breiten Grinsen eingeworfen, doch Lorcain hatte nur den Kopf geschüttelt und gemurmelt, der Unterschied zwischen Varins Geschmack und seinem wäre der, dass er welchen habe. Cedric und Olyvar hatten sich schier ausschütten wollen vor Lachen ob Varins entgeisterter Miene, schließlich spielte Colevar damit auf den jüngsten Ausrutscher des Hauptmanns der Wächtergarde in seinen endlosen Weibergeschichten an. (Er hatte sich nämlich bei seiner letzten Eroberung schlichtweg im Fenster geirrt und das der zahnlosen alten Vettel von nebenan erwischt, anstatt das der drallen Scheuermagd, auf die er es eigentlich abgesehen hatte, und war nur knapp mit dem Leben davongekommen.)

Olyvar kann sich nicht mehr erinnern, wann im Laufe dieses uisgetrunkenen abends die Gespräche wieder ernsthaft geworden waren, aber Lorcain war bei seinem Angebot geblieben und irgendwann hatte er es angenommen. Mögen die Götter mir dafür gnädig sein. Zwei Tage später war der Hauptmann der Lanzergarde sichtlich guter Dinge nach Nordwesten aufgebrochen, nachdem Colevar erst noch mit Diantha selbst gesprochen und ihnen beiden dann feierlich geschworen hatte, gut auf sich zu achten. Drei Monde lang hatten sie nichts von ihm gehört - bis zu jenem Tag im Eisfrostmond, als seine Nachricht sie erreicht hatte. Er hatte eine Spur und er würde sie verfolgen - nach Immerfrost hinein, was immer er dabei herausfinden würde. Auch Borgil, den Olyvar im Winter ebenfalls gebeten hatte, seine zahllosen Verbindungen spielen zu lassen und seine vielen Vögelchen zum zwitschern zu bringen, hatte mittlerweile das ein oder andere Detail herausgefunden und die Nachforschungen des Zwerges wiesen in die gleiche Richtung... allen Göttern sei Dank hatte Borgil seine Augen und Ohren wirklich überall, auch weit über die Landesgrenzen Talyras hinaus. Sollte es tatsächlich Riku sein, zu dem die Gerüchte und Spuren im Edelsteinschmuggel führten, würde Colevar ihn aufscheuchen, soviel ist sicher. Und meine Frau ist der Köder. In der Faêyrisnacht geschah der dritte Frauenmord, was sie von der Suche nach Riku erst einmal wieder abgelenkt hatte, und die Ermittlertruppe tappte immer noch weitgehend im Dunklen, ebenso wie die Blaumäntel, was Talyra ein paar düstere Wochen gegen Ende des Winters beschert hatte. Die Stimmung in der Stadt war gelinde gesagt miserabel und Olyvars Laune im Dienst keinen Deut besser, ebenso wenig wie die der übrigen Stadtgardisten - doch auf das Leben im Westflügel fielen keine Schatten. Diantha, mittlerweile im vierten Mond schwanger, hatte eine solche Lebendigkeit und Wärme verbreitet, dass kein Raum für Sorgen oder Trübsal geblieben war, und Olyvar hatte sich sehr bemüht, nichts von seiner Reizbarkeit mit über die Schwelle seines Zuhauses zu nehmen. Außerdem hatte Diantha beim besten Willen in keine ihrer Hosen mehr gepasst. Das hatte sie zu seiner großen Erheiterung in ein wirkliches Dilemma gebracht, aber ihr war schlicht und einfach nichts anderes übrig geblieben, als sich schnaubend doch in Kleider und Röcke zu fügen, wollte sie nicht im Eisfrost in Hemdsärmeln herumlaufen (und zwar in seinen Hemden, wohlgemerkt). Da das einzige Kleid, das sie besaß, das blaue Festgewand war, das sie auf ihrer Hochzeit getragen hatte und das auch nicht wirklich für die üppigen Formen schwangerer Frauen gemacht war, hatte er in einem Anfall von Optimismus beschlossen, die Sache in die Hand zu nehmen. Zwei Siebentage später, die Diantha dank mangelnder Gewänder trotz eiskaltem - und damit aus ihrer Sicht bestem - Winterwetter zwangsweise in der Wärme des Westflügels verbracht hatte, reizbar wie ein eingesperrter Dachs, hatte die Schneiderei Lemarque ein Dutzend wirklich schöner Kleider und Unterkleider, Röcke, Hemden, Chemisen und Strümpfe geliefert und die große Halle des Westflügels kurzerhand in den Anproberaum einer Nähstube verwandelt. Olyvar hatte die Flucht ergriffen, sobald Mistress Lamarque und ihre Frauen über die völlig verdutzte Diantha hergefallen waren. Die Schneiderin hatte ihre vorübergehende Sprachlosigkeit geschäftig ausgenutzt und damit begonnen, ihr ein Kleid nach dem anderen zur Probe aufzunötigen, und Olyvar war mit der Begründung, er hätte etwas sehr dringendes zu erledigen, das keinerlei Aufschub dulde, aber er würde die Zwillinge mitnehmen, hastig verschwunden.

Vier Stunden später war ein äußerst misstrauischer Olyvar in den Westflügel zurückgekehrt. Er hatte die Tür in die Große Halle nur ganz langsam geöffnet und seinen Kopf so vorsichtig hineingestreckt, wie eine Schnecke, die sich nach einem Hagelschauer zum ersten Mal wieder aus ihrem Haus wagte. Soweit es von seinem Solar und dem Inneren Zwinger aus mitzubekommen gewesen war, war kein Blut geflossen und die Schneiderin hatte die Festung vor einer Viertelstunde auch unversehrt und mit all ihren Mädchen, aber ohne die tausend Körbe, Schachteln und Weidentruhen, die sie bei sich gehabt hatte, wieder verlassen - heil und in einem Stück. Das und die Tatsache, dass es ruhig geblieben war im Westflügel, hatte ihm zumindest Hoffnung verliehen. Am Tisch vor dem großen Kamin war Diantha gesessen und hatte ihm einen mörderischen Blick zugeworfen - aber sie hatte ein weinrotes Winterkleid, mit langen, engen Ärmeln, einem eckigen Ausschnitt, einer hohen Taille und weichen, weit fallenden Röcken getragen, das an den Säumen mit zarten goldenen Rankenmustern bestickt war und absolut umwerfend darin ausgesehen... und ihr kleines, grimmiges Schnauben hatte ihm auch verraten, dass sie sich dessen selbst ebenfalls sehr genau bewusst war, Kleiderhasserin hin oder her. "Ahm... das Gewand steht dir wirklich gut," hatte er nach einer Weile erbosten Schweigens von sich gegeben und war vorsichtig näher getreten, bereit, sich wenn nötig sofort außer Reichweite tretender Füße und fliegender Gegenstände zu bringen. "Mmmmmmmmpffff!" War alles, was sie darauf erwidert hatte, brodelnd vor unterdrücktem Ärger. "Conasg," hatte er sich seufzend in sein Schicksal gefügt und sich behutsam neben sie gewagt, sollte sie ihn doch treten, wenn sie wollte. "Schau, ich habe dir die Kleider nicht machen lassen, weil ich dich nicht gern in Hosen sehen würde... aber es ist nun einmal so, dass du in keine mehr passt, es sei denn, sie gehören Rhordri - und das willst du nicht wirklich, oder?" Tatsächlich hatte sie noch am Morgen sogar eine seiner Hosen probiert, doch die waren ihr an allen wichtigen Stellen hoffnungslos zu groß, zu lang und zu weit. "Und dein blaues Kleid würde zwar noch eine Weile für den Bauch ausreichen, aber..." er hatte vielsagend mit den Schultern gezuckt und grinsend in ihren ziemlich beeindruckend gewordenen Ausschnitt geblinzelt. "Da passt es dir beim besten Willen nicht mehr." Diantha hatte schon den Mund geöffnet, um wild zu protestieren, ihn dann aber unverrichteter Dinge wieder geschlossen. Er hatte Recht und das hatte sie auch gewusst, also verbot ihr die Ehrlichkeit jeden Widerspruch. "Schon gut!" Hatte sie gefaucht und sich dann ein wenig hilflos in dem ganzen Durcheinander aus überquellenden Wäschekörben, Kleidern, Seidenbändern, Strümpfen und Seidenbatistwäsche umgeblickt. Vor dem Kamin der Halle hatte es ausgesehen wie in einer Stoffkammer, durch die eine Horde wild gewordener Kobolde gefegt war, um alles ins Chaos zu stürzen. "Du hast Recht... wir passen nicht mehr in Hosen." Zweifelnd hatte sie die Rundung ihrer Mitte begutachtet, die sich unter dem weichen Stoff ihres Gewandes noch viel deutlicher abgezeichnet hatte. "Ein Kleid hätte ich ja eingesehen - aber es sind fünfzehn Stück!"
"Du sollst sie ja nicht auf einmal tragen," hatte er geduldig erwidert, und selbst Diantha hatte schließlich eingesehen, dass es vielleicht doch nicht so übel war, genug Kleider zum Wechseln zu haben - doch kaum hatte sie sich zu dieser Erkenntnis durchgerungen, waren ihre Augen plötzlich so weit aufgeflogen, dass das Weiße um die Iris zu sehen gewesen war und sie hatte heftig ihre Hand auf den geschwollenen Leib gepresst. Olyvar war fast das Herz stehen geblieben, aber außer einem entgeisterten kleinen "Oh!" war eine ganze Weile überhaupt nichts aus Diantha herauszubringen. Er war sofort an ihrer Seite, während ihm die plötzliche Angst um seine Frau und sein ungeborenes Kind die Kehle zugeschnürt hatte. "Hast du Schmerzen? Geht's dir gut? Conasg, sag etwas!"
"Oh! Oh..."
"Sag etwas außer "Oh"! Ist es das Kind? Diantha!" Irgendwann war seine Stimme doch zu ihr durchgedrungen, aber sie hatte nur den Kopf gehoben, ihn verzückt angelächelt und geflüstert: "Es bewegt sich." Einen langen Moment hatte er sie nur angestarrt, blinzelnd wie eine verwirrte Bronzeeule und dann den Schreck angehaltenen Atem so laut ausgestoßen, dass es geklungen hatte, als zerreiße irgendwo Segeltuch. "Es... bewegt sich?" Sein Herz hatte ihm immer noch irgendwo zwischen den Mandeln geschlagen, als er ihr Lächeln erwidert hatte.

Anfang Taumond hatte Syphenae sie im Westflügel besucht, um sich von Diantha zu verabschieden, da die immerfroster Händler, welche den Winter über in der Nyzemia und vor den Toren Talyras verbracht hatten, noch vor dem Einsetzen des Tauwetters den langen Heimweg antreten wollten. Die Karawane würde die Stadt am nächsten Morgen verlassen und so war die Waffenhändlerin vorbeigekommen, hatte den Kindern kleine Geschenke mitgebracht und taktvoll kein Wort über eine Diantha in einem dunkelgrünen Wollkleid verloren. Nach dem Essen hatte Olyvar die Zwillinge ins Bett gebracht und den beiden Frauen so ein wenig Zeit unter vier Augen verschafft. Falls Diantha ihrer einstigen Weggefährtin etwas von Riku und ihrer Suche nach ihm erzählen wollte, so hatte sie jetzt Gelegenheit dazu. Genau das hatte sie auch getan, wie sie ihm später in der Dunkelheit und Wärme ihres Bettes anvertraute, als Syphenae lange schon gegangen war, und er hatte Diantha schweigend im Arm gehalten und ebenso schweigend geliebt, bis der Aufruhr in ihrem Inneren besänftigt und die bösen Träume, die in dieser Nacht am Saum des Schlafes auf sie lauerten, gebannt waren. "Mach die Augen ruhig zu, conasg. Ich passe auf, dass dir nichts geschieht," hatte er versprochen und sie hatte sich seufzend entspannt. Olyvar war im tanzenden Schein der Stundenkerze wach gelegen, hatte auf ihren Atem gelauscht und über ihren Schlaf gewacht. Sie hatte sich nicht mehr geregt, aber er... irgendwann in der Stille der Nacht. "Immerfroster," hatte er ganz leise gesagt und es war eine Beschwörung gewesen. Sein Gesicht war abwesend, der Blick in die Schatten unter der Balkendecke gerichtet, die Augen so hart und kalt wie Silber. Seine großen Hände hatten sich ausgebreitet und die Frau in seinen Armen besitzergreifend festgehalten und beschirmt. "Immerfroster," hatte er wiederholt, an das gerichtet, was nur er jenseits der dunklen Schatten sah, während der Kerzenschein sein Gesicht rot und schwarz mit seinem unsteten Flackern maskiert hatte. "Eines Tages begegnen wir uns." Am nächsten Morgen schienen die Geister der Vergangenheit vertrieben und Diantha war so munter und voller Tatendrang wie immer - da die Schwangerschaft sie noch nicht groß beeinträchtigte, hatte sie sich also mit Feuereifer daran gemacht, sich ihrer nächsten, selbst auserkorenen Aufgabe zu widmen, und das Zimmer, das sie in ihrer ersten Zeit im Westflügel bewohnt hatte, als Kinderzimmer herzurichten. Nach etwa zwei Wochen arbeitsamer Tage, war das Werk vollbracht und das ehemals schlicht eingerichtete Gästezimmer strahlt nun in warmen Gelbtönen. Wie auch bei den Zimmern der Zwillinge war ein alter Freskenmaler angerückt und hatte eine Wand mit Bildern von zauberhaften Sagengestalten und feenhaften Wesen versehen, während Diantha die alte tarasconsche Wiege geschrubbt und Berge von Kinderwäsche in die honigfarben geölten Kommoden und Schränke geräumt hatte. Olyvar hatte Conns und Fianryns Babykleidung größtenteils Feorna vermacht, schließlich hatte er nicht ahnen können, dass er sie schon im darauf folgenden Jahr wieder brauchen würde - doch da Morna, Rhordris Frau, und auch seine Töchter weder im Stricken, noch im Nähen und Häkeln mehr zu bremsen gewesen waren, und ohnehin über einen reichhaltigen Fundus von Hemdchen, Windeln, Tüchern, winziger Strümpfe und weicher Kittelchen verfügten, mussten sie sich um solche Dinge überhaupt keine Gedanken machen. Der übrige Taumond war mit sonnigen Tagen voller Wärme, Licht und dem Duft nach fetter, schwarzer Erde vergangen - die Macht des Winters war gebrochen, Schmelzwasser hatte die Wege verschlammt und unter den Buchen am Rand des Larisgrüns waren die Veilchen aufgeblüht, tiefblaue Seen im Grün des Grases.

Mit dem Sturmwindmond waren die Tage spürbar länger geworden, der Schlehdorn hatte die Wege mit schimmernden Silberbändern gesäumt und die Welt sich wieder mit Wärme, Luft und Leben gefüllt. Diantha trug ihr Kind aus, trug es lächelnd und summend durch den Frühling und rundete sich zusehends. Sie war immer schön gewesen, immer begehrenswert, aber jetzt hat Olyvar tatsächlich ein ernsthaftes Problem damit, die Finger überhaupt noch von seiner Frau zu lassen (was er, allen Göttern und seinem Seelenfrieden sei dank, allerdings auch nicht tun muss, denn es geht ihr blendend). Das zarte Schmetterlingsflattern ihres Kindes hatte sich längst zu handfesten Tritten, Purzelbäumen und Räkelbewegungen ausgewachsen, die nicht nur sie spüren konnte, sondern auch Olyvar, wann immer er seine große, schwielige Hand auf ihren Bauch gelegt hatte. Etwa um diese Zeit war das Kind auch für Conn und Fianryn allmählich von einer abstrakten Vorstellung
("Dia, du wirst ganz schön dick!"
"Ja, bald siehst du aus, wie Rhordri. Hast du auch zuviel Bier getrunken?"
"Nein, Schätzchen, in mir wächst ein Baby."
"Ein Baby? In dir drin? Hast du's verschluckt?"
"Nein, es wächst in meinem Bauch und es wird jeden Tag größer, also werde ich dicker."
"Aha. Wie die Radieschen im Garten. Die werden auch jeden Tag dicker."
"Ja. Sagt Achim. Der weiß das."
"Ah... das Baby muss aber noch länger wachsen, als die Radieschen. Es ist erst im Sommer groß genug."
"Und dann?"
"Dann kommt es zur Welt und ihr habt einen Bruder oder eine Schwester."
"Eine Schwester!"
"Nein, einen Babybruder, sonst seid ihr zuviel Mädchen!"
"Nein!"
"Doch!"
"Nein!"
"Doch! Doch! Doch!"
"Schluss, mo ghille. Es ist vollkommen gleich, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird."
"Nein! Wenn es ein Mädchen wird, müsst ihr noch eins machen, sonst sind wir nur zwei!"
"Hmm... da ist allerdings was dran..."
"Ach?"
"Aye, conasg. Denk an den Spaß, den wir dabei haben werden...")
mehr und mehr zu einem eigenständigen Wesen geworden, vor allem, da sie die Bewegungen des Babys nun ebenfalls spüren und von Außen sogar hatten sehen können. Die beiden hatten natürlich längst gewusst, dass sie im Sommer einen Bruder oder eine Schwester bekommen würden, schließlich war Dianthas Schwangerschaft schon seit dem Eisfrostmond nicht mehr zu übersehen gewesen, aber etwas gesagt zu bekommen und es selbst mit zu erleben, waren zwei verschiedene Dinge. Sie hatten den Herzschlag des Babys mit ihren kleinen Ohren auf dem runden Bauch verfolgt und dessen unsichtbarem Bewohner mit Begeisterung wirre Kauderwelschmärchen von Yksi, dem immerfroster Löwenhelden erzählt - und darauf bestanden, dass Dia eine Puppe oder wenigstens den alten Stoffbären irgendwie verschlucken müsse, schließlich sei ihrem Babybruder (Nein, Babyschwester!) bestimmt langweilig so ganz allein da drin.

Den restlichen Sturmwindmond hatten Olyvar und Diantha praktisch jede freie Minute - von denen es herzlich wenig gab, da die ganze Stadt wegen der Morde, des abgesagten Inarifestes und der drohenden, nächtlichen Ausgangssperre brodelnd Kopf gestanden hatte - damit verbracht, sich gegenseitig mit albernen Namensvorschlägen aufzuziehen. "Was hältst du eigentlich von Yrjö?" hatte Diantha eines Morgens beim Frühstück unschuldig gefragt und Olyvar hatte nur verwirrt blinzeln können. "Was ist ein Yrjö?" Hatte er wissen wollen und seine an tamarische Kehllaute gewöhnte Zunge hatte sich mit dem ungewohnten Pakkakieli abgemüht. "Als Name," hatte sie erwidert und Olyvar hatte sich fast an seinem Cofea verschluckt. "Nein," hatte er rundheraus erwidert und Diantha hatte beleidigt nach Luft geschnappt. "Nein? Na schön, dann… Toivo?"
"Toivo?" Olyvar hatte zweifelnd die Stirn in Falten gezogen. "Es wird ein Mädel, conasg."
"Es wird ein Sohn, das sagte ich dir doch schon. Und wenn weder Yrjö noch Toivo für dich in Frage kommen, wird er Voitto heißen."
"Mein Sohn wird auf gar keinen Fall Voitto heißen, was aber absolut irrelevant ist, weil es ein Mädchen wird," hatte er dagegen gehalten und langsam Spaß an ihrem kleinen Geplänkel gefunden. "Wie findest du Luigsech?" Den Vorschlag hatte er alles andere als ernst gemeint und absichtlich den scheußlichsten Tamarnamen präsentiert, der ihm auf die schnelle eingefallen war, nur um zu sehen, wie sich ihre kleine Nase vor Entsetzen kräuselte und ihre Augen sich zu blauen Schlitzen verengten. "Das kann unmöglich dein Ernst sein!" Hatte sie sich empört und dann versucht, den Namen einigermaßen korrekt auszusprechen. "Lissie?! Nur über meine Leiche!"
"Hm… Muadhnait? Wie wär's mit Heled? Moibeal? Siusan?"
Ein Stück Brot war ihm über den Tisch entgegen geflogen und zielsicher auf seiner Brust gelandet. "Hör auf, dich über mich lustig zu machen!" Hatte Diantha gezischt und ihn über ihren Sechsmonatsbauch und die Tischplatte hinweg angefunkelt.

"Das sind absolut respektable tamarische Namen!" Hatte er protestiert, doch das Lachen seiner Augen hatte ihn verraten. "Du meinst keinen Vorschlag davon ernst, nicht einen!" Hatte sie halb entrüstet, halb erleichtert behauptet und ihm versprochen, dass sie bald einen schönen Pakkakielinamen für ihren Sohn finden würde, er solle nur abwarten. Den ganzen Sturmwind über hatten sie sich gegenseitig also so unmögliche Namen wie Armo, Abhaegial, Jalo, Eilionor, Taisto, Fionnghuala oder Väinö vorgeschlagen, sehr zur Erheiterung von Mattis, den Zwillingen, Morna und Rhordri, Dandelayn und wer immer sonst noch ihre leidenschaftlichen Diskussionen um die Streitfrage "Name und Geschlecht des Kindes" mitbekommen hatte. Außerdem hatte es Diantha, nunmehr ja mit ausreichend Kleidung versehen, einfach nicht länger im Westflügel und im Inneren der Festung gehalten, nicht, so lange draußen so herrlicher Sonnenschein, aber angenehm kühler Frühlingswind herrschte, und sie war täglich mit dem Falben ausgeritten. Olyvar hatte sie begleitet so oft er die Zeit dafür gefunden hatte und sie hatten ihre liebenswürdigen Namensstreitereien hoch zu Ross auf verschlungenen Waldpfaden fortgeführt (wenn sie dort zwischen Smaragdgras und weiß blühenden Anemonen nicht etwas ganz anderes taten).
"Mainio?"
"Eibhlin?"
"Osku?"
"Maighread?"
"Sisu?"
"Peigi?"
"Pei... bist du noch ganz bei Trost?"
Olyvar hatte nichts dagegen einzuwenden, dass Diantha täglich ihr Pferd ritt. Das Reiten kräftigte ihre Muskeln und Bewegung an frischer Luft hatte noch keiner Schwangeren geschadet, außerdem besaß der Falbe weiche, angenehme Gänge - seit Diantha das Kind unter dem Herzen trug, benahm sich das Pferd außerdem so fürsorglich wie eine Glucke und so sanft wie ein Lamm. "Wie lange willst du ihn noch reiten, Conasg?" Hatte Olyvar dennoch eines Abends besorgt gefragt, als sie zu einem späten Ausritt aufgebrochen waren. Nicht weil er Angst hatte, dass sie stürzen könnte, sondern weil sie ernsthaft Schwierigkeiten hatte, mit ihrem hinderlichen Siebenmonatsbauch den Fuß überhaupt in den Steigbügel und ihren Hintern anschließend in den Sattel zu bekommen. "Haha," hatte sie geschnauft, als sie endlich an ihrem Riesengaul hoch gekrabbelt war. "Wir sind vielleicht nicht mehr elegant, aber wir sitzen oben." Dann hatte sie zufrieden erst ihren Bauch getätschelt, in dem das Kind wilde Kapriolen schlug, und anschließend den Hals ihres Pferdes, der mit wahrer Seharimgeduld ihre keuchende Kletterpartie abgewartet hatte. "Ich werde ihn reiten bis ich zu schwer für ihn bin!" Hatte sie entschlossen verkündet und Olyvar hatte leise geprustet. "Conasg, wenn es kein azurianischer Elefant ist, den du da ausbrütest, dann wirst du kaum zu schwer für ihn!"
"Pah," Diantha hatte den Rest ihrer Würde an sich gerafft. "Na gut. Dann reite ich ihn eben bis der verflixte Bauch zu schwer für mich wird!"

Der Sturmwind war vergangen ohne seinem Namen alle Ehre zu machen, dafür mit ihrem Hochzeitstag am Mantelsaum. Dieses Jahr würde es jedoch dank der Morde und der Tatsache, dass der Verrückte, der all diese Frauen auf dem Gewissen hatte, immer noch frei herumlief, kein Inarifest in Talyra geben, keine feierlichen Umzüge, kein Festmahl auf dem Marktplatz und erst recht keine Festfeuer am Strand und auf den Wiesen rund um die Stadt. Olyvar und Diantha hatten dennoch nicht vor, sich ihren Hochzeitstag durch Angst oder miserable Stimmung trüben zu lassen. Trotz der schon fast frühsommerlichen Hitze war es Olyvar irgendwie (wie weiß er selbst nicht zu sagen) gelungen, Diantha zu überreden, die Kühle des Westflügels zu verlassen, die Kinder bei Morna und Rhordri abzuliefern und den Tag mit ihm weit fort von verworrenen Ermittlungen in ungeklärten Fällen, erbosten Bürgern, die sich alle Naslang gegenseitig beschuldigten, und auch weit fort von den entnervten Blaumänteln, die das alles auszubaden hatten, im Larisgrün zu verbringen. Sie hatten sich einen Weidenkorb mit Essen, ein paar Angelruten und eine Decke mitgenommen, und waren an den Teich gegangen, wo sie mit den Kindern im letzten Sommer so oft Schwimmen gewesen waren. Hier, im Schatten der uralten Baumriesen und nahe am Wasser, war es angenehm kühl und Diantha hatte die Mittagsstunden praktisch ausschließlich im Teich verbracht, sich treiben lassen und das Gefühl der Schwerelosigkeit im seidigen, grünblauen Wasser vermutlich noch mehr genossen, als er. Sie hatten Forellen gefangen und über dem Feuer gebraten, Krebse unter Steinen aufgescheucht und sie in der Glut gebacken, und sich pflichtschuldig mit ein paar lächerlichen Namensvorschlägen aufgezogen. Sie waren geschwommen, hatten sich im Wasser gedreht, kopfüber und kopfunter, bis ihnen schwindlig war und sich dann auf den von der Sonne erwärmten Felsen wieder trocknen lassen. Die Welt hatte sich still und leise selbst in den Hintergrund gerückt - hier unter dem sonnengesprenkelten grünen Laubdach der Bäume schien Talyra so weit fort, dass sie die einzigen Menschen auf Rohas weitem Rund hätten sein können. Olyvar hatte Diantha, die das Lesen und Schreiben inzwischen vielleicht noch nicht ganz fließend, aber sicher schon ausreichend gut beherrscht, ein Buch mit Sagen und Gedichten geschenkt - ein kostbares Kleinod in einer Welt wie der ihren, mit einem Einband aus Seide und feinem Leder und wundervollen Miniaturmalereien auf den Seiten aus glattem, elfenbeinfarbenen Papier. Das zum einen - sein anderes Hochzeitsgeschenk war ein lederner Gürtel mit sechs fein säuberlich aufgereihten, blank polierten Wurfsternen aus Schwarzstahl, die unauffällig im Zwischenfutter steckten. Dafür hatte Diantha ihn fast besinnungslos geküsst, auch wenn sie den Gürtel im Augenblick zumindest nicht anlegen konnte, doch dann hatte sie das Buch zur Hand genommen. Unter den Silberlinden am Teichufer waren sie nebeneinander im Sand gelegen, hatten sich über die Seiten gebeugt und einander einzelne Sätze gezeigt, ohne ein Wort zu sprechen, ohne laut zu lesen, als wären sie beide taub und stumm. Dianthas schlanke Finger hatten gefragt¬: >Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt?<*, und ebenso wortlos hatte seine Hand erwidert: >Wenn auf ihr Lächeln deine Seele blüht und dein Herz zerreißt hast du sie nicht an deiner Seite. Wenn dir die Tränen kommen, sobald du eine Stunde ohne sie vergeudest. Wenn weder Gold noch Götter dich bewegen und vom Wolf zum Lamm du wirst. Wenn alles was dir lieb und heilig, in ihrem Schatten rasch verblasst, dann liebe weiter, denn du hast fast wie ich gefühlt.< * Sie hatten immer noch nicht zu denen gehört, die sagen würden: Es ist heller Tag! Oder: Nicht unter freiem Himmel! Und dort in der dämmrigen Abendstille, in der Stunde der Nachtigall, waren nur sie und ihr Verlangen -  sonst nur Libellen, Silberreiher und das Rascheln des Schilfes im warmen Wind.

Olyvar ist so in Gedanken versunken, dass er überhaupt nicht merkt, dass Diantha längst die Augen aufgeschlagen hat und ihn mit einem Lächeln beobachtet. Erst als sie die Hand hebt, um über seine von Bartstoppeln raue Wange zu streicheln, kehrt er ins Hier und Jetzt zurück und blinzelt überrascht. Die Morgendämmerung hat sich über den Rand des Horizonts gestohlen und ein paar lavendelfarbene Wolkenfetzen treiben über den fahlgrauen Himmel. Es ist warm, selbst für die letzten Grünglanztage, und der Duft von Akelei und Phlox strömt mit der Morgenluft und den Geräuschen der erwachenden Festung durch die geöffneten Fenster in ihr Schlafgemach. Olyvar sieht sie an, erwidert ihren Blick, lässt sich einmal mehr vom Blau ihrer Augen mitten ins Herz treffen und küsst die Sommersprossen auf ihrer Nasenspitze. Dann dreht er sie etwas zur Seite und legt die ganze Hand auf die Rundung ihres Bauches. "Lahja," sagt er leise, "klingt schön, conasg."
"Das ist... ein immerfroster Name," erwidert Diantha und klingt ein wenig erstaunt.
"Ich weiß."
"Es bedeutet... "Geschenk", fährt sie fort und er kann das Lächeln in ihrer Stimme hören, einen Herzschlag, bevor es sich auf ihrem Gesicht ausbreitet.
"Ich weiß."
Sie rollt sich herum, so dass sie Gesicht an Gesicht und Haut an Haut liegen und zwischen sich ihr Kind halten, und flüstert: "Ich dachte an Njáll... wenn es ein Junge wird."




*R.M.Rilke/R.Bucerius

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 30. Mai 2008, 23:34 Uhr
Als Diantha vollends wach wird, liegt ihr Mann in Gedanken versunken neben ihr. Woran er wohl denkt? Es scheinen jedenfalls angenehme Gedanken zu sein, das sieht man seinem Gesicht an, vielleicht Erinnerungen, vielleicht Zukunftspläne. In den letzten Monden war einiges geschehen, woran ihre Schwangerschaft nicht gerade unbeteiligt gewesen war. Als wäre das die Entschuldigung dafür, dass sie so lange nicht schwanger geworden war, wächst das kleine Wunder in ihrem Inneren, zumindest bisher, ohne ihr sonderliche Mühen zu bereiten. Es ist eher so, als würde es ihr zusätzlich Energie geben um bis zu seiner Geburt alles vorzubereiten und ein behagliches Nest für das Kind zu schaffen, daher war sie auch mit riesigem Elan an die Gestaltung des Kinderzimmers gegangen. Diantha hat keine Ahnung von Hormonen und Botenstoffen, aber dass sich nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Körpergefühl verändert, bemerkt sie durchaus und es ist überraschend positiv. Nie hatte sie sich sonderlich viel mit ihrem Körper beschäftigt, seine Bedürfnisse eher als störend empfunden, doch seit ein Kind in ihm heranwächst, bringt sie ihm etwas wie Respekt entgegen. Wie weit die Haut an ihrem Bauch sich bereits gespannt hat und wie weit sie sich noch spannen würde! Es ist erstaunlich, wie wenig sie dafür in Kauf nehmen muss, nämlich nur,  dass ihr manche Gerüche nicht mehr gefallen, sogar über den ehemals geliebten Cofea rümpft sie jetzt die Nase. Gut, an manchen Tagen fällt es schwerer, vor allem in der Hitze der letzten Zeit und ihr ist auch klar, dass sie Olyvar mit so manchen Essenswünschen hilflos mit den Schultern hatte zucken lassen. Im Eisfrost gibt es nun einmal keine Erdbeeren, genauso wenig wie im Taumond Kirschensaison ist. Wie sich der Appetit auf Honigkuchen innerhalb von zwanzig Minuten zu einem auf Schweinehaxen wandeln kann, ist eine gute Frage, die auch Diantha nicht beantworten könnte, sie kann nur feststellen, dass es möglich ist. Doch keine dieser Launen hatte ihren Mann auch nur ansatzweise stören können, er hatte ihr stattdessen jeden Wunsch von den Augen abgelesen und das größte Geschenk von allen, die sie in der letzten Zeit gekriegt hatte – die ja schon einige gewesen waren: der Falbe, das Sattel- und Zaumzeug, der Mantel, die Kleider, das Buch, die Wurfsterne samt Gürtel – war, dass er sich genauso sehr wie sie über das Kind freute und freut. Wenn er seine große, raue Hand auf ihren Bauch legt, überschwemmt jedes Mal eine solche Welle von Zärtlichkeit ihr Herz, dass sogar das Kind es zu bemerken scheint, denn faszinierender Weise wird es dann meist nach ein paar besonders kräftigen Fußtritten, wie als würde es seinen Vater begrüßen, etwas ruhiger. Manchmal hat Diantha allerdings auch den Eindruck, dass Olyvar es mit seiner Fürsorglichkeit ein wenig übertreibt, worin ihm aber auch Morna in nichts nachsteht. Hin und wieder, wenn sie es besonders gut mit ihr meinten, hatte Diantha verkündet: „Ich bin schwanger,  nicht krank!" Ihr ist durchaus klar, dass es Frauen gibt, für die eine Schwangerschaft eine neunmonatige Qual zu bedeuten scheint, die Möglichkeit, dass das bei ihr selbst ebenfalls so sein könnte, hatte sie allerdings bisher nicht in Betracht gezogen. Meine Mutter hat mit ihrem Siebenmondbauch noch mit auf dem Feld gearbeitet, da werde ich doch wohl noch auf  diesem Pferd reiten können! Besonders, wenn das Pferd  plötzlich zu einem verschmusten Kätzchen geworden zu sein scheint! Andererseits kann sie es schon verstehen, dass das für Olyvar recht unerwartet und neu ist. Schließlich scheint Kizumu, soweit Diantha das von Feorna und Morna mitbekommen hat, große Probleme mit ihrer Schwangerschaft gehabt zu haben, ganz abgesehen von der Geburt. Irgendwann wollte Diantha ihren Mann immer danach fragen, woran genau das bei der Elbin gelegen hatte, doch bisher hat sie nie wirklich den richtigen Zeitpunkt dafür gefunden. Olyvar ist schließlich in der Steinfaust voll eingespannt, die Morde sind noch immer nicht aufgeklärt und ihr ist klar, dass die Gewissheit, dass dieses Monster noch frei in Talyra herumläuft an ihm nagt. Daher möchte sie, wenn er dann daheim ist, nicht unbedingt die schlechten Erinnerungen ausgraben. Auch er gibt sich die größte Mühe, die gemeinsame Zeit so schön wie möglich zu gestalten, man denke nur an diesen verzauberten Tag im Larisgrün, als sie ihren Hochzeitstag gefeiert hatten. Ebenso wundervoll war auch der Julabend, an dem sie vollkommen unabhängig voneinander beide Geschenke mit vergleichbarer Symbolkraft ausgesucht hatten.

Seit jenem Abend hatte sich ein Spitzname für ihn in ihren Kopf eingeschlichen, langsam und unauffällig. Selbst lebt sie mit ihrem Spitznamen Conasg mittlerweile so lange, dass sie sich nicht mehr genau erinnern kann, wann er sie das erste Mal so genannt hat. Einschneidende Erinnerungen mit dem Namen sind mit Sicherheit der Abend auf dem Balkon, als sie ihm ihr Herz ausgeschüttet hatte. Fest eingebrannt in ihr Gedächtnis ist auch der Spaziergang nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht, bei dem sie umgeben vom Frühling darüber geredet hatten, was sie einander und der Name ihm bedeuteten, doch mittlerweile hat sie das Gefühl, dass er sie schon immer so genannt hat. Ihr Kosename für ihn hat allerdings nichts mit Pflanzen zu tun, sondern mit dem, was sie am Julabend zu ihm sagte: „Du bist der Bär". So nennt sie ihn auch, allerdings in ihrer Muttersprache, den Klang des Wortes Bär auf Pakkakieli hat sie schon von frühester Kindheit an geliebt: karhu, natürlich mit lang gerolltem r. Schon so manches Mal hatte sie nachts wach gelegen, wenn der jüngste Westflügelbewohner unter ihrem Herzen mal wieder der Meinung war, dass die Zeit zwischen Mitternacht und der zweiten Stunde des neuen Tags perfekt geeignet für körperliche Betätigung seien, und hatte seinem gleichmäßigen Atem gelauscht. Diese jetzt so ruhigen Gesichtszüge waren schrecklich hart gewesen, als sie ihn das erste Mal bewusst gesehen hatte, am frühen Morgen des ersten Grünglanzes vor zwei Jahren. Nicht nur bei ihrer Begrüßung – natürlich war er damals nicht gerade in Begeisterungsstürme ausgebrochen, als er sie sah – sondern auch die ganze Zeit in Blurraent über hatten dunkle Schatten auf seinem Gesicht gelegen, Schatten der Trauer und Schatten des Zorns nach der Trennung von Kizumu. In Erinnerung daran war ihre Hand seinen markanten Wangenknochen gefolgt und sie hatte nicht nur einmal gemurmelt: „Karhuni, ich hoffe, dass die Gedanken an mich dich niemals so verletzen werden…" Sie ist sich allerdings absolut nicht sicher, ob damit, dass Colevar nach Immerfrost gegangen war, nicht der Grundstein für genau das gelegt wurde. Als sie erfahren hatte, dass gerade der junge Offizier der Lanzergarde gehen würde, waren ihr die Haare zu Berge gestanden. Oh, sie weiß von seinen Fähigkeiten, sowohl kämpferisch als auch zwischenmenschlich, trotzdem wäre es ihr lieber gewesen, einen Junggesellen, der schon etwas mehr von seinem Leben hatte, auf die Jagd nach Riku zu schicken. Colevars Leben liegt doch noch vor ihm und sieht nicht gerade übel aus, mit seinem Aussehen, seinen Fähigkeiten und seinem finanziellen Hintergrund hätte er das Leben in Talyra doch in vollen Zügen genießen können. Dementsprechend hatte sie ihn auch wenig dezent darauf hingewiesen, dass sie ihm höchstpersönlich den Hals umdrehen würde, wenn er sein Leben unnötig aufs Spiel setzen sollte und mit nur einem einzigen gekrümmten Haar zurückkommen würde. Sie kämpft ohnehin schon hart mit dem Wissen von dem, was geschehen wird, wenn Riku in Talyra auftauchen sollte. Das würde er, sollte er noch leben, da ist sie sich sicher. Ihr ist klar, dass Olyvar höchstpersönlich für sie an ihm Rache nehmen würde und genau das ist es, womit sie nur schwer zu recht kommt. Was bin ich nur für eine Ehefrau, dass ich meinen Mann für mich morden lassen werde? Wie kann ich ihm eine Schuld aufbürden, die allein ich tragen sollte?, fragt sie sich immer wieder, auch wenn sie weiß, dass Olyvar in diesem Punkt nicht mit sich reden lassen wird. Natürlich möchte ich, dass Riku für das bezahlt, was er mir angetan hat, aber wie kann ich Olyvars Seelenheil dafür aufs Spiel setzen? Natürlich ist ihr klar, dass Olyvar schon vorher getötet hat, das ist ja auch nicht die Problem, sondern dass er für sie töten wird und zwar einen Menschen, mit dem er nie in irgendeiner Form etwas zu tun hatte. „Karhuni, weißt du noch, damals im Larisgrün?  'S ann dhut-sa, mo leannan, tha mi a'toirt mo chridhe 's mo bheatha." Die Worte kommen ihr nur schwer über die Lippen, wenn ihr Mann wach gewesen wäre, hätte er sich vermutlich köstlich darüber amüsieren, wie schwer ihr diese Tamarworte fallen, doch glücklicherweise ist er es nicht gewesen. „Dir, meine Geliebte, gebe ich mein Herz und mein Leben, so hast du es damals gesagt. Muss ich dein Herz und dein Leben nicht vor diesem Monster beschützen, statt es zurück in unser Leben zu holen?" Nie hatte sie eine Antwort darauf gefunden, glücklicherweise hatten ihre gewisperten Worte ihn auch nicht einmal geweckt.
Nicht nur über ihre Art diesen Satz auf Tamar auszusprechen hätte er vermutlich gelacht, sondern ebenso über den Kosenamen „karhuni", besonders über die Endung „ni", die für mein oder meine steht. Von Anfang an hatte er das Pakkakieli nicht für voll genommen, deshalb hatte sie ihn auch nie laut mit diesem Namen bedacht, denn für sie hat er auch heute noch nichts Amüsantes an sich. Er ist ihr Bär und er trägt ihren Bär um seinen Hals, das hat nichts mit dem Zeichen zu tun, in dem er geboren wurde. Du bist mein Halt und meine Stütze, du hast mir schon Mut gegeben, wenn ich daran zweifelte, jemals wieder jemandem  mein Herz öffnen zu können. Noch dazu Stärke in den Momenten, in denen ich schwach war und beinah wieder zurückgefallen wäre, in die alten Gewohnheiten der Straße. Deine Umarmung vertreibt die Angst und deine Küsse die Sorgen. Du bist meine Familie und weißt den Bären um deinen Hals zu schätzen, weißt, dass du das bist, was mir wieder Mut gegeben hat, an das Gute im Leben zu glauben. Du bist karhuni, ob dir meine Muttersprache nun gefällt oder nicht, das ändert nichts an dieser Tatsache.

Wie um diesen Gedanken zu bestätigen, fährt sie ihm sacht mit der Hand über die Wange, als Antwort küsst er sie auf die Nase, auf der sich die Sommersprossen durch die Sonne der letzten Tage wieder deutlich abzeichnen, im Winter verblassen sie immer etwas. Über seinen Namensvorschlag ist sie allerdings sehr überrascht, sie hatten sich in den Monden so sehr gegenseitig mit Ideen für Namen aufgezogen, dass sie schon davon ausgegangen war, dass die letztendliche Entscheidung erst getroffen werden würde, wenn das Kind schon auf der Welt wäre. Lahja – damit hatte er sich einen der Pakkakielinamen mit der schönsten Bedeutung ausgesucht, nämlich „Geschenk" und noch dazu einen, der auch für an Allgemeinnamen gewöhnte Ohren nicht allzu fremd und eindeutig weiblich klingt. Das kann man nicht bei allen Mädchennamen auf Pakkakieli behaupten, so hatte der Name „Kielo" die Zwillinge vollkommen verwirrt, als sie die Heldin einer Gutenachtgeschichte so genannt hatte, wobei „Kielo" für Dianthas Ohren eindeutig weiblich ist. Als sie die Bedeutung von „Lahja" feststellt, erwidert Olyvar nur >„Ich weiß"<, er muss sich also wirklich damit auseinander gesetzt haben, daher ist sie auch stolz als sie erwidern kann: "Ich dachte an Njáll... wenn es ein Junge wird." Natürlich findet sie Pakkakielinamen wie Mainio noch immer schön, aber Njáll ist ebenfalls in Immerfrost beliebt. Er gehört zu den wenigen Namen, die aus den Barbarenlanden bis nach Südimmerfrost gelangt sind und er hat Diantha schon von ihrer Kindheit an gefallen. Außerdem verbindet sie eine positive Erinnerung mit ihm, denn ein Njáll, ein Halbbarbar, hatte ihr einmal in Nachtschimmer aus der Patsche geholfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Mit diesem Namen scheint sie auch tatsächlich so richtig zu liegen, wie Olyvar zuvor mit Lahja. Sie sieht in seinen Augen, dass ihm der Name wirklich gefällt, womit es das erste Mal wäre. All ihre anderen Vorschläge hatte er entweder mit einem Runzeln oder einem Lachen abgetan und grauenhafte Tamarnamen entgegen gesetzt, bis Diantha schließlich auch die weniger schönen immerfroster Namen ausgepackt hatte. Damit jetzt nicht wieder die Debatte um das Geschlecht beginnt – denn Diantha würde in diesem Punkt auf keinen Fall nachgeben, ihr Bauchgefühl sagt ihr eindeutig, dass es ein Junge wird – stellt sie mit einem Grinsen fest: „Wenn es nach mir geht, können wir gerne die von Fianryn geforderte Schwester so nennen." Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie gerne viele Kinder hätte und auch das ist ein Punkt, in dem sie und Olyvar der gleichen Meinung sind. Solche Pläne stehen aber noch in weiter Ferne, daher lacht Diantha auch, als sie ihre Stirn an die ihres Manns legt. „Na, jedenfalls kann es jetzt wirklich werden was es will, ob eine Lahja oder ein Njáll." Sacht streicht sie ihm eine vorwitzige Strähne aus dem Gesicht. Sie liebt diesen warmen Braunton, fast genau wie der von Fianryn, Connavars hingegen sind ein ganzes Stückchen rötlicher. Wie wohl die ihres Kindes werden würden? Vermutlich weit heller, doch ob wirklich blond ist schwer abzuschätzen, selbst war Diantha als Kind sehr hellblond gewesen, erst im Verlauf ihrer Kindheit war ihr Haar dunkler geworden. Was auch immer, hoffentlich sieht es seinem Vater ähnlicher als mir, denkt sie und vergräbt ihr Gesicht an seinen Hals. Es ist noch immer früh, so früh, dass selbst die Zwillinge noch nicht wach sind. Einen Moment zögert sie, dann stellt sie die Frage aber doch: „Sag Olyvar … weißt du, ob es einen konkreten Grund gab, dass Fianryns und Connavars Geburt so schwierig war? Ich meine, natürlich sind Zwillingsgeburten meist nicht die einfachsten und für eine Elbin ist das bestimmt noch besonders schwierig… Aber gab es noch einen anderen Grund? Hat sich einer der beiden herumgedreht oder hatte die Nabelschnur um den Hals? Oder waren sie einfach zu groß?" Nachdenklich schaut Diantha zu ihrem Mann hoch. „Man hört so viel über schreckliche Geburten, aber ich denke mir immer, dass meine Mutter und wie sie mir erzählte auch ihre Mutter keine schweren Geburten hatten. Sie hat sogar immer lachend verkündet, dass einfache Frauen wie sie sich das gar nicht leisten könnten." In Erinnerung daran muss Diantha schwach lächeln, sie hatte nur einmal ernsthaft mit ihrer Mutter darüber gesprochen, kein halbes Jahr bevor diese gestorben war. „Meinst du, es ist leichtsinnig, wenn ich davon ausgehe, dass es bei mir auch nicht anders als bei ihnen sein wird? Mache ich mir etwas vor?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 03. Juni 2008, 11:25 Uhr
"Njáll... wie Njáll von den Neun Geiseln... der Name ist schön, Diantha... aber es wird kein Ju..."
>Wenn es nach mir geht, können wir gerne die von Fianryn geforderte Schwester so nennen,< unterbricht ihn Diantha mit einem Grinsen und Olyvar hebt fragend und anzüglich zugleich eine Braue. "Ich erinnere dich dann daran, wenn du im Sonnenthron in den Wehen liegst und mich ein barbarisches Schwein schimpfst, das deinem Bett nur ja nie wieder im Leben auch nur nahe kommen soll, mein Herz."
Diantha sieht ihn an, als wäre sie sehr versucht, ihm die Zunge herauszustrecken, doch Olyvar kommt ihr mit einem Kuss zuvor. "Selber bäh," flüstert er dicht an ihrem Mund, bevor er sie freigibt und sie lachend ihre Stirn an seine legt. >Na, jedenfalls kann es jetzt wirklich werden was es will, ob eine Lahja oder ein Njáll.<
"Aye... " Als sie ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht, dreht er den Kopf und küsst die Innenfläche ihrer Hand. "Hauptsache, es geht euch beiden gut. Im Ernst, conasg, es ist mir völlig gleich, was es wird, so lange das Baby nur gesund ist."
Diantha bettet ihren Kopf an seine Schulter und er spürt ihren Atem warm auf seiner Haut, was Olyvar ein behagliches Schnurren entlockt... ihre Frage allerdings reißt seine Gedanken abrupt aus den leicht unanständigen Fantasien, in die sie vorübergehend abgedriftet sind, und konfrontiert ihn mit Erinnerungen, die er lieber im Dunkeln hätte schlafen lassen. >Sag Olyvar … weißt du, ob es einen konkreten Grund gab, dass Fianryns und Connavars Geburt so schwierig war? Ich meine, natürlich sind Zwillingsgeburten meist nicht die einfachsten und für eine Elbin ist das bestimmt noch besonders schwierig… Aber gab es noch einen anderen Grund? Hat sich einer der beiden herumgedreht oder hatte die Nabelschnur um den Hals? Oder waren sie einfach zu groß?<
"Nein, ist schon in Ordnung," erwidert er, als Diantha sein Zögern bemerkt und innerlich leicht zurückweicht, als wollte sie ihm nicht zu nahe treten. "Du kannst mich alles fragen, conasg. Immer."
>Man hört so viel über schreckliche Geburten, aber ich denke mir immer, dass meine Mutter und wie sie mir erzählte auch ihre Mutter keine schweren Geburten hatten,< fährt sie leise fort. >Sie hat sogar immer lachend verkündet, dass einfache Frauen wie sie sich das gar nicht leisten könnten. Meinst du, es ist leichtsinnig, wenn ich davon ausgehe, dass es bei mir auch nicht anders als bei ihnen sein wird? Mache ich mir etwas vor?<
Olyvar schweigt lange, während vor seinem inneren Auge die Bilder einer entsetzlichen Nacht voller Schmerz, Qual und Angst vorbeiziehen. Die Kinder waren in Gefahr gewesen, Kizumu war beinahe gestorben... und auch ihre Schwangerschaft war alles andere als einfach gewesen.

"Nein," erwidert er schließlich, wirft ihr einen Seitenblick zu und die Melancholie in seinen Augen weicht einem Lächeln voller Zuversicht. "Nein, ich glaube nicht, dass du leichtsinnig bist oder dir etwas vormachst. Ich sollte eigentlich schlottern vor Angst um dich, bedenkt man, was... aber das tue ich nicht. Ich weiß, dass es bei dir anders sein wird, Diantha, weil du anders ich bist. Ich könnte dir noch nicht einmal sagen, warum ich mir da so sicher bin, es ist einfach so. Und wenn du dir keine Sorgen machst, mache ich mir auch keine." Er zieht sie noch ein wenig fester an sich, spürt wie sie atmet, ihre Haut warm an seiner und das Kind, ein zappelndes neues Leben in ihrem Bauch. "Und was die Geburt der Zwillinge angeht, nun... willst du wissen, was ich weiß, oder was ich glaube, conasg?"
"Ich will wissen, was du mir sagen willst," erwidert sie ruhig, stützt sich auf einen Ellenbogen und sieht ihn an. Olyvar hebt die Hand und streicht ihr die inzwischen lang gewordenen Locken über die Schulter zurück. "Was ich weiß ist, dass die Schwangerschaft der Zwillinge schwierig war. Kizumu glaubte unfruchtbar zu sein und keine Kinder empfangen zu können. Dann wurde sie doch schwanger und es ging ihr einfach nur schlecht... selbst als die Morgenübelkeit nach den ersten Monden vorbei war, trug sie schwer an den Kindern, viel zu schwer, selbst für Zwillinge. Sie war müde und erschöpft, und obwohl sie zunahm und sich rundete, hatte ich ständig das Gefühl, sie würde weniger und weniger... ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll. Du dagegen wurdest... mehr. An Kizumu haben die Kinder gezehrt, dich dagegen hat die Schwangerschaft bis zum Rand mit Leben angefüllt und du bist jeden Tag schöner geworden. Die Geburt war noch schwieriger... nein, das ist untertrieben, sie war ein einziger Alptraum." Er fährt sich mit der Hand über die Augen und durchs Haar und sucht eine schweigende Weile nach den richtigen Worten, um Diantha diese entsetzliche Nacht im Blätterfall vor vier Jahren nahe zu bringen. "Kizumu hat geblutet... stark geblutet... und war viel zu schwach. Fianryn kam normal zur Welt, aber Conn lag falsch herum und sie hatte keine Kraft mehr, um überhaupt noch irgendetwas zu tun, geschweige denn, noch ein Kind zu gebären. Maester Ballabar konnte ihr nicht helfen und Ieras, ihr großer Sohn... ich habe dir ja von ihm erzählt..., musste Loba, eine Hohepriesterin und Heilerin aus dem Faêyristempel holen. Sie hat Kizumu den Bauch aufgeschnitten, um das Kind herauszuholen, sonst wären beide gestorben, aber auch so war es verdammt knapp, conasg. Sie hatte soviel Blut verloren und ich glaube... ich glaube auch, dass sie irgendwann einfach aufgegeben hat. Bis zum Morgengrauen war nicht sicher, ob sie überleben würde oder nicht... und ich verbrachte die Nacht mit dem Gedanken, dass ich es war, der sie getötet hat."

Eine Weile herrscht Schweigen und keiner von ihnen bricht es. "Ich kenne den Ort, an dem sie war. Ich war selbst einmal dort, bei den Totenlichtern, nach der Schlacht von Liam Cailidh... niemand kehrt von dort unversehrt zurück, conasg, niemand. Das ist das, was ich weiß. Was ich glaube ist... wir waren weder füreinander bestimmt noch füreinander gemacht, über kurz oder lang wären wir beide todunglücklich geworden. Sie konnte mir nicht schenken, was ich wollte und ich konnte ihr nicht  geben, was sie brauchte, wir waren einfach nicht füreinander bestimmt. Vielleicht hat sie deshalb alles so... schwer genommen, an allem so schwer getragen, nicht nur an den Kindern. Oh, versteh mich nicht falsch, wir hatten lange auch gute Zeiten, aber dennoch... irgendetwas hat immer gefehlt. Es gab immer ein Sie und ein Ich, aber kaum ein Wir. Und im Nachhinein betrachtet, glaube ich, dass sie tief in ihrem Innersten, in ihrer Seele, wenn du so willst, nie glücklich war. Nicht mit mir. Wenn Kizumu jetzt hier wäre und du würdest sie fragen, würde sie vermutlich behaupten, dass wir uns geliebt haben, dass wir es versucht haben, dass sie sehr wohl glücklich war und es wären keine Lügen - aber nur, weil sie den Unterschied überhaupt nicht kennt. Kizumu war nie mein. Nicht so wie du es bist." Er gräbt seine Finger in das weiche Haar in ihrem Nacken und ihre Locken kringeln sich wie goldene Schlangen um seine Finger. "Nein, nicht der Kern ihres Wesens, nicht das, worauf es ankommt. Aber... und ich weiß nicht, ob das das Schlimmste daran ist oder der Sinn in allem... ich kann es nicht bedauern - denn das hieße, Conn und Fianryn zu bereuen und das kann und will ich nicht. Nichts von allem, was geschehen ist. Denn du und ich, wir gehören zusammen, conasg, das weiß ich, so sicher wie ich weiß, dass die Sonne im Osten über dem Ildorel aufgeht. Außerdem..." er dreht sich ein wenig zur Seite, so dass sie Nase an Nase liegen und umfasst mit beiden Händen besitzergreifend ihre Hüften, "sind die hier schön breit..." seine Hände schieben sich unter ihr Hemd und umschließen ihren Hintern, "...und... hmmm... der auch. Ich glaube wirklich, nicht, dass du damit irgendwelche Schwierigkeiten hast." Er hätte sie vielleicht noch weiter aufgezogen, nur um zu sehen, wie sie ihn mit einem ihrer "Noch-ein-Wort-und..." Blicke oder einer empört gekräuselten Sommersprossennase ansehen würde, doch als sich ihre Augen begegnen und sich ihre Blicke ineinander verfangen, spürt er mit einem Mal sein Herz heftig und schnell schlagen, und wird ernst. "Erinnerst du dich an das, was ich in unserer Hochzeitsnacht unter dem Herzbaum zu dir gesagt habe?" Dass die Diantha eben diese Worte vor noch gar nicht allzu langer Zeit selbst gesprochen hatte, an ihn während er schlief, kann er nicht ahnen und sie nickt auch nur. "Is leatsa m'anam gus an criochnaich ar saoghal," flüstert er und streicht über ihr Haar, ihr Kinn, über ihren Hals und ihre Schulter, atmet ihren Atem und spürt sie lebendig unter seiner Hand. Solange die Welt besteht, gehört meine Seele dir. "Und wenn mein Körper aufhört zu existieren, wenn ich sterbe, dann ist meine Seele immer noch dein."


Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 07. Juni 2008, 09:21 Uhr
Olyvars Antwort auf ihre Andeutung auf ein weiteres Kind löst den Impuls aus, ihm die Ohren lang zu ziehen: >"Ich erinnere dich dann daran, wenn du im Sonnenthron in den Wehen liegst und mich ein barbarisches Schwein schimpfst, das deinem Bett nur ja nie wieder im Leben auch nur nahe kommen soll, mein Herz."< Ich gehe eher davon aus, dass du mein Repertoire an Pakkakieli-Schimpfwörtern und Flüchen kennen lernen wirst… und das ist nicht gerade klein! Außerdem wissen wir beide sehr gut, dass ich von dir einfach nicht längerfristig die Finger lassen kann!, ist Diantha im Begriff zu erwidern,  doch dazu lässt er sie gar nicht kommen, stattdessen küsst er sie, eine durchaus akzeptable Alternative. Er stimmt ihr wie erwartet zu, was das Geschlecht ihres Kinds angeht, doch mit etwas anderen hätte sie auch nie gerechnet. Sie sieht schließlich jeden Tag, dass er keinen Unterschied zwischen seinem Sohn und seiner Tochter macht, worüber sie auch sehr froh ist, etwas anderes zu akzeptieren wäre ihr sehr schwer gefallen. Trotzdem ist es schön das aus seinem Mund zu hören: >„Hauptsache, es geht euch beiden gut. Im Ernst, conasg, es ist mir völlig gleich, was es wird, so lange das Baby nur gesund ist."< Zufrieden schmiegt sie ihren Kopf an seine Schulter, was ihm ein Geräusch entlockt, das man gut einer Katze zuordnen könnte – allerdings keiner kleinen Hauskatze, sondern eher einer Raubkatze.  Einen Moment ist sie im Begriff ihre Fragen doch nicht zu stellen, allerdings spuken sie ihr schon zu lange im Kopf herum.  Sie schreckt ganz leicht zurück, als sich sein Gesichtsausdruck nach ihrer Frage von vollkommener Ruhe zu etwas ganz anderem verändert. Diantha ist sich darüber im Klaren, dass das für ihn ein sensibles Thema ist, aber so eine starke Reaktion hat sie nun doch nicht erwartet. Sofort bereut sie es, ihn darauf angesprochen zu haben und würde am liebsten wieder auslöschen, dass sie ihn auf so düstere Erinnerungen gebracht hat. Sie ist schon im Begriff ihm zu sagen, dass er wirklich nicht darüber reden muss, wenn ihm nicht danach ist, als er ihr versichert:  >"Nein, ist schon in Ordnung. Du kannst mich alles fragen, conasg. Immer."< Das zeichnet ihre Beziehung wirklich aus, dass sie über so vieles reden können und sich meist auch nicht missverstehen.

Ruhig lauscht sie seinen Ausführungen, denn es fällt ihm offensichtlich teilweise nicht leicht. >„Ich weiß, dass es bei dir anders sein wird, Diantha, weil du anders ich bist. Ich könnte dir noch nicht einmal sagen, warum ich mir da so sicher bin, es ist einfach so.“< Nachdenklich schaut sie ihn an, sie lebt jetzt schon seit über anderthalb Jahren mit diesem Schatten Kizumus, der sich immer mit anderen Bildern und Vorstellungen füllt, je nachdem wen sie fragt. Dennoch bleibt es ein Schatten, denn sie hat die Elbin schließlich nie kennen gelernt und kann sich nur ein unvollständiges Bild aus dem bauen, was andere ihr erzählen. >„Und wenn du dir keine Sorgen machst, mache ich mir auch keine." < Bei diesen Worten lächelt sie, sie hat mit Morna schon einmal gescherzt, dass letztlich Olyvar bei der Geburt von Njáll – oder Lahja – mehr Angst haben könnte als Diantha. Während dieser Unterhaltung hatte die Immerfrosterin bereits angedeutet, dass es vielleicht ganz sinnvoll wäre, wenn die Ehefrau des Kastellans bei der Geburt dabei wäre. Ballabar ist eine Seele von einem Mensch, aber Diantha hätte schon lieber eine Frau als Hebamme und mit Morna hat sie auch im Alltag viel mehr zu tun als mit Riaril oder gar Niniane.  Morna hatte ihr fest versprochen, dass sie es, sollte es keine schwerwiegenden Probleme geben, so machen können. Sie ist schließlich bei all ihren Töchtern und Schwiegertöchtern ebenfalls Hebamme gewesen und dass Diantha genauso zur Familie gehört, steht nicht zur Diskussion.
Auf Olyvars Frage nach dem, was sie wissen will, antwortet sie ganz schlicht, dass sie nur wissen will, was er ihr auch erzählen möchte. Für sie ist es durchaus in Ordnung, wenn er manche Dinge eher nicht in Worte fassen möchte, das geht ihr mitunter ja auch so und sie möchte ihn zu nichts drängen. Als er dann aber erzählt hat sie das Gefühl, dass er ihr doch kaum etwas vorenthält und so hört sie aufmerksam zu.  Über Kizumus Schwangerschaftsübelkeit und die ständige Müdigkeit hatte ihr schon Feorna berichtet, doch Olyvars Eindruck ist schon ganz anders, als der einer Magd. >„Obwohl sie zunahm und sich rundete, hatte ich ständig das Gefühl, sie würde weniger und weniger... ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll. Du dagegen wurdest... mehr.“< Das ist natürlich ein schönes Kompliment an sie, aber es zeigt auch, wie unterschiedlich jede Frau eine Schwangerschaft erlebt und ob man jenen, die sie negativer erleben, das zum Vorwurf machen kann, ist natürlich die Frage.

Olyvar fährt fort, erzählt ihr von der Geburt und davon, dass Conn falsch herum lag, was Diantha bislang noch nicht wusste und was so einiges erklärt.  >„Maester Ballabar konnte ihr nicht helfen und Ieras, ihr großer Sohn... ich habe dir ja von ihm erzählt..., musste Loba, eine Hohepriesterin und Heilerin aus dem Faêyristempel holen.“< Ja, er hatte ihr einiges von dem Jungen erzählt und in dem Moment fällt ihr siedend heiß ein, dass am Vortag ja ein Brief angekommen war, den sie Olyvar am Abend vergessen hatte zu geben. Allerdings ist er gerade mitten in seiner Erzählung, deshalb springt sie jetzt nicht sofort aus dem Bett um ihn ihm zu geben. Er fährt fort und redet davon, wie Connavar das Licht der Welt erblickt hat und streut wie nebenbei ein:  >„Sie hatte soviel Blut verloren und ich glaube... ich glaube auch, dass sie irgendwann einfach aufgegeben hat. Bis zum Morgengrauen war nicht sicher, ob sie überleben würde oder nicht...“< Diese Aussage verwirrt Diantha leicht und will keinen rechten Sinn ergeben.  Hätte Kizumu wirklich aufgegeben, dann hätte sie die Nacht ja wohl kaum überlebt?, fragt sie sich, wird dann aber von dem darauf folgenden Satz abgelenkt:  >„… und ich verbrachte die Nacht mit dem Gedanken, dass ich es war, der sie getötet hat."< Sie kann sich vorstellen, wie schrecklich das für ihn gewesen sein muss und plötzlich erinnert sie sich daran, wie entsetzt er ausgesehen hatte, als Njáll – oder Lahja – sie das erste  Mal getreten hatte und schwört sich, ihm nicht noch einmal solche Angst zu machen.
>"Ich kenne den Ort, an dem sie war. Ich war selbst einmal dort, bei den Totenlichtern, nach der Schlacht von Liam Cailidh... niemand kehrt von dort unversehrt zurück, conasg, niemand.“< Unwillkürlich verkrampft sich ihre Hand, die vorher ruhig aus seiner Brust lag bei dem Gedanken daran, wie knapp er ihr genommen worden wäre, bevor sie ihn jemals gekannt hatte. Sie hat in ihrem Leben viel zu viel mit dem Tod gerungen, allerdings nie mit ihrem eigenen, sondern immer nur mit dem geliebter Menschen. Jedes Mal hatte sie jemanden verloren, egal wie sehr sie auch gebeten und gehofft hatte, sie kennt die Hilflosigkeit, wenn man jemanden nicht helfen kann, so sehr man auch will. Sie weiß sogar wie es ist, wenn man dem Verlorenen folgen möchte, weil man das Gefühl hat, dass man die einsam gewordene Welt nicht mehr erträgt. Selbst hatte sie aber nie an der Schwelle des Todes gestanden und war von dort wieder umgekehrt, dennoch hält sie es für nahe liegend, dass es viel im Wesen eines Menschen, und vielleicht auch Elben,  ändern kann, so etwas erlebt zu haben.

Allmählich lösen sich die verkrampften Finger wieder und sie hört seinen Ideen darüber zu, was eventuell mit Einfluss darauf gehabt haben könnte, wie schwer Kizumu an den Kindern trug. Er erzählt davon, dass sie nicht für einander gemacht waren und legt die Gründe dar. Es klingt hart als er feststellt: >„Es gab immer ein Sie und ein Ich, aber kaum ein Wir. Und im Nachhinein betrachtet, glaube ich, dass sie tief in ihrem Innersten, in ihrer Seele, wenn du so willst, nie glücklich war.“< Drei Jahre Ehe und nie wirklich glücklich…, denkt Diantha mit einem Schaudern, ehe ihr in den Sinn kommt: Aber was sind drei Jahre schon für eine Elbin… Sie selbst hatte vor Olyvar nur eine einzige ernsthafte Beziehung und in der hatte es schon an erwiderter Liebe gemangelt – denn Riku glaubte immer Zärtlichkeit, Nähe und gegenseitigen Respekt mit Geschenken ausgleichen zu können, etwas das unmöglich ist, wenn man Liebe kennt. Eben darum, weil Diantha Liebe aus ihrer Kindheit kannte, war sie mit Riku nie wirklich glücklich gewesen, weil sie sich nach viel mehr sehnte als er geben wollte und vielleicht auch konnte. All das und noch weit mehr hatte sie in Olyvars Armen gefunden und ihr wird ein weiteres Mal klar, wie viel Glück sie mit Olyvar gehabt hat, der in so vielen grundlegenden Dingen die gleiche Meinung wie sie hat oder ihre Ansichten immerhin nachvollziehen kann.> „Kizumu war nie mein. Nicht so wie du es bist."< Während er seine Hände in ihrem Haar vergräbt, folgen ihre Finger seiner geraden Nase. „Dein“, wispert sie. Das ist schon wahr, ohne dich könnte ich nicht mehr leben… Fast schon beängstigend, aber es fühlt sich einfach nur richtig an.
Einer der folgenden Sätze lässt sie aufhorchen:  > „Aber... und ich weiß nicht, ob das das Schlimmste daran ist oder der Sinn in allem... ich kann es nicht bedauern - denn das hieße, Conn und Fianryn zu bereuen und das kann und will ich nicht.“< Sie holt prompt Luft – Die Zwillinge bereuen was für eine absolut absurde Idee! – doch Olyvar kommt ihr zuvor:  >„Nichts von allem, was geschehen ist. Denn du und ich, wir gehören zusammen, conasg, das weiß ich, so sicher wie ich weiß, dass die Sonne im Osten über dem Ildorel aufgeht.“ < Das ist wunderschön gesagt, dennoch muss Diantha erwidern: „Wir gehören zusammen, aber zu diesem wir gehören nicht nur wir zwei, sondern genauso Connavar, Fianryn und bald noch jemand.“ Sacht fährt sie sich über ihren Bauch, in dem momentan zur Abwechslung kein Boxkampf aufgeführt wird. „Ich denke, dass wir uns an den richtigen Stellen in unserem Leben begegnet sind, denn wir sind ja beide in eine Situation sozusagen hineingewachsen, in der wir bereit für eine neue Beziehung waren, aber schon wussten, was wir wollten.“ Einen Moment zögert sie und ruft sich seine Worte wieder ins Bewusstsein: >"Aber … ich … weiß wie es ist, jemanden zu lieben und sein Leben mit ihm zu teilen, ihn zu heiraten und Kinder zu haben – und dann irgendwann feststellen zu müssen, dass man den anderen im Grunde überhaupt nicht kennt."<  „Ich wusste jedenfalls genau, was ich nicht noch einmal in einer Partnerschaft erleben wollte und wenn ich so an deine Worte im Larisgrün denke, glaube ich, dass es bei dir auch so war. Außerdem bin ich richtiggehend dankbar, dass du diese Beziehung mit Kizumu hattest, denn die Zwillinge würde ich niemals missen wollen! Also noch einmal die Worte „Zwillinge“ und „schlimm sie nicht bedauern zu können“ in einem Satz und du kriegst es mit mir zu tun.“ Sie grinst ihn fröhlich an, schließlich ahnt sie, dass er das anders gemeint hat doch dahinter steckt erheblich mehr. Der Gedanke ist unerträglich, dass die Zwillinge den Eindruck bekommen könnten, sie wären nicht genauso gewollt worden oder die Liebe, aus der sie entstanden, wäre nicht auch wertvoll gewesen.

Olyvar greift ihre heitere Laune auf und versucht sie mit ihren Hüften und ihrem Hintern zu ärgern, die seiner Begutachtung zufolge breit genug für eine leichte Geburt sind. Leicht spöttisch schaut sie ihn an, sie weiß schließlich ganz genau, wie sehr ihm diese weiblichen Formen gefallen, außerdem findet sie sich selbst so viel femininer als noch vor zwei Zwölfmonden viel akzeptabler. Damals war sie beinah schon androgyn gewesen, so halb verhungert und bar jeder weiblicher Kurven, sie ist stolz darauf, dass sich das so geändert hat. Vermutlich war ich gerade noch jung genug, dass sich mein Körper so umstellen konnte…, grübelt sie und überlegt gleichzeitig, ob sie ihm einen Spruch um die Ohren hauen soll, dass sie diese breiten Körperteile ja auch von ihm fernhalten kann, wenn sie ihn stören. Da wird er allerdings schon wieder ernst: > „Erinnerst du dich an das, was ich in unserer Hochzeitsnacht unter dem Herzbaum zu dir gesagt habe?“< Natürlich tut sie das und gibt ihm das auch mit einem Nicken zu verstehen.  > "Is leatsa m'anam gus an criochnaich ar saoghal"<, wispert er und aus seinem Mund klingt es um Welten schöner, als wenn Diantha selbst versucht es auszusprechen.  >"Und wenn mein Körper aufhört zu existieren, wenn ich sterbe, dann ist meine Seele immer noch dein."< „Eben darum“, antwortet sie leise, „bist du karhuni, mein Bär. Ich weiß, ich werde nie wieder einsam sein, solange du mich liebst. Mein Herz weiß zu wem es gehört und immer gehören wird.“ Sanft legt sie seine Hand an ihren Hals, wo er ihren Herzschlag spüren kann. „Lass uns jetzt nicht über den Tod reden, der kommt ohnehin viel zu früh, sondern über das Leben, das ich nur an deiner Seite verbringen möchte. Und wehe du lachst über deinen Kosenamen!“ Er lacht nicht, sondern scheint zu bemerken, wie ernst es ihr damit ist. „Apropos Leben, du hast eben von Ierás gesprochen, gestern ist ein Brief angekommen, ein Botenjunge hat ihn zu mir gebracht, weil er dich nicht gefunden hat, warte.“ Rasch schlüpft sie aus dem Bett und kehr kurz darauf mit dem Umschlag wieder, den sie Olyvar auffordernd hinhält. Ihr Mann schlägt ihr zwar vor, sie könne den  Brief mit ihm zusammen lesen, was sie ablehnt, sicherlich könnte sie die feine Handschrift entziffern, aber ihr ist es in dieser Situation lieber, dass Olyvar ihn ihr vorliest. Als erstes stellt er fest, dass der Brief wegen des Winters furchtbar lange unterwegs gewesen sein muss und liest vor, dass Kizumu vorerst im Riathar bleiben würde, Ierás und Kea sich allerdings auf den Weg zurück in Richtung Talyra gemacht haben. Mit einem Stirnrunzeln bemerkt Olyvar, dass die beiden diesem Brief zufolge schon seit ungefähr acht Monden unterwegs sein müssen. Bei dem Gedanken, dass Kizumus Erstgeborener jederzeit in Talyra auftauchen könnte, wird Diantha klar, wie wenig sie eigentlich über ihn und seine Gefährtin weiß. „Du hast mir schon einmal von Ierás erzählt, besonders von seinem Erbe. Auch seine Gefährtin, die Hufschmiedin hast du mal erwähnt, aber was haben sie für Persönlichkeiten? Und wo werden sie bleiben, wenn sie zurück in Talyra sind? Ich bin schon ein paar Mal an Kizumus altem Haus vorbei gekommen und na ja, es sieht nicht wirklich so aus, als wäre es für ein junges Pärchen geeignet. Hat die Hufschmiedin auch ein Haus oder werden sie erst hier bei uns unterkommen? Wenn wir Ierás altes Zimmer ein wenig umgestalten wäre das bestimmt machbar…“ Bei diesen Worten sprüht sie schon wieder vor Tatendrang und überlegt bereits, wie man ein breiteres Bett in den Raum einbauen könnte.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 07. Juni 2008, 16:26 Uhr
"Karhuni," wiederholt er leise, so wie Diantha es ausgesprochen hatte, als versuche er den Klang des Wortes.  - es fühlt sich gut an, auf der Zunge und im Herzen. "Du bist der Bär", das hatte sie ihm schon einmal gesagt, in der Julnacht, als er ihr seine Geschenke überreicht hatte. >Ich weiß, ich werde nie wieder einsam sein, solange du mich liebst. Mein Herz weiß zu wem es gehört und immer gehören wird.< Sie nimmt seine Hand und er berührt mit den Fingerspitzen den Pulsschlag an ihrer Kehle, ein leises, lebendiges Pochen unter ihrer Haut, und darunter die zerbrechliche Härte ihrer elegant geschwungenen Schlüsselbeine. >Lass uns jetzt nicht über den Tod reden, der kommt ohnehin viel zu früh, sondern über das Leben, das ich nur an deiner Seite verbringen möchte,<. "Aye, zu Befehl, Mylady. Ich habe auch nicht vor, in absehbarer Zeit zu sterben," versichert er und streckt sich genießerisch wie eine große Katze. >Und wehe du lachst über deinen Kosenamen!< Fordert sie noch und versucht immerhin ihn dabei gebieterisch anzufunkeln - Olyvar lacht nicht, obwohl ihn ihr drohend gerümpftes Näschen bei diesen Worten durchaus dazu reizt. Er weiß genau, was sie mit diesem Namen sagen will und was es ihr bedeutet, nein, er würde nicht lachen. >Apropos Leben,< tönt es einen Moment später unter seinem Kinn, > du hast eben von Ierás gesprochen, gestern ist ein Brief angekommen, ein Botenjunge hat ihn zu mir gebracht, weil er dich nicht gefunden hat, warte.<
"Ein Brief von Ieras?" Echot er überrascht, doch Diantha schüttelt den Kopf, murmelt etwas von Kizumu, windet sich kurz aus seinen Armen und kehrt gleich darauf wieder mit einer Rolle Pergament zu ihm zurück. "Willst du mitlesen?"
"Nein, lies vor."
Olyvar lehnt sich mit dem Rücken an das breite Betthaupt und die Kissen, bricht das Wachssiegel und entrollt den dünnen Papierstreifen. Beim Anblick des Datums runzelt er allerdings die Stirn, es zeigt den 12. Blätterfall 507.  "Der Brief ist vom letzten Herbst... irgendwo muss er unterwegs hängen geblieben sein... oder der Rabe, der ihn gebracht hat, ist ein Schnarchschnabel." Olyvar überfliegt kurz die ersten Zeilen, dann liest er Diantha leise vor, was Kizumu ihm berichtet und worum sie ihn bittet. Als er endet, ist ihnen beiden klar, dass Ierás und Kea praktisch jeden Tag vor der Tür - oder den Toren Talyras - stehen könnten. "Acht Monde sind eine lange Zeit, selbst wenn man bedenkt, dass sie erst im Blätterfall aufgebrochen sind und vielleicht irgendwo überwintert haben," erwidert er bedacht. Und die Götter mögen verhüten, dass der kleine Tunichtgut die irrsinnigste Idee gehabt, die man nur haben kann, wenn man zufällig Dracayren heißt... Sein Blick wandert aus dem Fenster in die Morgendämmerung, die sich pfirsich- und lavendelfarben am Himmel ausbreitet. Vom Süden Arduns ist es ein Katzensprung über den Rhune nach Thunderland, ins Tamarlonische Meer und von dort aus weiter nach Südosten, nach Arnis und ins Ordensland. Lair Draconis? Olyvar hält den Atem an. Nein, so dumm ist er nicht. Das kann er unmöglich gewagt haben, nicht wenn er mit dem Gesicht Ciryaeron Flammenschlags herumläuft! Was Olyvar bei diesen Gedanken nicht einkalkuliert, ist, dass Ierás von seinen Vorfahren wenig bis gar keine Ahnung hat - Kizumus Sohn ist nicht mit den Geschichten über die Drachenkönige aufgewachsen; er kennt ihre Bildnisse in den alten Holzschnitten und Kupferstichen nicht und erst recht hat er nie die zahllosen Statuen Vesayrons I., Naeyris', Trystanes Fischerkönigs oder Niafaeron Drachenherz' gesehen, die in Lair Draconis praktisch an jeder Straßenecke herumstehen. In Talyra und an beinahe jedem beliebigen anderen Ort auf Rohas weitem Rund mag Ierás nicht mehr sein, als ein Halbelb mit vielleicht etwas ungewöhnlichen Augen und lackschwarzem Haar, aber im Ordensland und vor allem in der Stadt der Drachenkönige würde er dank seines Aussehens "Dracayrenprinz" aus jeder Pore atmen. "Und hoffentlich hat er nichts wirklich Blödes angestellt."
>Du hast mir schon einmal von Ierás erzählt, besonders von seinem Erbe. Auch seine Gefährtin, die Hufschmiedin hast du mal erwähnt, aber was haben sie für Persönlichkeiten? Und wo werden sie bleiben, wenn sie zurück in Talyra sind?<
"Ierás ist ein Springinsfeld, aber er hat das Herz am rechten Fleck und Kea ist ein liebes Mädel - eindeutig die vernünftigere der beiden. Jedenfalls war sie das, als sie aufgebrochen sind... sie waren lange unterwegs, conasg. Wenn sie diesen Sommer noch nach Talyra zurückkehren, was ich sehr hoffe, weil ich den verflixten Bengel sonst nämlich suchen lasse, dann waren sie mehr als zwei Jahresläufe fort... ich weiß nicht, wie sie sich vielleicht verändert haben. Wenn ich an Ierás denke, steht mir immer das Bild eines Halbwüchsigen vor Augen, eher ein Junge als ein Mann, ein wenig linkisch und den Kopf oft genug voller Flausen." Mit einem breiten Lächeln brüderlicher Zuneigung (und ganz sicher auch ein wenig mit der liebevollen Herablassung eines großen Bruders) erinnert sich Olyvar an seine allererste Begegnung mit Kizumus Sohn - Ierás war sternhagelvoll und grölend vor Katei no Namesu im Straßengraben gelegen und nachdem Olyvar ihn kurzerhand ins Haus getragen hatte, hatte er den Rest der Nacht damit verbracht, sich gründlich zu übergeben. "Inzwischen ist er älter geworden und vielleicht auch erwachsener... Götter, ich werde ihn gar nicht mehr erkennen."
>Ich bin schon ein paar Mal an Kizumus altem Haus vorbei gekommen und na ja, es sieht nicht wirklich so aus, als wäre es für ein junges Pärchen geeignet. Hat die Hufschmiedin auch ein Haus oder werden sie erst hier bei uns unterkommen?<
"Kea hat ein Haus und eine Schmiede hier in Talyra... nordöstlich von Rhordris Haus auf der anderen Seite des Flusses, nicht weit entfernt vom Haus der Bücher... vielleicht gehen sie dorthin, vielleicht kommen sie aber auch erst einmal zu uns, bis sie sich eingerichtet haben, ich weiß es nicht." Kaum hat er die Möglichkeit, dass Kizumus Sohn und seine Gefährtin vielleicht in den Westflügel ziehen könnten, und sei es auch nur für eine Nacht, um überhaupt erst einmal wieder in der Stadt anzukommen, trifft er damit wohl Dianthas seit einigen Tagen ziemlich ausgeprägten Nestbautrieb, denn sie ist auf der Stelle Feuer und Flamme, und wittert ein neues Betätigungsfeld, jetzt, wo das Kinderzimmer praktisch fertig eingerichtet ist. >Wenn wir Ierás altes Zimmer ein wenig umgestalten wäre das bestimmt machbar...<
"Umgestalten? Conasg, ahm... ich kann mich ja täuschen, aber Ierás ist ein großer Junge. Außerdem mag er sein Zimmer so wie es ist... wenn du immer noch das Gefühl hast, du musst etwas umräumen, dann tob dich ruhig in unseren Räumen aus. Und da gibt es auch noch eine Wiege, die du herrichten kannst. Das sollten wir vielleicht ohnehin bald tun. Wenn du willst, hole ich sie dir nachher vom Speicher."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 11. Juni 2008, 09:20 Uhr
<- Steinfaust


Den ganzen Weg über, die langen Treppen und die hallenden Gänge hinauf in seine Privatgemächer, mustert Olyvar Ierás und Kea aufmerksam, sucht nach Veränderungen, nach Anzeichen, nach allem, was sich auf ihren Gesichtern, in ihren Augen zeigen mag. Er hätte Ierás so gern in den Arm genommen und fest an sich gedrückt wie den kleinen Bruder, den er so vermisst hatte, und gleichzeitig hätte er beide am liebsten geschüttelt und geschüttelt. Tausend Fragen schlagen in seinen Gedanken Purzelbäume: Warum? Wie konnte er nur? Wie konnte er nicht? Weiß Kea inzwischen wer er ist und was er ist, und WAS das bedeutet? Weiß sie, was es für das Kind bedeutet, dass sie unter dem Herzen trägt? Wenn ja, was haben sie sich dabei nur gedacht? Hat Ierás mir denn damals nicht zugehört?  Wo haben sie gesteckt? Sind sie wenigstens verheiratet? Doch alles, was er in ihren Gesichtern entdecken kann, ist Erschöpfung, Erleichterung, Verwirrung, Freude und eine vage Sorge, die dann wohl ihm und seiner Reaktion gilt. Als sie den Westflügel erreichen, die Kinder vorausstürmen und Diantha Kea hineinführt, und erst einmal zum Tisch bittet, während sie Dandelayn, der ihnen gerade entgegen kommt, im Vorbeigehen noch rasch aufträgt, ihnen etwas zu essen heraufzubringen, hält Olyvar Ierás kurz zurück. Bevor sie alle reden, muss er den Jungen unter vier Augen sprechen.

"Auf ein Wort," sein Blick sucht den Ierás' und hält ihn fest. "Weiß Kea wer du bist und was du bist? Weiß sie, was das möglicherweise für euer Kind bedeutet? Die Götter mögen verhüten, dass es so ist, aber... verdammt... Ierás, möglich ist es, das weißt du. Du musst es ihr sagen. Wenn sie es nicht weißt, dann musst du es ihr sagen, Ierás. Du musst." Olyvar holt tief Luft und in diesem Augenblick gehört Kizumus Sohn sein ganzes Mitgefühl - und sein ganzer Ärger, aber das Mitleid überwiegt. "Götter, ich will nicht in deiner Haut stecken, vor allem nicht, wenn sie keine Ahnung hat... Noch etwas - die Zwillinge erinnern sich vermutlich nicht an euch, sie erinnern sich auch kaum an ihre Mutter, also erwarte nicht zuviel," fährt er leise fort. "Aber ich soll dich von deiner Mutter grüßen. Es geht ihr gut. Wir schreiben uns hin und wieder... Ich halte sie über die Zwillinge auf dem Laufenden und sie fragt nach dir. Sie hat wohl gewusst, dass ihr erst mondelang in der Weltgeschichte herumgondeln würdet, ehe ihr nach Talyra zurückkehrt. Wie auch immer - das Turmzimmer wartet auf euch, a charaid. Und... Ierás, da ist noch etwas. Diantha ist meine Frau - und wie du sehen kannst, erwarten auch wir ein Kind. Komm, gehen wir... erst einmal setzen und essen... und dann reden wir."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 12. Juni 2008, 00:46 Uhr
Es ist ein furchtbares Spektakel, das sie bei ihrer Ankunft in der Steinfaust veranstalten.  Savah und Fayza steigen, springen, tänzeln unruhig hin und her, schreien, dass man Angst um sein Hörvermögen kriegen kann und stecken natürlich sowohl die anderen Pferde, als auch die beiden jungen Hunde mit ihrer Aufregung an. Edanwen scheint es nicht im geringsten zu interessieren, dass es begrüßenswert wäre, würde er mit einer schwangeren Kea wie auf rohen Eiern in die Steinfaust schweben, ganz im Gegenteil. Der rotbraune Hengst wirft den Kopf hoch versucht seine Stuten im Blickfeld zu behalten und die beiden Feuerblutstuten mit trompetendem Wiehern an seiner Seite zu halten. Caristo, der nun schon zwei und einen halben Zwölfmond zählt, lässt es sich natürlich in nichts nachstehen und versucht mindestens so wichtig zu erscheinen wie sein Vater. Kurzum, Ierás und Kea haben alle Hände voll zu tun ihre tierischen Schützlinge einigermaßen zu beruhigen, während ihre Hunde mit lautem Gebell ebenfalls versuchen ihre Herde zusammen zu treiben.
Für die beiden jungen Hunde ist die ganze Aufregung natürlich ein riesiger Spaß, Kea ist allerdings kurz davor einem Pferd nach dem anderen den Hals umzudrehen. Trotzdem versucht sie sich nichts anmerken zu lassen, unablässig Beruhigungen in Edanwens Ohr murmelnd.
Ierás reicht ihr eine Hand als sie vom Pferd steigt, wobei sie versucht nicht wie ein völliger Idiot auszusehen, was mit dem dicken Bauch allerdings ganz schön schwierig geworden ist. Dabei ist Kea verhältnismäßig eigentlich noch beweglich geblieben, schließlich hat sie die meiste Zeit ihrer Schwangerschaft damit verbracht quer durch die Immerlande zu reiten und dabei andauernd auf- und wieder abzusteigen.
Stallburschen sammeln sich pflichtbewusst um ihre Tiere, greifen nach Stricken und Zügeln um die Pferde in den Stall zu bringen. Kea zögert einen Moment, hält an Edanwens Zügeln fest und murmelt etwas von „Ich würde lieber selbst…“ doch in diesem Moment werden sie von einer jungen blonden Frau angesprochen in deren Begleitung sich zwei kleine Halbelben befinden deren Gesichter selbst nach der langen Zeit die Kea nun fort war für die Schmiedin unverkennbar sind. Sie lässt also zu, dass ein Stallbursche Edanwen fort führt, nicht ohne sich vorzunehmen später noch einmal nach zusehen ob alles in Ordnung ist.
Die Zwillinge interessieren sich hauptsächlich für Ruaidh und Miya, die von der plötzlichen Aufmerksamkeit die ihnen zuteil sind außerordentlich begeistert sind, aber Kea kann bei ihrem Anblick nur noch nicken als sie fragen ob sie die Hunde denn streicheln dürften. Seit sie schwanger ist, ist Kea ohnehin schon emotional, aber die lang ersehnte Heimkehr und nun auch das Wiedersehen mit den Zwillingen ist fast zu viel für die Schmiedin. Erst spürt sie nur einen Kloß im Hals, aber dann merkt sie schon wie sie gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen muss, so gerührt ist sie. Sie sind so groß geworden!
> Rakkaani, das könnt ihr die Zwei auch später noch fragen, sie haben eine lange Reise hinter sich und müssen sich jetzt erst mal ein wenig ausruhen. Kommt doch bitte mit in den Westflügel, es war gewiss ein anstrengender Tag. Ich werde uns etwas zu essen bringen lassen und dann können wir weiterreden, in Ordnung? <
Die tränenreiche Szenerie wird beendet bevor sie überhaupt begonnen hat als Diantha, so hat sich die blonde Frau vorgestellt, die Zwillinge zur Ordnung ruft und sie bittet doch mit ihnen in den Westflügel zu kommen. Obwohl er eigentlich nicht zu übersehen ist, fällt Kea erst jetzt Dianthas Babybauch auf der ungefähr die gleiche Größe hat wie der Keas, was der Schmiedin ganz automatisch ein Lächeln entlockt und sie glücklich seufzend die Hand auf ihren eigenen runden Leib legen lässt.
Sie kommen gar nicht weit, da werden sie auch schon von Olyvar entdeckt. >Ierás!< Der Lord Commander fällt Keas Ehemann um den Hals, drückt ihn wie einen verloren geglaubten Bruder fest an sich. Den Gedanken was Olyvar zu dem Kind sagen würde hat sie bis jetzt so weit wie möglich von sich geschoben, doch diese Möglichkeit bietet sich jetzt wirklich nicht mehr.
Er wird sich freuen! Bestimmt wird er sich für uns freuen, es ist ja auch was Schönes. Olyvar mag doch auch Kinder. Er wird sich freuen! redet sie sich gedanklich ein. Das Ungeborene spürt wie immer ihre Aufregung bevor Kea es tut und tritt heftig von innen gegen Keas Bauch, sodass man die Beulen die sich aus ihrer Bauchwand stülpen sogar durch das Kleid hindurch sehen kann. Er wird sich freuen! wiederholt Kea noch einmal, diesmal mehr um das Kind zu beruhigen, doch in diesem Augenblick dreht Olyvar sich zu ihr um, erstarrt in der Bewegung und seine Augen weiten sich erschrocken als er seinen Blick auf ihren Kugelbauch wirft. Na gut, er freut sich nicht…
>Was...? Wie…?< Kea verkneift es sich diese Fragen zu beantworten, besonders angesichts des völlig undeutbaren Gesichtsausdrucks Olyvars. Unwillkürlich zieht sie den Kopf ein wenig zwischen die Schultern ein um sich noch kleiner zu machen als sie ohnehin schon ist, aber das hilft wenig, ihr Bauch macht sie einfach unübersehbar und den kann sie nur schwer einziehen.
> Vergesst das 'wie'. Rachamaid! Kommt. Ihr müsst hungrig und müde sein - und wir müssen reden. Ich habe einige Neuigkeiten für euch - und ihr ja wohl auch für mich, wie es aussieht.<
Seine Stimme klingt beherrscht, fast ein wenig zischend und Kea bedauert, dass ihr Wiedersehen nun so ausfällt und von der vorherigen Herzlichkeit nicht mehr viel da ist und so folgt Kea den anderen in Richtung Westflügel ohne auch nur ein Wort der Begrüßung gesprochen oder erhalten zu haben.

Kea folgt Diantha und den Zwillingen, die immer noch ganz begeistert mit den Hunden spielen, in den Westflügel. Sie wirft nur einen kurzen besorgten Blick auf Olyvar und Ierás die hinter der geschlossenen Türe zurück bleiben, vertraut aber dann einfach darauf, dass Olyvar Ierás schon nicht den Kopf abreißen wird.
Die Räume sehen ganz anders aus als Kea sie in Erinnerung hat, aber nicht weniger hübsch und geschmackvoll eingerichtet. Einige Zeit hält Kea sich damit auf sich im Raum genauestens umzusehen ehe sie dann Diantha etwas unbehaglich zulächelt. Das liegt nicht daran, dass Diantha Olyvars Frau zu sein scheint – die vertraute Art der beiden sich anzusehen hat dies sofort verraten, dafür bräuchte Kea keine Empathie oder gar hellseherische Fähigkeiten. Jetzt fragt sie sich was die Immerfrosterin wohl von ihnen weiß, denn dass sie sie vorhin zumindest sofort erkannt hat ist klar und ob Olyvar ihr von Ierás Erbe erzählt hat, von den Drachenkönigen, Brudermord und was bei dieser Geschichte eben so alles dazugehört. Sie fragt sich auch wie viel Olyvar eigentlich weiß, immerhin stammt er eigentlich aus dem Osten und wahrscheinlich weiß er wesentlich mehr als Kea, die einiges ja erst durch ihren Aufenthalt in Lair Draconis erfahren hat.
Vorsichtig lässt Kea sich in einen der breiten Sessel sinken und nimmt dankend einen Becher Fliederblütensaft von Diantha an, nicht ohne dabei nicht immer wieder einen Blick auf die spielenden Zwillinge zu werfen. Die blonde Frau, die, wie Kea bemerkt, außergewöhnlich hübsche blaue Augen hat, setzt sich der Hufschmiedin gegenüber und lächelt sie freundlich an.  

„Wie lange ward ihr jetzt eigentlich unterwegs - oh ist es in Ordnung, wenn ich euch duze?“ fragt Diantha schließlich und Kea ist erleichtert, dass ihr Gegenüber ein unverfängliches Gespräch begonnen hat und sie nicht gleich mit etwas wie „Wie konntet ihr euch nur einfallen lassen ein Kind zu zeugen!“ überfällt.
„Natürlich darfst“, sie zögert ein bisschen ehe sie weiter spricht, geht aber davon aus, dass Diantha einverstanden ist wenn Kea ebenfalls du sagt, da sie sie ja auch danach gefragt hat. „du mich duzen, ich bin Kea.“ Kea ist sich zwar ziemlich sicher, dass Diantha weiß wie sie heißt, möchte sich aber einfach aus Höflichkeit gerne noch selbst vorstellen.
„Hm… lange!“ ist das nächste was sie erwidert und zieht die Stirn in Falten während sie darüber nachdenkt wie lange es nun eigentlich wirklich ist. „Vor über 2 Zwölfmonden sind wir zum Riathar aufgebrochen, haben dort den Sommer verbracht und sind jetzt ungefähr 9 Monde unterwegs gewesen. Bevor Kea noch etwas anderes sagen kann steht Fianryn neben ihr und zieht sanft, aber doch bestimmt an ihrem Ärmel. >Wie heißen denn die Hunde?<  Beim Blick in die graublauen Mädchenaugen, die Kea doch an Kizumu erinnern, steigt wieder eine Welle der Rührung in ihr auf, die sie nur mühsam nieder kämpfen kann. „Rhuaidh und Miya heißen sie.“ Keas Stimme ist kurz ein wenig belegt, aber dann hat sie sich wieder gefasst und zeigt den Zwillingen welcher der beiden Hunde welcher ist. „Und wie alt sind sie?“ meldet sich jetzt auch Connavar vom Boden aus, wo er gerade fest über Rhuaids dargebotenen Bauch streichelt. „8 Monde sind sie alt.“ Das überrascht Kea fast selbst. Wir sind wirklich lange fort gewesen.
Während sie so in dem großen Sessel sitzt und an ihrem Getränk nippt, merkt Kea wie ihr mal wieder der Magen zu knurren beginnt. Hunger haben sie nie leiden müssen, aber eine solche Auswahl an Proviant, dass Kea ihren Essgelüsten hätte nachgehen können, hat das junge Ehepaar auch wieder nicht gehabt. In der Steinfaust herrscht aber üblicher Weise kein Mangel an Essbarem und so grinst Kea zwar verlegen, aber ihr Essenswunsch überwiegt gegenüber ihrer Schüchternheit.
„Das klingt jetzt vielleicht seltsam und ich weiß, gleich kommt etwas zu essen, aber ihr habt nicht zufällig azurianische Pfefferschoten und etwas Honig da?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 12. Juni 2008, 12:52 Uhr
Ierás hatte seine Frage zwar an Connlaoth gerichtet, doch es ist eine Frauenstimme, die ihm antwortet. >Er ist schon auf dem Weg. Herzlich willkommen in der Steinfaust!< Die Männer treten beiseite und geben den Blick auf eine hochgewachsene, blonde Frau frei. Das erste was ihm an ihr auffällt sind ihre himmelblauen Augen, aber dann fällt sein Blick auf ihren sich weit vorwölbenden Bauch und sein Lächeln wird noch eine Spur weicher. Ihre Worte lassen die Männer, welche die Pferde zwar am Zügel halten und versuchen die Tiere zu beruhigen, in rege Betriebsamkeit ausbrechen. Sie werfen Kea und ihm noch einen fragenden Blick zu, dann führen sie die Pferde in Richtung der Stallungen davon. Sie ist neu in der Steinfaust... jedenfalls kennen wir sie noch nicht, aber die Männer hören auf sie... Er zieht Kea ein kleines Stück näher an sich heran und will sich gerade vorstellen, als die junge Frau ihm schon zuvor kommt. > Mein Name ist Diantha und...< Auch Diantha kommt nicht weit; eine vorwitzige Kinderstimme dringt von weiter unten herauf, dicht gefolgt von einer zweiten. Ich bin Connavar!< > Ich heiße Fianryn. Dürfen wir mit den Hunden spielen?< Er hatte nicht erwartet, seinen Halbgeschwistern sofort zu begegnen und er wirft der jungen, blonden Frau einen raschen Blick zu, mit dem er abzuschätzen versucht, welche Rolle Diantha im Leben der Zwillinge spielt. Offenbar eine große, denn die Kinder werden erst einmal ermahnt, dass sie mit ihren Fragen noch etwas warten müssen, bis sich der Besuch ein wenig erholt hat. Diantha will sie gerade in Richtung des Westflügels lotsen, als Olyvar, verschwitzt und mit einem Übungsschwert in der Hand auf sie zueilt. Für einen winzigen Moment ist Ierás versucht, sich irgendwo vor dem großen, bewaffneten Mann zu verstecken, während er gleichzeitig Kea noch ein Stück zu sich heran zieht. Doch der Lord Commander hat anscheinend nicht vor, ihm das Schwert über den Schädel zu ziehen. Stattdessen versinkt Ierás in einer Umarmung, die er erleichtert erwidert. Er weiß nicht genau, was er erwartet hatte, aber dass es keine Standpauke ist, erleichtert ihn ungemein. > Himmel, bist du gewachsen! Es tut so gut, dich zu sehen! Wo bei allen Höllen habt ihr nur so lange gesteckt! Und Kea...< Ierás zuckt ein wenig verlegen mit den Schultern und beobachtet Olyvar, der sich zu Kea umwendet und beim Anblick ihres gewölbten Leibes ins Stocken kommt. > Was...? Wie..?< Ierás ist versucht in ein nervöses Kichern auszubrechen, aber die Bestürzung auf Olyvars Gesicht lässt ihn die Zähne zusammenbeißen. Dianthas Rolle in der Steinfaust erklärt sich in dem Blickwechsel zwischen ihr und Olyvar, ehe letzterer sie alle förmlich in den Westflügel hinauf scheucht. Ierás hält Keas Hand fest, er spürt deutlich wie enttäuscht seine Frau über Olyvars Reaktion ist und wie gut ihr die unkomplizierte Begrüßung und Gratulation des Kastellans der Steinfaust tut.

Die beiden Frauen folgen den voranstürmenden Kindern und Hunden in die große Halle und Ierás will ihnen gerade folgen, als Olyvar ihn am Arm zurückhält. >Auf ein Wort. Weiß Kea wer du bist und was du bist? Weiß sie, was das möglicherweise für euer Kind bedeutet? Die Götter mögen verhüten, dass es so ist, aber... verdammt... Ierás, möglich ist es, das weißt du. Du musst es ihr sagen. Wenn sie es nicht weißt, dann musst du es ihr sagen, Ierás. Du musst. Götter, ich will nicht in deiner Haut stecken, vor allem nicht, wenn sie keine Ahnung hat. Noch etwas - die Zwillinge erinnern sich vermutlich nicht an euch, sie erinnern sich auch kaum an ihre Mutter, also erwarte nicht zuviel.< Er erwidert Olyvars Blick ruhig und legt sich seine Worte gut zurecht. "Meine Frau weiß, wer ich bin. Sie weiß es schon lange und wir sind uns beide der Gefahr bewusst, glaub mir. Es war auch sicher nicht geplant, aber... Himmel ich freue mich darüber." Er bricht in ein breites Grinsen aus, wird aber sofort wieder ernst. "Ich weiß, dass du dir Sorgen machst und es tut gut, jemanden zu haben der sich sorgt, aber... Könntest du mir zuliebe wenigstens vor Kea so tun, als würdest du dich freuen? Sie.. es ist ihr wirklich wichtig, was du sagst." Es ist ihm zwar ein wenig unangenehm, so mit Olyvar zu sprechen, schließlich war dieser immer so etwas wie ein großer Bruder für ihn gewesen. Aber er hatte die Enttäuschung Keas zu deutlich gespürt, als das er dazu einfach schweigen kann. "Ah.. ähm ich hoffe...also Loba, wir haben sie unterwegs zufällig getroffen, ich soll dir einen schönen Gruß ausrichten. Loba hat uns getraut und.. ich hoffe es ist in Ordnung, dass ich den Namen von Tarascon gewählt habe? Du hattest es mir einmal angeboten. Wir hätten auch Mutters Namen annehmen können, aber dies hier ist Talyra, nicht der Riathar."
Er macht eine vage Geste mit der Hand und beschließt, Olyvar erst einmal nicht zu erzählen, wo genau sie Loba getroffen hatten. Dann hätte er einen guten Grund mir den Kopf abzureißen. Durch die geschlossene Tür ist das fröhliche Quietschen der Zwillinge zu hören, die anscheinend mit Miya und Ruaidh durch die Halle  toben. Ierás hatte zwar nicht erwartet, von den Kindern sofort als der große Bruder erkannt zu werden, aber es versetzt ihm dennoch einen kleinen Stich. Er reibt sich mit der rechten Hand übers verschwitzte Gesicht und als Olyvar weiterspricht, taucht das Grinsen darin wieder auf. >Aber ich soll dich von deiner Mutter grüßen. Es geht ihr gut. Wir schreiben uns hin und wieder... Ich halte sie über die Zwillinge auf dem Laufenden und sie fragt nach dir. Sie hat wohl gewusst, dass ihr erst mondelang in der Weltgeschichte herumgondeln würdet, ehe ihr nach Talyra zurückkehrt. Wie auch immer - das Turmzimmer wartet auf euch, a charaid. "Was.. ich meine, was hast du ihnen erzählt? Stellen sie überhaupt Fragen?" Er erinnert sich an den Blick zwischen Olyvar und Diantha und wenn er richtig liegt, ist die Frau mindestens sieben Monde in der Steinfaust. Naja, etwas mehr, ein wenig Zeit zum herum probieren muss man ja auch haben... Aber mehr als sieben Monde sind eine lange, lange Zeit für so kleine Kinder. Das Knurren seines Magens reißt ihn aus seinen Gedanken, doch Olyvar hat noch etwas loszuwerden. >Und... Ierás, da ist noch etwas. Diantha ist meine Frau - und wie du sehen kannst, erwarten auch wir ein Kind. Komm, gehen wir... erst einmal setzen und essen... und dann reden wir.< Auf Ierás Gesicht breitet sich ein warmes Lächeln aus und er klopft Olyvar auf die breite Schulter. "Gratuliere dir! Aber etwas zu essen klingt wirklich.... fantastisch. Weißt du, Seereisen sind so gar nichts für mich." Mit einem verschmitzten Grinsen hält der junge Mann sich die Hand vor den Bauch und verdreht theatralisch die Augen. "Ich muss dich nachher noch etwas wichtiges fragen, aber das hat auch wirklich Zeit."
Als sie die Halle betreten fällt ihm als erstes die veränderte Einrichtung auf, aber dann wird seine Aufmerksamkeit von Keas leiser, ein wenig amüsiert klingender Stimme angezogen. > Das klingt jetzt vielleicht seltsam und ich weiß, gleich kommt etwas zu essen, aber ihr habt nicht zufällig azurianische Pfefferschoten und etwas Honig da?< Er tritt lächelnd zu seiner Frau, die in einem der Sessel Platz genommen hat und legt ihr die Hand leicht auf eine Schulter. "Den Göttern sei Dank, dass es nur azurianische Pfefferschoten mit Honig sind, auf dem Schiff hat sie den Schiffskoch mit ihren Wünschen beinahe in die Verzweiflung getrieben." Ierás hat kaum ausgesprochen, als auch schon Dandelayn gefolgt von zwei Mägden mit Tabletts die Halle betritt. Sie stellen frisches Brot, kaltes Fleisch, einen kleinen Laib Käse und zumindest einen Topf Honig auf den Tisch und der Kämmerer grinst, als Diantha die Bitte Keas wiederholt. Nur wenig später steht eine kleine Schale voller Pfefferschoten vor Kea, die diese genussvoll in den Honig taucht um dann beides zusammen zu essen. Ierás verzieht bei diesem Anblick kurz das Gesicht; er isst zwar selbst gerne scharf und auch süß, aber nicht unbedingt zusammen.

Kinder und Hunde haben sich mittlerweile müde gespielt und während die Zwillinge sich auf die Schöße Olyvars und Dianthas verteilt haben, liegen die beiden Hunde zu ihren Füßen zusammengerollt. Kea und Ierás erzählen abwechselnd von ihren Erlebnissen auf ihrer Reise; von dem überstürzten Aufbruch, der langen, schweren Krankheit Keas, von ihrer Ankunft im Riathar und der elbischen Beerdigung und ihrer Zeit im Inneren des Berges. Kea erzählt mit glänzenden Augen davon, was sie alles von dem Silberschmied gelernt hat und Ierás kann sehen, dass seine Nachricht, er habe zumindest begonnen, seine Kräfte zu beherrschen, bei Olyvar einige Erleichterung hervorruft. Sie erzählen auch von ihrem kleinen Umweg durch das Gräserne Meer, von ihren Begegnungen mit den Resande und den Thrandraki und von diesem Punkt springt Ierás auch sofort auf ein anderes Thema um. Er würde Olyvar vorerst nichts von ihrem Aufenthalt in den Drachenlanden erzählen; dafür hatten sie auch noch Zeit, wenn sie keine kindlichen oder schwangeren Zeugen haben. Muss ja nicht sein, das die Kinder mitkriegen wie ihr Vater mir den Schädel vom Rumpf trennt...
"Tja, jedenfalls haben wir jetzt einiges Kapital und diese beiden Stuten... Nigrés und Edanwen natürlich und Caristo und Gærem, ihre Fohlen. Wir haben überlegt, mit ihnen zu züchten. Dafür brauchen wir aber mehr Platz als wir in der Hufschmiede oder im Katei hätten. Weißt du vielleicht von einem Hof in der Nähe der Stadt, der zum Verkauf steht?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 17. Juni 2008, 00:24 Uhr
>Meine Frau weiß, wer ich bin. Sie weiß es schon lange und wir sind uns beide der Gefahr bewusst, glaub' mir. Es war auch sicher nicht geplant, aber... Himmel ich freue mich darüber.  Ich weiß, dass du dir Sorgen machst und es tut gut, jemanden zu haben der sich sorgt, aber... Könntest du mir zuliebe wenigstens vor Kea so tun, als würdest du dich freuen? Sie.. es ist ihr wirklich wichtig, was du sagst.< Olyvar nimmt die neue Selbstsicherheit von Ieras ebenso leise erstaunt hin wie dessen mühsam im Zaum gehaltene Freude über das Kind, aber seine Worte treffen ihn auch. Nein, er ist wirklich kein Junge mehr. "Himmel Ieras, glaub mir, ich habe es satt immer der zu sein, der die unschönen Wahrheiten ausspricht...," erwidert er resigniert und blickt einen Moment auf seine staubigen Stiefelspitzen. "Aber irgendjemand muss es tun. Sich der Gefahr bewusst... a dhias bheannaichte!" Dann hebt er den Blick und seine Augen suchen die von Kizumus Sohn. "Ich freue mich für euch... das tue ich wirklich und ich hoffe du weißt, dass ich euch damit nicht allein lassen werde. Ihr seid auch meine Familie - und ich werde es Kea sagen, wenn es ihr so viel bedeutet. Du weißt, ich bin bestimmt der letzte, der euch ein Kind nicht gönnen würde... aber ich kann nicht so tun, als würde ich mir keine Sorgen machen, Ieras." Lass uns beten und hoffen, dass euer Kind der nächste Trystane wird und nicht der nächste Vhaerago. "Und ihr solltet das auch nicht."
>Ah.. ähm ich hoffe...also Loba, wir haben sie unterwegs zufällig getroffen, ich soll dir einen schönen Gruß ausrichten. Loba hat uns getraut und.. ich hoffe es ist in Ordnung, dass ich den Namen von Tarascon gewählt habe? Du hattest es mir einmal angeboten. Wir hätten auch Mutters Namen annehmen können, aber dies hier ist Talyra, nicht der Riathar.< Olyvar kann gar nicht anders, als bei diesen Worten in ein breites und ziemlich albern gerührtes Grinsen auszubrechen. Dann streckt er die Hand aus, ohne nachzudenken, um Ieras wie früher das Haar über der Stirn zu zerzausen, als wäre er immer noch der halbwüchsige Bengel, den er kennen gelernt hatte. "Riamh, mo brathair." Immer, mein Bruder.

Als die Sprache auf die Zwillinge kommt, wird Ieras jedoch wieder ernst, auch wenn es ihn freut, die Grüße von seiner Mutter zu hören. >Was.. ich meine, was hast du ihnen erzählt? Stellen sie überhaupt Fragen?< Seufzend fährt Olyvar sich durch die eigenen Haare und lehnt sich dann an kühle, halbhoch mit Holz vertäfelte Steinwand in seinem Rücken. "Was soll ich ihnen denn sagen, Ieras? Eure Mutter hat euch verlassen, weil sie unglücklich war, aber es hat ihr das Herz gebrochen? Sie würden doch nur sich die Schuld geben und das will ich nicht. Und mir fällt beim besten Willen nicht ein, wie ich ihnen die Wahrheit erklären könnte, so dass sie sie auch verstehen, dazu sind sie noch viel zu klein. Es wäre einfacher, wenn sie Fragen stellen würden, glaub mir... aber das tun sie nicht. Als Kizumu ging, waren sie fast noch Babys. Sie konnten nur nach ihr jammern, aber keine Fragen nach einem Wann oder Ob stellen... und erst recht nicht, nach einem Warum. Einmal... " er hält inne und erinnert sich an jene Nacht, als Kizumu ihr Leben, ihre Kinder und ihn im Westflügel zurückgelassen hatte... "einmal hat Conn nach ihr gefragt. Deine Mutter war gerade gegangen. Wir haben unsere letzten Worte in den Kinderzimmern gewechselt, sie... hat sich dort verabschiedet. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, wachte Conn kurz auf und fragte: Am bheil thu ann, mathair? Bist du noch da Mutter?" Olyvar zuckt vage mit den Schultern. "Ich sagte ihm, ich wäre hier... was hätte ich sonst tun sollen? Dann kam Diantha als Kindermagd zu uns und die Zwillinge haben sie vom ersten Moment an geliebt und sie sie ebenso. Inzwischen sehen sie in ihr ihre Mutter - das haben sie übrigens schon, bevor ich angefangen habe, in Dia mehr zu sehen - und ich bin unendlich froh darüber, Ieras. Nicht wegen Diantha oder mir, sondern wegen Conn und Fianryn."
Als Olyvar noch hinzufügt, dass Diantha seine Frau ist, reagiert Ieras mit vorbehaltlosen Glückwünschen, Schulterklopfen und breitem Grinsen. >Gratuliere dir! Aber etwas zu essen klingt wirklich.... fantastisch. Weißt du, Seereisen sind so gar nichts für mich.< Olyvar lächelt vielsagend. "Seit über einem Jahr, im Übrigen, also spar dir die frechen Spekulationen... aber du hast Recht - essen klingt wirklich fantastisch und da sitzen zwei Hochschwangere am Tisch. Wenn wir uns nicht beeilen, bekommen wir überhaupt nichts mehr ab."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 17. Juni 2008, 12:36 Uhr
Diantha bemerkt, wie Ierás Blick auf ihr ruht, abschätzend, aber nicht unfreundlich, und beantwortet ihn zunächst nur mit einem Lächeln. Es würde Zeit bleiben, um zu reden, außerdem ist sie der Meinung, dass sie niemandem hier etwas beweisen muss. Sie liebt ihren Mann und die Zwillinge aus vollem Herzen, das sollte ihrer Ansicht nach alles sein, was zählt. Denen genüge ich, auch wenn ich keine perfekte Lady bin... Schließlich hat Olyvar damals gesagt, er ginge überall mit mir hin, wenn ich ihn begleiten möchte. Die Erinnerung an die Worte ihres Manns ist beruhigend und gibt Diantha ihre Gelassenheit zurück. Eben dieser lässt wie erhofft nicht lange auf sich warten, sondern drängt sich, kaum dass sie sich überhaupt erst auf den Weg in Richtung Westflügel gemacht haben, durch die Masse der übrigen Blaumäntel, um Ierás prompt in eine Umarmung zu ziehen. Bei der Feststellung >Himmel, bist du gewachsen!<, muss Diantha doch sehr grinsen, das klingt wieder ganz nach großem Bruder, doch von seiner Überschwänglichkeit bleibt bei Keas Anblick nicht viel übrig. Die Immerfrosterin hat nach dem, was Olyvar ihr über Ierás Erbe erzählt hat, nicht erwartet, dass er in Begeisterungsstürme ausbrechen würde, aber die Bestürzung, die sich für den Bruchteil eines Augenblicks auf seinem Gesicht abzeichnet, überrascht sie doch. Rasch ändert sich seine Miene und wirkt mit einem Mal unberührt, dennoch ahnt Diantha, dass sich hinter der Maske die Gefühle überschlagen. Sein Blick wandert zwischen Ierás und Kea hin und her, bis er schließlich bei der Immerfrosterin landet, die ihn eindringlich mustert. Ich verstehe dich, aber kannst du es nicht auch nachvollziehen?, fragen ihre Augen, woraufhin er die Sprache wieder findet. Allerdings schlägt er nicht den freundlichsten Ton an, durchaus verständlich, dennoch tut es Diantha ein wenig für Kea leid, so begrüßt zu werden, daher lächelt sie der Halbelbin aufmunternd zu. Sie für ihren Teil kann den Wunsch nach einem Kind trotz allem schlechten Erbe gut nachvollziehen. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg in Richtung Westflügel, was natürlich nicht unbemerkt bleibt und jede Menge Blaumäntel auf den Plan ruft, die das Paar von früher kennen. Unter ihnen ist auch Rhordri, dessen Glückwünsche die Zwei besonders zu freuen scheinen.

Schließlich erreichen sie mit einigen Verzögerungen den Westflügel, wo Olyvar sich als erstes Iéras schnappt, um ein ernstes Wort mit ihm zu wechseln. Somit sind Diantha und Kea jetzt mit den Zwillingen und den Hunden alleine - glücklicherweise sind sie nicht nur zu zweit, sonst wäre die Stimmung wahrscheinlich noch befangener, als sie ohnehin schon ist. Schließlich kennen sich die beiden erst seit wenigen Minuten, es ist eben doch etwas ganz anderes ob man von jemandem nur hört oder ihm gegenüber sitzt. Kea schaut sich zunächst einmal in der umgestalteten Halle um, natürlich, sie kennt noch die alte Einrichtung. Diantha hätte gerne gewusst, ob es Kea gefällt, will sie aber nicht drängen, denn ein ehrliches "Nein" wäre für sie beide nicht sehr angenehm. Zunächst einmal versorgt die Immerfrosterin Kea, die Zwillinge und sich selbst mit Fliederblütensaft, nachdem sie ganz verrückt ist, denn er ist recht süß und lässt sich gut kühl halten. Währenddessen hat sie Gelegenheit, sich die Gefährtin von Kizumus Sohn ein wenig näher zu betrachten, denn die Zwillinge beschäftigen sich, kaum dass sie ausgetrunken haben, wieder begeistert mit den jungen Hunden. Hätte Olyvar es ihr nicht vorher erzählt, wäre Diantha bei dem Anblick Keas nicht unbedingt auf die Idee gekommen, dass sie eine Hufschmiedin sein könnte. Nicht einmal 5 ½ Schritt groß hat diese dunkeläugige Frau mit der hellen Haut und den langen, tiefschwarzen Haaren nicht viele Ähnlichkeiten mit den breitschultrigen, stiernackigen und muskelbepackten Hufschmieden, die Diantha aus Immerfrost kennt. Das macht Kea natürlich augenblicklich interessant, aber Diantha kann sie ja schlecht gleich auf Anhieb mit Fragen zu ihrem Beruf überfallen und wählt stattdessen ein möglichst unverfängliches Thema, um ein Gespräch zu beginnen: "Wie lange ward ihr jetzt eigentlich unterwegs?" Da fällt ihr siedend heiß ein, dass es der Schmiedin ja durchaus unangenehm sein könnte, von Vorneherein mit dem vertraulichen "Du" angesprochen zu werden und sie schiebt noch rasch hinterher: " - oh ist es in Ordnung, wenn ich euch duze?" Mit etwas Glück bin ich jetzt gleich in das erste Fettnäpfchen getreten..., schilt sie sich selbst, doch dem ist nicht so. Bereitwillig antwortet ihr Kea: >Natürlich darfst du mich duzen, ich bin Kea.< Die Immerfrosterin bemerkt das Zögern vor dem Du und entspannt sich ein wenig, ihrem Gegenüber geht es wohl so ähnlich wie ihr selbst. Kea antwortet ihr auf die Frage, wird aber während des Sprechens von Fianryn unterbrochen. Normalerweise ist Diantha nicht sonderlich begeistert davon, wenn die Zwillinge jemandem ins Wort fallen, doch in diesem Fall ist sie ganz froh, es lockert die Atmosphäre ein wenig. So werden sie informiert, wie die Hunde heißen und wie alt sie sind, was Fianryn und Connavar natürlich sehr interessiert.

Schließlich wechselt Kea abrupt das Thema, indem sie etwas schüchtern fragt: >Das klingt jetzt vielleicht seltsam und ich weiß, gleich kommt etwas zu essen, aber ihr habt nicht zufällig azurianische Pfefferschoten und etwas Honig da?< Bei diesem Essenswunsch kann Diantha nicht anders als breit zu grinsen, sie kennt den Appetit auf die merkwürdigsten Gerichte gut von sich selber. Froh ein Thema gefunden zu haben, über das man sich austauschen kann, will sie gerade zu einer Antwort ansetzen, als Olyvar und Ierás zu ihnen treten. Dafür, dass ihr Mann dem jungen Kerl gerade höchstwahrscheinlich die Ohren gewaschen hat, sieht Letzterer aber ganz zufrieden aus und stellt liebevoll fest: >Den Göttern sei Dank, dass es nur azurianische Pfefferschoten mit Honig sind, auf dem Schiff hat sie den Schiffskoch mit ihren Wünschen beinahe in die Verzweiflung getrieben.< Diantha lacht und versichert: "Glaubt mir, Olyvar hat unter meinem Appetit auf abstruse Gerichte auch schon ganz schön leiden müssen." Sie wechselt einen Blick mit Olyvar, der nicht ganz so heiter ist, wie ihre Worte - sie wüsste gerne, was bei dem Gespräch mit Ierás herausgekommen ist. Dafür bleibt zunächst keine Zeit, denn das Essen wird aufgetragen - nach einer Bitte mit einem Augenzwinkern auch Keas Pfefferschoten mit Honig - und sie lassen es sich schmecken. Müde von dem vielen Herumtollen auf dem Zwinger und später noch mit den Hunden, kuschelt sich Connavar auf Dianthas Schoß, genauso wie Fianryn es sich auf dem von ihrem Vater bequemt macht und gemeinsam hören sie Kea und Ierás bei ihrem Reisebericht zu. Diantha hat schon immer gerne Erzählungen über ihr unbekannte Gegenden der Immerlande gehört und die des jungen Paares sind sehr faszinierend, denn sowohl von den Elben des Riathar als auch von den Resande und Tharndrakhi weiß die Immerfrosterin so gut wie nichts. Eins ist allerdings mit Sicherheit klar: Die beiden haben ziemliches Glück gehabt, dass für sie alles so gut gelaufen ist. Als Kea davon erzählt, was sie von den Elben alles in der Schmiedekunst gelernt hat, strahlt sie richtig und auch Ierás scheint stolz darauf zu sein, dass er seine Kräfte nun besser beherrschen kann. Sein hastiger Sprung zu einem anderen Thema, nachdem er von ihrem Zusammentreffen mit den Reitervölkern erzählt, fällt Diantha nicht auf, zu viel hat er zu sagen und selbst kommt sie nach all dem, was ihr Olyvar erzählt hat, nicht auf die Idee, dass Kizumus Sohn so leichtsinnig hätte kommen können, mal eben durch die Drachenlande zu spazieren. Überhaupt hat sie den Eindruck, dass Ierás erheblich erwachsener ist, als ihr Mann ihn von früher kennt. Auch sein Anliegen, Pferde züchten zu wollen, klingt für Diantha nicht unbedacht, sondern überlegt: >Dafür brauchen wir aber mehr Platz als wir in der Hufschmiede oder im Katei hätten. Weißt du vielleicht von einem Hof in der Nähe der Stadt, der zum Verkauf steht?<

Ehe Olyvar antworten kann, meldet sich Diantha nach einem kurzen Moment des Überlegens zu Wort: "Ich glaube ich wüsste da etwas..." Sie wirft ihrem Mann einen kurzen Blick zu, er wurde schließlich angesprochen und sie will nicht den Eindruck erwecken, dass sie ihn bevormundet oder dergleichen, doch er nickt nur. "Morna hat mir neulich von einem Landwirt erzählt, bei dem es momentan was das Geld angeht mehr als düster aussieht." Einen Moment lang legt sie die Stirn in Falten und überlegt. "Eamon war sein Name, Eamon irgendwas. Sein Hof liegt von hier aus im Nordwesten, hinter der Ringstraße, nicht einmal zwei Tausendschritt von der Stadtmauer entfernt. Dazu gehören einige Morgen Land, wie viel genau kann ich allerdings nicht sagen, doch es ist nicht klein. Seine Frau ist schon vor Jahren gestorben, über die kennt Morna den Mann auch nur, sie war mit der wohl befreundet und hat sich immer ein wenig gekümmert. Die beiden Söhne waren Meldereiter und sind bei Liam Cailidh gefallen, es gibt also keinen rechtmäßigen Erben. Noch dazu hat Eamon sich verkalkuliert und der letzte Sommer war so schlecht, dass er wohl das ganze letzte halbe Jahr kaum noch über die Runden gekommen ist und fast seinen ganzen Viehbestand verkaufen musste. Morna meinte, dass er zwar mitunter ein Starrkopf ist, aber eigentlich das Herz am rechten Fleck hat und nur immer noch ausharrt, weil ihm der Hof so viel bedeutet..." Mutter hätte es auch das Herz gebrochen Haus und Land aufgeben zu müssen und an einen Fremden zu verkaufen. Wenn man auf dem eigenen Grund und Boden das ganze Leben verbracht hat, seine Früchte das Haupteinkommen waren und man so viel Schweiß aufgebracht hat, um sie zu ernten, dann verliert man wohl ein Stück seines Herzens an die Erde.  Einen Moment schweigt sie, dann blickt sie erst Kea und dann Ierás ins Gesicht: "Bei seinem Hof wäre der Vorteil, dass er nie ganz still lag, ihr müsstet also nicht allzu viel erneuern. Außerdem könntet ihr diesen Eamon ja als Knecht oder etwas in die Richtung auf dem Hof behalten, er kennt sich auf seinem Land sicherlich am besten aus und kann euch bestimmt auch bei landwirtschaftlichen Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen." Sie sagt es nicht direkt, aber sie kann sich nicht vorstellen, dass einer der beiden da allzu große Erfahrungen hat, besonders Ierás nicht, nach allem was sie über ihn gehört hat. "Außerdem wäre er sicherlich überglücklich sein Zuhause nicht aufgeben zu müssen. Das ist bitter, wohl umso mehr, je älter man schon ist." Einen Augenblick schweifen ihre Gedanken in die Vergangenheit. Sie erinnert sich durchaus noch an die Verzweiflung der Alten, als alle, die nicht krank waren, das Dorf ihrer Kindheit verlassen mussten. Mit einem leichten Kopfschütteln vertreibt sie die unangenehmen Bilder und fragt: "Was meint ihr, wäre das etwas für euch? Natürlich müsstet ihr euch den Hof und die Ländereien mit eigenen Augen ansehen und feststellen, ob ihr mit Eamon klar kommt. Aber wäre es von der Tendenz das Richtige?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 19. Juni 2008, 22:14 Uhr
>Den Göttern sei Dank, dass es nur azurianische Pfefferschoten mit Honig sind, auf dem Schiff hat sie den Schiffskoch mit ihren Wünschen beinahe in die Verzweiflung getrieben.<
Kea hat ihre Bitte gerade in dem Moment geäußert, als auch Ierás und Olyvar die Halle betreten und wird auch sofort von ihrem Liebsten mit ihren ungewöhnlichen Essenswünschen aufgezogen.
„Gar nicht wahr…“, grummelt Kea, ein wenig schuldbewusst, denn am Ende ihrer Reise hat sich der arme Mann bei Keas Anblick schon frustriert den angesengten Rauschebart gerauft. Besonders als die „Roter Bulle“ dank einer Flaute tagelang am Ildorel herum getrieben ist wie ein Stück Treibholz und das einzige das es für Kea zu vernaschen gab Ierás war.
Die beiden Männer setzen sich zu Tisch und Kea versucht aus ihren Gesichtern zu lesen wie das Gespräch eben gelaufen ist. Ierás Blick zu deuten fällt Kea nicht zu schwer aber aus Olyvars Mine wird die Hufschmiedin nicht so einfach schlau.
Während dem Essen, das Kea genießt wie schon lange keines mehr, erzählen die beiden von ihren Erlebnissen in den letzten zwei Zwölfmonden. Besonders was den Riathar angeht erzählen sie noch recht detailgetreu von den verschiedenen Leuten, dem Berg und dem roten Wald, den verschiedenen Dingen die sie so gelernt haben und natürlich ihren Lehrmeistern, werden dann aber immer vager in ihren Erzählungen als sie langsam gefährlich nahe an die Drachenlande kommen. Kea spürt in der Art wie Ierás erzählt, dass er noch keine Lust hat schon jetzt zu beichten, dass sie, anstatt wie es gescheit gewesen wäre gleich nach Talyra zu reisen, erst einmal einen kleinen Abstecher nach Lair Draconis gemacht haben. Also schließt er seine Erzählung über die Tharndraki und deren Geschenke mit einer Überleitung in ein ganz anderes Thema.
>Tja, jedenfalls haben wir jetzt einiges Kapital und diese beiden Stuten... Nigrés und Edanwen natürlich und Caristo und Gærem, ihre Fohlen. Wir haben überlegt, mit ihnen zu züchten. Dafür brauchen wir aber mehr Platz als wir in der Hufschmiede oder im Katei hätten. Weißt du vielleicht von einem Hof in der Nähe der Stadt, der zum Verkauf steht?<
Der Wunsch Pferde zu züchten ist Kea und Ierás ja schon vor einiger Zeit, noch auf dem Weg zum Riathar gekommen, aber damals waren es einfach noch wirre Träume gewesen denen es an Hand, Fuß und vor allem Kapital gemangelt hat, doch jetzt sieht die ganze Sache erheblich anders aus. Erst haben sie noch überlegt ob es nicht eine Möglichkeit gäbe die Hufschmiede und das Katei auch weiter als Wohnstätte zu nutzen, aber schließlich sind sie schnell wieder von diesem Plan abgekommen.
>Ich glaube ich wüsste da etwas...<
Diantha hat scheinbar von einem Landwirt gehört den in der letzten Zeit gehörig das Pech verfolgt hat. Seine Frau ist gestorben, seine Söhne in der Schlacht gefallen und jetzt kann er nicht mal mehr Haus und Hof behalten. Der arme Kerl tut Kea augenblicklich so leid, dass sie erst einmal darüber nachdenkt wie sie dem Mann helfen könnten, anstatt zu überlegen ob der Hof vielleicht genau das Richtige für sie wäre. Aber nicht nur, dass die Lage des Hofes ganz ausgezeichnet klingt, sogar für das Hofbesitzerproblem hat Diantha schon eine Lösung.
> Bei seinem Hof wäre der Vorteil, dass er nie ganz still lag, ihr müsstet also nicht allzu viel erneuern. Außerdem könntet ihr diesen Eamon ja als Knecht oder etwas in die Richtung auf dem Hof behalten, er kennt sich auf seinem Land sicherlich am besten aus und kann euch bestimmt auch bei landwirtschaftlichen Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen.<
Auch mit dem letzten Nachsatz trifft die Immerfrosterin voll ins Schwarze. Natürlich haben die beiden angehenden Pferdezüchter schon überlegt ob sie denn überhaupt in der Lage sind einen Hof zu führen, denn eigentlich haben sie ja davon keine Ahnung, sich aber schließlich darauf geeinigt, dass sie dieses Risiko gerne eingehen möchten und sich bestimmt nicht so schnell wieder eine solche Gelegenheit bieten wird.
„Ich finde das klingt schon mal sehr gut und wir sollten uns den Hof auf jeden Fall einmal ansehen! Ob der Mann dann bei uns bleiben möchte und wir uns mit ihm verstehen, kann man ja dann immer noch bereden, falls der Hof das richtige für uns ist. Aber die Lage ist eigentlich genau so wie wir uns das gedacht hätten.“
Mit einem Strahlen in den Augen und einem breiten Lächeln im Gesicht wendet sie sich von Diantha zu Ierás und greift nach seiner Hand. „Ich wäre ja dafür gleich morgen zu gehen, was meinst du?“
Nach dem sie an diesem Abend vom Schiff gestiegen ist, hat Kea sich eigentlich recht müde gefühlt und wäre am liebsten in ihr altes knarrendes Bett in der Hufschmiede gefallen, aber jetzt, frisch gefüttert und ausgeruht fühlt sie sich wieder als könnte sie Bäume ausreißen und würde am liebsten sofort losziehen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 21. Juni 2008, 09:07 Uhr
Diantha erzählt ihnen von einem Hof nur wenig außerhalb der Stadtmauern und dem Pech, welches der Besitzer desselben in den letzten Jahren offensichtlich gehabt hatte. Und trifft damit genau Keas mitleidiges Herz, das kann er mit einem kurzen Seitenblick auf seine Frau feststellen.
>Ich finde das klingt schon mal sehr gut und wir sollten uns den Hof auf jeden Fall einmal ansehen! Ob der Mann dann bei uns bleiben möchte und wir uns mit ihm verstehen, kann man ja dann immer noch bereden, falls der Hof das richtige für uns ist. Aber die Lage ist eigentlich genau so wie wir uns das gedacht hätten...< Er kann nur zustimmend nicken, als Kea auch schon nach seiner Hand greift und sich mit einem strahlenden Lächeln zu ihm umwendet. >Ich wäre ja dafür gleich morgen zu gehen, was meinst du?< Ierás verbeißt sich ein Grinsen und tätschelt der Hufschmiedin liebevoll die Hand. "Aye, es klingt wirklich mehr als verlockend, was Diantha da erzählt. Aber gleich morgen? Wir sollten zumindest mal beim Katei und in der Hufschmiede nach dem Rechten sehen..."  Olyvar macht eine wegwerfende Geste mit der Hand und erklärt ihnen kurz, dass in der Hufschmiede und im Katei alles in Ordnung sei, die Blaumäntel hatten bei ihren Patrouillen die beiden Häuser immer wieder einmal kontrolliert und kleinere Reperaturen waren auch durchgeführt worden. "Oh. Danke." Einen Moment ist er wirklich sprachlos; sie waren ohne ein Wort des Abschieds aufgebrochen, ohne eine genaue Vorstellung davon, was sie erwarten würde und wann und ob sie überhaupt zurückkehren würden. Und er hat dafür gesorgt, dass wir immer noch ein Zuhause haben... "Danke." Ierás sieht Olyvar noch einen Moment nachdenklich an, ehe er sich wieder Kea zuwendet. "Na, dann können wir uns den Hof morgen wirklich ansehen und mit diesem Eamon sprechen. Vielleicht können wir uns ja gleich einigen... Was genau müssten wir denn tun, wenn wir uns wirklich gleich mit Eamon einigen können? Ich denke, die Stadtväter werden bei so einem großen Gelände sicherlich informiert sein wollen, oder?" Es ist ihm eigentlich ein wenig unangenehm Olyvar an ihrem ersten Abend hier in der Stadt gleich mit Fragen der Bürokratie zu überfallen, aber wenn er sich noch an eines erinnert, dann daran, dass die Tage des Lord Commanders der Steinfaust manchmal dreißig Stunden bräuchten und er ahnt, dass sich vielleicht so rasch nicht wieder eine Gelegenheit für seine Fragen bieten würde. Und die Fragen müssen geklärt sein, ehe wir uns auf dieses Abenteuer einlassen. Einmal überstürzt gehandelt reicht für die nächsten fünf Jahresläufe.

Sie unterhalten sich noch über dies und jenes und Olyvar setzt die zwei über die jüngsten Ereignisse in der Stadt in Kenntniss, während Diantha die Zwillinge zu Bett bringt. "So viele tote Mädchen? Kea..." Er dreht sich zu der jungen Hufschmiedin um und versucht, mehr bittend als befehlend zu klingen. "Geh nicht mehr allein auf die Straße...bitte." Die Halbelbin hatte Olyvars Bericht mit immer größer werdenden Augen zugehört und so nickt sie nur stumm. Nach diesen Nachrichten ist die Stimmung für einige Zeit etwas gedrückt und es dauert auch nicht mehr lange, bis sowohl Kea als auch er selbst immer wieder kieferknackend gähnen und sie nehmen die erneut ausgesprochene Einladung Olyvars und Dianthas, fürs Erste das Turmzimmer zu beziehen dankbar an.
Hier hat sich, im Gegensatz zur großen Halle, gar nichts verändert. Sein Blick wandert zu den beiden Wandteppichen, auf denen die beiden Orte abgebildet sind, die sie nun nicht mehr nur aus Erzählungen kennen. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf seine Lippen, als Kea sich mit dem Rücken an ihn schmiegt, ihren Kopf an seine Schulter lehnt und dann für einen Augenblick ebenfalls die Teppiche betrachtet. Ihre Hände allerdings sprechen eine ganz andere Sprache. Das Lächeln wird zu einem breiten Grinsen und er dreht sie zu sich herum, zieht sie so fest in die Arme, wie es mit einem sieben Monde Bauch eben geht. Ihr Kind zwischen sich, küsst er Kea gründlich und während seine Finger ihr Kleid aufnesteln schiebt er die Halbelbin zum Bett hinüber. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen.. möge jemand die Götter dafür preisen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 01. Juli 2008, 09:08 Uhr
Sie essen, und Kea und Ierás erzählen abwechselnd und ausführlich von ihren abenteuerlichen Reisen, ihrem langen Weg zum Riathar, vom geheimnisvollen Feuerberg und seinen noch sagenumwobeneren Bewohnern, Kizumus kleinem, im Verborgen lebenden Volk, von ihrem beschwerlichen Rückweg durch die halben Ostlande, ihren Erlebnissen mit dem bunten, fahrenden Volk der Resande und ihrer Begegnung mit einem Khandal der stolzen Tharndrakhi, den Reitern des Windes, dessen Khan sie mit der Rettung seines Sohnes offenbar einen so großen Dienst erwiesen hatten, dass er ihnen mehrere Pferde geschenkt hatte - eine große Ehre, die nur sehr wenigen Zuteil wird, jedenfalls nach allem, was Olyvar weiß. Und schließlich, und das so abrupt, dass sich Olyvar augenblicklich sämtliche Nackenhaare warnend aufstellen, berichten die Zwei beinahe hastig von ihrer Rückkehr nach Talyra mit der "Roter Bulle". Allerdings ist Ierás ein miserabler Lügner und selbst wenn er das nicht wäre - Olyvar weiß sehr genau, welche Route die "Roter Bulle" befährt, nämlich die Strecke Vînnar - Talyra. Und Vînnar liegt eine halbe Welt vom Gräsernen Meer entfernt - eine halbe Welt oder die ganzen Drachenlande. Oh, du kleiner, verlogener Mistkäfer... "Soso. Ah-a," ist alles, was er schließlich erwidert, aber das in einem Tonfall, der unmissverständlich besagt: Ich weiß genau, wo ihr wart. "Wie gut, dass Vînnar so nahe am Tamarlonischen Meer liegt... sonst hättet ihr ja noch länger nach Hause gebraucht." Kea besitzt immerhin den Anstand, leicht rot um die Nase zu werden, während Ierás seine schuldbewusste Miene hastig in seinem Bierkrug verbirgt. "Ahem," räuspert er sich schließlich, doch da Olyvar ihn nur lange und zermürbend ansieht, vorerst aber keine Anstalten macht, ihm den Kopf abzureißen oder ihn schlicht und einfach übers Knie zu legen - auf den Gedanken, dass Ierás tatsächlich die Unverfrorenheit besessen haben könnte, Lair Draconis einen Besuch abzustatten, wagt Olyvar gar nicht zu kommen -  flüchtet er sich eilig in ein anderes Thema: >Tja, jedenfalls haben wir jetzt einiges Kapital und diese beiden Stuten... Nigrés und Edanwen natürlich und Caristo und Gærem, ihre Fohlen. Wir haben überlegt, mit ihnen zu züchten. Dafür brauchen wir aber mehr Platz, als wir in der Hufschmiede oder im Katei hätten. Weißt du vielleicht von einem Hof in der Nähe der Stadt, der zum Verkauf steht?<

Es ist Diantha, nicht er, die den beiden nach einem kurzen Blick in seine Richtung, den Olyvar nur mit einem Lächeln beantwortet, vom Waldhof und dem alten Eamon erzählt. Kea scheint sofort Feuer und Flamme und es ist ihr deutlich anzusehen, dass sie sich am liebsten sofort auf den Weg machen würde, um einen Blick auf ein mögliches Zuhause für ihre Familie zu werfen, während Ierás besonnener bleibt - auf Olyvars Einwurf, dass sowohl in Kizumus altem Haus, das jetzt Ierás gehört, als auch in Keas Hufschmiede alles zum Besten stünde, wofür er gesorgt hatte, reagiert der Junge jedoch erst einmal mit überraschtem Schweigen, ehe er sich leise bedankt. "Keine Ursache," erwidert Olyvar ebenso leise. Er hatte Kizumu versprochen, dass sie sich nie um eines ihrer Kinder würde sorgen müssen, doch selbst wenn es dieses Versprechen nicht gegeben hätte - für ihn gehören Ierás und Kea zur Familie, und in einer Familie steht man füreinander ein... dass er auf die beiden Häuser hin und wieder ein Auge geworfen und sie Instand hatte halten lassen, war das Mindeste, das er hatte tun können und es hatte ihn nicht mehr als ein wenig Zeit gekostet. "Züchten also? Das klingt nicht schlecht, vor allem wenn ich mir euer vierbeiniges Kapital so ansehe..." Olyvar hatte die Pferde der beiden auf dem Zwinger unten gesehen und besonders war ihm der Kleine aufgefallen, auch wenn der noch in sich hineinwachsen muss und weder vorn, noch hinten zusammenzupassen scheint. Einem Pferd in diesem Alter sollte man am besten nur in die Augen sehen - das hatte Olyvar getan, einen kurzen Moment im Vorübergehen, der wiehernde Jungspund hatte seinen Blick erwidert und das hatte schon vollkommen genügt. "Euer Zwerg...  nicht der Zweieinhalbjährige, der andere, ist ein wirklich hübscher kleiner Kerl..." Olyvar lacht über die zweifelnden Mienen, die Kea und Ierás bei diesen Worten angesichts der momentanen Unzulänglichkeit des jungen Pferdes aufsetzen. "Stellt ihn auf eine Hengstkoppel mit ein paar Spielkameraden und gutem Gras und gebt ihm noch zwei Jahre - und ihr werdet sehen, er wird ein großartiges Pferd. Ich nehme an, ihr wollt schwerere Tiere züchten und die Feuerblutstuten dienen nur zur Blutveredelung?" Sowohl Kea, als auch Ierás nicken und Olyvar lächelt leise. "Habt ihr schon ein genaueres Zuchtziel? Die Steinfaust ist immer ein dankbarer Abnehmer für entsprechende Tiere."

>Na, dann können wir uns den Hof morgen wirklich ansehen und mit diesem Eamon sprechen. Vielleicht können wir uns ja gleich einigen... Was genau müssten wir denn tun, wenn wir uns wirklich gleich mit Eamon einigen können? Ich denke, die Stadtväter werden bei so einem großen Gelände sicherlich informiert sein wollen, oder?
Olyvar zuckt mit den Schultern und schenkt sich einen Schluck von dem kühlen, malzigen Verder Kupfer nach - Fliederblütensaft kann er außer als süßem Nachgeschmack auf Dianthas weichem Mund wenig abgewinnen. "Nun ja, Eamon bleibt da keine große Wahl, wisst ihr... wenn ich mich recht erinnere, hält einen Teil der Schuldscheine auf dem Waldhof Lady Caitrin Darragh, und zwar den größten Teil, den Rest das alte Wiesel Tallard. Es gehört einiger Besitz zu dem Anwesen... hauptsächlich Heuwiesen, Pferdekoppeln, ein paar Felder... und ich glaube auch ein eigener Bach oder eine Quelle, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Es liegt ganz im Norden des Nachtschattentals und grenzt an die Wiesen der Steinfaust. An eurer Stelle würde ich zuerst einmal mit Eamon selbst sprechen - er soll seine Gläubiger informieren und wenn sie bereit sind, zu verkaufen, macht ihnen ein Angebot. Du bist talyrischer Bürger, Ierás, du hast jederzeit das Recht, dir Land zu kaufen, sofern du das nötige Silber dafür hast. Wenn alles gut geht und ihr die Besitzurkunde in den Händen haltet, müsst ihr damit zur Stadthalle gehen und sie beglaubigen lassen, dann wird in den Archiven vermerkt, was und wie viel ihr besitzt und eure Namen werden in den Grundbüchern eingetragen. Natürlich wird dann auch jedes Jahr der Zehnte fällig." Sie unterhalten sich noch eine ganze Weile und vergessen die Zeit, während sie Neuigkeiten austauschen und Zukunftspläne für die angehenden Pferdezüchter schmieden. Connavar und Fianryn, inzwischen längst müde gespielt, lassen irgendwann die Hunde Hunde sein, die sich behaglich vor dem leeren Kamin ausgestreckt haben, kommen zum Tisch und klettern ihren Eltern auf den Schoß. Conn kuschelt sich an ihn, Fian macht es sich bei Diantha bequem und nascht hier und da noch etwas vom Essen, während sie beide sowohl Ierás, als auch Kea immer wieder neugierig mustern - das Hauptthema des Abends ist jedoch, zumindest bis die Kinder ins Bett gebracht werden, der schon so lange versprochene Hund und die tausendfache Versicherung der Zwillinge, sie wären jetzt ganz bestimmt schon "älter genug". Sie lassen nicht mehr locker und sind auch nicht mehr davon abzubringen, bis die großäugigen Bitten aus runden Kinderaugen schließlich ihre Wirkung tun - Olyvar tauscht irgendwann einen amüsierten Blick mit Diantha und verspricht, sie würden es sich überlegen. Nachdem die Kinder abgefüttert und in ihre Betten verfrachtet worden sind, sitzen Kea, Ierás, Diantha und er selbst noch eine Weile zusammen, doch nicht mehr lange - die beiden sind verständlicherweise müde von ihrer langen Reise. Als sie die Halle schließlich räumen und sich gute Nacht wünschen, hält Olyvar Kea noch einmal kurz auf, nimmt die kleinen Hände der Schmiedin in seine und drückt sanft ihre Finger. "Du weißt, dass ich euch mit dem Baby alles nur erdenklich Gute wünsche, oder?" Seine Augen suchen die der Halbelbin und halten ihren Blick fest. "Ich freue mich für euch, Kea, das tue ich wirklich, ich war nur... ziemlich überrascht. Ich hoffe, dass ihr ein wunderbares, gesundes Baby bekommt, das euch viel Freude macht." Aber ich kann nicht leugnen, dass ich mir Sorgen mache... und ich weiß, ihr tut es auch. "Es wird bestimmt alles gut gehen," er lächelt ein wenig schief, aber ehrlich, "doch was immer auch geschieht, ganz egal was, ich werde immer für euch und für euer Kind da sein. Ich wollte nur, dass du das weißt."  

Kaum fällt die Tür hinter ihnen in ihrem eigenen Schlafgemach mit einem leisen Knacken ins Schloss, lehnt Olyvar sich dagegen und atmet tief und hörbar durch. "Bas mallaichte!" Schnaubt er ziemlich hilflos mit einer beinahe komischen Mischung aus Erheiterung und Verzweiflung. "Oh, dieser dumme, gedankenlose leichtsinnige kleine Mistkerl..." Fährt er fort, klingt aber immer noch eher belustigt als wütend. "Kea und Ierás", erklärt er auf Dianthas fragenden Blick, während er seine Stiefel abstreift. "Sie waren in den Drachenlanden, so sicher wie die Sonne im Osten über dem Ildorel aufgeht! Er hat es verschwiegen, aber ich hätte schon blind und taub sein müssen, um es nicht zu merken. Zwischen dem Gräsernen Meer, wo sie sich nämlich angeblich auf den Heimweg gemacht haben, und Vînnar, von wo aus sie mit dem Schiff nach Talyra fuhren, liegen nämlich keine anderen, als die Drachenlande. Natürlich war er dort, verdammt noch mal... er kann schon froh sein, dass Loba ihn nur verheiratet und nicht am Schlafittchen gepackt, und höchstpersönlich auf den Drachenbeinthron gesetzt hat!" Schimpft er vor sich hin, während er sich aus seinen Kleidern schält und seine Stimme schwankt ebenso zwischen Verärgerung und Erheiterung hin und her, wie sein Gesichtsausdruck. Dass Loba die Wölfin Ieras und Kea höchstpersönlich mit ihrer Magie aus dem Thronsaal des Drachensteins geschafft hatte, während dort dank des singenden Herrschersitzes das Chaos ausgebrochen war, kann Olyvar ja nicht ahnen und hätte er etwas davon gewusst, er hätte Ieras ganz sicher übers Knie gelegt - Drachenprinz oder nicht. Diantha raschelt auf der anderen Seite des Bettes mit ihrem Kleid herum und streift es ab, und der Anblick ihrer nackten Kehrseite im Licht der Stundenkerze lässt Olyvar schlagartig den ganzen Ärger vergessen - ihre nächste Frage holt ihn allerdings ziemlich unsanft wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. "Olyvar... was ist mit ihrem Kind?" Im flackernden Schein der dicken Kerze stehen sie sich gegenüber, nackt, zwischen sich ihr wartendes Bett und die weichen Decken,  während von draußen die Düfte einer Frühsommernacht hereinwehen... süßes Gras, blühender Phlox, der satte, erdige Geruch des nahen Waldes. "Du meinst, warum ich so schockiert war, Kea schwanger zu sehen?" Fragt er zurück und Diantha nickt, während sie in eines seiner alten Hemden schlüpft, das sie immer zum Schlafen trägt - die ihr viel zu langen Ärmel hochgekrempelt, der Saum irgendwo an ihren Knien. Jetzt spannt sich der Stoff über ihrem eigenen Kugelbauch und Olyvar schluckt schwer bei diesem Anblick. Ja, wie könnte ausgerechnet ich Ieras kein eigenes Kind gönnen?

"Ich habe dir von Ieras erzählt... was er ist und auch von seinem Erbe, conasg," erwidert er leise und setzt sich auf den Bettrand. Das hatte er - aber anscheinend war er nicht deutlich genug gewesen. "Wie könnte ich mir da keine Sorgen machen? Wie können Ieras und Kea sich keine Sorgen machen?" Er sieht zu Boden, starrt auf seine Füße und als er den Kopf wieder hebt, steht Diantha vor ihm, so dicht, dass er sie umarmen und sein Gesicht an ihren runden Bauch schmiegen kann. Unter dem dünnen Stoff des Hemdes und ihrer Haut kann er es gurgeln und pochen, und sein Kind leise rumoren hören. Tausende von Jahren sind vergangen seit der Zeit der Drachenkönige, und doch sind die Schatten, die sie werfen, so lang, dass sie uns immer noch Kummer bringen... "Diantha... man sagt, jedes Mal, wenn ein Dracayren geboren wird, werfen Soris, die Glücksmaid, und Sarurnir, der Herr des Wahnsinns, eine Münze und wetten auf die Seele des Kindes. Die Drachenkönige von einst... Ierás Sippe... sie haben... sie hatten verdorbenes Blut. Jahrhundertelang haben sie nur untereinander geheiratet, um ihr 'Blut rein zu halten', wie sie es nannten. Es hat ihnen nichts als Schwäche und Wahnsinn eingebracht... und ihr Irrsinn ist erblich. Ruan, Ierás Vater, wurde der "Irre König" genannt - er hat seinen eigenen Bruder ermordet und einen Krieg angezettelt, der das ganze Imperium von Tamarlon zerriss, und die meisten seiner Vorfahren waren keinen Deut besser als er. König Naerakar ließ seine beiden Brüder in Lair Draconis als Hochverräter hinrichten und hielt seine Schwestergemahlin ihr ganzes Leben lang im Königinnenturm des Drachensteins gefangen. Jaeyris der Ungekrönte war so geistesgestört, dass er gerade lange genug lebte, um mit irgendeinem armen Mädchen einen Erben zu zeugen. Königin Kaltherz, die Grausame Dame, Tamarlons Fluch... das sind Beinamen, die man Dracayrenherrschern gegebenen hat, und glaub mir, mo cridhe, sie trugen sie alle zu Recht. Vhaerago Dracayren hat die halben Immerlande in einem Sturm aus Feuer und Blut erobert und Hunderttausende getötet, bis seinem eigenen Sohn nichts mehr anderes übrig blieb, als ihn zu ermorden. Es heißt, Naeyris tötete seinen Vater, als dieser Pläne schmiedete, ganz Lair Draconis auszulöschen, weil er vom Wahn zerfressen wurde, seine eigenen Untertanen wollten ihm Übles... also, wie soll ich mir keine Sorgen machen? Bei allen Göttern, Diantha, ich wünsche Kea und Ierás von Herzen, dass ihr Kind wird wie Trystane der Fischerkönig oder Niafaeron Drachenherz, aber was, wenn nicht?"

Aus seiner Stimme wird ein heiseres Flüstern. "Was, wenn es der nächste Vhaerago Dracayren wird? Soll Talyra brennen für dieses Kind? Sollen Tausende sterben, du... meine Kinder, alle die mir oder dir etwas bedeuten... weil in zwanzig Jahren der nächste irre Dracayrenprinz hier damit beginnen wird, sein Reich aus Feuer und Blut zu schmieden? Bas mallaichte!" Er atmet tief und hörbar durch, und seine Verzweiflung ist ihm deutlich anzusehen. "Und selbst wenn das Kind nicht den Größenwahn und den Irrsinn seiner Vorväter erbt, was ist mit der Magie in seinem Blut? Du kannst dir nicht vorstellen, welche Kräfte in Ierás schlummern, conasg. Drachenfeuer... ich habe einmal gesehen, was er damit anrichten kann, aber durch das Ritual, mit dem er gezeugt wurde, wurde er unglaublich schnell erwachsen und so vernünftig, dass man ihm vieles erklären und beibringen konnte - sein Kind wird das nicht werden. Wie soll es damit umgehen, wie soll es das lernen, ohne daran zu zerbrechen oder über kurz oder lang wahnsinnig zu werden? Wird es als Zweijähriges im Sandkasten sitzen und seine Spielgefährten in Flammen aufgehen lassen, nur weil es sich mit ihnen um ein Spielzeug streitet? Es würde ja noch nicht einmal begreifen, was es da tut! Wollen sie es von allen anderen Menschen fernhalten, damit niemand zu Schaden kommt? Ifrinn! Und das ist noch nicht einmal alles. Selbst wenn ihr Kind gesund und heil im Kopf ist, es ist gefährlich ein Dracayren zu sein. Im Osten sitzt der Orden der Sturmschwerter und hält Lair Draconis seit tausenden Jahren für den einen, wahren Erben des Drachenthrones, doch es ist nur ein Orden und kein Dracayren war je der König, der verheißen wurde. Einige der Edlen Häuser der Drachenlande mögen sich die Drachenkönige und den Ruhm von einst zurückwünschen, aber die meisten wollen von solchen Herrschern überhaupt nichts mehr wissen. Sie regieren sich seit dem Fall von Tamarlon selbst und sind sehr zufrieden damit. Kannst du dir vorstellen, was geschieht, wenn man in Lair Draconis herausfindet, dass es tatsächlich noch Erben der Drachenkönige gibt und wo sie leben? Die halbe Welt würde in Kriegen untergehen... oder man würde schlicht und einfach versuchen, Ierás und sein Kind zu ermorden."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 01. Juli 2008, 19:30 Uhr
Noch beim Zurückreiten in die Steinfaust kann Kea gar nicht aufhören davon zu sprechen wie wundervoll die neuen Möbel in ihrer neuen Behausung aussehen werden, obwohl sie bis auf einige Stücke für das Baby ja noch gar nichts in Auftrag gegeben haben. Manchmal ist sie drauf und dran noch mal zurück zum Tischler zu reiten und sicher zu gehen, dass er auch verstanden hat, dass Kea zwar durchaus Schnitzereien auf der Wiege haben möchte, aber auf keinen Fall zu viele, schließlich soll das immer noch ein Gebrauchsgegenstand sein und keine Gebetsstätte. Nur mühsam kann Ierás sie 200 Schritte weiter dann davon abhalten umzukehren weil sie denkt, vielleicht doch eine andere Holzart wählen zu müssen.

In der Steinfaust angekommen bringen Kea und Ierás die Pferde selbst in den Stall, auch um noch mal bei ihren anderen Schützlingen vorbei zu sehen. Nachdem sie Edanwen in seine Box gebracht hat lehnt sie sich noch gegen die Holzwand des Stalles und sieht dem verbauten Jährlich Gærem beim Fressen zu. Die Worte Olyvars kommen ihr wieder in denn Sinn und lächelnd stellt die Schmiedin fest, dass er recht hat. Natürlich hat sie das ohnehin gewusst, sowohl Gærem als auch Caristo sind großartige Pferde, aber Kea hat sie auch von dem Tag ihrer Geburt an aufwachsen sehen und in ihren objektiven Kennerblick mischt sich ganz automatisch der subjektive Züchterstolz und Pferdeliebhaber. Dennoch, sie war ein wenig überrascht gewesen, dass Olyvar schon etwas in Gærem gesehen hat, trotz seiner momentan etwas verschobenen Proportionen. Auf die Frage hin was für ein Zuchtziel die beiden denn hätten und dass die Steinfaust bestimmt ein guter Abnehmer für die richtigen Pferde wäre, hat Kea nur gelacht und mit einem Augenzwinkern gesagt: „Das war genau unser Plan!“ Natürlich ist es bis jetzt nicht mehr als ein Plan, denn sie haben erst zwei Fohlen und Kea kann sich noch schwer vorstellen sich von ihnen zu trennen, oder dass neue Fohlen die gleichen guten Eigenschaften an den Tag legen werden wie Caristo und Gærem.
Beide Junghengste haben die erste Zeit ihres Lebens auf Reisen verbracht, was vermutlich besonders für Caristo gut war, denn ansonsten hätte Kea viel zu viel Zeit gehabt ihn zu verhätscheln, so war allerdings dafür kaum die Möglichkeit dazu geblieben und beide Fohlen haben unterwegs schnell gelernt mutig zu sein um nicht zurück zubleiben. Ach was, bestimmt werden sie genauso wunderbar und wir haben ja auch dazu gelernt was den Umgang und die Aufzucht von Fohlen angeht!
„Heute haben wir euer neues zu Hause gesehen, riesige Weiden soweit das Auge reicht, ihr werdet es mögen!“ Der dunkelbraune Junghengst legt den großen Kopf auf die Boxenwand und kaut dabei weiter genüsslich an einem Strohhalm der ihm zur Hälfte aus dem Maul steht und sieht aus als wolle er sagen: Egal, Hauptsache es gibt Futter.
Lächelnd zwickt Kea ihn in die Oberlippe. „Du wirst es schon noch zu würdigen wissen!“ Sie ist froh dem kleinen Pferd endlich eine Ruhezeit auf einer Weide bieten zu können, so wie es von Anfang an hätte sein sollen. Mit einem ärgerlichen Schütteln des Kopfes befreit sich Gærem aus Keas Griff und wendet sich lieber wieder seinem Futter zu.

Zurück im Westflügel werden sie von zwei begeisterten, aber ziemlich müde gespielten Hunden begrüßt in deren Schlepptau sich zwei ebenfalls müde gespielte Kinder befinden. Sie haben Ruaidh und Miya gerne bei Diantha und den Kindern in der Steinfaust gelassen während sie ihren Erledigungen nachgegangen sind. Sie berichten beim Abendessen, dass der Waldhof genau das Richtige für sie zu sein scheint, dass er aber nicht mehr ganz einwandfrei in Schuss ist, beraten sich mit Olyvar ein wenig über den angemessenen Preis und Kea erzählt stolz von den in Auftrag gegebenen Möbeln für das Kinderzimmer. Sie ist nach Olyvars Worten am Vorabend wieder etwas unbefangener was das Sprechen über das Kind angeht, denn auch wenn sie die Sorge in den Augen des Lord Commanders gesehen hat, hat sie das kurze Gespräch doch etwas beruhigt, denn Sorgen macht sie sich auch, besonders seit den Feuervorfällen auf der „Roter Bulle“ und seit dem sie in der Bibliothek des Drachensteins das Buch über die ehemaligen Herrscher – von denen einer verrückter als der nächste gewesen ist – gefunden haben. Als sie dann auf dem Schiff noch die Geschichte von Soris und Sarurnir gehört hatte, hat Kea für zwei Nächte vor lauter Angst kaum ein Auge zu getan bei dem Gedanken daran, dass zwei Archonen nichts besseres zu tun haben als um ihr Kind zu würfeln.

Schon sehr früh am Morgen erreicht sie die Nachricht von Eamon, dass er seine Gläubiger informiert hatte und diese zu einem Treffen bereit wären und so macht sich Kea daran unter Ierás Mithilfe einen Brief zu schreiben. Das heißt so viel wie Kea schreibt und fragt dazwischen andauernd „Soll ich das lieber so schreiben oder doch anders?“ „Wie buchstabiert man das noch mal?“ „Soll ich mit sehr geehrte Lady beginnen?“ Kurz um, es dauert doch eine ganze Weile ehe die Nachricht an Lady Caitrin Darragh fertig verfasst ist, denn selbst als Kea den richtigen Wortlaut gefunden hat, sie sich auf einen Treffpunkt geeinigt haben – der im übrigen die Goldene Harfe sein soll – schließlich auch einen Zeitpunkt gefunden haben von dem sie denken, dass er der Lady genehm wäre, schreibt Kea alles noch einmal, diesmal in ihrer „Sonntagshandschrift“. Als sie endlich fertig ist, versiegelt sie die Nachricht noch schnell und übergibt sie dann einem Boten, der zum Glück genau weiß wo Lady Darragh zu Hause ist, denn bei all dem Gerede über Möbel, Pferde, Wiesen und Kinder, hat Kea ganz vergessen zu fragen wo die Lady denn wohnt und Olyvar ist gerade irgendwo unterwegs und geht seiner Arbeit nach.
Die Antwort von Caitrin Darragh bekommen die beiden gleich mit dem Boten wieder zurück. Die Lady hat sich nicht damit aufgehalten eine schriftliche Antwort zu verfassen, sondern einfach den Brief gelesen und dem Jungen gesagt er solle in der Steinfaust bescheid geben, dass das alles so in Ordnung ginge. So dauert es gar nicht lange, ehe Kea und Ierás unterwegs sind zur Goldenen Harfe.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 06. Juli 2008, 12:38 Uhr
~ Mitte Goldschein bis Anfang der zweiten Woche des Sonnenthrons ~


Dianthas Vorschlag scheint das junge Paar sehr zu begeistern, besonders Kea ist sofort Feuer und Flamme. Aber auch Ierás stimmt zu, dass sie sich gleich am Folgetag den Hof ansehen werden, nach Olyvars Versicherung, dass er sich um die Schmiede und die Kartei gekümmert hat. Sie sprechen noch ein wenig über die Pferde, besonders eins scheint Olyvar gefallen zu haben, außerdem bietet er an, dass die Steinfaust stets Bedarf an guten, schweren Pferden hat. Darauf antwortet Kea mit einem Lächeln, dass sie genau das ins Auge gefasst haben. Außerdem informiert Olyvar die Zwei noch über die rechtlichen Schritte, die abzuwickeln wären, sollte sie sich mit Eamon einigen können. Auch was die neusten Ereignisse in der Stadt angeht, sind die beiden sehr neugierig, so kommen sie irgendwann auch auf die Morde zu sprechen und die allgemeine Stimmung verdüstert sich ein wenig. Von diesem unschönen Thema lenken sie dann die Zwillinge ab, die die Sprache wieder auf die Hunde bringen und darauf, dass sie jetzt gefälligst selbst einen haben wollen. Mit einem nachgiebigen Seufzen wechselt Diantha einen Blick mit Olyvar, es ist wohl wirklich Zeit, das Versprechen zu halten und den Zwillingen einen Hund anzuschaffen. [i}Aber keinen Welpen! Ich kann mich neben einem Neugeborenen nicht noch darum kümmern, dass ein kleiner Hund stubenrein wird![/i], nimmt sich Diantha fest vor. Kleinkinder und Welpen mögen zwar eine herzzerreißend niedliche Kombination sein, doch brauchen sie eine Menge Kraft, schließlich braucht auch die Erziehung eines Hundes seine Zeit und einiges an Aufmerksamkeit. Es muss doch auch möglich sein, einen älteren Hund zu finden, der zumindest ein wenig erzogen ist… Am besten ich frage die Hundeführer der Steinfaust… Es dauert nicht lange, dann ist es an der Zeit die Zwillinge ins Bett zu bringen, das ist an diesem Abend auch nicht besonders schwer, so sehr wie sie sich mit den Hunden ausgetobt haben. Danach sitzen die Vier noch ein wenig zusammen, reden über dies und das, und Diantha werden die beiden immer sympathischer. Ierás hat eine sehr jugendliche, verschmitzte Art, die es leicht macht, ihn ins Herz zu schließen und es ist auch sehr leicht, die ein wenig schüchterne Kea gern zu haben, vor allem wenn man einmal das Leuchten in ihren Augen gesehen hat, wenn sie von ihren Pferden erzählt. Die beiden sind von ihrer Reise müde und scheinen sich sehr zu freuen, endlich in einem richtigen Bett auf festem Grund schlafen zu können, wer möge es ihnen verdenken. Diantha hatte mit Schiffen zwar nie großartige Probleme, sie ist ja ohnehin eine ziemliche Wasserratte, aber Ierás hat in seiner Erzählung der Reise angedeutet, dass es ihm da anders geht. Freundlich wünschen sie sich eine gute Nacht, Olyvar spricht Kea noch einmal kurz an und es fällt nicht schwer sich vorzustellen, was er wohl ungefähr zu ihr gesagt haben mag. So löschen Diantha und Olyvar die Lichter im Westflügel und gehen selbst auch zu Bett.

Diantha brennt vor allem die Frage nach dem Grund, warum Olyvar von Keas Schwangerschaft denn so sehr erschüttert war, auf der Zunge. Doch kaum hat er die Tür geschlossen, flucht er auch schon: >Bas mallaichte!< Verwundert legt die Immerfrosterin den Kopf schief, kann seine Stimmlage jedoch nicht so ganz einordnen, denn wirklich wütend scheint er nicht zu sein, aber nur amüsiert ist er auch nicht. >Oh, dieser dumme, gedankenlose leichtsinnige kleine Mistkerl...< Diese Aussage ändert nichts an Dianthas Verwirrung, sie weiß nicht, worauf ihr Mann hinaus will. Auf die stumme Frage in ihren Augen, erklärt er ihr: >Kea und Ierás … Sie waren in den Drachenlanden, so sicher wie die Sonne im Osten über dem Ildorel aufgeht! Er hat es verschwiegen, aber ich hätte schon blind und taub sein müssen, um es nicht zu merken. Zwischen dem Gräsernen Meer, wo sie sich nämlich angeblich auf den Heimweg gemacht haben, und Vînnar, von wo aus sie mit dem Schiff nach Talyra fuhren, liegen nämlich keine anderen, als die Drachenlande. Natürlich war er dort, verdammt noch mal... er kann schon froh sein, dass Loba ihn nur verheiratet und nicht am Schlafittchen gepackt, und höchstpersönlich auf den Drachenbeinthron gesetzt hat!< Diese Feststellung überrascht Diantha natürlich ordentlich, ihr selbst war diese Ungereimtheit nicht aufgefallen. Das liegt daran, dass sie sich im Osten der Immerlande nicht besonders gut auskennt, sie hat zwar Karten gesehen, doch wirklich Ahnung hat sie nur von Immerfrost, außerdem weiß sie zumindest grob einiges über die Rhaínlande, Draingarad und das Verdland. Was den Nordosten und Süden der Immerlande angeht ist ihr Wissen sehr lückenhaft, diese Regionen waren bisher für ihr Leben schlichtweg nicht relevant, und wo Tarascon liegt weiß sie auch nur, weil sie Ballabar darüber ausgefragt hat, woher Olyvar stammt. Sie hatte bei Olyvars Worten innegehalten, nun zieht sie ihr Kleid vollends aus, es ist das weinrote, dass sie auch bei den ersten Bewegungen ihres Kindes getragen hatte. Bei dem Gedanken an diesen Tag, stellt sie die Frage, die sie schon den ganzen Tag stellen wollte: „Olyvar... was ist mit ihrem Kind?“ Sie bemerkt, wie sich sein Blick ändert, als hätte sie ihn damit von ganz anderen Gedanken abgebracht - sie kennt ihren Mann gut genug um sich ungefähr vorstellen zu können, womit diese sich wohl beschäftigt haben könnten - und ihr Blick gleitet über seinen muskulösen Oberkörper und all die Narben, von denen sie weiß, dass sie auch auf seinem Rücken zu finden sind. Karhuni, was kann dich so aus der Fassung gebracht haben? Normalerweise sieht man es dir doch zumindest nicht so an wie heute… Sie kann sich nicht erinnern, ihren Mann überhaupt je so erschrocken gesehen zu haben, seit sie ihn kennt, selbst damals in Blurraent nicht. Er fragt nach und sie nickt, nachdem sie sich eins seiner Hemden über den Kopf gezogen hat. Sie liebt den sanften Geruch nach ihrem Mann, der stets an seinen Hemden haftet und mittlerweile kann sie sich kaum noch vorstellen, etwas anderes zum Schlafen zu tragen.

>Ich habe dir von Ieras erzählt... was er ist und auch von seinem Erbe, conasg. Wie könnte ich mir da keine Sorgen machen? Wie können Ieras und Kea sich keine Sorgen machen?<, bei diesen Worten setzt er sich auf das Bett und schaut auf den Boden. Ohne darüber nachzudenken steht Diantha nach wenigen Schritten vor ihm. So kennt sie ihren Mann überhaupt nicht, es muss wirklich etwas Schwerwiegendes sein, was ihn da bedrückt. Bei den Göttern - Ierás ist der Sohn eines seit Jahrzehnten Tod geglaubten König und sollte er Thronansprüche geltend machen, würde in den Drachenlanden ein riesiger Krieg der ehemaligen Königsanhänger und den neuen Regierenden ausbrechen, das habe ich verstanden. Doch was ist daran so fürchterlich, dass er ein Kind bekommt, solange er eben diese Ansprüche nicht geltend macht und niemand ahnt, dass er lebt? Olyvar legt die Arme um ihre Mitte, den Kopf auf ihren runden Bauch, in dem das Kind sich langsam bewegt, als spüre es die Berührung seines Vaters. Einen Moment sagt er gar nichts, dann fährt er fort: >Diantha... man sagt, jedes Mal, wenn ein Dracayren geboren wird, werfen Soris, die Glücksmaid, und Sarurnir, der Herr des Wahnsinns, eine Münze und wetten auf die Seele des Kindes. Die Drachenkönige von einst... Ierás Sippe... sie haben... sie hatten verdorbenes Blut.< Diese Feststellung raubt Diantha zunächst einmal den Atem. Nein, das war ihr nicht klar, sie weiß einfach viel zu wenig von diesen Drachenkönigen, was Olyvar als normales Grundwissen zu erwarten scheint. Sicherlich ist sie mit zahlreichen Geschichten aufgewachsen, doch die meisten handelten, wenn es um irgendwelche Könige ging, dann von denen, die Immerfrost innerhalb der letzten fünf Jahrhunderte regiert hatten. Es gibt zwar auch Geschichten von der Zeit vorher, doch die sind größtenteils durch die lange mündliche Wiedergabe ausgeschmückt und verändert worden, so dass niemand mehr genau sagen kann, was davon Wahrheit und Dichtung ist. Bücher als Informationsquellen sind für Diantha zudem erst ein Thema, seitdem sie Lesen kann und erst jetzt allmählich kann sie es auch ansatzweise gut genug, um längere Texte fließend zu entziffern. Daher ist ihr neu, was ihr Olyvar da von Drachenkönigen erzählt, die nur untereinander heirateten, und er bringt auch zahlreiche verrückte Regenten als Beispiel, wozu verdorbenes Blut führen kann und dass eben dieser Irrsinn erblich ist. Über Dianthas Rücken jagt ein kalter Schauer nach dem anderen und sie weiß keine Antwort, als ihr Mann fragt: >Also, wie soll ich mir keine Sorgen machen? Bei allen Göttern, Diantha, ich wünsche Kea und Ierás von Herzen, dass ihr Kind wird wie Trystane der Fischerkönig oder Niafaeron Drachenherz, aber was, wenn nicht?< Sie fühlt sich, als würde eine eiskalte Hand ihr Herz umschließen. Bei den Göttern, nein! Doch das ist noch nicht alles, Olyvar fährt unerbittlich fort. >Was, wenn es der nächste Vhaerago Dracayren wird? Soll Talyra brennen für dieses Kind? Sollen Tausende sterben, du... meine Kinder, alle die mir oder dir etwas bedeuten... weil in zwanzig Jahren der nächste irre Dracayrenprinz hier damit beginnen wird, sein Reich aus Feuer und Blut zu schmieden?< Jetzt wird ihr allmählich das Ausmaß der ganzen Angelegenheit erst klar und es schleicht sich die gleiche Angst auf ihr Gesicht, wie sie sich in Olyvars Zügen eingenistet hat.

>Und selbst wenn das Kind nicht den Größenwahn und den Irrsinn seiner Vorväter erbt, was ist mit der Magie in seinem Blut? Du kannst dir nicht vorstellen, welche Kräfte in Ierás schlummern, conasg.< Da hat er recht, sie kann sich nur schwer vorstellen, wie Ierás jemanden mit seinen magischen Fähigkeiten tötet, er wirkt so harmlos. Doch sie ist nicht so dumm zu glauben, dass man jemandem immer ansehen kann, wozu er in der Lage ist - die Lektion, dass man niemanden unterschätzen sollte, vor allen was Magie angeht, hat sie auf der Straße gelernt. Olyvar erzählt davon, dass Ierás durch ein Ritual schnell gewachsen ist und dass das bei seinem Kind nicht so sein würde. >Wie soll es damit umgehen, wie soll es das lernen, ohne daran zu zerbrechen oder über kurz oder lang wahnsinnig zu werden?< Diantha kann keine Antwort darauf geben, doch ihr werden die Knie weich, so dass sie sich auf Olyvars rechten Oberschenkel setzt und ihren Kopf an seinen lehnt. Heiser fährt er fort: >Wird es als Zweijähriges im Sandkasten sitzen und seine Spielgefährten in Flammen aufgehen lassen, nur weil es sich mit ihnen um ein Spielzeug streitet? Es würde ja noch nicht einmal begreifen, was es da tut!< Bei diesen Worten wird Diantha schlecht und vor ihrem geistigen Auge sieht sie brennende Zwillinge, weil sie nicht getan haben, was ihre Halbnichte oder ihr Halbneffe wollte. Wie soll man sie und das Kleine jemals ohne Vorbehalte und Aufsicht mit Ierás und Keas Kind spielen lassen? Selbst wenn es nach der Geburt keine Anzeichen an Magie zeigt… Wer weiß, wann sich das ändern wird? Wer weiß, mit welcher Macht? Drachenfeuer sagt auch mir etwas und es ist definitiv nicht das Richtige in den Händen eines launischen, vielleicht gerade mitten in der Trotzphase steckenden Kleinkinds! Glücklicherweise wissen weder Diantha, noch Olyvar etwas davon, dass das Ungeborene bereits einige Kostproben seiner Magie gegeben hat, indem es Bettlaken und Bärte von Schiffsköchen in Brand setzte, sonst hätten sie sich wohl jetzt schon größte Sorgen um das Wohl ihrer eigenen Kinder gemacht. Olyvar fragt weiter: >Wollen sie es von allen anderen Menschen fernhalten, damit niemand zu Schaden kommt? Ifrinn! Und das ist noch nicht einmal alles.< Kann es noch schlimmer kommen?, fragt sich Diantha bei diesen Worten und stellt zu ihrem Entsetzen fest, dass das durchaus möglich ist. >Selbst wenn ihr Kind gesund und heil im Kopf ist, es ist gefährlich ein Dracayren zu sein. Im Osten sitzt der Orden der Sturmschwerter und hält Lair Draconis seit tausenden Jahren für den einen, wahren Erben des Drachenthrones, doch es ist nur ein Orden und kein Dracayren war je der König, der verheißen wurde. Einige der Edlen Häuser der Drachenlande mögen sich die Drachenkönige und den Ruhm von einst zurückwünschen, aber die meisten wollen von solchen Herrschern überhaupt nichts mehr wissen.< Dann muss wohl den vorherigen Andeutungen nach Loba eine von den Königstreuen sein. Diantha hat schon einiges von dieser Frau gehört, nicht nur, dass sie Kizumus Leben und das der Zwillinge nach der Geburt gerettet hat, über die politische Meinung der Faêyrishohepriesterin wusste sie allerdings bisher noch nichts. >Sie regieren sich seit dem Fall von Tamarlon selbst und sind sehr zufrieden damit. Kannst du dir vorstellen, was geschieht, wenn man in Lair Draconis herausfindet, dass es tatsächlich noch Erben der Drachenkönige gibt und wo sie leben? Die halbe Welt würde in Kriegen untergehen... oder man würde schlicht und einfach versuchen, Ierás und sein Kind zu ermorden.< Nun ist Diantha wirklich voll und ganz sprachlos, und es dauert einige Zeit, bis sie sich wieder einigermaßen gefangen hat.

Oh ja, jetzt versteht sie Olyvars Erschrecken nur zu gut und gleichzeitig schleichen sich einige Fragen in ihr Herz, die Ierás und Kea betreffen. Wie können sie die ganzen Immerlande dieser Gefahr aussetzen? Und vor allem, wie können sie dann auch noch die Drachenlande bereisen? Natürlich versteht sie den Wunsch nach einem eigenen Kind nur zu gut, sie weiß wie es ist, wenn man glaubt keine bekommen zu können, egal wie sehr man sie sich wünscht. Andererseits kann sie die Leichtfertigkeit, mit der Ierás und Kea mit der Situation umgehen absolut nicht nachvollziehen. Ich würde vor Angst kein Auge mehr zutun können! Oder... vielleicht verstecken sie es ja auch nur erfolgreich? Dann müssen sie aber wirklich gute Schauspieler sein… Vor allem kann sie nicht nachvollziehen, dass das junge Paar allen Ernstes zu erwarten schien, dass Olyvar bei Keas Anblick in lauten Jubel ausbrechen würde. Es reicht ja wohl, dass er sie trotzdem mit offenen Armen empfangen hat… und damit ein ziemliches Risiko eingegangen ist, sollte man Ierás in den Drachenlanden erkannt haben. Glücklicherweise ahnen weder Olyvar noch Diantha, dass dank Ierás‘ Besuch im Thronsaal des  Drachensteins sämtliche Regenten des Ordenslandes und der Freien Herzogslande inzwischen wissen dürften, dass es noch einen Erben der Drachenkönige gibt und mittlerweile wohl auf Hochtouren nach eben diesem suchen. Hätte sie davon gewusst, wäre Diantha wohl in Panik ausgebrochen. Wieder gehen ihr Olyvars Worte durch den Sinn: Sollen Tausende sterben, du... meine Kinder, alle die mir oder dir etwas bedeuten... weil in zwanzig Jahren der nächste irre Dracayrenprinz hier damit beginnen wird, sein Reich aus Feuer und Blut zu schmieden? Noch immer herrscht Stille in dem Schlafgemach und jede Heiterkeit ist wie weggeblasen, selbst die warme Brise, die von draußen herein weht, wirkt jetzt wie Hohn und Spott. „Ich kenne keine Antwort auf deine Fragen“, stellt sie leise fest und legt ihren Kopf auf seine Schulter. „Alles, was wir jetzt wohl tun können ist beten. Hoffen und beten, dass das Kind gesund ist und in seiner Kindheit keine Magie befehligen kann… hoffen, dass man in den Drachenlanden nichts von weiteren Thronerben ahnt… hoffen, dass das Kind möglichst bald so vernünftig ist wie sein Vater und kein Interesse am Thron seiner Vorfahren haben wird.“ Das sind ganz schön viele Gebete und Hoffnungen, das ist Diantha durchaus klar, doch ihr will sonst schlicht und ergreifend nichts anderes einfallen. Es gibt keine beruhigenden, tröstenden Worte, die nicht illusorisch sind, auch wenn die Immerfrosterin wünschte, es wäre nicht so. „Auf gewisse Art und Weise würde ich die drei am liebsten wegschicken oder zumindest aus der Reichweite der Zwillinge bringen, damit ihnen keine Gefahr droht, so gerne ich Ierás und Kea auch jetzt schon habe… aber mir ist klar, dass das nicht infrage kommt. In einer Familie hält man zusammen, auch wenn es hart auf hart kommt und ich weiß, dass die beiden für dich dazugehören.“ Die Worte fallen ihr nicht gerade leicht, dass hört man ihr auch an, doch sie weiß, dass sie wahr sind. Sie könnte niemals von Olyvar verlangen die beiden wirklich fortzuschicken, sie weiß schließlich von seinem Versprechen und davon, wie sehr er Ierás nach wie vor als seinen kleinen Bruder ansieht. Dennoch ist eine gewisse Bitterkeit aus ihren Worten herauszuhören. Wenn der Preis für mein Glück mit Olyvar ist, dass ich eines Tages von Anhängern eines Ordens - von dem ich bis heute nicht einmal etwas gehört hatte - umgebracht werde, weil der Sohn seiner ersten Frau so gedankenlos war, ein Kind zu zeugen und die Drachenlande zu bereisen, dann ist das eben so. Nur die Kinder in diese mögliche Gefahr zu bringen ist hart…

Mit einem Mal sieht die Zukunft nicht mehr ganz so rosig aus wie bisher, sondern beginnt sich zu verdüstern. „Schsch, conasg,“ erwidert Olyvar auf ihre Worte und klingt sowohl bestürzt, als auch nachdrücklich. „Ihr seid meine Familie, du und die Kinder. Sicherlich gehören Ierás und Kea für mich dazu, aber... nicht um jeden Preis. Wenn dir die Gefahr zu groß ist, wenn du dir zu viele Sorgen machen musst und das Risiko nicht eingehen willst, dann sag es.“ Er legt seine Hand an ihr Gesicht und hebt es leicht an, so dass sie ihm in die Augen sehen kann. „Karhuni, nach eil? Ich werde dich und die Kinder immer beschützen, Diantha, immer.“ Eine Weile ruht sein Blick in ihrem, so weit und offen, wie der endlose Nachthimmel, ohne irgendetwas zurückzuhalten oder zu verbergen. „Ich habe es dir schon einmal gesagt und daran hat sich nichts geändert. Ich kann alles verlieren, conasg, alles... aber dich nicht.“ Langsam lockert sich der eisige Griff um ihr Herz, Olyvars Worte wärmen sie von innen und lassen sie allmählich wieder leichter atmen. „Karhuni, se on totta…“, murmelt sie. Mein Bär, das ist wahr. Kann sie das Risiko eingehen? Eine wirklich gute Frage. Zwei sehr unterschiedliche Gefühle ringen in ihrem Inneren miteinander, einerseits Angst, Beklemmung und der Beschützerinstinkt ihren Kindern gegenüber, andererseits Verständnis und Mitgefühl für Kea und Ierás. Wie soll sie es im Nachhinein vor sich verantworten, die beiden mit diesem riesigen Problem allein gelassen zu haben? Sie wirken beide so jung und auf gewisse Art und Weise unbeschwert, dass sich in Diantha wie von selbst ein gewisser Drang ihnen zu helfen regt. Dabei sind sie doch vermutlich kaum jünger als ich! Zumindest Kea, bei Ierás ist der gesamte Alterungsprozess ja scheinbar etwas magisch angekurbelt worden. Trotzdem hat Diantha das Gefühl, dass die beiden noch nicht besonders viel Schlechtes in ihrem Leben zugestoßen ist, kein Wunder, wenn seit Jahren jemand wie Olyvar wohlwollend die Hand über ihnen hält. Natürlich ist das nur Dianthas subjektiver Eindruck und sie ist sich da auch nicht hundertprozentig sicher, Halbelben wirken schließlich immer etwas reiner als ihre schlicht menschlichen Artgenossen. Dennoch kann sie sich nicht vorstellen, dass die beiden sonderlich viel Kummer und Leid mit eigenen Augen gesehen oder am eigenen Leib erfahren haben. Wie meinte Vater früher noch? Mit jedem geliebten Mensch, der in deinen Armen stirbt, alterst du geistig, genau wie sich mit jedem Leben, das du nimmst, die hilfreichen Illusionen über das Gute und Schlechte mehr verflüchtigen. In diesem Moment fühlt sie sich schrecklich alt. Wenn diese Krankheit nicht in unser Dorf gekommen wäre, vielleicht wäre ich dann heute mehr wie sie? Überzeugter vom Guten im Menschen? Wäre ich dann an ihrer Stelle das Risiko auch leichtfertiger eingegangen? Prompt sagt etwas in ihr: Nein. Sie hätte zumindest kein Kind in die Welt gesetzt, bevor sie ihre eigenen Kräfte vollständig kontrolliert und vermutlich auch danach nicht. Dafür ist ihr Verantwortungsbewusstsein einfach zu groß, das ist es auch damals schon gewesen und sie weiß, dass es Olyvar da sehr ähnlich geht, sie kennt sein Pflichtgefühl schließlich genau. Für das eigene Glück so viele andere in Gefahr zu bringen braucht mehr Zuversichtlichkeit, als ich aufbringen kann. Sie seufzt, noch immer unschlüssig, was sie Olyvar sagen soll.

Andererseits, ist das Risiko für die Zwillinge denn wirklich so groß? Wir leben hier wohl am sichersten Ort in ganz Talyra, was soll da schon passieren?, versucht sie sich selbst zu beruhigen, auch wenn sie nicht besonders erfolgreich damit ist. Den Gedanken an einen sicheren Käfig, in dem sie die Kinder wohl nicht ewig halten können wird, schiebt sie dabei rasch zur Seite. Außerdem würde dieser Orden bestimmt nicht einfach einen Krieg beginnen, solange sie nicht sicher sind, ob Ierás wirklich der Erbe ist. Und  diese Loba wird es sicherlich niemandem weitersagen. Warum sollte sie auch? … Weil sie ihn oder sein Kind auf den Thron bringen will? … Nun, dann sagt sie es zumindest keinem seiner Feinde weiter… Allerdings stellt sich die Frage, ob die Dracayrenanhänger in diesem Fall wirklich hilfreiche Freunde sind… Wohl eher nicht… Diese und tausend weitere Gedanken und Sorgen schießen ihr durch den Kopf, mit denen sich Olyvar wohl schon zuvor beschäftigt hat, daher sagt sie sie nicht laut, es würde niemandem etwas helfen. „Was für ein Schlamassel!“, stellt sie zähneknirschend fest, womit sie ihn wenigstens ansatzweise zum Lächeln bringt. „Das kannst du laut sagen, conasg“, antwortet er leise und sie zieht ihn sanft in ihre Arme. „Trotz allem kann dieses Kind schließlich nichts dafür und verdient es nicht, für die Taten seiner Ahnen verurteilt zu werden, auch wenn ich wohl immer daneben sitzen werde, wenn es mit unseren Kindern spielt…“ Da soll es doch lieber mich aus Wut in Flammen aufgehen lassen, als die Zwillinge oder Njáll... oder  Lahja, wenn Olyvar Recht behält und es ein Mädchen wird... Wieder schweigen sie beide eine ganze Weile und halten sich im Arm, bis Diantha irgendwann feststellt: „Wir brauchen den Schlaf, besonders du, wo du dich doch morgen wieder auf die Jagd nach diesem Wahnsinnigen machen musst…“ Sie küsst ihren Mann, lang und ausgiebig und zieht ihn aufs Bett, nur um sich dort gleich in seinen Arm zu schmiegen. Mittlerweile ist es nicht mehr allzu einfach für sie auf der Seite zu schlafen, allerdings kann sie das auch nicht besonders gut auf dem Rücken tun, so dass sie auch an diesem Abend wieder einige Zeit braucht, bis sie eine ansatzweise akzeptable Lage gefunden hat. Doch auch dann will der Schlaf nicht kommen, das lassen all die Sorgen und Bedenken schlichtweg nicht zu und Diantha merkt, dass es Olyvar da nicht viel anders geht, obwohl sein Tag vermutlich noch ein ganzes Stück anstrengender war, als ihrer. „Hoffen und beten“, murmelt sie nach einer gefühlten Ewigkeit, legt Olyvars große, schwielige Hand auf ihren Bauch, schmiegt ihr Gesicht an seine Brust, atmet den geliebten Geruch ein und begibt sich endlich in Sheilairs Reich. Auch dort erwartet sie zunächst nichts als ein brennendes Talyra, bis sie endlich im traumlosen Schlaf ihre Ruhe findet.

Dementsprechend zerschlagen fühlt sie sich auch am nächsten Tag, der viel zu früh beginnt. Während des Frühstücks sind Kea und Ierás so voller Tatendrang und Pläne, dass es Diantha schwer fällt, keine Überraschung zu zeigen. Vermutlich versuchen sie sich damit von ihren Sorgen um das Kind abzulenken. Direkt nach dem Frühstück verschwindet Olyvar in Richtung der Waffenhöfe und die Ierás macht sich mit seiner Frau auf den Weg um dem Waldhof, sowie der Katei und der Schmiede einen Besuch abzustatten. Die beiden Hunde lassen sie, nachdem Fianryn und Connavar ihre herzerweichendsten Bettelblicke aufgesetzt haben, im Westflügel und Diantha beobachtet nachdenklich die Begeisterung, mit der die beiden sich mit den Tieren beschäftigen. Schließlich bringt sie das dann auch dazu, ihren Plan, die Hundeführer der Steinfaust um Rat zu fragen, in die Tat umzusetzen. Mehr aus Glück erwischt sie Tormedan, den sie von der Büffeljagd her kennt und von dem sie genau weiß, was für ein Händchen er für Hunde hat, nicht nur für seinen „Fang“. Der Jäger war freundlich wie immer gewesen, bei ihrer Frage hatte er ihr allerdings nicht sonderlich weiterhelfen können. Zwar hatte er ihr ein paar Ratschläge geben können, worauf man bei einem Hund achten muss und welche Rassen infrage kämen, wenn man auf der Suche nach einem Familienhund ist, den man auch mit auf die Jagd nehmen kann. Dieses Jahr waren wenig neue Jagd- und Schutzhunde dazugekommen und Tormedan kann sich bei der Auswahl nur an einen Hund erinnern, der aufgrund eines viel zu friedfertigen Gemüts abgelehnt wurde. Einen Hund, der Freund wie Feind nur begeistert begrüßt und zu jedem Mensch gleich freundlich ist, kann Diantha dann aber auch nicht gebrauchen und so verabschiedet sie sich nur mit einem Lächeln und den Worten: „Erfolgreiche Jagd, Nimrod sei mit euch!“ Kea und Ierás hingegen sind bei ihrem Anliegen eindeutig erfolgreicher und während des Abendessens erzählen sie absolut begeistert von dem Anwesen, es scheint wirklich genau das zu sein, was sie sich gewünscht haben. Wahrheitsgemäß berichten sie auch davon, dass einige Ausbesserungsarbeiten an den Gebäuden und Zäunen vorzunehmen wären, genau wie an der Katei und der Schmiede. Sie reden über ihren Plan die Schmiede nicht zu verkaufen, sondern stattdessen zu verpachten, was Diantha sehr logisch findet, denn so hätten sie nicht nur einmal einen großen Ertrag, sondern bekommen jedes Jahr Geld. Außerdem erzählt Kea mit einem so begeisterten Funkeln in ihren Augen von der Wiege, die sie bei einem Tischler bestellt hat, dass die Immerfrosterin die Gedanken an sämtliche Dracayrenkönige einfach zur Seite schieben und Kea die Wiege zeigen muss, in der auch Olyvar schon gelegen hat und die mittlerweile aufgearbeitet im Schlafgemach steht. Voller Vorfreude debattieren die beiden Frauen darüber, wo man das Möbelstück dann wohl am besten hinstellen könnte und Kea erzählt davon, inwiefern sie sich ihre Wiege anders vorstellt und was für Schnitzereien ihr vorschweben. Schon am nächsten Tag bekommen Kea und Ierás einen handfesten Grund für weitere Pläne: am Morgen erhalten sie nämlich von Eamon die Nachricht, dass sich seine wichtigste Gläubigerin mit ihnen treffen will, woraufhin sich Kea aufgeregt an einen Brief setzt. Nur kurze Zeit später kommt prompt eine positive Antwort und sie machen sich auf den Weg zu einem Gespräch mit Lady Darragh. Diantha wünscht ihnen viel Glück, bis sie zurückkommen dauert es allerdings einige Zeit. Kaum betreten die beiden den Westflügel wieder, ist es allerdings unnötig zu fragen, worauf das Treffen hinausgelaufen ist, denn Kea strahlt nur so über das ganze Gesicht. Enthusiastisch schwärmen beide von dem Treffen mit der Lady und der Neuigkeit, dass der Waldhof schon bald in ihren Besitz übergehen dürfte. Diantha gratuliert ihnen erfreut, ebenso wie Olyvar und am Abend stoßen sie miteinander an - auch wenn der Alkohol den Männern vorbehalten bleibt, denn weder Diantha, noch Kea rühren während ihrer Schwangerschaft einen Tropfen Hochprozentiges an, stattdessen begnügen die beiden sich mit Fliederblütensaft.

Innerhalb der nächsten Siebentage stellen die beiden Frauen ohnehin fest, dass sie einiges gemeinsam haben. Zwar hat Diantha das Gespräch mit Olyvar am Abend der Ankunft von Kizumus Sohn und dessen Frau nicht vergessen, aber es erweist sich als ein Ding der Unmöglichkeit, Kea nicht ins Herz zu schließen. Außerdem haben wir uns ja dazu entschieden, ihnen beizustehen… Endlich hat Diantha jemanden, mit dem sie gemeinsam über die fürchterliche Hitze schimpfen kann und über die Mühseligkeit der letzten Schwangerschaftswochen vor der Geburt. Anstrengend ist diese Zeit wirklich, denn das Schlafen wird immer schwieriger, ständig liegt das Kind auf der Blase und lässt einen kaum mehrere Stunden Ruhe finden. Diantha bekommt nun endgültig das Gefühl ein Fass verschluckt zu haben, ja mittlerweile kann sie nicht einmal mehr ihre eigenen Füße auch nur sehen, geschweige denn sich ihre Schuhe zubinden. Dass der Bauch sich ungefähr zwei Siebentage vor der Geburt zu senken beginnt und mit einem Mal das Atmen wieder leichter wird, ist nur ein kleiner Trost. Da ist es schön, sich mit jemand austauschen zu können, der in derselben Lage ist und nicht nur erzählt, wie das bei den Geburten der eigenen Kinder war, sondern mitten drin steckt. Kea ist zwar beinah jeden Tag auf dem Waldhof, auch wenn Ierás dafür sorgt, dass sie sich nicht überhebt oder in irgendeiner Form Arbeiten verrichtet, die für Hochschwangere nicht geeignet sind, aber sie möchte doch dabei sein. Gegen Mittag flüchtet sich die junge Halbelbin stets in die kühle Steinfaust, denn die zweite Hälfte des Goldscheins und der Anfang des Sonnenthrons legen sich mit einer gewaltigen Hitze auf Talyra, nur selten unterbrochen von deftigen Sommergewittern. Dementsprechend viel Zeit verbringen die beiden Ladys von Tarascon miteinander und sorgen so manches Mal bei Olyvar und in der Küche für Verzweiflung.
„Olyvar, kannst du mir die Füße massieren? Du kannst das so gut und ich komme da einfach nicht mehr dran, egal was ich anstelle!“
„Schatz kannst du uns etwas zu trinken besorgen? Ein paar Säfte wären toll, möglichst kalt, wenn’s geht… Vielleicht ist ja doch noch ein wenig von dem Fliederblütensaft da?“
„Würdest du uns noch ein paar Kissen bringen? Das wäre wunderbar.“
„Karhuni, kannst du vielleicht kurz jemanden in die Küche schicken, und uns etwas Schweinebraten besorgen lassen? Oh, und ich hätte Lust auf Kirschen! Wie wäre es mit noch ein wenig Honig dazu? Ja, Steckrüben sind auch eine tolle Idee und natürlich etwas Sahne. Außerdem noch ein wenig Gurkensalat dazu, ein paar von Weonards Lachsröllen und … hab ich Honig eigentlich schon gesagt?“
Die beiden Frauen veranstalten so manchen Mitternachtsimbiss, bei deren Anblick ihren Männern nur schlecht werden würde und auch sonst lassen sie sich gerne reichlich und in wildesten Kombinationen auftischen. Kea ist mir ihren Wünschen zwar immer eher zurückhaltend, aber Diantha hat nach kurzer Zeit keine Probleme mehr damit, aus der jungen Frau heraus zu kitzeln, wonach ihr der Sinn gerade steht. Dafür, dass Ierás früh das Haus verlässt und erst todmüde zum Abendessen wieder auftaucht, kann Kea schließlich nichts und Olyvar erweist sich, was solche Bitten angeht, ohnehin immer als wahrer Schatz, ob die nun alle von Diantha kommen oder nicht, spielt da keine Rolle. Ierás versucht mit Feuereifer, den Waldhof so schnell wie möglich bezugsfertig zu machen, trotzdem zweifelt die Immerfrosterin seit ihrem Besuch des Hofs kurz nach dem Kauf insgeheim daran, dass er diese Aufgabe bis zu der Geburt seines Kindes tatsächlich meistern wird. Trotz der heißen Temperaturen machen sich Diantha und Kea außerdem ein paar Mal auf den Weg zum Markt, um einiges für Keas Kind zu besorgen, meist ganz früh am morgen, wenn es noch einigermaßen kühl ist. Die Halbelbin kann nicht aus einem so reichen Bestand schöpfen, wie Diantha, schließlich ist noch viel von den Zwillingen da und braucht daher einiges an Grundausstattung. Dafür kommandiert Diantha meistens Matthis oder eins der Botenkinder ab, um ihre Einkäufe zu schleppen, denn an den Ungeborenen haben die beiden Frauen bei diesem Wetter schon genug zu tragen, außerdem weigern sie sich beide beharrlich von einer Kutsche oder Sänfte Gebrauch zu machen.

Das Hundeproblem löst sich in den letzten Tagen des Goldscheins glücklicherweise auch von selbst, da bringt Olyvar nämlich einfach einen vom Dienst mit. Es ist eine junge Hündin, groben Schätzungen nach wohl um die fünf Monde alt, also noch in der Prägephase und außerdem ein wenig tollpatschig. Obwohl sie so jung ist, ist sie schon ziemlich groß und die riesigen Pfoten deuten an, dass das Tier wohl noch einiges wachsen würde. Damit, dass es ein Mischling ist, hat niemand ein Problem, ein wenig Fermgiard ist vermutlich darin, was Diantha prompt gefällt, denn Hunde die Wasser mögen und Fische fangen können, sind praktisch. Es braucht nur einen Blick aus großen, braunen, eindeutig intelligenten Augen und sie ist hin und weg, und den Zwillingen scheint es da nicht anders zu gehen. Sofort wird Olyvar von allen Seiten genötigt zu erzählen, woher der Hund so plötzlich kommt und hebt mit einem Lachen beschwichtigend die Hände, bis ein wenig Ruhe einkehrt. Dann beginnt er zu berichten, dass er am frühen Nachmittag vom Hafenmeister über ein kleines Schiff informiert wurde, das mit gehisster gelber Flagge in den Hafen getrieben war. Auf sämtliche Rufe gab es keine Reaktion, sodass das Schiff zunächst einmal von einem talyrischen Kriegsschiff aus dem Hafen geschleppt wurde um eine Epidemie zu verhindern. Sofort war Olyvar mit mehreren Blaumänteln und allen verfügbaren Heilern angerückt, denn die gelbe Fahne am Mast bedeutete nichts anderes als Cholera an Bord. Für die Besatzung kam jedoch jede Hilfe zu spät, sie hatte ohnehin nur aus vier Mann bestanden, von denen drei schon zuvor gestorben waren und der Vierte gerade seine letzten Atemzüge tat. Beim Durchsuchen des Schiffes waren sie Blaumäntel im Laderaum dann auf den kleinen Hund gestoßen, der überglücklich gewesen war, dass sich endlich jemand um ihn kümmerte und trotz der Strapazen doch relativ ruhig geblieben war, was wiederum Olyvar gefallen hatte. Halb verhungert war das Tier gewesen und hatte fürchterlich gestunken, sodass Dianthas Mann es gleich an sich genommen hatte, ihm etwas zu Fressen und ein Bad organisiert hatte. Mittlerweile ist der Kleinen kaum noch etwas davon anzusehen, was sie alles erlebt hat, sie geht freundlich, wenn auch etwas zurückhaltend auf all die Leute, sowie Ruaidh und Miya zu. Kinder scheint das Tier ebenfalls zu kennen, denn Fianryns und Connavars Aufforderung zum Spielen, nimmt die Hündin nach kurzem Zögern an. Es braucht nur einen Blick zwischen Diantha und Olyvar, und es steht fest, dass dieser Hund bei ihnen bleiben wird. Er lebt sich auch erstaunlich schnell ein, nach wenigen Tagen ist er kaum mehr aus dem Westflügel wegzudenken, die Zwillinge sind vollkommen vernarrt in ihn und nachdem Diantha das Tier einige Zeit lang beobachtet und gesehen hat, wie es mit den Kindern umgeht, macht sie sich auch keine Sorgen mehr. Probleme mit Ruaidh und Miya gibt es zudem nicht einmal ansatzweise, die Hunde verstehen sich untereinander sehr gut. Mit der Katze will sich die Kleine zunächst anlegen, die lässt sich von allem Gekläffe allerdings nicht im Geringsten beeindrucken, was die Hündin eindeutig verwirrt, sie ist es wohl gewohnt, dass alle Katzen automatisch vor ihr Reißaus nehmen. Es wirkt fast ein wenig, als würde diese Ruhe der Hündin imponieren, denn schon nach wenigen Tagen beginnt sie immer öfter in der Nähe der Katze zu schlafen und irgendwann im Sonnenthron schläft die Katze auf dem Hund, als Diantha am Morgen die Halle betritt.

Das einzige wirklich problematische im Zusammenhang mit dem Tier ist eigentlich nur die Namensfindung. Die Immerfrosterin selbst ist eine große Anhängerin der Namen „Koira“ Hund oder „Ruskea“ Braune. Den ersten Vorschlag zieht sie aber prompt zurück, nachdem sie einmal gehört hat, wie Olyvar dieses Wort ausspricht, den zweiten potentiellen Namen mag Fianryn nicht, als Argument bringt sie: „Das klingt ja fast wie Kea!“ Darauf ist Diantha noch nicht gekommen, obwohl das Mädchen durchaus Recht hat, auch wenn die Betonung ganz anders ist. Von Connavars Vorschlag, dass man den Hund ja auch einfach Yksi nennen könnte, so wie den tollen Löwen, ist die Immerfrosterin allerdings auch nicht begeistert. Den eigenen Hund „Eins“ zu nennen hält sie für keine sonderlich gute Idee. So vergeht die Zeit äußerst ereignisreich und Diantha genießt sie, so weit es möglich ist. Ihr gefällt es, dass noch ein wenig mehr Leben also sonst im Westflügel ist, und auch mit all den Tieren um sie herum hat sie absolut kein Problem. Ihre Ruhe und Gelassenheit was die Geburt angeht verliert sie weiterhin nicht, Olyvars Versicherung, dass bei ihr sicherlich alles besser klappen wird, als bei Kizumu, trägt mit dazu bei. Außerdem wirkt Morna bei jedem ihrer regelmäßigen Besuche sehr zufrieden und versichert Diantha, das alles in Ordnung ist. Auch mit Kea war die Frau des Kastellans schnell wieder warm geworden, sie hatten sich wohl vor der Reise zum Riathar schon zumindest flüchtig gekannt. Gerne lädt Diantha die ältere Frau zu einem Glas Saft ein - was Morna mit einem zufriedenen Grinsen bedenkt - und dann werden sie und Kea mit den wichtigen Neuigkeiten aus Talyra versorgt. Der Mörder ist schließlich nach wie vor nicht gefunden und dementsprechend kocht die Gerüchteküche in regelmäßigen Abständen über. Normalerweise ist Diantha keine sonderliche Tratschtante, aber wenn Morna davon erzählt, was für Geschichten so in Talyra herumgehen, ist es immer sehr lustig, sie würzt das Ganze immer mit einer ordentlichen Portion Humor und Ironie. So werden die Tage bis zu der Geburt rasch weniger, der Sonnenthron beginnt und macht seinem Namen gleich von Anfang an alle Ehre, und allmählich macht sich Spannung in Diantha breit - bald würde sie ihr Kind in den Armen halten können.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 21. Juli 2008, 00:01 Uhr
Es hilft Diantha rein gar nichts, dass sie ihren Vorschlag, das neueste Familienmitglied des Westflügels schlicht und einfach "Koira" zu nennen, sofort wieder zurücknimmt, kaum dass sie ihn gemacht hatte. Der Name passt und klingt gut, und nach einer Weile Übung gelingt es Olyvar sogar, das Pakkakieli-Wort zumindest einigermaßen erträglich auszusprechen. Die Zwillinge haben, scheinbar sprachbegabter als ihr Vater, überhaupt keine Schwierigkeiten damit und so bleibt es schließlich dabei - die Hündin heißt Koira, zugegebenermaßen nicht sehr einfallsreich aus immerfroster Sicht, aber in Talyra wissen die Götter exotisch genug. Ebenso exotisch scheint die Mischung des halbwüchsigen Hundekindes: Pfoten groß wie Suppenschalen und der Appetit eines ausgewachsenen Branbären verraten zwar schon jetzt, dass sie noch einiges an Größe zulegen würde, aber von den Körperformen und Proportionen her erinnert sie eher an einen Fermgiard, wenn sie auch viel kräftiger wirkt und ihr Fell kurz, dicht und weich ist. Allerdings hat sie ein Schlapp- und ein Spitzohr, und ihr Pelz ist von schokoladenbrauner Farbe ohne irgendwelche Abzeichen, abgesehen von einer weißen Pfote hinten rechts. Nachdem sie sich zu Beginn des Sonnenthrons mit Katze angefreundet hat, die zuerst gar nicht begeistert war, ihr mühsam erobertes Zuhause schon wieder mit einem solch kläffenden Emporkömmling teilen zu müssen, nimmt Olyvar die Hündin vormittags stets mit sich zum Dienst. Ganz gleich, ob er in seinem Solar sitzt und den leidigen Papierkram erledigt, auf den Waffenhöfen zu Übungskämpfen antritt, in der Steinfaust unterwegs ist, sich mit seinen Hauptmännern bespricht, den Stadtrat aufsucht, die Pferde bewegt oder bei irgendeiner der - in einer so großen Festung ständig anfallenden - Instandsetzungsarbeiten zwischen Mörtel und Mauersteinen herumkriecht, Koira ist immer bei ihm und lernt so gewissermaßen nebenbei das Steinfaustleben kennen. Nach dem Mittagsmahl, das er, wann immer es irgendwie einzurichten ist, mit seiner Familie einnimmt, lässt Olyvar die kleine Hündin dann bei Diantha, den Kindern, Kea und ihren beiden Hunden, und bevor die Zwillinge ins Bett gehen, gibt es noch einen gemeinsamen Abendspaziergang in die Randbezirke des Larisgrüns, zu dem dann immerhin manchmal sogar Dia überredet werden kann, auch wenn sie sich sonst an den heißen Sommertagen am liebsten ständig in die Eiskeller der Festung verkriechen würde. Der Goldschein vergeht, die Hitze am Mantelsaum, und mit dem Sonnenthron kommen die Hundstage - Tag für Tag heißer, stiller Sommer, an denen das Licht das einzige zu sein scheint, was sich bewegt und selbst die allgegenwärtigen Waldgrillen und Zikaden sich tief ins Gras verkriechen. Der Duft gemähten Grases hängt in der Luft, im Umland wird das Heu eingefahren und auf den Feldern reift golden das Korn. Kartoffeln, Mais und Feuermelonen hätten Regen bitter nötig, aber es regnet nicht, und während sich die einen freuen, halten die anderen nach Wolken Ausschau. Diantha wünscht sich mittlerweile inbrünstig den plötzlichen Wintereinbruch oder zumindest einen klitzekleinen arktischen Schneesturm, und hätte die letzten Tage ihrer Schwangerschaft wohl am liebsten in einem Zuber mit Eiswasser abgesessen, während Olyvar und die Zwillinge samt Koira jede freie Minute draußen verbringen und längst sonnenverbrannten Südländern gleichen. Kea, ebenso hochschwanger wie sie, leistet Diantha dabei gern Gesellschaft, da Ierás seine Tage von der Morgen- bis zur Abenddämmerung ebenfalls schwitzend in der erbarmungslosen An t-Iuchar-Sonne verbringt, um mit einer Horde angeheuerter Zimmermänner so rasch wie möglich den Waldhof Instand zu setzen, der ja nunmehr ihnen gehört... neben solchen Kleinigkeiten wie der Haferernte und der Heumahd, die natürlich ebenfalls erledigt werden müssen. Morna sieht jetzt, gegen Ende von Dianthas Schwangerschaft, beinahe täglich nach ihr und - wenn sie schon einmal hier ist - bei Gelegenheit auch nach Kea, doch sie versichert sowohl Olyvar als auch Ierás mit unerschütterlicher Geduld, dass alles in bester Ordnung wäre.

Es kommt der Tag, an dem Diantha nicht nur ihren Teebecher, sondern gleich die Kanne noch dazu auf ihrem Bauch hätte abstellen können, und plötzlich wieder leichter atmen kann, weil das Baby nicht mehr in ihre Lungen drückt, und sie wissen beide, was das bedeutet: ihr Kind kann nun nicht mehr lange auf sich warten lassen. Olyvars Schlaf war schon immer leicht, das wachsame Ruhen eines Mannes, der Zeit seines Erwachsenenlebens ein Kriegerdasein geführt hat, doch jetzt ist er schon bei der allerkleinsten Regung Dianthas neben ihm hellwach und auf der Hut - was für unruhige Nächte sorgt, da seine Frau sich mit dem kugelrunden Bauch, der ihr jetzt ständig und überall im Weg ist, praktisch ununterbrochen hin- und herwälzt. Die ersten Tage des Sonnenthrons verstreichen dann jedoch, was die Schwangerschaft angeht, trotzdem absolut ereignislos - in Dianthas Bauch herrscht tiefe Stille und nicht die allerkleinste Wehe, kein Ziehen im Rücken und auch sonst nichts deuten darauf hin, dass die Geburt sich bald ankündigen würde. Am Abend des sechsten Sonnenthrons kommt Olyvar erst nach Hause, als der Mond schon hoch am Himmel steht und seine Familie bereits seit Stunden tief und fest schläft. Sein Tag war im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch und trotz des langen, heißen Bades, dass er in den leeren stillen Badehäusern noch genommen hatte, fühlt er sich so zerschlagen wie ein Sack Geschirr, das eine Horde von Schmieden zwischen Hammer und Amboss bearbeitet hatte. Am Morgen war er mit einem Dutzend Blaumänteln nach Zwölfeichen geritten, um dort eine Sippenfehde zu schlichten, die diesmal leider nicht unblutig ausgegangen, sondern eskaliert war. Zwei Dorfbewohner waren tot, ehe er und seine Männer dort eintrafen, die beiden Familien entwaffnen und zur Räson bringen konnten, und bei dem kurzen, aber heftigen Kampf waren auch einige Stadtgardisten verletzt worden. Olyvar hatte erst einmal sechs Männer in Zwölfeichen gelassen, um dort für Ruhe zu sorgen, ihnen Verstärkung versprochen und die Verwundeten mit sich genommen.  Auf dem Rückweg nach Talyra hatte es dann prompt ein Scharmützel mit einem unternehmungslustigen halbwüchsigen Höhlenbären im Larisgrün gegeben, der es, wohl angezogen vom Blutgeruch der verwundeten Männer, auf eines der Pferde abgesehen hatte (wobei Götterlob dann keiner mehr ernsthaft verletzt worden war, nur Olyvar hat eine Schramme an der Schulter). Zurück in der Steinfaust hatte er den Narrenkönig mit einem Trupp nach Zwölfeichen geschickt und war anschließend mit zwei Baumeistern und einer Handvoll Sappeuren durch einen in seiner Abwesenheit eingestürzten Tunnel der talyrischen Kanalisation gekrochen, um sich das Ausmaß des Schadens dort selbst anzusehen. Danach hatte Olyvar sich stinkend und noch immer blutgesprenkelt außerdem in einer hastig einberaumten Stadtratssitzung mit Tallard und Gwyned (ausnahmsweise einmal einer Meinung) herumgestritten, ob und wenn ja für wie viel gutes Silber der Kanalschacht wieder Instand gesetzt werden sollte und welche Maßnahmen noch gegen den irren Mörder ergriffen werden könnten, der schließlich noch immer frei herumlief. Als auch das ausgestanden war, hatte er in der Steinfaust seine Offiziere informiert und war von einer Eilbotschaft Uliaris' in den Hafen gerufen worden, wo er sich den Abend und die halbe Nacht lang mit der Festnahme von ein paar Schmugglern herumschlagen hatte müssen, die sich in einem der Speicherhäuser der Ostildorischen Handelsgesellschaft verschanzt hatten und so schwer heraus zu bekommen gewesen waren wie die Mäuse aus dem Speck. Entsprechend tief und traumlos ist sein Schlaf, und so kommt es, dass er die Geburt seines Kindes - oder zumindest deren Anfang - um ein Haar verschlafen hätte.

Olyvar erwacht nämlich erst, als die Sonne schon längst aufgegangen ist und kann nicht einmal genau sagen, was ihn eigentlich geweckt hat. So erschöpft wie er ist, hätte er eigentlich nicht einmal ein Auge aufklappen dürfen und auf der Stelle tot umfallen müssen, doch aus irgendeinem Grund ist er so unruhig, dass an weiterschlafen nicht mehr zu denken ist. Koira auf dem Flickenteppich am Fußende des Bettes dagegen schnarcht noch tief und fest - nur Diantha scheint schon länger auf den Beinen zu sein, denn ihre Seite des Bettes ist leer und bereits kalt. Er weckt den Hund, der sich streckt wie eine Katze, gönnt sich selbst eine kurze Wäsche mit kaltem Wasser (was ihn jedoch auch nicht sonderlich wacher macht) und schlüpft in seine Kleider, immer noch von einer vage alarmierten Beunruhigung erfüllt. Als er mit tiefen Schatten unter den Augen, unrasiert und mit wild abstehenden Haar in die Halle hinunter kommt, ist es dort verdächtig still - keine Hundemeuten hetzen sich gegenseitig um die holzgeschnitzten Säulen und keine Kinder spielen kreischend Stock-und-Ball oder Komm-in-die-Burg. Die Zwillinge scheinen überhaupt nicht da zu sein und auch von Mattis fehlt jede Spur. Trotz der Sommerwärme brennt im großen Kamin ein Feuer, über dem in einem gewaltigen Kupferkessel Wasser simmert, auf der Anrichte liegt ein dicker Stapel sauberer Tücher und weicher Laken bereit, und Kea sitzt mit einem so wissenden Lächeln am Tisch, dass es ihm eigentlich einen warnenden Schauer über den Rücken jagen sollte. Olyvar blinzelt nur müde und ein wenig verwirrt. "Was..." ist denn? will er eigentlich fragen, bricht jedoch mitten im Satz ab, als er seine Frau sieht, die eigentümlich in sich gekehrt vor dem Kamin auf und abläuft. In einem einfachen Unterkleid aus ungebleichtem Leinen, mit gelösten Haaren und nackten Füßen, die Hände in den schmerzenden Rücken gepresst, schiebt sie langsam ihren enormen Kugelbauch vor sich her und lauscht dabei angestrengt in ihr Inneres. Keas Katzengrinsen, das Wasser, die Tücher - all das hätte ihm schon verraten müssen, woran er ist, aber das Begreifen kommt erst mit dem Anblick von Dianthas blassem, angestrengtem Gesicht - der Tag, auf den sie beide so lange gewartet haben, scheint da. "A Dhias, thois cobhair..." Götter steht mir bei. Olyvar atmet geräuschvoll ein und aus. Ihre Blicke treffen sich und er ist mit zwei, drei großen, schnellen Schritten bei ihr, doch gerade, als er sie erreicht und ihre Arme umfasst, jappst sie unter einem ziemlich heftigen Wehenkrampf nach Luft. "A Dhias, thois cobhair..." faucht er noch einmal, diesmal sichtlich erschrocken. "Wie lange hast du schon Wehen?"
"Och." Diantha schnauft und prustet noch ein wenig, tätschelt ihm jedoch beruhigend den Handrücken  und nimmt ihre Wanderung vor dem Kamin vollkommen gelassen wieder auf, diesmal in seinem Arm. "Eine Weile. Vielleicht seit der dritten Stunde... glaube ich."
Seit der dritten... du lieber Himmel! "Was?! Seit fünfeinhalb Stunden?" Olyvar schnappt hörbar nach Luft. "Warum hast du mich nicht geweckt?!"  
"Dann hättest du noch weniger Schlaf abbekommen und dich nur viel zu früh und ganz unnötig aufgeregt," kontert Diantha seelenruhig und tappt lächelnd neben ihm her.
"Nicht aufregen...!" echot er in komischem Schrecken und fährt sich mit der freien Hand durchs Haar, eine durch und durch männliche Geste der Verzweiflung über die unerhörte Logik eines weiblichen Wesens, vorzugsweise die der eigenen Frau. In Gedanken zählt er lautlos bis zehn, aber das hilft nicht viel - er sieht vermutlich trotzdem aus wie ein Mann, der im Begriff ist, einen hysterischen Anfall zu bekommen. "Nicht aufregen... mmmpf! Nicht aufregen... Ich gehe und hole Morna. Nein, ich kann dich nicht allein lassen, ich schicke Mattis! Verdammt, der Bengel ist ja nicht da... ich gehe. Ich gehe selbst, wer weiß, wo ein Botenjunge herumtrödeln würde. Himmel! Ich bin sofort wieder da."

Hin und her gerissen zwischen Freude, Hoffnung, Angst und Erwartung macht er einen zögernden Schritt von ihr fort, nur um gleich darauf wieder bei ihr zu sein und sie an den Schultern zu sich umzudrehen. Sie ist weiß um die Augen und auf ihrer Stirn glitzern winzige Schweißtröpfchen, aber sie ist warm, ganz und gar lebendig und unleugbar amüsiert über seinen Schrecken. "Du rührst dich nicht von der Stelle! Nicht einen Sekhel!" Schärft er ihr ein. "Was immer du glaubst tun zu müssen, warte bis ich mit Morna wieder hier bin, conasg. Warte!"
Diantha lächelt schief, so als wolle sie gleich fragen, was er denn glaube, dass sie vorhabe, doch Olyvar reißt sich von ihr los, ehe sie ihn deswegen ausschelten kann und hetzt aus dem Westflügel, als seien die Dämonen aller Neun Höllen hinter ihm her. Er stürzt durch Gänge und Flure, springt Treppen hinunter und wieder hinauf, immer ein paar Stufen auf einmal nehmend, rennt auf dem äußeren Zwinger beinahe den vollkommen verdattert hinter ihm her blickenden Cedric über den Haufen, schliddert über Kopfsteinpflasterstraßen und um Häuserecken, erreicht Rhordris Haus, stürmt hinein, zerrt die überrumpelte Morna von ihren blubbernden Kochtöpfen fort und so schnell hinter sich her zurück zur Steinfaust, dass seine füllige Ziehmutter hüpfen und springen muss, um mit ihm Schritt zu halten und nicht von den Füßen geholt zu werden. Morna, die ihn wohl besser kennt als irgendjemand sonst außer  Diantha, nimmt es mit Humor, auch wenn sie, als sie nach einer halben Ewigkeit endlich in den Westflügel zurückkommen, empört über diese rüde Behandlung die Nase rümpft und im Vorraum erst einmal in aller Seelenruhe ihre Frisur und ihre Kleider in Ordnung bringt. "Oh, du brauchst nicht so zu hetzen! Das erste Kind braucht immer lange, bis es kommt. Es kann noch Stunden dauern..." Olyvar hätte sie vor lauter Ungeduld am liebsten erwürgt und schiebt sie irgendwann einfach resolut vor sich her in die Halle, bis Morna sich schließlich zungenschnalzend von ihm befreit. "Schon gut, schon gut! Ich beeile mich ja!" Würdevoll wie ein Schiff unter vollen Segeln rauscht sie zum Kamin, wo Kea den Platz an Dianthas Seite eingenommen hat, und Olyvar folgt ihr auf dem Fuß. Zehn Minuten und eine kurze Untersuchung später erklärt Morna, alles sei in bester Ordnung, setzt erst einmal Teewasser auf und heißt Olyvar, Diantha ins Schlafgemach hinaufzubringen, dort aber noch eine ganze Weile, so lange wie nur irgend möglich, herumzuführen wie ein Pferd mit einer Kolik - eine Aussage, die Kea ein haltloses Kichern entlockt und Diantha empört schnauben lässt, was aber fast augenblicklich in ein angestrengtes Keuchen umschlägt, als die nächste Wehe sie überrollt. Olyvar hält seine Frau fest und streicht beruhigend über ihren Rücken. Es dauert lange und ist heftig, so stark, dass er das krampfartige Zusammenziehen ihrer Muskeln an seinem eigenen Bauch spüren kann, die ungeheuren Kräfte, die in ihr arbeiten, um sein Kind zur Welt zu bringen... ein Gedanke, der ihn seltsam stolz und demütig zugleich werden lässt. "Komm schon, conasg," flüstert er weich, als die Kontraktion endlich abflaut und Diantha wieder aufrecht stehen und einigermaßen gleichmäßig atmen kann. "Mit Kolikpferden kenne ich mich aus, das schaffe ich." Sie wirft ihm einen indignierten Seitenblick zu, geht aber bereitwillig mit ihm, als er sie über die Treppe nach oben bringt. In ihrem Schlafgemach angekommen, lehnt Diantha sich an ihn und er hält sie einen Moment lang fest, doch ihre Ruhe währt nicht lange und sie beginnt, sich rastlos hierhin und dorthin zu wenden. Sie ist stark, groß und gesund, und hatte bisher keinerlei Schwierigkeiten in ihrer Schwangerschaft... außerdem hatte sie es fertig gebracht, die Wehen fünfeinhalb Stunden ganz allein zu ertragen ohne auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu sagen - eigentlich sollte er sich überhaupt keine Gedanken machen, und das hatte er bis jetzt allen schlechten Erfahrungen zum Trotz auch tatsächlich nicht getan. Doch nun, da die Stunde der Wahrheit näher und näher rückt, ist da eine leise, besorgte Stimme irgendwo tief in seinem Inneren, die beharrlich wispert: Was, wenn...?

Hör auf! Weist Olyvar sich selbst scharf zurecht und zwingt sich zu einem zuversichtlichen Lächeln. Es wird alles gut gehen. Sie wird ein wunderbares und gesundes Kind zur Welt bringen - und ihr wird nicht das Geringste dabei geschehen! Er verbietet sich entschlossen, an Mornas lederne Hebammentasche und deren Inhalt zu denken und drängt Diantha sanft vorwärts. "Komm, conasg, gehen wir ein Weilchen, wenn du willst." So ziehen sie ihre Runden - von Fenster zu Fenster, vom Bett zum Kamin, vom Kamin zum Schrank und wieder zurück. Morna gesellt sich nach einer Weile zu ihnen, richtet summend das Bett, breitet die ledernen Geburtslaken aus und setzt sich dann samt ihrem allgegenwärtigen Strickzeug in die tiefe Fensternische, wo sie in aller Seelenruhe ihren Tee trinkt. Sie plaudert ein wenig mit ihnen, erzählt den neuesten Stadtklatsch und die jüngsten Unarten ihrer zahlreichen Enkelkinder und verbreitet ostentativ Gelassenheit und Zuversicht. Sie tut damit absolut das Richtige - es gibt nicht besonders viel, dass man bei einer Geburt tun muss, wenn sie normal und ohne irgendwelche Schwierigkeiten verläuft. Leider gibt es auch nicht besonders viel, was man tun kann, wenn es anders kommt. Er ist allerdings nicht gewillt, auch nur den Hauch eines Zweifels zu dulden und verbietet sich entschlossen jeden Gedanken an irgendwelche Komplikationen. Außerdem gibt es für mangelnde Zuversicht überhaupt keinen Grund, denn Diantha macht ihre Sache großartig. Sie wandert mit ihm in ihrem Schlafgemach umher, scherzt zwischen den Wehen mit Morna, prustet alle Viertelstunde wie ein schnaubendes Walross und stampft aufgebracht mit dem Fuß, wenn die Schmerzen zu schlimm werden, und ansonsten trägt sie ein breites Lächeln im Gesicht, wissen die Götter, wie sie das bei all der Anstrengung zustande bringt. Was dir so zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass du rein gar nichts tun kannst, mahnt Olyvar sich irgendwann und weiß, dass er Recht hat. Er ist zur absoluten Hilflosigkeit verdammt und so gern er auch ihre Schmerzen auf sich nehmen würde, er kann nicht. Kea und Morna haben alles vorbereitet: das heiße Wasser, die weichen Leintücher, das Geburtsleder, Mornas Öle und Kräuter, selbst die Schale für die Nachgeburt. Windeln und winzige Wollstrümpfe, ein Kittelchen aus daunenweichem Flanell und ein frisches Hemd für seine Frau liegen ebenso bereit, wie kühle Buttermilch und Fliederblütensaft zum Trinken bereit stehen, kaltes Quellwasser zum Abkühlen und warmes, um das Kind zu waschen, wenn es denn auf der Welt wäre  - darüber hinaus liegt jetzt alles bei Diantha. Die Zeit schleppt sich dahin und vergeht so langsam und zähflüssig wie tröpfelnder Honig, jedenfalls kommt es ihm so vor, auch wenn ihm ein Blick aus den hohen, bleigefassten Fenstern zeigt, dass bestenfalls zwei Stunden vergangen sein können, seit er sie ins Schlafgemach heraufgebracht hatte und sie begonnen hatten, ihre Runden zu drehen. Die Tür zur Halle steht sperrangelweit offen, ebenso wie die Fenster, um wenigstens einen Hauch kühler Luft einzufangen, und die Düfte von blühenden Rosen und Kornblumen hereinzulassen, die vermischt mit dem grünen, erdigen Geruch morgenkühlen Waldes hereinströmen, und im Westflügel, ebenso wie in der restlichen Festung, breitet sich allmählich erwartungsvolle Stimmung aus - gespannte Vorfreude, untermalt mit einem Hauch Besorgnis. Kea kommt herauf, sieht nach ihnen und fragt, ob sie etwas bringen oder tun kann, erneuert alle Naslang das warme Wasser und bleibt schließlich, um die Leintücher zu falten und Morna notfalls zur Hand zu gehen, schließlich war ihre eigene Mutter ebenfalls Hebamme. Olyvar bemerkt ihre Anwesenheit, nickt aber nur geistesabwesend, als sie berichtet, Mattis und die Zwillinge wären unten auf dem Zwinger, wo inzwischen die halbe Steinfaust irgendetwas zu tun gefunden hatte, die weit offenen Fenster des Westflügels immer im Blick, und angestrengt lauschend, um nur ja nicht den ersten Schrei des Neugeborenen zu verpassen. Tatsächlich zeigt ihnen ein kurzes Hinunterspähen bemerkenswert viele Blaumäntel auf den Höfen unten, die sich zudem auch bemerkenswert leise herumdrücken und selbst Achim lässt das sonst so obligatorische Singen am Waldtor heute sein. Mit anderen Worten, in der gewaltigen Festung, in der es sonst stets so geschäftig brummt wie in einem arbeitsamen Bienenstock, ist es auffallend still geworden.

Dianthas Bauch zieht sich alle paar Minuten zusammen und wird hart wie Stein, und die Wehen sind inzwischen so stark und folgen so rasch aufeinander, dass ihr kaum noch eine Atempause dazwischen bleibt - dennoch beantwortet sie jedes behutsame Nachfragen, ob sie sich nicht vielleicht doch lieber hinlegen will, mit einem entschlossenen Kopfschütteln und wankt auf nackten Füßen und ein wenig zittrigen Beinen weiter. Inzwischen beschränken sich ihre Runden auf das kurze Stück zwischen Bett und Kamin. Weil er sonst nichts tun kann, hat Olyvar irgendwann begonnen, Diantha im weichen, tamarischen Singsang Geschichten und Sagen aus Hochwald zu erzählen - er ist sich zwar nicht sicher, ob sie ihm überhaupt zuhört, denn wenn sie einmal aufblickt, dann sieht sie mit weiten Augen durch ihn hindurch, als wäre er aus Glas, aber er spricht weiter von Feen und verzauberten Maiden, von singenden Steinen und dem Damm der Riesen, von jenen Tagen, als Hochwald noch Cambria, das Königreich des Waldes gewesen war und er erzählt mit leiser Stimme die Geschichte vom Honig der wilden Bienen. Sie sind gerade am Kamin angelangt, als Diantha neben ihm abrupt stehen bleibt. Er kann spüren, wie sie vom Scheitel bis zur Sohle ein Ruck durchfährt, dann holt sie keuchend Luft, die Augen riesig und dunkel, die hohen Wangenknochen mit einem Mal so wachsweiß wie eine Kerze. Gleich darauf krümmt sie sich zusammen und klammert sich mit einem erschrockenen "Huch!" an ihm fest. Um ihre Füße bildet sich eine blassgoldene Pfütze auf den dunklen Bodendielen und das Schlafgemach füllt sich mit dem durchdringenden Geruch nach Fruchtwasser, jenem einzigartigen Duft des Lebens, zu gleichen Teilen pfirsichartige Süße, salziges Meer und kupfriges Blut. "Hinlegen," jappst Diantha und wird abwechselnd weiß und rot im Gesicht, so dass Olyvar sie einfach hochhebt und ins Bett hinüber verfrachtet. Kaum liegt sie in den Kissen, erscheint Morna neben ihm, krempelt die Ärmel hoch, reibt sich die Hände mit Öl ein und verkündet fröhlich: "Also dann..." Kea stapelt auf der anderen Seite des Bettes hastig ein paar Kissen am Kopfende auf und dann prasselt von links und rechts ein Strom knapper Anweisungen auf ihn und Diantha ein, während sich um sie her plötzlich hektische Betriebsamkeit breit macht. "Steh nicht im Weg herum, Olyvar, du solltest gar nicht mehr hier sein, das gehört sich überhaupt nicht!"
"Schön atmen, Diantha."
"Oh, schon gut, sieh mich nicht so an, dann bleib eben hier, aber mach dich nützlich. Hör auf Kea, Diantha, und atme tief in deinen Bauch."
"'Und du, setz dich hinter sie und halt sie fest, so dass sie sich anlehnen kann..." Er tut wie ihm geheißen und Diantha lehnt sich an ihn, keuchend und prustend, als habe sie zuviel Wasser geschluckt und ihre Finger krallen sich so fest in seine Unterarme, dass die Knöchel aus ihren Handrücken wie weiße Knoten hervortreten.
"Nein, nicht den Rücken durchdrücken, Schätzchen. Olyvar, sieh zu, dass sie den Kopf nach vorne nimmt... ja, sehr schön, und jetzt pressen, Kleines..."
Olyvar ist alles andere als schwach, doch während der nächsten Wehe bäumt Diantha sich mit solcher Kraft auf, dass er ernsthaft Mühe hat, sie zu halten und dann kracht ihr Hinterkopf mit derartiger Wucht gegen seine Brust, dass der Kratzer an seiner Schulter wieder aufbricht und sein linkes Schlüsselbein protestierend knirscht - gleich darauf entspannt sie sich wieder, zieht hektisch soviel Luft in ihre Lungen, wie sie nur bekommen kann und ist mit einem Mal so knochenlos wie eine Qualle. Olyvar küsst ihre schweißnasse Schläfe und murmelt ihr leise, beruhigende Worte ins Ohr, ohne dass er selbst sagen könnte, was er da eigentlich von sich gibt, und Morna tätschelt mitfühlend ihre Knie, während Diantha ihre Fersen schon wieder in die Matratze gräbt, und sich bebend vor Anstrengung und Zorn, hochrot und mit schweißnassem Haar und obendrein schimpfend wie ein Rohrspatz abmüht, sein Kind zur Welt zu bringen. "Pressen, pressen, pressen!" Zischt sie aufgebracht in der nächsten, denkbar kurzen Atempause. "Was glaubt ihr denn, dass ich hier tue? Und. Wenn. Mir. Noch. Einmal. Jemand. Sagt. Wie. Ich. Zu... zu... hmmpffffff... uff. Puh. Puh!" Die nächsten Presswehe rollt über sie hinweg und ihr Schimpfen geht in einem ungeheuer angestrengten Grunzen unter, aber kaum ist es ausgestanden, hat ihre Wut schon wieder Oberwasser und sie faucht weiter vor sich hin. "Wie. Ich. Zu. Atmen. Habe. Dann. Erwürge. Ich. Ihn!" Für mehr als ein paar ziemlich derbe pakkakielische Schimpfworte, die zwar an Olyvars Ohren gerichtet sind, von denen er jedoch nur die Hälfte versteht, bleibt ihr dann allerdings keine Luft mehr.

Noch einmal ballt sich ihr ganzer Körper zusammen und die Wehe schüttelt sie durch wie eine gewaltige Faust, die sie schier zu zerquetschen droht, doch dann geht plötzlich alles sehr schnell. "Einmal noch, conasg. Streng dich an, komm schon, das Schlimmste hast du überstanden." Er kann die Anspannung in ihrem Körper spüren, die unmittelbare Veränderung ihrer Muskeln unter seinen Händen, wie ein Sog oder wie anbrandende Wellen, die ansteigen und zurückweichen, einmal, zweimal, und hört sein eigenes Herz so laut wie eine Trommel in seiner Brust schlagen. Er kann sehen, wie Morna energisch auf seine Frau einredet und tut, was immer getan werden muss, aber er hört kein einziges ihrer Worte, alles, was er im Ohr hat, ist Dianthas abgehackter Atem - und dann, mit einer letzten, langen Wehe wird sein Kind geboren. Diantha gibt einen dunklen, knurrenden Laut von sich, der Olyvar schier das Herz zerreißt, dann jedoch in ein erleichtertes, raues Lachen umschlägt, und kaum ist das Köpfchen zu sehen, zappelt sich auch schon der Rest des Kindes in die Welt, ein quäkendes Bündel Mensch, ungehalten quietschend, blutverschmiert und nass, und durch und durch lebendig. Diantha landet kraftlos und schwer atmend in seinen Armen, die Wangen immer noch gerötet und blinzelt fast ein wenig überrascht über dieses abrupte Ende, aber grinsend wie eine zufriedene Katze an die Balkendecke, während Kea dem Baby hastig den Schleim von Mund und Nase streicht und dann lächelnd verkündet, es sei ein Junge. Olyvar klebt die Zunge am Gaumen und er hat einen Moment lang mühe zu sprechen, aber irgendwie gelingt es ihm dann doch, ein paar Worte aus seiner zugeschnürten Kehle zu zwängen. "Du hattest Recht, conasg." Er hilft ihr, sich ein wenig aufzusetzen und hält sie so fest, wie er es nur wagen kann, ohne ihr weh zu tun. "Sieh ihn dir an, er ist wunderschön."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 27. Juli 2008, 20:59 Uhr
Geschafft!, ist Dianthas erster Gedanke direkt nachdem sie ihr Kind auf die Welt gebracht hat. Endlich. Es ist nicht so, dass die Geburt sonderlich schwer gewesen wäre, doch gerade bei den letzten Wehen ist sie überzeugt gewesen, dass es nichts, wirklich nichts Schlimmeres geben kann, als diese Schmerzen, die ihr kaum noch Zeit zum Atmen gelassen hatten. Immerhin hat sie mehr tun können, als auf die nächste Wehe zu warten und wie eine eingesperrte Katze herum zu tigern, wie sie es mehr als sieben Stunden zuvor getan hatte. Sie kann nicht so recht einschätzen, wie lang die eigentliche Geburt denn nun gedauert hat, denn so lang wie es ihr vorgekommen ist, kann es wohl kaum gewesen sein. Das abrupte Ende hat sie jedenfalls nicht erwartet, auch wenn sie nicht behaupten kann, dass sie während der letzten Wehen überhaupt viel gedacht oder erwartet hätte. Es ist, als ob durch die Schmerzen ein Teil von ihrem Verstand ausgeschaltet worden wäre und der ist auch jetzt noch nicht wieder vollends da. Dementsprechend wenig freundlich ist auch Dianthas Gesichtsausdruck, als sich ihr Blick von der Balkendecke löst, um Kea zu erreichen und die Geste, mit der sie nach ihrem Kind verlangt, erinnert eher an eine wütende Gronabärin, die ihr Junges einfordert, als an eine glückliche Mutter. Die Halbelbin, als Tochter einer Hebamme an frischgebackene Mütter gewöhnt, lässt sich davon nicht weiter beeindrucken, sondern stellt nur fest, dass Dianthas Erstgeborenes ein Junge ist, während Morna rasch überprüft, ob es dem Kleinen auch an nichts fehlt, wozu sie seine Atmung und den Herzschlag kontrolliert. Dass zumindest mit seinen Stimmbändern alles in bester Ordnung ist, stellt Njáll prompt lauthals unter Beweis. An dem Kleinen ist offensichtlich alles wie es sein soll, denn Morna wiegt ihn nur noch rasch und hüllt ihn in ein weiches Leintuch, woraufhin sie ihn endlich an seine Mutter weiterreicht. Auf das Messen verzichtet sie bei Dianthas Anblick, deren gesamte Gestik ganz klar macht, dass sie sich ihren Sohn sonst wutschnaubend holen würde, zur Not auch mit Gewalt, erklärt jedoch zungenschnalzend, dass das Kind bei diesen Eltern wohl die Ungeduld in Person werden müsse. Olyvars Worte dringen erst gar nicht so recht bis zu Diantha  durch, als sie endlich ihr Baby in den Händen hält. Nach all den Monden des Wartens kann sie es nun ansehen, berühren, riechen, schmecken und fühlen, diesen ganz neuen Menschen, der gerade zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt hat. Mein. Seltsamerweise fühlt sie neben der gewaltigen Euphorie einen leichten Stich des Verlustes und eine ungewohnte Leere, doch das ist nichtig neben der Begeisterung ihr Kind endlich vor Augen zu haben.  Von der ganzen Anstrengung ist Njáll noch ein wenig  rot, blutig und zerknautscht, trotzdem kann sich Diantha in diesem Moment kein ansatzweise so schönes und umwerfendes Baby  vorstellen. Eigentlich ist er für ein Neugeborenes mit acht Pfund und grob geschätzten 55 Sekhel ziemlich groß und schwer, trotzdem ist alles an ihm so winzig, die Finger genauso wie die Zehen und das Näschen, und die weichen Ohren erst! Njáll hat die blauen Augen seiner Mutter und auch der weiche Flaum auf seinem Kopf ist sehr hell, wenn es auch nicht sonderlich viel ist. Dianthas Blick hängt voller Verzückung an ihrem Sohn und sie bemerkt nichts von dem, was um sie herum vor sich geht, nicht einmal, dass Kea die Nabelschnur durchtrennt oder dass Morna sanft auf ihren Bauch drückt damit sich die Nachgeburt löst, realisiert sie, dafür ist sie viel zu sehr gefangen von dem Anblick des Babys in ihrem Arm, das nach kurzer Suche ihre Brust gefunden hat und nun kräftig daran saugt.

Ohne darüber nachzudenken begrüßt Diantha ihr Kind so, wie es in Immerfrost schon seit Jahrhunderten üblich ist: „Tervetuola, poikani“, Willkommen mein Sohn, wispert sie und drückt ihm einen Kuss auf die Stirn, was ihn nicht im Geringsten davon abhält, weiter zu trinken, als gelte es das liebe Leben. „Pikku ihmeni!“, Mein kleines Wunder!, fügt sie mit rauer Stimme hinzu und weiß nicht, zum wievielten Mal sie seine Zehen und Finger nachzählt, nur um festzustellen, dass es auch dieses Mal jeweils zehn sind. Erst dann lehnt sie sich vollends in Olyvars Arme und schaut zu ihm auf, um in seinen Augen genau dieselbe Mischung aus Begeisterung und Staunen zu erkennen, wie sie sie empfindet. Liebevoll fährt er mit dem rechten Zeigefinger die Wange seines Sohns entlang, wobei seine Hand noch viel größer wirkt, als ohnehin schon, weil der ganze Babykopf hineinzupassen scheint. „Wunderschön ist gar kein Ausdruck“, antwortet sie ihm leise und schmiegt ihr Gesicht an seine Brust. Er war bei ihr geblieben und hatte Mornas Feststellung, dass es sich nicht ziemt, wenn der Vater bei der Geburt anwesend wäre, nur mit einem Blick bedacht, der wohl jeden hätte zurückschrecken lassen. Diantha hatte nichts anderes erwartet, so heftig wie er vor Wochen auf eine Anmerkung in diese Richtung reagiert hatte. Er hatte ihr klipp und klar gemacht, dass er sie ganz sicher nicht allein mit diesen Schmerzen lassen würde, egal was da käme. Sie hätte nie gedacht, dass es ihr so gut tun würde, ihn dabei zu haben und wenn nur, um an seiner Seite im Schlafgemach herumzugehen und ihn während der Geburt als Stütze  zu gebrauchen, an der man seinen Schmerz auslassen kann. Dennoch ist sie nach wie vor der Meinung, dass es richtig war, Olyvar nicht gleich bei der ersten Wehe zu wecken, die, keine ganze Stunde nachdem er endlich ins Bett gekommen war, angefangen hatten. Ziemlich am Ende seiner Kräfte war er nicht einmal aufgewacht, als sie kurze Zeit später das Bett verlassen hatte, obwohl er dabei sonst immer sofort hochschreckt. Also hatte sie ihn schlafen lassen und trotzdem sind in seinen Augen immer noch Reste von Müdigkeit zu erkennen. Ihr Blick huscht seine Unterarme entlang, auf denen tiefe, blutende Kratzspuren zu sehen sind, die ganz eindeutig von ihr stammen müssen, auch wenn sie sich nicht wirklich daran erinnern kann, sie ihm zugefügt zu haben. Doch nicht nur seine Unterarme bluten, auch an seiner linken Schulter breitet sich auf dem Hemd ein immer größer werdender roter Fleck aus. Überrascht zieht sie die Augenbrauen hoch, denn das kann eigentlich nicht sie gewesen sein. „Was hast du da?“, fragt sie besorgt, woraufhin Olyvar sie mit einem vollkommen verständnislosen Blick bedenkt, bis sie ungeduldig hinzufügt: „Na, deine Schulter blutet!“ Daraufhin murmelt er nur irgendetwas von einem Kratzer, allerdings kennt Diantha ihren Mann gut genug um zu wissen, dass bei ihm selbst eine Fleischwunde mittlerer Größe noch unter der Bezeichnung „Kratzer“ abgetan wird und besteht darauf, dass er sein Hemd auszieht. Wie erwartet ist seine Verletzung nicht gerade klein, sodass Morna sie mit mehreren Stichen nähen muss, während sie grinsend dabei zuhört, wie Diantha mit ihrem Kind an der Brust wie ein Rohrspatz auf ihren Mann einschimpft, weil er ihrer Meinung nach schon längst etwas davon hätte sagen müssen.

Nach einer sorgfältigen Inspektion und einem Lob an Mornas Nähkünste überlässt Diantha Rhordris besserer Hälfte schließlich widerwillig ihren Sohn, damit er gewaschen, gewickelt und genau vermessen werden kann, außerdem kontrolliert die Frau des Kastellans noch ob die Nabelschnur gut durchtrennt worden ist. Währenddessen hilft Kea Diantha, sich zu waschen und umzuziehen, denn die möchte nicht unbedingt schweißüberströmt und in einem mit Blut und Fruchtwasser getränkten Unterkleid  ihren Tag verbringen.  Als sie sich wieder ansatzweise wie ein Mensch fühlt, fragt Kea noch, ob sie Mattis und die Kinder hereinholen kann, worauf Diantha nickt und der Halbelbin kurz die Hand drückt – und ihr Blick dabei sagt weit mehr über die Verbundenheit, die sie empfindet, als sie in Worten ausdrücken könnte. Natürlich hatten die beiden Frauen sich in den letzten Wochen immer besser verstanden und viel Zeit miteinander verbracht, trotzdem hätte Kea nicht bei der Geburt dabei sein müssen. Doch sie war da geblieben und hatte Diantha und auch Morna als Hebamme tatkräftig unterstützt, was sie  ihr mit Sicherheit nicht vergessen wird. Es ist doch seltsam, wie sehr Blutverwandtschaft überbewertet wird…, stellt die Immerfrosterin fest und lächelt ihr Gegenüber dankbar an, was Kea sanft erwidert, bevor sie sich auf den Weg  macht. Als sich Diantha wieder dem Bett zuwendet, bietet sich ihr ein Anblick, der sich ihr sofort ins Herz einbrennt und den sie wohl bis an ihr Lebensende nicht vergessen wird: Olyvar, der von den Strapazen des Vormittags und der ereignisreichen Nacht mehr als müde aussieht, mit dunklen Schatten unter den Augen, verbundenen Armen und aufgelöstem Haar, der jedoch trotz seiner ganz offensichtlichen Erschöpfung  vollkommen gebannt auf dieses winzige Bündel Mensch starrt. Für einen Moment scheint Njáll seinen Blick zu erwidern, bis er die Augen schließt und prompt einschläft, sicher geborgen im Arm seines Vaters. Olyvar bemerkt Dianthas Mine und sieht mit einem Lächeln auf, das ihr den Hals zuschnürt. Sie wispert ein leises „Ich liebe dich“ und krabbelt zu ihrem Mann aufs Bett, um sich dort in seinen Arm zu kuscheln. Allmählich macht die Hochstimmung auch bei ihr einer schweren Müdigkeit Platz, denn der mangelnde Schlaf macht sich bemerkbar - schon von der ersten Wehe zur dritten Stunde hatte sie nur unruhig und nicht sehr tief geschlafen, wie immer, wenn Olyvar nicht da war oder erst spät ins Bett kam. Sein gleichmäßiger Atem und der starke Arm um ihre Mitte wirken bei ihr als Garanten für einen tiefen Schlaf in Sicherheit, ein Luxus, den sie lange in ihrem Leben nicht hatte. Sanft fährt Diantha über Njálls flaumbedecktes Köpfchen und stellt überzeugt fest: „Er hat deine Nase.“ Darüber muss Olyvar lächeln, denn eigentlich hat Njáll zunächst einmal eine typische Babynase – auch wenn seine Frau das ganz anders sieht – und antwortet: „Dafür hat er deine Augen und dein Haare.“ Diantha rümpft das eigene,  zierliche Riechorgan und entgegnet: „Ach, alle Babys haben blaue Augen und die Haare fallen sowieso noch aus und können in einer ganz anderen Farbe nachwachsen! Hoffentlich bekommt  er kein so langweiliges Blond wie ich!“ Das sieht Olyvar natürlich ganz anders, denn seiner Meinung nach ist Dianthas Blond alles andere als langweilig, aber das will die Immerfrosterin nicht so recht einsehen.

Mitten in diese Debatte platzen Mattis und die Zwillinge, doch erster weiß außer einem Glückwunsch nicht so wirklich etwas zu sagen und steht ein wenig unsicher herum, ganz im Gegensatz zu Njálls Halbgeschwistern. Die erstürmen als erste das Bett, um ihren kleinen Bruder zu begutachten und sind sichtlich enttäuscht darüber, dass der tief und fest schläft. Babys sind für die beiden wirklich nichts Neues, aber so kurz nach der Geburt haben sie noch keins gesehen, daher wollen sie so einiges wissen: „Warum ist der denn noch so rot? Ist er krank?“, „Und ihr seid ganz sicher, dass es ein Junge ist? Wollt ihr nicht noch mal nachgucken? Ich wollte doch eine kleine Schwester!“ „Warum schläft der denn jetzt schon? Will er gar nichts von der Welt sehen?“ und „Wie lange dauert das, bis wir mit ihm spielen können?“ Diantha hebt beschwichtigend die Hände und erklärt, als die beiden nicht mehr durcheinander quasseln: „Immer mit der Ruhe. Also ja, Fia, wir sind uns sicher, dass es ein Junge ist und er heißt Njáll. Der Grund dafür, dass er so rot ist, ist der gleiche, aus dem er jetzt auch schläft: Geboren werden ist eine ganz schön anstrengende Angelegenheit, dafür braucht man viel Kraft. Aber keine Sorge, morgen sieht er nicht mehr zerknautscht aus, sondern wie alle Babys. Bis ihr mit ihm richtig spielen könnt, dauert das noch eine Weile, das kennt ihr ja zum Beispiel von Feornas Baby, nicht wahr?“ Die Zwillinge nicken in Gedanken an ihr ehemaliges Kindermädchen, dem sie immer noch hin und wieder über den Weg laufen, und das bei diesen Begegnungen immer sehr lieb zu ihnen ist. „Heißt das dann, dass du genau wie sie immer das Baby in einem Tuch herumtragen wirst?“, möchte Connavar nach einer kleinen Pause wissen. Diese Frage verwundert Diantha und sie zögert einen Moment, bevor sie antwortet: „Nun, ich bin seine Mutter, ich denke schon, dass ich das des Öfteren tun werde…“ Daraufhin schauen sich die Zwillinge kurz an, bis Fianryn verkündet: „Aber du bist nicht nur Njálls Mama, sondern auch meine!“ „Und meine!“, fügt Connavar hinzu. Dieser abrupte Wechsel von „Dia“ zu „Mama“ lässt Diantha schlucken und verschlägt ihr für einen Augenblick die Sprache, sodass sie zunächst nur die Zwillinge in ihre Arme zieht und fest drückt. „Natürlich habe ich euch genauso lieb wie Njáll. Ihr seid doch mein kullanmuru und meine rakkaani, das werdet ihr auch immer bleiben! Trotzdem wird Njáll in der nächsten Zeit ziemlich viel Aufmerksamkeit brauchen, denn er ist ja noch so klein und ganz hilflos. Ihr Zwei seid schon viel größer und könnt mittlerweile ganz viel alleine! Ihr könnt mir auch schon bei eurem Bruder helfen, zum Beispiel wenn er gebadet wird, ihr seid ja jetzt seine großen Geschwister. Ihr müsst wirklich keine Angst haben, dass ich euch vergesse oder nicht mehr so lieb habe wie vorher, in Ordnung?“ Bei dem Gedanken groß genug zu sein um helfen zu können, erhellen sich die beiden Kindermienen und prompt wird darüber gezankt, wer genau was besser kann. Da klopft es an der Tür und ein freudestrahlender Rhordri betritt das Schlafgemach um zu gratulieren. Wohlwollend stellt er fest, dass der Kleine ein ganz schöner Brocken ist, was er aufgrund der Vielzahl an Kindern, Enkeln, Nichten, Neffen, Cousins und Cousinen der eigenen Meinung nach sehr gut beurteilen kann, schließlich kenne er sich damit bestens aus.  Seiner Ansicht nach wird Njáll ohnehin ein wahrer Riese, ganz der Vater und der Großvater, nichts für ungut. Diantha nimmt bei diesen Worten lachend seine Glückwünsche entgegen und hört zu, wie Rhordri erzählt, dass in der Steinfaust ein ziemlicher Aufruhr herrscht und die gute Neuigkeit längst die Runde gemacht hat – wovon Diantha gar nichts mitbekommen hat, das muss wohl Kea getan haben – und er die Blaumäntel wortreich davon überzeugen musste, dass ein Neugeborenes erst einmal Ruhe braucht und wirklich nur Rhordri höchstpersönlich als ihrer aller Vertreter gratulieren sollte. Daher müsse er auch jetzt wieder gehen und allen davon Bericht erstatten, dass dem Lord Commander ein Sohn  geboren wurde und es Mutter und Kind bestens gehe. Morna schließt sich ihm prompt mit wehenden Röcken und der Begründung an, dass sie sich jetzt endlich um das Mittagessen für ihre Familie kümmern müsse, allerdings nicht ohne von Diantha umarmt und geküsst zu werden. „Ach, ach, Mädchen, du hast mich doch kaum gebraucht“, behauptet die Hebamme, auch wenn man ihr die Rührung anmerken kann. „Ich komme morgen vorbei um nach euch zu schauen und du, Olyvar, sorgst gefälligst dafür, dass sie sich ausruht, verstanden! Und nicht vergessen: Vier bis sechs Wochen habt ihr die Finger voneinander zu lassen!“ Mit diesen Worten rauscht sie ab und lässt eine ziemlich verdatterte Diantha zurück. „Vier bis sechs Wochen?! Ich dachte zwei würden genügen!“ Schnaubend lehnt sie sich wieder in Olyvars Arm und zieht Connavar an sich, der sich ungewöhnlich verschmust an sie kuschelt, während seine Schwester Njáll aus nächster Nähe beim Schlafen beobachtet. „Wie soll ich das denn aushalten?“ Olyvar grinst auf diese Frage nur und entgegnet: „Vor  ungefähr zwei Stunden  hast du noch verkündet , ich solle es bloß nicht wagen, dich jemals wieder anzurühren…“ „Ach Unsinn, da war ich nicht bei Sinnen! So etwas würde ich doch nie sagen!“

Der Rest des Tages verläuft sehr ruhig, da Olyvar, Diantha  und das Baby den Nachmittag nutzen, um den nötigen Schlaf nachzuholen, während Kea sich mit den Zwillingen beschäftigt. Überraschend war Koiras Reaktion gewesen, die sie, nachdem in das Schlafgemacht wieder ein wenig Ruhe eingekehrt war, zu sich geholt hatten, um der Hündin das jüngste Familienmitglied vorzustellen.  Koira hatte sich daraufhin ungewöhnlich ruhig für ihr Alter vor das Bett gelegt und sich von dort nicht mehr fortbewegen lassen. Egal womit die Zwillinge gelockt hatten, damit sie mit zum Spielen auf den Zwinger käme, Koira hatte freundlich gewedelt und sich geweigert den Raum auch nur zu verlassen. Trotz ihrer Jugendlichkeit hatte die Hündin das Neugeborene sofort als schutzbedürftigstes Rudelmitglied anerkannt, um das man sich kümmern muss, daher hatte Diantha sie auch nicht fort geschickt. Keinem Kind kann ihrer Ansicht nach ein tierisches Kindermädchen schaden, vor allem da Koira zwar Wachsamkeit, aber keine Aggressivität gezeigt hatte. Anders wäre es auch schwierig geworden, denn in der Steinfaust wäre ein beständig knurrender Hund, wenn auch noch nicht ausgewachsen, aber nichtsdestotrotz schon recht eindrucksvoll, kein Spaß, so viele Leute wie stets unterwegs sind. Doch Koira erweist sich als verträglich, auch als Iéras am Abend heim kommt und natürlich absolut hingerissen von dem mittlerweile erwachten Njáll ist. Mit einem leisen Lächeln bemerkt Diantha seine anfängliche Unsicherheit im Umgang mit dem Baby und den Blick, den er Kea zuwirft. Bei euch wird es auch nicht mehr lange dauern. Hoffentlich wird Keas Geburt genauso leicht wie meine. Aber warum auch nicht… Kea scheint Dianthas Gedanken zu erraten denn sie meint: „Bald sind es zwei.“ Diantha lächelt und meint: „ Ja, es bleibt nur abzuwarten, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, ein Junge-Mädchen-Gespann wie bei Fia und Conn wäre auch nett…“ Darauf nickt Kea nur gedankenverloren.

Die folgenden Tage vergehen ebenfalls recht ruhig, auch wenn sich Diantha nicht ganz so sehr zum Ausruhen überreden lässt, wie Olyvar das gerne hätte. Jetzt, da sie kein Kind mehr unter dem Herzen trägt, fällt es ihr leichter die Hitze zu ertragen und so überredet sie ihn jeden Abend zu einem Spaziergang, während sich Kea innerhalb dieser kurzen Zeiträume stets als begeisterte Babysitterin erweist. Olyvar nimmt sich zudem noch mehr Zeit für seine Familie, als er ohnehin tut und Diantha ist sich ziemlich sicher, dass das derzeit nicht ganz einfach ist, doch jeder in der Steinfaust zeigt Verständnis. Sie hatte ohnehin damit gerechnet, dass sie mit Glückwünschen überhäuft werden würde, doch ihre Erwartungen werden bei weitem übertroffen, denn die allgemeine Begeisterung und Freude über Njáll ist atemberaubend. Es beglückwünschen sie sogar Späher der Steinfaust, die sie bisher kaum zu Gesicht bekommen hat. Auch die Botenkinder sind vollkommen aus dem Häuschen und jedes will das Baby anschauen und bewundern. Aufgrund dieser positiven Stimmung nimmt Diantha ihren Sohn immer wieder für kurze Zeit mit in den Zwinger und wird prompt belagert. In diesen Situationen stehen Fianryn und Connavar stets als stolze Geschwister daneben, die ihre ursprünglichen Bedenken nun zu kurz zu kommen vollkommen vergessen zu haben scheinen. Gerade wenn Njáll schläft, liegt er häufig in der Wiege in der Halle, bewacht von Koira, während Diantha mit den Zwillingen spielt. Glücklicherweise ist sein Schlaf tagsüber recht tief, ganz im Gegensatz zu den Nächten, in der er recht unruhig ist und anfangs alle zwei bis drei Stunden wach wird. Olyvar erweist sich als wahrer Seharim, so häufig wie er aufsteht um Njáll zu seiner Mutter ins Bett zu holen und auch morgens kümmert er sich oft um die Zwillinge, damit Diantha noch ein wenig länger schlafen kann… trotzdem gewöhnen sie sich beide daran, früher als sonst zu Bett zu gehen, weil sie sonst schlicht und ergreifend zu müde sind. Morna lässt bei ihren Besuchen immer wieder Bemerkungen darüber fallen, dass Njáll schon irgendwann länger am Stück schlafen würde, doch das hilft wenig gegen Dianthas und Olyvars Augenringe. Davon abgesehen ist der Kleine ein absolut unproblematisches Baby, das ordentlich trinkt und jeden Tag größer und schwerer zu werden scheint. Tagsüber quakt er nur selten und  schläft relativ viel, außerdem scheint er nach noch nicht einmal einer Woche seine Umwelt schon weit aufmerksamer wahrzunehmen. Von seiner Familie und eigentlich allen Steinfaustbewohnern wird jeder noch so kleine Entwicklungsschritt mit Begeisterung beobachtet und ein Leben ohne ihn ist für die ganze Familie mittlerweile absolut undenkbar geworden.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Azra am 27. Juli 2008, 22:56 Uhr
“Nein Brenainn, die braunen Stiefel. Ja, genau, nein, andersrum und an den linken und nicht den rechten Fuss. Das ist links, das ist rechts. Links! Rechts! Oh du kleiner Naseweis!” Unter freudigem Gekicher macht sich Brenainn einen Spass daraus seine Mutter in den Wahnsinn zu treiben, indem er unter gespielt unschuldiger Miene erst die Hosen auf den Kopf setzt, dann die Strümpfe über die Arme zieht, anschliessend die Tunika zum Sackhüpfen missbraucht und jetzt  Ich-habe-keine-Ahnung-wovon-du-redest spielt. Und das, obwohl er schon ganz genau weiss, welcher Schuh an welchen Fuss gehört. Dazu kommt noch, dass Bræn laut jammernd nach seinem Holzring verlangt, nur um ihn dann strahlend wieder wegzuschmeissen. Azra rauft sich die Haare, pflückt Brenainn rasch vom Boden auf, bevor er sauber angezogen mit der kalten Kohle aus dem Kamin spielen kann, und setzt ihn kurzerhand einfach zu seinem Bruder in die Wiege. Einen Augenblick lang herrscht verdatterte Stille, als sich die Brüder mustern, nur um dann synchron in lautes Wehklagen auszubrechen. Resignierend schnappt sich Azra rasch das graue Samtband von der Kommode und setzt sich dann so auf das Fussende ihres schön breiten Bettes, dass sie die Wiege mit dem Fuss leicht anstossen kann. Leise singt sie dazu das Lied vom “Alten Piraten Rotbart”, was zumindest Brenainn dazu bewegt lauthals mitzumachen, derweil Bræn nur hingerissen lauscht und lachend mit seinen Ärmchen durch die Luft wedelt. Azra flicht sich rasch die Haare zu einem einfachen Zopf, gibt der Wiege noch einen etwas festeren Schubbs und schlüpft dann in aller Eile aus Rock, Hemd und Strümpfen, die sie am Morgen in der Harfe zur Arbeit angehabt hat. Es erscheint ihr angebracht nicht in fettverspritzten und von Metflecken verzierter Kleidung bei Olyvar, seiner Frau und dem Baby zu erscheinen. Das graue Kleid, das sie sich gleich darauf überstreift, ist schlicht gehalten, mit schmalen Ärmeln und einem hellen Seidenband, welches den Stoff unter der Brust rafft. Dazu Sandalen und einen leichten Umhang, denn draussen weht eine kühle Briese.
“Hab ich alles?” Um sicher zu gehen zupft sie noch einmal die Decke von dem Weidekorb. Die Flasche Agavenschnapps, das Kittelchen und die Murmeln, der Apfelkuchen, der Gürtel, die Windeln, die Tücher und... Oh, wo ist es? Mit flatternden Nerven und überhaupt so nervös wie vor jedem Besuch bei jemandem, den sie nicht kennt – Diantha natürlich, obwohl sie nicht wagt zu behaupten Olyvar besser zu kennen – hastet sie zur Kommode und fingert in einem Durcheinander aus Pergamenten, Briefen und Stoffbändern nach einer kaum handgrossen Schatulle. Sorgfältig packt sie das Kleinod zu den anderen Sachen und deckt alles wieder sauber zu. “Na gut, ich denke wir können. Komm Bræn.” Liebevoll hebt sie ihren Jüngsten aus der Wiege – was der Ältere als Einladung sieht, selbstständig aus dem wackelnden Gefängnis zu flüchten – und legt ihn in sein ausgepolstertes Weidekörbchen. Das schnallt sie sich auf den Rücken, nimmt den Korb in die Linke und Brenainn an die Rechte, verabschiedet sich noch rasch in der Küche und verspricht die junge Familie von allen zu grüssen. Borgil, der vor der Harfe an der Türe rumwerkelt, die in den letzten Siebentagen immer mal wieder geklemmt hatte, gibt sie einen langen Kuss und versichert ihm, dass sie vor Sonnenuntergang wieder zurück sein würde.
„Vor Sonnenuntergang, versprochen.“
„Und sonst soll dich jemand begleiten, verstanden?“
„Verstanden.“
„Oder ich komme dich holen.“
„In Ordnung.“
„Aber besser du kommst…“
„… vor Sonnenuntergang. Ich weiss. Der Mörder läuft noch immer frei herum. Und du weisst, dass ich ein Angsthase bin und schon deswegen nicht in der Dunkelheit herumlaufen würde.“
Er mustert sie noch einmal von oben bis unten und nickt dann gezwungenermassen, bevor er sie noch einmal küsst und dann, mit einem letzten, eindringlichen Blick ziehen lässt. Und ob sie vor Sonnenuntergang wieder zu Hause sein würde, denn es stimmt: Sie IST ein fürchterlicher Hasenfuss. Seitdem dieser Irre durch die Strassen von Talyra rennt und irgendwelche unschuldigen Frauen abschlachtet sowieso. Sie wagt sich vor lauter Angst, er könnte bereits hinter der nächsten Strassenecke auf sie lauern, ja nach Sonnenuntergang nicht einmal mehr alleine vors Haus, geschweige denn in die Seitengasse neben den Stall. Viel zu finster und unübersichtlich. Dort könnte wissen die Götter was passieren.
In Gedanken bei Tiuri, der diesem übergeschnappten Mörder auch nicht hinterherjagen muss, schlendert sie durch die Strassen in Richtung Steinfaust, wobei sie dank Brenainns penetranter Neugierde einiges an Zeit verlieren. Erst will er zum Früchtestand, um mit glänzenden Augen die frischen, herrlich süss duftenden Aprikosen unter Augenschein zu nehmen, dann hat es ihm mit einem Male ein Fa’Sheeler Käsehändler angetan, der mit lauter Stimme für seine – stinkenden – Waren wirbt, und zu guter Letzt muss er auch noch ganz dringend die alte Erne hinter ihren Weidekörben besuchen, weil er genau weiss, dass sie in einer kleinen Schale neben sich immer etwas Süsses für kleine Kinder bereithält. Erst danach lässt er sich unter Biegen und Brechen davon überzeugen, dass im Westflügel bestimmt auch etwas Leckeres auf ihn wartet. Zudem zwei Kinder, etwas älter als er, mit denen er ganz toll spielen könne.
„Wie heissen die?“ Azra gibt ein Stöhnen von sich und versucht sich daran zu erinnern, was Borgil erwähnt hatte: „Fianryn und Connavar min Zyar.“ Fiiaaaaarün! Covaaar“, ahmt Brenainn sie geschäftig nach und runzelt nachdenklich die Stirn: „Das sind aber komische Namen.“ Azra kichert leise und schüttelt den Kopf: „Nein, min Zyar, das eine ist lediglich, so denke ich, ein elbischer Name und das andere müsste ein Name aus den Drachenlanden sein.“ „Uiiii“, tönt er und schaut sie aus grossen, runden Augen an: „Ist das, wo die Drachen sind?“
Den Rest des Weges versucht Azra ihrem bald dreijährigen Naseweis die Geschichte der Drachenlande zu erläutern, wobei er sich vor allem für die Drachen selbst und ihr Aussehen interessiert. Als sie auf den Fischerkönig zu sprechen kommt, wundert er sich zwar, wie ein ausgewachsener Drache denn eine Angel halten könne, aber selbst als sie ihm zum dritten Mal erklärt, dass die Drachenkönige die Fähigkeiten besessen hätten, Menschengestalt anzunehmen, wird er nicht richtig schlau draus. Hastig macht sie ihn auf eine kleine Katze am Strassenrand aufmerksam und rettet sich damit vor einer Erklärung, wie dass den funktioniere, wenn ein Drache sich in einen Menschen verwandle. Leider hat ihre Flucht zur Folge, dass sie eine geschlagene Viertelstunde stehen bleiben müssen, um das winzige, schwarze Pelzknäuel zu kraulen. So lange, bis das freche Vieh genug hat von den Liebkosungen und Brenainn einmal kräftig mit ihren nadelfeinen Zähnchen in den Daumen beisst. Es folgt ein Gebrüll, dass einige verdutzte Bewohner ihre Köpfe aus dem Fenster strecken und fragen, was denn los sei. Azra tröstet ihren Sohn so gut es geht, pustet mehrmals kräftig über die winzige, leicht blutende Wunde und versichert ihm, dass das gar nicht schlimm sei.
Als sie endlich die Steinfaust erreichen seufzt Azra erleichtert. Mit einem Nicken begrüsst sie die wachhabenden Männer und fragt nach Olyvar und dessen Frau. Ihr wird geraten es ihm Westflügel zu versuchen, ansonsten wäre das Paar wohl wieder am spazieren.
„Am spazieren?“, hakt Azra aufgrund des hörbar amüsierten Tonfalls des Gardisten nach und kriegt zu hören, dass Lady Tarascon ihren Mann jeden Abend aus der Steinfaust schleppe. “Der Arme Lord Comander“, ereifert sich einer der Jüngeren, aber Azra lächelt nur, nickt und geht weiter, denn aus Erfahrung weiss sie, dass die Männer zwar jedes Mal beim Wort „Spaziergang“ die Augen verdrehen, es dann aber doch geniessen.
Weil sie selbst noch nie im Westflügel gewesen ist - zumindest nicht in einem Zustand, wo sie sich an irgendetwas erinnern könnte -, lässt sie sich von einem der kleinen Boten, die wie Wiesel über den inneren Zwinger huschen, den Weg zeigen, bis sie schliesslich vor der grossen Eingangstüre steht. Zögerlich, weil ihr Besuch unangekündigt stattfindet – sie hatte in den letzten vier Tagen, seit die wundervolle Nachricht sie ereilt hatte, einfach keine Zeit gefunden einen der Harfenjungen zu schicken – hebt sie die Hand und klopft an, hoffend dass jemand da wäre.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 30. Juli 2008, 09:14 Uhr
Als es, gedämpft durch das massive Holz der Türen und die dicken Steinmauern, leise aber energisch an der Tür des Westflügels klopft, marschiert Olyvar gerade mit einem äußerst unlustigen Baby im Arm durch die Halle. Klein Njáll, etwas über eine Woche alt, hat einen roten Ausschlag auf seinem winzigen Hintern und hält daher mit seinen jämmerlichen Unmutsäußerungen den ganzen Westflügel in Atem. Weder Diantha noch Olyvar hatten in der vergangenen Nacht länger als zwei Stunden am Stück die Augen zugetan und ganz gleich, was sie alles versucht hatten, Njáll hatte und hatte sich nicht beruhigen lassen wollen, bis er mit der Morgendämmerung endlich hicksend und erschöpft von seinem eigenen Gebrüll eingeschlafen war, das kleine Gesicht noch immer rot vor Ärger. Jetzt ist es heller Tag und die Sonne steht schon hoch am Himmel - Diantha hatte den ganzen Morgen verschlafen und das Baby eben gestillt, weswegen sie jetzt noch am Tisch sitzt und Fleischpasteten in sich hineinschaufelt, während Olyvar seinen zwar satten, aber müden und unleidlichen Sohn herumträgt. Njáll reibt sein winziges Näschen an der Schulter seines Vaters, gibt milchblubbernde Aufstoßer von sich und quäkt leise vor sich hin. Im Westflügel ist es heute verhältnismäßig ruhig - Connavar und Fianryn spielen mit ihren bunten Holzklötzen und bauen gerade an einer "Steinfaust" im Miniaturformat in rot, grün, gelb und blau, Mattis ist bei seinen Schwertübungen irgendwo bei Vareyar unten auf den Waffenhöfen, Kea und Iéras sind auf der ewigen Baustelle des Waldhofes und nur Koira hebt beim Geräusch des Klopfens wuffend den Kopf und hetzt mit einem leisen Knurrlaut zur Tür. "Sheas," warnt Olyvar die Hündin, dann öffnet er und blinzelt überrascht in Azras porzellanhelles Gesicht. Borgils Frau hat ihre beiden kleinen Söhne bei sich, Brenainn, dessen Miene sich beim Anblick des wedelnden Hundes - schließlich hatte Olyvar Koira schon das ein oder andere Mal dabei gehabt, wenn er die Ermittlertruppe in der Harfe aufgesucht hatte - grinsend erhellt, und Bræn, inzwischen vier Monde alt, der in seinen Wickeltüchern herumstrampelt und die kleinen Fäuste in den spinnwebfeinen Locken seiner Mutter vergraben hat.

"Oh, du bist es," Olyvar lächelt, wenn auch ein wenig müde. "Ich dachte schon irgendein Blaumantel kommt, um mich zu holen. Komm doch herein... und du auch junger Mann. Hallo Brenainn."
"Hmhm," macht Borgils Sohn, ganz der Vater und trippelt in die Halle des Westflügels. Olyvar verlagert das Baby an seine andere Schulter, um es bequemer zu haben und lässt Azra eintreten. "Wir essen gerade - das heißt eigentlich sind wir schon fertig, aber wenn ihr Hunger habt bedient euch ruhig, es ist noch genug da." Er begrüßt Borgils winzige Frau mit einer kurzen Umarmung, die ein wenig einseitig ausfällt, weil sie beide jeweils ein Baby im Arm haben und grinst dann auf sie hinunter. "Ist irgendetwas Bestimmtes oder bist du hergekommen, um dir meinen Sohn anzusehen?" Azra schüttelt den Kopf und nickt gleich darauf, während ihre Augen schon an dem kleinen Bündel an seiner Schulter hängen, ihr Mund ein entzücktes "Oh!" formt und ihr Gesicht weich wird. Olyvar nimmt  Njáll herunter und legt ihn sich in die Armbeuge, so dass Azra ihn sich ansehen kann. Für einen Moment beugen sich ihre beiden Köpfe in stiller Faszination über das winzige Babygesicht, das ausnahmsweise einmal nicht zornig verzogen ist, sondern eher neugierig in die Welt blinzelt. "Er hat die halbe Nacht gebrüllt," informiert Olyvar Borgils Frau leise, "und ich bin heilfroh, dass er jetzt Ruhe gibt, er hat eine Stimme wie eine Banshee. Aber komm... soweit ich weiß, kennst du meine Frau überhaupt noch nicht? Ich meine, ihr seid euch noch nie begegnet." Soviel Diantha und Azra schon jeweils voneinander gehört haben mögen, schließlich sind Olyvar und Borgil alte Freunde, getroffen hatten sie sich noch nie - die Gelegenheit hatte sich im ganzen vergangenen Zwölfmond einfach nie ergeben. Olyvar führt Azra zum Tisch, wo Diantha sich bereits erhoben hat und ihnen mit einem freundlichen, aber auch neugierigen Lächeln entgegensieht. "Conasg, das sind Azra, Borgils Frau, und ihre Söhne Brenainn und Bræn," stellt er vor, "Azra, das ist Diantha."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Azra am 30. Juli 2008, 12:24 Uhr
„Sheas“, hört Azra noch Olyvars Stimme gedämpft durch das dunkle Holz der Eingangstüre, dann steht selbiger auch schon in Lebensgrösse vor ihr. Sie muss den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufsehen zu können – das muss sie zwar in vielen Fällen, aber längst nicht immer so extrem. Sofort entdeckt sie das winzige Baby an seiner Schulter, das sich dort ankuschelt und immer wieder leise hickst. Der winzige Kopf ist unter dem hellen Haarflaum hochrot vor Anstrengung und Ärger und sofort überkommt Azra Mitleid mit den armen Eltern, die sich, so wie der Kleine aussieht, wahrscheinlich die letzten Tage und Nächte mit einem brüllenden Baby um die Ohren geschlagen haben. Olyvar sieht auch so aus. Unter den grauen Augen zeichnen sich dunkle Ringe ab und um sein Kinn liegt der Schatten eines Dreitagebarts. Er wirkt unleugbar müde – Aber zufrieden, fügt Azra in Gedanken grinsend bei und lächelt zu ihm auf. “Oh, du bist es.“ Etwas verlegen, weil sie einfach so unangekündigt in der Steinfaust aufgetaucht ist, nickt sie auf seine eher rethorische Frage hin und will sich schon entschuldigen, als er fast erleichtert meint: "Ich dachte schon irgendein Blaumantel kommt, um mich zu holen. Komm doch herein... und du auch junger Mann. Hallo Brenainn." Beruhigt darüber, dass Olyvar ihr ihren spontanen Überfall doch nicht übel nimmt – zumindest macht er bis jetzt nicht den Eindruck, als wolle er sie gleich wieder vor die Tür setzen – huscht Azra mit einem leisen „Danke“ an ihm vorbei ins Innere des Westflügels. Brenainn an ihrer Hand ist schon so zappelig wie der Mais in der Pfanne, denn lange vor seiner Mutter, die erst jetzt das wedelnde, braune Ungetüm neben dem Lord Comander ausmacht, hat er die Mischlingshündin mit dem lustigen Fell und den tellergrossen Pfoten schon lange entdeckt. „Uiii“, gibt er begeistert von sich, doch Azra lässt sich erst von Olyvar versichern, dass der Hund ihrem Sohn nicht gleich den Kopf abreissen würde, wenn dieser einmal in seinem Enthusiasmus seine kräftigen Fingerchen - die er ganz eindeutig von seinem Vater hat - etwas zu fest in ihrem Fell vergräbt. Und dann gibt es schon kein Halten mehr. Bevor die arme Koira sich versieht hat sie gleich drei kleine Kinder am Nacken kleben, denn Connavar und Fianryn sind sofort zur Stelle um ihren Hund gegen den rothaarigen Jungen zu verteidigen, wenn es sein muss. Brenainn aber, ganz der Vater, mustert die Zwillinge nur ganz kritisch und fragt dann ohne Scheu, ob er auch spielen darf. Azra, erleichtert, dass die Kinder sich wohl verstehen, wendet sich wieder ihrem eigentlichen Gastgeber zu.
„Guten Tag Olyvar.“ Vorsichtig, weil sie dem Baby auf seinem Arm nicht wehtun möchte, stellt sie sich auf die Zehenspitzen und umarmt den Lord Comander flüchtig, aber deswegen nicht minder innig. In den letzten Monden war er ein häufiger und abgesehen von den schlechten Nachrichten auch gern gesehener Gast in der Goldenen Harfe gewesen, wo sich die mittlerweile stadtweit bekannte Ermittlertruppe immer zum Kaffeekränzchen zurückgezogen hat. Längst weiss Azra, was er gerne trinkt und isst, wo er am liebsten sitzt und dass ihn die Morde sehr mitnehmen, vor allem angesichts der Tatsache, dass dieser verrückte Frauenschlächter noch immer frei herumläuft. "Ist irgendetwas Bestimmtes oder bist du hergekommen, um dir meinen Sohn anzusehen?" Hastig schüttelt sie den Kopf, besinnt sich und nickt dann stattdessen, denn der eigentliche Grund ihres Besuchs ist ja wirklich der neueste Zuwachs des Westflügels. Olyvar tut ihr breit grinsend den Gefallen und legt sich seinen Sohn – immerhin soviel hatte sie von Halla in Erfahrung bringen können – in den Arm, damit Azra ihn sich ansehen kann. „Ohhh“, seufzt sie entzückt von dem winzigen Gesichtchen, aus dem ein Paar wacher, blauer Augen sie überaus interessiert anblinzeln: „Er ist wunderschön. Oh, diese Augen. Njàll, richtig?“ Auch das hatte sie über dreissig Ecken von der Base der Schwester der Mutter einer ihrer Schankmädchen, die in der Steinfaust als Wäscherin angestellt war, gehört. Olyvar nickt und berichtet ihr dann von den letzten schlaflosen Nächten, die ihnen der mickrige Winzling beschert hat. Mitfühlend legt Azra Olyvar die Hand auf den Arm und will sich eigentlich nach der Ursache für das Gebrüll erkundigen, als Olyvar sich wieder aufrichtet und zur Seite tritt, so dass sie freien Blick ins Innere der grossen Eingangshalle hat. “Aber komm... soweit ich weiß, kennst du meine Frau überhaupt noch nicht? Ich meine, ihr seid euch noch nie begegnet." Etwas scheu nickt Azra und folgt Olyvar zum Tisch, wo eine schlanke, hochgewachsene Frau steht und sie freundlich mustert. Vor ihr, auf dem Tisch, liegen noch die kümmerlichen Überreste dessen, was einst wohl Fleischpasteten gewesen sein müssen. Eigentlich haben sie alle zwar schon gegessen, aber Azra kennt Brenainn und seinen unersättlichen Hunger. Wahrscheinlich wird er bereits in wenigen Minuten schon wieder bei ihr auf dem Schoss sitzen und mit grossen, unwiderstehlichen Kinderaugen auf den leeren Teller schielen. Bis dahin, überlegt sich Azra, bleibt mir vielleicht Zeit genug Olyvar und Diantha zu warnen.
"Conasg, das sind Azra, Borgils Frau, und ihre Söhne Brenainn und Bræn. Azra, das ist Diantha." „Guten Morgen Diantha“, begrüsst sie Olyvars Frau zuerst nur mit einem freundlichen Lächeln, fasst sie sich dann aber ein Herz und zieht die deutlich grössere Frau in eine kurze, aber keineswegs zögerliche Umarmung. „Schön dich kennen zu lernen. Ich hab schon viel von dir gehört. Eigentlich, wenn ich es mir recht überlege, hat Olyvar, wenn ihm mal Zeit geblieben ist, von nichts anderem gesprochen, als von dir. Und natürlich davon, dass er bald wieder Vater wird.“ So manche Stunde hatten Borgil und Olyvar am Privattisch ihres Mannes ein um das andere Glas Met, Bier und Schnaps gebechert und sich über die Vorzüge ihrer Frauen, deren seltsamen Vorlieben während der Schwangerschaft und nervenaufreibende Geburten unterhalten.
„Ich hoffe“, nun wendet sie sich wieder an beide und senkt entschuldigend den Blick: „das ich gerade nicht störe. Ich wollte eigentlich einen Boten schicken, um meinen Besuch anzukündigen, aber im Augenblick liegt die Hälfte der Botenjungen mit einer Sommergrippe im Bett und die andere ist im Auftrag Borgil unterwegs, damit die Pacht- und Mietverträge, die im Beerenreif auslaufen, erneuert oder weitergegeben werden können. Zudem hätte ich nicht einmal mit Bestimmtheit sagen können, wann ich ankomme, denn im Augenblick herrscht in der Harfe Hochbetrieb. Bis auf heute, weil im Harfengarten mindestens eine handvoll Tischler die Bänke und Tische ausbessern und Borgil zusammen mit Tiuri und einigen Stallknechten die Türe und die Fensterläden neu streicht. Brenainn würde da… ähm… nur helfen wollen.“ Dabei lächelt sie liebevoll zu ihrem Sohn hinüber, der gerade mit den Zwillingen in einem Knäuel aus Fell und Haar über den Boden tollt. Wie dieses „helfen“ ausgesehen hätte, muss sie nicht erwähnen. Wahrscheinlich hätte sie seinen Kopf irgendwann aus dem Farbkübel befreien müssen. Oder er hätte aus purer Langeweile mit der Innendekoration angefangen.
„Auf jeden Fall“, seufzt sie und hebt das Weidekörbchen mit Bræn von den Schultern, um ihren Jüngsten aus den weichen Leder- und Flanelltüchern zu schälen: „wollte ich euch beiden zum Nachwuchs gratulieren.“ Damit hebt sie ihren Sohn an ihre Schulter und sieht von Olyvar zu Diantha und wieder zurück: „Herzlichen Glückwunsch zu eurem Sohn, und mögen die Götter über euch und den Kleinen wachen.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 30. Juli 2008, 16:00 Uhr
Noch nicht ganz fertig mit dem Essen interessiert es Diantha zunächst herzlich wenig, wer denn da an die Tür klopft, erst als ein Junge mit knallrotem Haar mit Connavar und Fianryn am Tisch vorbei hüpft, merkt sie auf. Von Azra sieht sie zunächst nichts, weil diese vollständig von Olyvars breitem Rücken verdeckt wird - da muss allerdings jemand sein, denn sie hört ein verzücktes: "Oh!" Die Stimme kommt ihr nicht bekannt vor und das wundert Diantha, also lässt sie Fleischpastete Fleischpastete sein, wenn auch widerwillig, aber die Neugierde siegt über den Hunger. In diesem Moment dreht sich Olyvar auch endlich um und an seiner Seite erscheint eine Person, die auf Diantha wirkt wie eine zarte Puppe, die bei jeder falschen Bewegung zerbrechen kann. Sie scheint mit ihren fünf Fuß die Miniaturausgabe einer Elbin zu sein, an der alles weit filigraner und zarter ist, als an einem normalen Vertreter des Volks der Schönen. Dazu kommen noch die zu einem Zopf geflochtenen, langen weißen Locken und ein Paar pupillenloser Augen, in denen jegliche Farbe fehlt. Hätte Azra ihren kleinen Sohn nicht auf dem Arm, Diantha hätte sie schlichtweg als noch nicht ausgewachsenes Elbenmädchen eingeordnet und nicht als erwachsene Frau. Als Olyvar die Unbekannte als >"Azra, Borgils Frau"< vorstellt, muss Diantha sich zusammenreißen um ihren Mann nicht fassungslos anzustarren. Sie weiß nicht, was genau sie sich eigentlich für eine Frau an der Seite des Harfenwirts vorgestellt hat, aber bestimmt niemand so mädchenhaftes. Die Immerfrosterin mag Borgil, keine Frage, auch wenn sie noch nicht besonders viele Gelegenheiten gehabt hat, um ihn genauer kennen zu lernen, aber neben Azra wirkt er ungefähr so passend wie ein Branbär an der Seite einer Fee. Wahrscheinlich ist es für ihn schon eine ernsthafte Herausforderung, ihr nicht unbeabsichtigt wehzutun. Aber gut, es heißt ja schließlich, dass sich Gegensätze anziehen, also warum nicht. Diantha wahrt Haltung, sodass ihr recht wenig von ihren Gedanken anzusehen ist, auch wenn man ihr eine gewisse Überraschung anmerken kann und begrüßt die drei Gäste freundlich. Brenainn beachtet sie kaum, viel zu sehr ist er mit den Zwillingen und Koira beschäftigt, dafür blubbert ihr Bræn fröhlich entgegen.

Azra scheint wenig überrascht zu sein, wahrscheinlich passt Dianthas Aussehen zu dem, was die Frau des Harfenwirts bisher über sie gehört hat. Sie wünscht der Immerfrosterin einen guten Morgen und zieht sie prompt in eine unerwartete Umarmung, wobei sie zumindest etwas mehr Kraft offenbart, als man ihr zugetraut hätte. Diantha erwidert die Geste so vorsichtig, als würde sie ein rohes Ei anfassen um Azra auch bloß keinen blauen Fleck zuzufügen.>„Schön dich kennen zu lernen. Ich hab schon viel von dir gehört"<, stellt Azra fest, was Diantha nicht verwundert und sie erwidert nur mit einem leisen Lächeln: "Nun, ich habe auch schon einiges über dich gehört, aber nur Gutes, keine Sorge." Darauf fährt die Elbin vielsagend fort: >"Eigentlich, wenn ich es mir recht überlege, hat Olyvar, wenn ihm mal Zeit geblieben ist, von nichts anderem gesprochen, als von dir. Und natürlich davon, dass er bald wieder Vater wird.“< Diese Aussage veranlasst Diantha dazu, die rechte Augenbraue hochzuziehen und ihrem Mann einen sehr amüsierten Blick zuzuwerfen. "Soso, ich wette er hat sich bei Borgil über meine Querenchen während der Schwangerschaft ausgeweint", zieht sie ihren Ehemann auf. "Obwohl, wahrscheinlich haben sie sich gegenseitig ihr Leid geklagt." Olyvar bleibt keine Gelegenheit um auf diese Stichelei zu antworten, denn Azra entschuldigt sich mit einem herzzerreißend Blick dafür, dass sie unangekündigt vorbei gekommen ist und führt aus, womit sämtliche Botenjungen gerade beschäftigt sind. Diantha winkt nur ab und stellt lächelnd fest: "Na, so lange ihr kein Empfangskomitee mit Pauken und Trompeten erwartet, könnt ihr jederzeit ohne Ankündigung vorbei kommen, ihr seid hier immer willkommen." Azra führt weiter aus: >"Zudem hätte ich nicht einmal mit Bestimmtheit sagen können, wann ich ankomme, denn im Augenblick herrscht in der Harfe Hochbetrieb."< Diantha nickt verständnisvoll, die Harfe ist wohl das bekannteste Gasthaus Talyras und besonders der Harfengarten läuft im Sommer stets über vor Gästen, da hat man als Wirtin sicherlich kaum eine ruhige Minute. >"Bis auf heute, weil im Harfengarten mindestens eine handvoll Tischler die Bänke und Tische ausbessern und Borgil zusammen mit Tiuri und einigen Stallknechten die Türe und die Fensterläden neu streicht. Brenainn würde da… ähm… nur helfen wollen“<, führt Azra weiter aus und Diantha muss lachen. "Oh, ich kann mir ungefähr vorstellen, wie dann der Rest des Hauses aussehen würde. Wir haben letztes Jahr hier gestrichen", mit einer ausholenden Handbewegung schließt sie die gelben Wände ein, "und die Zwillinge waren jeden Abend von Kopf bis Fuß gelb! Das war beim Baden vielleicht ein Geschrei, dagegen ist Njáll gar nichts." Sie wirft den Kindern einen Blick zu, die sehr gut miteinander auszukommen scheinen und auch Koira verhält sich vorbildlich. Brenainn sieht seiner Mutter wirklich nicht besonders ähnlich, sondern eher wie eine kleine, etwas schmalere Ausgabe Borgils mit einer helleren Haut. Hoffentlich wird Njáll seinem Vater auch so ähnlich...

>„Auf jeden Fall wollte ich euch beiden zum Nachwuchs gratulieren.“<, kommt Azra wieder zum Anlass ihres Besuchs zurück und schaut von Olyvar zu Diantha. >"Herzlichen Glückwunsch zu eurem Sohn, und mögen die Götter über euch und den Kleinen wachen.“< Davon ist Diantha einen Moment lang ehrlich berührt, Azra direkte und ehrlich Art gefällt ihr sehr. "Danke Azra, dabei hätten eigentlich erst wir euch gratulieren müssen", meint sie mit einer Kopfbewegung in Richtung Bræn, da fällt ihr plötzlich etwas ein und sie geht zu der Kiste, in der sie immer ihr Schnitzzeug aufbewahrt. Einen Moment lang kramt sie darin herum, dann zieht sie einen kleinen Bären in der Größe ihres Daumens und einen hölzernen Kauring hervor. "Besser spät als nie", meint sie mit einem Lächeln und übergibt beides Azra. "Diese Ringe sind besonders gut, wenn die Zähne kommen, aber auch vorher kauen sie gerne darauf herum." Bræn wirkt auch prompt sehr interessiert an dem unbekannten Gegenstand und greift danach. "So, was haltet ihr davon, wenn ich uns eine Kanne Cofea, Saft für die Kinder und ein wenig Gebäck dazu bringen lasse? Von unserem Frühstück ist ja kaum noch etwas übrig." Sie wirft einen kritischen Blick auf den bei weitem noch nicht leeren Tisch. "Wir können unsere Gäste ja schließlich nicht hungern lassen, oder?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Azra am 04. Aug. 2008, 23:32 Uhr
Azra lacht auf, als Diantha erzählt, wie die Zwillinge sie tatkräftig dabei unterstützt hätten, die Wände neu zu streichen – nur um des Abends in lautes Geschrei auszubrechen, als man sie von den „Überbleibseln“ hatte befreien müssen. Und sie weiss genau, wovon Olyvars Frau redet, denn als im jungen Frühlinge die Handwerker noch die Wände des Anbaus sauber verputzt hatten, war es auch nur Borgils scharfem Augenmerk zu verdanken gewesen, dass sie Brenainn nicht alle naselang wieder aus irgendeinem Kalkkessel oder Farbeimer hatten bergen müssen. Mit einem Nicken verfolgt sie Dianthas Blick in Richtung der spielenden Kinder, die kichernd und gackernd ausgelassen mit dem jungen Hund über den Boden tollen und sich von den Erwachsenen in ihrem Tun überhaupt nicht behindern lassen. Fianryn und Connavar, nur knapp ein Jahr älter als Brenainn, sind schon recht gross und, wie Azra plötzlich auffällt, haben die gleichen leicht spitzen Ohren wie ihr Sohn. Natürlich. Kizumu war eine Elbe. Aber wie es scheint spielt das weder für Diantha, noch Olyvar eine Rolle. Und für die Zwillinge schon überhaupt nicht. Im Gegenteil. Als Fianryn kurzzeitig Dianthas Aufmerksamkeit erringen möchte, ruft sie diese nicht bei ihrem Namen, sondern mit „Mama“. Für den Bruchteil einer Sekunde huscht Azras Blick etwas verwundert zu Olyvar, dann aber schalt sie sich schon selbst eine dumme Nuss. Natürlich sehen sie in Diantha ihre Mutter. Als Kizumu ihre Kinder verliess, waren diese noch viel zu jung, um davon viel mitzubekommen. Da ist es doch nur recht und obendrein mutig und selbstlos, dass Diantha diese Aufgabe übernommen hat. Andererseits, und Azra fühlt eine gewisse Beklemmung in sich aufsteigen, überhaupt darüber nachzudenken: was würde Kizumu davon halten, wenn sie irgendwann zurückkehren würde, nur um zu sehen, wie sich ihre Kinder in die Arme einer fremden Frau flüchten. Was denke ich denn da! Energisch verdrängt Azra diese Vorstellung. Wer seine Kinder einfach so im Stich lässt, der hat kein Recht mehr darauf von ihnen als Mutter anerkannt zu werden. Vor allem nicht in so jungen Jahren, wo sie noch gar nicht verstehen können, warum man sie alleine lässt. Hach, das ist einfach kompliziert. Entschlossen sich diesen einen freien Tag, an dem noch keine neue schlechte Nachricht die Stadt erschüttert hat, nicht durch irgendwelche trübsinnigen und völlig unnötigen Überlegungen verderben zu lassen, tritt sie näher zum Tisch und stellt dort den Korb ab. Da meint Diantha mit einem Blick auf Bræn: "Danke Azra, dabei hätten eigentlich erst wir euch gratulieren müssen.“ Rasch winkt Azra ab und schüttelt den Kopf: „Ach, wo kommen wir denn da hin. Ihr hattet genug anderes im Kopf.“ Mitgefühl schwingt in ihrer Stimme mit, aber sie lässt die Morde unerwähnt, weil ihr überhaupt nicht der Sinn danach steht, jetzt auch noch mit diesem leidigen Thema anzufangen, das bereits seit dem ersten Leichenfunde Stadtgespräch Nummer Eins ist. Olyvar soll die wenige freie Zeit, die ihm mit seiner Frau und seinen Kindern bleibt, so lange wie möglich geniessen. Schliesslich könnte dieser Verrückte bereits morgen wieder zugeschlagen haben.
Als Diantha dann aber auch noch Geschenke aus einer Truhe kramt, wird Azra ganz verlegen und berührt erhellt sich ihr Gesicht: „Oh, das hätte doch nicht sein müssen. Ach herrje, vielen Dank, Diantha. Das ist… Ich meine…“ Diese herzliche Geste nimmt Azra die letzte Scheu vor der ihr bisher unbekannten Frau des Lord Comanders und ganz verzückt betrachtet sie die kleine Holzfigur in ihren Fingern. Es ist ein sehr schön gearbeitetes Stück, das einen Bären in aufgerichteter Pose zeigt. Das rötlich schimmernde Holz ist geschliffen und poliert worden und voller Bewunderung streicht Azra mit dem Daumen über den fein gearbeiteten Kopf des Tieres. „Oh, er ist wunderschön, Diantha. Hast du ihn selbst geschnitzt? Und den Beissring kann ich sehr gut gebrauchen. Der Alte ist schon beinahe kaputt.“ Ehrlich dankbar strahlt Azra die Immerfrosterin an und will gerade erklären, dass auch sie noch etwas dabei hätte, als Diantha vorschlägt Cofea, Saft und etwas Gebäck holen zu lassen.
„Das wäre wundervoll“, stimm Azra zu und deutet dann auf ihren Korb: „Ich habe noch einen Apfelkuchen dabei. Ich hoffe ihr mögt ihn.“ Plötzlich verlegen zögert Azra einen Moment und gibt dann kleinlaut zu Protokoll, dass es ihr erster Versuch in diese Richtung gewesen sei und sie noch gar nicht gekostet hätte, der Kuchen also vielleicht ganz und gar schrecklich schmecken würde. „Ich habe bestimmt zuviel Zucker genommen und zu wenig Mehl. Einen Apfel hatte ich auch zu wenig, den hat mir Brenainn weggeschnappt, und dann musste ich einem der Mädchen rasch noch im Garten helfen und hätte beinahe vergessen den Kuchen aus dem Ofen zu nehmen. Aber, nun ja, ähm, ich denke wir könnten ihn ja einfach probieren.“ Damit drückt sie Bræn den Bären und den Beissring in die kleinen Finger und setzt ihren Jüngsten rasch auf den Boden, um die Decke vom Korb zu zupfen und den Kuchen auf den Tisch zu heben. „Ah, er ist eben ein wenig… schwarz.“ Das ist eine gelinde Untertreibung, denn von den Äpfeln über der geschlagenen Sahne sind nur tiefschwarze, verkümmerte Schnitzchen übrig. „Vielleicht“, gesteht Azra mit einem resignierenden Seufzen und schiebt den Teller dezent zur Seite: „wäre etwas Gebäck doch besser.“
Während Diantha kurz entschwindet, um alles in Auftrag zu geben, wendet Azra sich peinlich berührt rasch dem Rest ihrer Mitbringsel zu. Die sehen eindeutig besser aus, als das jämmerliche Gebilde, das versucht ein Kuchen zu sein. Zuerst zieht sie die grosse, dunkle Schnapsflasche aus dem Weidekorb und hält diese Olyvar mit einem Grinsen unter die Nase. „Hier, Agavenschnaps direkt aus Harkan’nar von Esed al Far. Er ist leider gestern schon wieder weiter gereist, um noch vor den Herbststürmen den Hochlandpass überquert zu haben, aber er lässt dir die besten Grüsse und Wünsche ausrichten.“ Mit einem Schmunzeln überreicht Azra mit diesen Worten Olyvar die Flasche, bevor sie auch schon die winzig kleine Tunika aus weichem, dunkelgrün gefärbtem Wildleder und das Säckchen mit den Murmeln ans Licht befördert. „Das hier ist für Niáll, und das hier für die Zwillinge. Ich hoffe sie kennen das Murmelspiel schon, weil Brenainn kann damit noch nichts anfangen.“ Beides überreicht sie Diantha, nur um sofort weiter zu kramen.
„Und das hier ist für dich. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob es… nun ja… ich habe viele Bücher gelesen. Darunter auch eine Abhandlung über den Glauben in Immerfrost und… also… Normalerweise schenkt man Müttern wohl eher das Zeichen der Archonin Carsai, aber ich dachte, da du aus Immerfrost stammst, würde dir das Licht Shenras vielleicht mehr bedeuten.“ Damit überreicht sie Diantha die kleine Holzschatulle, wo gebettet in Holzwolle und Wolle ein kleiner Anhänger aus Bernstein in Form von Shenras Antlitz ruht. Nervös, weil sie nicht weiss, wie Diantha auf das Geschenk reagieren wird, widmet sie sich rasch ihrem Umhang und befreit danach auch Bræn von seinem Kittelchen, wobei ihr Blick zu den spielenden Kindern huscht, die sich in der Zwischenzeit zu den Bauklötzen zurückgezogen haben. Doch als eines der Dienstmädchen mit einem Tablett voller Köstlichkeiten hereinhuscht, lassen sie Bauklötze Bauklötze sein und kommen unter lautem Gelächter an den Tisch geflitzt. Und auch Azra läuft beim Anblick von herrlich duftendem, pechschwarzem Cofea, süssem Holundersaft und frischen Honigfingern das Wasser im Mund zusammen und ihr wird bewusst, dass sie seit dem frühen Morgen nichts mehr gegessen hat. Mit einem belustigten Schnauben in Richtung des Gebäcks fragt sie Diantha zum Spass: "Die Köchin hat nicht zufälligerweise Zeit und Geduld genug mich in die Lehre zu nehmen?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 05. Aug. 2008, 09:09 Uhr
Azra legt das Baby - mit vier Monden offenbar bereits eifrig dabei, sich allein umzudrehen und somit nur noch auf ebener Erde sicher - kurzerhand auf den Boden und beginnt, ihre Geschenke zu verteilen, nachdem sie ihren Kuchen hastig beiseite geschoben hat. "Hamadat!" Angesichts der bernsteingoldenen Kostbarkeit, die ihm Azra grinsend überreicht, blinzelt Olyvar überrascht. Damit hat er nicht gerechnet, denn der seltene Agavenbrand aus Harkan'nar ist selbst in einer großen Handelsstadt wie Talyra nicht leicht zu bekommen. Nun ja, für Borgil vermutlich weniger schwierig, aber dass sie daran gedacht hat... Diantha begutachtet interessiert die bauchige Flasche in seinen Händen und zieht dann eine schmollende Miene des Bedauerns. "Und ich kann nichts davon kosten, weil ich stille..." seufzt sie so inbrünstig, dass Olyvar leise lacht. "Du lieber Himmel, ich bin mit einer Säuferin verheiratet," neckt er leise, aber seine Augen lächeln. "Wir warten, bis Njáll Zähne hat und du nicht mehr die einzige bist, die ihn füttern kann, ehe wir die Flasche öffnen, Conasg. Der Branntwein läuft uns nicht davon und schlecht wird er auch nicht."
Die Frauen tauschen weitere Geschenke aus, hauptsächlich für die Kinder, doch Diantha erhält auch einen Bernsteinanhänger in Form einer Sonne, den Azra ihr sichtlich nervös aushändigt. Olyvar unterdrückt ein Lächeln, angelt Bræn vom Boden und reicht ihn seiner Mutter. "Setz dich doch." Azra schält ihren kleinen Sohn aus Tüchern und überzähligen Kleidungsstücken und eine Magd bringt ihnen ein Tablett mit einer Kanne dampfenden Cofeas und einem breiten Holzteller mit dem Hefe- und Blätterteiggebäck, das Olyvar gestern mit den Zwillingen sehr zum Missfallen des Koches fabriziert hatte. Die Honigfinger sind ein wenig krumm und schief, weil die kleinen Kinderhände sie noch nicht ordentlich rollen können und die Quarktaschen erinnern eher an unordentlich aufgehängte Mützen, aber das tut dem Geschmack ja keinen Abbruch.
"Als ob ihr in der Harfe nicht die beste Köchin der Welt hättet," schnaubt Olyvar amüsiert auf Azras Frage nach einer Lehrstelle in der Steinfaustküche. "In unserem Fall ist es ein Koch namens Weonard, der sich im Übrigen für niemand Geringeren als einen Gott am Herd hält und mir ständig in den Ohren liegt, dass ein Lord Commander nichts an selbigem zu suchen hätte. Aber wenn du auf die Honigfinger hier anspielst, die haben wir verbrochen - Conn, Fian und ich gestern Abend, deshalb sehen sie wohl auch so aus wie sie äh... aussehen." Demonstrativ hebt er ein Exemplar zur Veranschaulichung seiner Worte, das sich krümmt wie eine Nacktschnecke mit schweren Bauchschmerzen. "Die Zwillinge sahen danach zwar aus wie die Mehlgeister und Diantha hat bestimmt eine Stunde in den Badehäusern gebraucht, um sie wieder in kleine Halbelben zu verwandeln, aber die Mühe..." der unansehnliche Honigfinger landet in seinem Mund, "hat sich wirklich gelohnt. Ich verspreche, sie schmecken besser, als sie aussehen. Und jetzt rück den Apfelkuchen wieder heraus, ich will ihn wenigstens probieren."
Azra wehrt sich erschrocken mit Händen und Füßen gegen dieses Ansinnen, jammert, gestikuliert und versucht eilig, den Kuchen wieder in ihrem Korb verschwinden zu lassen, aber es hilft ihr nichts - ihr Backwerk - oder zumindest das, was aussieht wie ein Apfelkuchen, den jemand bei zu großer Hitze und viel zu lange in einem wirklich heißen Backofen zu Tode gefoltert hatte - landet doch in seinen Händen und er lässt Borgils winziger Frau auch keine Chance, ihn sich zurückzuholen. Dann steht das schwarzbraune Ungetüm vor ihm. "Doch ja... er sieht tatsächlich... ziemlich unglaublich aus." Azra gibt ein ersticktes "Oh" von sich das klingt wie das Piepsen eines erwürgten Vogels. "Dann wollen wir mal..." mit diabolischem Lächeln schneidet er den Kuchen an, während Diantha tröstend zur Protokoll gibt, dass sie eine noch weit schlechtere Köchin wäre und nichts außer Haferbrei - und selbst den erst nach einigem Mühen - fabrizieren könne und Azra ihn anfunkelt, wenn er sich unbedingt schlimme Magenkrämpfe einhandeln wolle, nur zu, aber sie habe ihn gewarnt. "Ach was, das bisschen verbrannter Teig und die verkohlte Sahne... oh, na schön, es ist viel verkohlte Sahne. Ich muss das unbedingt versuchen." Es kommt der denkwürdige Augenblick des Kostens - ein schwarzes Stückchen landet in seinem Mund und vier Augenpaare richten sich fragend und gespannt auf sein absolut unbewegtes Gesicht. Olyvar sieht niemanden an, überhaupt niemanden, und kaut ebenso tapfer wie geräuschvoll auf schwarz verbrannten Teigstücken herum. "Köstlich," verkündet er schließlich ziemlich atemlos, mit dem Geschmack von Ruß im Mund und im selben Tonfall, in dem ein Mann auch ein leises und bestürztes "Heilige Scheiße" verkünden würde. "Phänomenal. Wirklich." Er schiebt den Kuchen so weit von sich, wie er nur kann, unterdrückt den Hustenreiz und wischt sich die tränenden Augen, sehr zur Erheiterung der Zwillinge und der beiden Frauen, von denen zumindest Azra auch noch so aussieht, als wolle sie ihm gleich die Ohren lang ziehen. "Das ist... also das ist unglaublich. Tatsache." Er hustet leise. "A Dhias, thois cobhair... Cofea, bitte. Ahem."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 05. Aug. 2008, 12:11 Uhr
Die Frage, ob sie die Figur und den Beißring selbst gemacht hat, beantwortet Diantha mit einem kurzen Nicken. Vor allem der Ring hatte einige Übung gebraucht, aber mittlerweile gelingt er ihr ganz gut. "Er ist aus Süßholz, das tut dem wunden Zahnfleisch gut, wenn sie anfangen zu zahnen... Wo wir gerade beim Thema sind, hat Bræn eigentlich schon seinen ersten Zahn?" Die Immerfrosterin will dazu ansetzen Azra zu fragen, ob sie Erfahrungen mit Ausschlägen an Säuglingshintern hat, bevor sie aber dazu kommt, erzählt die junge Frau kleinlaut von einem misslungenen Backversuch. Als Azra einen Teller mit einem schwarzen Etwas, das wohl ein Kuchen werden sollte, auf den Tisch stellt, muss Diantha schlucken und ist froh, als Borgils Frau kleinlaut bemerkt, dass man doch lieber etwas aus der Burgküche holen solle. Rasch verschwindet Diantha in Richtung Botenkinder und taucht kurze Zeit später wieder auf. Sofort beginnt Azra ihre weiteren Mitbringsel auszupacken und zu verteilen. Beim Anblick des Branntweins hadert Diantha mit ihrem Schicksal als Stillende, bis Olyvar versichert: >"Wir warten, bis Njáll Zähne hat und du nicht mehr die einzige bist, die ihn füttern kann, ehe wir die Flasche öffnen, Conasg. Der Branntwein läuft uns nicht davon und schlecht wird er auch nicht."< Zufrieden grinst Diantha ihren Mann an, als der allerdings feststellt: >"Du lieber Himmel, ich bin mit einer Säuferin verheiratet!"<, streckt sie ihm die Zunge raus. "Dass ich durchaus mal was trinke wusstest du bevor wir heirateten. Außerdem habe ich noch nie azurianischen Hamadat getrunken!", rechtfertigt sich Diantha. "Wir Immerfroster sind nun einmal ein Völkchen, das äh... Rachenputzer und Bier dem Wein vorzieht, du siehst also, ich kann nichts dafür, das liegt mir im Blut." Dass Diantha auch durchaus einem Gläschen Wein hin und wieder nicht abgeneigt ist, lässt sie dezent unter den Tisch fallen und mokiert, dass sie seit über einem halben Jahr, also seit sie weiß, dass sie schwanger ist, überhaupt keinen Alkohol mehr getrunken hat und somit ja wohl auch keine Säuferin sein kann. Azra lässt sich von der kleinen Diskussion nicht weiter beeindrucken und überreicht ihre übrigen Geschenke. Für die Tunika und die Murmeln bedankt sich Diantha sofort überschwänglich und lobt Azras Nähkünste in höchsten Tönen. Als Azra ihr allerdings eine kleine Holzschatulle mit den Worten: >"Normalerweise schenkt man Müttern wohl eher das Zeichen der Archonin Carsai, aber ich dachte, da du aus Immerfrost stammst, würde dir das Licht Shenras vielleicht mehr bedeuten.“< in die Hände drückt, sagt Diantha zunächst einmal gar nichts. Sacht fährt sie mit dem Zeigefinger über die kleine, aus Bernstein geschnitzte Sonne und schweigt, was Azra unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschen lässt. "Er ist wunderschön", stellt Diantha schließlich heiser fest. "Viel besser als Carsai." Langsam hebt sie den Blick und lächelt. "Ich danke dir." Außerdem ist der Anhänger bis ins Detail hervorragend gearbeitet und die Schnitzereien sind sehr fein, dafür kann man bestimmt einiges verlangen, schätzungsweise... Moment, was tue ich hier grade? Verflucht noch mal, warum kann ich mir kein Schmuckstück ansehen, ohne es gleich auf Qualität und Marktwert zu schätzen und es stattdessen einfach nur schön finden?

Dianthas Gedanken in diese Richtung werden unterbrochen, als ein Mädchen mit einem bis zum Rand vollen Tablett den Raum betritt. Sofort wird der Tisch von den Kindern belagert, auch wenn Fianryn und Connavar eigentlich noch keinen wirklichen Hunger haben können, schließlich haben sie gerade erst gegessen, aber ein wenig Gebäck passt immer noch in die kleinen Bäuche. Die Immerfrosterin grinst, als sie Brenainns Begeisterung über das Essen sieht und langt selbst ordentlich zu, seitdem sie stillt, scheint sich ihr Hunger verdoppelt zu haben. Sie ist selber alles andere als eine gute Köchin, aber glücklicherweise ist Diantha mit einem erstklassigen solchen verheiratet, was sie auch gerne ausnutzt. Der meint auf Azras Frage, ob sie beim Koch der Steinfaust in die Lehre geben könnte auch nur: >"Als ob ihr in der Harfe nicht die beste Köchin der Welt hättet. In unserem Fall ist es ein Koch namens Weonard, der sich im Übrigen für niemand Geringeren als einen Gott am Herd hält und mir ständig in den Ohren liegt, dass ein Lord Commander nichts an selbigem zu suchen hätte."< Bei diesen Worten muss Diantha grinsen. "Ich weiß gar nicht, was du gegen Weonard hast, er ist doch so gerne für uns da..." Dass man ihm ein wenig Honig ums Maul schmieren muss, damit er seine wahren Künste auspackt, muss man ja nicht unbedingt erwähnen. >"Aber wenn du auf die Honigfinger hier anspielst, die haben wir verbrochen - Conn, Fian und ich gestern Abend, deshalb sehen sie wohl auch so aus wie sie äh... aussehen."< "Sie sehen absolut niedlich aus und schmecken wunderbar!", verteidigt Diantha das krumme und schiefe Gebäck. "So wie alles, was du an einem Herd fabrizierst." Sie wirft Olyvar einen langen, viel sagenden Blick zu... Noch sieben Wochen!... und stellt schließlich fest: "Ich finde, jede Frau sollte einen Mann haben, der kochen kann und dabei auch noch gut aussieht." Aber DU bist mein ganz persönlicher Koch, einzig und allein mein. Olyvar zieht eine Augenbraue hoch, worauf Diantha nur höchst unschuldig die Schultern hebt, sie versteht einfach nicht, wie man vom einen nicht aufs andere kommen kann. Da greift ihr Mann plötzlich nach dem Teller mit Azras verbrannten Kuchen und verkündet: >"Ich [i]muss das unbedingt versuchen."[/i]< Fassungslos beobachtet Diantha ihn dabei, wie er sich ein Stück abschneidet und in den Mund schiebt. >"Köstlich. Phänomenal. Wirklich"<, verkündet er nach einem Moment und es wundert Diantha, dass er nicht grün anläuft, denn seinem Tonfall ist eindeutig anzumerken, dass der Kuchen genau so schmeckt, wie er aussieht. >"Das ist... also das ist unglaublich. Tatsache. A Dhias, thois cobhair... Cofea, bitte. Ahem."< Rasch schenkt Diantha ihm eine Tasse voll ein und schaut dabei zu, wie er sie mit einem Zug leert. Einen Moment lang herrscht betretene Stille am Tisch, bis die Immerfrosterin trocken bemerkt: "Selber Schuld!" und in Lachen ausbricht.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 05. Aug. 2008, 23:12 Uhr
Von Goldschein bis zum 16. Tag des Sonnenthrons


Es vergehen nur wenige Tage nach ihrem Treffen mit Lady Caitrin, bis eines Morgens ein Bote vor den Türen des Westflügels steht und die fehlenden Schuldscheine von Tallards Anteilen am Waldhof vorbei bringt. Er verneigt sich übertrieben tief sowohl vor Kea, als auch vor Ierás und überreicht dann ein Geschenk für das Baby an die werdende Mutter und die Schuldscheine an den zukünftigen Hausherren, beides jeweils mit den besten Grüßen von Lady Caitrin Gwenllian Darragh, die ihnen noch viel Freude mit dem Anwesen wünscht. Noch am selben Tag reitet Ierás ins Handwerkerviertel zu Guthric dem Handwerker, bei dem sie die Wiege in Auftrag gegeben haben, um ihn und seine Zimmermänner für die anstehenden Arbeiten am Waldhof zur alleinigen Verfügung zu haben. Sowohl bei diesem Ritt, als auch an den meisten Tagen, die Ierás nun von früh bis spät am Waldhof verbringt, bleibt Kea in der Steinfaust bei Diantha, den Zwillingen und ihren eigenen zermürbenden Gedanken zurück. Am ersten Arbeitstag hat Kea noch ihren Kopf durchgesetzt und war mit gekommen, doch da ihr jeder einzelne Handwerker ständig nur Hämmer und Nägel aus den Händen genommen hat, hat Kea es doch aufgegeben helfen zu wollen, zumindest so lange die groben Arbeiten andauern. Wenigstens bei der Einrichtung des Mobiliars will sie dann doch mitreden, denn schließlich soll sie einmal in dem großen Haus wohnen und nicht Guthric oder einer seiner Handwerker. Die Tage in der Steinfaust ohne Ierás sind nicht so schlimm, wie Kea es befürchtet hat, denn sie freundet sich immer mehr mit Diantha an und gemeinsam versuchen sie der quälenden Sommerhitze in den kühlen Steinfaustkellern zu entgehen, gehen mit den Zwillingen und den Hunden spazieren oder sitzen einfach müde, mit hoch gelegten Beinen in der großen Halle und kommandieren Olyvar wie einen kleinen Botenjungen umher. In den wenigen Wochen, die noch bis zur Geburt bleiben, wird dieser elendig dicke Bauch sogar noch größer und selbst wenn ihr Kind nicht gerade akrobatische Übungen veranstaltet, hat Kea das Gefühl, dass es nun immer sowohl auf ihrer Blase liegt, als auch gegen Magen und Lunge drückt und ihr so immer wieder das Atmen schwer macht. Fast so sehr wie Luft in den Lungen vermisst Kea das Reiten, denn auch wenn sie seit sie in der Steinfaust angekommen sind so lange wie möglich noch jeden Tag mit Edanwen unterwegs gewesen ist, irgendwann muss sie einsehen, dass die Sicherheit ihres Kindes vor geht und sie mit ihrem Kugelbauch auf einem immer wieder mal herum hüpfenden Hengst einfach nicht so beweglich ist wie normalerweise. Also vertröstet sie den Rotbraunen und vor allem auch sich selbst auf später, wenn das Baby auf der Welt ist und sie wieder soweit ist, dass sie auf ein Pferd steigen kann, und nimmt den Hengst einfach auf ihre abendlichen Spaziergänge ins Larisgrün mit.
Die Nächte vergehen allerdings langsamer als normalerweise, denn der Bauch hindert sie daran eine bequeme Schlafposition einzunehmen und so auch nur eine Nacht normal durchzuschlafen. Anfangs weckt sie Ierás noch jedes Mal wenn sie sich mühselig aus dem weichen Bett rollt, um gemeinsam mit Diantha einen Mitternachtsimbiss einzulegen. Von der täglichen Arbeit völlig geschafft, schläft er aber bald wie ein Stein und bemerkt nichts mehr von Keas nächtlichen Ausflügen in die Steinfaustküche. So lange sie etwas zu tun hat, ist es für Kea noch ein Leichtes ihre Sorgen so weit zu verdrängen, dass sie nicht ständig darüber nachdenken muss, schlimm sind nur die Zeiten, an denen sie ganz alleine im Turmzimmer sitzt und aus dem Fenster auf den Burggarten starrt. Jedes Mal versucht sie sich dann aufs Neue, die Zukunft ihres Kindes vorzustellen, eine ganz normale Zukunft: glücklich und zufrieden auf ihrem neuen Hof aufwachsend, sich mit den Zwillingen und Dianthas Kind zum Spielen treffend und erwachsen zu werden ohne jemals von seinem Erbe beeinflusst zu werden. Doch so sehr Kea es auch versucht und wann immer sie sich diese Zukunftsvision vorstellen möchte, kommen ihr sofort Bilder von brennenden Menschen, Pferden, Ställen in den Sinn. Die Sturmschwerter, wie sie vor nicht allzu langer Zeit auch vor ihr und Ierás gestanden haben, stehen dann vor ihrem Haus und suchen nach ihrer Familie um sie zu töten oder auf den Thron zu setzen und damit wiederum in den sicheren Tod zu treiben.

5 Siebentage nachdem sie in der Harfe den ersten Teil des Waldhofs erstanden haben, setzen bei Diantha die Wehen ein. Kea, die gerade wieder unterwegs in Richtung Küche ist, trifft die Freundin als diese gerade damit beginnt, ganz alleine ihre Runden durch die große Halle zu drehen. Kea setzt ihren Weg nicht weiter fort und bleibt bei Diantha, bis Olyvar nach fünf Stunden zu ihnen stößt. Die Geburt des kleinen Njáll ist verhältnismäßig einfach. Natürlich hat Diantha Schmerzen und sie lässt sich einige Zeit erst von Kea und dann von Olyvar wie ein Kolikpferd durch den Westflügel führen, doch es gibt keinen einzigen Moment, in dem es um Mutter oder Kind schlecht steht und die Situation kritisch zu werden droht. Das jüngste Mitglied der Familie von Tarascon ist wohlauf und hat ein erstaunlich starkes Stimmchen, mit dem er sie nicht nur sofort nach seiner Geburt, sondern auch die nächsten Tage beglückt. Am ersten Tag in Njálls Leben, erlaubt sich Ierás zum ersten Mal eine wohlverdiente Pause, was jedoch wenig mit dem Kind zutun hat, sondern ausschließlich damit, dass der junge Mann einfach geschafft ist, weil er an diese Art von Arbeit, oder irgendeine Art von Arbeit, einfach nicht gewohnt ist. Als Ierás verkündet, sich einen Tag Ruhe zu gönnen, ist Kea erst hellauf begeistert, denn viel hat sie von ihrem Ehemann in den letzten Siebentagen nicht gehabt. Jeden Morgen steht er mit dem ersten Hahnenschrei auf, reitet mit einem ihrer Pferde zum Waldhof und kehrt erst zur Abenddämmerung wieder. Natürlich versucht er dann noch Zeit mit Kea zu verbringen, aber meistens fällt er gähnend irgendwo auf einen Stuhl und kann kaum ein Auge offen halten. An diesem freien Tag glaubt Kea endlich wieder mehr von Ierás zu sehen, doch auch als ihn die ersten Sonnenstrahlen an der Nase kitzeln, zieht er nur die Decke über den Kopf und schläft weiter. Von Diantha und Olyvar hört und sieht Kea verständlicher Weise in den ersten paar Tagen nach Njálls Geburt nur wenig, denn beide haben natürlich besseres zu tun als Kindermädchen für eine hochschwangere Hufschmiedin zu spielen. Kea versucht also die Zwillinge zu beschäftigen, treibt Kinder und Hunde über den Zwinger, besucht die Pferde, aber wie sie sich auch zu beschäftigen versucht, keine Tätigkeit hält sie von ihren eigenen Gedanken und Ängsten fern. So steht sie also mitten im Zwinger als plötzlich ihre Angst Überhand nimmt und sie einfach so zu weinen beginnt. Zwei großäugige Zwillinge stehen mit zwei winselnden Hunden vor ihr und fragen verschüchtert "Was hast du denn Tante Kea?" "Nur etwas im Auge", schluchzt die Halbelbin, nimmt jeweils ein Kind an die Hand und schiebt die Hunde vor sich her zurück in den Westflügel. In der großen Halle begegnet sie Olyvar der gerade den eben erwachten Njáll an seine Mutter übergeben hat und in der Zwischenzeit wohl nur kurz etwas zum Abendessen für Diantha und sich holen möchte.  >Was…?< beginnt er, aber Kea übergibt ihm nur die Zwillinge und verzieht sich dann so schnell sie ihre Beine unter dem dicken Bauch noch tragen ins Turmzimmer. Mit tränenverschleierter Sicht reißt sie die Türe auf und läuft dabei direkt Ierás in die Arme. Wie eine Ertrinkende klammert sie sich an ihn, als wäre er ihre letzte Rettung, doch der junge Mann ist erst einmal völlig verdattert. >Was ist denn los? Hat dir jemand etwas getan?<  Anstatt zu antworten und eine rationale Erklärung ihrer Sorgen und Ängste abzuliefern, schlägt sie mit der flachen Hand auf seine Brust, traurig, verängstigt und wütend darüber, dass er überhaupt fragen muss. Es dauert einige Zeit, in der Ierás sie einfach still in den Armen hält, bis sie sich wieder soweit beruhigt hat, dass auch nur an ein normales Gespräch zu denken ist.
"Was wenn nicht alles gut wird, was wenn dieses Kind wahnsinnig wird? Was wenn irgendetwas das Kind verrät? Was wenn sie uns finden? Was wenn ich nicht da sein kann? Was wenn ich sterbe?" Eigentlich wollte Kea Ierás nicht an die Geburt der Zwillinge erinnern, gerade jetzt, wo die leichte Geburt Njálls doch ermutigend für sie beide hätte sein sollen. Doch Diantha ist groß und kommt aus einer Familie, in welcher die Frauen allesamt leichte Geburten hatten, während Kea klein ist und alles was sie von ihrer Mutter weiß, ist, dass sie bei Keas Geburt ums Leben kam. Sie wünscht sich, sie könnte sicher sein, dass alles gut gehen wird, aber selbst dann hat sie keinerlei Auswirkungen auf das Seelenheil ihres Kindes. Jeden Tag bittet sie Soris darum, dass diese ihrem Kind ganz einfach ihren Segen gibt und auf dieses dumme Würfelspiel mit dem Herren des Wahnsinns verzichtet. Es ist ja auch schließlich mein Kind und nicht das der Götter, sollen sie doch lieber gar nicht hin sehen wenn es geboren wird und es ein ganz normales glückliches Kind sein lassen!
>Hör zu, alles wird gut werden, denn es muss einfach. Sie werden uns nicht finden, weil wir sehr vorsichtig gewesen sind und sogar Lobas Hilfe hatten, um unsere Spuren zu verwischen. Und du… du wirst nicht sterben, du darfst einfach nicht sterben, du bist gesund und stark, alles wird gut!<

In den nächsten Tagen, in denen Kea alleine ist, wird es mit ihrer Stimmung allerdings kaum besser. Sie verzieht sich die meiste Zeit im Turmzimmer und starrt aus dem Fenster, und wenn Ierás nach Hause kommt, heftet sie sich an seine Fersen und hält ihn so lange wie möglich wach, um nur ja nicht alleine zu sein. Schläft er dann aber nachts, während Kea wieder einmal von dem unbequemen Bauch oder schlechten Träumen aus dem Bett getrieben wird, schleicht sie alleine durch die Steinfaust. Oft schläft sie dann für ein oder zwei Stunden in einem Sessel ein, irgendwo im Westflügel mit rot geschwollenen, verweinten Augen und erwacht erst als Ierás sie am nächsten Morgen findet. Es ist kein Wunder, dass er ihr erlaubt mit auf den Waldhof zu kommen, sobald das Weißen der Wände beendet ist und es ans Einrichten des Hauses geht. Es ist nur gut, dass Kea endlich wieder etwas zu tun hat, denn so ist sie wenigstens eine Zeit lang abgelenkt.

In einer ihrer wachen Nächte versucht Kea sich damit abzulenken, endlich den Brief an Kizumu zu schreiben, doch während sie über dem Pergament sitzt, die Finger schon schwarz vor lauter Tinte, fällt ihr ein ganz anderer Brief ein, den sie früher wie einen Schatz verwahrt, an den sie nun aber schon lange nicht mehr gedacht hat. So leise wie möglich kramt sie in einer der Truhen nach dem Brief von ihrer Mutter, sieht immer wieder hoch, ob sie Ierás auch nicht weckt. Ihr Liebster dreht und wendet sich in den weißen Laken und murmelt >Alles in Ordnung? Kann ich was für dich tun?< in die Kissen. "Schlaf weiter, alles in Ordnung!" beruhigt Kea ihn und verlässt den Raum erst, als Ierás Atemzüge wieder völlig ruhig und regelmäßig sind und davon zeugen, dass er zurück in Trance geglitten ist. Am Esstisch entzündet Kea wieder die zusammen gesammelten Kerzen und fährt mit zittrigen Fingern über die Konturen des vergilbten Papiers und des Siegels. Sie steht ein paar Mal auf, bläst ein oder zwei Kerzen aus, nur um sich gleich darauf wieder hin zu setzen und die Kerzen von neuem zu entzünden.
Beherzt bricht sie schließlich das Siegel auseinander und entfaltet den Brief, ehe sie nach zwei tiefen Atemzügen zu lesen beginnt.

Mein liebstes Kind,
Es sind nur noch wenige Tage bis du das Licht Rohas das erste Mal erblicken wirst, aber ich weiß, dass ich von da an nicht mehr bei dir sein kann. Schon seit Wochen quält mich ein immer wieder kehrendes Fieber, das ich mir in den Sümpfen von Nedserd eingefangen habe.

Kea braucht nicht viel Fantasie um zu wissen, dass ihre Mutter… diese Frau… vom Sumpffieber spricht, das schließlich auch sie selbst auf ihrer Reise befallen hat.
Gerade erst gestern ist der letzte Schub abgeklungen, doch das ist nicht der einzige Grund dafür, dass nun meine Hände zittern. Ich weiß, dass ich nicht weiter reisen kann und so auch an kein Heilmittel gelangen werde, und auch wenn mich die gute Lavinja so gewissenhaft pflegt, werde ich mich davon nicht mehr erholen.
Bei der Erwähnung des Namens Lavinja muss Kea heftig schlucken, denn sie ist die einzige Mutter gewesen die Kea jemals gekannt hat. Schon aus Kenors Erzählungen weiß Kea, dass Lavinja die Hebamme bei Keas Geburt gewesen ist.
Die gute Lavinja, sie ist der einzige Mensch hier, der mir Freundlichkeit erweist, ich weiß, dass wenn ich nicht mehr hier bin um auf dich zu achten, sie sich deiner annehmen wird und dir eine Mutter sein wird, wie du sie so dringend brauchen wirst. Es tut mir so unendlich leid, dass ich nicht diese Mutter für dich sein kann, dich nicht fortbringen aus diesem Ort an den mich die Krankheit gebunden hat. Ich wollte dir die große Welt zu zeigen, dich an einen Ort zu bringen wo du alles lernen kannst was Roha für dich zu bieten hat. Ich will nur, dass du weißt, dass es mir fast das Herz zerreißt, weil ich dich schon jetzt mehr liebe als alles andere auf dieser Welt und ich nichts mehr betrauere, als zu wissen, dass ich dich nie aufwachsen sehen werde.
Kea fühlt eine seltsame Art von Verbundenheit zu dieser fremden Frau, ihrer Mutter, allein dadurch, dass diese, als sie diesen Brief geschrieben hat, genauso hochschwanger war wie Kea jetzt und ebenfalls nicht wusste, was mit ihrem Kind in Zukunft geschehen wird.
Ich will dir nun das Wenige aufschreiben, das es über mich zu sagen gibt, damit du wenigstens etwas von mir weißt. Geboren wurde ich vor 30 Sommern hier in den Herzlanden, selbst gar nicht weit von Sûrmera. Ich war das einzige Kind meiner Eltern, da meine Mutter schon im Kindbett gestorben ist. Ich war meines Vaters, ein im Fürstentum angesehener Tuchhändler, ein und alles. Er las mir jeden Wunsch von den Augen ab und obwohl er sich nie wieder eine Frau nahm, vermisste ich meine Mutter nicht. Er starb, kurz nachdem ich in die Stadt ging um mein Leben Vendis zu widmen und eine Priesterin in seinem Dienst zu werden. Ich habe meine Ausbildung zur Priesterin vollendet, aber anstatt nun tatsächlich dieser Berufung nach zu gehen, habe ich begonnen durch die Immerlande zu reisen. Nach dem ich viele ferne Orte gesehen habe, viele fremde Leute getroffen, gesprochen und kennen gelernt habe, war es mein Wunsch auch die Elbenlande zu sehen, die für Menschen jedoch nicht zugänglich sind. Es war diese Reise, nahe den Mondtoren, auf der ich deinen Vater, einen Silberelben, getroffen habe, oder besser er mich. Er war auf dem Rückweg seiner Reise, gerade auf der Jagd und ich lief ihm beinahe in einen Pfeil. Wir lernten uns kennen und ich meine, auf unsere Art verliebten wir uns ineinander, aber es war wohl mehr die körperliche Anziehungskraft, die uns aneinander band. Er war groß und stark, mit blauschwarzem Haar und blauen Augen und seine Haut war so hell wie Sternenlicht. Sein Name war Lyresanar und ich denke, so exotisch und schön er für mich war, so aufregend war es für ihn, mich zu treffen, mit meinen wirren feuerroten Haaren, den dunklen Augen und den Sommersprossen auf meiner Nase. Wir verlebten einige sehr glückliche Tage zu zweit im Wald, aber auch er konnte mir nicht helfen, meinen Wunsch zu erfüllen die Elbenlande zu betreten. Es ist nicht so, als hätte er es nicht versucht, denn ich bin sicher, er mochte mich gerne, doch als ich schließlich einsehen musste, dass es besser war aufzugeben, war es nicht genug für ihn, um bei mir zu bleiben. Wir beide wussten damals noch nichts von dir, mein Kind und ich hatte auch keine Gelegenheit mehr, einen Boten zu finden, der eine Nachricht in die Elbenlande hätte überbringen und dann auch noch deinen Vater dort hätte finden können, denn ich weiß nicht viel mehr von ihm, als seinen Namen und dass er ein Silberschmied in Talaberyn ist. Auf meiner Reise Richtung Heimat bin ich in die Ausläufe des Sumpfes gelangt und habe mir dort dieses Fieber geholt.

Da man in einem Brief nicht alles sagen kann, was man seinem Kind gerne mit auf den Weg geben möchte, bleibt nicht mehr viel zu schreiben. Ich habe dir eine Truhe gepackt, mit Dingen die für mich wichtig waren und die ich Lavinja für dich mitgeben werde, zusammen mit der Stute deines Vaters, die er mir zum Abschied an den Mondtoren geschenkt hat und deren erstes Fohlen dir gehören soll. Ich gebe dir meine Priesterinnenrobe, auf dass Vendis immer seine schützende Hand über dich hält und ein Kleid, dass mein Vater kurz vor seinem Tod für mich anfertigen ließ und das  sein letztes Geschenk an mich war. Ich gebe dir auch den Pfeil, den Lyresanar mir ebenfalls zu unserem Abschied geschenkt hat, damit ich nicht vergesse, wie wir uns kennen gelernt haben und auch den Spiegel, den ich, wie ich gestehen muss, aus seinem Gepäck entwendet habe, um ein Andenken an unsere Zeit zu haben.
Zuletzt bleibt nur noch zu sagen, dass ich dir das beste Leben wünsche, dass man auf Roha haben kann, dass ich dich liebe und wo immer ich auch hingehe, du wirst immer in meinen Gedanken sein.

Deine Mutter Keyra


Kea hat erwartet, dass sie Trauer empfinden würde um diese tote Mutter und noch mehr Angst vor der Geburt wenn sie erst gelesen hat, was eine sterbende Frau ihrem Kind als letzte Botschaft mit auf den Weg gibt, doch nichts davon ist der Fall. Es tut ihr leid für diese Fremde, doch Kea spürt auch, dass sie schon alle Tränen für ihre Mutter geweint hat und dass diese Mutter nach wie vor die Hebamme Lavinja ist und nicht dir rothaarige Abenteurerin Keyra, die sich irgendwo im elbischen Grenzland Hals über Kopf in einen Silberelben verliebt hat. Mit einem Seufzen faltet Kea den Brief wieder zusammen, löscht die Kerzen aus und steigt leise die Treppen zum Turmzimmer hinauf. Sie hält den Brief immer noch in der Hand als sie sich auf ihrer Seite des Bettes niederlässt und plötzlich Ierás Finger an den ihren spürt.
>Geht es dir gut?< So vorsichtig wie seine Finger nach ihrer Hand, tastet sein Geist nach ihrem und sie spürt seine Erleichterung als er nichts von der Panik spürt, die sie in den letzten Tagen oft so plötzlich befallen hat.
>Ja, ich habe den Brief meiner Mutter gelesen…Möchtest du wissen was drin steht?<
>Ja< Seine Stimme ist rau und leise, aber deutlich zu verstehen in der Stille, die gerade im Westflügel herrscht.
Während Ierás im Schein eines Talglichtes die Augen auf den Brief gerichtet hält, beobachtet Kea das Gesicht ihres Mannes beim Lesen. >Und was denkst du darüber? Bist du traurig jetzt wo du ihn gelesen hast?<
"Nein", die Halbelbin schüttelt den Kopf und lächelt dann etwas schief. "Aber es tut mir Leid für sie, denn auch wenn ich nicht immer die allerbeste Kindheit gehabt habe, hatte ich doch Eltern, die mich geliebt haben und die ich geliebt habe, aber sie… Ich weiß wie sie sich gefühlt haben muss, wenn ich nur daran denke, dass unser Kind… dass ich… du weißt schon… " Noch einmal nimmt Kea den Brief in die Hand und liest die ersten Zeilen. "Wenn ich daran denke, bin ich noch traurig, dass meine Mutter tot ist, aber das ist nicht diese Frau. Es ist schade, ich hätte sie gerne kennen gelernt, aber ich fühle keinen Verlust. Vielleicht ist das gemein und ungerecht… bestimmt sogar, aber ich kann das nicht ändern. Ich hoffe trotzdem sie wäre zufrieden mit mir, aber ich würde mich auch nicht für sie ändern wenn ich wüsste, dass dem nicht so wäre." Mühselig erhebt sie sich wieder aus dem Bett und legt den Brief zurück in die Truhe aus der sie ihn genommen hat. "Gehen wir wieder schlafen, du hast noch eine ganze Menge Arbeit vor dir!"

Die Tage am Waldhof bringen Kea viel Freude und vor allem Ablenkung, aber obwohl sie nicht gedacht hätte, dass das noch möglich ist, ist jede Nacht noch schlimmer als die vorhergegangene. Besonders als sie spürt, wie sich ihr Bauch immer weiter absenkt und obwohl sie nun endlich wieder besser atmen können sollte, schnürt ihr der Gedanke daran, dass die Geburt unaufhaltsam näher rückt die Kehle zu. So lang dieses Kind in ihrem Bauch ist und nicht gerade irgendwelchen armen Schiffsköchen den Bart verbrennt, ist das der sicherste Ort Rohas. Hier kann dich keiner finden, aber ich kann nun mal auch nicht schwanger sein bis du erwachsen bist, alt genug um die Welt, dein Erbe und die Magie zu verstehen. Kea weiß nicht, ob das Kind ihr Senden überhaupt empfangen kann und sie geht nicht davon aus, dass es versteht was sie ihm sagt, aber es ist nun einmal die einzige Person die momentan wirklich immer bei ihr ist.

In der Nacht vom 15. auf den 16. Sonnenthron wandert Kea wieder einmal rastlos durch den Westflügel. Sie hat nur eine einzelne Kerze entzündet, die am Tisch der großen Halle steht und nur wenig Licht in den großen Raum bringt. Sie hört Njáll schon bevor Diantha überhaupt das Zimmer betritt, leise beruhigend auf das schreiende Kind einmurmelnd. Schnell wischt sich Kea über die verheulten Augen und hofft, dass das Kerzenlicht nicht ausreicht, um Diantha die verräterischen Spuren auf ihren Wangen zu zeigen. Es ist ihr unangenehm die Freundin mit ihren Sorgen zu belasten, schließlich ist ja nicht Dia ungewollt schwanger geworden und bringt jetzt ihre Familie und eigentlich ganz Roha in Gefahr. Kea ahnt gar nicht, dass Diantha sich die gleichen Sorgen darüber macht, dass dieses Kind vielleicht einmal ganz unbewusst die Zwillinge oder Njáll verletzen könnte, denn die Immerfrosterin weiß ja nicht, was auf der "Roter Bulle" geschehen ist.
Keas leises Schniefen geht zwar in Njálls anhaltendem Gebrüll unter, aber sie kann ihre Stimmung trotzdem nicht vor Diantha verbergen. Eine Weile gehen sie nur gemeinsam in der Halle auf und ab, während Kea zuhört wie Diantha weiter versucht Njáll zu beruhigen. Erst als der Säugling endlich leiser wird und schließlich die Augen schließt und einschläft, setzen sie sich zusammen an den Tisch. Betreten schaut Kea auf ihre Hände die sich um den weichen Stoff ihres Nachtgewandes krallen.
"Das ist so lieb von dir, aber du musst nicht hier bei mir sitzen, du brauchst deinen Schlaf, vielleicht wundert sich auch Olyvar schon wo du bleibst!" Kea will Diantha wirklich nicht auch noch mit ihrem Geheule um den nötigen Schlaf bringen, immerhin kommt Njáll dieser Aufgabe schon ganz gut nach. Doch die Freundin erklärt bestimmt, dass das schon in Ordnung wäre und sie Kea jetzt bestimmt nicht alleine hier sitzen lassen würde. Lächelnd dankt Kea Diantha für ihren Beistand und lässt ihren Blick von ihren Händen auf Njáll schweifen. "Er ist so niedlich wenn er schläft!" stellt die Schmiedin schmunzelnd fest und Diantha drückt ihr das Kind kurzerhand einfach in den Arm. Tief atmet Kea den Geruch Njálls nach Baby, Milch und Salbe gegen den Ausschlag ein. Das friedliche Bild des schlafenden Kindes lässt sie lächeln, auch wenn es ihre Sorgen nicht vertreiben kann. Als sie aufblickt, sieht sie zum ersten Mal auch Dianthas Sorgen in den blauen Augen und sofort tut es Kea wieder Leid diese Schwierigkeiten über ihre Familie zu bringen.
"Es tut mir leid!" flüstert sie und schon wieder steigen ihr diese elenden, nicht enden wollenden Tränen in die Augen. Sie schluckt sie hinunter und gibt Diantha ihren Sohn wieder. "Ich sollte vielleicht wieder ins Bett gehen, entschuldige…"
>Warte! Hast du,… habt ihr darüber nach gedacht, ob euch vielleicht Niniane helfen könnte?<
"Du meinst mit Magie?" Diantha nickt bloß und sieht Kea abwartend an. "Nein, daran hab ich noch nie gedacht,… ich weiß so wenig über Magie, denkst du denn sie könnte irgendetwas tun?"
Auch Diantha hat darauf keine sichere Antwort, doch die beiden jungen Frauen sind sich einig, dass es zumindest ein Versuch wert wäre.

Kea lässt sich wenigstens noch Zeit bis zum nächsten Morgen um Ierás davon zu erzählen und auch gleich einen kurzen Brief an Niniane zu verfassen. Der Inhalt fällt ihr einigermaßen schwer, denn es fällt ihr bei allem Überlegen keine Formulierung ein, die ein neues Dracayrenbaby zu einer frohen Botschaft macht. Sie entscheidet sich schließlich dafür gleich zur Sache zu kommen und von ihrem und Ierás "Glück" zu erzählen und die Waldläuferin um Rat und Beistand zu bitten. Das Wort Dracayren oder Erklärungen irgendwelcher Art muss sie nicht mit in die Botschaft nehmen, Kea ist sich sicher, dass Niniane auch so sofort den Ernst der Lage erkennt, vermutlich sogar wesentlich besser als Kea und Ierás selbst. Während dem Schreiben spürt Kea ein ungewohntes Ziehen in Bauch und Rücken. Kurz erstarrt sie und horcht in sich hinein, unsicher ob das normal ist, unbedeutend oder tatsächlich eine erste Wehe. Wartend bleibt sie am Schreibtisch sitzen, doch das Ziehen klingt ab und kehrt auch so schnell nicht wieder. Sie erwähnt davon auch noch nichts in der Gegenwart von Ierás, sondern schickt ihren Ehemann nur mit dem Brief los, damit er die unzähligen Treppen des hohen Branturms zum Rabenschlag erklimmt.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 11. Aug. 2008, 08:21 Uhr
Von Goldschein bis Mitte Sonnenthron, auf dem Waldhof und im Westflügel...


Die nächsten fünf Siebentage verbringen Ierás und gut zwei Dutzend Handwerker damit, das Wohnhaus, dort ganz besonders das Obergeschoss sowie die Ställe, Scheunen und Zäune wieder in Schuss zu bringen. Während die Arbeiten an den Ställen und Weiden von den Gehilfen Guthrics rasch erledigt werden, beansprucht das Instandsetzen des Hauses einiges an Zeit und durchaus auch an Können. Das Geländer der Treppe wird erneuert und auch der Erker in ihrem Schlafzimmer benötigt einiges an Zimmermannsarbeit.
Doch auch wenn er selbst es nie über einen halbwegs stabilen Holzzaun hinaus bringen würde, lernt er in diesen Wochen eine Menge über das Zimmermannshandwerk und er ahnt, dass er es trotz der vielen, schweren Arbeit, leichter hat als seine Frau, denn er hat keinerlei Zeit und Muße, sich über irgendetwas weiter in der Zukunft liegendes Gedanken zu machen. Guthric zeigt und erklärt Ierás mit einer unglaublichen Geduld, worauf es bei den verschiedenen Arbeiten ankommt und schon nach wenigen Stunden gemeinsamer Arbeit bittet Ierás den Zimmermann ihn zu duzen und mit seinem Namen anzusprechen. Aber auch wenn Guthric ein geduldiger und guter Lehrmeister ist, Ierás ist, zumindest was das Zimmermannshandwerk angeht, kein guter Lehrling. Schon am zweiten Tag kehrt er mit zwei blauen Daumen in den Westflügel zurück, wo ihn allgemeine Erheiterung über sein Missgeschick erwartet und auch danach ist es meist Ierás, dem auf der Baustelle Erste Hilfe geleistet werden muss; beide Daumen bekommen einen Siebentag später noch einen Nachschlag (im wahrsten Sinne des Wortes), Splitter, die zusammen sicherlich ein kleines Brett ergeben würden, müssen ihm aus den Händen gezogen werden und seinen Schädel zieren ungezählte Beulen, während Arme und Beine voller Kratzer oder verheilenden Schnittwunden sind.
Er hatte mit Seharimszungen auf seine Frau einreden müssen, um sie davon zu überzeugen, dass es angesichts ihres langsam wirklich hinderlich werdenden Bauches und eines freilaufenden Irren in der Stadt besser ist, bei Diantha und den Zwillingen im Westflügel zu bleiben. Es fällt ihm nicht immer leicht, sie in den frühen Morgenstunden zu verlassen, schließlich waren sie in den letzten zwei Jahresläufen lediglich an ihrem Hochzeitstag länger als drei Stunden voneinander getrennt gewesen. Doch so sehr er sich auch bemüht, wenigstens die Abende mit ihr zu verbringen um sie von ihren Sorgen abzulenken, oft gelingt ihm dies nicht. Müde von der vielen, ungewohnten Arbeit, mit Knochen und Muskeln die schon gegen einen Gedanken an Bewegung lautstark protestieren, schafft er es gerade lange genug wach zu bleiben, um noch ein wenig zu essen, ihr kurz von den Fortschritten auf dem Hof zu erzählen und ihren Berichten über ihren Tagesablauf zuzuhören, ehe er schließlich in die Trance hinübergleitet, kaum dass sein Kopf die Kissen berührt hat.

Zu ihrem Glück hat Guthric so viele Zimmerleute und Gesellen angeheuert, so das sich Eamon und der junge Iliam, den sie auf Eamons Empfehlung gemeinsam mit seiner jungen Frau Merryn übernommen haben, ganz auf die Auswahl einer Gruppe Hilfsarbeiter und Tagelöhner für die Heumahd und die Haferernte konzentrieren können. Da sie mit Eamons bisherigen Entscheidungen, was das Personal auf dem Hof angeht, zufrieden sind, lassen sie dem Mann bei der Auswahl seiner Helfer weitgehend freie Hand.
Während Eamon sich um das Einbringen von Heu und Hafer kümmert und Merryn ihrer besten Freundin Ceri eine Stelle als Magd auf dem Hof verschafft, legen sich die Zimmerleute in der hochsommerlichen Hitze noch einmal richtig ins Zeug. Unterbrochen wird dieser Arbeitseifer jedoch von einem Tag, an dem ihnen das Holz ausgeht, weil das Sägewerk es nicht schafft, die benötigte Menge rechtzeitig zu liefern. Die Zimmerleute nutzen den Tag, um an den vorhandenen Möbeln die machbaren Reparaturen vorzunehmen und Ierás gesellt sich am Vormittag noch zu den Männern auf den Feldern, um sich dann am Nachmittag (es ist der letzte der Heumahd) für ein paar Stunden in die Steinfaust zu seiner Frau zu stehlen.
Auch wenn Ierás die freie Zeit eher für ein paar geruhsame Stunden im Burggarten, den Badehäusern oder in ihrem Bett genutzt hätte, gibt er ihrem Wunsch auf den Marktplatz zu gehen nach. Noch immer haben sie keinen vollständigen Hausrat zusammen und so erstehen sie an diesem Tag einiges an Geschirr, Decken, Tuch und all dem Kleinkram den es braucht, um ein Haus in ein Zuhause zu verwandeln. Kea, die einem spontanen Anfall von Nestbautrieb erliegt, ignoriert die immer lauter werdenden Klagen ihres Mannes und schleppt ihn einmal um den ganzen Platz der Händler herum, während sich immer mehr in weiches Leder oder grobes Tuch eingeschlagene Haushaltsgegenstände in seinen Armen türmen. Als er es schließlich schafft, sie davon zu überzeugen, dass sie nun ganz sicher genug Blumenvasen, Kerzenhalter und Krüge für die nächsten einhundert Jahre haben, ist es bereits später Nachmittag.
An dem Tag, an dem Njáll das Licht Rohas erblickt, schlägt ein völlig erschöpfter, aber sehr mit sich selbst zufriedener Ierás den letzten Nagel in das Geländer auf der Galerie. Er wechselt einen kurzen Blick mit Guthric, den er in den letzten Wochen immer mehr zu schätzen gelernt hat, ehe er den versammelten Zimmerleuten das Ende ihrer Arbeit auf dem Hof verkündet. Merryn hat sich zur Feier des Tages nicht lumpen lassen und so kommen die Männer noch zu einem reichhaltigen Mittagessen, ehe sie mit ihren Werkzeugen gen Talyra aufbrechen und Ierás mit den Mägden und Knechten auf dem Waldhof alleine lassen.
Da der Viehbestand sich momentan noch auf die Rinder, Schweine, Schafe, Hühner und zwei alte Wallache beschränkt und diese bereits versorgt sind, gibt Ierás den vier Menschen den Nachmittag frei. Iliam und Merryn nutzen die Zeit für einen schon länger ausstehenden Besuch bei seiner Mutter und den kleinen Schwestern und Ceri wird von Eamon bis zur Haustür ihres Elternhauses nach Talyra begleitet, wo sie versprechen muss, das Haus auf keinen Fall allein und unter keinen Umständen nach Einbruch der Dämmerung zu verlassen.
Zuerst hatte er es für eine gute Idee gehalten, das Gesinde fortzuschicken um einmal allein im Haus zu sein, jedoch stellt er schon nach kurzer Zeit fest, dass er plötzlich nichts mehr hat, was ihn von seinen Gedanken ablenken könnte. Und Kea geht es die ganze Zeit so... Kea... Bei dem Gedanken an seine Frau schleicht sich ein warmes, unkompliziertes Lächeln auf sein Gesicht, das jedoch gleich wieder von einem Stirnrunzeln vertrieben wird. Er steht im oberen Erker, die Arme vor der Brust verschränkt und den Kopf gegen das kühle Glas gelehnt. Den Göttern sei Dank können wir in drei Tagen mit dem einräumen beginnen. Es wird ihr gut tun, für ein paar Stunden aus der Steinfaust herauszukommen und etwas zu tun. Auch wenn es unsere Probleme nicht aus dem Weg räumen wird. Auch wenn er meist schon kurz nach dem Abendessen wie ein Stein ins Bett fällt, waren ihm ihre nächtliche Unruhe und die ständige Angst in ihren Augen nicht entgangen. Und alles was ich ihr bieten kann, ist das armselige Versprechen, dass ihr nichts passiert. Seine Hände ballen sich zu Fäusten, als er feststellt, wie angekratzt sein Optimismus mittlerweile ist.
Kea hatte ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt, als sie gerade erst durch einen unglaublichen Zufall den Sturmschwertern entkommen waren und der Gedanke, Vater zu werden hatte ihn einfach mit Freude und Stolz erfüllt. Und auch die kleineren Brände auf dem Schiff hatten seine Freude kaum dämpfen können. Das einzige Kind, das wir je haben werden... Wie kann jemand verlangen, dass ich mich nicht darüber freue? Und vielleicht sind all die Sorgen, dass das Kind nach einem seiner unrühmlicheren Vorfahren schlägt, ja völlig umsonst. Ganz sicher sogar... Ierás holt mit einem leisen Seufzen Luft, ehe er sich vom Anblick des friedlich daliegenden Hofes abwendet. Noch etwas, dass mir Angst machen sollte... Mit dem Kauf des Waldhofes hatten Kea und er eine große Verantwortung übernommen, gerade jetzt, wo sie sich erstmal in die Rolle der Eltern einfinden müssen, doch auch wenn Ierás weiß, wieviel Arbeit noch auf sie und das Gesinde wartet, freut er sich auf die nächsten Monde. In der Hufschmiede war es immer Kea gewesen, die mit ihrer Hände Arbeit das Geld verdient hatte, auch wenn das Verhandeln der Preise irgendwann ganz zu Ierás Aufgabe geworden war. Und hier kann ich mehr tun, als nur mit Kunden um den Preis zu feilschen...
Seine Hand streicht über das glatte Holz des neuen Geländers und sein Blick fällt auf die mittlerweile tiefschwarzen Nägel seiner Daumen. Naja, zum Glück habe ich mehr Ahnung von Pferden als vom Zimmermannshandwerk...

Nachdem sie drei anstrengende Tage lang Spinnweben entfernt, Wände verputzt und Böden gebohnert hatten, kann Kea endlich damit beginnen, das Haus nach ihren Vorstellungen einzurichten. Und das tut sie hingebungsvoll, wobei sie Eamon, Iliam und Ierás beinahe zur Verzweiflung treibt. >Nein, die Kommode muss noch ein Stück dort hinüber. Ja, genau, dorthin. Oder? Könnt ihr sie noch einmal dorthin stellen? Oder dort, vor das Fenster?< Eine besondere Herausforderung stellt die Einrichtung ihres Schlafzimmers dar, denn das Bett hat mittlerweile wohl auf jedem Sekhel Boden gestanden, ohne die Zustimmung Keas zu finden. "Warum stellen wir es nicht einfach wieder in den Erker, Neyá? Dort stand es doch gut." >Ja, aber dann ist es immer hell, direkt unter dem Fenster.< "Dann verschlafen wir wenigstens nicht so leicht, der Regen wird uns ein beruhigendes Schlaflied trommeln und uns ganz sicher nicht Nächtelang wachhalten und gegen die Kälte, na da kennen wir doch ein, zwei Mittel gegen, oder?" Ierás wirft seiner Frau, die in der Mitte des Schlafzimmers auf dem großen Lehnstuhl aus dem Kinderzimmer sitzt, ein breites Grinsen zu, das sie jedoch nur mit einem strengen Blick erwidert. >Wenn wir überhaupt noch zum Schlafen kommen, wenn das Kleine da ist.< Sie legt eine Hand sanft auf ihren Bauch, in dem das Kind sich seit zwei Tagen unglaublich ruhig verhält und Ierás muss hart an dem Kloß schlucken, der ihm plötzlich im Hals sitzt. Nicht mehr lange...
Seine Gedanken wandern zurück zur vorigen Nacht; Kea war wieder einmal mitten in der Nacht aufgestanden und zuerst hatte er dies gar nicht richtig mitbekommen, doch irgendwann war er aus seiner Trance erwacht. Allein. Doch das war er nicht lange geblieben, denn Kea hatte sich, ein zusammengefaltetes Pergament an die Brust drückend wieder ins Turmzimmer geschlichen.
>Geht es dir gut?< Vorsichtig hatte er nach ihrer Hand gegriffen und dann den Brief gelesen. "Und was denkst du darüber? Bist du traurig jetzt wo du ihn gelesen hast?" Ihre Antwort, ein klares Nein. überraschte ihn nicht, auch wenn Kea versucht hatte, sich zu rechtfertigen. > Aber es tut mir Leid für sie, denn auch wenn ich nicht immer die allerbeste Kindheit gehabt habe, hatte ich doch Eltern, die mich geliebt haben und die ich geliebt habe, aber sie... Ich weiß wie sie sich gefühlt haben muss, wenn ich nur daran denke, dass unser Kind... dass ich... du weißt schon... Wenn ich daran denke, bin ich noch traurig, dass meine Mutter tot ist, aber das ist nicht diese Frau. Es ist schade, ich hätte sie gerne kennen gelernt, aber ich fühle keinen Verlust. Vielleicht ist das gemein und ungerecht... bestimmt sogar, aber ich kann das nicht ändern. Ich hoffe trotzdem sie wäre zufrieden mit mir, aber ich würde mich auch nicht für sie ändern wenn ich wüsste, dass dem nicht so wäre.< Er hatte nur genickt und sie sanft in seine Arme gezogen. Ruan hat mir sein Gesicht, seine Fähigkeiten und hoffentlich nicht seinen Charakter vererbt, aber ein Vater war er nie. Konnte er auch nie sein. Und Malakai... Den Immerfroster Magier hatte er das letzte Mal am Abend des Shenrah- Rennens vor fünf Jahren gesehen. Der Tag an dem wir uns kennengelernt haben... Ierás hatte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn gehaucht und den Gedanken an die Männer seiner Mutter beiseite geschoben. Jetzt kennt sie wenigstens den Namen der Frau, die sie geboren hat und wenn für sie Lavinja immer noch ihre Mutter ist, ist das eben so.
Seine Hand ruhte auf ihrem Bauch, doch als sie ihm erklärte, dass das Kind so still sei, weil es sich kurz vor der Geburt ausruhe, hatte er sich halb aufgerichtet. Vorsichtig hatte er sein Ohr auf die zum zerreißen gespannte Haut ihres Bauches gelegt und versucht, sein Kind zu hören. "Schlaf gut," hatte er geflüstert und sie dabei vorsichtig gestreichelt, als könne die kleinste, unvorsichtige Berührung ihre Haut zerreißen oder sonst etwas furchtbares geschehen lassen. "Wir sehen uns bald."

Schließlich ist das Haus instand gesetzt und vollständig eingerichtet, Caristo und die beiden Feuerblutstuten sind bereits in ihrem neuen Zuhause angekommen, während Gærem das Leben auf den Junghengstweiden der Steinfaust genießt. Lediglich Edanwen und Nigrés sind noch im Stall der Festung, der rote Hengst vor allem zu Keas seelischer Erbauung. Den Göttern sei Dank hat sie Vernunft angenommen und versucht nicht, auf ihm zu reiten. Dafür hatte sie gerade eben auch genug Vernunft bewiesen, ihn die vielen Stufen des Branturmes hinauf zu schicken.
Er war kaum aus seiner Trance erwacht, da hatte Kea ihm schon von Dianthas Idee erzählt. Niniane fragen... Warum sind wir da nicht selbst drauf gekommen? Keuchend erreicht er den Rabenschlag der Steinfaust und er braucht eine kurze Verschnaufpause, ehe er dem Gehilfen des alten Maesters seinen Wunsch mitteilen kann. Es dauert nicht lange und er kann einem der gefiederten Boten nachsehen. Dunkle Schwingen, dunkle Worte... Naja, mehr oder weniger dunkel. Aber begeistert wird sie von dieser Nachricht ganz sicher nicht sein. Ierás zieht eine Grimasse, die besser zu einem Lausbuben als zu einem werdenden Vater passt und wünscht Maester Olgiv noch einen schönen Tag.
Keas Bauch hatte sich schon vor drei Tagen gesenkt und sie hatten beide damit begonnen, den sich immer noch unnatürlich still verhaltenden Bauch förmlich zu belauern und als er jetzt in den Westflügel zurückkehrt, spürt er die leichte Anspannung seiner Frau sofort. "Was ist?" Kea winkt beruhigend ab, erklärt ihm, er solle erst einmal frühstücken und danach könne er sie ja noch einmal zum Marktplatz begleiten. Auch wenn er merkt, dass ihre Gelassenheit nur gespielt ist, belässt er es fürs Erste dabei und schluckt seine eigene, aufkeimende Unruhe herunter.
Zumindest versucht er es, bis ihm siedend heiß der einzige, mögliche Grund für Keas Anspannung einfällt. Es ist soweit. Himmel! Er stößt mit den Beinen den Tisch an, jagt Ruaidh und Miya aus ihrem morgendlichen Schlaf und rattert im Geiste schon die Liste der Geburtsvorbereitungen herunter. Sauberes, weiches Wasser... kochende Tücher...Nein... Es ist Keas strenger Blick, der ihn daran hindert, den Branturm ein weiteres Mal hinauf zu rennen um den greisen Maester Ballabar in den Westflügel zu zerren. Bleib ruhig, es geht noch lange nicht los. Ierás lässt sich schwer in den Stuhl zurückfallen, tauscht einen langen Blick mit seiner Frau und atmet dann mehrmals tief ein und aus. "Sicher?" Sie nickt, steht auf und kommt um den Tisch zu ihm herum, wo er sie vorsichtig umarmt. "Oh Neyá." Er lehnt den Kopf an ihren Bauch, lauscht in sie hinein und kann doch nichts weiter hören als ein leises Glucksen. "Willst du wirklich noch auf den Marktplatz? Soll ich dir vielleicht etwas kaufen gehen? Hast du Hunger?" Sie lacht leise, streicht ihm über den Kopf und versichert ihm, dass es wirklich noch gar nicht los gehe, dass das Kind sich wahrscheinlich noch bis in die Abendstunden Zeit lassen würde und dass sie ganz sicher noch einen kurzen Spaziergang zum Marktplatz würden machen können. >Besser jetzt, als wenn es zu heiß dafür wird.<
Da weder Olyvar, noch Diantha und die Zwillinge zu finden sind, hinterlassen sie ihnen nur eine rasche Nachricht, pfeifen die Hunde heran und machen sich dann auf den Weg zum Marktplatz. Es ist zwar noch relativ kühl, aber der Schatten, den die Markisen der Marktstände spenden, ist ihnen beiden hoch willkommen. Sie erstehen einige Honigfinger, die sie im Gehen essen, während sie die Auslagen betrachten. An einigen Ständen verweilen sie, tauschen mit den dazugehörigen Händlern ein wenig Klatsch aus und kehren dann nach anderthalb Stunden, mit zwei neuen Kitteln für das Baby und ohne eine weitere Wehe in die Steinfaust zurück.
Ierás hat kaum die Tür zur großen Halle geöffnet, als ihnen auch schon eine wutschnaubende Niniane entgegen stürmt. Ihre Begrüßung ist ein einfaches >Blödmann!< und dabei bleibt es fürs Erste auch, denn ohne ein weiteres Wort entführt die Waldläuferin seine Frau ins Turmzimmer hinauf. Ierás versucht Einwände gegen dieses Verhalten zu erheben, aber als ihn der Blick aus pupillenlosen, goldenen Augen trifft, klappt er den Mund unverrichteter Dinge wieder zu.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 28. Aug. 2008, 10:48 Uhr
« Immergrün
~ Ende Beerenreif/Anfang Erntemond ~

Riarîls und Ladirs "Ausflug" auf den Marktplatz gestaltet sich abenteuerlich. Der Sohn der Heilerin ist mittlerweile ein kleinwenig mehr als drei Götterläufe alt und ein richtiger Schelm. Das muss an Thans Einfluss liegen, sagt sich die Elbenfrau, während sie Ladir im Auge behält. Von mir hat er das sicher nicht. Ohne es zu wollen, muss sie bei diesem Gedanken doch etwas schmunzeln. Ein paar Einkäufe und zwei Schmoll- und Trotzanfälle später beschließt Riarîl den Weg zur Steinfaust einzuschlagen, was den quängelnden Ladir zu beschwichtigen scheint. Zwar weiß der kleine Junge nicht wirklich, was sich hinter Worten wie Stadtgarde, Kerker und Steinfaust verbirgt, abgesehen davon, das sie etwas mit der gewaltigen Festungsanlage zwischen Verder Tor und Platz der Händler zu tun haben, aber das scheint auszureichen, um Interesse und Neugier zu wecken und die Süßwaren auf dem Markt vergessen zu lassen. Und auch die aussicht auf annähernd gleichaltrige Spielgefährten ist verlockend. Joos und Finnéans Gesellschaft ist eben doch nicht das selbe. Und die meisten Kinder, die für gewöhnlich von ihren Eltern ins Immergrün gebracht werden, sind ebenfalls keine sonderlich unterhaltsamen Kameraden, da sie häufig von irgendwelchen kleineren oder größeren Erkältungen, Ausschlägen und irgendwelchen Brüchen am ausgiebigen spielen gehindert werden.

Als sie schließlich die Steinfaust erreichen, die wachhabenden Männer am Haupttor begrüßen und sich schließlich nach Lord und Lady Tarascon erkundigen, nimmt Ladir alles um sich herum mit großen Augen in sich auf und hält schon begierig nach Gestalten Ausschau, die wie ein Connavar und eine Fianryn aussehen könnten, was auch immer das letztlich heißen mag.
Auf anraten der Wachen schlagen die Heilerin und ihr Sohn schließlich zielstrebig dem Weg zum Westflügel ein, der ja zumindest Riarîl bereits bestens bekannt ist. Es ist noch früh am Nachmittag und in der Steinfaust ist jede Menge los, sodass es für Ladir einiges zu sehen gibt und er alle zwei oder drei Schritte staunend stehen bleibt, um irgendetwas oder -wen begeistert anzustarren. Auf diese Weise kommen sie selbstverständlich nur sehr langsam voran, aber die Heilerin lässt ihren Sohn gewähren. Der Anblick der vielen Blaumäntel lässt sie selber über so einiges nachdenken, was sie in den vergangenen Siebentagen lieber verdrängt hat: Die unheimlichen Mordfälle, die Talyra seit Monden heimsuchen und offenbar kein Ende nehmen, weil man dem Mörder scheinbar einfach nicht auf die Schlichte kommt. Beunruhigende Gedanken.
Außerdem fällt der Heilerin der neuste Klatsch und Tratsch wieder ein, den Mette ihr regelmäßig zuträgt. "Ist es nicht unglaublich? Der älteste Sohn der ehemaligen Lady Tarascon, ihr wisst schon, die die ... naja, wie auch immer. Der Bursche ist wieder in der Stadt - verheiratet. Und angeblich wohnen sie zur Zeit in der Steinfaust, ist das zu fassen? Mette hatte wirklich empört geklungen, aber Riarîl hatte angesichts dieser Neuigkeiten etwas ganz anderes beschäftigt.
Die Gerüchte über Kizumus Abreise und ihr angebliches Ziel, der Riathar, fallen ihr wieder ein. Und nun ist ihr Sohn wieder zurück ..., stellt sie fest. Zwar hat sie ihn bisher nie persönlich kennengelernt, aber vielleicht würde sich ja dennoch die Gelegenheit zu einem Gespräch ergeben. Wenn er wirklich im Riathar war, bei allen Göttern, was würde ich für seine Neuigkeiten geben ... Sie nimmt Ladir fester auf den Arm und pocht entschlossen an die große Eingangstür zum Westflügel.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Niniane am 29. Aug. 2008, 15:24 Uhr
Am 16. Sonnenthron, irgendwann um die Mittagszeit



Keine zwei Stunden, nachdem Ierás den Westflügel verlassen hatte, um im Rabenschlag den müden Maestergehilfen aus dem Bett zu werfen und einen Botenvogel mit dem Brief seiner Frau an Niniane zum Baum am Smaragdstrand zu schicken, kommt eine reichlich atemlose und furchtbar zornige Protektorin des Larisgrüns eben dort an. Im Gang an Olyvars Solar vorbei begegnet Niniane dem Lord Commander samt einem hübschen, braunen halbwüchsigen Hund, den Zwillingen und einem quäkenden Bündel mit kleinen, fuchtelnden Ärmchen, doch sie ist so wütend, dass sie sich nicht einmal Zeit nimmt, die Kinder zu begrüßen oder das Baby zu bewundern, sondern stürmt einfach mit einem gezischten: "Lebt er noch? Gut, weil ich ihn nämlich umbringen werde!" weiter in Richtung Westflügel und hört gerade noch Olyvars Stimme, die resigniert murmelt: "Das war Tante Nan, aber wenn sie wütend ist, spricht man sie besser nicht an, Kinder..."
Wütend? Wütend?! Ha! Wütend ist überhaupt kein Ausdruck! Dieser dämliche, arrogante, hirnlose kleine... argh!  
Als ihr der Rabe im dunstigen Morgenlicht des beginnenden Tages die Botschaft aus der Steinfaust überbracht hatte, hatte Niniane geglaubt ihren Augen nicht zu trauen. Einen Herzschlag lang hatte sie sich so gefreut, dass Kizumus Sohn und seine Gefährtin heil und wohlbehalten in Talyra zurück sind, doch dann hatte sie weiter gelesen und ihre Kinnlade war ihr sonst wo hingeklappt. Rat und Beistand hatten die zwei erbeten - weil sie nichts besseres zu tun gehabt hatten, als ein Kind zu zeugen, dass die Welt in eine zweite Zeit des Blutes stürzen und ihrer aller Untergang bedeuten könnte. Sie war hergekommen, so schnell es machbar gewesen war, hatte einen verwirrten Cron und zwei nicht minder verwunderte Kinder in ihrem Baum zurückgelassen, sich ihre Stute geschnappt und war hergerast als seien die Dämonen aller Neun Höllen hinter ihr her - das magische Gewirr zu benutzen wäre das einfachste gewesen, doch sie selbst hatte unlängst erst mit den anderen Priestern einen mächtigen Schutzzauber über Talyra und das nähere Umland verhängt, so dass niemand den verschlungenen Pfaden des Netzes mittels eines Teleportationszaubers folgen kann, also hatte sie reiten müssen.

Sie hatte ihr schweißnasses Pferd einem erstaunten Stallburschen überlassen, war über den äußeren und den inneren Zwinger gefegt, hatte den Bergfried betreten, ein paar Blaumäntel zur Seite gescheucht und eine kleine Gruppe Kämmerer fast über den Haufen gerannt, war Olyvar begegnet und stürmt nun in den Westflügel, ohne anzuklopfen oder auch nur einmal inne zu halten und die Wellen ihres Zorns wallen wie funkensprühende Brandung vor ihr her. Sie findet allerdings nur Olyvars Frau in der Halle vor, die hastig aufsteht, als sie hereinrauscht und sich mit goldblitzenden Augen umsieht. "Wo... oh, guten Morgen Diantha. Lass dich nicht von mir stören, ich will nur Ierás Kopf, am besten auf einem Silbertablett. Wo steckt der verflixte Bengel?"
"Ahm... Marktplatz," kommt es von der Immerfrosterin und Niniane wirft in einer hilflosen und zugleich aufgebrachten Geste über Kizumus anscheinend vollkommen wahnsinnig gewordenen Sohn die Hände in die Luft. "Marktplatz?! Schön, warum schreit er es nicht gleich von den Zinnen des Branturms! Wenn ich..."
In diesem Augenblick öffnet sich hinter ihnen die Tür zur Halle des Westflügels und nacheinander kommen Kea und Ierás herein, bepackt mit kleinen Jutesäckchen und Lederbeuteln - eine nette kleine Familie, die einen netten kleinen Familienausflug hinter sich gebracht hat, um für ihr nettes kleines Baby ein paar nette kleine Kleinigkeiten zu erstehen. Niniane klappt die Kinnlade buchstäblich bis auf die Zehenspitzen bei diesem Anblick, aber ihr völlig sprachloses Entsetzen über soviel Unverfrorenheit - immerhin hatte sie gerade eben erst einen Brief der beiden erhalten, der verdächtig nach einem doch irgendwie dringenden Hilferuf klang - wärt nicht lang. "Blödmann!" Zischt sie aufgebracht, spart sich jedoch alle weiteren Worte an Ierás, die wer weiß wie ausgefallen wären, nimmt Kea um die Schultern und bugsiert die Halbelbin stehenden Fußes aus der Halle hinauf ins Turmzimmer - das einzige, was sie Kizumus Sohn noch gönnt ist ein Blick von der Sorte, der auch eine angreifende Horde Sandnarge auf der Stelle in die Flucht geschlagen hätte.

Kea lässt sich widerstandslos abführen und scheint fast erleichtert zu sein, Niniane zu sehen, obwohl sie bei deren Anblick erst in sich zusammengesunken war und nun dreinblickt wie das personifizierte schlechte Gewissen. Während sie die junge Frau ins Turmzimmer hinaufführt, herrscht Schweigen - doch nach einem langen, langen enervierenden Blick aus goldenen Augen sprudelt schließlich ein wirrer Wortschwall aus Erklärungen, Fragen, Entschuldigungen und Beteuerungen, alles sei ihre und nur ihre Schuld allein, noch mehr Fragen und schließlich ein paar besorgniserregenden Beichten über die brennenden Bärte gewisser Schiffsköche aus Kea heraus. Niniane drückt ihr schließlich einfach nur beruhigend die Hände. "Setz dich erst einmal." Sie kramt nach einem Taschentuch und reicht es der Hufschmiedin - so wütend Niniane auch sein mag, sie hat kein Herz aus Stein, außerdem gilt der Großteil ihres Zornes genau genommen eher Ierás. Zwischen Schnauben, Schniefen und einem sehr niedlichen Schluckauf rückt Kea schließlich in einigermaßen verständlichen Sätzen mit der Sprache heraus, erzählt von ihren Befürchtungen und Sorgen, von der Tatsache, dass ihr ungeborenes Kind schon im Mutterleib mehr Magiebegabung aufweist, als gut für es selbst und seine Umwelt ist, von ihren Ängsten und ihrer Hoffnung, dass sie - also Niniane - vielleicht irgendetwas tun könne. Etwas tun? Niniane hat längst die Arme vor der Brust verschränkt und läuft Rillen in den schönen Holzfußboden des Turmzimmers, während sie nachdenklich im Kreis herumwandert. "Ich weiß nicht," erwidert sie schließlich. "Vielleicht, aber es ist... nicht ganz einfach... oh, es wäre absolut ungefährlich für das Baby, keine Sorge, aber wie gesagt - nicht ganz einfach. Ich könnte versuchen... es kommt sehr selten vor, aber es ist schon getan worden, hin und wieder... also ich könnte versuchen, die Magie in seinem Blut, das Mana, wenn du so willst, mit einem Zauber zu binden. Alles magische Talent eures Kindes würde schlafen - sozusagen - bis es älter und vernünftiger ist, und nicht mehr die Gefahr besteht, dass es sich und andere verletzt, nur weil es mit Kräften herumspielt, die es nicht kontrollieren kann. Ich kann euer Kind nicht ewig vor dem Erbe der Dracayrens bewahren, aber ich kann ihm ein wenig Zeit verschaffen, zumindest einige Jahre."  

Kea hört ihre letzten Worte schon gar nicht mehr, so sehr ist sie dafür, dass Niniane tut, wovon sie gerade gesprochen hat und blickt ihr eifrig nickend entgegen, eine geballte Faust auf ihrem hochgewölbten Leib, doch die Waldläuferin hebt abwehrend die Hände. "Langsam! Ich sage, ich kann es versuchen und habe ich schon erwähnt, dass es nicht einfach ist?" Erwidert sie schärfer als beabsichtigt und Kea zuckt zusammen. "Wir sollten..." Niniane atmet tief durch und ringt sich ein schiefes Lächeln ab, ... zu erst einmal Ierás Bescheid geben... will sie eigentlich fortfahren, verstummt jedoch beim Anblick von Keas mit einem Mal abwechselnd kalkweißen und hektisch rot gefleckten Wangen. "Alles in Ordnung?" Sie nimmt das Gesicht der jungen Frau in beide Hände, um es sanft zum Licht zu drehen und spürt es augenblicklich, als sie Kea berührt. Es geht ihr gut. Es ist das Baby. Niniane lässt ihre Hände auf den kugelrunden Bauch der Halbelbin sinken und ihr wird kalt ums Herz, als sie spürt, wie er augenblicklich hart wie Stein wird. "Wie lange hast du schon Wehen?"
"Seit heute morgen," antwortet Kea nach kurzem Zögern. "Aber es waren nur wenige."
Niniane nickt, tastet den Bauch noch einmal ab und hebt ihn leicht an, wofür sie prompt mit dem Tritt eines kleinen Ellenbogens oder Knies belohnt wird, dann presst sie ihr Ohr auf die runde Wölbung und lauscht eine Weile schweigend. "Die Herztöne sind kräftig und klingen vollkommen gesund. Hast du Rückenschmerzen?"
Kea setzt schon an, den Kopf zu schütteln, nickt dann aber doch leicht und murmelt: "Ein wenig." "Dann beeilen wir uns besser. Leg dich auf den Rücken, bitte, schließ die Augen und atme tief und ruhig. Es wird eine Weile dauern... der Zauber ist langwierig und kompliziert. Es wird weder deinem Kind, noch dir Schmerzen zufügen, das verspreche ich dir, aber... " Mir schon. "Magie zu wirken, ist anstrengend, Kea und ein Zauber wie dieser ist wirkliche Knochenarbeit. Also was immer du siehst, wenn du deine Augen öffnest, bleib ruhig, halte still und mach dir keine Sorgen, in Ordnung?"
Falls ihre Worte die Halbelbin beunruhigt haben, so lässt sie sich davon so gut wie nichts anmerken. Sie nickt nur und Niniane hilft ihr, ihren schwerfälligen Leib aus dem hölzernen Armlehnstuhl hinüber zum Bett zu verfrachten, wo Kea sich mit einem leisen Ächzen und einem erleichterten Seufzen ausstreckt.

Trotz ihres immer noch vorhandenen Zorns, ihrer Sorgen und dem Wissen, was gleich auf sie zukommen würde, muss Niniane bei diesen Geräuschen leise lächeln und erinnert sich an die Zeit unmittelbar vor den Geburten ihrer eigenen Kinder  - wenn man so unförmig, träge, kurzatmig und unbeweglich geworden ist, dass sich jede noch so kleine Bewegung anfühlt, als würde man in heißem Teer feststecken, wenn man irgendwann den Punkt erreicht hat, an dem es ganz gleich ist, wie schwierig, schmerzhaft oder blutrünstig die Geburt werden würde, weil alles, wirklich alles besser ist, als auch nur einen Herzschlag länger schwanger zu sein. Obwohl sie lächelt, beobachtet Niniane Kea auch aus unleugbar besorgten goldenen Augen. Die Schmiedin ist klein und schlank. Sie besitzt erstaunlich viel Kraft für eine Frau von so leichtem Knochenbau, doch Ierás ist ziemlich groß, und ein Dracayren ist nie einfach auf die Welt zu bringen. Nein - vor allem nicht, wenn er eine Wandelgestalt besitzt und man nicht nur mit einem runden Köpfchen, sondern am Ende mit Schuppen und Flügeln rechnen muss... Dieser Gedanke überzieht Ninianes Arme mit einer Gänsehaut, doch dann schiebt sie jeden weiteren an die Dracayrens, ihre Macht, ihr Erbe und ihren Wahnsinn entschlossen von sich und kniet sich neben das Bett. "Pssst... ich beginne jetzt. Sei ganz still und bleib ruhig."
Niniane legt die Hände wieder auf Keas Bauch, schließt die Augen und versinkt beinahe augenblicklich in einer Art entrückten Konzentration. Sie spürt ihr eigenes Herz, nach einer Weile das der Schmiedin und allmählich auch das des Kindes, als schärften sich ihre Sinne, während ihr Geist den Weg hinab ins Unterbewusste sucht und findet - und langsam beginnt die Welt um sie her sich selbst in den Hintergrund zu drehen und hinterlässt nur Stille. Niniane atmet aus und ein, erst lautlos, dann hörbar, bis  aus ihrem Atmen ein Zischen und aus dem Zischen schließlich ein Summen wird, ein tiefer, goldbronzener Ton, als vibriere sanfter Wind beständig im Inneren einer großen Glocke. Wir sollten... So hatte ihr Einwand vorhin begonnen, doch wenn man es genau betrachtet, dann ist das schon eine Antwort, die Formulierung ihrer Worte an Kea, aus denen das schwach Echo des "wir" noch immer in ihren Ohren klingt. Sie würde sie nicht allein lassen. Olyvar und Diantha hatten sie nicht allein gelassen. Soviel steht zumindest fest - und ganz gleich, wie ungeheuer wütend sie auf Ierás sein mag und was auch immer geschehen würde - keiner von ihnen würde den Dingen, die da kommen würden, allein gegenübertreten müssen.

Durch die Schichten von Keas gespannter Haut, durch ihr weiches Fleisch und die eleganten Stränge ihrer Muskeln, durch zarte Aderngeflechte und ein Meer von blutgoldenem Fruchtwasser schickt Niniane ihren Geist auf der Suche nach dem des Kindes und findet ihn schließlich in warmer, dunkler Geborgenheit, ein kleines, helles Licht, kaum mehr als ein glühender Funken, aber ganz und gar lebendig. In Ninianes Mundwinkeln erscheint ein Lächeln und das bronzene Summen wird allmählich zu tiefen Tönen, warm und einlullend, wie die Nachtlieder einer vielgeliebten Großmutter, an die man sich nicht wirklich in Worten erinnern kann, deren Melodien einem jedoch stets im Herzen bleiben. Drei Stunden später erhebt sich Niniane taumelnd vom Rand des Bettes. Blut läuft ihr aus der Nase, ihr Gesicht ist schweißüberströmt, ihr Haar klitschnass und sie atmet, als wäre sie fünfmal hintereinander um die ganze Stadtmauer gerannt. Ihre Brust hebt und senkt sich in hektischen Atemzügen, um so viel wertvollen Sauerstoff wie nur irgend möglich in ihre Lungen zu bekommen und von ihrer Stimme ist im Augenblick gerade nicht viel mehr als ein tonloses Raspeln übrig - aber Kea liegt friedlich träumend auf dem Bett, spürt nicht einmal etwas von den Wehen, die ab und an ihren Bauch zusammenziehen und schläft so hingebungsvoll wie das Kind in ihrem Leib. Niniane dagegen läuft die Blase über, ihre Beine protestieren, steif und gefühllos geworden vom langen Knien auf dem Boden, sie stolpert mehrmals, als sie sich auf die Füße kämpft und ihre Kehle ist vollkommen ausgedörrt. Soviel zur Erhabenheit einer Priesterin, mmpf! Sie vergewissert sich noch einmal, dass mit Kea alles in Ordnung ist und wankt dann zur Tür. Ierás? Komm herauf, wir müssen reden. Und bring ein Taschentuch mit! Sie hat den Gedanken noch nicht einmal vollständig zu ende gebracht, geschweige denn an Kizumus Sohn gesendet, als dieser auch schon im Turmzimmer erscheint und bei Keas Anblick auf dem Bett kurz stockt. Seine verwirrten Augen suchen Ninianes Gesicht und mit einem Mal sieht er sehr jung aus. "Sie schläft nur ein wenig, es geht ihr gut. Ich habe auf ihren Wunsch hin ein Ritual durchgeführt," beginnt sie zu erklären und tupft sich mit einer Ecke der Batistwindel, die ihr Ierás in Ermangelung eines Taschentuches geistesabwesend in die Hände gedrückt hatte, das Blut vom Mund. "Ein Ritual, das die Magie im Blut eures Kindes zum Schlafen gebracht hat... für die nächsten Jahre wird es überhaupt nicht zaubern." Auf ihrer Zunge liegt der Geschmack von Eisen. "Ib buss bir bi Dase putzen... Entschuldige. Eurem Kind geht es gut. Soweit ich das sagen kann, ist mit seinem Verstand alles in Ordnung... abgesehen von der Tatsache, dass es schon jetzt ein gewitztes kleines Ding ist. Willst du wissen, was es wird?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 31. Aug. 2008, 12:40 Uhr
~Ende Beerenreif/Anfang Erntemond~


Riaril hat großes Glück, dass überhaupt jemand ihr Klopfen hört, denn eigentlich ist Diantha nur in der großen Halle, um für Fianryn und Connavar ein paar Tücher zu besorgen. Die beiden haben just an diesem Tag in der hintersten Ecke des Gartens einen Busch mit reifen Brombeeren gefunden und sie möchte gerne verhindern, dass sich der dunkle, süße Saft nicht nur auf den kleinen Händen und runden Wangen, sondern auch auf sämtlichen Kleidern der Kinder verteilt. Währenddessen "beaufsichtigt" Ierás die Kinder im Garten und schlägt sich nebenbei auch noch den Bauch voll. Ursprünglich hatte der junge Mann nur vorbei gesehen, um zu fragen wie es im Westflügel so laufe und Bericht darüber zu erstatten, dass es seiner Frau und dem Baby hervorragend gehe - da hatte er allerdings die Rechnung ohne Diantha gemacht, denn er war prompt zu Cofea und Kuchen verpflichtet worden, sie weiß nämlich ganz genau, dass Ierás ihre Begeisterung für Weonards Apfelsahnekuchen teilt. Dementsprechend kurzen Prozess hatte sie auch mit Ierás Einwänden gemacht, er müsse doch nach Hause um seiner Frau Ballabars Salbe zu bringen, wegen der er sich überhaupt erst auf den Weg zu Steinfaust gemacht habe. Diantha hat ihn, gemein wie sie manchmal sein kann, nur ausgelacht, sie wissen schließlich beide, dass die Salbe nicht für Kea, sondern Ierás eigene rissige und aufgesprungene Hände ist. So hatte Diantha den jungen - aber nicht mehr jüngsten -, Dracayren einfach in die Laube verfrachtet und ihm ein Stück Kuchen unter die Nase gehalten, und schon war die Angelegenheit zu ihren Gunsten erledigt gewesen. Die letzte Mahlzeit mag noch nicht besonders lange her sein, aber das stört keinen der beiden. Ierás verbraucht bei seiner körperlich sehr anstrengenden Arbeit ohnehin Unmengen an Energie und Diantha hat seit sie stillt auch ständig Hunger. Die Immerfrosterin steht also gerade in der Halle und überlegt mit den Lätzchen in der Hand, ob sie noch Nachschub an Kuchen besorgen soll, wenn sie nun ohnehin schon hier ist, oder nicht. Dabei liegt eine Hand sanft auf Njálls Rücken, denn der Säugling ist mit einem Tuch auf ihrer Brust festgebunden, um seiner Mutter so die größtmögliche Armfreiheit zu gewähren, und schläft tief und fest mit einem Ohr auf ihrem klopfenden Herzen. Diese Art getragen zu werden gefällt dem Kleinen ganz hervorragend, nur auf Olyvars Unterarm, mit dem Kopf in seiner Armbeuge, schläft er noch lieber ein. Auch von dem Klopfen an der massiven Tür des Westflügels wird Njáll nicht aus seinen Träumen gerissen, was aber wohl vor allem daran liegt, dass Koira mit Olyvar unterwegs ist und somit die unerwarteten Gäste nicht lautstark meldet. Vielleicht sollten wir die Tür einfach offen lassen, wenn der Kleine schläft, überlegt die Immerfrosterin und öffnet.

Sie ist ziemlich überrascht, als sie dort die Heileren und deren kleinen Sohn stehen sieht. „Oh Riaril, wie schön!“, ruft Diantha aus, bittet die Frau und ihr Kind mit einer weit ausholenden Handbewegung herein und lächelt dann den kleinen Jungen an. Dieser sieht seiner Mutter nicht besonders ähnlich, mit seinen schwarzen Haaren, den blauen Augen und der relativ dunklen Haut. Na, das dürfte mal ein hübscher Kerl werden, wenn er älter wird!  „Du musst Ladir sein. Hallo! Magst du Brombeeren?“ Der Junge wirkt aufgrund dieser Begrüßung zunächst ein wenig verdattert, nickt dann aber. „Na wunderbar, einen Moment…“ Mit diesen Worten dreht sich Diantha um und holt aus einer Kommode ein weiteres Tuch. „Kommt mit, wir sind im Moment alle im Garten, nur Olyvar ist bei der Arbeit“, meint sie an Mutter und Sohn gewandt. Ladir wirkt bei der Aussicht mit zwei beinah Gleichaltrigen unter freien Himmel spielen zu können sehr begeistert und läuft – nachdem Diantha ihm gesagt hat, wo es hin geht – schon ein wenig vor, während sich die beiden Frauen auf dem Weg in Richtung Laube Zeit lassen. „Ich würde dir ja gerne Njáll in einem etwas lebhafteren Zustand vorstellen, aber er ist gerade erst eingeschlafen und wenn man ihn weckt, quakt er nur und ist schrecklich unleidlich“, meint Diantha mit einem Blick zu ihrem Sohn und grinst dann. „Du kennst das ja bestimmt auch: Wenn Babys tagsüber wach sein sollten, schlafen sie und wenn es dann abends ins Bett geht, dann sind sie natürlich quietschfidel! Aber bei Njáll geht es mittlerweile einigermaßen, die letzten drei Nächte hat er sogar fünf bis sechs Stunden am Stück geschlafen. Außerdem kann ein ordentlicher Mittagsschlaf auch eine ganz entspannende Sache sein.“ Man sieht der Immerfrosterin die Erleichterung darüber deutlich an, dass der Jüngste Tarasconspross jetzt schon länger am Stück schläft, und noch immer kann man leichte Schatten unter ihren Augen bemerken, wenn man genau hinsieht. Davon abgesehen sieht Diantha allerdings wie das blühende Leben aus, sie ist schon beinah wieder genauso schlank wie vor der Schwangerschaft und hat natürlich sobald es ansatzweise wieder möglich war, ihre Hosen ausgepackt. Olyvar hatte dagegen zwar - dank der wochenlangen Zwangsenthaltsamkeit, die immer noch nicht ganz zu Ende ist - tausend Einwände gehabt, aber gegen den Starrkopf seiner Frau war er in diesem Punkt nicht angekommen. Die Immerfrosterin würde sich jedoch bald ein paar Neue besorgen müssen, denn merkwürdigerweise hatten in den letzten Wochen einige von ihren alten den Geist aufgegeben - was sie aber nicht davon abhält, weiterhin auf Kleider zu verzichten. Ihrem Ehemann hatte sie zu dem Thema nur eine sehr schlichte Antwort gegeben: „Na, wozu heißt es „mein sei auch dein“, dann kaufe ich mir eben neue und zwar sündhaft teure!“ (Warum Olyvar daraufhin ein fürchterlich sardonisches Grinsen aufgesetzt hatte, ist ihr zwar schleierhaft, aber einerlei...)

Bevor die Unterhaltung der beiden Frauen auf den typischen Austausch zweier Mütter von Erfahrungen über ihre Kinder hinauslaufen kann, fällt Diantha ein, dass sie etwas erwähnen sollte, bevor sie die Laube betreten: „Übrigens, Ierás ist gerade hier, aber lass dich von ihm nicht weiter stören.“ Die Lady von Tarascon wartet keine Reaktion von Riaril ab, sondern betritt vor der Frau die Laube und ruft in den Garten hinunter: „Fia! Conn! Schaut mal, wir haben Besuch!“ Prompt tauchen zwei brombeerverschmierte Gesichter aus einem Busch auf und Ladir wird von den Zwillingen neugierig beäugt, für Riaril hingegen haben die beiden nichts als einen kurzen Blick übrig. Nur wenige Augenblicke später stehen Connavar und Fianryn in der Laube, lassen sich nach einem genuschelten „Hallo“ in Riarils Richtung widerwillig die Tücher umbinden und nehmen das bisher unbekannte Kind dann einfach mit. Diantha lächelt dem Dreiergespann hinterher und wendet sich dann an die beiden Erwachsenen in der Laube. „Ierás, Selket“, sie benutzt vorsichtshalber den in Talyra bekannteren Namen der Heilerin, da sie nicht weiß, unter welchem Kizumus Sohn die Elbin kennt. „So weit ich weiß, seid ihr euch schon begegnet, oder?“ Diantha ahnt nicht, dass Riaril lange im Riathar gelebt hat und sich sehr nach Neuigkeiten ihrer ehemaligen Heimat sehnt. Für sie sind die beiden nur alte Bekannte, die einander seit über zwei Jahren nicht gesehen haben, was allerdings ein Zeitraum ist, der für Elben von keiner großartigen Bedeutung ist. So weit die Immerfrosterin weiß, haben die beiden nie eine tiefere Freundschaft gehegt, daher weiß sie Riarils Blick nicht so recht zu deuten, als die den jungen Mann sieht und versucht abzulenken: „Was haltet ihr davon, wenn ich noch ein wenig Apfelkuchen bringen lasse? Du musst unbedingt Weonards Apfelsahnekuchen probieren, er ist ein Traum, nicht wahr Ierás?“ Diantha wirft Keas Ehemann einen fragenden Blick zu und hofft aus seinen Augen lesen zu können, ob zwischen ihm und der Heilerin alles in Ordnung ist oder nicht. Sie ist zwar nicht empathisch begabt, aber dass hier irgendetwas im Verborgenen liegt, das bemerkt auch die junge Frau.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 31. Aug. 2008, 20:54 Uhr
Ende Beerenreif/ Anfang Erntemond


Eigentlich hatte er nur eine Salbe für den wunden Hintern seines Kindes und seine eigenen, wunden Hände bei Maester Ballabar besorgen wollen, doch da er schon einmal in der Steinfaust war, hatte er gleich im Westflügel vorbei geschaut. Eigentlich hatte er nur kurz Hallo sagen wollen, sich nach dem Wohlergehen der Kinder und Eltern erkundigen wollen, doch Diantha hatte keine Widerrede geduldet und ihn zur Vernichtung eines riesigen Stückes Apfelsahnetorte verpflichtet. Und dazu hatte er dann einfach nicht Nein sagen können; zum einen weil Weonard, der Koch der Steinfaust, den besten Apfelsahnekuchen Rohas backt und zum anderen war er seit sie vor einem Mond endgültig auf den Waldhof umgezogen waren, ständig hungrig. Nicht, dass Merryn eine knausrige oder gar schlechte Köchin wäre, doch die Erntearbeiten auf den Feldern des Hofes dauern noch immer an und fordern eine Menge Kraft und Energie. Und außerdem... Weonards Apfelsahnekuchen.. Grinsend setzt Ierás sich in der Laube an den Tisch, erzählt Conn und Fian von dem Neugeborenen, den Hunden, den Pferden und natürlich von den Kätzchen, die vor zwei Siebentagen noch das Licht Rohas erblickt hatten. "Wenn ihr uns bald besuchen kommt, könnt ihr sie natürlich streicheln, wenn die Mutter es zulässt." Er lächelt Fianryn an und wieder einmal verspürt er einen winzigen Stich bei dem Gedanken daran, was ihre gemeinsame Mutter alles in der Entwicklung der Kleinen verpasst. Als er den Blick hebt, sieht er genau in Dianthas himmelblaue Augen und sein Lächeln wird noch eine Spur breiter. Sie haben es gut mit ihr getroffen. Mutter ist nie so in ihrer Rolle als Mutter aufgegangen wie Dia... oder Kea. Der Gedanke an seine Frau und ihr gemeinsames Kind lässt ihn sich mit einem zufrieden seufzen zurücklehnen, während Fian sich schon wieder von ihrem Bruder von der Katzenfrage ablenken lässt. Ein Busch voller reifer Brombeeren hat ihre Aufmerksamkeit erregt und einen Augenblick sehen sie den Kindern dabei zu, wie sie sich mit entzücktem Quietschen und Lachen über die Früchte hermachen. Kurz darauf geht Diantha in die Halle, um ein paar Tücher zum Reinigen der Kindergesichter zu holen. Ierás versichert ihr, solange gut auf die Zwillinge zu achten. Er hätte sich auch um Njáll gekümmert, doch der begleitet seine Mutter, die ihn in einem Tuch vor der Brust trägt, überall hin.
Während die Kinder den Brombeerbusch plündern, überdenkt Ierás die Pläne für die nächsten Wochen. Merryn und Ceri hatten sich seit einigen Tagen in der Küche verschanzt, wo sie Unmengen Obst in Marmelade und Mus, Dörr- oder Trockenobst und Gelees verwandeln. Und im nächsten Mond stehen die Schlachtungen an.. und ein bisschen auf die Jagd gehen, wie Eamon sagt. Wir sollten jemanden anheuern, der mit Pfeil und Bogen besser umgeht als ich... Die Wildsau, deren Fell jetzt in ihrem kleinen Wohnraum den Boden ziert, war bisher das einzige größere Wild, das Ierás irgendwie erlegt hatte. Und dann muss ich in den nächsten Siebentagen nach Brioca, mich nach einigen Stuten umsehen.. Sie hatten bis auf Nigrés, Savah und Fayza keine Stuten in ihrem Besitz, und während sie Nigrés wenigstens ein Jahr Ruhe gönnen wollten, passen die beiden Feuerblutstuten einfach nicht in ihr Zuchtziel, so dass sie möglichst bald ein paar kräftige Stuten dazu kaufen müssen. Und möglichst noch ein paar von Nigrés Schlag. Eamon hatte ihnen versichert, dass die Moravastuten aus Brioca genau ihren Vorstellungen entsprächen, schließlich sei ihre Rappstute ja ein perfektes Exemplar dieser Rasse. Er fühlt sich zwar überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, seine Frau mit dem Kind und dem Hof für mindestens einen Siebentag allein zu lassen, aber sie brauchen mehr Stuten und somit mehr Fohlen. Und mögen die Götter uns in den ersten Jahren ausreichend Hengste schenken..

>Fia! Conn! Schaut mal, wir haben Besuch!< Dianthas Stimme direkt hinter ihm reißt ihn aus seinen Überlegungen. Als er sich umdreht sieht er eine hochgewachsene Elbin mit rotbraunem Haar und einen etwa dreijährigen Knaben neben der Immerfrosterin stehen. Die Zwillinge trennen sich von ihrem Brombeerstrauch und kommen nach oben in die Laube, um die Neuankömmlinge zu begrüßen, wobei sie dem kleinen Jungen wesentlich mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen als der Elbin. Für Ierás gilt allerdings genau das Gegenteil; das Gesicht der Elbin hatte er vor gut einem und einem halben Jahreslauf am anderen Ende der Welt gesehen. Lorialadir und Lyres'peris.. das muss Riaril sein. Ierás steht auf, um der Elbin nach Art der Menschen die Hand zu reichen, während Diantha die beiden einander vorstellt. >Ierás, Selket.So weit ich weiß, seid ihr euch schon begegnet, oder?< Ierás tauscht einen kleinen Blick mit der einäugigen Elbin, ehe er den Kopf schüttelt. "Nein, persönlich sind wir uns noch nicht begegnet, aber Ihr kanntet meine Mutter, nicht wahr?" Noch ehe Riaril antworten kann, fährt Diantha, die ihm plötzlich irgendwie nervös vorkommt, fort. >Was haltet ihr davon, wenn ich noch ein wenig Apfelkuchen bringen lasse? Du musst unbedingt Weonards Apfelsahnekuchen probieren, er ist ein Traum, nicht wahr Ierás?< "Oh, ja das stimmt. Den muss man probiert haben." Diantha eilt nach einer kurzen Entschuldigung noch einmal kurz ins Innere des Westflügels, um neuen Kuchen bringen zu lassen. Ierás, der nicht weiß dass die Immerfrosterin über den wahren Namen der Elbin Bescheid weiß, nutzt die kurze Abwesenheit Dianthas um der Elbin mit einem kleinen Lächeln seine Grüße auszurichten. "Ich soll Euch von meiner Mutter grüßen. Kizu... Shunjalinn ist wieder im Riathar und.. Riaril, ich habe bei mir zuhause einen Brief Eurer Eltern für Euch zu liegen." Er ahnt, dass es für die in ihrer Heimat als verschollen geltende Elbin ein kleiner Schock sein muss, zu erfahren, dass jemand, den sie nur vom Hören her kennt eine Botschaft ihrer lang entbehrten Eltern besitzt.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 31. Aug. 2008, 21:25 Uhr
Am 16. Sonnenthron, vom frühen Nachmittag bis in die Nacht


Er kann nicht anders; Ninianes Magie ist vor kaum einer Minute erloschen und die Halbelbin hat ihr Senden noch nicht beendet, da betritt er auch schon das Turmzimmer. Die letzten drei Stunden hatte er damit verbracht, der Batistwindel die er vorsorglich für Niniane bei Diantha ausgeborgt hatte, den Flur vor der Tür des Turmzimmers zu zeigen. Und so gilt auch sein erster Blick Kea, die jedoch friedlich, eine Hand auf dem gewölbten Bauch ruhend, in ihrem Bett schläft. Er reicht der Halbelbin die Winden mit der Andeutung eines Grinsens, das jedoch die Sorge nicht aus seinem Blick vertreibt und als er Niniane jetzt richtig ansieht, wird diese Sorge nur noch deutlicher. Der Priesterin rinnt Blut aus der Nase, Schweiß glänzt auf ihrer Haut und in ihren Augen scheint das Gold noch nicht wieder zur Ruhe gekommen zu sein. Selbst sie kostet es so viel.. Er war zuerst in der Halle geblieben, zu verdutzt um irgend einen Einwand gegen die ruppige Entführung seiner Frau zu erheben, doch dann hatte er das Anschwellen der Magie gefühlt und er hatte nicht mehr still sitzen können. "Geht es..?" Ierás beendet die Frage nicht, weil er für einen Moment nicht weiß, wen von den beiden Frauen er meinen soll, doch Niniane antwortet ihm dennoch. >Sie schläft nur ein wenig, es geht ihr gut. Ich habe auf ihren Wunsch hin ein Ritual durchgeführt. Ein Ritual, das die Magie im Blut eures Kindes zum Schlafen gebracht hat... für die nächsten Jahre wird es überhaupt nicht zaubern.< Während sie spricht tupft sie sich zwar das Blut von der Oberlippe, doch der rote Strom, den das Wirken eines starken Zaubers ausgelöst hat, ist noch nicht versiegt und so legt die Halbelbin erst den Kopf in den Nacken, ehe sie die Batistwindel endgültig zweckentfremdet. >Ib buss bir bi Dase putzen... Entschuldige. Eurem Kind geht es gut. Soweit ich das sagen kann, ist mit seinem Verstand alles in Ordnung...<
Während Niniane sich die Nase putzt, tritt Ierás zu Kea und kann nicht anders, als zu lächeln. Besonders als sie die geistige Gesundheit des Kleinen anspricht. >Abgesehen von der Tatsache, dass es schon jetzt ein gewitztes kleines Ding ist. Willst du wissen, was es wird?< "Was es wird? Wie.. oh! Du meinst, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?" Niniane nickt langsam, als würde sie mit jemandem sprechen, der halbtaub, vergesslich und blöde zugleich ist. "Nein.. ich denke, wir werden es wohl bald genug herausfinden, oder?" Er deutet auf Keas Bauch, der sich unter einer neuerlichen Wehe verhärtet und kann das Grinsen nicht aus seinem Gesicht vertreiben, als er zu Niniane hinübersieht. Sie wechseln einen langen, schweigenden Blick, während dessen sich das Grinsen verflüchtigt. Ierás holt tief Luft, ehe er den Blick abwendet und auf Kea richtet. "Danke...ich.." Niniane hebt abwehrend die Hände und diese Bewegung lässt ihn aufsehen. >Nicht. Sag nichts. Sag. Einfach. Nichts... bitte.< Ierás schließt den Mund unverrichteter Dinge wieder, nickt stattdessen nur und richtet den Blick wieder auf seine schlafende Frau. Er spürt Ninianes Blick auf sich ruhen, doch er schluckt die Worte, die er der Halbelbin eben noch sagen wollte, herunter. Nach wenigen Herzschlägen hört er sie tief Luft holen, aber es braucht keine ausgeprägte Empathie um zu spüren, dass ihre Wut noch lange nicht verraucht ist und sich auch von tiefem, langsamen Atmen nicht besänftigen lässt. >Ich bin in der Halle, lass sie ruhen, solange es geht.< Seine Antwort ist wieder nur ein Nicken und als Niniane die Tür leise hinter sich schließt, ist es an ihm, tief durch zu atmen. Er ist Niniane und auch Olyvar und Diantha unglaublich dankbar; obwohl ihr Ungeborenes schon jetzt für jede Menge Wirbel sorgt, hatten Olyvar und Diantha ihnen ohne zu Zögern ein Odach gewährt und sie in ihrer Familie Willkommen geheißen und Niniane hatte ihnen mit diesem Ritual geholfen. Mit einem Seufzen krabbelt er aufs Bett und legt sich neben Kea, schmiegt sich an seine schlafende Frau und legt seine Hand über ihre und das Kind.

Er hatte nicht geschlafen, sondern einfach neben Kea gelegen, ihrem Atem gelauscht und den Bewegungen in ihrem Bauch nachgespürt. Kaum eine Stunde später war Kea mit einem Keuchen erwacht, ihr Bauch steinhart unter ihren Händen. Die Wehe hatte irgendwann nachgelassen und erst nach einer weiteren halben Stunde war die nächste über Kea hinweggerollt. Nach dieser Wehe hatte sie ihn gebeten, ihr vom Bett aufzuhelfen und so hatten sie ihren nun bereits fünf Stunden währenden Spaziergang begonnen. Niniane hatte zwischendurch immer wieder Keas Bauch abgetastet, sie hatten im Gehen etwas Brot und kaltes Huhn gegessen und Kea hatte geduldig jeden Tee getrunken, den ihr Niniane und Diantha gereicht hatten und mittlerweile kennt er wieder jeden Stein und jeden Sekhel des Westflügels und des kleinen, eingemauerten Gartens.
>Ierás?< Ihre Stimme klingt einen Hauch alarmiert und so wendet er sich rasch zu Kea um, die hinter ihm in der Laube auf einem hochlehnigen Stuhl sitzt, den er ihr aus der Halle hierher getragen hatte. Es sind noch gute drei Stunden bis zur Dämmerung und der Abend ist lau, so dass sie sich diesen Ort für eine kleine Pause ausgesucht hatten. Sein Blick hatte auf der den Garten umgebenden Mauer geruht, doch jetzt sucht und findet er rasch Keas und nach einigen Herzschlägen begreift er dankbar, dass ihre Nervosität nichts mit der Geburt zu tun hat. "Was ist, Neyá? Soll ich dir irgendetwas holen?" Kea schüttelt den Kopf, verzieht das Gesicht über die nächste Wehe und schnappt nach Luft, als ihre Muskeln sich wieder entspannen. >Nein, nichts holen. Aber.. wir haben noch gar keinen Namen!< Einen Moment lang kann er ihr nicht ganz folgen, doch schließlich fällt der Groschen und Bestürzung macht sich auf seinem Gesicht breit. "Uh... Also.. Ähm.." Er fährt sich mit einer verzweifelten Geste durchs Haar. "Das kann ja heiter werden, mit uns als Eltern." Sein Grinsen steckt auch Kea an und die nächste halbe Stunde verbringen sie damit, sich gegenseitig die furchtbarsten Namen vorzuschlagen. Schließlich wird Diantha von ihrem Gelächter nach draußen gelockt und die Namen, welche die Immerfrosterin schließlich vorschlägt, sind teilweise noch abwegiger als ihre eigenen Ideen.
"Nein, nein..." Ierás hält sich den mittlerweile schmerzenden Bauch und versucht wieder zu Atem zu kommen. "Kyösti..also wirklich Diantha, das kannst du nicht wirklich Ernst meinen.." Die Immerfrosterin sieht ihn aus großen Augen an und bricht schließlich in ein haltloses Kichern aus. >Immer noch besser als Adelgunde...

Als die Dämmerung sich schließlich über Talyra herabsenkt haben sie zwar noch immer keinen Namen, dafür aber sicher mehrere Meilen im Burggarten zurückgelegt. Die Wehen kommen jetzt regelmäßiger, aber nach einer erneuten Untersuchung durch Niniane steht fest, dass sie noch eine ganze Weile würden umherlaufen müssen, ehe die Geburt wirklich losgehen würde.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 01. Sept. 2008, 11:40 Uhr
~ Ende Beerenreif/Anfang Erntemond ~

Die Heilerin und ihr Sohn haben unverschämtes Glück, den ihr Klopfen wird sogleich gehört und nur wenige Augenblicke später öffnet ihnen Lady Tarascon persönlich die Eingangstür der Großen Halle, um sie freudig in Empfang zu nehmen. »Oh Riaril, wie schön!« Und setzt an Ladir gewandt hinzu: »Du musst Ladir sein. Hallo! Magst du Brombeeren?« Die Verwirrung des kleinen Halbelbenjungen währt nicht lange und so beantwortet er die Frage rasch mit einem heftigen Kopfnicken, woraufhin Diantha ihre Gäste sogleich in den Burggarten führt. »Na wunderbar, einen Moment… Kommt mit, wir sind im Moment alle im Garten, nur Olyvar ist bei der Arbeit.« Ladir, seinem Naturell entsprechend weder ängstlich oder scheu in der unbekannten Umgebung, läuft auch prompt begeistert voraus, den potentiellen neuen Spielgefährten, die hoffentlich im Burggarten auf ihn warten, geradewegs entgegen. Und Diantha nutzt die Gelegenheit, um Riarîl stolz den jüngsten Tarascon zu präsentieren. »Ich würde dir ja gerne Njáll in einem etwas lebhafteren Zustand vorstellen, aber er ist gerade erst eingeschlafen und wenn man ihn weckt, quakt er nur und ist schrecklich unleidlich«, erklärt sie, wirft dem Baby einen liebevollen Blick zu und grinst dann. »Du kennst das ja bestimmt auch: Wenn Babys tagsüber wach sein sollten, schlafen sie und wenn es dann abends ins Bett geht, dann sind sie natürlich quietschfidel! Aber bei Njáll geht es mittlerweile einigermaßen, die letzten drei Nächte hat er sogar fünf bis sechs Stunden am Stück geschlafen. Außerdem kann ein ordentlicher Mittagsschlaf auch eine ganz entspannende Sache sein.« Die Heilerin lacht. "Oh ja, dass können die lieben Kleinen in der Tat am besten - die Nacht zum Tag machen", entgegnet sie schmunzelnd, während sie einerseits den winzigen neuen Rohabürger angemessen bewundert, und andererseits mit dem geschulten Blick der Heilerin die leichten Schatten unter Dianthas Augen registriert. "Als Tee oder Badezusatz können Melissenblüten kleine Wunder vollbringen - sehr entspannend, ich spreche da aus Erfahrung", meint sie mit einem Augenzinkern.

Bevor sich das Gespräch allerdings weiter in klassische Themen von Mutter-zu-Mutter-Gesprächen verstricken kann, fällt der jungen Lady Tarascon ein, dass Riarîl und ihr Sohn ja nicht ihre einzigen Gäste sind. »Übrigens, Ierás ist gerade hier, aber lass dich von ihm nicht weiter stören«, merkt sie beinahe nebenher an, während sie die beiden Zwillinge herbeiruft, woraufhin zwei brombeerverschmierte Gesichtchen aus dem nächstbesten Busch auftauchen und Ladir, der nun doch etwas zögernd an der Seite seiner Mutter steht, neugierig in Augenschein nehmen. Kurz darauf stehen sie in der Laube, um die neuen Gäste zu begrüßen - verschwinden aber so schnell wie möglich wieder in ihrem Brombeergebüsch, Ladir im Schlepptau. "Nun, die sehen wir wohl so schnell nicht wieder", meint die Heilerin lachend und wendet sich stattdessen dem jungen Mann zu, welchen Diantha ihr als Ireás vorstellt. »So weit ich weiß, seid ihr euch schon begegnet, oder?«, erkundigt sie sich, was Kizumus Sohn nach einem kurzen Blickwechsel mit der heilerin allerdings verneint. »Nein, persönlich sind wir uns noch nicht begegnet, aber Ihr kanntet meine Mutter, nicht wahr?« Diese Frage kann Riarîl jedoch nur mit einem knappen Nicken beantworten, da Diantha, die den kurzen Blickwechsel der beiden offenbar mitbekommen hat, ihn aber nicht richtig zu deuten weiß, rasch einwirft. »Was haltet ihr davon, wenn ich noch ein wenig Apfelkuchen bringen lasse? Du musst unbedingt Weonards Apfelsahnekuchen probieren, er ist ein Traum, nicht wahr Ierás?« Bei diesen Worten wirft sie dem Halbelben einen fragenden Blick zu. »Oh, ja das stimmt. Den muss man probiert habe«, erklärt er auch sogleich und liefert Diantha damit die Gelegenheit, sich zu entschuldigen, um schnell noch einmal im Westflügel zu verschwinden und für frischen Kuchen zu sorgen.
   
Ireás seinerseits nutzt Dianthas Abwesenheit sogleich, um Riarîl Kizumus Grüße zu übermitteln. »Ich soll Euch von meiner Mutter grüßen. Kizu... Shunjalinn ist wieder im Riathar und... Riaril, ich habe bei mir zuhause einen Brief Eurer Eltern für Euch zu liegen.« Völlig überrumpelt sieht ihn die Heilerin an. "Was? Wie...?" Ziemlich aus der Fassung gebracht, sucht sie nach Worten. Sicher, auf dem Weg zur Steinfaust hatte sie sich erhofft von Ireás die eine oder andere Neuigkeit aus dem Riathar zu erfahren, aber ein Brief ihrer Eltern? Bis zu diesem Augenblick war sie sich nie vollkommen sicher gewesen, ob Kizumu - Shunjalinn - ihre Beziehung zum Riathar je richtig erkannt hatte. Immerhin war Riarîl bereits etliche Jahre vor Shunjalinns Geburt aus dem Berg verschwunden.
Die Heilerin starrt Ireás an, den sie bisher nur vom Hörensagen her kannte, und der ihr nun diese vollkommen überraschende Mitteilung macht. "Mina Caris - mein Dank", stammelt sie schließlich, noch immer um Fassung ringend. "Habt Ihr sie kennen gelernt? Geht es Ihnen gut?", erkundigt sie sich hastig. "Oje", sie lacht mit einem Mal befreit auf. Mit Blick auf Diantha, die soeben zurückkehrt, erklärt sie: "Auf diesen _Schreck_ brauche ich jetzt wirklich erst einmal ein Stück von dem Apfelkuchen, den Ihr gerade so angepriesen habt, Ireás. Und dann müsst Ihr mir alles erzählen, ich denke, vor Lady Tarascon brauchen wir keine Geheimnisse zu haben." Sie schmunzelt und nimmt ihrer Gastgeberin den Kuchen ab, um diesen auf den Tisch in der Laube zu stellen. "Hm, der duftet wirklich köstlich." Lächelnd sieht sie sich im Garten um. "Aber ich nehme an, auf unsere Kinder brauchen wir nicht zu warten, mir scheint, die die ziehen derzeit frische Brombeeren vor... Nun ja, Brombeerflecken machen farblich ja auch viel mehr her", stellt sie trocken fest. "Wie steht es mit Euch Ireás, habt Ihr bereits eigene Kinder?" Sie mustert den Halbelben freundlich, er ist ein junger, stattlicher Mann und - soweit man dem neusten Klatsch und Tratsch trauen kann, verheiratet. "Oh, entschuldigt, ich will nicht unhöflich erscheinen", fügt sie rasch hinzu. "Es ist nur so, dass ich in letzter Zeit viel zu selten aus Immergrün herausgekommen bin, sodass ich wohl ein wenig neugierg geworden bin." Sie zwinkert ihm und Diantha fröhlich zu - so gelöst und entspannt wie an diesem Nachmittag erlebt man die Elbenfrau für gewöhnlich eher selten.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 10. Sept. 2008, 23:20 Uhr
~Ende Beerenreif/Anfang Erntemond~



Riarîl gibt Diantha noch einen guten Rat, bevor sie die Laube betreten: >Als Tee oder Badezusatz können Melissenblüten kleine Wunder vollbringen - sehr entspannend, ich spreche da aus Erfahrung< "Das werde ich mir merken", stellt die Immerfrosterin lachend fest, Melisse erkennt auch sie und sie wettet, das Morna so etwas im Garten hat oder es ihr zumindest besorgen kann. Außerdem muss sie insgeheim bei der Feststellung schmunzeln, dass Riarîl nicht nur von Beruf Heilerin ist, sondern es für sie eine Art Berufung zu sein scheint, so selbstverständlich, wie sie es in den Alltag einbringt. Solange geht noch alles wunderbar in Ordnung, die Zwillinge nehmen Ladir gleich mit und die drei scheinen sich wunderbar zu verstehen. Erst bei Riarîls und Ierás' gegenseitiger Vorstellung gelingt es Diantha dann bravourös, ihre mangelnde Übung im Umgang mit und in den gehobenen Kreisen unter Beweis zu stellen - jedenfalls denkt sie das. Denn sie geht ganz selbstverständlich davon aus, dass sich Ierás und Riarîl sicher kennen müssen und stellt sie so nur sehr zwanglos vor. Daher hat die Immerfrosterin auch das spontane Bedürfnis im Boden zu versinken, als Ierás erwidert:>Nein, persönlich sind wir uns noch nicht begegnet, aber Ihr kanntet meine Mutter, nicht wahr?< Für einen kurzen Augenblick hat Diantha das Bedürfnis ein dümmliches: "Aber, aber..." von sich zu geben, was sie dann aber gerade noch verhindern kann. Stattdessen versucht sie mit der Frage, ob sie Kuchen holen soll, von ihrem Fehltritt abzulenken und glücklicherweise hilft ihr Ierás dabei, indem er spontan zustimmt: >Oh, ja das stimmt. Den muss man probiert haben.< Lange war Diantha für so eine nichtige Äußerung  nicht mehr dermaßen dankbar, wie in diesem Moment, denn diese eröffnet ihr zwar nicht das sprichwörtliche Mauseloch, aber die Möglichkeit, zumindest für einen Augenblick von der Bildfläche zu verschwinden. Auf dem Weg in die riesige Küche der Steinfaust zerbricht sie sich demnach natürlich den Kopf darüber, wie sie nur so sicher hatte sein können, dass Ierás und Riarîl einander kennen müssten. Ich hatte verstanden, dass Kizumu und Riarîl Freundinnen waren oder zumindest gut miteinander bekannt! Hat Olyvar nicht mal erwähnt, dass Kizumu sogar bei Ladirs Geburt dabei war? Zu so etwas Vertraulichem lädt man doch nicht irgendeine flüchtige Bekannte ein. Andererseits hätte sie ihrem in derselben Stadt lebenden Sohn die Freundin mit Sicherheit vorgestellt, wenn die ihr etwas bedeutet hätte. Das ergibt doch alles keinen Sinn...

Kopfschüttelnd kehrt sie mit dem gefüllten Teller in der Hand zurück in den Westflügel und kann sich noch immer keinen rechten Reim auf die ganze Angelegenheit machen - und sie hat auch keinen blassen Schimmer, wie sie taktvoll etwas in Erfahrung bringen soll. Nun, so wirklich geht mich das ja eigentlich nichts an und ehe ich in noch so ein Fettnäpfchen trete, frage ich lieber nicht danach. Ein klein wenig verwundert ist Diantha ohnehin, dass die Elbin vorbei gekommen ist, denn ihr fällt nicht so recht ein, was der Grund dafür sein könnte. Natürlich ist die Geburt eines Kindes eine schöne Sache, zu der man gerne gratuliert, besonders wenn man selbst dabei geholfen hat, dass die Mutter es während der Schwangerschaft nicht aufgrund eigener Dummheit verliert. Allerdings kann das bei Riarîl ja eigentlich nichts besonderes sein, denn wer weiß, wie viele Kinder sie im Jahr entbindet und ein kurzer schriftlicher Glückwunsch hätte vollauf genügt. Den Zusammenhang zwischen Riarîl und dem Riathar stellt Diantha natürlich nicht her, wie auch. Dass eine Jahrtausende alte, gebildete Elbin, die in ihrem Leben schon so viel erlebt hat und wer weiß wie viele Menschengenerationen aufwachsen und sterben sah, einfach nur auf einen Plausch mit jemand wie Diantha vorbei kommen könnte, erscheint dieser höchst unwahrscheinlich. Ich weiß ohnehin nicht so wirklich, worüber ich mit ihr reden soll. Was kann jemanden wie sie interessieren? Sie hatte Zeit um jede für sie relevante Fähigkeit bis zur Vollendung zu bringen und Erfahrungen zu sammeln, die uns Menschen verschlossen bleiben. Da kommt man sich vor, als sei man ein kleines, unwissendes Kind und soll versuchen ein Gespräch mit einer Weisen zu führen. Es war schon ein ziemlicher Schock für Diantha gewesen, als Olyvar ihr ein paar Tage nachdem sie vom Pferd gefallen war, erzählt hatte, dass Riarîl sehr wahrscheinlich um einiges älter als Kizumu sein dürfte, die zwar nun ja auch nicht erst seit ein paar Jahrzehnten lebt, die jedoch für eine Elbin sehr jung ist. Es ist einfach etwas anderes, wenn man wie bei Kea und Ierás weiß, dass sie zwar länger als man selbst leben werden, dass sie aber jetzt trotzdem genauso alt sind, wie man selber. Da fühlt man sich doch gleich nicht so... so... nichtig. Mit einem Seufzen schiebt sie diese Gedanken beiseite, hofft in keine weiteren peinlichen Situationen zu geraten - Ich habe Olyvar damals gesagt, ich schaffe es, irgendwann bei einem Bankett den Tisch in Brand zu setzen und dafür zu sorgen, dass eines von Talyras Nachbarländern die Stadt angreift! Ich bin für … wie heißt das noch … Unterredungen auf solchen Ebenen einfach nicht geeignet. - und öffnet die Tür zur Laube.

Dort wird sie mit Worten begrüßt, die sie wirklich nicht erwartet hat: >Auf diesen _Schreck_ brauche ich jetzt wirklich erst einmal ein Stück von dem Apfelkuchen, den Ihr gerade so angepriesen habt, Ireás.< Diantha wirft dem jungen Mann einen fragenden, verwirrten Blick zu, entscheidet dann aber einfach für sich, dass es ja kein böser Schrecken gewesen sein kann, dann würde Riarîl, Elbin hin oder her, sicherlich ein anderes Gesicht machen. In diesem Moment nimmt ihr die Heilerin auch schon den Teller mit Kuchen ab und verkündet höchst vergnügt: >Und dann müsst Ihr mir alles erzählen, ich denke, vor Lady Tarascon brauchen wir keine Geheimnisse zu haben.< Die Immerfrosterin zieht amüsiert eine Augenbraue hoch: „Nun ja, die Lady, die es vorziehen würde, Diantha genannt zu werden, wüsste zunächst einmal gerne was für ein Schreck das war, bevor sie in mysteriöse Geheimnisse eingeweiht wird.“ Die Heilerin schiebt die Erklärung zunächst hinaus, mit Gedanken offensichtlich bei dem Essen und den Kindern, denn sie gibt einen erstaunlich ironischen Kommentar ab: >Nun ja, Brombeerflecken machen farblich ja auch viel mehr her.< Oha. Eine neue Seite von Riarîl, denkt Diantha, sie hat die Heiler bisher nicht als sonderlich humorvolle Person kennen gelernt, daher gefällt ihr das neue Gesicht durchaus. „Na sicherlich, damit gewinnt man jeden Schmutzfinkenwettbewerb mit den anderen Kindern, denn solche Flecken bekommt man nie wieder beim Waschen aus der Kleidung.“ Nicht, dass Diantha besonders gerne oder häufig Wäsche waschen würde, aber sie war schließlich selbst ein Kind gewesen, das viel Zeit in den Beerenbüschen verbracht hatte, und ihre Mutter musste die Kleider all ihrer Kinder mit der Hand waschen. So bekam die Immerfrosterin schon als Kind eingeimpft, womit man keine Schmiererei veranstalten sollte und sie sieht es als Luxus an, dass sie den Zwillingen das zumindest einmal im Jahr durchaus erlauben kann. Da beginnt Riarîl plötzlich Ierás über seine Familie auszufragen, merkt aber scheinbar selbst, dass der Themenwechsel sehr abrupt ist und wirft gleich ein: >Oh, entschuldigt, ich will nicht unhöflich erscheinen.< Einen kurzen Moment lang hält sie inne, dann fügt sie mit einem Zwinkern hinzu: >Es ist nur so, dass ich in letzter Zeit viel zu selten aus Immergrün herausgekommen bin, sodass ich wohl ein wenig neugierig geworden bin.< Dieser Kommentar berührt Diantha. Will sie damit sagen, dass sie einsam ist?

Kurz sucht sie in den Augen ihres Gegenübers nach Zeichen dieses Gefühls, doch in Elbenaugen etwas zu lesen, kann mitunter eine recht schwierige Angelegenheit sein, daher bleibt es bei einer vagen Idee. Umgeben von Leuten und trotzdem einsam – ich kenne dieses Gefühl. Außerdem zeigt dieser Satz eindeutig, dass Riarîl wirklich nur gekommen ist, um Gesellschaft zu haben. Warum sucht sie sich dafür ausgerechnet einen Mensch aus, sie wusste ja schließlich nicht, dass Ierás hier sein würde? Würde man nicht erwarten, dass sie ihre freie Zeit mit anderen Elben verbringen möchte, die ihr das Wasser reichen können? Was kann an uns schon von Interesse sein? Ja wohl kaum unsere Jugend und Ungeduld. Vielleicht findet sie ja die Sterblichkeit faszinierend, sie hat schließlich einen Beruf gewählt, in dem sie jeden Tag damit zu tun hat, obwohl für sie selbst und ihre Familie der Tod eine weniger konkrete Zukunftsaussicht ist, als für einen Menschen... Viele Fragen, die Diantha nicht einfach so stellen kann, doch der praktische Teil ihres Verstandes stellt fest: Na, warum solltest du nicht deine Zeit mit ihr verbringen? Du kannst schließlich weit mehr von ihr lernen, als sie von dir... und überhaupt, Niniane hat schließlich auch gern Zeit mit dir verbracht! Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. „Sag mal Riarîl, bist du eigentlich eine Heilerin oder eine Heilkundige? Soweit ich weiß, heilen die einen doch  mit einer Art... Zauberkraft, nicht wahr? Ich habe gehört, dass Immergrün so schön und sehr groß sein soll, unterhältst du dort ein Lazarett? Seit wann bist du eigentlich schon als Heilerin in Talyra?“ Dianthas Unsicherheit bezüglich eines sinnvollen Themas hat sich in dem Moment verflüchtigt, als sie sich entschieden hat, sich einfach auf die Elbin einzulassen und zu sehen, was dann geschieht - und von der Menge an Fragen, die ihr plötzlich in den Sinn kommen, ist sie selbst ein wenig überrascht.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 12. Sept. 2008, 16:44 Uhr
~ Ende Beerenreif/Anfang Erntemond ~

Ganz mit dem Stolz des frisch gebackenen Vaters beantwortet Ireás Riarîls Frage und berichtet kurz von Frau und Kind. Und nachdem ihn die Heilerin herzlich beglückwünscht hat, wendet sich das Gespräch wieder anderen Dingen zu. Dianthas stille Vermutung, die Elbenfrau habe mit der Bemerkung, dass sie in letzter Zeit nur sehr selten aus Immergrün herausgekommen und deshalb wohl etwas neugierig geworden sei, andeuten wollen, dass sie sich einsame fühle, kommt der Wahrheit recht nahe. Allerdings ist es eher so, dass sich die Heilerin, ständig umgeben von fast immer den selben Gesichtern, immer häufiger langweilt und daher von argem Fernweh geplagt wird. Durch Ladir und ihre Verantwortung im Immergrün relativ stark an Talyra gebunden, kann sie diesem Gefühl jedoch nicht mehr so leicht nachgeben wie dies in der Vergangenheit der Fall war.
Und wüsste sie von den Fragen, die Diantha sich bezüglich der Gründe für ihren Besuch in der Steinfaust, noch dazu bei einem so jungen Menschen, stellt, Riarîl hätte laut und herzlich darüber gelacht. Nur weil sie eine Elbe ist, bedeutet dies schließlich nicht zwangsläufig, dass sie die Gesellschaft ihresgleichen vorzieht und keine Freundschaften mit Angehörigen anderer Völker pflegt. Und der Gedanke, dass Diantha sich möglicherweise über einen Altersunterschied von mehreren hundert Götterläufen sowie einen entsprechend unterschiedlichen Erfahrungsschatz den Kopf zerbrechen könnte, kommt ihr schon gar nicht in den Sinn. Die Heilerin unterhält sich einfach gerne mit den unterschiedlichsten Leuten, etwas das jeden Heiler gerne tut – die einen mehr, die anderen weniger -, den wie soll man einem Patienten helfen, wenn man ihn nicht versteht? Und wie kann man jemandem verstehen, wenn man sich nicht mit ihm beschäftigt, mit ihm redet – und auch von ihm lernt? Denn wenn die Elbenfrau eines in ihrem langen Leben gelernt hat, dann das, dass das Lernen niemals endet.

Sie probiert ein Stück von dem duftenden Apfelkuchen und lächelt. „Hm, Ihr hattet recht, Ireás, der Kuchen ist ganz wirklich ausgezeichnet.“ Vom Thema „Apfelkuchen“ wechselt das Gespräch allerdings recht bald weiter zu anderen Dingen, als Diantha die Unterhaltung entschlossen an sich zieht und Riarîl mit einer Unmenge an Fragen überhäuft. »Sag mal Riarîl, bist du eigentlich eine Heilerin oder eine Heilkundige? Soweit ich weiß, heilen die einen doch mit einer Art... Zauberkraft, nicht wahr?« Die Elbenfrau schmunzelt. „Ja, ich bin eine Heilerin. Also sagen wir, ich kann alles, was eine Heilkundige auch kann ... und noch ein wenig mehr.“ Sie lächelt Diantha augenzwinkernd zu. „Allerdings ziehe ich es vor, das, was du als _Zauberkraft_ bezeichnest, so selten wie möglich anzuwenden.“ Bei diesen Worten wirkt ihr Gesicht schon merklich ernster als noch kurz zuvor. „Wenn du dir beispielsweise beim Kartoffelschälen etwas zu tief in den Finger schneidest, dann könnte ich die Blutung sogleich stoppen und den Schnitt verschließen, aber welchen Sinn würde das machen? Die Blutung würde auch so aufhören zu bluten und die Wunde würde sich von alleine schließen – nur eben langsamer, verstehst du was ich meine? Die Krankheiten der meisten Patienten, die zu mir kommen, lassen sich auch ohne _Zauberkraft_ heilen, man muss nur die richtigen Heilmittel kennen und das kann jede Heilkundige ebenso gut wie eine Heilerin. Bei schlimmeren Verletzungen sieht es schon anders aus, aber Wunder vollbringen kann auch ich nicht ...“ Die Heilerin schweigt, Magie, ob nun die eigene oder die anderer, dass ist nicht wirklich ihre Welt. Sie hat gelernt ihre Fähigkeiten zu akzeptieren, gebraucht sie aber mit äußerster Vorsicht, denn sie weiß, dass der Preis der Magie manchmal höher ist, als man eigentlich zu zahlen bereit ist. Einen Moment lang fühlt sie sich schmerzlich an Lyraris und jenes unglückbringende Bernsteinamulett, welches sich bis heute im Besitz ihres Mannes befindet, erinnert.

Dianthas Fragen lassen Riarîl allerdings nicht viel Zeit zum Grübeln. »Ich habe gehört, dass Immergrün so schön und sehr groß sein soll, unterhältst du dort ein Lazarett?« Die Elbe nickt. „Seit ich das alte Verai-Anwesen neben meinem ursprünglichen Anwesen erworben und die beiden miteinander verbunden habe, ist mein Grundstück in der Tat recht groß“, erklärt sie. „Wenn du es dir ansehen willst, du bist jederzeit willkommen. Wenn die Kinder hier mit den Brombeeren fertig sind, können sie gerne mit den Himbeer- und Brombeerbüschen im Obsthain hinter Sieben Linden weitermachen. Für Kinder ist der Park ohnehin ein Abenteuerland.“ Die beiden Frauen sehen sich an und schauen sich dann fast gleichzeitig nach den Zwillingen und Ladir um, die offensichtlich gut miteinander auskommen und begeistert zusammen spielen. „Was das Lazarett angeht, nun ja, ich unterhalte in Sieben Linden mehrere Krankenzimmer in denen zur Not auch mehr Leute untergebracht werden können, als dies momentan der Fall ist. Als richtiges Lazarett würde ich das aber nicht bezeichnen, dafür bräuchte ich mehr Angestellte – derzeit beschäftige ich nur ein Lehrmädchen und wenn es wirklich hart auf hart kommt, wie damals beim Dämonenangriff, wäre das nicht genug.“
Dianthas letzte Frage lässt sich nicht ganz so einfach beantworten. »Seit wann bist du eigentlich schon als Heilerin in Talyra?« Riarîl runzelt die Stirn. „Hm, lass mich kurz überlegen, dass ist gar nicht so leicht zu sagen.“ Sie überlegt einige Augenblicke lang. „Zum ersten Mal kam ich vor sieben Zwölfmonden nach Talyra. Das war unter anderem die Zeit, als Niniane und Borgil kennen lernte – und auch eure Mutter, Ireás.“ Die Heilerin nickt dem jungen Mann kurz zu. „Besonders lange hielt es mich damals aber nicht in der Stadt, knapp zwei Zwölfmonde später ging ich wieder fort und kehrte einen Zwölfmond darauf zurück, nur um einige Zeit danach erneut auf Reisen zu gehen. Erst wenige Monde vor Ladirs Geburt war es mir möglich zurückzukehren und – nun ja, seither lebe und arbeite ich hier in der Stadt.“ Fragend schaut sie Diantha an. „Wie steht es mit dir, Diantha, seit wann bist du in Talyra? Wie hat es dich aus Immerfrost ausgerechnet hierher verschlagen?“,  hakt sie nach, denn die Fragen der jungen Frau haben ihr klar gemacht, dass sie über Diantha ebenso wenig oder so viel weiß, wie diese über sie. Riarîl ist zwar hinlänglich bekannt, dass die neue Frau des Lord Commanders aus Immerfrost stammt und wohl ursprünglich als Kindermädchen der Zwillinge in der Steinfaust angestellt war, aber sonst?

Ganz bei der Sache ist die Heilerin mit ihren Gedanken allerdings nicht. Nun, nachdem sie alle gemütlich plaudernd beisammen sitzen und Apfelkuchen essen, muss sie wieder an Ireás unerwartete Eröffnung, er habe daheim einen Brief ihrer Eltern für sie zu liegen, denken. Es kommt Riarîl seltsam vor, dass sie einerseits erst so kurze Zeit in Talyra lebt, wie gerade erzählt hat; andererseits aber schon so lange aus dem Riathar fort ist und ebenso lange nichts mehr von ihrer Familie gehört hat. Zum allerersten Mal erscheint es ihr merkwürdig, dass sie in allen den Zwölfmonden, ja Götterläufen, die vergangen sind, weder versucht hat zurückzukehren, noch ihre Familie in irgendeiner Form hat wissen lassen, dass es ihr gut geht und wo sie sich befindet. Ireás Worte sind ein kleiner Schock für sie gewesen, wie mag es da erst ihren Eltern ergangen sein, als sie Shunjalinn getroffen und diesen ihnen vermutlich von einer einäugigen Elbe in Talyra berichtet hat, die Lorialadir und Lyres'peris wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein scheint. Ob sie ihnen auch von Ladir erzählt hat?, fragt sie sich unweigerlich und schaut in den Garten der Steinfaust hinaus, wo ihr Sohn mit Shunjalinns Zwillingen umher tollt.
Auch das ist einer der Gründe für ihren Besuch – im Immergrün ist es zwar schön, doch für ein einzelnes Kind oftmals auch ziemlich einsam, vor allem, wenn die einzigen potentiellen Spielgefährten zu krank zum Spielen sind. Ein wenig ungefähr gleichaltrige Gesellschaft tut Ladir gut. Mit Ninianes Kindern und Borgils Jungs würde er sich sicher auch gut verstehen, geht es ihr durch den Kopf. Bedauernd stellt sie fest, dass sie auch Niniane schon viel zu lange nicht mehr besucht hat – und erst recht Borgil. Nun, auch das würde sie wohl irgendwann noch nachholen müssen. Nachdenklich isst sie den letzten Bissen von ihrem Stück Apfelkuchen und betrachtet lächelnd den kleinen Njáll, der noch immer friedlich schlummernd in dem Tuch ruht mit welchem er auf Dianthas Brust festgebunden ist. „Njáll, ein Pakkakieli-Name? Hat er eine bestimmte Bedeutung?“, erkundigt sie sich. „Ich stamme zwar ursprünglich aus dem Norden, aber die Sprache der Immerfroster beherrschte ich nur äußerst Bruchstückhaft.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 15. Sept. 2008, 22:35 Uhr
~ Ende Beerenreif/Anfang Erntemond ~

Womit genau Ierás die Heilerin nun erschreckt oder überrascht hat, bleibt für Diantha weiterhin ein Rätsel. Dafür geht Riaril sehr ausführlich auf die an sie gerichteten Fragen ein, auf ihre Heilkräfte angesprochen antwortet sie: >„Ja, ich bin eine Heilerin. Also sagen wir, ich kann alles, was eine Heilkundige auch kann ... und noch ein wenig mehr.“< Fasziniert hört ihr Diantha zu und vergisst für einen Moment sogar den Kuchen, denn Riarîl gibt sich ehrlich Mühe, der Immerfrosterin ihre Einstellung zu ihren Fähigkeiten begreiflich zu machen. Der Anschaulichkeit halber benutzt sie sogar Beispiele, sodass Diantha das Thema Magie zum ersten Mal nicht als ganz so abstrakt erscheint, wie bisher. Niniane und Ierás hatten der Immerfrosterin zwar schon einige ihrer Vorurteile gegenüber Magiebegabten genommen, aber diese Erklärung ist dennoch etwas anderes. Es scheint fast so, als wäre Magie für die Elbin etwas, das man nur mit größter Vorsicht genießen sollte und was viel Verantwortung mit sich bringt. Das ist für Diantha eine ganz neue Sichtweise und auch wenn sie nickt, als Riarîl fragt: „Verstehst du was ich meine?“, so weiß sie doch, dass sie ein wenig Zeit brauchen wird, um das zu verdauen. Es gibt also mehr als eine Kehrseite der Medaille… Danach kommt die Sprache auf Riarîls Anwesen und Diantha wird samt den Kindern prompt dorthin eingeladen. Den Beschreibungen des Parks zufolge würde der den Zwillingen sicherlich hervorragend gefallen, trotzdem hat Diantha da leichte Vorbehalte. „Sicher kämen wir gerne mal vorbei…“, beginnt sie etwas unsicher, „… allerdings sind Fianryn und Connavar recht laut – so lange sie sich nicht gerade mit Beeren vollstopfen – und ihr kleiner Bruder fängt schon an ihnen da Konkurrenz zu machen. Meinst du nicht, dass das deine Patienten stören würde, wenn da solcher Kinderlärm wäre?“ Gerade bei schweren Krankheiten kann die Immerfrosterin sich vorstellen, dass man Ruhe braucht und keine streitenden und kreischenden Kinderstimmen im Hintergrund. „Außerdem: Wie ist das mit der Ansteckungsgefahr? Ich meine, wenn jemand eine übertragbare Krankheit hat, dann ist es wohl eher nicht so gut, wenn die Kinder da in der Nähe sind, oder? So leicht werden die Zwillinge zwar nicht krank, aber gerade bei Njáll würde ich das ungern herausfordern…“ Der hat nämlich nur ganz normale menschliche Abwehrkräfte und kein elbisches Blut in den Adern, was ihn vor einigen Krankheiten schützt. Diantha lächelt der Elbin fast ein wenig entschuldigend zu: „Du bist da natürlich die Expertin, ich habe nur schon ein fieberndes, jammerndes Baby vor Augen, weißt du?“

Kurz spielt die Elbin noch auf den Dämonenangriff an, doch Diantha fragt nicht weiter danach, zu hell ist dieser Tag und zu wenig Platz scheint in ihm für finstere oder traurige Geschichten zu sein. Außerdem weiß die Immerfrosterin gut genug, dass ein paar Worte auch einem Sommertag wie diesem alle Wärme nehmen und ein bitteres, schales Gefühl hinterlassen können. Das ist etwas, das sie nicht vorhat mit diesem Tag geschehen zu lassen, so ändert sich das Gesprächsthema auch rasch. Riarîls Ausführungen darüber, seit wann sie in Talyra lebt, sind ein wenig verwirrend, da die Elbin immer wieder für längere Zeiträume auf Reisen war, deren Ziel sie aber nicht verrät. Überhaupt bleibt sie recht unkonkret bei dieser Antwort, was im Kontrast zu der vorherigen Ausführlichkeit steht, doch das akzeptiert Diantha ohne weiteres. Sie will Riarîl schließlich nicht zu nahe treten oder sie dazu zwingen über etwas zu reden, was die gar nicht möchte. Nachdem alle gestellten Fragen beantwortet sind, nimmt die Elbin den Faden auf und stellt nun ihrerseits Diantha einige Fragen, was die vollkommen in Ordnung findet, sie hat ja schließlich damit angefangen. >„Wie steht es mit dir, Diantha, seit wann bist du in Talyra? Wie hat es dich aus Immerfrost ausgerechnet hierher verschlagen?“< Kurz blinzelt die Immerfrosterin, dann antwortet sie: „Das war vor zwei Jahren, ich glaube im Sturmwind, aber das genaue Datum kann ich dir nicht einmal sagen, obwohl es eigentlich noch nicht so lange her ist.“ Sie zögert, überlegt und fügt dann doch hinzu: „Weißt du, damals waren meine Gedanken … grau, anders kann ich das nicht sagen. Als könnte ich das Leben nur noch durch einen undurchdringlichen Nebelschleier sehen, der alle guten Gefühle wie Freude oder Freundschaft zu verschlucken schien. Das einzige, was diesen Schleier durchbrechen konnte, waren Schmerzen, ein Beweis dafür, dass ich noch lebte, dass ich noch fühlen konnte.“ Ein Nebelschleier und ein immer kleiner werdender Hoffnungsschimmer darauf, dass es doch noch Gutes im Leben gibt. Nun geht die Unterhaltung doch in eine Richtung, die nicht zum Wetter passen mag, so lächelt Diantha und meint abwinkend: „Das hatte mit dem Grund zu tun, weshalb ich überhaupt erst nach Talyra gekommen bin, ich war nämlich auf der Suche.“ Vorsichtig bilden sich die Sätze in ihren Gedanken, zu genau dürfen sie nicht sein, aber auch keine Unwahrheiten oder Weglassungen. „Ich war auf der Suche nach jemandem, mit dem ich noch eine Rechnung offen hatte, obwohl es unwahrscheinlich war, dass ich diese Person finden würde. In Immerfrost hatte ich mir einigen Ärger eingehandelt und keine Spuren mehr gefunden, da schien es eine gute Idee zu sein, mal wirklich weit weg zu kommen.“ Nachdenklich streicht sie mit dem Zeigefinger über die Stechginstergravur auf ihrem Ehering, den Blick in die Ferne gerichtet. „Vielleicht schwang auch schon irgendwo der Gedanke mit, dass ein neuer Ort neue Möglichkeiten eröffnet um doch noch glücklich zu werden und die Vergangenheit endlich zugunsten einer Zukunft hinter sich zu lassen.“ Bei dem Gedanken muss sie lachen. „Ich war ein ganz schön dummer Kindskopf, mit zu viel Wut im Bauch.“

Diantha grinst Ierás zu: „Du hast ja glücklicherweise meinen großartigen Auftritt auf dem Marktplatz verpasst. Ich habe schon ganz schön viel Glück mit Olyvar gehabt, dass der mich überhaupt mit nach Blurraent genommen hat. Wir waren nämlich auf der Suche nach einer verschollenen Amazone, Shyada, ich weiß nicht, ob du sie kennst?“ Bei dieser Frage schaut sie die Heilerin an. „Es war das erste Schiff am Morgen nach der Inarinacht, das auslief und ich wollte nichts wie weg. Nachdem wir erfolgreich von unserem kleinen Abenteuer zurückkamen, hat mich Olyvar sogar als Kindermädchen eingestellt. Den Rest kennt ihr, genau einen Zwölfmond nach unserem Kennenlernen haben wir geheiratet, du warst ja dabei, Riarîl, und hast mir sogar deine wunderschöne Kette geliehen.“ Ehrliche Dankbarkeit liegt in Dianthas Blick als sie das sagt. Irgendwann kriegst du dafür etwas zurück, vielleicht nächstes Inarifest, mal sehen. Bei diesen Worten gibt Njáll ein leises Blubbern von sich, das die Aufmerksamkeit seiner Mutter auf sich zieht, doch er wacht nicht auf. Als sie aufsieht bemerkt sie, dass auch Riarîl den kleinen Jungen betrachtet und lächelt der Elbin zu. >„Njáll, ein Pakkakieli-Name? Hat er eine bestimmte Bedeutung?“<, möchte die Heilerin prompt wissen. >„Ich stamme zwar ursprünglich aus dem Norden, aber die Sprache der Immerfroster beherrschte ich nur äußerst bruchstückhaft.“< Offene Überraschung macht sich auf Dianthas Gesicht breit, denn in den Ländern, die im allgemeinen Sprachgebrauch als „Norden“ bezeichnet werden, also Ardun, Normand, Barsa, die Eisigen Öden, der Wolkenthron und Laigin spricht niemand Pakkakieli. Andererseits gibt es für die Immerfrosterin natürlich tausend Gründe, ihre geliebte Muttersprache zu lernen, egal woher man stammt. Sie ist zwar schrecklich neugierig darauf, wie die Elbin zu ihren Pakkakielikenntnissen gekommen ist, aber zunächst beantwortet sie die Frage nach dem Namen ihres Sohns. „Nein, nein, Njáll ist kein Pakkakieliname, sondern ein alter Tamarname. Kennt ihr die Geschichte von Njáll und den neun Geiseln?“, fragend schaut Diantha ihre Gäste an. „Wenn nicht erzähle ich sie euch oder wir können mal schauen, ob die Zwillinge sie sich merken konnten.“ Da ist sie recht zuversichtlich, denn eigentlich haben Connavar und Fianryn gerade für Geschichten ein gutes Gedächtnis und die von Njáll hat Diantha ihnen schon sicher ein Dutzend Mal erzählen müssen. „Aber erst einmal: Riarîl, wie kommt es dass du Pakkakieli kannst? Hast du Immerfrost bereist? Du scheinst ja recht gerne auf Reisen zu gehen.“ Eine Eigenschaft, die der Immerfrosterin sympathisch ist, denn Leute, die immer nur zuhause sitzen und nie etwas Neues kennen lernen wollen, kann sie nicht besonders gut verstehen. „Wenn ja, wo genau im Königreich warst du und welche Städte hast du kennen gelernt?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 16. Sept. 2008, 17:48 Uhr
~ Ende Beerenreif/Anfang Erntemond ~

Diantha hört Riarîl aufmerksam zu, während diese ihr von ihrem Beruf und ihrem Heim, dem Immergrün, erzählt, doch auf die Einladung der Heilerin reagiert sie ausgesprochen zurückhaltend. »Sicher kämen wir gerne mal vorbei ...«, erwidert die junge Frau zögernd, »... allerdings sind Fianryn und Connavar recht laut – so lange sie sich nicht gerade mit Beeren vollstopfen – und ihr kleiner Bruder fängt schon an ihnen da Konkurrenz zu machen. Meinst du nicht, dass das deine Patienten stören würde, wenn da solcher Kinderlärm wäre? Außerdem: Wie ist das mit der Ansteckungsgefahr? Ich meine, wenn jemand eine übertragbare Krankheit hat, dann ist es wohl eher nicht so gut, wenn die Kinder da in der Nähe sind, oder? So leicht werden die Zwillinge zwar nicht krank, aber gerade bei Njáll würde ich das ungern herausfordern ...« Riarîl mustert ihr Gegenüber einen Augenblick lang irritiert, ihr ist nicht im Entferntesten in den Sinn gekommen, dass man ihr _unterstellen_ könnte eine Einladung ins Immergrün auszusprechen, wenn diese mit irgendwelchen _Gefahren_ verbunden wäre. Aus Diantha spricht aber offenbar nur die Furcht jeder frisch gebackenen Mutter wie ihre nächsten Worte allzu deutlich machen. »Du bist da natürlich die Expertin, ich habe nur schon ein fieberndes, jammerndes Baby vor Augen, weißt du?« Die Heilerin schluckt den leichten Anflug von Verärgerung, den sie bei Dianthas ersten Worten kurzzeitig verspürt hat, hinunter und lächelt stattdessen. „Nimmst du ernsthaft an, ich würde eine Einladung aussprechen, wenn damit irgendwelche Probleme oder Risiken einhergehen würden?“, fragt sie freundlich. „Mein Anwesen ist groß – der Obsthain hinter Sieben Linden ist nicht der einzige Ort, an dem Kinder ausgelassen spielen und herumtoben können. Und wenn sie nicht mit bestimmten Patienten in Kontakt kommen sollen, weil deren Krankheit in irgendeiner Art und Weise ansteckend oder schädlich für sie sein kann, lässt es sich ohne weiteres vermeiden, dass sie überhaupt in die Nähe von Sieben Linden gelangen können. Die Mauer, die mein ursprüngliches Anwesen, das Cerynitis Cerua, vom alten Verai-Grundstück trennt, existiert nach wie vor. Soll der Weg vom einen zum anderen Grundstück versperrt bleiben, muss lediglich die Grüne Pforte verriegelt werden. Ja, du musst Sieben Linden nicht einmal betreten, um mich zu besuchen.“ Die Elbenfrau sieht Diantha offen an. „Womit eigentlich auch deine erste Frage hinreichend beantwortet sein sollte. Patienten, die dringend Ruhe brauchen, werden diese auch erhalten. Wie bereits gesagt, das Immergrün ist groß – Platz genug um alle zufrieden zu stellen.“ Die Heilerin lacht. „Ich habe aber auch sehr oft Patienten, die sich über etwas Kinderlachen und -lärmen freuen würden. Kranke sind einander selten eine besonders aufmunternde und anregende Gesellschaft und es kann einem leicht ein wenig zu still und langweilig werden, wenn man mit einem bösen Beinbruch ans Sieben Linden _gefesselt_ ist, weil man allein ist und daheim niemanden hat, der sich um einen kümmern kann ...“    

Das Gespräch wechselt allmählich das Thema und kommt schließlich darauf zu sprechen, wann und wie es Diantha nach Talyra verschlug. »Das war vor zwei Jahren, ich glaube im Sturmwind, aber das genaue Datum kann ich dir nicht einmal sagen, obwohl es eigentlich noch nicht so lange her ist«, erklärt die Immerfrosterin  Riarîl zögerlich. »Weißt du, damals waren meine Gedanken ... grau, anders kann ich das nicht sagen. Als könnte ich das Leben nur noch durch einen undurchdringlichen Nebelschleier sehen, der alle guten Gefühle wie Freude oder Freundschaft zu verschlucken schien. Das einzige, was diesen Schleier durchbrechen konnte, waren Schmerzen, ein Beweis dafür, dass ich noch lebte, dass ich noch fühlen konnte.« Bedrücktes Schweigen senkt sich über die kleine Runde in der Laube. »Das hatte mit dem Grund zu tun, weshalb ich überhaupt erst nach Talyra gekommen bin, ich war nämlich auf der Suche. Ich war auf der Suche nach jemandem, mit dem ich noch eine Rechnung offen hatte, obwohl es unwahrscheinlich war, dass ich diese Person finden würde. In Immerfrost hatte ich mir einigen Ärger eingehandelt und keine Spuren mehr gefunden, da schien es eine gute Idee zu sein, mal wirklich weit weg zu kommen.« Die Heilerin sagt dazu nichts, stattdessen hört sie Diantha einfach nur zu. Und obwohl die Immerfrosterin nicht wirklich viel über ihre einstigen Beweggründe oder die damaligen Ereignisse verrät, stellt Riarîl fest, dass sich ihre eigene Geschichte in ganz ähnlicher Weise zusammenfassen ließe. »Vielleicht schwang auch schon irgendwo der Gedanke mit, dass ein neuer Ort neue Möglichkeiten eröffnet um doch noch glücklich zu werden und die Vergangenheit endlich zugunsten einer Zukunft hinter sich zu lassen«, hält Diantha schließlich lachend fest. »Ich war ein ganz schön dummer Kindskopf, mit zu viel Wut im Bauch.« Die Elbenfrau mustert sie bei diesen Worten mit unergründlichem Blick. In Gedanken hat sie dabei ihr eigenes Bild vor Augen: Nach menschlichen Maßstäben schon uralt, doch mit geradezu kindlicher Hingabe dem tief in ihr brodelndem Zorn und schier grenzenlosem Hass folgend.

Die Erinnerung hält sie von einer Entgegnung ab und erleichtert stellt sie fest, dass die Unterhaltung schon bald wieder etwas unbeschwerte Bahnen einzuschlagen beginnt, als Diantha sich grinsend an Ireás wendet: »Du hast ja glücklicherweise meinen großartigen Auftritt auf dem Marktplatz verpasst.« Zunächst ergeben diese Worte für Riarîl keinen Sinn, aber dann macht es endlich Klick. „DU warst das?!“ Die Elbe sieht Diantha an, dann muss sie mit einem Mal laut auflachen. „Ich habe mich am Tag deiner Heirat die ganze Zeit über gefragt, wo ich dein Gesicht zuvor schon einmal gesehen hatte.“ Schmunzelnd lässt sie die junge Frau weitererzählen, wird aber bald wieder ernst. Heute lässt sich leicht über diese alte Geschichte lachen, an jenem Tag hatte sie ihrem Mann und ihr die Feierlichkeiten zu Ehren Inaris jedoch reichlich verdorben. »Ich habe schon ganz schön viel Glück mit Olyvar gehabt, dass der mich überhaupt mit nach Blurraent genommen hat. Wir waren nämlich auf der Suche nach einer verschollenen Amazone, Shyada, ich weiß nicht, ob du sie kennst?« Bei den letzten Worten schaut die Immerfrosterin wieder Riarîl an, doch die Elbe schüttelt den Kopf. „Ich habe von ihr gehört, persönlich kennen gelernt habe ich sie nie“, entgegnet sie und Diantha erzählt weiter. »Es war das erste Schiff am Morgen nach der Inarinacht, das auslief und ich wollte nichts wie weg. Nachdem wir erfolgreich von unserem kleinen Abenteuer zurückkamen, hat mich Olyvar sogar als Kindermädchen eingestellt. Den Rest kennt ihr, genau einen Zwölfmond nach unserem Kennenlernen haben wir geheiratet, du warst ja dabei, Riarîl, und hast mir sogar deine wunderschöne Kette geliehen.« Die Elbe sieht und spürt die aufrichtig gemeinte Dankbarkeit ihrer jungen Gastgeberin und winkt lächelnd ab. Der kleine Njáll rührt sich, was prompt Dianthas Aufmerksamkeit auf ihn lenkt und Riarîl nutzt die Gelegenheit, um rasch zu einem anderen Thema zu wechseln, indem sie sich nach der Herkunft von Njálls Namen erkundigt.

»Nein, nein, Njáll ist kein Pakkakieliname, sondern ein alter Tamarname.« Laut entgegnet die Heilerin darauf nichts, schillt sich in Gedanken aber sogleich für ihre eigene Dummheit. So lange ist es doch noch gar nicht her, dass du zuletzt in den Drachenlanden warst und selber Tamairge sprechen musstest, Mojârîl. »Kennt ihr die Geschichte von Njáll und den neun Geiseln?« Diantha schaut fragend in die Runde und Riarîl schüttelt bedächtig den Kopf. »Wenn nicht erzähle ich sie euch oder wir können mal schauen, ob die Zwillinge sie sich merken konnten«, erklärt ihre Gastgeberin sogleich, »Aber erst einmal: Riarîl, wie kommt es dass du Pakkakieli kannst? Hast du Immerfrost bereist? Du scheinst ja recht gerne auf Reisen zu gehen. Wenn ja, wo genau im Königreich warst du und welche Städte hast du kennen gelernt?« Dieser Schwall an Fragen lässt die Heilerin lachen und abermals schüttelt sie den Kopf. „Ja, ich reise wirklich sehr gerne“, entgegnet sie schmunzelnd. „Aber entschuldige bitte, als ich vom Norden sprach, habe ich mich wohl ein wenig ungenau ausgedrückt. Ich wollte damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass meine Heimat weiter nördlich von hier liegt – nördlich der Herzlande ... Nein, direkt in Immerfrost, also im Nordwesten, war ich bisher noch nicht. Nur in den Randgebieten, den Rhaínlanden, am Eisenkamm, Immergrün.“ Die Elbe unterbricht sich kurz. „Im Verdland, Draingarad, den Strauchbergen – naja, die Namen sagen dir sicher alle etwas.“ Sie lächelt, dann wird ihr Blick ein wenig wehmütig, als sie sich an Dror Silberbart und ihre gemeinsame Reise zum Wyrmschwanz erinnert. „Aber ich besitze einen guten Freund dessen Heimat sich im Nordwall-Gebirge befindet. Er hat mir viel erzählt und einiges beigebracht. Die meisten der wenigen Brocken Pakkakieli, die ich spreche, habe ich von ihm gelernt.“ Und nicht zu vergessen mein klägliches Zardakh, fügt sie im Stillen noch hinzu. Ihr Blick schweift in den Garten ab und wird sogleich einer ausgesprochen zufrieden dreinschauenden Kinderschar gewahr, die zur Laube herüber gestürmt kommt. Begeistert und mit von Brombeeren dunkelrot verschmiertem Mund und ebenso roten, klebrigen Fingern klettert Ladir seiner Mutter gleich darauf auf den Schoss, während sich die Zwillinge zu Diantha und Ireás gesellen. Die Heilerin lacht. „Nun, jetzt dürfte deiner Erzählung über Njáll und die neun Geiseln ja nichts mehr im Wege stehen, Diantha“, meint sie erheitert und sieht belustigt wie Ladirs Augen die junge Immerfrosterin sogleich neugierig mustern, Geschichten aller Art – vor allem abenteuerliche – liebt ihr Sohn über alles, auch wenn er deren Sinn nicht immer vollständig erfassen kann, weil er für so manche Geschichte eigentlich noch viel zu jung ist.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Niniane am 25. Sept. 2008, 15:44 Uhr
Vom 16. bis zum 17. Sonnenthron


Es ist Mitte Sonnenthron und die Dämmerung kommt spät um diese Jahreszeit... noch zur zehnten Stunde ist es hell und in der milden Abendluft hängt noch ein Nachhall der vergangenen Hitze, als hätte die duftende schwarze Erde und das altersgebleichte Holz der Laube im ummauerten Garten des Westflügels die Wärme der Sonne gespeichert, um sie jetzt abzugeben. Niniane sitzt auf den Stufen der schmalen Holzstiege in den Burggarten der Tarascons und beobachtet nachdenklich, wie Ierás seine Frau im Zwielicht der aufsteigenden Nacht herumführt. Noch scherzen und lachen die beiden, und ziehen sich gegenseitig mit albernen Namensvorschlägen wie Athalgundja und Petronilla auf, doch Niniane befürchtet allmählich, dass die Geburt um einiges langwieriger und anstrengender für Kea werden würde, als die junge Frau oder Ierás auch nur ahnen. Wenn sie schon seit heute morgen Wehen hat, dann sind das mittlerweile vierzehn Stunden und der Muttermund ist erst zur Hälfte geöffnet... Sie hatte Kea bereits einen milden, wehenfördernden Trank aus Hundrovor und Eisenkraut gegeben, gewürzt mit ein wenig teurem Ingwer und Zimt, doch wirklich etwas gebracht hatte das "scheußliche Gebräu", wie die junge Halbelbin es mit angewidert gerümpftem Näschen betitelt hatte, wohl nichts und noch scheut Niniane davor zurück, stärkere Kräuter wie Weremod oder Rainfarn einzusetzen, denn sie bergen die Gefahr plötzlicher Blutungen. Mal den Dunklen nicht an die Wand, noch hat das alles gar nichts zu bedeuten, sucht sie, sich selbst zu beruhigen. Kea und dem Baby geht es gut, du hast sie eben erst untersucht... es wird einfach nur eine lange Nacht werden, das ist alles. Ihr Blick hängt an Ierás rabenschwarzem Haarschopf, der sich zu Keas ebenso dunklem Kopf neigt, um ein Flüstern oder ein Lächeln einzufangen und zu teilen, und sie fühlt sich ein wenig zuversichtlicher, wenn auch nicht wirklich beruhigt - das unterschwellige Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, rumort in ihr, obwohl sie beim besten Willen nicht sagen kann, was ihr eigentlich genau zu schaffen macht. Ist es Kea und ihre Angst, den nächsten irren Drachenprinzen zu gebären? Spiegele ich ihre Sorgen?

Diantha hatte das Turmzimmer längst hergerichtet und hält über dem Feuer des großen Kamins in der Halle schon seit Stunden einen Kessel Wasser am Kochen. Olyvar war vom Dienst zurückgekehrt, als die Sonne gesunken war, hatte mit dem Hauch einer hochgezogenen Braue bei ihnen vorbei gesehen und dann die fröhlich vor sich hin krakeelenden Zwillinge ins Bett gebracht, und Mattis steckt alle Naslang den blonden Schopf durch die Laubentür, um nachzufragen, ob er irgendetwas bringen oder tun könne. Er kann nicht, niemand kann, denn sie können alle nur warten und ab und an zu Nanna, Carsai oder Anira beten - oder wer sonst von den zwölf Mächten Rohas gerade zuhört. Sie hatten hier draußen zu Abend gegessen und Niniane hatte darauf bestanden, dass Kea eine kräftige Fleischbrühe trank, obwohl der Halbelbin gar nicht danach zumute gewesen war - seither dreht die Schmiedin tapfer ihre Runden am Arm ihres Mannes, angetan mit einem einfachen, leichten Untergewand aus Leinen, barfuss und mit gelöstem Haar. Sie scheint ganz ruhig, geradezu selbstversunken - Ierás ist es nicht, obwohl er seine wachsende Unruhe und die Sorge in seinen Augen gut verbirgt und versucht, sich nichts davon anmerken zu lassen. Niniane kann ihn verstehen, schließlich dürfte er sich noch gut an die haarsträubende Geburt der Zwillinge erinnern und vierzehn Stunden in denen sich nichts tut außer schmerzhafte Wehen, die noch nicht einmal etwas zu bewirken scheinen und in denen es nicht einmal ansatzweise wirklich zur Sache geht, sind nun einmal vierzehn nicht gerade sehr angenehme Stunden, auch für werdende Väter nicht. Würde es dem ungeborenen Kind nicht mehr wirklich gut gehen, was es allen Göttern sei Dank jedoch tut, Niniane hätte nach so vielen Stunden längst zu drastischeren Maßnahmen gegriffen, doch die wenigen Möglichkeiten, die sie hat, sind nun einmal alle mehr oder weniger Grauen erregend. Stärkere Kräuter einzusetzen, um die Geburt schnell einzuleiten, birgt vor allem die Gefahr plötzlicher Blutungen für Kea und das ist ein Risiko, das Niniane nur in äußerster Not eingehen würde.

Sie könnte einen Carsairschnitt durchführen und das Kind retten, aber ob Kea das überleben würde steht in den Sternen. Und sich mit der Geburt noch länger Zeit zu lassen, möglicherweise noch einmal vierzehn Stunden, birgt Gefahren für das Kind, die noch nicht abzusehen sind. Die Herztöne könnten sich plötzlich verschlechtern. Die Nabelschnur könnte sich um den Hals legen oder es könnte ganz allgemein schwächer werden. Diantha erscheint kurz und bringt ein paar Öllampen und Laternen aus geflochtenem Bronzedraht, und Niniane bittet Olyvars Frau um eine Kanne Cofea und darum, sich jetzt ein paar Stunden hinzulegen und sich dann in der Nähe zu halten, da sie das Gefühl hat, sie könnte ein zusätzliches Paar Hände gut gebrauchen. Die Nacht verstreicht jedoch ebenso zäh, langsam und ereignislos wie der Nachmittag des vergangenen Tages und in der geisterhaften Stille des Westflügels schleichen nur noch Kea, Ierás und Niniane umher, ab und an kritisch beäugt von einer misstrauischen Katze und einem durchaus freundlichen, über das seltsame Treiben der haarlosen Zweibeiner jedoch deutlich verwirrten Hund. Gegen Mitternacht gibt Niniane Kea, die sich jetzt zusehends erschöpft, doch etwas Weremod, doch selbst das bringt die Geburt nicht wirklich in Schwung... das einzige, was zu helfen scheint, die Wehen regelmäßig aufrechtzuerhalten, ist langsames Umhergehen, also lässt Niniane die Halbelbin laufen, bis sie nur noch vor sich hinstolpert und mehr in Ierás Armen hängt, als wirklich auf ihren eigenen Beinen steht. Der Muttermund ist immer noch nicht sehr viel weiter geöffnet, aber andererseits gibt es bisher auch keinerlei Anzeichen für ungewöhnliche oder heftige Blutungen und der Herzschlag des Kindes ist unverändert regelmäßig und kräftig. Als die Morgendämmerung naht, sind Ierás Nerven zum Zerreißen gespannt, Kea ist an der Grenze ihrer Belastbarkeit und Niniane an einem Punkt, an dem sie sich so unwohl fühlt, dass sie bereit ist, die Dinge möglichst schnell in Bewegung zu bringen. Sie drängt Ierás dazu, Kea ins Turmzimmer hinaufzubringen und mit ihr von jetzt an dort zu bleiben und geht selbst in die Halle hinunter, um der Halbelbin dort einen Trank aus Himbeerblättertee, Frauenwurzel und Carsaisegen aufzubrühen. Auf ihrem Weg trifft sie Diantha, die sich ihr mit einem Stapel weicher Tücher, ihrer Tasche, in der sie sicher verstaut ihre Ausrüstung weiß, an die sie jetzt lieber nicht denken will, einer Schale für die Nachgeburt und etwas kaltem Quellwasser für Kea anschließt. "Kea wird zusehends erschöpfter," informiert Niniane die Immerfrosterin auf der Treppe zurück in den schlanken Turm des Westflügels. Sie spricht rasch und leise, um Olyvars Frau alles sagen zu können, was sie wissen muss, so lange sie noch ungestört sind.

"Sie hält sich tapfer, aber das Kind kommt wohl nach Ierás, der sehr viel größer ist. Das Baby muss schnell kommen jetzt, wenigstens so schnell wie möglich, ehe es Kea zuviel Kraft kostet oder selbst schwächer wird. Sie hat Wehen, sogar starke Wehen, aber... der Muttermund öffnet sich nicht und das Fruchtwasser geht nicht ab. Noch geht es dem Baby gut, aber ich kann nicht sagen, wie lange das noch so bleiben wird, wenn Kea sich noch länger Zeit lässt. Komm... und kein Wort zu den beiden. Ierás stirbt ohnehin schon vor Angst. Noch hat er keinen Anlass dazu und dabei soll es auch bleiben. Wir müssen sie so gut es geht beruhigen und das Beste hoffen."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 29. Sept. 2008, 21:10 Uhr
~ Ende Beerenreif/Anfang Erntemond ~



>Nimmst du ernsthaft an, ich würde eine Einladung aussprechen, wenn damit irgendwelche Probleme oder Risiken einhergehen würden?<, entgegnet Riarîl auf die von Diantha ausgesprochenen Bedenken. Statt beschämt den Kopf zu senken, erwidert die Immerfrosterin den Blick ihres Gegenübers nur auf eine sehr kühle und unberührte Art und Weise. Sie hört zwar zu, wie Riarîl von ihrem Grundstück erzählt und davon, dass man die Kinder leicht von Schwersterkrankten fort halten kann, doch in ihre Augen tritt für kurze Zeit ein kalter Glanz. Das weiche Himmelblau wandelt sich in diesem Moment zu hartem Eis, doch verschwindet dieses mit einem Blick auf die Kinder rasch wieder. Woher soll sie schon wissen... Nur Njáll merkt die Anspannung seiner Mutter und gibt einen leisen quengelnden Laut von sich, schläft aber weiter, als Diantha ihm beruhigend über den Kopf streicht. > Ich habe aber auch sehr oft Patienten, die sich über etwas Kinderlachen und -lärmen freuen würden. Kranke sind einander selten eine besonders aufmunternde und anregende Gesellschaft und es kann einem leicht ein wenig zu still und langweilig werden, wenn man mit einem bösen Beinbruch ans Sieben Linden _gefesselt_ ist, weil man allein ist und daheim niemanden hat, der sich um einen kümmern kann ...<, erläutert Riarîl. Einen Moment lang sagt Diantha dazu gar nichts, dann stellt sie ruhig fest: "Nun, die Patienten mit Brüchen, Prellungen, Zerrungen, Muskelrissen, Sehnenentzündungen, Gehirnerschütterungen oder dergleichen bereiten mir keine Sorgen, das ist schließlich nicht ansteckend." Na wunderbar, genau so ein Thema wollte ich doch eigentlich an so einem schönen Tag vermeiden. Trotzdem möchte sie das Gesagte so nicht stehen lassen und entschließt sich wohl oder übel doch, den Grund für ihre Sorgen zu nennen. Dianthas Blick wandert dabei über die Mauern des Burggartens hinaus, scheinbar über die Wipfel des Larisgrüns hinweg, zu einem weit entfernten Ort in einer anderen Zeit. "Ich habe wohl schlicht und ergreifend zu nahe am eigenen Leib erfahren, dass eine Krankheit, die zunächst vollkommen harmlos zu sein scheint, einem letztlich alle Menschen nehmen kann, die einem lieb und teuer sind", meint sie gedankenverloren. "Egal ob Mutter, Vater, Brüder, Schwestern, Tanten, Onkel, Vettern, Basen und Freunde, ich habe zu viele sterben sehen. Daher mag ich ein wenig überängstlich sein, was die Gesundheit meiner Kinder angeht. Es ist nun einmal eine prägende Erfahrung, wenn man Menschen reihenweise sterben sieht und ihnen nicht helfen kann." Vor allem wenn man so jung ist, wie ich es war und sich ständig fragt: Warum sie und nicht ich? Über den Tod weiß Diantha für ihren Geschmack mehr als genug, sie hat ihn gesehen, gehört, gerochen, gespürt und zu viele Kämpfe gegen ihn verloren. Einzig den um mein eigenes Leben habe ich bisher immer gewonnen. In diesem Moment fühlt sie sich weit älter als sie eigentlich ist, egal ob die Elbin hunderte Zwölfmonde mehr erlebt hat oder nicht. Oh nein, Unsterblichkeit wäre nichts für mich, ständig anderen dabei zuzusehen, wie sie zugrund gehen, während ich selbst überdauere, nein danke... Mit diesem Gedanken kehrt sie in die Gegenwart zurück und bemerkt, dass die Stimmung nun endgültig gedrückt ist. Oh je, was mag sich Ieras bei diesem Gespräch nur denken...

Glücklicherweise gelingt Dianthas Versuch das Gespräch aufzulockern hervorragend und auch auf Riarîls Einwurf hin: >DU warst das?! Ich habe mich am Tag deiner Heirat die ganze Zeit über gefragt, wo ich dein Gesicht zuvor schon einmal gesehen hatte.<<, kann sie mittlerweile unbeschwert lachen. "Ich war damals überzeugt, dass ganz Talyra wüsste, wer ich bin und ich hatte vielleicht Muffensausen vor Raven! Doch, in den letzten zwei Jahren hat sich für mich schon einiges verbessert." Dass damals Than der Elb war, der ihr helfen wollte, ahnt sie nicht und Riarîl spricht auch nicht davon, so kommt die Sprache recht bald auf Njálls Namen und Immerfrost. So muss Diantha bedauernd feststellen, dass sie in der Elbin doch niemanden gefunden hat, mit dem sie sich auf Pakkakieli unterhalten könnte. Riarîl räumt nämlich gleich ein: >Entschuldige bitte, als ich vom Norden sprach, habe ich mich wohl ein wenig ungenau ausgedrückt. Ich wollte damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass meine Heimat weiter nördlich von hier liegt – nördlich der Herzlande ...< Ihr Bedauern steht Diantha förmlich ins Gesicht geschrieben, als sie das hört. >Nein, direkt in Immerfrost, also im Nordwesten, war ich bisher noch nicht. Nur in den Randgebieten, den Rhaínlanden, am Eisenkamm, Immergrün.< Nun, das Immergrün liegt schon durchaus in Immerfrost, aber zugegeben, dort erfährt man nicht sehr viel über das Land, denn die nächste größere Stadt liegt ein ganzes Stück entfern und auch Dörfer gibt es so weit Diantha weiß nicht besonders viele. Auch dort kann man tagelang gehen, ohne irgendein Zeichen menschlicher Besiedlung zu sehen, dagegen wirken die Herzlande schon fast überbevölkert. Riarîl fährt fort: >„Im Verdland, Draingarad, den Strauchbergen – naja, die Namen sagen dir sicher alle etwas.“< Diantha nickt nur, sie hat all das natürlich gesehen, allerdings hat sie keine starke Bindung dazu. Daraufhin erzählt die Elbin von einem Freund aus dem Nordwallgebirge, der aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein Zwerg sein kann, denn Menschen leben dort nicht. Interessant, ein Zwerg der Pakkakieli spricht. Den meisten Vertretern dieses Volks fällt es nämlich nicht im Traum ein, außer Zardakh und der Allgemeinsprache noch eine dritte Sprache zu erlernen. „Dieser Freund wohnt nicht zufällig in Talyra, oder?“ Eine Antwort erhält sie darauf nicht, denn just in diesem Moment überfällt die dreiköpfige Kinderschar die Laube und während Ladir gleich die Kleidung seiner Mutter mit Brombeersaft beschmiert, schnappt sich Diantha die Zwillinge, bevor sie dasselbe mit ihr oder Ierás tun können.

Nach einer notdürftigen Säuberung der Kinderhände und -münder stellt Riarîl amüsiert fest: >Nun, jetzt dürfte deiner Erzählung über Njáll und die neun Geiseln ja nichts mehr im Wege stehen, Diantha.<  "Oh ja! Erzähl die Geschichte von Niall Noigíallach! Bitte!", unterstütz Connavar die Heilerin prompt, was Diantha nicht weiter verwundert, da er von der Geschichte immer begeisterter war als seine Schwester. Fianryn hört lieber Geschichten über Räuberbanden und wilde Krieger - ihre momentane Lieblingsgeschichte handelt von Pyry, dem berühmten Immerfroster Pirat, der seit mittlerweile einem Jahrzehnt regelmäßig die Immerfroster Städte an der Nebelküste ausraubt. Doch heute scheint Fianryn auch mit der von ihrem Bruder gewünschten Erzählung einverstanden zu sein, denn sie erobert sich den Platz auf Dianthas Schoß und verkündet: "Kann los gehen!" Auf diesen Ausruf hin schlägt Njáll endgültig die Augen auf, allerdings hat er scheinbar gut ausgeschlafen, denn er regt sich nur ein wenig, schaut sich um und bleibt sonst ganz ruhig. "Nun gut, dann also die Geschichte von Niall und den neun Geisel, die übrigens auch die Gründungslegende von Laigin ist. Wisst ihr noch, wo Laigin ist?" Fianryns schaut daraufhin recht ratlos aus, auch Ladir scheint die Antwort nicht zu kennen, nur Connavar verkündet selbstbewusst: "Ganz weit weg! Im Osten! An dieser großen Bucht! Bucht von Bamba oder so?" Diantha lächelt. "Da hast du Recht, nur die Bucht heißt die Bucht von Ambar." Sie lehnt sich zurück und Fianryn kuschelt sich sanft an ihren kleinen Bruder, der gar nichts dagegen zu haben scheint, so beginnt die Immerfrosterin zu erzählen: "Vor langer, langer Zeit und zwar als die Menschen sich auf zur großen Völkerwanderung machten, mussten auch neun Stämme fort wandern, weil sie in ihrer alten Heimat nicht mehr leben konnten. Jeder dieser neun Stämme hatte einen König, der sich für den größten, stärksten und mächtigsten von allen hielt. Im Stamm der Lagin lebte zu dieser Zeit ein junger Mann mit dem Namen Niall. Er wurde von Ealara auserwählt, die ihm mächtige Träume schickte. Und in einem dieser Träume sah er ein wunderbares Land mit vielen Weiden, klaren Seen und einem Meer voller Fische, und ihm wurde klar, dass das die Zukunft seines Volks sein sollte. So ging Niall zu den Königen der neun Stämme und berichtete ihnen von den Träumen, die ihm geschickt worden waren. Kein einziger der Könige schenkte ihm Glauben, obwohl er bei seinem Leben schwor, ihnen den Weg in das neue Land zu weisen.
>Du erzählst nur Märchen, damit du an meiner statt König werden kannst!<, behauptete der König der Airgiall.
>Warum sollte ich einem Jungen wie dir folgen, nur weil er Unfug träumt?<, fragte der König der Erainn.
>Niemals werde ich auf das Wort eines Dummkopfes hören! Ich weiß selbst, was am besten für mein Volk ist!<, brüllte der König der Builg.
>Wenn Ealara jemandem Träume schicken würde, dann wäre ich das!<, stellte der König der Domnainn selbstgerecht fest.
>Du willst dich ja nur in den Mittelpunkt stellen und die Aufmerksamkeit aller haben. Junge, überlasse solche schwerwiegenden Entscheidungen jemandem, der etwas mehr Erfahrung hat als du<, meinte der König der Gálioin verächtlich.
>Na, du machst mir Spaß! Warum sollte ich auf jemanden wie dich hören?<, wollte der König der Uineal wissen.
>Bevor ich dir folge, möchte ich einen Beweis dafür haben, dass du die Wahrheit sprichst!<, verlangte der König der Caereni.
>Du solltest weniger trinken, dann träumst du auch nicht mehr solchen Unsinn, ich habe früher nach einem Gelage immer von einem Schwarm Krähen geträumt, die auf einem Schiffsmast saßen<, erzählte der König der Guotodin.
Selbst der König von Nialls Volk glaubte ihm nicht und schickte ihn fort. Während dieser Zeit zogen andere Stämme weiter und gründeten die ersten Reiche und Länder, doch unter den neun Stämme herrschte immer noch Streit, da keiner seinen Anspruch auf die höchste Königswürde zurückziehen wollte.
So stand Niall schließlich da und hatte nichts, außer seinen Träumen und den wenigen Freunden, die an seine Vision glaubten. >Was sollen wir jetzt nur tun, wir sind zu wenige um die Könige zu stürzen!<, jammerten diese.
>Nein, das werden wir auch nicht tun. Lasst mich nur überlegen, mir wird schon etwas einfallen, damit sie mir folgen<, sagte Niall und zog sich zurück. Es folgten zwei Tage und Nächte, und seine Freunde hatten schon jegliche Hoffnung aufgegeben, da verkündete er freudestrahlend: >Wir werden ein großes Fest geben und alle neun Könige einladen!< So geschah es dann auch und die Könige kamen selbstverständlich und feierten ein rauschendes Fest mit viel, viel Wein. Als alle neun dann schließlich vollkommen betrunken waren, raubten Niall und seine Männer ihnen ihre erstgeborenen Söhne, also ihre Thronfolger. Am nächsten Tag brachen alle Könige in lautes Wehklagen aus, da ihnen Niall das wichtigste genommen hatte und zwar ihre Kinder." Lächelnd streicht Diantha Fianryn über den braunen Haarschopf. "So schworen ihm alle neun Gefolgschaft und folgten ihm nun endlich. Der fortan Niall Noigíallach genannte, also Niall von den Neun Geiseln, tat den Kindern aber nicht das Geringste an, sondern lehrte sie sehr viel und sorgte sich immer um ihr Wohl. Er führte die Stämme weiter und weiter nach Nordosten, und schließlich erreichten sie ihr Ziel. Es war fast genau so, wie Niall es erträumt hatte, nur war das Gras der fruchtbaren Tiefebenen noch ein wenig grüner und das klare Wasser noch ein wenig blauer als in seiner Vision. Als die Anführer der neun Stämme dies sahen, beschlossen sie Niall Noigíallach zum Hochkönig zu krönen. Niall benannte das Land nach seinem Volk, den Lagin und ließ die Söhne frei, doch ein jeder kehrte freiwillig zu ihm zurück, sodass die ehemaligen Geiseln seine treuesten Gefolgsmänner wurden. So endet die Geschichte von Niall Noigíallach für alle Beteiligten gut und auch heute wissen die Hochkönige Laigins noch, dass man mit List und Klugheit viel mehr erreichen kann als mit Gewalt."

Als die Geschichte fertig erzählt ist, bleiben die Kinder noch einen Moment am Tisch sitzen, doch bald zieht es sie wieder hinaus in den Garten und den Kuchen würdigen sie keines Blickes. Besonders Ladir scheint die Gelegenheit nutzen zu wollen, zur Abwechslung mit gesunden Kindern spielen zu können und so tollen die drei übermütig über das Gras. "Es ist schon eine ganz nette Geschichte, findet ihr nicht?", fragt Diantha in die Runde. "Ich habe sie vor vielen Jahren das erste Mal gehört und für die Kinder ein wenig abgeändert, es ist natürlich nicht überliefert, was genau die neun Könige sagen. Allerdings denke ich nicht, dass ein Laiginer etwas dagegen hätte, wenn er die Geschichte in dieser Version hören würde, der Sinn bleibt schließlich erhalten." In diesem Moment gibt Njáll ein Glucksen von sich und rudert dazu mit den Armen, als wolle er feststellen, dass er auch dieser Ansicht ist. "Oha, wie es aussieht haben wir heute Nachmittag gute Laune!", stellt Diantha zufrieden fest und wickelt ihren Sohn aus dem Tuch, das ihn an ihrer Brust hält, damit er etwas mehr sehen kann. Das scheint dem Kleinen zu gefallen, mit seinen beinahe zwei Monaten nimmt er seine Umwelt schon durchaus wahr. Sein Blick wandert erst zu Ierás, dort verweilt er aber nur kurz, danach wird Riarîl ausgiebig in Augenschein genommen. "Na, du scheinst ihm zu gefallen", stellt Diantha amüsiert fest, als Njáll der Heilerin ein breites, zahnloses Grinsen schenkt. Der Säugling hatte zwei Siebentage zuvor das erste Mal gelächelt, seitdem tut er es häufig und ausgiebig, wie als Belohnung für die häufigen nächtlichen Störungen. "Möchtest du ihn mal nehmen?", fragt Diantha mit einem sanften Lächeln. "Es ist ja wirklich lustig, wie begeistert er von ihr ist", meint sie an Ierás gewandt. "Als wüsste er, das sie uns damals geholfen hat. Kommen wir noch einmal zurück: Wovon spracht ihr, als ich zurück in die Laube kam? Worüber braucht ihr keine Geheimnisse vor mir haben?" Sie grinst spitzbübisch und gesteht ein: "Ja ja, ich weiß, ich bin neugierig..."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Kea am 03. Okt. 2008, 22:41 Uhr
In der Nacht und am Morgen des 17. Sonnenthrons

Für einen kurzen Moment ist einfach alles perfekt. Kea erwacht aus einem zwar kurzen, aber dennoch erholsamen, traumlosen Schlaf, ihr Mann neben ihr und obwohl sie sich noch nicht völlig orientieren kann, weiß sie, dass jetzt auch mit dem Kind alles gut wird. Doch der Moment ist schnell wieder vergangen, als eine Wehe die werdende Mutter unnachgiebig ins Hier und Jetzt zurückholt. Die nächste halbe Stunde, in ihrem Bett liegend, war zwar nicht unangenehm gewesen, aber Kea weiß auch, dass sie keine Ruhe mehr finden wird, bis dieses Kind geboren ist. Nach der folgenden Wehe hält sie es nicht länger zwischen Kissen und Decken aus, sie muss einfach aufstehen und irgendetwas tun, um diese Geburt zu beschleunigen. Die ersten Stunden hält Kea das Umhermarschieren auch problemlos durch, folgsam läuft sie im Westflügel auf und ab, geht sogar hinaus in den Garten, läuft durchs Gras und lässt sich schließlich von Ierás wieder zurück in die große Halle führen, wo sie weiterhin eine Runde nach der anderen dreht. Kolikpferd… sie erinnert sich daran, was Morna bei der Geburt des kleinen Njálls zu Olyvar gesagt hat, was ihr ein kleines Lächeln entlockt. Na wenigstens damit kenne ich mich aus.

Sie versucht sich zu entspannen und sich immer wieder einzureden, dass Niniane nichts Negatives im Wesen ihres Kindes gespürt hat, doch so ganz will es ihr nicht gelingen. Was wenn sie sich irrt, vielleicht war auch Vhaerago ein zuckersüßes Baby. Ob seine Mutter sich bei seiner Geburt gedacht hat, dass er einmal den Beinamen der Grausame erhalten wird
Es fällt Kea nicht leicht, sich abzulenken, schließlich bringt es nicht einmal etwas, sich auf die Geburt zu konzentrieren, denn deswegen geht es nicht schneller und die Wehen werden schon gar nicht weniger unangenehm. Also versucht die junge Halbelbin krampfhaft an etwas anderes zu denken, irgendetwas, wobei ihr einfällt, dass sie etwas Wichtiges vergessen haben, nur leider fällt ihr dabei nicht ein, was genau. Im Kopf zählt Kea all die Dinge auf, die sie in den letzten Monden für den kleinen Familienzuwachs erstanden haben. Sie hatten Windeln, Decken, Kleidung in allen verschiedenen Farbvariationen, eine Wiege, bestickte Kissen, gestrickte Schühchen, das Kinderzimmer war völlig fertig eingerichtet, sie hatte schon im Vorhinein Salben und Puder in solchen Mengen gekauft, dass sie jedem Pferd ihres Stalles den großen Hintern versorgen könnte wenn sie wollte und immer noch genug für ihr Kind hätte, aber trotzdem… irgendetwas fehlt. Als es ihr dann einfällt, wäre Kea am liebsten schon wieder in Tränen ausgebrochen. Ich werde die schrecklichste Mutter der ganzen Immerlande sein! Ich werde das Kind verlieren, vergessen, in der Badewanne unabsichtlich ersäufen, es zu fest halten, fallen lassen oder etwas ähnliches! „Ierás?“
Obwohl sie die Tränen weitgehend zurück hält, kann sie Ierás nichts vormachen. Sofort hört er das Zittern in ihrer Stimme und spürt, dass ihr Atem schneller geworden ist. >Was ist, Neyá? Soll ich dir irgendetwas holen?< Die nächste Wehe überfällt sie einigermaßen und es dauert einen Moment, in dem Kea anstatt zu antworten Ierás Hand quetscht. „Nein, nichts holen. Aber… wir haben noch gar keinen Namen!“

Das Nachdenken über einen Namen hat sie wenigstens einige Zeit gut beschäftigt und sie sogar zum Lachen gebracht. "Petronilla" hat Ierás grinsend vorgeschlagen und Kea hat schmunzelnd mit den Augen gerollt, ihn scherzhaft gebeten doch ernsthaft zu sein, immerhin spräche er hier von ihrem Kind und nicht von einem Kälbchen, und daraufhin ohne auch nur eine Miene zu verziehen den Namen "Athalgundja" vorgeschlagen. Ierás breites Grinsen war in einen nicht enden wollenden Lachanfall übergegangen, worauf Kea - fast glaubwürdig böse - die Augen zusammen gekniffen hatte und gefragt hatte, was er gegen diesen Namen wohl hätte, immerhin wäre das der Name ihrer seligen Tante gewesen, und er bräuchte sich darüber gar nicht lustig zu machen. Kurz hatte Ierás sie erstaunt angesehen und dann waren sie gemeinsam wieder in Lachen ausgebrochen.
Doch auch die heiteren Stunden im Burggarten sind Stunden in denen sie warten und gehen, warten und gehen, hauptsächlich gehen. Es geht langsam gegen Mitternacht, als Kea zum ersten Mal darum bittet sich hinsetzen zu dürfen. Doch auch wenn sie im Sitzen ihre müden Füße erholen kann, dem Fortschreiten der Geburt ist es kein bisschen dienlich, werden doch die eigentlich schon recht regelmäßigen Wehen plötzlich wieder seltener. Kea lässt sich klaglos den nächsten Trank einflößen, der nicht weniger widerlich schmeckt als die letzten und erhebt sich dann schwerfällig wieder aus dem weichen Sessel. Sie spürt die langsam aufkeimende Sorge in Ierás, der versucht für sie stark zu sein, in Diantha, die immer wieder kontrolliert, ob auch noch genügend Wasser im Kessel ist, in Mattis, der ständig seinen Kopf zur Türe rein steckt um zu fragen, ob er noch irgendetwas für sie tun kann und was sie am meisten beunruhigt ist, dass sie die Sorge auch in Niniane spüren kann. Sie ist so mächtig, sie hat die Magie unseres Kindes in seinem Blut einschlafen lassen und jetzt sorgt sie sich…

Mühsam unterdrückt Kea den Wunsch sich einfach vor Niniane auf den Fußboden zu werfen und sie anzuflehen ihr zu erlauben sich hinzusetzen, hinzulegen oder wenigstens stehen zu bleiben, stattdessen macht sie noch einen weiteren Schritt und noch einen, langsam aber stetig. Mittlerweile hat sie nicht mehr das Gefühl auch nur noch den Fuß vom Boden aufheben zu können und bei jedem Schritt schleift ihre Ferse über die Dielen. Die nächste Wehe zwingt sie fast in die Knie, wäre Ierás nicht bei ihr und hätte sie aufgefangen. Mit aller Kraft die ihr noch bleibt klammert sie sich an seinen Arm, den er fest um sie gelegt hat und knurrt das kleine Wesen in ihrem Leib an. „Jetzt streng dich doch endlich an, ich tu’s ja auch!“
Die Tatsache, dass sie langsam Mühe hat sich auf den Beinen zu halten scheint jetzt auch Niniane deutlich zu beunruhigen und sie schickt Kea und Ierás hinauf ins Turmzimmer, während sie selbst losgeht, um einen neuen Trank für Kea aufzusetzen. Die Stufen hinauf in den Turm scheinen Kea viel mehr als normalerweise zu sein, und dabei waren die Treppen schon in den letzten Monden recht anstrengend für sie geworden. Ierás hat beide Arme um sie gelegt, um sie etwas nach oben zu ziehen und sie fühlt sich schwer wie ein Pferd in seinem Griff. Sie ist kaum drei Stufen gestiegen als schon die nächste Wehe über sie hinweg rollt und sie zitternd und müde zurück lässt. Ierás reibt sich mit einer Hand den Oberarm, den sie gerade so gegen seinen Hals ausgetauscht hat, um den sie kurz davor noch ihre Arme gelegt hatte. Nach einer kurzen Atempause und zehn weiteren Stufen spielen sie das gleiche Spiel noch einmal. Ierás flüstert ihr unablässig ermutigende Worte zu, doch Kea hört davon rein gar nichts, denn das Blut rauscht so laut in ihren Ohren, dass seine Stimme einfach darin untergeht. Sie ist kaum oben angelangt, da sind auch schon Niniane und Diantha hinter ihr, so lange hat sie gebraucht um in das Turmzimmer zu gelangen. Die Waldläuferin füllt einen Becher mit einer Mischung aus Himbeerblättertee, Frauenwurzel und Carsaisegen, während Olyvars junge Frau Tücher, Wasser, Decken und Kissen so platziert wie sie für die Geburt benötigt werden. Eigentlich hat Kea nicht mehr das geringste Bedürfnis auch nur irgendetwas in sich hinein zu füllen, aber sie nimmt brav den Becher aus Ninianes Hand und macht einen großen Schluck. Just in diesem Moment kommt allerdings die nächste Wehe. Die Muskeln ihres Bauches verhärten sich wie Stein, aber ihre Finger lassen vor Schreck den Becher fallen und der gesamte Inhalt ergießt sich über ihre Füße. Als die Wehe vorüber ist, schafft Kea es gerade noch nach der Waschschüssel zu greifen, die immer in ihrem Zimmer steht und erbricht alles was Niniane ihr mühsam in den letzten Stunden eingeflößt hat um die Geburt ein wenig zu beschleunigen.
„Entschuldigung…“, flüstert sie etwas atemlos und bückt sich um den Becher aufzuheben, den sie fallen ließ, aber noch ehe sie ihn erreicht zwingt eine erneute Wehe sie in die Knie. Als sie sich wieder aufrichten kann, greift sie mit einer Hand nach Ierás Arm, in der anderen hält sie jetzt tatsächlich den Becher, und lässt sich von ihm hoch helfen. Diantha ist derweil so freundlich und beeilt sich die Waschschüssel mit Keas Mageninhalt zu entfernen.
„In Ordnung, ein neuer Versuch.“ Ihre Stimme ist etwas rau und krächzend von den vielen tiefen, geknurrten Schmerzenslauten die sie die ganze Nacht über immer wieder so von sich gegeben hat. Doch weit kommen sie auch diesmal nicht, denn noch ehe Kea den frisch gefüllten Becher wieder an sich nehmen kann, kommt die nächste Wehe. Schnaufend und prustend krallt Kea ihre Finger um Ierás Hemdkragen und zieht so das Gesicht ihres Mannes tief und schmerzlich zu ihr hinunter.
„Sei nur froh,... dass… das unser… einziges Kind sein wird,…denn das nächste… müsstest… du bekommen!“ Ierás Gesicht ist mindestens so rot wie Keas, als sie endlich wieder locker lässt und mit großen Augen zwischen ihm und Niniane hin und her schaut. Angesichts der heftigen Wehe und vor allem der Tatsache, dass die Kontraktionen plötzlich so schnell hintereinander kommen, hat niemand auf die kleine Pfütze geachtet die sich langsam zwischen Keas Füßen bildet. „Fruchtblase“, flüstert die Schmiedin als sie die warme Flüssigkeit an ihren Beinen spürt und lenkt damit alle Blicke auf den Boden. Nach einer kurzen Schrecksekunde beordert Niniane Kea kurzerhand ins Bett, wobei Ierás nicht darauf wartet, dass seine Frau die wenigen Meter selbst überwindet, sondern sie sich kurzerhand schnappt und zwischen die Kissen verfrachtet. Er hat sie gerade erst hoch gehoben da zieht sich Keas Körper schon wieder unter heftigen Schmerzen zusammen. Obwohl ihr danach ist, bleibt Kea zum Fluchen eigentlich kein Atem mehr, stattdessen hält sie die Zähne zusammen gebissen und versucht trotzdem noch genügend Luft in die Lungen zu bekommen. Sie versucht daran zu denken was ihre Mutter immer gepredigt hatte, von wegen in den Bauch atmen, aber tatsächlich hat Kea kaum noch das Gefühl ihren Körper selbst zu steuern. Sie hört gerade noch wie Niniane, die ursprünglich nach dem Muttermund sehen wollte, feststellt, dass das Kleine es jetzt aber wirklich eilig hat und bemerkt schon nicht mehr wie Diantha wieder zurück in den Raum kommt. Fast wie eine Beschwörungsformel klingt es, als sie sie alle mit „Pressen“ anfeuern und Kea fragt sich langsam wirklich was sie denken, dass sie hier tut. „Mistkerl… Name!!“ bringt sie schließlich gerade so heraus als irgendjemand bemerkt, dass der Kopf schon ein gutes Stück zu sehen ist. >Was?< Ierás Nerven sind ohnehin schon schwer malträtiert, und dass sie ihn in dieser Situation jetzt auch noch versucht dazu zu bringen sich für einen Namen zu entscheiden, ist eindeutig zu viel verlangt, denn außer einem gestammelten >Das kann wirklich kurz warten!< bringt er nicht viel heraus. Es vergehen noch drei heftige Wehen in denen Kea das Gefühl hat, auch ihre Beckenknochen mit nach außen zu pressen, aber dann ist es tatsächlich geschafft.
>Ein Mädchen!< überbringt die Waldläuferin den frisch gebackenen Eltern die Nachricht, die sie schon seit mehreren Stunden weiß und macht sich daran die Nabelschnur zu durchtrennen und das Baby kurz darauf zu untersuchen, ob Herz und Atmung in Ordnung sind und auch alles an der richtigen Stelle, in der richtigen Anzahl angewachsen ist. Doch Kea, die gerade erst wieder Luft holen kann, streckt sofort die Arme nach der Kleinen aus.
„Es ist mir scheißegal wie viele Zehen sie hat, gib sie mir, bitte!“
Nicht, dass Kea auch noch die Kraft hätte aufbringen können, sich gegen irgendetwas zu wehren, aber trotzdem gewährt ihr Niniane den Wunsch und reicht ihr das maunzende, strampelnde Bündel. Sie kann selbst sehen, dass an ihrer Tochter alles perfekt ist, von den Fingern, den Zehen über das kleine Näschen und die winzigen Ohren mit den perfekt geformten Spitzen. Die Kontraktion mit der dann auch die Nachgeburt zum Vorschein kommt ist zwar noch unangenehm, aber nichts kann Kea davon ablenken das schwarze Haar ihres Kindes zu betrachten. Ihre Augen sind blau wie die aller Babys, aber nicht so strahlend wie die Njálls, sondern es ist schon eindeutig zu erkennen, dass diese Farbe nicht immer so bleiben wird. Ierás küsst immer wieder ihre Schläfe und ihr schweißnasses Haar und braucht gar kein Wort zu sagen damit sie weiß, dass auch er ihr Kind einfach vollkommen findet. Jetzt wo Kea sie in den Armen hält, kann sie kaum glauben jemals daran gezweifelt zu haben, dass mit diesem Kind alles in Ordnung sein würde. Sie spürt Ierás Geist der vorsichtig nach ihrem tastet und das Wort das er ihr sendet zaubert endgültig ein zufriedenes Lächeln auf ihr Gesicht. „Elea.“ Als sie den Namen ausspricht, ist Kea sich völlig sicher, dass es der Richtige ist. Schließlich lässt sie sich das Kind auch einen Moment abnehmen, damit es gewogen, gemessen und auch gewaschen werden kann. Währenddessen hilft Ierás ihr aufzustehen und ein anderes Leinengewand anzuziehen, während Diantha das Bett von den Geburtslaken befreit. Zurück im Bett spürt Kea die Müdigkeit, von der sie während den letzten Augenblicken der Geburt bis jetzt nichts mehr gemerkt hat. Ierás bringt ihr die kleine Elea zurück, die auf 50 Sekhel und 3100 Gran gemessen und gewogen wurde. Ihre Tochter findet, als sie sie anlegt, auch sofort die Brustwarze und beginnt kräftig zu saugen was Kea ein erleichtertes Seufzen entlockt.
Ierás sitzt neben ihr auf dem Bett, einen Arm um ihre Schultern gelegt, während Niniane und Diantha neben ihr stehen und scheinbar ebenso erleichtert sind, dass Kind und Mutter die lange Geburt endlich gesund und munter überstanden haben.
„Danke“, Keas Blick trifft die goldenen Augen Ninianes. „Für alles!“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Azra am 19. Nov. 2008, 19:50 Uhr
Noch irgendwann im Erntemond

„Als ob ihr in der Harfe nicht die beste Köchin der Welt hättet“, schnaubt Olyvar und erntet ein halbwegs stolzes Grinsen und ein kräftiges Nicken von Azra. „Da hast du Recht“, stimmt sie ihm eifrig zu und hebt in einer beschwörenden Geste die Hände: „Ich wüsste gar nicht, was wir ohne Sigrun tun würden. Als sie damals krank war… Götter, ihr hättet Borgil erleben müssen, oder besser gesagt die arme Aushilfe, die ihm _überhaupt_ nichts Recht machen konnte, egal wie sehr sie sich bemühte. Ich meine… die Hälfte von dem, was sie kochte, konnte man sogar essen…. So mehr… oder weniger.“ Letzteres sagt sie keineswegs mit der Überzeugung einer Frau, die von besagtem Essen auch etwas gekostet hat. Hat sie nämlich nicht. Dafür hatte sie sich nachts heimlich mit knurrendem Magen in die Küche geschlichen, um etwas von dem Schinken und dem Brot zu stibitzen. Borgil hingegen hatte heroisch geschluckt, was die junge Aushilfe ihm in ihrem übereifrigen Enthusiasmus vorgesetzt hatte. Zumindest solange, bis sogar sein steinharter Zwergenmagen rebelliert und er wohl zum allerersten Mal in seinem Leben wie ein grünohriger Sommerbengel über einem Eimer hing und sich die Seele aus dem Leib kotzte. Zum Glück war Sigrun am Tag darauf wieder in der Küche erschienen, und man hätte sie wohl mit Fanfaren und Trompeten begrüsst, wären solche zur Hand gewesen.
"In unserem Fall ist es ein Koch namens Weonard, der sich im Übrigen für niemand Geringeren als einen Gott am Herd hält und mir ständig in den Ohren liegt, dass ein Lord Comander nichts an selbigem zu suchen hätte. Aber wenn du auf die Honigfinger hier anspielst, die haben wir verbrochen - Conn, Fian und ich gestern Abend, deshalb sehen sie wohl auch so aus wie sie äh... aussehen." „Oh, wie süss“, gibt Azra voller Entzückung von sich und betrachtet hingerissen den Honigfinger, den Olyvar ihr entgegen streckt und der von der Form her an einen gichtkranken Mehlwurm erinnert. Dianthas Einwurf, sie wisse ja gar nicht, was Olyvar gegen besagten Weonard habe, klingelt vor Belustigung und lässt Azra, mal abgesehen von der Vorstellung eines mehlbedeckten Lord Comanders mit zwei nicht minder gepuderten Winzlingen vor dem Ofen, grinsen.
Zusätzlich ereifert sich die Immerfrosterin hastig, dass die Honigfinger möglicherweise etwas krumm und schief aussähen, sie aber absolut köstlich wären. Das lässt sich Azra nicht zweimal sagen, denn sie liebt diese herzländische Süssigkeit. Prompt steckt sie sich einen in den Mund… und gibt ein seliges Seufzen von sich. Genau das habe ich jetzt gebraucht, denkt sie, gerade als ein gieriges Patschehändchen mitten in ihrem Gesicht landet und Bræn krakeelend nach Aufmerksamkeit verlangt. „Oey!“ Lachend wischt sich Azra die klebrigen Fingerchen von der Wange und angelt rasch nach einem zweiten Honigfinger, an dem ihr Sohn kurz darauf hingebungsvoll herumnuckelt. Dafür hat Azra aber keinen Blick mehr, denn als Olyvar sie dazu auffordert den Kuchen wieder herauszurücken, er wolle wenigstens ein Stück davon probieren, verschlägt es ihr glatt den Atem. „Ah“, röchelt sie schon fast entsetzt und greift nach der Kuchenplatte, um den Lords Comander – der übergeschnappt sein muss – vom Selbstmord abzuhalten. „Nein“, stammelt sie nach Luft jappsend: „Das kannst du nicht, das geht doch nicht, du kannst nicht, das ist, du bist, nein! Olyvar! Lass das! Nicht! Du wirst dich noch selber vergiften! Oh, na schön, aber glaub bloss nicht, dass ich um dich trauern werde, wenn du an dem Stück elendig erstickt bist!“ Doch die gelinde Panik, die in ihrer Stimme mitschwingt, straft ihren ungerührten Worten Lügen, und als er sich dann doch WIRKLICH ein Stück verbranntes Etwas in den Mund schiebt wird Azra bleich um die Nasenspitze und schlägt sich eine Hand vor den Mund. Oh Götter, oh Götter, oh Götter, gleich kippt er um, gleich röchelt er nach Luft, gleich hab ich eine zornige Immerfrosterin am Hals, weil ich ihren Mann mit einem Stück Apfelkuchen vergiftet habe! Oh Götter!
Olyvar… kaut.
Und kaut.
Und kaut.
Und kaut noch immer, als sein Gesicht längst abwechselnd rot und weiss anläuft vor Anstrengung die „unglaubliche Köstlichkeit“ nicht sofort wieder auszuspucken. Heroisch spuckt er zwischen zwei angestrengten Atemzügen ein „"Phänomenal. Wirklich“, hervor und schiebt gleichzeitig den Kuchen so weit weg, wie nur irgendwie möglich. „Ich habs dir doch gesagt!“, schnaubt Azra nur halb so vorwurfsvoll, wie sie es gerne hätte, als der stolze Lord Comander sich auch noch die Tränen aus den Augen wischen muss. „Ohje“, meint sie dann doch halbwegs mitfühlend, als er erstickt nach Kaffee verlangt: „So schlimm? Ich lass wohl besser die Finger vom Backen, bevor ich noch damit noch jemanden umbringe.“ Olyvar stimmt ihr zu, indem er die Tasse leert, ohne abzusetzen. Diantha zeigt weniger Erbarmen mit ihrem armen Ehemann und gleich darauf lachen sie alle Drei über Azras misslungenen Versuch einen zumindest halbwegs anständigen Kuchen zu zaubern und Olyvars nicht minder mutigen Versuch diesen auch noch zu essen. Die Kinder kichern mit, auch wenn sie die Ablenkung in Form eines hustenden Olyvars zusätzlich nutzen, um ein paar Honigfinger mehr zu stibitzen und dann rasch das Weite zu suchen.
„Brenainn! Iss nicht alle auf einmal!“, ruft Azra ihrem Ältesten hastig hinterher und erntet ein verschmitztes Grinsen und ein eifriges: „Ja, máthair“, kurz bevor alle Honigfinger auf einmal mit einem Happs in Brenainns Gierschlund landen. Resignierend schüttelt Azra den Kopf, zuckt hilflos mit den Schultern und erkundigt sich: „Machen das eure Kinder auch so?“ Die Antwort liefern ihr die Zwillinge selbst, als sie mit prallen, runden Wangen, vollgestopft mit Honigfingern, an ihr vorbeihüpfen und dabei fast über Koira stolpern, deren breites Hinterteil unter dem Tisch hervorlugt. „Ich sehe schon.“ Verständnisvoll verdreht Azra die Augen und wiegt Bræn zärtlich, als dieser leise anfängt zu wimmern und mit seiner Nase wie ein Schwein auf Trüffelsuche gegen ihre Brust stubbst. Verlegen, dass ihr nimmersatter Sohn, der erst vor kurzem getrunken hat, schon wieder quengelig wird, blinzelt sie zu Diantha auf und bittet sie freundlich, aber vor allem vorsichtig, weil sie nicht weiss, wie das in Immerfrost gehandhabt wird: „Ich würde ihn gerne stillen. Könntest du mir vielleicht das Kleid öffnen? Also nur, falls es dir nichts ausmacht.“ Sie hatte Bræn schon oft gestillt, wenn Olyvar in der Harfe anwesend gewesen war, schliesslich hatte er sie auch schon in einem ganz anderen Zustand gesehen. Allein die Erinnerung an die Momente in Tian Shis Haus, wo sie nur mit einem Leibchen und einem Unterrock bekleidet vor Olyvar auf der Treppe gesessen und ihm ihre Hüfte hatte zeigen müssen, treibt ihr die Schamesröte ins Gesicht. Hastig senkt sie den Kopf und wechselt das Thema so abrupt, dass es einen Augenblick dauert, bis die anderen nachgekommen sind. „Olyvar, ich mache mir Sorgen.“ Ah, nicht, du  wolltest nicht darüber reden! Andererseits liegt es ihr schon so lange auf dem Herzen, dass sie gar nicht anders kann, als es endlich jemandem zu erzählen. Und wer würde sich dafür besser eigenen als der Lord Comander persönlich, der die ganze Sache schliesslich überwacht. „Um Tiuri, meine ich“, fügt sie hastig hinterher, als sie erkennt, dass keiner der beiden versteht, wovon sie redet. Fahrig hebt sie die Hand, macht den Mund auf und wieder zu und streicht sich dann in einer völlig hilflosen Geste übers Gesicht. „Olyvar, ich weiss nicht, was ich noch tun kann, um diesen… diesen… Taugenichts!... davon abzuhalten, sich ins eigene Schwert zu stürzen! Ich meine, er ist noch ein halber Junge! Er ist kein Kämpfer und noch viel weniger ein Krieger, und nur weil er gelernt hat wie man ein Schwert richtig hält, heisst das noch lange nicht, dass er unbesiegbar ist. Aber genau dafür scheint er sich gerade zu halten. Für unbesiegbar und ich sterbe täglich tausend Tode, wenn er einmal nicht rechtzeitig nach Hause kommt. Bitte, Olyvar.“ Flehentlich hebt sie den Blick und weiss gar nicht wohin mit ihrer Verzweiflung. Olyvar scheint ihr die letzte Person zu sein, die bei Tiuri noch etwas ausrichten kann, wo doch schon Borgils Mahnungen nichts genützt haben. Und sie selbst hat stundenlang auf den jungen Mann eingeredet, wie auf ein krankes Tier, bis er sie irgendwann in den Arm genommen und ihr versprochen hatte, auf sich aufzupassen. „Rede mit ihm. Sag ihm, dass er diese gefährliche Arbeit deinen Leuten überlassen soll. Leuten, die… die… du weißt, was ich meine.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 23. Nov. 2008, 11:56 Uhr
Im Sonnenthron



Als Olyvar sich von dem Kuchenschock erholt hat und sich einen zweiten Becher Cofea einschenkt, um den Brandgeschmack endgültig aus seinem Mund zu bekommen, meldet sich Azras kleiner Sohn mit hungrigem Jammern und Borgils Frau bittet Diantha, ihr mit dem Kleid zu helfen. >Ich würde ihn gerne stillen. Könntest du mir vielleicht das Kleid öffnen? Also nur, falls es dir nichts ausmacht.< Olyvar denkt sich im ersten Augenblick gar nichts dabei, schließlich begegnet er (wie jeder andere Mann Talyras auch) so gut wie jeden Tag irgendwelchen stillenden Müttern, von den Waschfrauen der Steinfaust über Ammen von Waisenkindern bis hin zu Bürgerinnen Talyras - und all diese Frauen mit ihren hungrigen Kindern können nicht erst warten, bis der Lord Commander der Steinfaust wieder von der Bildfläche verschwunden ist, ehe sie ihrem schreienden Nachwuchs die Brust geben, abgesehen davon sieht er fremden Frauen für gewöhnlich ins Gesicht, egal in welchem Bekleidungszustand sie sich befinden. Natürlich ist Diantha Azra behilflich - oder würde es gerne sein, denn was auch immer an Seidenbänderschnürung seine Frau am Rückenteil von Azras Gewand vorfindet, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, überfordert es sie gründlich. Mit spitzen Fingern und einer hilflosen Grimasse scheint Diantha dort nämlich die Mutter aller Knoten entdeckt zu haben und nicht etwa eine einfache Kreuzschnürung, doch auf ihren ratlosen Blick hin, kann Olyvar auch nur mit den Schultern zucken. Diantha zupft hier und dort, und rückt den Bändern an Azras Gewand hinter deren Rücken schon mit einer imaginären Klinge zu Leibe, was Olyvar hastig den Kopf schütteln lässt, doch dann hat sie scheinbar das richtige Ende gefunden, zieht und zerrt und bekommt es auf. Azras Kleid klafft auseinander, Bræn findet was er sucht, das Hungerjammern verstummt abrupt und wird von einem seligen Schmatzen abgelöst. Azra scheint jedoch keineswegs erleichtert, sondern läuft vor lauter Verlegenheit so rot an wie eine von Achims schönsten Tomaten und verbirgt ihr Gesicht prompt hinter einem Vorhang silberner Locken, während sie dem Baby an ihrer Brust sacht den windelgepolsterten Hintern klopft.

Olyvar, noch immer dabei, sich zu wundern, dass ausgerechnet Borgils Frau so ungeheuer schüchtern sein kann, kann Azras leise Worte, sie mache sich solche Sorgen im ersten Moment wirklich nicht einordnen. Er will schon fragen, worüber, als Azra hastig hinzufügt, sie meine natürlich Tiuri. Olyvar tauscht einen verwunderten Blick mit Diantha, die sich wieder setzt. "Tiuri? Aber warum? Hat er irgendetwas..."
Azra schüttelt hastig den Kopf und platzt dann heraus: >Olyvar, ich weiß nicht, was ich noch tun kann, um diesen&#8230; diesen&#8230; Taugenichts!... davon abzuhalten, sich ins eigene Schwert zu stürzen! Ich meine, er ist noch ein halber Junge! Er ist kein Kämpfer und noch viel weniger ein Krieger, und nur weil er gelernt hat, wie man ein Schwert richtig hält, heißt das noch lange nicht, dass er unbesiegbar ist. Aber genau dafür scheint er sich gerade zu halten. Für unbesiegbar und ich sterbe täglich tausend Tode, wenn er einmal nicht rechtzeitig nach Hause kommt. Bitte, Olyvar. Rede mit ihm. Sag ihm, dass er diese gefährliche Arbeit deinen Leuten überlassen soll. Leuten, die&#8230; die&#8230; du weißt, was ich meine.<
"Ahm..." Olyvar weiß ehrlich gesagt nicht, was er zu Azras besorgtem Ausbruch sagen soll und noch weniger weiß er, was er ihr sagen soll. Von Borgil hatte er nämlich erst vor wenigen Wochen noch etwas ganz anderes über den Jungen gehört und der Zwerg hatte praktisch seine gesamte Grundausbildung mit dem Schwert übernommen. Azras mütterliche Sorge in Ehren, aber mit einem solchen Lehrmeister kann Tiuri überhaupt nicht so schlecht sein - und er ist es auch nicht, schenkt man Borgil Glauben. "Ah... Azra, ich verstehe deine Sorge, du magst den Jungen wirklich gern nicht wahr? Aber um ehrlich zu sein hat Borgil schon desöfteren mit mir über Tiuri gesprochen und ich... ahm... habe schon darüber nachgedacht, ihm vielleicht einen Posten bei der Stadtgarde anzubieten, wenn diese... Jagd nach dem irren Mädchenmörder vorbei ist. Er soll gar nicht schlecht sein mit dem Schwert. Natürlich muss er noch viel lernen, aber Borgil scheint der Meinung zu sein, dass ein ganz brauchbarer Kämpfer aus ihm werden könnte..."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Ieras am 07. Jan. 2009, 19:02 Uhr
Ende Beerenreif/Anfang Erntemond 508


Idiot. Einfach so mit der Tür ins Haus zu fallen. Vielleicht hättest du dich ja erstmal ein wenig mit ihr unterhalten können, ehe du ihnen von dem Brief ihrer Eltern erzählst. Ierás ärgert sich wirklich über sein eigenes, diplomatisches Ungeschick und verfolgt das Gespräch der beiden Frauen, das sich erst einmal anderen Themen zuwendet, die meiste Zeit schweigend. Die Frage Riarils, ob er denn schon eigene Kinder habe, beantwortet er zuerst mit einem strahlenden Lächeln, ehe er Diantha und die Elbin kurz über die neuesten Entwicklungen Eleas in Kenntnis setzt. Er muss sich zügeln, um nicht in völlige Schwärmerei auszubrechen, denn seine kleine Tochter hatte ihn, kaum zwei Minuten auf Rohas schönem Rund, schon völlig um den Finger gewickelt. Ierás entschuldigt sich mit einem verschmitzten Grinsen, doch die Antwort der beiden Frauen ist ein verständnisvoller Blick und ein Lächeln.
Diantha, die zuerst ein wenig nervös erschienen war, löchert die Elbin mit Fragen, so dass Ierás erst einmal nicht dazu kommt, Riarils Fragen zu beantworten. Im Laufe ihres Gespräches spricht die Heilerin eine Einladung an Diantha und die Zwillinge aus, sie doch einmal in Immergrün besuchen zu kommen. Die Immerfrosterin nimmt die Einladung zunächst etwas zögerlich an und bringt gleich darauf ihre Sorge um die Nerven der Patienten und die Gesundheit der Kinder zum Ausdruck.
Ierás versteht den Gedanken, dass man bettlägerigen Patienten wohl nicht den Lärm fremder Kinder zumuten sollte und er versteht auch die Angst vor einer möglichen Infektion. Bei dem Gedanken, dass seine Tochter fiebernd und vor Schmerzen weinend in ihrer Wiege liegt, zieht sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Bisher waren sie zwar von etwas schlimmerem als einem kleinen Windelausschlag verschont geblieben, doch Dianthas Worte erinnern ihn daran, das selbst eine gehörige Portion Elbenblut nicht immer vor Krankheiten schützt. Riaril bemüht sich zwar, die Sorgen der jungen Frau zu zerstreuen, doch so recht will ihr dies nicht gelingen, denn Diantha erklärt kurz darauf, woher ihre Sorge rührt. Die Stimmung zwischen den beiden Frauen ist plötzlich für einige Herzschläge lang angespannt und Ierás sieht, eine Augenbraue leicht angehoben, von einer zur anderen, denn so ganz kann er diesen plötzlichen Umschwung nicht verstehen. Er will gerade den Mund öffnen, um ein anderes Thema anzubringen, als Riaril ihm zuvorkommt, indem jetzt sie Diantha mit Fragen über ihr bisheriges Leben löchert. Und da Ierás, bis auf die Tatsache, dass sie seinen Halbgeschwistern eine gute Mutter ist und Olyvar glücklich macht, nur wenig über die junge Frau weiß, hält er weiterhin den Mund und hört zu.

>Als wüsste er, das sie uns damals geholfen hat. Kommen wir noch einmal zurück: Wovon spracht ihr, als ich zurück in die Laube kam? Worüber braucht ihr keine Geheimnisse vor mir haben? Ja ja, ich weiß, ich bin neugierig...< Diantha reißt ihn aus seinen Gedanken, die irgendwo zwischen seiner Frau und der kleinen Elea und dem Haufen an Arbeit, der noch auf ihn wartet, herumgeistern. Ierás tauscht einen kurzen Blick mit der Heilerin, doch da diese völlig mit Njáll in ihrem Arm beschäftigt ist, ist es an ihm, Dianthas Fragen zu beantworten. "Ja, nun.. Also..." Ierás stockt kurz, da er sich nicht sicher ist, ob Diantha so gern von seiner Mutter hört, aber dann fährt er fort. Sie hatte schließlich gefragt. "Ich habe Riaril Grüße von Kizumu ausgerichtet. Und von Riarils Eltern ebenfalls. Sie haben Kea und mir einen Brief mitgegeben, als wir vom Riathar aufbrachen." Mit einem kleinen Lächeln wendet er sich an die Elbin. "Erst als sie Euren Vater gesehen hat, ist Kizumu wieder eingefallen, woher sie Euch zu kennen glaubte. Als wir vom Riathar aufbrachen ging es ihnen allen gut... auch wenn Rynrela, mein Großvater leider kurz vor unserer Ankunft gestorben ist.... Das war der Grund für den Brief und ihren Aufbruch. Meine Großmutter hatte gehofft, ihren Mann durch den Anblick seiner Tochter retten zu können..." Er zuckt in einer hilflosen Geste mit den Schultern und richtet den Blick auf Njáll, der selbstvergessen versucht, seine kleine Faust in den Mund zu nehmen. Ich sollte aufhören, mich für sie zu entschuldigen... Die Stille, die nun für einige Herzschläge über den dreien schwebt, wird durch Njálls leises Quengeln unterbrochen. Hatte der Säugling eben noch hochzufrieden auf dem Schoß der Elbin gewirkt, so scheint ihm jetzt plötzlich bewusst geworden zu sein, dass es eben doch nur bei der eigenen Mutter wirklich schön ist. Das Quengeln steigert sich in ernstzunehmendes Weinen, als die Elbin versucht, den Kleinen zu trösten. Schließlich reicht sie den Jungen dann aber doch seiner Mutter. Njáll, der seinen Willen durchsetzen konnte, verstummt abrupt und die neuerlich einsetzende Stille ist für Ierás das Zeichen zum Aufbruch. "Diantha, vielen Dank für den Kuchen, aber ich glaube, ich muss mich langsam auf den Weg nach Hause machen, ehe Kea sich selbst in die Stadt aufmacht um mich an den Ohren auf den Hof zu schleifen. Grüß Olyvar von mir und kommt uns doch bald mal besuchen." Er tauscht ein Lächeln mit der Immerfrosterin, streicht Njáll über die runde Wange und wendet sich dann an Riaril. "Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr überfallen, aber ich wollte diesen Zufall nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wenn es Euch Recht ist, werde ich noch heute einen Boten zu Eurem Anwesen schicken? Dann habt ihr den Brief noch heute Abend und müsst nicht erst aus der Stadt heraus."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 12. Jan. 2009, 18:17 Uhr
~ Ende Beerenreif/Anfang Erntemond 508 d5Z ~

Riarîl bemerkt die Veränderung, die mit Diantha vor sich geht, als sie deren Sorgen bezüglich eines Besuchs im Immergrün zu beruhigen versucht, nicht sogleich. Schließlich zeigen ihr allerdings die Worte der jungen Immerfrosterin, dass diese ihren Ausführungen kaum gefolgt ist. »Nun, die Patienten mit Brüchen, Prellungen, Zerrungen, Muskelrissen, Sehnenentzündungen, Gehirnerschütterungen oder dergleichen bereiten mir keine Sorgen, das ist schließlich nicht ansteckend.« Der strahlende Goldton von Riarîls verbliebenem Auge verdunkelt sich zusehends, während sie schweigend Dianthas weiteren Worten folgt. »Ich habe wohl schlicht und ergreifend zu nahe am eigenen Leib erfahren, dass eine Krankheit, die zunächst vollkommen harmlos zu sein scheint, einem letztlich alle Menschen nehmen kann, die einem lieb und teuer sind.« Wovon habe ich eigentlich gerade geredet?, fragt sich die Elbenfrau bei diesen Worten verärgert. Von fliegenden Kühen? »Egal ob Mutter, Vater, Brüder, Schwestern, Tanten, Onkel, Vettern, Basen und Freunde, ich habe zu viele sterben sehen«, führt die Immerfrosterin weiter aus, als ob das, was sie sagt, nicht auch so schon verletzend genug wäre. Glaubst du, du bist die Einzige, die weiß, was es bedeutet, jemanden zu verlieren?, fragt sie in Gedanken bissig zurück. Weißt du, wie es sich anfühlt zwei geliebte Männer, drei wundervolle Söhne und eine winzige Tochter zu begraben ...? Hast du je in ohnmächtiger Hilflosigkeit die Schrecken eines Krieges miterlebt – und alles, was du tun konntest, war nicht genug, einfach nicht genug? Am liebsten würde die Elbenfrau ihr Gesicht vor Gramm in ihren Händen verbergen, doch alles was sie tun kann, ist wie versteinert da zu sitzen und ihr Gegenüber ausdruckslos anzusehen.
»Daher mag ich ein wenig überängstlich sein, was die Gesundheit meiner Kinder angeht. Es ist nun einmal eine prägende Erfahrung, wenn man Menschen reihenweise sterben sieht und ihnen nicht helfen kann«, endet die junge Immerfrosterin schließlich. Sie ist so in Gedanken versunken, dass ihr das nun tiefe, bedrohliche Rot von Riarîls Auge völlig entgeht. Lansunjâdait! Ja, eine prägende Erfahrung, fürwahr. Wer weiß das besser als ich ...? Und deshalb hörst du mir nicht zu? Hörst nur, was du hören willst? Rede ich vielleicht Zsazzluu'iitis? Ich bin es leid. So leid. Hätte ich geahnt, dass dir ein Besuch in mein Heim derart _unangenehm_ sein könnte, hätte ich meine Einladung _selbstverständlich_ gar nicht erst ausgesprochen ... Nur jahrhundertelanger Selbstbeherrschung ist es zu verdanken, dass der Elbe in diesem Augenblick rein äußerlich in keiner Weise anzumerken ist, was in ihr vorgeht. Die Kränkung durch Dianthas Worte trifft sie härter, als die Immerfrosterin ahnen kann. Ich weiß, dass du dein erstes Kind auf sehr schmerzvolle Weise verloren hast – und du weißt, dass ich dieses Schicksal mit dir teile ... Dennoch sitzt du hier vor mir und unterstellst mir mit dem was du sagst indirekt, dass ich die Gesundheit deines Kindes gefährde, indem ich dich bitte, mich in meinem Heim zu besuchen, oder täusche ich mich da? Ich – und Ladir! - leben an einem Ort der Heilung, nicht in einer Brutstätte von Krankheit und Verfall. Glaubst du, die Jahrhunderte hätten mich nichts gelehrt? Und deine _harmlosen_ Krankheiten lauern über all um dich herum, in der Stadt, hier in der Steinfaust. Du kannst das Immergrün meiden, aber vollkommen beschützen kannst du Njáll auf diese Weise nicht ... Deine Erfahrungen mögen schmerzhaft und prägend gewesen sein, aber auch das hättest du eigentlich aus ihnen lernen müssen.

Ihre Wut verraucht mit einem Schlag, zurück bleibt nichts als Müdigkeit, Leere – und Enttäuschung. Der Besuch in der Steinfaust scheint doch keine gute Idee gewesen zu sein und die Heilerin verspürt für einen Augenblick den dringenden Wunsch Ladir zu rufen, sich zu verabschieden und einfach zu gehen. Was mache ich hier eigentlich?, fragt sie sich. Ich hätte Finnéan mit ein paar schriftlichen Glückwünschen vorbeischicken können, dass wäre völlig ausreichend und höflich genug gewesen. Damals, in jener Nacht, als Olyvar nach ihr geschickt hatte, um seine Frau nach einem Sturz vom Pferd zu versorgen, hatte Diantha sie eingeladen. Doch seither hatte sich keinen passender Zeitpunkt finden lassen, um der Einladung auch zu folgen – bis zu Njálls Geburt. Heute Morgen noch hatte die Heilerin es als günstige Gelegenheit angesehen, die Glückwünsche zur Geburt mit der ausgesprochenen Einladung zu verbinden, aber nun? Nachdenklich streicht sie sich ein paar widerspenstige Haarsträhnen aus dem Gesicht und enthält sich jeglichen Kommentars, während das Gespräch allmählich das Thema wechselt. Es gelingt der Elbenfrau sogar ihre düsteren Gedanken und ihren Ärger zu verscheuchen bzw. hinunter zu schlucken und sich wieder ein wenig in die Unterhaltung einzubringen, als Diantha auf ihre erste flüchtige Begegnung zu sprechen kommt und Riarîl dazu verleitet, ein bisschen über ihre Reisen in Immerfrosts Randgebiete zu erzählen.
Ihrer Gastgeberin steht die Enttäuschung allerdings buchstäblich ins Gesicht geschrieben, als die Heilerin ihr erklärt, dass sie Immerfrost selbst bisher noch nicht bereist hat. Als Riarîl flüchtig von Dror zu sprechen beginnt, merkt die junge Frau aber wieder auf. »Dieser Freund wohnt nicht zufällig in Talyra, oder?«, hakt sie nach, bevor die Heilerin jedoch dazu kommt, ihr zu erklären, dass der zwergische Baumeister schon vor einer ganzen Weile in seine Heimat aufgebrochen und bisher nicht wieder nach Talyra zurückgekehrt ist, werden sie, Diantha und Ireás von einer quietschfidelen Kinderschar überfallen. Und die Begeisterung aller drei Kinder ist groß, als die Heilerin ihre Gastgeberin bittet, nun die kurz zuvor erwähnte Erzählung von Njáll und den neun Geiseln zum Besten zu geben. Die Zwillinge reden sogleich aufgeregt auf Diantha ein und auch Njáll schlägt die kleinen Äuglein auf, gerade so als wolle er seine Halbgeschwister bei ihrem Anliegen tatkräftig unterstützen. Die hübsche Immerfrosterin hat praktisch gar keine andere Wahl. »Nun gut, dann also die Geschichte von Niall und den neun Geisel, die übrigens auch die Gründungslegende von Laigin ist. Wisst ihr noch, wo Laigin ist?«, fängt sie an und schaut abwartend in drei neugierigen Kindergesichter. Fianryn sieht allerdings recht ratlos aus und auch Ladir kann mit der Frage nichts anfangen. Connavar jedoch erklärt sofort selbstbewusst: »Ganz weit weg! Im Osten! An dieser großen Bucht! Bucht von Bamba oder so?« Fragend schaut er Diantha an. »Da hast du Recht, nur die Bucht heißt die Bucht von Ambar«, bestätigt sie lächelnd und beginnt zu erzählen. »Vor langer, langer Zeit ...«

Erwachsene wie Kinder hören der Geschichtenerzählerin gebannt zu und lächeln zufrieden, als diese ihre Erzählung mit den Worten »So endet die Geschichte von Niall Noigíallach für alle Beteiligten gut und auch heute wissen die Hochkönige Laigins noch, dass man mit List und Klugheit viel mehr erreichen kann als mit Gewalt.« schließlich zufrieden abschließt. Nachdem sie so lange ruhig zugehört haben, hält es Ladir und die Zwillinge allerdings nicht sehr lange in der Laube. Munter eilen sie in den Garten zurück, um die Erwachsenen wieder sich selbst zu überlassen. »Es ist schon eine ganz nette Geschichte, findet ihr nicht?«, meint Diantha, während sie den Dreien nachblickt und ihre Gäste stimmen ihr zu. »Ich habe sie vor vielen Jahren das erste Mal gehört und für die Kinder ein wenig abgeändert, es ist natürlich nicht überliefert, was genau die neun Könige sagen. Allerdings denke ich nicht, dass ein Laiginer etwas dagegen hätte, wenn er die Geschichte in dieser Version hören würde, der Sinn bleibt schließlich erhalten.« Njáll gibt ein leises Glucksen von sich und sogleich sind alle Augen auf ihn gerichtet, was dem kleinen Mann offensichtlich gefällt. Neugierig fixieren seine kleinen Augen erst Iréas und dann die Heilerin, welcher er prompt ein breites, zahnloses Lächeln schenkt. »Möchtest du ihn mal nehmen?«, erkundigt sich die stolze Mutter sogleich bei der Elbenfrau. Riarîl will eigentlich ablehnen – sie hat schon so viele Säuglinge in den Armen gehalten – nickt dann aber doch und nimmt den Kleinen behutsam entgegen, während die Immerfrosterin lachend erklärt: »Kommen wir noch einmal zurück: Wovon spracht ihr, als ich zurück in die Laube kam? Worüber braucht ihr keine Geheimnisse vor mir haben?« Sie grinst spitzbübisch. »Ja ja, ich weiß, ich bin neugierig ...«
Die Heilerin wechselt einen kurzen Blick mit Ireás und überlässt es dem jungen Mann diese Frage zu beantworten. Zwar ist die Elbenfrau noch immer hinsichtlich Dianthas unerwarteter Reaktion auf ihre Gegeneinladung enttäuscht, dennoch sieht sie keinen Grund, weshalb sie der Immerfrosterin verschweigen sollte, dass Shunjalinns Sohn einen Brief ihrer Familie aus dem Riathar mitgebracht hat. Immerhin ist die frischgebackene Mutter die neue Lady Tarascon – früher oder später würde sie daher vermutlich ohnehin erfahren, in welcher Beziehung Riarîl und Shunjalinn zueinander stehen. »Ja, nun... Also...«, erklärt Ireás stockend und erweckt in der Heilerin den Eindruck, sich nicht ganz sicher zu sein, ob er den Namen seiner Mutter so einfach vor Diantha aussprechen kann. Schließlich gibt sich der junge Mann aber doch einen Ruck. »Ich habe Riaril Grüße von Kizumu ausgerichtet. Und von Riarils Eltern ebenfalls. Sie haben Kea und mir einen Brief mitgegeben, als wir vom Riathar aufbrachen.« Er wendet sich der Elbe zu. »Erst als sie Euren Vater gesehen hat, ist Kizumu wieder eingefallen, woher sie Euch zu kennen glaubte. Als wir vom Riathar aufbrachen ging es ihnen allen gut... auch wenn Rynrela, mein Großvater leider kurz vor unserer Ankunft gestorben ist.... Das war der Grund für den Brief und ihren Aufbruch. Meine Großmutter hatte gehofft, ihren Mann durch den Anblick seiner Tochter retten zu können...« Das betretene Schweigen, welches auf diese Worte folgt, wird sogleich von  Njáll beendet und Riarîl überreicht den weinenden Säugling wieder seiner Mutter. Für Shunjalinns Sohn scheint dies das zeichen zum Aufbruch, den er erhebt sich und verabschiedet sich höflich – zunächst von Diantha, dann von der Heilerin. »Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr überfallen, aber ich wollte diesen Zufall nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wenn es Euch Recht ist, werde ich noch heute einen Boten zu Eurem Anwesen schicken? Dann habt ihr den Brief noch heute Abend und müsst nicht erst aus der Stadt heraus.« Die Elbe neigt leicht den Kopf. „Nein, Ihr habt mich keinesfalls _überfallen_, auch wenn Eure Nachricht mehr als überraschend für mich kam.“ Sie lächelt freundlich. „Und wenn Ihr mir den Brief durch einen Boten zukommen lasst, wäre ich Euch sehr verbunden.“ Abermals lächelt sie, dieses mal ein wenig betrübt, wie es scheint. „It manat lim Kizumu. Der Verlust Eurer Großmutter... und Eurer Mutter... schmerzt mich. Ein trauriger Anlass, um in die Heimat zurückzukehren... Doch ich will Euch nicht länger aufhalten.“ Sie nickt leicht, ganz gewiss zieht es den frisch gebackenen Vater zurück zu Frau und Tochter. „Tas khelan Glyres hjir ti. Lebt wohl.“ Nachdem sie sich von Ireás verabschiedet hat, wendet sie sich ihrer Gastgeberin zu. „Ladir und ich sollten ebenfalls aufbrechen. Wir haben dir heute schon genug deiner Zeit geraubt.“ Suchend schaut sie sich um und ruft ihren Sohn herbei, der kurz darauf an der Seite der Zwillinge herbeigeeilt kommt. „Verabschiede dich, Ladir“, bittet sie ihn schmunzelnd, das enttäuschte Gesicht des kleinen Jungen spricht Bände.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 18. Jan. 2009, 13:06 Uhr
Als eine allgemeine Aufbruchstimmung ausbricht, steht die Sommersonne schon ein ganzes Stückchen tiefer, nichtsdestotrotz kitzeln ihre Strahlen noch immer warm im Gesicht. Auch wenn Njáll momentan den Anschein erweckt, dass er, nun da er wieder bei seiner Mutter ist, das bravste Kind der Welt sei, merkt Diantha, dass er allmählich gewickelt und gefüttert werden sollte. Daher nickt sie, als Iéras sich verabschiedet und ihrem Sohn dabei sanft über die Wange streicht. Auf seine Einladung antwortet sie freundlich: „Wir kommen gerne einmal vorbei. Allerdings denke ich, dass wir damit noch bis nach der Ernte warten, hm?“ Irgendwo, so lange in der Vergangenheit, dass es wie in einem anderen Leben wirkt, gibt es in ihr ein Bild von ihrem Vater, ihren beiden älteren Brüdern und ein paar Onkeln und Vettern, wie sie in regelmäßigen Bewegungen ihre Sensen schwingen, es riecht nach frisch gemähtem Getreide, Erde, Schweiß und Sommer. Gleich dazu gehört eine Erinnerung, in der diese Männertruppe in der Küche einfällt und in Höchstgeschwindigkeit – wie ein Schwarm Heuschrecken –  das von Mutter stundenlang vorbereitete Essen restlos verschlingt. Es muss hart sein, sich an all das zu gewöhnen, wenn man vorher noch nie schwer körperlich gearbeitet hat. Wir werden euch ganz sicher nicht so bald mit einem Besuch zur Last fallen. „Ihr könnt natürlich auch jederzeit bei uns vorbeischauen.“ Er wendet sich an Riaril, redet mit ihr über die Zustellung des Briefes und verabschiedet sich von ihr. Diantha hat schon den Eindruck, dass er ihr nur noch ein Lächeln zuwerfen und sich gleich aus dem Staub machen will, deshalb beeilt sie sich aufzustehen. „Oh, Iéras, warte mal kurz!“, bittet sie ihn, als er schon mit einem Fuß auf der Schwelle steht und überrascht kommt er ihrer Aufforderung nach. Sie tritt auf ihn zu, um den jungen Mann mit dem freien Arm zu umarmen, in dem anderen hält sie Njáll. „Grüß Kea und Elea von uns.“ Nach einem kurzen Blinzeln schaut sie zu ihm hoch und fügt hinzu: „Außerdem brauchst du dir keine Gedanken darüber zu machen, in meiner Gegenwart über Kizumu zu reden. Sie ist deine Mutter, da ist es ganz natürlich dass du gut über sie sprechen möchtest.“ Eigentlich bin ich ihr dafür, dass sie die Zwillinge geboren hat, zu unendlichem Dank verpflichtet. Kurz zögert Diantha, dann spricht sie es doch aus: „Sollte sie irgendwann das Bedürfnis verspüren ihre Kinder zu sehen… ich werde dem nicht im Weg stehen.“ So ganz leicht fallen ihr diese Worte nicht, denn auch wenn sie weiß, dass das töricht ist, hegt sie irgendwo in ihrem Herzen die diffuse Angst, dass die Zwillinge sie beim Anblick ihrer leiblichen Mutter vergessen könnten. Wie immer, wenn ihr dieser Gedanke kommt, ruft sie sich Olyvars Worte ins Gedächtnis: >Aber in allen Dingen, auf die es wirklich ankommt, in den vielen kleinen Dingen, die eine solche Bindung ausmachen, bist du ihre Mutter und niemand sonst.< Wie auch sonst jedes Mal beruhigt sie dieser Satz, und der felsenfest überzeugte Blick ihres Manns, als er sie aussprach, ungemein und so kann sie Iéras fest in die Augen sehen. „Mit Olyvar habe ich über diesen Fall noch nicht gesprochen, ich wollte nur, dass du … weißt, was ich darüber denke.“ Gewissermaßen hat sie  ihre Ansprüche auf die Kinder verloren, als sie ging. Andererseits gibt es auch Leute, die einfach nicht für ein Leben in festen Bahnen an einem einzigen Ort geeignet sind. Und wer bin ich, darüber zu urteilen, wie schwerwiegend ihre Gründe für den Fortgang wirklich waren? Ein gewisses Unverständnis allerdings bleibt, denn Diantha kann wirklich verstehen, wenn jemand vor etwas flieht, auch wenn es der eigene Ehemann ist. Aber die eigenen Kinder, noch Kleinkinder,  zurücklassen? Das könnte ich nicht. Auch wenn es eher selbstsüchtige Gründe sein mögen… Ich könnte einfach nicht damit leben, meinen kleinen Kindern so fern zu sein. Auch wenn ich ins Ungewisse reiten würde, ohne Sicherheit, wenn es besser wäre sie in ihrem gewohnten zu Hause zu lassen, bei einem Vater der ihnen immer ein gutes Leben ermöglichen können wird… ich könnte das nicht. Allerdings glaube ich, dass du, Iéras, das auch nicht könntest.  „Es ist sehr traurig, dass ihr drei einen Großvater verloren habt, den ihr nie kennen lernen durftet“, kurz wandert ihr Blick zu den Zwillingen, die so friedlich mit Ladir spielen, als würden sie ihn schon ewig kennen. Dann schaut sie wieder zu Iéras auf und lächelt: „Jetzt beeil dich nach Hause zu kommen, so viel wie da zu tun ist.“ Iéras grinst, lässt sich das aber nicht zweimal sagen und verschwindet aus der Laube.

Nun sieht sich Diantha nur noch Riaril gegenüber, die gleich verkündet: >Ladir und ich sollten ebenfalls aufbrechen. Wir haben dir heute schon genug deiner Zeig geraubt.<  Nur weil man mit mir Zeit verbringt, raubt man sie mir nicht gleich, denkt sie sich, sagt dazu aber nichts weiter, sie möchte schließlich nicht unhöflich sein. Kurz muss sie an die Stille denken, die von der Elbin ausging, nachdem sie versucht hatte, die Gründe für ihre Ängste zu erklären. Keine Antwort ist auch eine Antwort und mit starrem Blick dasitzen und keinen Mucks machen, werte ich als keine Antwort. Diantha  ist sich allerdings auch keinerlei Schuld bewusst, etwas Falsches gesagt oder getan zu haben, wertet dieses Schweigen also als einen etwas merkwürdigen Vorfall, den sie sich nicht erklären kann. Schließlich kann sie nichts von Riarils Gedanken ahnen und von der Empfindlichkeit der Elbin das Wort „Verlust“ in den Mund zu nehmen, weiß sie auch nichts. So geht die Immerfrosterin mit dem Eindruck aus dem Gespräch, dass ihr Gast heute einiges auch an sehr persönlichen Dingen über sie erfahren hat, im Gegenzug aber wenig über ihre eigenen Gefühle gesprochen hat. Außerdem kann sie noch immer nicht recht begreifen, wie eine Mutter nicht verstehen kann, wenn man sich Sorgen um die Gesundheit seines Neugeborenen macht. In diesem Moment kommen die Kinder angelaufen und Riaril bittet ihren Sohn: >Verabschiede dich, Ladir.< Daraufhin blicken drei gleichermaßen enttäuschte Augenpaare zu den beiden Frauen hoch, als wollten die Kinder sagen: Ihr trennt uns ja nur um uns zu quälen! Zu quengeln wird ihnen nicht helfen, dass wissen die drei ganz genau, also setzt Fianryn ihren besten Bettelblick auf und fragt: „Mama, kann Ladir denn bald mal wiederkommen?“ „Ja, er muss unbedingt wiederkommen!“, unterstütz Connavar seine Schwester überschwänglich. „Dann können wir ihm die Steinfaust zeigen und die Botenkinder vorstellen!“ Diantha lächelt sanft und antwortet: „Natürlich kann Ladir jederzeit vorbei kommen, sowohl mit seiner Mutter als auch ohne.“ Dann schaut sie Riaril an: „Ein Kind mehr macht mir wirklich nichts aus, außerdem gibt es hier auf der Steinfaust so viele begeisterte Kindermädchen, dass man sich auch keine Sorgen machen muss, wenn ich einmal kurz mit Njáll beschäftigt bin. Es hat immer jemand ein Auge auf die Kinder, auch wenn sie mit den Botenkindern spielen. Du bist selbstverständlich ebenfalls jederzeit hier willkommen.“ Ihr offener Blick wird ein wenig kühler, als sie hinzufügt: „Wir selbst werden euch aber erst besuchen, wenn der kleine Mann hier etwas älter ist.“ Dabei hebt sie den Arm, in dem Njáll liegt und interessiert seine Umwelt betrachtet, leicht an. Und wenn ich mir Rat von Meister Ballabar geholt habe. Daraufhin verabschieden sich die Frauen und die Kinder voneinander, Diantha begleitet die Heilerin und ihren Sohn noch bis zum Ende des langen Ganges, der zum Westflügel führt  und schaut ihnen dann hinterher, während die Zwillinge noch ein Stück weiter mitlaufen. Alles in allem war es doch ein schöner Nachmittag, warum bleibt nur dieser seltsam bittere Nachgeschmack? Als ob etwas nicht ausgesprochen wurde, das hätte in Worte gefasst werden sollen.  Nachdenklich winkt sie zurück, als sich die Elbin noch einmal umdreht und Ladir ihr winkt. Du bist schon ein wenig seltsam Riaril, manchmal irgendwie so … kalt. Ob das daran liegt, dass du zu den wenigen reinen Elben gehörst, die ich kenne? Kaum sind die Elbin und Sohn außer Sichtweite , kommt Connavar zurück gerannt und fragt: „Können wir noch ein bisschen mit den Botenkindern spielen?“ „Natürlich“, antwortet Diantha. „Kommt nur zum nächsten Wachwechsel wieder rein.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Riaril am 22. Jan. 2009, 21:15 Uhr
»Diantha, vielen Dank für den Kuchen, aber ich glaube, ich muss mich langsam auf den Weg nach Hause machen, ehe Kea sich selbst in die Stadt aufmacht um mich an den Ohren auf den Hof zu schleifen. Grüß Olyvar von mir und kommt uns doch bald mal besuchen«, verabschiedet sich Ierás und die leichtigkeit, mit mit der die junge Immerfrosterin diese Einladung annimmt, versetzt Riarîl erneut einen kränkenden Stich. »Wir kommen gerne einmal vorbei. Allerdings denke ich, dass wir damit noch bis nach der Ernte warten, hm?« Diese Worte machen der Heilerin den Abschied leicht und als sich Dianthas Aufmerksamkeit wieder ihr zuwendet, zögert sie daher nicht, sich ebenfalls zu verabschieden. Dem Sohn der Elbe fällt es hingegen merklich schwerer sich von seinen Spielgefährten zu trennen und auch die Zwillinge zeigen sich nicht gerade erfreut darüber, den neugewonnenen Freund gehen lassen zu müssen. »Mama, kann Ladir denn bald mal wiederkommen?« und »Ja, er muss unbedingt wiederkommen! Dann können wir ihm die Steinfaust zeigen und die Botenkinder vorstellen!«, erklären sie an Diantha gewandt, woraufhin diese lächelnd einwilligt. »Natürlich kann Ladir jederzeit vorbei kommen, sowohl mit seiner Mutter als auch ohne.« Die Immerfrosterin wendet sich Riarîl zu. »Ein Kind mehr macht mir wirklich nichts aus, außerdem gibt es hier auf der Steinfaust so viele begeisterte Kindermädchen, dass man sich auch keine Sorgen machen muss, wenn ich einmal kurz mit Njáll beschäftigt bin. Es hat immer jemand ein Auge auf die Kinder, auch wenn sie mit den Botenkindern spielen. Du bist selbstverständlich ebenfalls jederzeit hier willkommen.« Die Heilerin lächelt höflich. Ihr entgeht keineswegs, dass der Blick der jungen Frau bei ihren nächsten Worten merklich kühler wird, während sie das Kind auf ihrem Arm leicht in die Höhe hebt. »Wir selbst werden euch aber erst besuchen, wenn der kleine Mann hier etwas älter ist.« Die Elbenfrau nickt langsam. Ob wissentlich oder unwissentlich, absichtlich oder unabsichtlich, mittlerweile ist ihr klar, dass Diantha, wenn sie an da Immergrün denkt, nicht zwischen Cerynitis Cerua, dem Heim der Heilerin, und Sieben Linden, dem Ort der Heilung, unterscheidet, obwohl Riarîl ihr im Verlaufe des Nachmittags zu verstehen zu geben versucht hat, dass es sich beim Immergrün um zwei miteinander verbundene, jeweils für sich allein gesehen schon sehr große Anwesen handelt, die sich ohne weiteres "kindersicher" voneinander separieren lassen. Ladirs fragender Blick begegnet dem ihren und sie zwingt sich zu einem freundlichen Lächeln. "Wenn Ladir mag, erlaube ich ihm gerne, die Zwillinge zu besuchen", erklärt sie und wirft ihrem Sohn einen schmunzelnden Blick zu. "Immer vorausgesetzt das Joos, unser Stallbursche, gerade etwas Zeit übrig hat, um Ladir vorbei zu bringen und später wieder abzuholen."

Beide Frauen lächeln und Diantha begleitet die Elbe und ihren Sohn noch bis zum Ende des langen Ganges, nachdem Ladir sich von Fianryn und Connavar verabschiedet hat. Als Ladir sich noch einmal umwendet, um zu winken, dreht Riarîl sich ein letztes Mal zu Diantha um, die die Hand erhoben hat, um den Gruß des kleinen Halbelben zu erwiedern. Die Immerfrosterin wirkt ein wenig nachdenklich, grüblerisch und vielleicht auch ein bisschen ... Verständnislos, denkt die Elbe. So als könne sie nicht völlig begreifen, was an diesem Nachmittag alles schief gegangen ist. Und schief gegangen ist an diesem Nachmittag so einiges. Die Heilerin seufzt. Sie hätte so manches sagen können, was es Diantha vielleicht leichter gemacht hätte, sie zu verstehen, aber dafür waren es weder der rechte Ort, noch die rechte Zeit ... und schon gar nicht die richtigen Personen. Nur weil Riarîl Dianthas Schicksal in gewisser Weise teilt, bedeutet dies noch lange nicht, dass sie sich Immerfrosterin so ohne weiteres rückhaltlos anvertrauen könnte. Dafür braucht es Vertrauen und dieses Gefühl kann die Elbe für eine Frau, die ihr selbst so wenig Vertrauen schenkt, nicht aufbringen. Die elbische Heilerin mag der jungen Immerfrosterin daher kühl und distanziert erscheinen, doch ihr langes Leben hat Riarîl gelehrt, dass Vertrauen ein Luxus ist, den man sich nur sorgsam ausgewählten Personen gegenüber leisten sollte und der aus diesem Grund wohl verdient sein muss. Nachdenklich hebt sie Ladir auf den Arm und verlässt die Steinfaust, um sich auf den Heimweg zu machen. So schnell wird sie ihr Weg vermutlich kein zweites Mal zu einem Besuch in die Steinfaust führen.

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Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 19. Apr. 2009, 22:17 Uhr
~ Anfang Sturmwind ~

Sanft streicht eine laue Frühlingsbrise um die Steinfaust, kitzelt eine der Wachen am Waldtor in der Nase, macht einen kleinen Abstecher zum inneren Zwinger, um schließlich zum Westflügel zu gelangen. Dort, in der Laube, die in Richtung Burgarten und Larisgrün hinausgeht, steht Diantha und schaut in den wolkenlosen, sternenklaren Himmel. Spielerisch umschmeichelt der Lufthauch ihre Züge und zerzaust ihre blonden Locken, mit dem leisen Versprechen eines nahen Frühlings. Sie hatten Ende Taumond schon ein paar schöne Tage gehabt, jetzt Anfang Sturmwind war der Frost noch einmal zurückgekommen, doch scheinbar nicht um lange zu bleiben. Frühling, Zeit neu erwachten Lebens… So geräuschlos wie nur er es kann, tritt Olyvar hinter sie und murmelt: „Hier seid ihr.“ Lächelnd wendet sich Diantha zu ihm um. Sie hat ihn schon erwartet, doch er hat noch einiges an „Pergamentkram“ in seinem Solar zu erledigen. Er sieht ein wenig zermürbt aus, aber das ist auch kein Wunder, sie weiß ja, wie wenig Begeisterung er diesem Teil seiner Pflichten entgegen bringt. Was natürlich nicht heißt, dass er ihn nicht sorgfältig und gewissenhaft erledigt, es bereitet ihm nur schlicht überhaupt keine Freude oder Genugtuung. „Wir bekommen den dritten Zahn“, stellt sie leise fest und ihr Mann fährt zart mit den Fingern über Njálls hellblonden Schopf. Vor einem Mond kündigte sich der erste Zahn ihres Sohnes an und seitdem haben sie einige unruhige Nächte erlebt, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Njáll von Mitte Erntemond bis Ende Eisfrost tadellos durchgeschlafen hatte. Die erneute Umstellung fällt seinen Eltern nicht gerade leicht, denn ein mitten in der Nacht quengelndes Kleinkind mit vor lauter Anstrengung und Ärger hektischen roten Wangen kann eine sehr kräftezehrende Angelegenheit sein. Diantha hat schon mehrfach gut gemeinte Amulette und Salben aufgenötigt bekommen, die seitdem irgendwo vermodern, denn ihrer Erfahrung nach helfen Geduld und nächtliche Spaziergänge durch die Steinfaust ihrem Sohn wesentlich besser, als mumifizierte Hasenpfoten oder Pasten aus Krötenaugen und Schweinefett.  So auch jetzt, denn Njáll schläft mit dem Kopf auf ihrer Schulter seelenruhig, in einer Hand den Beißring, den sie ihm gefertigt hat. Die einzigen wirklich nützlichen Geschenke waren Mornas selbstgemachte Halstücher und Lätzchen gewesen, denn gerade wenn ein Zahn durchbricht, sabbert Njáll ganz schrecklich. Doch solange er nicht von Zähnen gequält wird, ist der Kleine quietsch fiedel, sehr aufmerksam und kann mit seinem Grinsen schon jetzt sämtliche Bewohner der Steinfaust – besonders die Weiblichen – um den Finger wickeln. Dazu kommt, dass er, genau wie Fianryn und Connavar in seinem Alter, nicht zum Fremdeln neigt, sondern allen Menschen und Tieren mit kleinkindlicher Freundlichkeit begegnet. Ganz besonders vernarrt in den kleinen Tunichtgut ist Radegund, die oberste Magd der Steinfaust, die ihn am liebsten überhaupt nicht mehr aus der Hand geben würde. Wenn Kinder Liebe im Überschuss kriegen, dann sind es meine drei, denkt Diantha mit einem leisen Lächeln auf den Lippen. Es ist sehr beruhigend zu wissen, dass immer jemand da ist, der einem als junger Mutter helfen kann, wenn man das Gefühl hat, es wird alles ein wenig viel. Ihre größte Stütze ist natürlich Olyvar, der in jeder noch so schlaflosen Nacht die Ruhe behält und wer weiß wie viele Meilen schon mit seinem Sohn durch den Westflügel gewandert ist, wobei Njálls Kopf in seiner Armbeuge und der Windelhintern in seiner Hand liegt. Ihr Mann hat schlichtweg ein untrügliches Gespür dafür, wann Diantha ihn braucht.

So zieht er sie auch jetzt in seine Arme und stellt fest, dass da doch noch ein anderer Grund sein muss, dass sie nicht im Bett ist, sein Jüngster schläft schließlich mittlerweile tief und fest. Natürlich hat er damit Recht und mit einem Seufzen erzählt ihm Diantha: „Connavar hat sich heute Abend schrecklich darüber aufgeregt, dass er seinen Freund Ladir nie besuchen darf, wobei der ihm doch ständig etwas von Geheimverstecken und Schaukeln erzählt. Als ich nicht wusste, was ich darauf sagen soll, habe ich einfach nur festgestellt, dass er hier doch wohl genügend anderer Freunde hat. Doch wie es aussieht, hat er diesen kleinen Elben besonders gern, was ich ja auch verstehen kann, er ist ein netter Junge.“ Sie seufzt und denkt an Ladir, der seiner Mutter im Wesen genauso wenig wie im Aussehen zu ähneln scheint. Er könnte ihnen ein Freund fürs Leben sein und wer steht ihnen dabei im Weg? Die böse Diantha.
„Wenn die Kinder sich mögen, was spricht dann dagegen, dass die Zwillinge ihn besuchen gehen?“, fragt Olyvar und sie wünschte, es wäre so einfach, wie es bei ihm klingt.
Seufzend gesteht sie ein: „Es liegt nicht an den Kindern, sondern an mir und Riaril.“ Fragend hebt ihr Mann eine Braue und die Immerfrosterin beginnt zu erklären: „Irgendwann im Frühherbst war sie mit ihrem Sohn hier in der Steinfaust, um mir zu Njáll zu gratulieren. Ich habe dir doch erzählt, dass es  erst sehr schön war, sie dann aber recht merkwürdig reagiert hat.“ Damals hatte sie ihm nicht mehr gesagt, weil sie nie gedacht hätte, dass sich die ganze Angelegenheit zu einem wirklichen Problem auswachsen könnte. „Sie hat nämlich meine Sorge mit einem doch noch recht kleinen Baby nicht unbedingt in dieses Immergrün gehen zu wollen, überhaupt nicht verstanden.“ Sie hat ja gleich so getan, als würde ich ihr sonst etwas unterstellen! „Als wäre es eine Schande, wenn man Angst hat, dass sein Kind krank werden könnte, wenn man es zu… zu… einem Haus mit lauter Kranken schleppt!“ Für einen Moment schwappt alte Wut wieder hoch, die sie zu vertreiben versucht, doch so ganz gelingt es nicht. „Auf meine Frage hin hat sie mir jedenfalls nur etwas von Mauern und Toren, die man schließen kann erzählt und mich gefragt, wie ich ihr unterstellen kann, dass sie mein Kind in Gefahr bringen würde. Dabei ging es mir doch nicht darum, dass ich glaube, sie möchte, dass mein Baby krank wird!“ In Erinnerung an dieses merkwürdige Gespräch schüttelt Diantha den Kopf. „Also habe ich versucht ihr zu erklären, dass ich viele meiner Verwandten durch die Schwarzen Blattern verlor… und deshalb schlichtweg Angst habe.“ Auch heute noch spürt sie die dumpfe, tief in ihr verwurzelte Furcht davor, dass ihr Mann oder ihre Kinder krank werden und dieser Krankheit erliegen könnten, dass sie noch einmal alle Menschen verlieren könnte, die ihr etwas bedeuten. Diese Sorge ist einfach ein Teil von ihr, das heißt jedoch nicht, dass sie nicht versucht, damit umzugehen um nicht übervorsichtig zu sein. Ein paar beruhigende Worte und ein wenig Verständnis der Heilerin hätten vielleicht schon ausgereicht, ihre Bedenken zu zerstreuen…  doch genau das hatte ihr Riaril so überhaupt nicht gewähren wollen. „Darauf hat sie einfach nichts gesagt, kein Wort! Wie als würde ich einer Mauer gerade Einblicke in mein Seelenleben geben. Das hat mich getroffen, verstehst du? Oder findest du, ich übertreibe in der ganzen Angelegenheit?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 22. Mai 2009, 22:14 Uhr
>Es liegt nicht an den Kindern, sondern an mir und Riaril,< seufzt Diantha resigniert. Olyvar hat keine Ahnung, um was es eigentlich geht, und er kann auch nicht von sich behaupten, Riaril sonderlich gut zu kennen, aber er kennt seine Frau, also lächelt er halb und ein wenig verzogen, und seine rechte Braue wandert fragend ein Stück nach oben. "Wie diplomatisch warst du, conasg?" Hätte Diantha nicht Njáll im Arm gehabt, hätte sie ihm wohl gern einen ihrer spitzen Ellenbogen zwischen die Rippen gestoßen, so aber streckt sie ihm nur mit einem leisen "Bäh!" die Zunge heraus und wird beinahe sofort wieder ernst. Die Nacht ist wolkenlos und schmeckt nach Frühling, schwer vom Geruch der blühenden Bäume im nahen Wald. Die Sterne glitzern wie tausend winziger Silberstiche im samtblauen Mantel der Nacht und ein beinahe voller Mond badet sie in Lachen aus fahlem Licht, gesprenkelt vom Schatten des Blauregens, der die kleine Laube längst völlig überwuchert. Olyvar erinnert sich mit einem leisen Lächeln an eine andere und sehr viel kältere Nacht, als sie auch hier gestanden und geredet hatten – über eine durchgedrehte Amazone, Vertrauen, Kinder  und nicht vorhandene Heiratsabsichten. Er erinnert sich an Blicke aus meerblauen Augen, die ihn mitten ins Herz getroffen hatten und flüchtige, in der Dunkelheit getauschte Berührungen.  Damals waren wir nicht mehr als Freunde… oder jedenfalls noch nicht viel mehr. Und nun stehen wir hier, unser Sohn ist neun Monde alt und bekommt einen Zahn nach dem anderen.

>Irgendwann im Frühherbst war sie mit ihrem Sohn hier in der Steinfaust, um mir zu Njáll zu gratulieren. Ich habe dir doch erzählt, dass es  erst sehr schön war, sie dann aber recht merkwürdig reagiert hat.<
"Aye, das hast du. Was war damals?"
>Sie hat nämlich meine Sorge mit einem doch noch recht kleinen Baby nicht unbedingt in dieses Immergrün gehen zu wollen, überhaupt nicht verstanden,< erklärt Diantha und hört sich eindeutig verärgert an.>Als wäre es eine Schande, wenn man Angst hat, dass sein Kind krank werden könnte, wenn man es zu… zu… einem Haus mit lauter Kranken schleppt!<
"Zu einem Hospital," hilft er nach, als Diantha nach dem richtigen Wort sucht. "Ich weiß zwar nicht, ob man Immergrün wirklich so nennen kann, aber Riaril behandelt dort auch mehrere Kranke, also… warum hat sie deine Bedenken nicht verstanden? So eine erfahrene Heilerin wie sie sollte doch wirklich schon oft genug in ihrem Leben mit besorgten Müttern…" er kommt nicht dazu, den Satz zu Ende zu bringen, denn Diantha schnaubt erbost und fährt fort. >Auf meine Frage hin hat sie mir jedenfalls nur etwas von Mauern und Toren, die man schließen kann erzählt und mich gefragt, wie ich ihr unterstellen kann, dass sie mein Kind in Gefahr bringen würde. Dabei ging es mir doch nicht darum, dass ich glaube, sie möchte, dass mein Baby krank wird!<
"Sie hat… was?! " Sie schütteln beide gleichzeitig die Köpfe, Diantha resigniert, Olyvar ein wenig fassungslos.  

>Also habe ich versucht ihr zu erklären, dass ich viele meiner Verwandten durch die Schwarzen Blattern verlor… und deshalb schlichtweg Angst habe. Darauf hat sie einfach nichts gesagt, kein Wort! Wie als würde ich einer Mauer gerade Einblicke in mein Seelenleben geben. Das hat mich getroffen, verstehst du? Oder findest du, ich übertreibe in der ganzen Angelegenheit?<
"Aye, ich verstehe. Und nein, ich glaube nicht, dass du übertreibst. Deine Sorgen sind wahrscheinlich wirklich völlig unbegründet, conasg, aber sie sind verständlich. Gerade eine Heilerin sollte das eigentlich besser wissen.“ Er streicht Njáll eine vorwitzige blonde Strähne aus der winzigen Stirn und sein Sohn niest wie ein Kätzchen, wacht jedoch nicht auf. „Komm, gib mir den Kleinen. Mach dir nicht so viele Gedanken um Riaril. Irgendwann ergibt sich vielleicht eine Gelegenheit, mit ihr zu reden… und wenn nicht… nun, weißt du conasg, manche Leute brauchen überhaupt keinen Grund, um gekränkt zu sein.“
Er pflückt ihr das schlafende Baby vom Arm und birgt es an der eigenen Schulter, wo Njáll seelenruhig weiterschnarcht, schlaff wie ein entgräteter Fisch. Sein inzwischen ziemlich solides Gewicht ist warm und tröstlich. Diantha reibt sich den steifen Arm, starrt in die Nacht hinaus und gibt grummelnd ein niedliches kleines „Pffffft!“ von sich, das er insgeheim sehr zum Lachen findet. Olyvars Mundwinkel vertiefen sich zu einem sachten Grinsen.

„Mit anderen Worten… du bist sauer, weil du dir so viel Mühe gegeben hast und das spitzohrige Zimperlieschen es trotzdem schafft, beleidigt mit dir zu sein?“
Diantha funkelt ihn einen Moment lang an. Es fehlt wohl nicht viel und sie hätte mit dem Fuß aufgestampft, aber dann nickt sie. „Naja… ja.“
„Ah. Und jetzt willst du, dass ich dir sage, was du tun sollst?“
„Ja. Du hast es erfasst.“
„Tja mein kleiner conasg… dann wirst du wohl über deinen Schatten springen, nach Immergrün gehen und dich dort einfach umsehen müssen. Wenn du es für unbedenklich befindest, können die Zwillinge Ladir jederzeit besuchen gehen. Wenn nicht kannst du Riaril ja sagen, was du von ihr hältst. Ich schicke dir dann eine Hundertschaft Blaumäntel hinterher, aye? Aber heute nicht mehr. Der kleine Mann hier gehört ins Bett. Und du auch. Mich mitten in der Nacht allein zu lassen, wo er doch endlich schläft… tz!“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 03. Juni 2009, 23:45 Uhr
~Ende Grünglanz~


„Aber Mama, WARUM denn nicht?“ Fianryn gleicht einer kleinen Furie, wie sie wutschnaubend mit dem Fuß aufstampft, die Stirn in tiefe Falten gezogen und mit jeder Menge abstehender Haare, die sich aus ihrem Zopf gelöst haben. „Er hat schon so oft gesagt, dass wir kommen sollen!“, pflichtet ihr Connavar bei, der seine Mutter genauso zornig anfunkelt, dabei allerdings nicht mit dem Fuß auftritt, sondern mit dem Zeigefinger herumfuchtelt. „Nicht mal an seinem Geburtstag durften wir Ladir besuchen!“ Dieses Gespräch führt Diantha nicht zum ersten Mal mit den Zwillingen, sie weiß also sehr genau, worauf es hinauslaufen wird und kann sich daher ein leichtes Seufzen nicht verkneifen. „Ihr werdet Ladir erst besuchen, wenn ich es euch erlaube und dabei bleibt es“, stellt sie ruhig, aber sehr bestimmt fest. „Habt ihr mich verstanden?“ Die zwei Kinder wissen sehr genau, dass bei diesem Tonfall ihrer Mutter Einspruch vollkommen sinnlos ist, also füllen sich wie auf Kommando zwei Paar Kinderaugen mit Tränen und die Feststellung „Du bist so GEMEIN!“ lässt nicht lange auf sich warten. Daraufhin sieht Diantha nur noch die Rücken der Zwillinge, die aus der Halle in Richtung Vorhalle rennen und dabei herzzerreißend schluchzen. „Ja, was bin ich nur für eine schlechte Mutter“, stellt die Immerfrosterin mit einem Blick auf Njáll fest, der ihren Blick erwidert und sehr ernsthaft „Gaaa!“ antwortet. „Genau, ich mache mir Sorgen um ihr Wohlergehen, ich bin ein böser, böser Mensch.“ Darauf grinst der Kleine seine Mutter nur an, wobei er seine mittlerweile fünf kleinen, weißen Zähnchen zeigt. „Und so wie du aussiehst, brauchst du eine neue Windel“, stellt sie fest und erwidert das Lächeln ihres Sohns, auch wenn ihr eigentlich gerade überhaupt nicht nach Lachen zumute ist. So ruhig und sicher sie bei den Anschuldigungen der Zwillinge geblieben ist, sie gehen nicht so einfach an ihr vorbei, wie es den Anschein hat. Es ist nicht schön auf Dauer der Buhmann zu sein, der ständig nur „Nein“ sagt und sie hat von diesen immer gleichen Auseinandersetzungen mit Fianryn und Connavar allmählich wirklich die Nase voll. Warum müssen sie auch ausgerechnet diesen Jungen so gerne mögen, dabei haben sie doch so viele Spielkameraden in der Steinfaust! Ob es damit zusammen hängt, dass auch elbisches Blut in seinen Adern fließt? Das kann ihr wohl niemand so genau beantworten, die Antwort auf die Frage, was sie nun endlich einmal tun sollte, kennt Diantha hingegen sehr genau, Olyvar hat sie ihr vor fast zwei Monden gegeben:  >Dann wirst du wohl über deinen Schatten springen, nach Immergrün gehen und dich dort einfach umsehen müssen.< Woche um Woche hatte sie sich darum gedrückt, jetzt bleibt ihr nichts mehr anderes übrig, wenn sie nicht will, dass ihre Auseinandersetzungen mit den Zwillingen immer so weiter gehen. „Warum musst du nur immer Recht haben?“, fragt sie ihren Mann herausfordernd, als sie den satten und frisch gefütterten Njáll bei ihm im Solar abgibt, worauf sie einen – verständlicher Weise – sehr irritierten Blick erntet. Ein „Was" liegt schon auf seinen Lippen, aber Diantha kommt dem zuvor: „Ich werde mir dieses Immergrün jetzt anschauen. Wenn ich zum Abendbrot nicht zurück bin verlasse ich mich auf die Hundertschaft Blaumäntel, die du mir versprochen hast.“ „Wenn du dann nicht zurück bist, hole ich dich persönlich ab“, erwidert Olyvar mit einem unleugbar amüsierten Grinsen. Einen Moment lang hält Diantha inne und schaut nur in ein Paar Augen, das so viel tiefer zu sehen scheint, als jedes andere, das ihr je begegnet ist. „Ich liebe dich!“, stellt sie sehr zufrieden fest, gibt ihm einen langen Abschiedskuss und ist so rasch aus dem Solar verschwunden, wie sie aufgetaucht war.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 09. Dez. 2009, 13:31 Uhr
<- Steinfaust

Im Langschnee



Es ist ein schneeregennasser, kalter und stürmischer Abend in den ersten Langschneetagen, als Olyvar nach einer langen (ebenso schneeregennassen, kalten und stürmischen) Woche auf Patrouille entlang der Südstraße nach Brioca durchgefroren, müde und vom Scheitel bis zur Sohle schlammverkrustet wieder in der Steinfaust ankommt. Eine Stunde später - nachdem die letzten Kornräuber, die sie gejagt hatten, in den Kerkerturm gewandert, die Pferde versorgt, die zwei Verwundeten in der Obhut der Maester gebracht worden und alle Männer untergebracht waren - ist er selbst im Paradies seines eigenen Bettes mitsamt einer Diantha darin und das obendrein nackt wie am Tag ihrer Geburt angekommen. Die Kinder sind alle drei bei Morna und Rhordri, weil die jüngste Tochter seines Kastellans nun auch unter der Haube ist (auch wenn ihr Mann nicht ganz der gerade vorherrschenden Wunschvorstellung untot und beseelt entspricht) und würden dort über Nacht bleiben, so dass sie den seltenen Luxus genießen, absolut allein zu sein. Sie hatten das auch ausgenutzt - soweit er das sagen kann jedenfalls, denn er kann sich noch dunkel daran erinnern, dass er bereits in der Halle angefangen hatte, sie auszuziehen. "Was hättest du denn getan?" Will Diantha wissen, dreht sich um und parkt ihr Kinn bequem in seiner Schulterbeuge. "Hmmm?" Angenehm schläfrig, warm bis in die Zehenspitzen und in jeder Hinsicht gründlich satt  ist Olyvar zugegebenermaßen gerade ziemlich abwesend. "In welcher Hinsicht? Himmelgötter, dein Haar riecht so gut." Er wickelt sich eine gedrehte Korkenzieherlocke um den Finger und bewundert versonnen die Weichheit und den satten, goldenen Schimmer im Schein des Kaminfeuers.
"Danke. Ich habe etwas von dem Zeug benutzt, das Mealla macht, mit Honig und irgendwelchen Blumen drin. Aber was ist jetzt mit Natter und den anderen, die sich alle im Pfirsich das Brennen geholt haben?"
Olyvar gähnt herzhaft und streckt sich so genießerisch, dass das massive Bettgestell unter ihnen leise knarrt. "Was soll mit ihnen sein, Conasg? Von den viertausendachthundert Blaumänteln, die ich befehlige, sind weniger als die Hälfte verheiratet", erwidert er in aller Logik. "Ich kann ihnen Befehle geben, wenn sie im Dienst sind, aber ich kann ihnen nicht vorschreiben, was sie danach zu tun und zu lassen haben - schon gar nicht kann ich ihnen verbieten, in ein Hurenhaus zu gehen."
"Aber sie werden krank davon und stecken wissen die Götter allein wie viele Scheuermägde und Milchmädchen damit an! Und wenn allgemein bekannt wird, dass im Pfirsich das Brennen unter den Huren umgeht, dann…"
"Aye. Du hast Recht..." Nachdem der vierte Blaumantel hochrot und peinlich berührt bei Mealla und Fraukyr aufgekreuzt war, hatten sie sich die kleine Heilerin und der Maester an Diantha gewandt und die war - da er ja nicht hier gewesen war - umgehend zu Morna und Radegund marschiert.

Mit vereinten Kräften hatten die drei Frauen dann Rhordri und Gueren dazu gebracht, den Blaumänteln den Pfirsich bis auf Weiteres schlichtweg zu verbieten und jedem, der dort gewesen war, dringend geraten, sich bei den Maestern zu melden. Varin hatte getobt wie ein verschnupftes Nashorn, sich aber zähneknirschend gefügt, nachdem Diantha ein Machtwort gesprochen hatte, aber es hatte wohl einiges böses Blut gegeben. Olyvar hatte bei seiner Rückkehr in die Steinfaust auf dem Inneren Zwinger schon etwas in die Richtung läuten hören, aber augenblicklich und ohne überhaupt zu wissen, worum es eigentlich geht, klar gestellt, dass ein Wort seiner Frau und Herrin dieser Festung ebenso verbindlich gilt, als käme es direkt aus seinem Mund. Diantha hatte Mealla und die anderen Maester zwar (gegen den empörten Prostest Radegunds und Mornas) dazu gebracht, sich der Mädchen im Pfirsich anzunehmen, doch die waren weitaus weniger begeistert von der unerwarteten Hilfe gewesen, als man hätte annehmen sollen - aber keine Männer bedeutet nun einmal keine Arbeit. Bleiben die Blaumäntel aus, heißt das für die Huren im Pfirsich kein Kupferlinge und kein Silber… und damit auch kein Brot. "Zu Dancys Zeiten hätte es das nicht gegeben, sie hat immer darauf geachtet, dass ihre Mädchen gesund und sauber sind. Aber was soll ich machen, Conasg? Ich kann schlecht ein Stellengesuch an die Anschlagtafel heften, in der nach einer Hurenmutter gesucht wird, aye?" Trotz des Ernstes der Lage kann er ein absurd-belustigtes Prusten nicht unterdrücken, hebt den Kopf und küsst sie auf die Stirn, direkt zwischen die Brauen. Seit Tagen hat er sich schon ausgemalt, sie dort zu berühren, die glatte, sommersprossige Stelle zwischen den ausdrucksvoll geschwungenen, honigfarbenen Bögen ihrer Brauen, eine sanfte Oase inmitten ihrer so gefährlich lebendigen Gesichtszüge. Ihre elegante Stirn, die hohen, runden Wangenknochen, die tausend Sommersprossen und ihre leuchtend blauen Augen sind wunderschön, aber alles andere als friedvoll. Und nach dem letzten Siebentag voller Räuberjagden, abwechselnd schwerem Frost oder plötzlichem Schlammwetter und blutigen Scharmützeln ist ihm sehr nach Frieden zumute. Es war ein langer Heimritt gewesen, und sowohl die Männer, als auch die Pferde hatten sich bis zur Erschöpfung angestrengt, weil sie darauf brannten, wieder nach Hause zu kommen. Sie waren zwar in Hochstimmung gewesen, die letzten Kornräuber dingfest gemacht zu haben, aber sie waren auch abwechselnd halb erfroren oder bis über die Ohren im Dreck versunken. Dianthas Haut riecht so wundervoll wie ihr Haar und ein paar stille Augenblicke lang füllt er seine Nase und seine Lungen nur mit ihrem Duft. Wäre er jetzt in diesem Moment in der Lage gewesen, auch nur einen einzigen Muskel zu bewegen, hätte ganz sicher auf der Stelle noch sehr viel mehr getan als nur das - aber das ist zumindest jetzt gerade völlig undenkbar, weil sein ganzer Körper bleischwer und angenehm knochenlos zu sein scheint. Sie seufzt hörbar und von ihrem Atem überzieht sich seine Brust mit Gänsehaut. Mit einem leisen Lachen streckt er sich noch ein wenig mehr, aber dann hebt er schnuppernd den Kopf vom Kissen. Der Geruch, der ihm in die Nase steigt, ist köstlich und war ihm schon draußen auf dem Inneren Zwinger aufgefallen, denn er scheint die ganze Festung zu durchziehen und lässt ihm auf der Stelle das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er hatte sich nicht die Zeit genommen, etwas zu essen, als er nach Hause gekommen war. "Was bei allen Göttern wird in den Küchen gebraten?"

"Schwein", erwidert Diantha. "Oder besser Schweine, ein ganzes Dutzend." Er glaubt einen schwachen Unterton von Belustigung in ihrer Stimme zu hören und streicht mit der freien Hand über ihre sommersprossige Schulter und den Rücken. "Das klingt gut, warum denn? Doch nicht wegen uns?" Jetzt ist es an ihr den Kopf zu heben, aber der Blick, mit dem sie ihn bedenkt ist bestenfalls strafend zu nennen. "Nei-ein. Für das Julfest."
"Was? Aber…" er rechnet erfolglos nach und versucht die Tage zu zählen, doch es dauert eine Weile, ehe ihm dämmert, dass es tatsächlich nur noch zweieinhalb Siebentage bis Mittwinter sind. "Oh."
"Ja,' oh'!" Wird ihm betont geduldig beschieden, dann steht Diantha auf, beraubt ihn ihrer Wärme und lässt ihn allein in der Leere des Bettes zurück, während sie sich frische Kleider zusammensucht. Ihr Schlafgemach ist nicht kalt, denn das Feuer im Kamin brennt hell, aber doch deutlich kühler als ihr warmes Nest aus Pelzen und Daunendecken. Während sie in ein Hemd schlüpft, will sie wissen, ob er denn das ganze Grünzeug nicht gesehen habe. Morna, Radegund und sie hätten schließlich fast alle Botenkinder dazu gebracht hatten, tagelang mit ihnen Moos, Pinienzapfen, Tannenäste und Immergrün zu schneiden und daraus Kränze und Girlanden zu winden, selbst die Zwillinge hätten mitgeholfen. Olyvar hofft, dass sie nur ungläubig klingt und nicht wütend, aber da sie gerade das Hemd über dem Kopf hat, kann er es nicht genau sagen - immerhin kann er ihr eine vollkommen aufrichtige Antwort geben, als ihr wirrer Lockenkopf  unter dem Linnen wieder auftaucht. "Nein. Das einzige, was ich gesehen habe, als ich hier ankam, warst du." Ihr strenger Blick wird weicher, als sie die absolute Ehrlichkeit sieht, die ihm deutlich ins Gesicht geschrieben steht und ihr Mund verzieht sich zu einem leisen Lächeln. "Tut mir leid, Conasg. Irgendwie ist mir die Zeit abhanden gekommen. Wir hatten einen Haufen Kornräuber zu jagen und das Wetter war miserabel. Es gab ein paar heftige Scharmützel und… aber warum braten sie jetzt schon Schweine für das Julfest?" Er arbeitet sich unter den Pelzdecken hervor und steht ebenfalls auf. Er hätte sich zwar nichts schöneres vorstellen können, als wieder mit ihr ins Bett zu gehen und dicht und warm aneinander geschmiegt in die einladenden Tiefen schwarzen Schlafes zu sinken, doch die leidige Pflicht ruft und zwar so laut, dass seine Ohren schon davon dröhnen. "Hmpf… räuchern ja, aber…"
"Weil alle Räucherkammern voll sind! Weonard will irgendetwas mit dem gebratenen Fleisch anstellen, einpökeln, Sülze machen, was weiß ich!" Jetzt klingt sie eindeutig… aufgebracht und von ihrem warmen Lächeln ist keine Spur mehr vorhanden.  "Du hast keine Ahnung, was hier los war! Du kommst nach Hause und du…du…"
"Natürlich nicht, du hast es mir ja nicht erzählt", wendet er vollkommen logisch ein und sagt damit das denkbar schlechteste. Sie gibt einen Kehllaut von sich, halb ein Knurren, halb ein Schnauben, nicht besonders laut, aber eindeutig alarmierend und Olyvar beeilt sich, seine Hosen anzuziehen und in ein Hemd zu schlüpfen. Was immer es ist, das ihn jetzt erwartet, er will ihm wenigstens halbwegs angezogen gegenüberstehen. "Was bei allen Höllen ist mit dir los, Conasg?"
"Mit mir? Was ist mit dir! Zum Dunklen mit dem Julfest! Zum Dunklen mit deinen blöden Kornräubern - und zum Dunklen mit dem blöden Conasg!" Die letzten Worte untermalt sie deutlich mit einer hölzernen Schatulle Löschsand vom Schreibtisch, die an seinem rechten Ohr vorbei saust und hinter ihm gegen die Wand knallt.

"Es reicht! Würdest du mir bitte erklären, was in dich gefahren ist?"
"Du!" Wird ihm aufgebracht beschieden. "Ich habe die ganze Zeit hier wie auf Kohlen gesessen, bis zu den Ohren zwischen Hurenkrankheiten, wutschnaubenden Blaumänteln, stutenbissigen Mägden, grauenhaften Rotzlöffeln und ausgebrochenen Schweinen! Wir haben die ganze Zeit nichts von euch gehört, außer das es Kämpfe gegeben hat und dann kommst du völlig verdreckt nach Hause und fragst noch nicht einmal nach den Kindern! Oder wie es mir ergangen ist. Njáll kann jetzt Treppensteigen! Ganz allein! Und er hat mindestens fünf neue Wörter gelernt. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie schwierig es ist, drei Dutzend Schweine wieder einzufangen, wenn sie in kopfloser Panik über die Zwinger schießen… außerdem war der ganze Fußboden sauber, ehe du mit deinen Schlammstiefeln hier durch getrampelt bist! Weißt du, wie viel Mühe es macht, einen Steinboden mit Seifenlauge zu schrubben? Ich wollte dir  sagen, was hier los war, aber du wolltest nur ins Bett und du hast dir noch nicht einmal die Mühe gemacht, du hast noch nicht einmal…"
Olyvar fühlt sich als sei er in die Flügel einer großen Windmühle geraten, die sich rapide dreht, und auch wenn er ihr nicht wirklich folgen kann, kratzt er sich dennoch an seiner rauen, stoppelbärtigen Wange und hat ein schlechtes Gewissen. "Oh, ich dachte, du wolltest gern… ahm… mmpf"
Sie stampft mit dem Fuß auf. "Wollte ich auch!"
"Aye?" Er hebt sein Hemd auf, hält seinen Blick jedoch argwöhnisch auf sie gerichtet. "Dann… bist du also wütend, weil mir nicht aufgefallen ist, dass ihr die Festung für das Julfest geschmückt habt, ist es das?"
"Nein!"
"Nein", echot er schicksalsergeben und zieht das Hemd über den Kopf. "Dann… liegt es also doch daran, dass ich nicht weiß, was Weonard mit den Schweinen vorhat?"
"Nein."
"Du bist wütend, weil ich mit dir ins Bett wollte, obwohl du das auch wolltest?"
"NEIN!"
"Dann, co… Diantha, verstehe ich wirklich nicht, warum du so reizbar bist wie ein Branbär im Frühling!"
"Ich weiß! Das ist ja das Problem."
"Ahja?" Mit einer sehr unguten Mischung aus Verärgerung und Schuldbewusstsein (obwohl er seiner Meinung nach gar nichts getan hat) schlüpft er in seine Stiefel, während Diantha auf nackten Fersen kehrt macht und in einer Kommodenschublade nach Strümpfen wühlt. Als sie sie gefunden hat, streift sie sie sich heftig an die Füße, dreht wieder um und stapft ans Fenster, wo sie eine der bleigefassten Scheiben aufreißt, die Arme verschränkt und dann in hörbaren, tiefen Zügen die kalte Winterluft einatmet. Olyvar fährt sich mit den Händen durchs Haar, schüttelt den Kopf und tritt nach einem Moment geladenen Schweigens hinter sie. "Erzähl's mir." Er legt ihr behutsam die Hände auf die Schultern und sie tritt ihm immerhin weder auf die Füße noch gegen die Schienbeine, im Gegenteil. Nach einem Augenblick steifen Widerstands lehnt sie sich ganz leicht gegen ihn.

"Vor drei Tagen", beginnt sie seufzend, "sind ein paar Küchenjungen krank geworden. Ein verdorbener Käse oder etwas Ähnliches. Radegund hat Weonard ein paar ihrer Mägde geschickt. Die haben alle Brote anbrennen lassen."
"Oh… nicht gut."
"Nein, gar nicht gut. Weonard hat ihnen vorgeworfen, viel zu sehr mit Schnattern beschäftigt gewesen zu sein, um auf das Brot zu achten und hat sie hinausgeworfen, dann ist Radegund wie eine Rachegöttin in die Küche gestürmt und hat ihn angebellt, was ihm einfalle, ihre Mägde so abzukanzeln und was ihm überhaupt einfalle, ihm werde sie noch einmal aus der Patsche helfen. Dann ist einer von den Botenjungen, Vron, die Treppe vom Kerkerturm hinuntergefallen und hat sich den Arm gebrochen. Es geht ihm wieder gut, Mealla hat ganze Arbeit geleistet. Aber als es passiert ist, hat Vron gebrüllt wie am Spieß, der halbe äußere Zwinger ist zusammengelaufen und die Wächter auf den Mauern haben fast Alarm geblasen, weil sie dachten, wir werden angegriffen. Und äh… Radegund ist auf dem Abtritt stecken geblieben, und…"
"Bitte…was?"
"Ja, sie und ein paar Scheuermägde haben die Abtritte mit kochendem Wasser gereinigt und die alten Latrinengruben zuschütten lassen und mit Kalk überstreut, gerade als Vron… und dann ist sie erschrocken und mit einem Plumps auf dem Abtritt gelandet, und naja…"
Radegund war groß und stämmig, die reinste Walküre, und hatte ein sehr ausladendes Hinterteil, das ist wahr - es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass ihr so etwas passiert, auch wenn ihre Würde, auf die sie so sehr bedacht ist, dabei wohl mehr als nur einige Federn gelassen hat. Olyvar spürt, wie Lachen in seiner Brust aufsteigt, auch wenn er sich sehr bemüht, es zu unterdrücken und kann auch in Dianthas Stimme leise Belustigung hören. "Jedenfalls war alles ein riesiges Durcheinander, denn genau an diesem Tag kam eine Lieferung aus Steinmühle und ein paar anderen Dörfern, der Jahreszehnte in Schweinen. Rhordri und ein paar Kämmerer waren draußen und haben die Tiere gezählt, aber sie waren alle noch quietsch lebendig, nicht geschlachtet und bereits aufgebrochen wie sonst, frag mich nicht warum. Weonard hat getobt, so ginge das gar nicht und Rhordri wollte wissen, wo bei allen Göttern er drei Dutzend Schweine so lange unterbringen soll."
"Himmel… und dann?"  
"Naja… Vron hat gebrüllt, Weonard hat gebrüllt, ein paar Scheuermägde kamen schreiend mit Besen angerannt und Radegund hat auch gebrüllt, vom Abtritt aus. Irgendjemand hat nach einem Heiler für Vron geschrien und Rhordri hat nur noch geflucht. Die ganzen Schweine, denen das alles viel zu laut war, haben ebenfalls angefangen zu schreien. Ausgerechnet diesen Moment hat sich Pernelles Ältester, Ruga, ausgesucht, um sein bisheriges Meisterstück zu vollbringen. Er und ein paar andere Jungs, die er angestiftet hat, haben das ganze Chaos genutzt, um die Schweinepferche auf den Wagen aufzumachen und dann rannten plötzlich über dreißig quiekende Säue über die Zwinger."

"Was?!" Olyvar ist ziemlich fassungslos, trotzdem kann er das Lachen jetzt beim besten Willen nicht mehr unterdrücken und prustet leise. Auch Diantha klingt erheitert, murmelt aber etwas von "Das war überhaupt nicht lustig!" ehe sie fortfährt. "Ich habe die Zwillinge mit Njáll vom Zwinger geschickt und ihnen gesagt, sie sollen sich ja nicht außerhalb des Bergfrieds blicken lassen, ehe das vorbei ist und dann Varin zugeschrieen, er soll sofort die Tore schließen. Rhordri hat mir einen Besen in die Hand gedrückt und dann waren wir und fast fünfzig Blaumäntel eine ganze Weile nur damit beschäftig, diese blöden Mistviecher wieder einzufangen. Vier Wächter sind böse gebissen worden und die sechs Schweine, die jetzt in der Küche braten, haben die Jagd auch nicht überlebt… aber die anderen schon. Sie sind in einem Pferch im Burggraben, direkt vor dem Wächtertor. Achim und ein paar Kämmerer haben ihn gebaut. Eine Sau ist in ihrer Panik in den Brunnen gesprungen und es hat einen halben Tag gedauert, bis wir sie wieder draußen hatten, aber der Brunnen ist nicht verdorben, allen Göttern sei Dank. Radegund konnten wir auch befreien, auch wenn Gueren jetzt ein paar neue Abtritte zimmern muss und Vron erholt sich gut, sagt Mealla. Weonard ist etwas eingefallen, das er mit den vielen Schweinen anstellen kann. Und Varin wird hoffentlich bald aufhören, mich zu hassen, weil ich den Blaumänteln den Pfirsich verboten habe."
"Aye… dann hast du deine Sache doch sehr gut gemacht. Die Vorratskammern sind voll, die Räucherhäuser auch, es gibt ein paar Verletzte, aber keine nennenswerten Verluste und die Steinfaust steht auch noch." Er hat es halb scherzhaft gemeint und ist ein wenig überrascht zu spüren, wie sie tief durchatmet und ihre Anspannung merklich nachlässt. "Im Ernst, Diantha. Du hast deine Sache sehr, sehr gut gemacht. Ich weiß genau, was du jetzt brauchst." Er dreht sie zu sich um und nimmt ihr Gesicht in beide Hände, dann küsst er sie, sehr sanft, aber auch sehr gründlich. "Vergiss das mit dem nach unten in die Halle gehen. Wir haben noch den Hamadat, den Azra uns geschenkt hat und die Kinder kommen frühestens morgen Mittag zurück. Also, mein Herz, werden wir beide uns jetzt fürchterlich betrinken, wie das Veteranen vieler Schlachten nach ein paar anständigen Kämpfen so tun, aye?" Sie sieht ihn an und er kann das Lachen in ihrem Brustkorb vibrieren spüren, als sie nickt. "Und dann, wenn wir unseren Rausch ausgeschlafen haben, werde ich mir ansehen, was du meinem Sohn beigebracht hast, während ich weg war. Vielleicht bin ich manchmal ein Narr, Diantha. Aber ich liebe dich."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 05. Jan. 2010, 21:44 Uhr
>Vielleicht bin ich manchmal ein Narr, Diantha.< Allerdings, stimmt sie Olyvar gedanklich zu und ein kleiner Rest Wut rumort noch in ihrem Magen, wenn auch nicht mehr lange, denn er fährt fort: Aber ich liebe dich.< Damit hat Olyvar es mal wieder geschafft, Dianthas ganze Empörung und ihren aufgestauten Ärger mit einem Schlag wegzuwischen, auch wenn der kleine Gefühlsausbruch eine sehr große Erleichterung war. „Ich dich doch auch“, gibt sie mit plötzlichem Sanftmut zurück und schaut ihm so lang in die grauen Augen, bis sie in ihnen nur noch eine unausgesprochene Frage lesen kann. Gerade als er den Mund öffnet um sie zu stellen, fällt sie ihm mit einem leisen Laut unendlicher Erleichterung um den Hals. „Du hast … sooo sehr gefehlt“, gesteht sie mit einem tiefen Sefzen. Sie spürt, wie Olyvar sie fest an sich zieht und saugt seinen unverwechselbaren und lange vermissten Geruch tief ein, bis ihre Lungen voll davon sind. Sie könnte darin baden und würde nicht genug davon bekommen, ganz besonders nach der langen Zeit der Trennung, in denen sie irgendwann angefangen hatte, in seinem Bettzeug zu schlafen, weil es noch einige Tage nach ihm roch und alles nach ungewaschener Kleidung von ihm zu durchsuchen, nur für einen Moment der vorgetäuschten Nähe. Sie kann es nicht erklären, sie kann diesen Geruch auch nicht umschreiben, er ruft in ihr nur das klare Gefühl von Richtigkeit hervor, als gäbe es ihn einzig und allein, um von ihr gerochen zu werden, wie ein kleiner Teil abgesplitterten Selbsts, der so einfach wie unabänderlich zu ihr gehört. „Bei jeder Entscheidung habe ich mich bestimmt zehn Mal gefragt, was du wohl an meiner Stelle getan hättest und ob dir nicht mit Leichtigkeit etwas Besseres eingefallen wäre.“ Sie schließt ihre Augen und schmiegt ihr Gesicht an seinen Hals, als sie weiterredet: „So oft musste ich so tun, als ob ich vollkommen sicher wäre, dabei war ich das überhaupt nicht, ich sah nur keine andere Möglichkeit. Bei den meisten Entscheidungen hat mich Rhordri sehr unterstützt, bei den Pfirsichen hat er mich allerdings alleine gelassen. Das war wirklich die schwerste Aufgabe, weil bis auf die Heiler und Pumquat alle gegen mich waren und ich solche Angst hatte, dass du heim kommst und meine Lösung gar nicht gutheißt, dir vielleicht sogar auf Anhieb etwas ganz Einfaches einfällt.“
Es tut unglaublich gut, sich das von der Seele zu reden, weil es sie wirklich lange beschäftigt hat und sie niemanden hatte, dem sie es erzählen konnte, sie wollte ja Morna schließlich auch nicht immer nur volljammern, ganz zu schweigen davon, dass sie gar keine Zeit dafür gehabt hätte, mit ihr zu reden. „Aber du hast gesagt ich habe es gut gemacht, nicht wahr? Ich habe nichts Falsches getan?“ Mit großen blauen Augen schaut sie zu ihrem Mann auf und es ist schwer zu glauben, dass es nicht lange her ist, als sie vor Wut blitzten und keine Widerrede duldeten. Jetzt bitten sie um Anerkennung, auch wenn Diantha nie gedacht hätte, dass es ihr jemals dermaßen wichtig sein könnte, gelobt zu werden. Zuvor hatte sie allerdings auch noch nie so stark die zahlreichen möglichen Aufgaben einer Lady des Hauses zu spüren bekommen. Es hatte sich zwar im letzten Jahr allmählich eingebürgert, dass besonders die Scheuermägde, die Küchenhilfen und die Botenkinder sich bei Problemen an sie wendeten, aber Entscheidungen, die alle Blaumäntel betrafen, musste sie nie zuvor fällen. Sicher hatte Olyvar sie das ein oder andere Mal nach ihrer Meinung gefragt und ihren Rat berücksichtigt, dennoch ist es etwas anderes, wenn man plötzlich die volle Verantwortung übernehmen und hinter seinem Wort stehen muss. „Vor allem als mir Varin an den Kopf geworfen hat, dass du so etwas nie entscheiden würdest, bin ich ganz schön ins Wanken gekommen und habe sehr an mir gezweifelt.“ Sie erinnert sich mit einem leichten Schaudern an den Tag voller aufgebrachter Gemüter und so mancher Diskussion, bis sie schließlich ein Machtwort sprechen musste. In den Momenten der Konfrontationen war es ihr nicht so schwer gefallen, ihren Kopf durchzusetzen und auch den herausfordernden Blick des Hauptmanns hatte sie problemlos erwidern können, Dianthas Probleme waren die Nächte. Stundenlang hatte sie nachts wachgelegen um sich den Kopf über das zerbrochen, was sie besser und für alle zufriedenstellender hätte machen können. Erst nach zwei Wochen mit viel zu wenig Schlaf, war es ihr endlich gelungen, abends die Grübelei zu lassen und sich die Ruhe zu gönnen, die sie brauchte.
„Vor allem finde ich es unglaublich, mit welcher Selbstverständlichkeit davon ausgegangen wird, dass man auf alles sofort eine Antwort weiß und zu jedem Thema eine Meinung hat und voll im Bilde ist. Wie soll man denn überall gleichzeitig seine Augen haben? Wie hast du das nur damals geschafft, als du so unerwartet jung gewählt wurdest?“ Verständnislos schüttelt sie den Kopf und schaut wieder zu Olyvar auf. „Aber ich glaube ich weiß jetzt, warum du Pumquat so zu schätzen weißt. Wenn ich dachte, dass mir alles über den Kopf wächst, bin ich zu ihm ins Solar gegangen und irgendwie hat er es immer geschafft, mit ein paar Worten genau das Richtige zu sagen und mir Mut zuzusprechen.“ Bei der Erinnerung an diese verständnisvollen verschiedenfarbigen Augen und die weisen Ratschläge, muss sie lächeln. Kurz zögert sie, sie weiß nicht, ob das jetzt wirklich der richtige Moment ist, um zu fragen, doch ihre Neugier überwiegt: „ Ihr kennt euch schon ziemlich lange, nicht wahr? Magst du mir erzählen, wie ihr euch kennen gelernt habt? Ich habe ihn nämlich gefragt und er hat gesagt, es sei an dir, darauf zu antworten.“ Da muss sie mit einem Mal an Olyvars Vorschlag mit dem Hamadat denken. „Was hältst du davon, wenn ich den Schnaps hole, wir anstoßen und du mir dann von dir und Pumquat erzählst?“ Liebevoll streicht sie ihm eine braune Strähne aus dem Gesicht und wispert ein leises: „Endlich wieder da“, bevor sie aus dem Bett hüpft, sich ihr Hemd überzieht, schnell in Wollsocken schlüpft und sich auf die Suche nach einer Flasche mit bernsteinfarbenem Inhalt macht.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 15. Jan. 2010, 18:56 Uhr
Schneeregen klatscht kalt und schwer gegen die hohen Fenster der großen Halle, als Olyvar und Diantha es sich, bewaffnet mit der Flasche Hamadat und zwei Bechern, vor dem großen Kamin bequem machen. Hier lodert die Hitze des Feuers heiß und hell und verbannt Nacht und Kälte nach draußen – selbst die schrittdicken Mauern der Festung, vor Jahrhunderten aus grauem Stein erbaut, die sonst immer Kühle atmen, strahlen glühende Wärme ab. Olyvar hätte wirklich nicht gedacht, dass Diantha so voller Selbstzweifel gewesen war, was ihre Entscheidungen anbelangt - und erst recht nicht, dass es ihr so viel bedeutet, von ihm zu hören, dass sie ihre Sache gut gemacht hatte… und das hatte sie wirklich. >Vor allem als mir Varin an den Kopf geworfen hat, dass du so etwas nie entscheiden würdest, bin ich ganz schön ins Wanken gekommen und habe sehr an mir gezweifelt.< Hatte sie gesagt, als sie sich schließlich angezogen hatte, auch wenn er viel darauf verwetten würde, dass sie sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als sich die Blöße von Unsicherheit vor den Männern zu geben… da hatte sie vermutlich eher so wild entschlossen gewirkt wie ein bissiger Dachs in seinem Bau. "Du hast das Richtige getan," bestätigt er ihr zum dritten Mal, als sie es sich einfach auf dem Boden auf weichen Pelzen und Kissen bequem machen, Olyvar die Flasche entkorkt und ein überwältigender Duft nach den Herzen blauer Agaven und allen Farben der Wüste die Halle erfüllt.  Er beobachtet mit einem Lächeln wie sie schnuppernd den ungewohnten Duft einfängt und schenkt je zwei Fingerbreit der goldklaren Flüssigkeit in die beiden Becher. Was hatte sie noch gesagt? Irgendetwas von Selbstverständlichkeit und allwissenden Antworten oder so ähnlich und ach ja… >Wie soll man denn überall gleichzeitig seine Augen haben? Wie hast du das nur damals geschafft, als du so unerwartet jung gewählt wurdest?< Er hatte ein wenig unbehaglich und mit einem schiefen Grinsen mit den Schultern gezuckt und nicht wirklich eine Antwort für  sie gehabt… jedenfalls keine, die sie gern hören würde. Doch dann hatte sie von Pumquat angefangen und ihm so eine Gnadenfrist eingeräumt, was die Sache mit der Verantwortung und dem Anführen angeht. Ihr kleines Loblied über den Kobold hatte ihn allerdings erst erstaunt eine Braue heben und dann missmutig schnauben lassen.

"Mut zusprechen, soso", hatte er gemurmelt und sich fest vorgenommen, bei nächster Gelegenheit ein paar Takte mit dem kleinen, buntgescheckten Nichtsnutz zu reden. Hätte Diantha auch noch die 'verständnisvollen Augen' und die 'weisen Ratschläge' Pumquats erwähnt, hätte Olyvar vermutlich auf der Stelle den kleinen Schlingel her zitiert und ihm genüsslich den dürren Hals umgedreht. >Ihr kennt euch schon ziemlich lange, nicht wahr? Magst du mir erzählen, wie ihr euch kennen gelernt habt? Ich habe ihn nämlich gefragt und er hat gesagt, es sei an dir, darauf zu antworten.< "Hmpf!" Hatte er geknurrt und unfroh gegrinst. "Wenigstens besitzt er soviel Anstand." Allen Göttern sei Dank war ihr der Hamadat eingefallen – wenn er ihr die Wahrheit über den Kobold erzählen soll, dann würde er sich mit Alkohol im Magen sehr viel besser dabei fühlen… und das bestimmt nicht wegen Pumquat. "Hier mein Herz. Trink ihn auf einmal aus, kipp ihn einfach hinunter und lass deine Eingeweide in Flammen aufgehen." Er jedenfalls tut es und spürt augenblicklich das Feuer, dass der Hamadat in seiner Kehle und nur einen halben Herzschlag später auch in seiner Magengrube entzündet. "Also zunächst einmal solltest du vielleicht keinen Heiligen aus Pumquat machen. Oh, er ist unbedingt loyal, das ist wahr. Und er steht in meiner Schuld, das behauptet er jedenfalls… allerdings macht er auch keinerlei Anstalten, diese Schuld irgendwie abzutragen, außer dass er mir bei allem möglichen Schreibkram hilft und sich hin und wieder dazu herablässt, etwas von seiner Magie … nun sagen wir in meinem Sinn einzusetzen. Allerdings nur für… naja, nicht gerade Belanglosigkeiten, aber auch nicht wirklich wichtige Dinge. Er kann nützlich sein, wenn er will. Und er scheint tatsächlich einen Narren an dir gefressen zu haben, das will ich ihm auch zugestehen. Aber eigentlich ist er ein durchtriebener, hinterlistiger kleiner Gauner, der nichts Besseres zu tun hat, als sich durch sämtliche Feenkobel Talyras zu schlafen. Wusstest du, dass er ein Hohemagier ist? Nein? Hm, dachte ich mir. Das erzählt er nämlich kaum jemandem. Und die ah… wie hat er das noch gleich gesagt?" Jetzt wird sein ohnehin trockener Tonfall ein wenig sarkastisch.

"Ah ja, die "lebenslange Knechtschaft", die er mir seiner Meinung nach schuldig ist, beinhaltet aber auf keinen Fall die Rettung meines Lebens, wenn ich gerade allein gegen sechs kämpfe, geschweige denn den Einsatz seiner magischen Kräfte, wenn ich auf einen mörderischen, blutigen Feldzug gegen eine Horde verrückt spielender Narge unterwegs bin oder wenn ein durchdrehender Dämonenprinz die halbe Stadt in Schutt und Asche legt und ein Höllenogre mich fröhlich zu Brei quetschen will. Natürlich kann er mir mit seiner Magie auch keineswegs beistehen, wenn ich einer entführten Amazone nachjage oder einen irren Nekromanten Dingfest machen will, der fast ein Dutzend Frauen ermordet und zerstückelt… die Liste, was Pumquat alles nicht tun will, um seine Schuld abzutragen, obwohl er es durchaus könnte, ist ziemlich lang, a leannan." Diesmal ist es Diantha, die ihnen nachschenkt, und der zweite Hamadat sickert glühend durch Olyvars Schleimhäute direkt in sein Blut. "Uh… stark. Wirklich." Er legt den Kopf leicht schräg, sieht sie über den Rand seines Bechers hinweg an und lächelt. "Darf ich dich jetzt eigentlich wieder Conasg nennen?"  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 13. Feb. 2010, 20:19 Uhr
Zufrieden räkelt sich Diantha vor der Wärme des Kamins und schmiegt sich dabei genüsslich an ihren Ehemann. Von der mit Löschsand-Schatullen werfenden, schreienden Furie ist nichts mehr zu übrig, in diesem Moment wirkt sie so zahm wie ein kleines Kätzchen. Gespannt beobachtet sie Olyvar dabei, wie er die Flasche des ihr unbekannten Hochprozentigen öffnet und schnuppert neugierig an dem fremden Geruch. Mit großer Faszination betrachtet sie die Honigfarbe der im Licht des Feuers glänzenden Flüssigkeit, die ein wenig flüssigem Gold gleicht. >Hier mein Herz. Trink ihn auf einmal aus, kipp ihn einfach hinunter und lass deine Eingeweide in Flammen aufgehen.< Mit einem Lächeln und einem fröhlichen „Kippis“ prostet sie ihm zu, um danach den Schnaps mit einem einzigen Schluck hinunterzuspülen. Der Hamadat brennt sich seinen Weg vom Mund bis in den Magen, wo er sich in einer Welle der Wärme ausbreitet. Das Thema Pumquat scheint bei Olyvar nicht gerade Begeisterung hervorzurufen, doch er erzählt bereitwillig von seiner Beziehung zu dem Kobold. Dabei stellt er ein vollkommen anderes Bild von dem kleinen Kerl mit den zweifarbigen Augen dar, als Diantha in den letzten Tagen erlebt hat. Ihr war durchaus klar, dass Pumquat nicht so ganz ohne ist, das verraten auch schon seine hintergründigen und mehrdeutigen Sprüche manchmal, aber  das hatte der Immerfrosterin eigentlich immer ganz gut gefallen. Fast ein wenig zerknirscht stellt Olyvar fest: >Aber eigentlich ist er ein durchtriebener, hinterlistiger kleiner Gauner, der nichts Besseres zu tun hat, als sich durch sämtliche Feenkobel Talyras zu schlafen.< Belustigt zieht Diantha eine Augenbraue hoch, über Pumquats Liebesleben hat sie sich nun wirklich noch keine Gedanken gemacht, aber irgendwie passt das Leben eines Schürzenjägers und Schwerenöters zu ihm. Als nächstes erzählt ihr Mann aber etwas, das Diantha den Mund offen stehen lässt: >Wusstest du, dass er ein Hohemagier ist? Nein?< Vollkommen verdattert schüttelt sie den Kopf, das hätte sie niemals erwartet. Sicher, der Kobold gibt gerne vor den Kindern mit kleinen Illusionen an, wie zum Beispiel mit flatternden Schmetterlingen oder schillernden Seifenblasen. Dass er allerdings fast auf dem gleichen Rang ist wie zum Beispiel Alberthol, wirft ein ganz neues Licht auf den Kobold und vor allem darauf, dass er seine Zeit mit so nichtigen Tätigkeiten wie unwichtigem Schreibkram verschwendet. >Hm, dachte ich mir. Das erzählt er nämlich kaum jemandem<, stellt Olyvar fest. Daraufhin zählt er auch noch all die Situationen auf, in denen Pumquat ihm nicht geholfen hat, obwohl er ihn hätte mehr als gut brauchen können. Das Ganze klingt danach, als ob der Kobold mehr als genau wüsste, wie er die Bedingungen seiner sogenannten „lebenslangen Knechtschaft“ zu seinen Gunsten und möglichst geringem Aufwand drehen kann. Sarkastisch fasst Dianthas Ehemann zusammen: >Die Liste, was Pumquat alles nicht tun will, um seine Schuld abzutragen, obwohl er es durchaus könnte, ist ziemlich lang, a leannan.< Nach dieser Erzählung bleibt nur eine Frage noch unbeantwortet, die die Immerfrosterin daher auch prompt stellt: „Aber wie kam es denn überhaupt dazu, dass er zu deinem Knecht, wie du sagtest, geworden ist?"

Kopfschüttelnd nimmt Diantha die bauchige Flasche Hamadat in die Hand und schenkt ihnen beiden einen ordentlichen Schluck nach. Dankbar leert Olyvar seinen Becher und bemerkt: >Uh… stark. Wirklich.< Jetzt merkt auch die Immerfrosterin langsam etwas von dem hohen Alkoholgehalt des südländischen Getränks. „Stark, aber gut“, stellt sie mit einem breiten Grinsen fest. „Borgil und Azra haben eindeutig einen hervorragenden Geschmack, was Schnaps angeht. Das müssen wir mal mit einem ordentlichen Geschenk wieder gut machen.“ Olyvar scheint derweil ganz andere Gedanken zu hegen, denn er legt den Kopf schräg – unter Garantie weil er weiß, wie sehr seiner Frau das gefällt – und fragt lächelnd: >"Darf ich dich jetzt eigentlich wieder Conasg nennen?“< Mit funkelnden Augen schaut Diantha ihren Mann einen Moment lang nur an, den starken Hals auf breiten, muskulösen Schultern, die markanten Wangenknochen, die zum Lächeln verzogenen Lippen, die gerade Nase und vor allem die im Feuerschein noch rätselhafter als sonst glänzenden Augen. „Hm“, als müsse sie erst ausführlich darüber nachdenken, obwohl das natürlich nicht der Fall ist, zögert Diantha die Antwort hinaus, um sich sein Lächeln fest einzuprägen. „Naaa gut, aber nur weil ich dich liebe darfst du mich wie eine stachelige Blume nennen“, behauptet sie mit gekünstelter Großzügigkeit, ihr Blick straft aber die Worte Lügen, eigentlich hat sie ja nicht wirklich viel gegen ihren Spitznamen. Nur manchmal, wenn sie ohnehin schon gereizt ist, kann er der Tropfen sein, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. „Aber auch nur, wenn ich weiter karhuni zu dir sagen darf“, stellt sie mit leichter Belustigung als Bedingung. Dann wandelt sich ihr Blick, wird ernster und zugleich zärtlicher. Liebevoll nimmt sie Olyvars Gesicht in die Hände, spürt die Bartstoppeln in ihren weichen Handflächen und fährt mit dem Daumen sanft über seine Lippen. „Bei den Göttern, ich habe dich so unendlich vermisst“, stellt sie flüsternd fest und küsst ihren Mann so ausgiebig, dass sie heftig nach Luft schnappen muss, als sie aufhört. „Die nächsten Monate wirst du hierbleiben müssen, sonst werde ich mich leider gezwungen fühlen, dich hier festzubinden“, verkündet sie grinsend und mit einem steinerweichenden Augenaufschlag aus blauen Augen, dem man nicht böse sein kann. „Zur Not fessel ich dich auch an mich.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 27. Feb. 2010, 19:56 Uhr
"Wie ich sagte?" Echot Olyvar und hebt spöttelnd eine Braue. "Ich wollte ihn überhaupt nicht als Privatkobold und schon gar nicht als 'Knecht'. Das hat Pumquat so bestimmt und er nennt sich auch so", stellt er klar und prostet ihr mit seinem Glas leicht zu, ehe er den Hamadat über seine Zunge und dann die Kehle hinunter rinnen lässt. Mildes Feuer glüht in seinem Inneren und er weiß, dass er keinen klaren Kopf behalten wird, wenn sie weiter in dieser Geschwindigkeit trinken. Diantha scheint das ebenfalls gerade aufzugehen, denn sie pflichtet ihm grinsend bei, der Branntwein sei stark, aber gut und lobt Borgils und Azras Geschmack. "Borgil kann Feuerwein wie Wasser trinken", antwortet er mit einem leicht verzogenen, halben Lächeln. "Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch irgendetwas schmeckt und Azra… ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie auch nur einen Fingerhut voll Branntwein zu sich nimmt." Abgesehen davon geht sie entweder mit einem Kind schwanger oder sie hat eines an der Brust, also… Auf seine Frage, ob er sie nun wieder Conasg nennen dürfe, spielt Diantha jedoch erst einmal ein wenig das Rührmichnichtan, dann heuchelt sie großspurigen Langmut, was ihn insgeheim sehr erheitert. Seine Frau besitzt einige bewundernswerte Eigenschaften und viele bemerkenswerte Talente, aber Schauspielkunst gehört nicht unbedingt dazu. >Naaa gut, aber nur weil ich dich liebe darfst du mich wie eine stachelige Blume nennen.< "Ah, sie liebt mich also doch noch." Es ist ein Spiel und sie versucht mit voller Absicht, ihn ein wenig hinzuhalten oder vielleicht auch aufzuziehen. In den allermeisten Fällen kann Olyvar ebenso leicht auf solche Neckereien eingehen, doch diesmal erwidert er ihren Blick für einen langen Moment sehr viel ernster als sie es gerade ist. >Aber auch nur, wenn ich weiter karhuni zu dir sagen darf,< fordert sie und klingt fast ein wenig… amüsiert. Er kennt Dianthas Art, an den sicheren, unverfänglichen Oberflächen zu bleiben, flatterhaft wie ein Schmetterling und ebenso schwer einzufangen… aber manchmal, so wie jetzt, kann er sie damit nicht so einfach davonkommen lassen, sondern muss wissen, wie es wirklich in ihrem Inneren aussieht, tief in ihrem Herzen. "Ich bin der Bär", erwidert er sehr ruhig und klingt viel eindringlicher als sie - und im nächsten Moment scheint sie seine Stimmung zu spüren und fängt sie auf. Im Sommerhimmelblau ihrer Augen gerät etwas in Bewegung und schimmert langsam aus den Tiefen an die Oberfläche, dann nimmt sie sein Gesicht zwischen ihre schlanken Hände. >Bei den Göttern, ich habe dich so unendlich vermisst< Jetzt ist sie ernst, obwohl die verspielte Leichtigkeit immer noch durch ihre Augen tanzt, und er hätte gern etwas erwidert, doch ihr hungriger Mund löscht jeden klaren Gedanken, den er gerade noch gehabt hat und alle halbwegs artikulierten Worte vollkommen aus.

Olyvar vergräbt seine Finger in ihrem Haar, ignoriert den Sauerstoffmangel und erwidert Dianthas Kuss so gründlich wie sie, bis sie beide aufhören müssen, wollen sie nicht ersticken. Vergessen ist Pumquat, vergessen sind die langen Wochen ohne sie im frostigen, schneeverwehten Larisgrün, vergessen der ganze Ärger mit Missernten, Schmugglern und Räubern, und vergessen ist auch die Tatsache, dass es da noch eine Welt außerhalb der Halle gibt (die sich irgendwann schon wieder in Erinnerung bringen würde). >Die nächsten Monate wirst du hierbleiben müssen, sonst werde ich mich leider gezwungen fühlen, dich hier festzubinden. Zur Not fessel ich dich auch an mich.< Ihr Kuss und alles, was er geweckt hat, summt in seinem Blut, dicht unter der Oberfläche, und ihr Gesicht ist seinem so nahe, dass er ihren Atem auf seiner Haut spüren kann, warm und würzig vom Hamadat. "Hmhmm", erwidert er leise. Das Lächeln, das sich dabei langsam auf seinem Gesicht ausbreitet, kann man getrost diabolisch nennen, während seine Hände ihren Rücken hinab wandern und behutsam, aber zielstrebig, den Gürtel ihrer ledernen Hose aus den Schlaufen ziehen. "Ist das ein Versprechen, conasg? Dann ist mir dein Wunsch Befehl. Ich fange gleich damit an." Ihre Arme um seine Mitte zu legen und sie in seinem Rücken mit dem geflochtenen Lederriemen zusammenzubinden ist ein Kinderspiel und im Handumdrehen erledigt, auch wenn sie nach besten Kräften versucht, ihn abzulenken und ihr Mund ganz und gar sinnverwirrend mit seinem Hals beschäftigt ist. "Recht so?" Sein Lachen, warm und dunkel, ist gar nicht als wirkliches Gelächter, sondern nur in seiner Stimme zu hören. Sie erkundigt sich nur, was das denn werden soll, klingt aber alles andere als argwöhnisch, eher ein wenig atemlos. "Ich tändle, mein Schatz." Olyvar angelt nach der Flasche, was ein bisschen schwierig ist, schließlich ist er jetzt im wahrsten Sinne des Wortes ein gebundener Mann, schenkt ein Glas voll ein und hält es dann behutsam an den Rand ihrer Unterlippe, sodass sie trinken kann. "Tändeln ist die Kunst, einer Frau in die Arme zu sinken, ohne ihr dabei in die Hände zu fallen, aye?" Diantha nimmt langsam einen Schluck, schließt die Augen halb wie eine genießerische Katze und als sie sie wieder öffnet, ist das Sommerhimmelblau darin kaum mehr als ein purpurner Funken im Feuerschein. "Ich glaube, ich will dich ein bisschen betrunken haben, conasg", schnurrt er und zwingt sich zur Beherrschung. "Und ein bisschen schamlos vielleicht auch." Und dann teilen sie sich den Hamadat, golden, klar und brennend, die weichen Kissen und die Wärme des sterbenden Feuers auf ihrer nackten Haut.

"Pumquat", murmelt Olyvar irgendwann sehr viel später. Vom Feuer ist nur noch ein kümmerlicher Rest roter Glut und weißer Asche im Kamin und ein Hauch Kühle überzieht seine nackte Haut, so dass er mit dem Fuß nach einem Scheit angelt, sich aufrichtet und Holz nachlegt. Diantha räkelt sich hinter ihm auf dem dicken azurianischen Teppich und in einem kleinen Berg aus Kissen. Sie rollt sich  auf den Bauch und stützt das Kinn auf die verschränkten Arme, um ihn anzusehen. "Willst du immer noch wissen, wie ich an den kleinen Klugscheißer gekommen bin?" Sie nickt und schlüpft in sein Hemd, weil ihre Schultern sich mit Gänsehaut überziehen. Olyvar sucht seine Beinkleider und findet neben seinen Hosen immerhin einen Strumpf, aber der gehört Diantha und ist ihm zu klein, also macht er es sich barfuß wieder neben ihr bequem. "Du weißt, dass ich in den Räuberkriegen in Azurien war. In meinem… lass mich überlegen… im dritten Jahr dort geriet ich mit einem Dutzend anderer während eines Feldzugs tief hinein in den Djebel Araq in Gefangenschaft. Man brachte uns nach Tinerhir, einer Oase mit einer uralten Festung in den Felsen und warf uns in den Kerker. Die Anführer unseres kleinen Trupps wurden sofort hingerichtet, uns andere ließ man am Leben… und am Leiden. Wir bekamen kaum Wasser und nichts zu essen. Jeden Tag mussten wir uns im Steinbruch quälen, jede Nacht wurden wir in kalten Höhlen im Fels aneinander gekettet. Sie hatten außer uns noch andere Gefangene, viele hundert, die meisten Kriegsgefangene aus Sûrmera, aber auch entlaufene Sklaven oder sonstige. Es war so voll in ihrem unterirdischen Kerker, dass man sich zum Schlafen nicht hinlegen konnte… aber das hätte ohnehin niemand getan. Sich hinlegen meine ich.  Man wusste nie, wann sie durch einen Schacht einen Kübel mit Abfällen herunterwarfen und wer am Boden lag, wenn das zufällig geschah, wurde einfach zu Tode getrampelt und kam nie wieder hoch. Also schliefen wir im Stehen, immer in Ketten, immer hungrig, immer krank und ziemlich schwach. Wir hatten Läuse, Flöhe, Würmer und Wanzen, und die rote Ruhr ging ebenso um wie Skorbut. Es war…" er zuckt mit den Schultern und drängt die Bilder entschlossen wieder zurück in die tiefsten Winkel seiner Seele.

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie es war, wenn du nicht dort gewesen bist. Wie auch immer, dort traf ich Pumquat. Er hat mir nie erzählt, wie oder warum er dort gelandet ist, aber er war da. Sie hatten ihn in einen kleinen Käfig gesteckt, der hauptsächlich aus Eisen war, aber es war auch ein wenig Rashan hinein geschmiedet und ihn in dem Gang aufgehängt, der zu unserem Verlies führte. Nicht nur, dass sie ihm damit all seine magischen Kräfte genommen hatten, es hat ihn auch krank und schwach gemacht. Wie auch immer, nach ein paar Monden bekam ich die Gelegenheit zur Flucht. Ein Aufstand unter den Gefangenen brach aus und wurde niedergeschlagen, und irgendwie landete ich bei denen, die dafür verantwortlich gemacht worden waren, ihn angezettelt zu haben. Sie wollten uns allen die Hände abhacken und uns dann in die Gruben der Skorpione werfen. Ich widersprach nicht und ich wehrte mich auch nicht - zu diesem Zeitpunkt kamen mir zwei Armstümpfe und die Aussicht, hundertmal von ein paar Schwarzen Imperatoren gestochen zu werden und elend an ihrem Gift zu krepieren geradezu paradiesisch vor im Vergleich zu meinem… Dasein in diesem Kerker." Seine Stimme ist leise geworden, während er erzählt und er ist längst wieder stocknüchtern. "Um uns die Hände abzuhacken, mussten sie uns jedoch die Ketten abnehmen und das war unsere Chance. Einer wehrte sich, dann noch einer und plötzlich kam Leben in uns alle. Alles ging durcheinander, alles geschah gleichzeitig und auf einmal kämpften zwei Dutzend Gefangene um mich herum mit den Wachen. Ich weiß noch, dass ich plötzlich eine blutige Takuba in der Hand hielt und jemand schrie: Dort hinaus! während um mich herum alles brannte und wir am Rauch fast erstickten. Wir versuchten die übrigen zu befreien, doch wir konnten ihre Ketten nicht zerschlagen, also rannten wir, töteten alle Wachen, die uns begegneten, rannten weiter, starben, kämpften… irgendwie kamen wir in den Tunnel, der nach oben und hinaus führte, und da saß Pumquat in seinem Käfig, baumelte von der Felsendecke und schrie, ich könnte die übrigen vielleicht nicht retten, aber ihn schon. Also hab ich es getan."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 22. März 2010, 09:59 Uhr
Die Frage, ob sich als Gegengeschenk für Azra und Borgil ebenfalls eine gute Flasche Alkohol anbieten würde, erübrigt sich rasch, als Olyvar feststellt: >"Borgil kann Feuerwein wie Wasser trinken" und anmerkt, dass Azra wohl eher nichts davon trinken würde. Ist ja wahr, die Frau lässt sich zwischen stillen und schwanger werden keine Zeit, daran habe ich nicht gedacht. Außerdem würde sie bei ihrer Größe und Statur wohl auch sonst nicht viel vertragen... Die Überlegung, was ein angemessenes Geschenk wäre, verschiebt sie rasch, viel zu sehr reizt es sie, Olyvar ein wenig zu necken. Doch der scheint nicht so recht in der Stimmung für die kleinen Spielchen zu sein, die sie sonst so häufig miteinander spielen, dafür bleibt sein Blick viel zu forschend und ernsthaft. Das überrascht Diantha sehr, sie hätte nicht erwartet, dass es ihren Mann treffen könnte, wenn sie sich in Wut ihren Spitznamen verbittet. Meist habe ich ja das Gefühl, dass ich dich stumm verstehe und weiß, was du denkst, mein Herz, aber von Zeit zu Zeit kann ich nicht einmal ahnen, was in dir vorgeht... Es macht ihr ein wenig ein schlechtes Gewissen, als er sehr inbrünstig und so gar nicht scherzhaft antwortet: >"Ich bin der Bär“< Darauf kann sie nur eins erwidern, und das tut sie mit einer vollkommenen Selbstverständlichkeit: „Der warst du, der bist du und der wirst du immer sein, das weißt du doch!“ Als sie dann noch darauf hinweist, wie schrecklich sie ihn vermisst hat, scheint Olyvar endlich davon überzeugt zu sein, dass sie tatsächlich meint, was sie sagt und erwidert ihren Kuss so stürmisch, dass sie nach einiger Zeit unterbrechen müssen, weil die Luft zu knapp wird. So etwas darf ich mir nicht wieder erlauben, auch nicht im Eifer des Gefechts, egal wie sauer ich bin, nimmt sie sich insgeheim für die Zukunft vor. Im Nachhinein schämt sich die Immerfrosterin etwas dafür, dass sie dermaßen aus der Haut gefahren ist, besonders nachdem er so einen langen, anstrengenden Tag hatte und einfach nur froh war, wieder daheim zu sein. Auf der anderen Seite hat es auch fürchterlich gut getan, seinem Temperament freien Lauf zu lassen und nicht immer nur verantwortungsbewusst zu funktionieren. Es gibt schließlich unheimlich viele Dinge, von denen sie schlicht keine Ahnung hat und nur weil sie jetzt „Lady von Tarascon“ oder „die Frau vom Lord Commander“ ist, heißt das nicht, dass sie plötzlich allwissend ist und jede Entscheidung aus dem Ärmel schütteln kann. Diese Erwartungen, immer zu wissen, was richtig und gut ist, wieder abgegeben zu können, ist eine wahre Erleichterung. Es ist ja nicht so, als ob Diantha ungern helfen und ihre Meinung sagen würde, sie hat auch nichts dagegen, sich die Belange Unzufriedener anzuhören und nach einer Lösung zu suchen. Doch sie ist ein Mensch, der sich gerade bei komplizierten Sachverhalten gerne mit jemandem austauscht, damit sie verschiedene Blickwinkel beachten kann und so eventuell auf eine ganz andere Idee kommen kann, als ihr allein eingefallen wäre. Das Bewusstsein, dass sie jetzt nicht mehr gezwungen ist, sich um alles zu kümmern und am besten um zehn Dinge zur selben Zeit, hebt ihr ungemein die Laune. Daher muss sie sich auch ein wenig das Lachen verkneifen, als Olyvar sie auf ihre Fessel-Anspielung hin wortwörtlich an ihn bindet und ihr auf die Frage, was er denn da treibe – obwohl Diantha das natürlich leicht erahnen kann – erläutert, dass er tändle und was genau das sei. Als er dann auch noch mit einem unwiderstehlichen Schnurren, was in seinem Fall relativ nah am Knurren ist, mitteilt, dass er sie sowohl betrunken, als auch schamlos haben will, kann sie nicht mehr an sich halten und bricht in Lachen aus. „Das kannst du haben!“

Diantha könnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen ist, gewiss weit über eine Stunde, doch das ist auch nicht weiter wichtig, denn sie ist gerade so vollkommen zufrieden mit sich und der Welt, wie man nur sein kann. Ihr Mann ist endlich wieder da, sie freut sich schon auf den kommenden Tag, an dem die Kinder über ihren Vater herfallen werden, aber sie genießt auch jetzt die Zweisamkeit. Als Olyvar unvermittelt auf das Pumquat-Thema zurück kommt, öffnet sie etwas überrascht die Augen, die sie zuvor genießerisch geschlossen hatte, und rollt sich auf den Bauch, um ihrem Mann besser ins Gesicht sehen zu können. Er fragt sie, ob sie noch wissen möchte, wie er und Pumquat zueinander gekommen sind, worauf sie nickt und rasch nach seinem Leinenhemd angelt, da die Glutrest nicht mehr viel Wärme abgeben, doch dazu das Feuer wieder in Gang zu bringen, kann sie sich nicht aufraffen. Auch Olyvar zieht sich etwas über, um sie dann als nächstes nach den Räuberkriegen in Azurien zu fragen. Etwas verdattert nickt sie, sie wusste, dass er dort war, denn einige der Gegenstände aus der großen Halle stammen aus Azurien, darunter auch der abgewetzte Kamelsattel, mit dem die Zwillinge so gerne spielen, doch sie hätte nie erwartet, dass das irgendetwas mit Pumquat zu tun hat. Dazu kommt, dass Olyvar noch nie viel über seine Zeit in dem fernen Land der Gluthitze und seltsamen Sitten erzählt hat, sie hatte allerdings bisher auch nie danach gefragt. Zunächst ein wenig stockend, dann immer flüssiger, beginnt er zu erzählen wie er in Gefangenschaft geriet und was für grausame Qualen er dort erleiden musste. Er ist ein sehr überzeugender Erzähler, schnörkellos und deshalb umso glaubhafter, und auch wenn er extrem gefasst klingt und keine Miene verzieht, stellen sich bei Diantha die Haare auf, als er berichtet, was er dort alles erlebt hat. Die Immerfrosterin unterbricht ihn nicht, sieht es als eine Art Geschenk an, dass er ihr von diesen dunklen Tagen in seinem Leben erzählt, vor allem, da sie den Eindruck hat, dass Olyvar darüber noch nicht oft gesprochen hat. Sie kennt das schreckliche Gefühl, eingesperrt zu sein und am eigenen Schicksal nichts ändern zu können, doch so furchtbar wie das, was er erlebt hat, war ihre Zeit im Gefängnis nicht, vor allem, da sie an ihrer Verhaftung selber Schuld war. Es ist schon ein wenig merkwürdig, wie ruhig er spricht, doch Diantha kennt ihren Mann gut genug um zu wissen, dass er mit bösen Erinnerungen ganz anders umgeht als sie selbst, die stets von den damaligen Gefühle überwältigt wird. Bei Olyvar ist es genau andersherum: Je schlimmer etwas war, worüber er redet, desto unberührter wirkt er, während er spricht, obwohl es in ihm eindeutig anders aussieht. Olyvar erzählt weiter davon, wie er sich gefühlt hat – wenn auch wieder in distanziertestem Tonfall – und wie ihm schließlich die Flucht gelang, wobei er Pumquat mehr im Vorbeigehen mitnahm. Diantha weiß daraufhin nichts anderes zu tun, als ihrem ersten Impuls nachzugehen und Olyvar so fest in den Arm zu nehmen und an sich zu drücken, wie sie nur kann. Der Nebel des Alkohols hat sich bei diesem bitteren Bericht rasch verzogen, was Olyvar zu sagen hatte, war zu wichtig um betrunken bleiben zu können. „Ich bin so unendlich froh, dass du nicht aufgegeben hast“, stellt sie irgendwann mit heiserer Stimme fest. „Ich weiß schließlich nur zu gut, wie leiht es erscheinen kann, die Hoffnung aufzugeben und sich einfach dem Schicksal zu fügen.“ Ihr ist nicht so recht klar, wie sie das, was sie empfindet in Worte fassen soll, es ist eine Mischung aus Bedauern, das Olyvar so etwas erleben muss, Mitgefühl und Betroffenheit, aber auch Stolz, dass er es überstanden hat, so unwahrscheinlich das auch schien. Also versucht sie es mit einem: „Sich unter solchen Umständen nicht brechen zu lassen und die Gelegenheit zur Flucht zu ergreifen, ist ein unglaubliches Zeichen der Stärke.“ Nachdenklich fährt sie mit dem Zeigefinger die Kreise auf seine Unterarm nach. „Stammt einer deiner Ringe von dort?“, will sie wissen. „Zu wie vielen wart ihr? Und wie bei den Göttern habt ihr es durch die Wüste geschafft?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 29. März 2010, 11:44 Uhr
Diantha erwidert lange Zeit nichts, aber sie rutscht zu ihm herüber und hält ihn so fest wie sie nur kann, als wolle sie ihn fest hier bei ihr in der Gegenwart verankern und gleichzeitig alle Schatten der Vergangenheit entschlossen von ihm fernhalten. Obwohl eine Wolke Hamadatduft von ihrer Haut aufsteigt, wirkt sie so stocknüchtern wie er selbst. "Jetzt habe ich dir den Abend verdorben," murmelt er ein wenig bedauernd in ihr Haar, doch sie schüttelt entschlossen den Kopf – so entschlossen wie es ihr möglich ist, jedenfalls, denn sie drückt sich immer noch fest an ihn und ihr Gesicht schmiegt sich an seinen Hals. >Ich bin so unendlich froh, dass du nicht aufgegeben hast,< murmelt sie irgendwann gedämpft und er kann die Bewegungen ihres Mundes an seiner Haut spüren. "Ich auch, Conasg." Erwidert er belustigt >„Ich weiß schließlich nur zu gut, wie leicht es erscheinen kann, die Hoffnung aufzugeben und sich einfach dem Schicksal zu fügen.< "Aye." Es ist wahr, sie weiß das wohl nur zu gut, schließlich hat sie in ihrem Leben wissen die Götter zuviel Kummer gekannt und oft genug aus dem bitteren Kelch der Verzweiflung getrunken. Eine ganze Weile sucht sie nach den richtigen Worten und Olyvar kann spüren, wie ihr Schweigen an den verschiedenen Versuchen, ihre Gefühle auszusprechen, entlang balanciert. >Sich unter solchen Umständen nicht brechen zu lassen und die Gelegenheit zur Flucht zu ergreifen, ist ein unglaubliches Zeichen der Stärke.< Sie bewegt sich in seinen Armen und dreht sich, ohne ihn wirklich loszulassen oder von ihm abzurücken. "Vielleicht", erwidert er nachdenklich. "Ich weiß nicht, ob ich es Stärke nennen würde. Verzweiflung trifft es wohl eher. Überleben ganz sicher." Ihr schmaler Finger berührt seinen Unterarm und zeichnet dort die Umrisse der eingebrannten Ringe seines Rittertums nach, vier an der Zahl. Tapferkeit, Großmut, Gerechtigkeit und Erbarmen… alle der Reihe nach ineinander verschlungen, eine Kette weißen Narbengeflechts, sehr hell auf seiner sonnenbraunen Haut. >Stammt einer deiner Ringe von dort?< Ertönt es leise unter seinem Kinn und er lehnt sich zurück, um sich mit dem Rücken an einer der hölzernen Säulen abzustützen. Eine der Schnitzereien bohrt sich schmerzhaft in seine Schulter und er richtet sich noch einmal auf, angelt nach einem Kissen und stopft es zwischen sich und das harte Holz, dann sinkt er zurück in die warmen Schatten bis er sich bequem anlehnen kann, und Diantha mit ihm. >Zu wie vielen wart ihr? Und wie bei den Göttern habt ihr es durch die Wüste geschafft?

"Nicht direkt von dort," antwortet er leise. "Den ersten, diesen", sein Finger legt sich auf den Ring direkt unterhalb der Ellenbogenbeuge und ein sachtes Glühen geht mit einem Mal von der kreisrunden Narbe auf seinem Arm aus und verblasst wieder, als er die Hand fortnimmt. "Bekam ich lange vorher auf dem Schlachtfeld, als Bran mich auserwählt hat. Es war der Ring der Tapferkeit. Ich war noch ein halbes Kind und hatte den Kopf voller nichtsnutziger Jungenträume von Ruhm und Ehre. Du weißt schon… töte die Ungeheuer, besiege die Finsternis, diene dem König, der verheißen wurde, finde das heilige Schwert und so weiter. Ich war fest entschlossen, ein Ritter zu werden, aber ein Ritter Shenrahs natürlich. Mit Bran habe ich nicht gerechnet, Conasg und ich war… oh, ziemlich am Boden zerstört, als ausgerechnet er mich rief. Mit anderen Worten – ich war ein undankbarer Rotzbengel, der nichts Besseres zu tun hatte, als sich selbst und das schreckliche Schicksal zu bemitleiden, das ihn da ereilt hat. Das einzige, was mich damals darüber hinwegtrösten konnte, war, dass auch Colevar kein Shenrahritter wurde", sein Mund verzieht sich zu einem vagen, unfrohen Lächeln. "Wie auch immer… wir waren", Olyvar fährt sich mit der Hand über die Augen. "Zweieinhalb Dutzend. Es sind noch mehr entkommen, aber sie rannten wie Ameisen in alle Himmelsrichtungen davon und wir haben sie nie wieder gesehen. Viele wurden auch getötet, erledigt von den Bogenschützen auf den Türmen oder eingefangen von den Jägern, die man uns hinterherschickte. Mit mir kamen achtzehn Mann, aber überlebt haben die Flucht durch den Djebel Araq und die Wüste bis ins nächste Heerlager nur sieben – Colevar, der Narrenkönig, Karmesin, der Kleine Petyr, Cinneídinn Bronzedraht, Padraig Einarm und ich selbst… und Pumquat. Frag mich nicht, wie wir es durch die Wüste geschafft haben… immer ein Fuß vor den anderen, schätze ich. Pumquat hat uns geholfen, nachdem er sich von der Rashanfolter erholt hatte… soweit er konnte jedenfalls, er ist ja kein Wassermagier. Auf dem Weg… auf unserer Flucht… erhielt ich den zweiten Ring, den des Großmuts." Sei stets willens und bereit, alles herzugeben, was du auch besitzest…

"Aber ich hatte damals nicht das Gefühl, dass ich würdig war, ihn zu tragen. Ich haderte immer noch ein wenig mit meinem Schicksal als Branritter… außerdem hat Padraig seinen Arm verloren, als wir irgendwann mehr tot als lebendig auf einen Stoßtrupp aus Arrassigué trafen, der ein Lager am Rand der Berge hatte. Er war verletzt und die Wunde wurde brandig. Und ich konnte nicht einmal die Hälfte der Männer retten, die mit mir gekommen waren… dafür hatte ich nicht unbedingt eine Belohnung verdient, wie ich fand. Trotzdem brannte der zweite Ring eines Ritters auf meinem Arm, als wir in die Grenzgebiete von Sûrmera und in den Krieg zurückkehrten und ich habe lange nicht verstanden, warum. Ein halbes Jahr später kehrten wir den Räuberkriegen endgültig den Rücken. Die Targa hatten sich wieder tiefer in die Wüste zurückgezogen, die Überfälle auf Sûrmera wurden weniger und in Talyra lag der alte Lord Commander im Sterben. Wir wurden alle zurückgerufen, aber unsere Söldnerzeit war ohnehin zu Ende. Inzwischen schrieb man das Jahr 500 und ich hatte also einen Koboldmagier am Hals, der sich nicht ausreden ließ, mir sein Leben zu schulden - oder einen Topf voll Gold, um sich freizukaufen, aber den habe ich dankend abgelehnt. Als wir nach Hause kamen, haben sie mich zum Lord Commander gemacht… das ist jetzt fast zehn Jahre her, Conasg, und seitdem ist kein Tag vergangen, an dem mir nicht wenigstens einmal schwindlig vor Verantwortung gewesen wäre. Und auch keiner, an dem Pumquat auch nur einmal ernsthaft versucht hätte, seine Schuld abzutragen."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 11. Apr. 2010, 11:01 Uhr
Diantha hat sich ganz fest an ihren Mann geschmiegt, der im gleichen Takt atmet und sie würde vieles darauf verwetten, dass auch ihre Herzen im selben Rhythmus schlagen. Sie hatte sich ihrem Mann während ihrer ganzen Beziehung immer nah gefühlt, auch wenn er sie manches Mal überrascht hatte. Doch es gibt so ganz bestimmte Situationen, in der die Verbundenheit eine tiefere Dimension annehmen kann, in der es nicht um körperliches Zusammensein geht, sondern um weit mehr. Sie hatten schon mehrere dieser Momente miteinander geteilt, in denen man mehr von sich preisgibt, als man sich je hätte träumen lassen. >Ich weiß nicht, ob ich es Stärke nennen würde. Verzweiflung trifft es wohl eher. Überleben ganz sicher.<, sagt er gerade. Und doch ist es Stärke, wenn man sich in einer solchen Situation nicht nur um sich selbst kümmert, sondern sich Gedanken darüber macht, wie es anderen ergeht. Nicht jeder würde die Flucht aus einer solchen Hölle heraus zögern, nur um zu versuchen die anderen Gefangenen zu befreien, stellt sie fest, auch wenn sie es für sich behält. Sie würde Olyvar nie dazu bringen, sich als eine Art Held zu sehen, aber für Diantha wird er das auf eine gewisse Art immer bleiben. Der, der mir den Weg aus der Dunkelheit gewiesen hat, denkt sie liebevoll und streicht ihm über den Hals, wie er es gerne mag. Auf ihre Frage danach, ob er in der Wüste oder dem Gefängnis einen seiner Ringe erhalten hat, antwortet ihr Mann ihr so leise wie ausführlich. Er erzählt ihr von seinem ersten Ring, so selbstkritisch und ehrlich, wie wohl nur Olyvar aus seiner Vergangenheit berichten kann: >Ich war noch ein halbes Kind und hatte den Kopf voller nichtsnutziger Jungenträume von Ruhm und Ehre. Du weißt schon… töte die Ungeheuer, besiege die Finsternis, diene dem König, der verheißen wurde, finde das heilige Schwert und so weiter. Ich war fest entschlossen, ein Ritter zu werden, aber ein Ritter Shenrahs natürlich.< Zugegeben, es fällt Diantha schwer, sich Olyvar als verträumten Jugendlichen vorzustellen, dessen Kopf voll hochtrabender Ideale steckt. Dabei ist es doch nur wahrscheinlich, dass auch er einmal unbedarft und arglos war und mit Gleichaltrigen debattierte, welches an Inari wohl der schönste Rotfuß sein würde, so fern ihm das heute auch sein mag. >Mit Bran habe ich nicht gerechnet, Conasg und ich war… oh, ziemlich am Boden zerstört, als ausgerechnet er mich rief<, fährt Olyvar fort und das überrascht Diantha dann doch. „Der Gott der Kraft, der Stärke und Tapferkeit, das hätte dir doch erstrebenswert erscheinen sollen, oder etwa nicht?“, fragt sie verwundert, doch Olyvar verneint. >Mit anderen Worten – ich war ein undankbarer Rotzbengel, der nichts Besseres zu tun hatte, als sich selbst und das schreckliche Schicksal zu bemitleiden, das ihn da ereilt hat. Das einzige, was mich damals darüber hinwegtrösten konnte, war, dass auch Colevar kein Shenrahritter wurde.< Diantha versucht sich vorzustellen, wie es wohl sein muss, von dem Gott des Lebens und der Gerechtigkeit zurückgewiesen zu werden und stattdessen den unleugbaren Abdruck eines anderen Gottes auf die Haut gebrannt zu bekommen, zu dem man überhaupt keinen Bezug hat. Es fällt ihr schwer, so wie diese ganze Vorstellung, dass die Götter sich so offen zu Menschen bekennen und sich sogar auf ihrer Haut verewigen. Sie selbst hatte nie das Gefühl gehabt, dass die Götter ihr Leben auch nur mit einer Spur von Interesse verfolgen würden und wenn dann nur, um sich an ihrem Leid zu laben. In ihren schweren Jahren hatte sie ihr Vertrauen in die Gerechtigkeit der göttlichen Fügung verloren und trotz der Entschädigung, die sie jetzt erfährt, fällt es ihr schwer, allzu viel Vertrauen aufzubringen. Olyvar hingegen trägt den Beweis, dass zumindest viermal der Blick eines Gottes wohlwollend, ja sogar auf gewisse Art hochachtungsvoll, auf ihn ruhte, auf seiner Haut verewigt. Nachdenklich fährt sie über die Narben, die hellen Erhebungen in einer so perfekt runden Form, wie sie nie hätte von Menschen eingebrannt werden können.

Olyvar erzählt ihr von der Flucht, von den vielen, die fielen, teils durch Pfeile, teils von Hand der Verfolgern, erinnert sich an andere, die den Strapazen nicht gewachsen waren. Diantha lauscht und stellt sich vor, wie es sein muss, mehr als die Hälfte einer Gruppe zu verlieren und das bei einem Gewaltmarsch durch lebensfeindliches Gelände. Irgendwie verwundert es sie nicht, als ihr die Namen der Überlebenden bekannt vorkommen, es klärt zumindest die Frage, wie es kam, dass es den Narrenkönig in die Steinfaust verschlug, auch wenn es keine Antwort nach dem warum liefert – schließlich hätte er seiner Herkunft nach auf Seite der Verfolger sein müssen. >Auf dem Weg… auf unserer Flucht… erhielt ich den zweiten Ring, den des Großmuts. Aber ich hatte damals nicht das Gefühl, dass ich würdig war, ihn zu tragen.< Das sieht Olyvar ähnlich, auch wenn er sicher alles menschenmögliche getan hat, war es seiner Ansicht nach zu wenig. „Ohne dich wären gewiss noch weniger aus der Wüste herausgekommen, sonst hätte Bran dir diesen Ring nicht auf den Arm gebrannt“, stellt sie ruhig fest. Ihr Mann führt andere Gründe dafür auf, dass er glaubte es nicht verdient zu haben, wie Padraigs Verlust eines Arms und sein Hadern mit dem Gott, der ihn erwählte, doch immerhin wird deutlich, dass er es mittlerweile versteht. Also lässt Diantha ihn ohne eine Diskussion weitererzählen, von dem Ende der Kriege und dem Rückzug der Targa. Er fasst zusammen: >Inzwischen schrieb man das Jahr 500 und ich hatte also einen Koboldmagier am Hals, der sich nicht ausreden ließ, mir sein Leben zu schulden - oder einen Topf voll Gold, um sich freizukaufen, aber den habe ich dankend abgelehnt.< Die Vorstellung, wie Pumquat wahrscheinlich sogar verzweifelt versucht hat, sich mithilfe von Gold aus seiner Schuld zu kaufen, lässt Diantha lächeln – vermutlich schmollt der Kobold noch immer, dass Olyvar ihm nicht die leichte Möglichkeit gelassen hat. >Als wir nach Hause kamen, haben sie mich zum Lord Commander gemacht… das ist jetzt fast zehn Jahre her, Conasg, und seitdem ist kein Tag vergangen, an dem mir nicht wenigstens einmal schwindlig vor Verantwortung gewesen wäre. Und auch keiner, an dem Pumquat auch nur einmal ernsthaft versucht hätte, seine Schuld abzutragen.< Diese unverblümte Ehrlichkeit raubt Diantha erst einmal die Sprache – ihr Olyvar, der in allem, was er tut, so sicher wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung wirkt, erzählt ihr davon, dass ihm schwindlig vor Verantwortung wird! Sicher, von der Vorstellung, dass er perfekt sei, ist sie schon vor langem abgekommen, doch erst jetzt wird ihr klar, dass sie ihrem Mann bei seinem Beruf immer eine Leichtigkeit unterstellt hat, die nicht existierte. Ich habe seine Leistungen immer als viel zu selbstverständlich hingenommen, wird ihr klar. Sie richtet sich auf, setzt sich ihrem Mann gegenüber und nimmt seine Hände in die ihren. „Mein Herz, ob du es glauben willst oder nicht, du bist ein ganz hervorragender Lord Commander. Auch wenn sie es dir nicht besonders oft und wenn, dann ziemlich ungeschickt versuchen zu sagen, du kannst dir sicher sein: Jeder, der in der Steinfaust arbeitet, egal ob Blaumantel oder Magd, ist froh, es unter dir zu tun. Was mir für Loblieder auf dich gesungen wurden!“ Bei dem Gedanken daran, muss sie breit lächeln. „Natürlich meistens mit dem Hinweis, dass ich von der Bedeutung des Anliegens ja gar keine Ahnung habe. Aber wenn der Lord Commander wieder da sei, dann würde dem Problem endlich die würdige Aufmerksamkeit gewidmet werden. Manchmal möge es ja ein wenig dauern, aber letztlich würdest du dich doch um alles kümmern. Alle, die ich kenne, respektieren und schätzen dich höher, als es meistens den Anschein haben mag.“ Diantha hatte zu ihrer Zeit als einfaches Kindermädchen einiges an Beschwerden zu hören bekommen, doch schon damals war ihr aufgefallen, dass falls doch einmal eine Entscheidung des Lord Commanders infrage gestellt wurde, doch nie seine Person in dieser höchsten Stellung, die in der Steinfaust überhaupt möglich war. „Dass dir vor Verantwortung schwindlig wird, ist  sogar ein sehr gutes Zeichen, denn das wird dafür sorgen, dass du nie größenwahnsinnig wirst und skrupellos deine Position ausnutzt. Wenn mehr Leute ihre Verantwortung so ernst nehmen würden, wie du, wäre die Welt sicher eine bessere.“ Das zeigt uns doch, dass es eine Alternative zur Erbmonarchie gibt, stellt sie fest und bemerkt, wie vollkommen unimmerfrostisch dieser Gedanke ist. Meine Weltsicht hat sich doch ganz schön gewandelt... „Und dass Pumquat seine Schuld noch nicht abgetragen hat, könnte damit zusammenhängen, dass sich sein Leben gebessert hat, seitdem er dein Privatkobold ist. Es wird ja einen Grund haben, dass er damals in diesem Käfig saß, vermutlich ist er in seiner Heimat nicht mehr erwünscht und hier hat er immer etwas zu tun und in seiner Freizeit eine Menge talyrische Feen und Kobolde kennen zu lernen.“ Oh ja, das würde zu ihm passen – statt einer Last ist für ihn die Knechtschaft zum Vorteil. „Erzählst du mir, woher die beiden anderen Ringe stammen?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 20. Apr. 2010, 19:44 Uhr
Olyvar sagt lange Zeit nichts, als Diantha schließlich endet – sie hatte ihn erzählen lassen ohne ihn zu unterbrechen, hatte nur ab und an etwas angemerkt, sich zufrieden an ihn gekuschelt, gelächelt oder eher verdutzt dreingeblickt. "Bran ist nicht nur der Gott der Kraft, der Stärke und Tapferkeit," meint er schließlich leise und spielt damit auf ihre Bemerkungen zu dem Gott an, der ihn auserwählt hatte und ihm eigentlich wünschenswert erscheinen hätte müssen. "Es ist das Hohe Haus Krieg, Diantha… Kampfrausch und Furor gehören ebenso dazu wie unbeugsame Grausamkeit und wilde Blutgier. Ich wollte Shenrah… nicht nur, weil er der Gott war, den ich am besten zu kennen glaubte, und mit dem ich mich schon durch meinen Vater und die Tatsache, dass ich halb in seinem Tempel aufgewachsen war am meisten verbunden fühlte. Ich wollte Shenrah weil… weil… nun ja. Das Hohe Haus Licht eben… du weißt schon… Gerechtigkeit, Edelmut, Frieden, Hoffnung… Tapferkeit. Aber dann wurden es Bran und das Hohe Haus Krieg… autsch." Ihr leises Kichern über sein ebenso  trockenes wie vielsagendes "'Autsch" vibriert an seiner Haut. "Es war ein wenig so, als würde man in einen Spiegel sehen mit der absolut festen  und unerschütterlichen Überzeugung, einen guten Menschen darin zu erblicken… stattdessen sieht man sich selbst aber in einem völlig anderen Licht -  das musste ich erst einmal verdauen und dann damit leben. Zu wissen, was ich bin, was ich sein kann… was ich tun kann." Er schüttelt sacht den Kopf und lauscht mit wachsender Verwunderung ihren Ausführungen über seine Fähigkeiten als Lord Commander im Allgemeinen und die Meinung der Blaumäntel und anderer Steinfäustler über ihn im Besonderen. "Vielleicht bin ich das", ist jedoch alles, was er schließlich antwortet und das eher nachdenklich, "ein guter Lord Commander, meine ich. Ich versuche jedenfalls, es zu sein. Und wegen dem Größenwahn brauchst du dir keine Gedanken machen, a leannan. Rhordri und Vareyar würden ihn schneller wieder aus mir heraus prügeln, als ich "huch" sagen könnte."

>Und dass Pumquat seine Schuld noch nicht abgetragen hat, könnte damit zusammenhängen, dass sich sein Leben gebessert hat, seitdem er dein Privatkobold ist,< fährt Diantha fort. > Es wird ja einen Grund haben, dass er damals in diesem Käfig saß, vermutlich ist er in seiner Heimat nicht mehr erwünscht und hier hat er immer etwas zu tun und in seiner Freizeit eine Menge talyrische Feen und Kobolde kennen zu lernen.<
"Hmpf," schnaubt er und bedient sich wie so oft einer sehr universellen tamarischen Redewendung, die so ziemlich alles bedeuten kann. "Es könnte auch damit zusammenhängen, dass Pumquat ein stinkfauler Hund ist", wendet er ein, doch sein eher belustigter Tonfall straft die harten Worte lügen. "Ganz ehrlich, Conasg, ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wo und wie sein Leben vor… Tinerhir war. Aber hier scheint er sich wohl zu fühlen wie die Made im Speck, da hast du Recht."
>Erzählst du mir, woher die beiden anderen Ringe stammen?<
Das kommt nicht unbedingt unerwartet, aber doch ein wenig überraschend, denn bisher hatte Diantha kaum Fragen nach seiner Vergangenheit gestellt, wenn sie nicht mit den Kindern zu tun hatten und einen Moment lang schweigt er, ehe er sacht nickt. "Den dritten Ring, den der Gerechtigkeit, bekam ich in meinen ersten Jahren als Lord Commander. Ich habe dir erzählt, dass ich die Hinrichtungen selbst ausführe und auch warum, erinnerst du dich?" Er weiß noch gut, wie entsetzt sie an diesem Tag im Larisgrün gewesen war, als er sagte, er halte sich keinen Henker und keinen Schinder… bis er ihr seine Gründe genannt hatte. "Dafür trage ich ihn. Den letzten… den des Erbarmens… bekam ich nach der Schlacht von Liam Cailidh." Kaum hat er den Namen ausgesprochen stürzt eine Flut von Bildern auf ihn ein, die er liebend gern tief vergraben gelassen hätte… aber er kann die Gedanken daran nicht mehr abhalten, und erst recht nicht die Erinnerungen. Eine kalte Hand turnt sein Rückgrat hinunter und er spürt wie sich die feinen Haare in seinem Nacken aufstellen… wäre er ein Hund, hätte er jetzt die Zähne gezeigt und geknurrt. Dann schaudert er, als wäre ihm wirklich kalt, obwohl das Feuer im Kamin heiß und hell lodert und sie direkt in seiner glühenden Wärme sitzen.

Noch einmal explodiert das grüne Feuer vor ihm und er wird durch einen Himmel voller Sterne geschleudert. Wieder fällt und fällt er, endlos, ohne Namen, ohne Körper, ohne Seele. Vor seinem inneren Auge sieht er  Klauenhände, die nach ihm greifen, dann sind sie wieder fort und das Wolfsgeheul ertönt, ein gespenstischer Chor geisterhafter Stimmen. Es ist das letzte Geräusch, an das er sich erinnert. Er sieht das Gesicht des Blaumantels, eines seiner eigenen Männer, der ihm die blutigen Hände entgegenstreckt und jammert 'Mylord, helft mir. Bitte. Mylord. Helft mir.' Wieder ist seine ganze Welt dunkel und riecht nach Tod, Blut, Feuer und Rauch. Er weiß nicht mehr, wer er ist oder was er einmal war. Er sieht den grauen Mann auf seinem grauen Pferd Befehle brüllen und kann sie nicht hören, weil seine Welt taub und stumm geworden ist. Der Kleine Petyr taumelt neben ihm, taumelt wie ein Kreisel, rund herum und rote Fontänen spritzen und sprudeln dort, wo einmal seine Arme waren, rote Schlieren in den Schlamm. Dann kommt das Pferd, das nur noch Fleisch und bleiche Knochen ist zu ihm und sein Blut tropft in den Schnee, so rot, so weiß, so kalt… Jetzt schüttelt Olyvar sich wirklich wie ein Hund - wie ein großer, nasser Hund der eine böse Erinnerung vertreiben will… oder ein Bad mit Lavendelseife. "Ich erinnere mich nicht gern daran, Conasg. Aber wenn du es hören willst, erzähle ich dir von Liam Cailidh. Aber erst… lass uns ins Bett gehen. Ich habe schon Schwielen am Hintern von diesem blöden Teppichrand."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 01. Mai 2010, 15:51 Uhr
Nachdenklich hört sich Diantha an, was Olyvar über Bran zu sagen hat und lässt sich all die negativen Aspekte aufzählen. Die Verbundenheit, die Olyvar als junger Mann zu diesem Gott verspürt haben muss, ist ihr zugegeben recht fremd. Gewiss, in Immerfrost wird seit jeher sowohl die Verehrung von Sithech und Shenrah als zwei Gegensätze eines Kreislaufes sehr gepflegt und als Kind war sie von dem hellen Schein Shenrahs sehr angetan. Doch je älter sie wurde, desto mehr erschienen Shenrah wie eine utopische Darstellung davon, wie die Welt sein sollte und Sithech und Bran wie eine Verbildlichung davon, wie die Welt tatsächlich ist. Zu Sithechs Archonin Nurm verspürt sie seit dem Tod ihres ungeborenen Kindes eine besondere Beziehung, doch auch die anderen Archonen verehrt sie, mal abgesehen von Sarunir. Von Shenrahs hehrem Gefolge kann sie, wenn überhaupt nur in Larnis jemanden erkennen, der sie wirklich berühren kann, die anderen Archonen erscheinen ihr eher fern, selbstredend gut und erstrebenswert, aber doch sehr fern. >Ich wollte Shenrah weil… weil… nun ja. Das Hohe Haus Licht eben… du weißt schon… Gerechtigkeit, Edelmut, Frieden, Hoffnung… Tapferkeit. Aber dann wurden es Bran und das Hohe Haus Krieg… autsch.< Das „Autsch“ sagt er dabei in einem so selbstironischen Tonfall, dass sie sich ein leises Lachen einfach nicht verkneifen kann, doch das scheint ihrem Mann nichts auszumachen. Seine Feststellung darüber, warum es ihm so schwer gefallen ist, damit umzugehen, ist hingegen alles andere als lustig: >Es war ein wenig so, als würde man in einen Spiegel sehen mit der absolut festen  und unerschütterlichen Überzeugung, einen guten Menschen darin zu erblicken… stattdessen sieht man sich selbst aber in einem völlig anderen Licht -  das musste ich erst einmal verdauen und dann damit leben. Zu wissen, was ich bin, was ich sein kann… was ich tun kann.< Diese Worte bringen Diantha erst einmal ziemlich getroffen zum Schweigen „Ich glaube, ich weiß ziemlich genau, was du meinst“, stellt sie schließlich fest. „Ich habe auch viel Unrechtes getan, von dem ich nie geglaubt hätte, dass es jemals nötig sein müsste und wenn doch, dass ich dazu überhaupt in der Lage wäre.“ Und doch war sie es. Sie hat in Notwehr ihr Leben verteidigt und anderes beendet, aber sie hat auch bestohlen und betrogen, wenn auch nur die besser situierten, sie hat unnötig Streit gesucht und Menschen beleidigt, die es nie verdient hätten. Heute schämt sie sich dafür und doch konnte sie es und hat in den Situationen meist auch nicht lang gezögert und nur hin und wieder mit ihrem Gewissen gekämpft. Das braucht sie nicht weiter auszuführen, Olyvar weiß genug über sie, um sich darüber im Klaren zu sein, was sie meint. Darüber zu reden, was für eine gute Arbeit ihr Mann leistet, fällt viel leichter, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was Diantha alles falsch gemacht hat. Doch Olyvar wirkt nicht sonderlich selbstsicher, als er antwortet: >Vielleicht bin ich das, ein guter Lord Commander, meine ich. Ich versuche jedenfalls, es zu sein.<  „Das bist du nicht vielleicht, das bist du ganz bestimmt“, besteht Diantha darauf und schmiegt ihren Kopf an seinen Hals.  >Und wegen dem Größenwahn brauchst du dir keine Gedanken machen, a leannan. Rhordri und Vareyar würden ihn schneller wieder aus mir heraus prügeln, als ich "huch" sagen könnte.< Damit hat er allerdings recht und Diantha muss bei dem Gedanken lächeln, wie Rhordri seinem Ziehsohn die Ohren langzieht. Auch bei dem Thema Pumquat sind sie sich einigermaßen einig und trotz seiner harschen Worte ist aus Olyvars Tonfall herauszuhören, wie gern er den Kobold eigentlich hat.  

Als sie ihn nach den beiden weiteren Ringen fragt, zögert Olyvar so lange, dass sie schon glaubt, ihn um zu viel gebeten zu haben und will gerade ansetzen zu versichern, dass er natürlich nichts erzählen muss, was er nicht möchte, als er beginnt: >Den dritten Ring, den der Gerechtigkeit, bekam ich in meinen ersten Jahren als Lord Commander. Ich habe dir erzählt, dass ich die Hinrichtungen selbst ausführe und auch warum, erinnerst du dich?< „Natürlich“, antwortet sie darauf, das war das Gespräch ganz zu Anfang ihrer Beziehung, nach dem sie sich sicher war, dass dies der Mann war, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte. Jeder Tag, den sie seitdem miteinander verbracht haben, hat diese Gewissheit nur noch weiter bestärkt. „Das einzig Richtige“, wiederholt sie ihre Worte von diesem Tag leise. >Dafür trag ich ihn.< Sie nickt nur, vollkommen überzeugt, dass dieser Ring mehr als verdient ist, sie weiß schließlich, wie schwer diese selbstauferlegte Last wiegt. >Den letzten… den des Erbarmens… bekam ich nach der Schlacht von Liam Cailidh.< Der Name dieser Schlacht sagt Diantha nicht sonderlich viel, er ist gewiss irgendwann schon einmal gefallen, aber sie wüsste nicht genau wann oder in welchem Zusammenhang. Überrascht und ein wenig verängstigt beobachtet sie, was die Erwähnung dieser zwei Worte mit ihrem Ehemann macht, sein Blick rückt in die Ferne und wird so steinhart, dass klar wird, dass er an etwas Schreckliches denken muss. Kurz wirkt er abgrundtief zornig, dann zittert er, als habe ihm Sithech persönlich die Hände auf die Schultern gelegt. Diantha weiß nicht, was sie tun soll, sie streicht ihm über die Arme, doch er scheint sich gedanklich nur noch weiter von ihr zu entfernen. „Alles gut?“, fragt sie flüsternd, wieder und wieder, aber sie bekommt erst eine Reaktion, als sie sein Gesicht in die Hände nimmt und in lauterem Tonfall seinen Namen sagt. Endlich scheint er sie wieder zu sehen, scheint sich nicht mehr nur körperlich in demselben Raum zu befinden. Zunächst schüttelt Olyvar sich, als könne er all die offensichtlich bösen Erinnerungen einfach von sich abstreifen, dann stellt er fest: >Ich erinnere mich nicht gern daran, Conasg. Aber wenn du es hören willst, erzähle ich dir von Liam Cailidh. Aber erst… lass uns ins Bett gehen. Ich habe schon Schwielen am Hintern von diesem blöden Teppichrand.< Normalerweise hätte sie über diesen letzten Satz herzhaft gelacht, doch dieses Mal ist sie es, die ihn nicht so einfach mit einem lustigen, unkomplizierten Kommentar von der Ernsthaftigkeit des Themas ablenken lässt. Sie hat das Gefühl, dass ihr ein Geschenk des Vertrauens und der Nähe gemacht wurde, dass durch seine Schmerzhaftigkeit nur noch wertvoller wird. Es ist schon lang her, dass sie ihm erzählt hat, wie sie wurde, wer sie ist und nun, da sie das auch von ihm weiß, ist es, als schließe sich ein Kreis. Sie hat das Gefühl, sie sollte jetzt nicht weiter bohren, ihn nicht zwingen, in Worte zu fassen, was ihm gerade so nahe gegangen ist. Eines Tages wird er es ihr gewiss erzählen, dann wird er ihr davon berichten, was er auf diesem Schlachtfeld erlebt hat. Genauso wie sie ihm eines Tages erzählen wird, warum sie in Haft gesessen hat, wie lange und warum sie noch im Vollbesitz ihrer Finger ist. Doch nicht heute, Diantha sieht Olyvar an, wie schwer es ihm gefallen ist, diese Erinnerungen auf ein Neues zu durchleben und sie hat ebenfalls genug neues Erfahren, was sie zunächst einmal verdauen muss. „Danke, dass du mir das anvertraut hast“, ist alles was sie zu sagen weiß und in ihren Augen ist zu sehen, wie sehr sie diese Worte meint. Auch wenn sie zuvor nie gedacht hätte, dass das möglich sei, fühlt sie sich ihrem Mann jetzt noch ein Stückchen enger verbunden, als zuvor. „Ich liebe dich, karhuni.“ Sie küsst ihn, sanft wie eine Feder, als wolle sie den Augenblick nicht zerbrechen, damit sie ihn sich fest einprägen kann, als einen der zahlreichen kostbaren Augenblicke ihrer Ehe.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 14. Dez. 2010, 13:44 Uhr
Mit Nachtfalter


Ganz vorsichtig weicht Diantha die dick mit Schmutz verkrustete Seide in die große Schüssel mit Wasser und ein wenig Seife. Sie fühlt sich ein wenig wie auf einem Präsentierteller, denn vier Kinder- und zwei Feenaugen beobachten jede ihrer Handbewegungen mit so kritischem Blick, als würde sie mit zehn Krügen mit Loas Öl jonglieren. „Wenn ihr mich weiter so anstarrt, wird das nie was!“, stellt sie fest und prompt beginnen die Zwillinge damit, sich über die belegten Brote herzumachen, die Diantha rasch hergerichtet hat. Den Großteil des Essens kriegt die Familie Tarascon zwar aus der Küche der Steinfaust, aber Diantha hat sich angewöhnt zumindest ein paar Lebensmittel immer griffbereit im Westflügel zu haben, dazu gehört Brot genau wie Käse, Wurst, Honig und Saft, aber auch noch ein wenig mehr. Für Nachtfalter hat sie ein Schnapsglas mit etwas Honig gefüllt, worüber er sich auch sehr begeistert bedankt hat, aber jetzt wo die geliebte Seide gewaschen wird, scheint er kaum einen Blick dafür übrig zu haben. Mit einer sehr weichen Bürste streicht Diantha behutsam über den Stoff, von dem sich allmählich die ersten Dreckbrocken zu lösen beginnen, sodass man wirklich etwas von der Seide sehen kann. Zumindest hat sich Nachtfalter nicht so sehr übers Ohr schlagen lassen, wie die Immerfrosterin insgeheim befürchtet hatte, er hat tatsächlich relativ gute Qualität erwischt. „Das wird schon wieder. Vielleicht nicht ganz so schön wie er einmal war, aber auf jeden Fall so gut, dass man ihn noch weiter verarbeiten kann. Was möchtest du dir denn aus dem Stoff schneidern lassen?“, fragt Diantha den Feenmann, damit der abgelenkt wird und aufhört, sie mit seinen Blicken zu durchbohren. Das Wasser in der Schüssel wird immer dunkler, dafür zeigt sich auch immer mehr des fein verarbeiteten Materials. Selbst würde Diantha nie eine so dunkle Farbe tragen, damit sähe sie vermutlich leichenblass aus und würde ihre Mitmenschen zu Tode erschrecken, aber der Stoff und die Farbe passen zu Nachtfalter. Nicht nur, weil er dunkle Haare und Augen hat, sondern es passt zu seiner ganzen Art, seinem galanten Auftreten und der Art und Weise, wie er sich auszudrücken pflegt. Sie kann ihn sich hervorragend in einem dunklen Umhang oder sogar in einer Art Anzug vorstellen, wie er versucht mit seiner Koketterie sämtliche weibliche Feen Talyras um den Finger zu wickeln. Wenn er nicht so klein wäre, könnte ihm das sogar gelingen. Es ist schon merkwürdig – ich habe noch niemals eine so winzige Fee gesehen, alles an ihm wirkt kleiner und zerbrechlicher. Hinzu kommt noch, dass er sich ganz offensichtlich nicht vergrößern kann, sonst hätte er das schließlich angesichts der Katze getan… Dabei dachte ich, das können alle Feen. So viele Fragen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Antwort darauf erhalten wird, ist gering, angesichts der Tatsache, dass Nachtfalter nur sehr zögerlich und widerwillig Auskünfte über sich zu geben scheint.  Was hat er vorhin gemeint – ich wäre der netteste Mensch, der ihm je begegnet ist? Dann hat er sicherlich schlechte Erfahrungen gemacht, da ist es nur verständlich, wenn man nicht gerne über sich und seine Vergangenheit erzählt.

Diantha muss ganze zwei Mal die Schüssel mit Dreckwasser ausleeren und mit neuem Wasser aus einem Eimer auffüllen, bis der Stoff endlich vollkommen sauber ist. Nachtfalter scheint ganz begeistert von dem Ergebnis und bedankt sich überschwänglich und so wortreich, dass Diantha einige Zeit brauch, bis sie zu Wort kommt. Nach einem kritischen Blick zum mittlerweile sehr bewölkten Himmel stellt sie schließlich fest: „Der Stoff ist jetzt vollkommen nass und es wird allmählich dunkel, du kannst ihn natürlich trotzdem mitnehmen, aber dann wird er vermutlich die ganze Nacht hindurch nicht trocken, was der Seide nicht besonders gut tut.“ Der besorgte Blick von Nachtfalter spricht Bände, nach all dem Aufwand möchte der Feenmann natürlich nicht riskieren, den Stoff nun doch noch zu verschandeln. Also bietet Diantha an: „Wir könnten ihn mit hinein nehmen und in die Nähe des Feuers über einen Stuhl hängen – natürlich weit genug weg, damit nichts passieren kann. Und ich könnte meinen Mann fragen, ob du nicht auch einfach über Nacht da bleiben kannst, oder hast du schon eine trockene und beheizte Unterkunft in Talyra?“ Sie kann es sich nach dem Verlauf ihrer bisherigen Bekanntschaft mit Nachtfalter beim besten Willen nicht vorstellen, aber vielleicht wird sie ja auch überrascht. Kurz lässt sie sich davon ablenken, dass sie sich das letzte übrig gebliebene Brot von dem Teller schnappt, es ist mit einem würzigen Käse belegt, den die Zwillinge nur essen, wenn es sonst nichts gibt und sie Hunger haben. Unglaublich wie viel diese Kinder in sich hinein schaufeln können! Die besagten Kinder üben sich gerade darin, an der Außenwand der Steinfaust hinauf zu klettern, aber dank der relativ glatten Steine sind sie damit nicht sehr erfolgreich. Nach diesem kurzen Moment der Ablenkung richtet Diantha wieder ihre volle Aufmerksamkeit auf Nachtfalter und wartet auf seine Antwort.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 14. Dez. 2010, 21:01 Uhr
Als Diantha endlich damit beginnt sich seiner Seide zu widmen, kann Zrizlizirpzirzz gar nicht anders, als sie dabei kritisch zu beobachten. Immerhin soll aus dem dunklen Stoff sein neues Gewand geschneidert werden. Nachtfalter hat sich zwar bisher keine Gedanken darüber gemacht wer in dieser Stadt fähig sein soll, Feengewänder zu schneidern, aber um dieses Problem kann er sich immer noch kümmern, sobald sein Stoff gerettet ist, sofern der Menschenfrau das überhaupt gelingt.
> Wenn ihr mich weiter so anstarrt, wird das nie was!< bemerkt Diantha und die Zwillinge machen sich sogleich über das Essen her um ihre Mutter in Ruhe arbeiten zu lassen. Zrizlizirpzirzz fällt dies weitaus schwerer, aber nach einem mahnenden Blick der Frau, wendet auch er sich wieder dem Tisch und den Leckereien, welche darauf ausgebreitet sind zu. Besonders das kleine Gläschen Honig hat es ihm angetan, wie das duftet. Fianryn  sieht den hungrigen Blick des Feenmann, bricht eine kleine, feengerechte Ecke von ihrem Brot ab und reicht es ihm. „Danke.“ Haucht Nachtfalter entzückt und taucht das Brot in das Honigglas um es als gleich abzuschlecken. Wie lange ist er, dass er Honig gegessen hat? Der Feenmann erinnert sich nicht genau, doch spielt das auch keine Rolle, denn so guten Honig hat er gewiss seit Ewigkeiten nicht gegessen und für den Moment sind Diantha und seine Seide vergessen. Fianryn kichert über den verzückten Gesichtsausdruck des kleinen Mannes und reicht ihm ein weiteres Stückchen Brot, welches er ebenfalls in das Glas taucht und verspeist. Und obgleich der Honig sehr flüssig ist und dazu neigt zu tropfen, gelingt es Nachtfalter mit unglaublichen Geschick sich bei seinem Mahl nicht zu bekleckern. Erst nachdem Nachtfalters größter Hunger gestillt ist, blickt er kurzzeitig wieder zu Diantha herüber, welche sich inzwischen mit einer Bürste an der Seide zu schaffen macht. Für einen Moment wird Zrizlizirpzirzz ganz schummrig und schwindelig.
Was macht sie denn da? fragt er sich entsetzt. Sie wird es noch ruinieren!
Doch Diantha bekommt von all dem nichts mit und arbeitet einfach weiter und Nachtfalter stellt mit Erstaunen fest, dass die Seide keinesfalls ruiniert scheint, sondern sichtbar sauberer wird. Nachtfalter beruhigt sich wieder und Dia, welche seinen Blick zu spüren scheint wendet sich ihm zu >Das wird schon wieder. Vielleicht nicht ganz so schön wie er einmal war, aber auf jeden Fall so gut, dass man ihn noch weiter verarbeiten kann. Was möchtest du dir denn aus dem Stoff schneidern lassen?<

Zrizlizirpzirzz hatte sich über genau diese Frage viele Gedanken gemacht und nun weiß er nicht, wie er ihr das genau erklären soll. „Nun, ich dachte an eine leichte Hose, so eine wie meine, nur eben in neu und viel schöner…“ Und als ob das nicht offensichtlich wäre ergänzt er ernst: „und ohne all diese Löcher.“ Bei Großen weiß man schließlich nie und vielleicht kommt Diantha sonst noch auf die Idee, Feen müssten so rumlaufen. Als Diantha jedoch nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen kann, übergeht er dieses einfach und ergänzt: „Und eine Weste. Mit blütenförmigen Schnitt unten am Saum.“ Gerne hätte er ihr genau gezeigt was er meint, aber seine eigene Weste, welche durchaus einst einen solchen Schnitt hatte, war inzwischen so zerfetzt und zerfranst, dass davon kaum noch etwas zu erkennen ist.
„Ich hatte gedacht, den unteren Hosensaum an den Füßen mit ganz feiner schwarzer Spitze besetzen zu lassen und vielleicht ein dazu passendes Hemd dazu. Aber ich fürchte fast, dass ich keinen Schneider finde, welcher solche Feinarbeiten leisten kann…. Ähm… Verstehe mich nicht falsch, ihr habt auch gute Schneider, aber wenn man klein wie eine Fee ist, dann muss das ja alles noch feiner sein. Es soll ja keinesfalls grob aussehen und für Feenaugen wirken Nähte an euren Kleidern oftmals tatsächlich etwas unschön.“ Er hofft sie jetzt nicht beleidigt ist, denn beleidigen will er Diantha keinesfalls, aber wie hätte man das freundlich und höflich formulieren sollen?
Doch Diantha scheint das ganze keineswegs persönlich zu nehmen und macht sich weiter an die Arbeit. Als sie zum zweiten Male neues Wasser holen geht, macht sich Nachtfalter daran, auch den restlichen Honig zu verspeisen. Wie schon vorher reicht ihm auch diesmal Fianryn kleine Stücke von dem Brot.

Als Diantha wieder zurück ist, spült sie den Stoff noch sorgsam aus und fertig ist das Ergebnis. Kein einziger Fleck ist mehr auf dem dunklen Stoff zu sehen und Nachtfalter ist sichtlich begeistert. Aufgeregt flattert er vor Dianthas Gesicht auf und ab und bedankt sich überschwänglich für diese großartige Hilfe.
> Der Stoff ist jetzt vollkommen nass und es wird allmählich dunkel, du kannst ihn natürlich trotzdem mitnehmen, aber dann wird er vermutlich die ganze Nacht hindurch nicht trocken, was der Seide nicht besonders gut tut.< unterbricht Diantha seinen Wortschwall und bringt Zrizlizirpzirzz zum Schweigen. Wo eben noch Freude war, mischen sich nun einige Sorgenfalten in seine Mimik. Nein, auf keinen Fall wird er riskieren, dass seiner Seide noch etwas passiert.
> Wir könnten ihn mit hinein nehmen und in die Nähe des Feuers über einen Stuhl hängen – natürlich weit genug weg, damit nichts passieren kann.< beruhigt ihn Diantha und Zrizlizirpzirzz ist abermals ob der Freundlichkeit dieser Dame erstaunt. Wäre sie nicht von vornherein so nett gewesen, hätte er geglaubt, sie wolle ihm bloß den Stoff klauen, aber was sollte eine Große schon mit so wenig Stoff anfangen und außerdem hatte er ja nun oft genug festgestellt, dass Diantha nichts als Aufrichtigkeit und Freundlichkeit ausstrahlt, auch wenn ihm das noch immer merkwürdig erscheint. Lächelnd will er schon ihr Angebot annehmen, da ergänzt sie > Und ich könnte meinen Mann fragen, ob du nicht auch einfach über Nacht da bleiben kannst, oder hast du schon eine trockene und beheizte Unterkunft in Talyra?<
Es dauert einen Moment, ehe Nachtfalter das alles verdaut hat und ein entsetztes „Da rein?“ verlauten lässt. Unsicher deutet er auf das steinerne Unding. Er hat bisher tatsächlich keine Bleibe und es ist wirklich kalt und frisch hier draußen. Auch wenn es nicht mehr regnet ist doch absehbar, dass es gewiss bald wieder anfangen wird, aber in dieses steinerne Ding? Alle Alarmglocken schrillen in ihm und er muss an die böse Frau denken. Sie hatte eine Art Maske, welche ihre wahren Emotionen verbarg und sie mit einem garstigen Trick getäuscht. Würde Diantha das Gleiche tun? Sie war schon viel zu nett für eine Große gewesen und diese Einladung übersteigt nun das Maß an Nettigkeit, das er akzeptieren konnte. Täuscht er sich doch in ihr? Wollte sie ihn zu Feenstaub verarbeiten oder gar zum Kinderspielzeug umfunktionieren? Obgleich alles an Diantha gegen so eine Vermutung spricht, kann er ob der Erinnerungen gerade nicht anders, als alles was er glaubt und spürt in Frage zu stellen.

Doch so schnell der Moment der Panik gekommen war, so schnell verfliegt er auch wieder. Nichts an dem Verhalten der Große hat bisher in irgendeiner Form dafür gesprochen, dass sie es böse mit ihm meinen könnte und so fasst er einen Entschluss: „Ich danke dir für alles. Und würde dein Angebot nur zu gerne annehmen, aber ich glaube nicht, dass ich in der Faust aus Stein Ruhe finden kann. Wenn du nur die Seide zum Trocknen mit hinein nehmen könntest und ich mir hier in deinem Garten einen Schlafplatz suchen kann… Selbstverständlich nur für diese eine Nacht… Wäre ich dir sehr dankbar. Ich weiß nicht, wie ich diese Schuld je begleichen kann, aber mir wird etwas einfallen. Das verspreche ich.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 27. Jan. 2011, 20:05 Uhr
Von den kletternden Zwillingen abgelenkt, fällt Diantha Nachtfalters Zögern nicht weiter auf. Wie sie erwartet hatte, kann sich der Feenmann nicht vorstellen eine Nacht in der Steinfaust zu verbringen. Sehr charmant stellt er fest: >„Ich danke dir für alles. Und würde dein Angebot nur zu gerne annehmen, aber ich glaube nicht, dass ich in der Faust aus Stein Ruhe finden kann.“< Bei der Verdrehung des Namens muss Diantha schmunzeln, allmählich ahnt sie, dass  sich Nachfalter unter dem Begriff bei ihrer Einladung etwas vollkommen anderes vorgestellt haben musst. >„Wenn du nur die Seide zum Trocknen mit hinein nehmen könntest und ich mir hier in deinem Garten einen Schlafplatz suchen kann… Selbstverständlich nur für diese eine Nacht… Wäre ich dir sehr dankbar.“< Sie nickt, das klingt nach der wohl besten Lösung, aber Nachtfalter ist mit seiner Ansprache noch nicht fertig. >„Ich weiß nicht, wie ich diese Schuld je begleichen kann, aber mir wird etwas einfallen. Das verspreche ich.“< Bei den letzten Worten klingt er so ernst, dass sie ihn vor ihrem geistigen Auge mit einer Hand auf dem Herzen bei einem Eid sieht. Der eingeschworene Ritter Nachtfalter hat gesprochen, denkt sie sich, sagt das aber natürlich nicht, sonst würde er sich vermutlich nicht ernst genommen fühlen. „Das war für mich nun wirklich kein großer Aufwand, mach dir da mal um Wiedergutmachung keine Sorgen. Es wäre doch ganz schön schlimm, wenn nicht hilft, wenn man es doch kann, oder? Nur weil das alle anderen so halten, heißt das nicht, dass ich das auch tue.“ Kurz wird der Zug um ihren Mund hart, auch wenn es nun wirklich schon lange her ist, kann sie sich noch gut an all die vorbei hastenden Menschen erinnern als sie das erste Mal in der Stadt war. Den ein oder anderen mitleidigen Blick hat sie damals auch bekommen, aber Taten hatte keiner der Erwachsenen folgen lassen – obwohl es ihnen auch nicht viel mehr Umstände gemacht hätte, sie zu einem Tempel zu begleiten. Tja, die meisten Menschen denken eben nur an sich und gehen lieber vorbei, als eine helfende Hand zu reichen. Deshalb ist die Welt auch kein besserer Ort. Sie vertreibt die Gedanken und lächelt Nachtfalter an. „Und auch wenn es dir wahrscheinlich nicht allzu viel ausmachen würde, dir in den Büschen oder dergleichen einen Platz zum Schlafen zu suchen, habe ich glaube ich etwas Besseres für dich.“

Es dauert nicht lange, dann ist Diantha wieder zurück und hält in ihrer rechten Hand einen großen Korb. Normalerweise benutzt sie ihn, wenn sie mit den Kindern die Stadt unsicher macht, jetzt hat sie ihn ausgeräumt und zwei größere Kissen hinein gelegt, sodass das Ganze durchaus als Bett durchgehen kann, wenn man denn klein genug ist. In der anderen Hand hält sie die Reste eines Lederfells, die vom Kinderjackenschneidern übrig geblieben waren. „Hier, genau das Richtige an einem Abend wie diesen. Schau, wenn es feucht wird oder vielleicht sogar regnet, kannst du dich mit dem Leder zudecken, das ist warm und wenn du darunter bist, wirst du auch nicht nass. Es dürfte sogar genug sein, dass du es über den ganzen Korb ziehen kannst, damit die Kissen auch nicht nass werden. Du kannst ja mal ein wenig herumprobieren, ich muss jetzt aber schnell meinen Jüngsten holen, sonst verhungert er noch.“ Diantha ist so schnell weg, dass Nachtfalter keine Zeit hat, um etwas zu antworten. In Laufschritt macht sie sich auf den Weg zum Solar, doch bevor sie dort angekommen ist, kommt ihr Olyvar mit einem sehr unglücklichen Njall entgegen. Als er seine Mutter sieht, hört der Kleine auf zu quängeln, lacht und streckt ihr die Arme entgegen. „Ohje, hat mein Herzblatt erwartet, dass ich es verdursten muss? Mein armer, du hast auch eine Rabenmutter“, stellt sie fest und nimmt ihren Sohn entgegen. Olyvar zieht amüsiert eine Augenbraue hoch und Diantha beginnt ihm von Nachtfalter zu erzählen. Als sie zurück im Westflügel sind, stillt die Immerfrosterin ihren Sohn, weshalb es eine Weile braucht, bis sie wieder Zeit für den Feenmann hat. Es beginnt zu dunkeln, als Diantha ihre Kinder hereinruft und Nachtfalter fragt: „Und, taugt dir das als Bett? Und brauchst du sonst noch etwas?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 27. Jan. 2011, 22:41 Uhr
Dianthas Worte >Das war für mich nun wirklich kein großer Aufwand, mach dir da mal um Wiedergutmachung keine Sorgen. Es wäre doch ganz schön schlimm, wenn nicht hilft, wenn man es doch kann, oder? Nur weil das alle anderen so halten, heißt das nicht, dass ich das auch tue< verdeutlichen dem Feenmann erneut, dass sie tatsächlich einfach eine herzensgute Person zu sein scheint. Dergleichen gibt es nicht viele dort draußen. Die meisten Wesen sind irgendwie bösartig oder zumindest zu egoistisch um sich Gedanken um Andere zu machen oder gar zu helfen, wo sie es können. Doch Diantha meint ihre Freundlichkeit aufrichtig, es gibt keine egoistischen Hintergedanken, zumindest keine verräterischen Gefühle, welche auf solche Motive schließen lassen würden und so belässt Zrizlizirpzirzz es dabei.

Auch hat Diantha nichts dagegen einzuwenden, dass der Feenmann in ihrem Garten nächtigt. Besser noch, sie hat nicht nur nichts dagegen, sondern hat auch noch eine Idee, wie sie es ihm gemütlicher machen kann und verschwindet kurz, um kurz darauf mit einem mit Kissen gefüllten Korb und einem kleinen Lederdeckchen wieder zu kommen. Solch einen Luxus hatte der Kleine seit Ewigkeiten nicht mehr. Handelt es sich doch hier tatsächlich um ein richtiges Bett und dazu auch noch um so ein Großes. Wieder einmal ist er ob der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Menschenfrau gerührt und ihm fehlen die Worte. Doch dies macht auch gar nichts, da Diantha auch schon wieder in das steinerne Bauwerk muss, um ihren Sohn zu füttern. Nachtfalter macht sich unterdessen daran, die Decke über den Korb auszubreiten, wofür solch ein kleines Wesen einiges an Geschick und mehrere Versuche aufbringen muss, doch dann ist es geschafft und er kann unter die Decke, in das weiche Kissen huschen und ihm ist, als hätte er den Himmel auf Erden gefunden. Am liebsten würde er für immer in diesem Garten bleiben, aber das geht. Es wäre unverschämt solch eine Nettigkeit und Gastfreundschaft auszunutzen und wäre so gar nicht seine Art. Aber vielleicht könnte er sich eine Arbeit in dieser Stadt suchen und sich ein kleines Zuhause verdienen. Er bräuchte wen, der seine Einkünfte verwaltet, denn er ist kaum fähig eine Münze zu heben. Aber vielleicht könnte er sich davon Leder kaufen und ein Kissen und sich ein kleines Häuschen bauen. Viel Material braucht er nicht. Aber was nur kann ein Feenmann wie er beruflich nur tun? Es müsste etwas sein, womit er sich identifizieren könnte, woran er Spaß hätte und etwas was gebraucht wurde. Gerne würde er etwas Gutes tun, aber er weiß einfach nicht was und wie. Würde er aber Geld verdienen, könnte er auch Diantha eine Freude machen, so als mittelloses winziges Geschöpf kann er nicht einmal das. Er weiß, dass sie nichts von ihm erwartet, dennoch bzw. gerade deswegen empfindet er es als seine Pflicht ihr eine Freude zu machen. Wenngleich er auch noch nicht Recht weiß wie. Aber darüber wird er sich noch seine Gedanken machen. Zeit genug dafür hat er ja.

Nachdem er sich sein Nachtlager zurechtgezupft und es sich gemütlich gemacht hat und darüber hinaus noch viel Zeit hatte, seine Gedanken schweifen zu lassen, ist es spät und dämmrig geworden. Diantha kommt noch einmal hinaus und fragt sich, ob er noch irgendetwas benötigt, doch er erklärt ihr nur mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, dass alles in Ordnung sei und er solch ein gutes Nachtlager seit Ewigkeiten nicht gehabt hat. Ein Danke, schluckt er hinunter. Er hat sich heute schon zu oft bei ihr bedankt und ihm war nicht entgangen, dass sie einen Dank auch nicht erwartet. Allein die Freude in seinem Blick scheint der Menschenfrau Dank genug und Zrizlizirpzirzz beschließt abermals, sich etwas einfallen zu lassen, um sich bei dieser Menschenfrau erkenntlich zu zeigen. Diantha sammelt währenddessen ihre Kinder ein und scheucht  diese ins Bett, wenn man bei dieser freundlichen, herzensguten Frau überhaupt von scheuchen reden kann. Währenddessen grübelt Nachtfalter in seinem weichen warmen und vor allem gut geschützten Nachtlager darüber nach, wie er sich bei ihr erkenntlich zeigen kann und dann plötzlich hat er die Idee und beschließt gleich Morgen alles dafür zu tun, diese Stück für Stück in die Tat umzusetzen und mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen und der Idee in seinen Gedanken, kuschelt er sich in das weiche flauschige Kissen und schläft alsbald ein.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 06. Apr. 2011, 18:51 Uhr
~Ende Taumond~



Diantha wird von einem lautem Schnurren und einem unmöglich zu ignorierenden Vibrieren auf ihrer Brust geweckt. Langsam öffnet sie ihre Augen und schaut in die grün umrandeten Schlitzpupillen  einer sehr zufrieden blinzelnden Katze. Dieser Anblick verrät Diantha zwei Dinge: Zum einen muss es noch früh sein, denn sonst hätte sie eins der Kinder geweckt. Zum anderen kann Olyvar unmöglich neben ihr liegen, denn sonst wäre Katze in Njálls Bett. Alarmiert schaut Diantha neben sich, entspannt sich aber gleich wieder, denn die Decke ist glatt gezogen und ordentlich. Das bedeutet, dass Olyvar nicht wegen eines Notfalls gerufen wurde, sondern einfach nicht schlafen konnte, was hin und wieder vorkommt. Worüber er sich jetzt wohl wieder den Kopf zerbricht… Vermutlich treibt er sich jetzt mit Koira irgendwo im Larisgrün herum und wird im Laufe des Morgens mit einem Bärenhunger nach Hause kommen. Diese Gelegenheit hat Katze schon die letzten Male ergriffen, allerdings lag sie dann zu Dianthas Füßen oder neben ihr, aber dass sie auf ihr liegt, das ist dann doch etwas Neues und eins kann die Immerfrosterin jetzt mit Sicherheit sagen: Der Mundgeruch von Katzen ist nicht im Geringsten angenehmer als der von Hunden, besonders wenn sie am Abend vorher von irgendwoher Fisch ergattert haben.

Gleichzeitig verärgert und amüsiert schaut sie wieder zu dem Tier, das irgendwie verdächtig danach aussieht, als würde es insgeheim breit grinsen. „Findest du das gerecht? Dass du mich weckst, wenn die Kinder mal nicht in aller Frühe über mich herfallen?“ Katze erwidert ihren Blick mit so großer Herablassung, als wolle sie sagen: Na gut, ausnahmsweise erteile ich dir die Ehre, mich streicheln zu dürfen. Aber nur, weil du so eine bequemes Bett bist und mir gefällt, dass darum bettelst. Für einen kurzen Moment überlegt sich Diantha, ob sie das dreiste Katzentier nicht einfach aus dem Bett schmeißen soll, aber eigentliche ist so eine lebende Wärmflasche ja doch etwas ganz Schönes und sie hat ohnehin nicht vor, ihr weiches Lager eher zu verlassen, als sie unbedingt muss. Also streichelt sie Katze ausgiebig, besonders hinter den Ohren und unterm Kinn, denn die Decke wird sie ohnehin ausschütteln müssen, da das Tier momentan im Fellwechsel ist. Ekstatisch macht sich die sonst eher zurückhaltende Katze so lang wie sie irgendwie kann und  lässt sich selbst den Bauch streicheln. Vollkommen in ihre Begeisterung über die Streicheleinheiten versunken, achtet Katze auf gar nichts mehr, sodass Diantha sie immer wieder zurück ins Bett schieben muss, damit sie nicht kopfüber herausfällt.

Für eine kurze Weile herrscht, abgesehen von dem Schnurren, Stille im Schlafgemach und Diantha ist gerade wieder im Begriff einzudösen, als sich laute Geräusche nähern. Etwas widerstrebend öffnet die Immerfrosterin die Augen, gerade rechtzeitig, denn schon wird das Zimmer von drei Kinder gestürmt, die dabei einen Lärm machen, als wären sie eine Horde Barbaren. Offensichtlich sehr verärgert über die Störung ihrer Streichelorgie verlässt Katze ihren Platz, springt vom Bett und schreitet so vorwurfsvoll, wie es ihrer Art eigen ist, aus dem Zimmer, wobei sie die kreischenden Kinder gekonnt ignoriert. Vorneweg läuft der quietschende und strahlende Njáll, dicht gefolgt von Fianryn, die dabei wie ein Rohrspatz schimpft, vermutlich hat er ihr etwas aus dem Zimmer geklaut. Doch es kann nichts wirklich Wichtiges sein, sonst hätte seine große Schwester es ihm längst abgenommen, denn natürlich kann sie deutlich schneller laufen, wenn sie will, und diese Verfolgungsjagd ist viel mehr Spiel als Ernst. In einigem Abstand folgt ihnen Connavar, der höchstwahrscheinlich nur mitkommt, um nichts zu verpassen und seine Mutter darauf aufmerksam zu machen, dass er Hunger hat. Es ist natürlich nicht so, dass er nicht in der Lage wäre, sich selbst ein Brot zu schmieren, aber er wird auf ein größeres Frühstück spekulieren, am besten mit Speck und Eiern. Seitdem die Zwillinge in den letzten Monden noch einmal einen deutlichen Wachstumssprung hingelegt haben, ist besonders Connavars Appetit kaum mehr zu stillen, auch wenn man ihm davon überhaupt nichts ansieht. Mit strahlenden Augen klettert Njáll erst das Podest und dann das Bett hoch, um seiner Mutter begeistert sein Diebesgut zu präsentieren, und Diantha wird klar, warum ihre Tochter nicht wirklich wütend ist: Njálls große Beute besteht nämlich aus einem von Fianryns Hausschuhen. „Na, musst du wieder deine Geschwister ärgern?“, fragt Diantha ihren Jüngsten, der nur mit einem breiten Grinsen antwortet. Seitdem Njáll samt Bett und Spielzeug in das Zimmer gegenüber den Zwillingen gezogen ist, werden die beiden in der Regel als erste geweckt. Prompt lässt sich auch Fianryn auf das breite Bett fallen und kitzelt ihren kleinen Bruder erst einmal ausgiebig durch, der ganz genau weiß, dass er aus ihrem Zimmer nichts mitnehmen soll. Der noch etwas verschlafene Connavar setzt sich auf die andere Seite des Betts und begutachtet sein Schienbein, das lila, blau und gelb verfärbt ist. Der mehr als zwei Handbreit lange Fleck stammt von einem allzu übermütigen Ausritt und sieht mittlerweile nur noch halb so schlimm aus wie am ersten Tag. Doch dass ihre Kinder mit blauen Flecken, Abschürfungen und Platzwunden nach Hause kommen, ist Diantha gewöhnt, es ist ja auch kein Wunder, dass die unzähligen Holzschwertkämpfe, Rangeleien, Erkundungstouren in der Steinfaust oder im Larisgrün, und die Ausflüge mit ihrem Vater Spuren hinterlassen. Ernsthaft verletzt hat sich von den Zwillingen noch keiner, doch es sind robuste Kinder, die einiges aushalten und denen es nicht einfiele, sich über selbst verschuldete Wehwehchen bei ihrer Mutter zu beschweren.

„Na, jetzt ist aber langsam gut“, mahnt die Immerfrosterin, als Njáll vor lauter Lachen kaum noch Luft bekommt und streckt sich ausgiebig. Mit etwas Überwindung verlässt sie das weiche Bett um sich anzuziehen und zumindest eine Katzenwäsche vorzunehmen. Ihr großer Sohn folgt ihr zur Waschschüssel und betrachtet sich selbst gedankenverloren im Spiegel. Es ist faszinierend, er sieht zur gleichen Zeit seinem Vater unheimlich ähnlich, obwohl einzeln betrachtet seine Augenform und die Ohren ganz anders aussehen. Doch der Gesamteindruck erinnert unverkennbar an Olyvar, auch wenn der Junge noch sehr schlank und schmal ist, was aber sicherlich nicht immer so bleiben wird. Er will gerade dazu ansetzen etwas zu sagen, als Diantha sich das Gesicht abgetrocknet hat, doch sie schneidet ihm das Wort ab: „Lass mich raten, du wärst leicht dazu zu überreden, in die Küche zu gehen um dort ein Dutzend Eier, Milch und Speck zu besorgen, stimmt’s?“ Als Antwort grinst Connavar bis über beide Ohren, wobei er seine zwei Zahnlücken präsentiert und macht sich gleich auf den Weg. „Fia, begleitest du deinen Bruder in die Küche? Oh, und fragt auch noch nach Käse, wir haben nicht mehr viel hier.“ Das Mädchen nickt und schließt sich ihrem Bruder an und schon sind sie aus dem Zimmer verschwunden. Fianryn ist momentan nicht ganz so groß wie Connavar, das kann sich aber bald wieder ändern, denn die Zwillinge scheinen ein Wettwachsen zu veranstalten. Sie ist etwas feingliedriger als ihr Bruder und hat höhere Wangenknochen, aber ihre schönen rotbraunen Haare sind seit einer Kletterexpedition, bei der sie mit ihren Haaren festhing, kaum länger als die ihres Zwillings. Damals hatte der Verlust des Zopfes Diantha leid getan, doch dann hatte sie sich daran erinnert, wie lang ihre eigenen Haare in dem Alter waren. Außerdem kann sie so nirgendwo mehr hängen bleiben.

„Ich auch!“, verlangt Njáll, woraufhin ihm die Immerfrosterin ein Körbchen mit Brot und Brötchen übergibt. Hoffentlich verliert er nicht die Hälfte, denkt sie, doch so eifrig wie er dabei aussieht, bestehen Chancen, dass alles auf der Terrasse ankommt. Nach dem Aufstehen war Diantha mit ihrem unzufriedenen Kleinen in den großen Saal gegangen und hatte ihn beim Feuer machen helfen lassen, damit er vergaß, dass er nicht mit in die Küche laufen durfte. Der Junge hat schon in dem zarten Alter von nicht einmal zwei Jahren einen unglaublichen Starrkopf und die Tatsache, dass er in den Zwillingen zwei absolut loyale Leibwächter hat, macht das nicht eben besser. Naja, immerhin ist die Sturheit ein Beweis, dass er mein Sohn ist, denkt sie amüsiert und macht sich mit einem Teller duftenden Speck und einer Schale mit dampfendem Rührei auf den Weg hinaus zur Terrasse. Die Zwillinge haben ganze Arbeit geleistet: Der Frühstückstisch sieht sehr einladend aus, von der Kanne Cofea bis zum Honig haben sie nichts vergessen, und auch das Brotkörbchen von Njáll ist Heile angekommen. Diantha hat sich gerade gesetzt, als Koira freudig bellend aus der Tür schießt und alle begrüßt und kurz hinter ihr Olyvar die Terrasse betritt. „Du hast ein Talent anzukommen, wenn das Essen gerade so weit ist“, stellt die Immerfrosterin lachend fest und steht auf, um ihrem Mann einen Kuss zu geben. „Hm, du riechst gut“, murmelt sie und küsst ihn noch einmal, danach begrüßt sie auch den wedelnden Hund. „Hast du sie etwa auch gewaschen?“, fragt sie erstaunt, denn das lässt der Hund nur sehr ungern mit sich machen.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 05. Mai 2011, 11:46 Uhr
Am nächsten Morgen erwacht Zrizlizirpzirzz als sich die ersten Strahlen der Morgensonne ihren Weg durch leichte Schäfchenwolken bahnen. Der kleine Feenmann erhebt sich und schlüpft aus dem Korb, welche er von Diantha zu Schlafen bekommen hat. Das Tuch, was er als Regenschutz über den Korb ausbreiten durfte ist vom Morgentau feucht, doch das stört Nachtfalter nicht weiter. Stattdessen sucht er sich eine der großen Blumen, an deren Blättern sich unzählige Tautropfen gesammelt haben und beginnt seine Morgenwäsche. Der Feenmann liebt es sich im frischen Morgentau zu baden und kann sich ein Leben in groß so gar nicht vorstellen. Er hat gesehen, dass die Menschen Wasser schöpfen und ins Haus schleppen müssen, etwas was dem kleinen Schönling wirklich zuwider wäre. Nichts geht doch über eine Dusche im frischem, kalten, nassen Morgentau und so sucht er eine andere Blume, deren Blätter von Tau benetzt sind und zieht die Blattspitzen zu sich herab, so dass die Tropfen zu ihm herunter prasseln und ihm das letzte bisschen Schlaf vertreiben. Anschließend schüttelt er sich ausgiebig unzähliger winziger Tropfen aus den Haaren und streift sich die langen blauschwarzen Strähnen hinter die Ohren.
Nach seiner Wäsche überlegt er, wann er mit seiner Freude für die nette Menschenfrau beginnen soll. Eine Idee hat er schon, doch wie er diese umsetzen kann, das weiß er noch nicht und so flattert er durch den Garten und schaut sich ausgiebig um, welches Material ihm so zur Verfügung steht. Selbstredend möchte er nur Abfälle und welkes nehmen und keine von den schönen Blumen beschädigen. Auf seinem Rundgang fällt dem aufmerksamen Auge des kleinen Mannes eine besonders mitleidenserregende Blume aus, welche zwar zu verwelken droht, sich jedoch noch tapfer aufrecht hält und nur einige Blüten und Blätter schlaff herab hängen lässt. Zrizlizirpzirzz schaut sich das arme Gewächs aus der Nähe an und versucht dem Problem auf den Grund  zu gehen. Weder Läuse noch Raupen noch andere Tiere machen den welken Blättern der Pflanze zu schaffen, doch der Boden an den Wurzeln ist locker und aufgewühlt. Sogleich macht sich Nachtfalter daran mit den Händen die Erde zur Seite zu schieben und sich das Ganze noch Genauer anzusehen und in der Tat, die Zwiebel der Pflanze ist beschädigt. Es scheint sich eine Wühlmaus an dem guten Stück genüsslich getan zu haben. Diese Blume ist leider nicht mehr zu retten. Nachtfalter schiebt die Erde wieder zurück und wäscht sich die nun braunen Hände in einem anderen Tautropfen, von denen es hier wahrlich mehr als genug gibt.

Ein ganzer Schwarm Feen wäre nötig um diesen Garten in ein buntes, blumiges, duftendes Paradies zu verwandeln und ihm wieder zu einem strahlend schönen Aussehen zu verhelfen und vielleicht, so überlegt er, könnte er hier tatsächlich als Gärtner tätig werden. Er könnte nach den Blumen sehen, jeden Morgen bei der Menschenfrau sitzen und ihre Gastfreundschaft genießen und sich von ihren Kindern bewundern lassen. Aber wäre das ein Leben nach Zrizlizirpzirzzs Geschmack? Wohl eher nicht und so muss seine erste Idee greifen. Doch hier in dem Garten mag er nichts finden, was ihm helfen kann und so wartet er  auf die ersten Lebenszeichen aus der steinernen Faust und hofft dass sich Diantha und ihre Kinder bald zu ihm gesellen und ihm aus dem Garten helfen, damit er anderswo nach Material für seinem Geschenk sehen kann.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 17. Mai 2011, 19:46 Uhr
"Aye", bestätigt Olyvar mit einem hintergründigen, kleinen Lächeln beim Gedanken an den schlammverkrusteten, blutfleckigen Zustand, in dem er und der Hund mitsamt ihrer Beute die Steinfaust erreicht hatten. "Hätte ich es nicht getan, hättest du uns auf der Stelle mit dem Besen wieder hinausgejagt, Conasg." Diantha hebt nur spöttelnd eine Braue, doch die Kinder kichern haltlos bei der Vorstellung ihrer Mutter als besenschwingende Furie, und nur einen Herzschlag später ist Olyvar von der lauten, durcheinanderplappernden Konfusion zweier Sechsjähriger und eines Kleinkindes umgeben, die wahlweise an ihm oder an Koira kleben, die alle auf einmal reden und auch alle auf einmal wissen wollen, wo er war und was er gejagt hat, ob der Waldmeister schon blüht, ob er schon Frischlinge gesehen hat, ob am Fuchsbau am Südhang schon Welpen geboren wurden, warum er sie nicht mitgenommen hatte, ob das Wasser am Waldteich schon warm genug zum Schwimmen wäre und so fort. Wie die meisten ihrer Art unterscheidet auch Koira sehr genau zwischen gutem Wasser, das man vorzugsweise in Schlammpfützen, sprudelnden Bächen oder Waldteichen findet, oder im Ildorel mit seiner sanften Brandung, und schlechtem Wasser, das es – womöglich sogar noch warm! – mit Seifenschaum in Zubern, Bottichen und Steinwannen gibt. Ersteres liebt die Hündin, letzteres meidet sie wie ein Dämon den vielzitierten heiligen Boden. Olyvar hatte sie trotzdem gebadet und ihr kurzes, weiches Fell anschließend gut durchgebürstet. Sie hatte es sich brav gefallen lassen, aber sie nicht einmal während der ganzen Prozedur hatte sie  den vorwurfsvollen, bernsteinfarbenen Blick von ihm abgewandt. Ein Frühstück aus ein paar saftigen Fleischstücken und einem Knochen vom Vortag, versöhnt jedoch auch Koira wieder mit der Welt. Sie essen draußen, im ummauerten Garten des Westflügels am Fuß der hölzernen Laube, wo Diantha schon im letzten Sommer einen breiten Holztisch, und ein paar Bänke hatte aufstellen lassen.

"Wir haben ein Wildschwein erlegt, einen Überläufer vom letzten Jahr und Koira hat diesmal wirklich ganze Arbeit geleistet. Ich hatte ihn, aber es war kein sehr sauberer Schuss und sie musste hinterher und ihn stellen. Sie hat ihn gut gepackt, bis ich mit der Saufeder kam, direkt an der Schnauze." Olyvar hatte die Hündin schon mehrmals mit zur Jagd genommen, und sie hatte sich als recht guter Hetzer und Steller erwiesen. Während sie essen, muss er Conn und Fianryn in allen Einzelheiten von der Jagd und Koiras Hatz auf das junge Wildschwein berichten, und auch Njáll hat es sich inzwischen mit honigverschmierten Fingern und verklebtem Gesicht auf seinem Schoß bequem gemacht und lauscht andächtig, obwohl er bestimmt nur die Hälfte versteht. "Sitz still, mo chuisle, sonst habe ich den Honig von deinen kleinen Schmutzfingern überall und kann gleich wieder ein Bad nehmen." Njáll kichert leise, hat aber ein Einsehen und windet sich nicht  mehr wie ein Fisch hin und her. "Wo ist eigentlich dein Untermieter, Conasg?" Olyvar blickt sich suchend um, kann den winzigen Hin-und-Wieder-Übernachtungsgast des Westflügels (der eine ausgesprochene Vorliebe für Achims Waldhonig hat) nirgendwo entdecken. Zu seiner Beruhigung döst Katze friedlich auf einem Fleck gelber Schlüsselblumen in der Sonne - während Koira ganz entzückt von dem Feenmann zu sein scheint, beäugt Katze den kleinen Kerl nämlich mit einer beängstigenden Aufmerksamkeit, wie sie sie sonst eher besonders fetten und wohlschmeckenden Mäusen widmet. Diantha hatte ihm natürlich von Nachtfalter erzählt und von den Kindern hatte er längst noch mehr von der Fee gehört, die gelegentlich in einem Korb in der Laube schläft, aber wirklich kennengelernt hatte Olyvar ihn noch nicht. "Ist er hier oder ausgeflogen? Und ach ja... Pumquat und Rhordri werden nachher hier auftauchen, sie wollen irgendetwas besprechen, das wichtig zu sein scheint. Jedenfalls, " er vergräbt seine Nase mit einem belustigten kleinen Schnauben im Cofeabecher, "haben sie mir einen Botenjungen deswegen sogar ins Badehaus nachgeschickt. Hmpf."  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 22. Mai 2011, 23:44 Uhr
Mit einer wohligen Wärm in ihrem Bauch betrachtet Diantha ihre Familie und hört dabei nicht einmal mit einem halben Ohr zu, wie die Zwillinge ihren Vater nach dem Wald ausfragen. Hin und wieder hat sie nach wie vor Momente, in denen ihr klar wird, wie viel Glück sie hat und wie großartig ihr Leben ist. Vermutlich sind das noch immer Auswirkungen von der Zeit, als sie so einsam und unglücklich war, sie hat jedenfalls den Eindruck, dass nicht viele Menschen zu schätzen wissen, was sie haben. Natürlich setzt auch sie mittlerweile bestimmte Dinge ganz selbstverständlich voraus, wie dass sie jeden Tag ein gutes Essen kriegt, in einem weichen Bett schlafen kann und dass es Menschen gibt, auf die sie blind vertrauen kann. Sie betrachtet ihren Mann, wie er versucht so gut wie möglich auf die Fragen zu antworten, die auf ihn einprasseln und muss einfach lächeln. Olyvar fängt ihren Blick auf und erwidert ihn im ersten Augenblick fragend, dann aber liest er in ihren Augen wie in einem Buch und sein Ausdruck wird weich und warm. Wie immer in solchen Momenten wird ihr warm ums Herz und sie kann das unsichtbare Band zwischen ihnen fühlen, das sich im Laufe der Jahre nur noch verstärkt hat. Der einmaligen Vertrautheit haben sie zu verdanken, dass Diantha und Olyvar mittlerweile häufig nur einen Blick brauchen um sich zu verständigen, zur gleichen Zeit aber auch Stunden im Gespräch verbringen können. Zu letzterem bietet sich zwar im Alltag selten die Gelegenheit, aber erst vor ein paar Tagen waren sie das letzte Mal vor dem Trott geflohen und hatten nur zum Vergnügen zusammen einen Ausflug unternommen. Ganz ohne klares Ziel und ohne Verpflichtung zu einer bestimmten Uhrzeit ankommen zu müssen waren sie ausgeritten, hatten sich ein kleines Galopprennen gegönnt und schließlich bei der Suche nach etwas Essbarem eine kleine Höhle entdeckt, ganz wundervoll geeignet für zwei sich nach Zärtlichkeit sehnende Körper. Solange sie hin und wieder die Gelegenheit zu vergleichbaren Ausflügen finden, können sie sich gar nicht fremd werden, da ist Diantha sich vollkommen sicher.

Wenn ich gewusst hätte, das eine Ehe auch so sein kann, dann hätte ich beim Inarifest überhaupt nicht gezögert, schießt ihr durch den Kopf und die nächsten Minuten verbringt sie damit, in Erinnerung daran, wie sie inmitten von tanzenden Menschen, wirbelnden Blumen und lauter Musik eine der wenigen guten Entscheidungen getroffen hat – nämlich die, „ja“ zu sagen. In diese Gedanken vertieft zuckt sie ein bisschen zusammen, als Olyvar das Wort an sie richtet und stellt fest, dass sie von dem Marmeladebrötchen in ihrer Hand erst einen Bissen gegessen hat. >"Wo ist eigentlich dein Untermieter, Conasg? Ist er hier oder ausgeflogen? "< Er lässt den Blick durch den Garten streifen, kann Nachtfalter aber offensichtlich nicht entdecken. Diantha zuckt nur mit den Schultern und antwortet grinsend: „Ich habe absolut keine Ahnung. Vermutlich denkt er sich wieder irgendeinen Unsinn aus, um zu imponieren oder seine Dankbarkeit auszudrücken.“ Ihr ist klar, dass sie einen ganz schönen Narren an dem Flattermann gefressen hat und sie kann beim besten Willen nicht erklären, warum eigentlich. Vielleicht erinnert er sie an die Zeit, als sie selbst kein festes Zuhause auf dieser Welt hatte und sich gewünscht hätte, dass sie jemand willkommen heißt und ihr ein Bett anbietet. Jedenfalls scheint Nachtfalters einzigartiges Verhalten bei manch anderem auf weniger fruchtbaren Boden zu stoßen, als bei ihr. Der Kleine ist doch so lustig und liebenswürdig! Olyvar nickt auf Dianthas Antwort und sie hat das Gefühl, dass er Nachtfalter gerne einmal gesehen hätte. Schade, aber vielleicht kommt er ja noch… >„Und ach ja... Pumquat und Rhordri werden nachher hier auftauchen, sie wollen irgendetwas besprechen, das wichtig zu sein scheint“,> teilt ihr Mann Diantha. >„Jedenfalls haben sie mir einen Botenjungen deswegen sogar ins Badehaus nachgeschickt. Hmpf."< Diese Information quittiert Diantha mit einem Stirnrunzeln – es sieht Rhordri so gar nicht ähnlich Olyvar dermaßen zu bedrängen. Denn laut Rhordris eigener Aussage braucht ein Mann mit einer großen Familie zumindest ein wenig Zeit für sich, die er normalerweise nur im Bad kriegt. „Seltsam. Wenn es lebenswichtig wäre, dann wäre es selbst gekommen oder hätte dem Botenjungen Feuer unterm Hintern gemacht, dich aus der Wanne zu zerren. Hast du irgendeine Idee, worum es sich handeln kann?“ Sie grübelt, ob irgendetwas in den letzten Tagen plötzlich zu Aufregung oder Problemen hätte führen können, doch ihr fällt nichts ein, eigentlich war es doch recht ruhig. „Ich hoffe deine Kinder haben keinen großen Unsinn gebaut“, stellt sie mit sachlicher Stimme fest und in zwei Gehirnen fängt es ganz offensichtlich an zu rattern.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 23. Mai 2011, 20:31 Uhr
Seine Frau hebt in einer vagen Geste der Unwissenheit ihre Schultern und versichert, dass sie keine Ahnung habe, wo der kleine Flattermann steckt. >Vermutlich denkt er sich wieder irgendeinen Unsinn aus, um zu imponieren oder seine Dankbarkeit auszudrücken.<
"Imponieren?" Olyvars linke Braue hebt sich ein Stück nach oben und er schafft es, sowohl mit seinem Gesichtsausdruck, als auch mit seinem Tonfall exakt die Grenze zwischen Besorgnis und Belustigung zu erwischen. "Aahso. Imponieren." Er weiß ja, dass seine Frau den winzigen Feenmann gut leiden kann und sich immer auch ein bisschen Sorgen macht, schließlich ist die Welt groß und böse und die Fee ist... nun ja, sehr klein. Selbst für eine Fee.. Jedenfalls hat er das gehört, die Kinder haben es ihm lang und breit erklärt, zu sehen bekommen hatte er den seltsamen Gast des Westflügels ja noch nicht. Nun, einen Verehrer deiner Frau, der nicht einmal fünf Zoll groß ist, kannst du wohl gerade eben noch ertragen, aye? Natürlich kann er. Er kann es aber auch trotzdem nicht lassen, sie mit ihrer Sympathie für Nachtfalter gelegentlich ein wenig aufzuziehen, einfach nur um zu sehen, wie niedlich ihre Nase sich in gespielter Empörung kräuselt.

Seine Ankündigung was seinen Scriptor und den Kastellan der Steinfaust angeht, veranlasst Diantha dann allerdings zu einem nachdenklichen, fast ein wenig argwöhnischen Stirnrunzeln. >Seltsam. Wenn es lebenswichtig wäre, dann wäre es selbst gekommen oder hätte dem Botenjungen Feuer unterm Hintern gemacht, dich aus der Wanne zu zerren. Hast du irgendeine Idee, worum es sich handeln kann? Ich hoffe deine Kinder haben keinen großen Unsinn gebaut.<
"Meine Kinder?" Echot er. "Ich dachte, es wären unsere. Aber nein, Conasg. Ausnahmsweise sind Fianryn und Connavar so unschuldig wie ein Eimer frisch geschlagener Sahne. Ich glaube, ich weiß schon, was Rhordri und Pumquat wollen - es sind gute Nachrichten, keine schlechten, aye." Er bricht mit seinen großen Händen ein Stück weiches, weißes Brot und streicht damit die Honigreste auf seinem Teller zusammen. "Erinnerst du dich an die Jagd auf den verrückten Finsteren? Wir haben damals jede Menge Beute aus den Ruinen des alten Anwesens im Larisgrün geholt und auch aus dem Felsenkeller, in dem er hier in der Stadt sein Versteck hatte." Borgil hatte es damals übernommen – mit Pumquats Hilfe und der von noch einigen anderen Händlern, Geldsäcken und Kaufleuten – die Beutestücke zu verkaufen, und zwar so, dass ein fairer Preis erzielt wird. "Ich glaube, sie haben jetzt alles zusammen. Es ist alles verkauft und wir können die Abenteurer und Nekromantenjäger von damals ausbezahlen. Jeder wird seinen gerechten Anteil erhalten, was, wenn du mich fragst, auch lange genug gedauert hat."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 24. Mai 2011, 17:58 Uhr
Nachtfalter war eine Weile in einem Gebüsch verschwunden und versucht aus Holz eine Puppe für das kleine Mädchen zu bauen, doch leider ist ihm das Spielzeug ob fehlender Werkzeuge wahrlich missraten und so beschließt er sich erst Werkzeuge zuzulegen, ehe er der Kleinen ein Puppenhaus mit süßen Feepüppchen bastelt und dem Jungen eine steinerne Faust also einen Steinklotz mit vielen Rittern bauen könnte. Er hofft wirklich es möge ihm gelingen, denn Diantha würde sich bestimmt sehr freuen wenn er den zu groß geratenen Kindern eine Freude macht. Menschenkinder waren alle zu groß, aber wenn man bedenkt, wie riesig Menschen werden ist es wohl auch kein Wunder, dass ihre Kinder so groß und klobig ausfallen, überlegt der kleine Zwerg mit einem Schmunzeln, denn immerhin mag er die Beiden echt leiden. Während er dort versucht das missratene Püppchen zu retten, vernimmt er Stimmen und späht aus den schützenden Blättern hervor. Diantha ist im Garten und bei ihr ein wahrhaft riesiger Mann und die Kinder. Nachtfalter weiß nicht recht, was er machen soll und so verharrt er einfach, in der Hoffnung der riesige Fremde mögen verschwinden. Doch er tut ihm nicht den Gefallen und stattdessen beginnen die großen draußen zu frühstücken. Nachtfalter hat Hunger, kann aber nicht verstehen, wieso Diantha den Fremden geholt hat und ist sich nicht sicher ob der Fremde ihm vielleicht gar etwas Böses will. Unsicher und Ängstlich späht er wieder zwischen den Blättern hervor. Doch dann hört sie Diantha von seinen Kindern reden und ihm geht auf, dass dieser Mann tatsächlich der Gefährte von Diantha sein muss. Der Mann bestätigt, dass es sich um ihre gemeinsamen Kinder handelt und Nachtfalter beugt sich ein Stück weiter vor, um den Mann besser mustern zu können. Dann plaudert er von einem Finsteren, einem Nekromanten und Ausbezahlung der Helfer. Nachtfalter wird ganz schwindelig vor Aufregung. Ja, es muss sich um einen der Helden dieser Faust handeln und so traut er sich langsam Stück für Stück heraus und schwirrt vorsichtig, den Fremden nicht aus den Augen lassen zu Diantha.
„Guten Morgen, wert…. Ähm… Diantha. Ich hoffe... du… hast gut geschlafen.“ Mit einem unsicheren Lächeln zu dem Fremden ergänzt er: „Guten Morgen, werter Herr, mein Name ist Nachtfalter und eure Frau war so nett mich über Nacht hier aufzunehmen.“ Erst nachdem er die Worte ausgesprochen hat, fällt ihm auf, was er gesagt hat. „Also… ähm… nicht so, sondern sie hat mir erlaubt mir hier im Garten ein Nachtlager einzurichten, bzw. sie hat es mir errichtet.“ Zufrieden wie er die Situation gerettet hat lacht er kurz hell auf und schon ist auch das kleine Mädchen, Nachtfalter ist doch tatsächlich der Name entfallen, bei ihm und erkundigt sich, ob er jetzt für immer bleiben würde und sie nicht zusammen spielen könnten. Sie hätte schöne Puppenkleider und so… Nachtfalter wird ganz bleich, noch bleicher als sonst und blickt hilfesuchend zu Diantha, denn auch wenn er die Kleine und deren Bruder echt gerne hat, Puppenkleider anziehen? Nie und nimmer!

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 27. Mai 2011, 13:55 Uhr
>"Imponieren?"<, echot Olyvars und Diantha hört schon an seinem Tonfall, dass er sie aufziehen will. Dieses Spiel zwischen ihnen macht jedes Mal aufs Neue wieder Spaß und so quittiert sie seine Frage mit einem unschuldigen Blick aus blauen Augen und fragt so, als würde sie nichts ahnen: „Ja?“ >"Aahso. Imponieren."< Diantha muss sich zusammenreißen um ein Lachen zu unterdrücken, denn sie wissen schließlich beide sehr genau, dass es für Olyvar keine Konkurrenz gibt. Mittlerweile hat die Immerfrosterin sich daran gewöhnt, dass sie so etwas wie weibliche Reize hat, aber Komplimente können sie immer noch aus dem Konzept bringen und die Erinnerung an den fürchterlich in sie verliebten Botenjungen von vor ein paar Monden sind ihr noch immer zuwider. Wie ewig es gedauert hatte, bis sie verstanden hatte, warum sich dieses Kind so seltsam aufführte! Zum Glück hatte sich die Angelegenheit dank eines hübschen Küchenmädchens nach einer Weile in Luft aufgelöst. Ich wette Morna hatte etwas damit zu tun, sinniert Diantha und spielt dann weiter, indem sie die Nase kräuselt und ein empörtes „Ph!“ von sich gibt.
Das Gespräch wendet sich anderen Themen zu, trotzdem zieht Olyvar sie prompt wegen ihrer ungeschickten Wortwahl auf: >"Meine Kinder? Ich dachte, es wären unsere.“< „Wenn sie brav sind, sind es meine Kinder, aber wenn sie Unsinn machen, dann sind es deine. Sonst sind es unsere Kinder. Wusstest du das noch nicht?“, kontert sie ganz selbstverständlich, nur das Blitzen in ihren Augen verrät sie wieder einmal. Olyvar erwidert ihren Blick mit einem vielsagenden Grinsen – für diese Aussage würde sie irgendwann später unter Garantie büßen  –  erklärt dann jedoch: >„Aber nein, Conasg. Ausnahmsweise sind Fianryn und Connavar so unschuldig wie ein Eimer frisch geschlagener Sahne. Ich glaube, ich weiß schon, was Rhordri und Pumquat wollen - es sind gute Nachrichten, keine schlechten, aye."< Jetzt wird Diantha das erste Mal an diesem Morgen etwas ernster, weil ihr schlicht nicht einfallen will, worum es sich handeln könnte.

>"Erinnerst du dich an die Jagd auf den verrückten Finsteren?“<, fragt ihr Mann und über das Gesicht der Immerfrosterin zieht ein Schatten. Ja, sie erinnert sich daran, nur fürchterlich ungerne. Im Nachhinein betrachtet war es wohl die schlimmste Zeit ihrer Ehe, in der sie schwanger und tatenlos dasitzen musste, während Olyvar unter der Erde um sein Leben kämpfte.  Ein Wunder, dass ich da nicht verrückt geworden bin. Nach einer Weile habe ich befürchtet, dass ich den nächsten, der einen dummen, aufmunternden Kommentar abgab, zusammenschlagen würde. „Ja, ich erinnere mich“, stellt sie sachlich fest und versucht so zu tun, als wäre ihr die Erinnerung nicht durch Mark und Bein gegangen.  >„Wir haben damals jede Menge Beute aus den Ruinen des alten Anwesens im Larisgrün geholt und auch aus dem Felsenkeller, in dem er hier in der Stadt sein Versteck hatte“<, erläutert Olyvar. Diantha nickt, das war ihr zwar damals herzlich egal gewesen, sie hatte nur ihren Mann im Arm halten und nie wieder loslassen wollen, aber die angeschlagene Truppe hatte einiges an Trophäen dabei gehabt.  >"Ich glaube, sie haben jetzt alles zusammen. Es ist alles verkauft und wir können die Abenteurer und Nekromantenjäger von damals ausbezahlen. Jeder wird seinen gerechten Anteil erhalten, was, wenn du mich fragst, auch lange genug gedauert hat."< „Ja, vor allem wenn man die Opfer bedenkt, die einige von euch gebracht haben“, fügt sie hinzu. Nicht nur Faron war für immer von diesem Kampf gezeichnet geblieben, kaum eines der Gruppenmitglieder hatte nicht zumindest eine Narbe übrig behalten. „Ich denke dafür wird die Belohnung jetzt auch sicherlich fürstlich sein, nicht?“

Olyvar kommt nicht dazu zu antworten, denn in diesem Moment raschelt es kaum hörbar und von dem Gesprächsthema beunruhigt, greift Diantha unbewusst zu ihrem versteckten Wurfmesser, das sie immer bei sich trägt. Doch es handelt sich nur um Nachtfalter und die Immerfrosterin entspannt sich sofort wieder, ja fast schämt sie sich dafür, so schreckhaft zu sein. Auch der kleine Feenmann wirkt ziemlich nervös, allerdings schaut er dabei immer verschämt zu Olyvar, dessen Gestalt sicherlich ganz schön angsteinflößend für jemanden von Nachtfalters Größe ist. Er beginnt vor sich hin zu stottern:  >„Guten Morgen, wert…. Ähm… Diantha. Ich hoffe... du… hast gut geschlafen.“< Diantha lächelt ihm aufmunternd zu und antwortet: „Vielen Dank, Nachtfalter. Ja, das habe ich, du hoffentlich auch.“ Sie will den kleinen Kerl gerade offiziell ihrem Mann vorstellen, doch das übernimmt der gleich selber:  >„Guten Morgen, werter Herr, mein Name ist Nachtfalter und eure Frau war so nett mich über Nacht hier aufzunehmen. Also… ähm… nicht so, sondern sie hat mir erlaubt mir hier im Garten ein Nachtlager einzurichten, bzw. sie hat es mir errichtet.“< Die Immerfrosterin kann ahnen, wie belustigt Olyvars Blick ist, als der sich anhört, was Nachtfalter vor sich hinplappert. Selbst der Feenmann lacht kurz ob der Situation auf und die Zwillinge kichern vor sich hin. Dann fragt Fianryn den Gast aus und fragt, ob sie nicht zusammen spielen könnten und erzählt mit strahlenden Augen irgendeinen Unsinn von Puppenkleidern. Prompt schaut Nachtfalter ganz verängstigt aus, als könne er sich wirklich vorstellen, dass Dianthas kleiner Wildfang so etwas mit ihm anstellen dürfte. Dieses Kind lügt ganz schön überzeugend, das kann noch ein Spaß werden, wenn sie erst älter ist. Diantha wirft ihr einen strafenden Blick zu und erklärt dann dem kleinen Flatterich: „Nachtfalter, lass dich nicht ärgern, Fianryn zieht dich nur auf. Sie hat zwar eine Flickenpuppe, aber die hat sie seit Jahren nicht mehr angerührt und falls es mal ein Kleid dazu gab, dann ist es längst verschollen. Ich befürchte eher, dass meine Kinder dich als Ausguck oder zum Schmiere stehen benutzen wollen – was du dir keinesfalls bieten lassen solltest. Verstanden?“ Ihr vielsagender Blick ruht auf Fianryn und Connavar, bis beide nicht gerade begeistert nicken. „So, jetzt setzt dich doch erst mal, Nachtfalter. Magst du ein wenig Honig? Du hast doch sicher Hunger.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 29. Mai 2011, 08:24 Uhr
Gerade als er Diantha antworten will, wie fürstlich die Belohnung der Abenteurer ausfallen dürfte, hebt Koira den Kopf, alarmiert vom Geraschel in einem Büschel Carsairkelche unter einem Holunderstrauch in der Nähe, doch sie knurrt nicht, sondern stellt nur die Ohren auf. Die übertrieben schreckhafte Reaktion seiner Frau, die augenblicklich an ihrem Gürtel mit den Wurfsternen herumtastet, lässt Olyvar allerdings erstaunt eine Braue heben. So misstrauisch zu sein sieht ihr gar nicht ähnlich. Diantha ist immer wachsam, wenn sie ihn auf die Jagd oder ins Larisgrün oder sonst wohin begleitet. Selbst wenn sie allein oder mit den Kindern in den Straßen Talyras unterwegs ist, ist sie sehr viel aufmerksamer, als die allermeisten anderen Bürger dieser Stadt... ein altes Erbe ihrer Vergangenheit. Aber hier, im Westflügel, hinter den sicheren Mauern der Steinfaust, umgeben von fünfeinhalbtausend Blaumänteln, die alle ohne zu zögern für sie ihr Schwert ziehen würden? Das kommt ihm dann doch ein wenig zimperlich vor... und zimperlich ist wohl das letzte Wort, das ihm im Zusammenhang mit seiner Frau einfallen würde.

Er kommt jedoch auch nicht dazu, sie danach zu fragen, denn gerade als er den Mund öffnet, weil er wissen will, ob irgendetwas vorgefallen war oder ob sie sich um irgendetwas Sorgen mache, schält sich Stück für Stück erst ein winziger, wirrer blauschwarzer Haarschopf hervor, dann ein blasses Gesichtchen mit großen, dunkelblauen Augen, die ihn anstarren als sei er der Riese Finn, der gerade die Berge von Trà Mhòr verschlingt, ein in eine - geradezu verwegen aussehende – Weste gekleideter Oberkörper mit blasser Haut und ein paar sehr kleiner, dünner Beine in dunklen Hosen, die im gedämpften Licht unter den grünen Blättern hier und da schillern wie der Rückenpanzer eines schwarzen Käfers. Kaum hat die kleine Gestalt sich aus den Blumen hervorgekämpft, entfaltet sie ein Paar durchscheinend zarter Flügel und schwirrt auf Diantha zu wie eine Libelle... mal hier hin, mal dorthin schwenkend, immer auf der Hut. Aber als der Feenmann (Olyvar hat oft mit dem Kleinen Volk zu tun, sowohl mit Feen, vor allem mit gewissen Distelfeen, als auch mit Kobolden, aber er hat wirklich noch nie eine kleinere Fee gesehen) spricht, tut er es mit ausgesuchter Höflichkeit (ganz anders als Saffron und Morag):

>Guten Morgen, werter Herr, mein Name ist Nachtfalter und eure Frau war so nett mich über Nacht hier aufzunehmen.  Also… ähm… nicht so, sondern sie hat mir erlaubt mir hier im Garten ein Nachtlager einzurichten, beziehungsweise... sie hat es mir errichtet.< Olyvar lächelt leise. Fehlt nur noch, dass er sich verbeugt und "Euer Diener, Sire" hinzufügt. "Guten Morgen Nachtfalter," erwidert er und nickt dem Feenmann höflich zu. "Ich bin Olyvar von Tarascon, Lord Commander der Steinfaust. Willkommen in Talyra." Diantha will ihren kleinen Gast wohl gerade zum Frühstück einladen, doch Fianryn und Connavar haben andere Pläne und führen ganz offensichtlich etwas Schilde, denn die beiden haben längst gegessen und versuchen umgehend, Nachtfalter als Spielkameraden zu gewinnen. Erstaunt hört Olyvar seine Tochter dabei irgendetwas von "Puppenkleidern" nuscheln und schüttelt den Kopf. Fianryn besitzt wenigstens den Anstand schuldbewusst dreinzublicken, als sie Dianthas tadelnde Miene sieht, die hastig versucht, den entsetzt blinzelnden Nachtfalter zu beruhigen. Als sie ihre kleine Ansprache beendet hat, nicken Conn und Fianryn missmutig und Olyvar hat seufzend ein Einsehen.

"Verschwindet schon ihr beiden. Aber ich will euch nicht in der Nähe des Kerkerturms erwischen, es wird nicht in den Brunnen gestiegen und ihr haltet euch gefälligst vom Vitriol in Maester Ballabars Laboratorium fern, verstanden? Und zum Mittagmahl lasst ihr euch hier bei eurer Mutter sehen!" Kann er ihnen gerade noch nachrufen, als sie lachend durch den ummauerten Garten ins Innere des Westflügels rennen, zweifellos um sich ihre ledernen Stiefel zu holen und mit ihren Ponys sonst wohin zu verschwinden. Olyvar schüttelt noch einmal den Kopf und pfeift leise nach der Hündin, die prompt neben ihm erscheint. "Geh mit Conn und Fianryn, Koira. Pass auf sie auf, aye?" Das lässt sich die Hündin nicht zweimal sagen und hetzt fröhlich bellend hinter den beiden verschwundenen Zwillingen her. Einen Moment kann Olyvar ihre Stimmen noch zu ihnen herunterwehen hören, dann sind sie weg. Dafür werden nur drei Herzschläge später andere, sehr viel tiefere laut, nämlich die von Rhordri, seinem Kastellan und Pumquats schnarrender Koboldakzent. Ein rascher Blick über den Tisch zeigt, dass auch die beiden noch satt werden würden. Pumquat ist schon wegen seiner Statur kein großer Esser, doch Rhordri sagt für gewöhnlich zu keiner Mahlzeit nein - aber es ist auch noch reichlich von allem vorhanden. "Hier unten im Garten, kommt herunter."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 29. Mai 2011, 12:16 Uhr
>Ich bin Olyvar von Tarascon, Lord Commander der Steinfaust. Willkommen in Talyra.<  begrüßt sie der Mann von Diantha und mit einem Mal wird es dem kleinen Feenmann ein wenig schummrig, ja fast schon schwindelig.
Lord… Commandar… Herr der steinernen Faust… Also ist Diantha wirklich und wahrhaftig eine Lady… Die Gemahlin eines Lords….

Zrizlizirpzirzz fühlt sich ein wenig unwohl. Wie er dort bei den hohen Herrschaften am Frühstückstisch weilt. Doch sowohl der Lord selbst, als auch seine Frau, verhalten sich nett und tun, als sei es das normalste auf der Welt und so bemüht sich der Kleine um Fassung und tut es ihnen gleich. Unterdessen bietet Diantha ihm an, auch etwas zu essen und erwähnt den Honig, was sich Zrizlizirpzirzz nicht zweimal sagen lässt. Ob des süßen, klebrigen Zeugs verschwindet jedes bisschen Anspannung aus seinem Gesicht und fröhlich nascht er Brotkrumen, welche er so in den Honig tunkt, dass er mehr von der klebrigen Masse als Brot in seinen Mund schiebt. Genüsslich schleckt er sich gerade die Lippen ab, als er Geräusche vernimmt. Eine tiefe Stimme, welche dem kleinen Feenmann die Nackenhaare aufstellt ertönt, unsicher wirft er einen Blick zu Diantha und ihrem Lord, doch keiner von Beiden scheint beunruhigt, so dass auch Nachtfalter wieder zur Ruhe kommt. Ja, hier in der steinernen Faust, wäre er sicher. Dessen wird er sich so schlagartig bewusst, dass er schon überlegt, ob es für ihn keine Möglichkeit gäbe hier zu bleiben. Aber er hat schon genug von Dianthas Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft ausgekostet. Er würde den Beiden nicht ewig zur Last fallen können.
Aber hier in dem Garten umgeben von Stein bin ich sicher…

Sicherheit ist etwas, das der Kleine kaum noch kennt, kann er sich doch nicht wie andere seiner Art vergrößern, um sich verteidigen zu können. Ein Schemen nimmt vor seinem inneren Auge Gestalt an und er sieht das Antlitz der Hexe, welche ihn zu diesem Leben verflucht hat. Hier wäre ich sicher… schleicht sich wieder ein Gedanke in seinen Kopf und plötzlich kommt ihm zu dem Gedanken auch eine Idee, denn wer sagt denn, dass er zu Gast hierbleiben müsste. Er könnte arbeiten. Jawohl! Er könnte doch Stadtwache werden. Zugegeben, er war vielleicht etwas klein für diese Art von Arbeit, aber durch seine Schnelligkeit könnte er bei Vorfällen vorfliegen, die Lage ungesehen überprüfen und die anderen Wächter unterrichten. Er könnte verdeckt arbeiten und Informationen zusammentragen und wenn sich die Lage verschlimmert könnte er sich plötzlich vergrößern, den Überraschungseffekt nutzen und angreifen. Ach nein, eben das konnte er ob seines Fluches nicht. Aber verdeckt arbeiten erscheint ihm trotzdem eine großartige Idee. Auch die Vorstellung hier in der Steinfaust bei all den ehrenwerten, gesetzestreuen Wächtern, zu arbeiten, gefällt ihm immer mehr, denn nirgends wäre er selbst sicherer und was noch besser ist, er könnte so direkt für die Sicherheit anderer arbeiten und sie schützen. Eine Stadt schützen, welche Aufgabe konnte wohl ehrenvoller und großartiger sein. Doch würden die Großen das auch so sehen? Zrizlizirpzirzz ist sich dessen nicht sicher und kommt auch gar nicht dazu seine Idee anzusprechen, denn auf Einladung des Lords von Tarascon, gesellen sich zwei weitere Gestalten zu ihnen. Zrizlizirpzirzz beschließt vorerst nichts von seiner Idee zu sagen, sondern Diantha einmal unter 4 Augen nach den Möglichkeiten zu fragen, während er den Neuankömmlingen höflich zunickt und abwartet bis sie näher kommen und ihm hoffentlich ebenfalls vorgestellt werden. Diantha scheint die Gäste zu mögen und das ist Zrizlizirpzirzz Grund genug den beiden nicht mit Argwohn zu begegnen. Die Lady von Tarascon ist wahrhaft ein so nettes Geschöpf, dass sie sich nie und nimmer mit gefährlichen Gestalten einlassen würde und so kann er ihrem Urteil voll und ganz trauen. Zrizlizirpzirzz fühlt sich hier so gut aufgehoben, dass seine Angst nun gänzlich verschwindet und einer inneren Ruhe weicht, welche er seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr kannte und obgleich er steinerne Bauten nicht mag, schweift sein Blick kurz ehrfürchtig über die riesigen Mauern, welche ihm Schutz und Hoffnung schenken.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Rhordri am 30. Mai 2011, 15:07 Uhr
Rhordri schnauft schon wie ein Blasebalg, dabei ist es noch früh am Morgen und die Sonne ist noch nicht einmal über die äußeren Mauern gekrochen – doch der Frühling war zeitig in die Herzlande gekommen und hatte sehr rasch große Wärme gebracht. Wenn das so weiter geht schwitzen wir schon wie abgebrühte Schweine noch ehe der Grünglanz vorbei sein wird... Er war von Pumquat schon zur größten Unzeit im Kastellans-Solar am Inneren Tor aufgesucht worden, der ihm berichtet hatte, dass von der Nekromantenbeute gestern nun auch der allerletzte azurianische Seidenteppich verkauft wäre, dann hatten sie sich bei einem hastigen Morgenmahl noch einmal alle Zahlen und die Bücher angesehen, waren zu dem Schluss gekommen, das alles rechtens und korrekt abgerechnet ist, und hier sind sie nun auf dem Weg zu Olyvar, um ihm das zu berichten, die genaue Summe zu nennen, die in der Schatzkammer sicher verwahrt auf ihre Verteilung harrt und ihm ganz allgemein... nun eben Bescheid zu sagen. Schließlich war er dabei und erhält seinen Anteil wie jeder andere auch. Wenn auch weniger Gold, schließlich hat er sich dieses Dings ausgenommen... dieses ... ach, was auch immer es gewesen ist. Mein Gedächtnis ist heute wie ein Sieb. Mit spitzen Fingern fühlt er unter seinem Wams nach, ob der Bericht, der akribisch auflistet, was von der Beute  von wem für wie viel an wen oder wohin verkauft wurde, um all diese Schätze zu Münzen zu machen, noch an seinem Platz ist und stellt zufrieden fest, dass er ihn auch eingesteckt hat. Pumquat hockt derweil auf seiner linken Schulter, pafft einen blauen Rauchring nach dem anderen aus seiner winzigen Meerschaumpfeife in die Morgenluft und grinst bis über beide Ohren. "Was hat dich denn so gut gelaunt werden lassen, eh?" Will er wissen, als er Olyvars Stimme vernimmt, die aus dem ummauerten Garten des Westflügels an seine Ohren dringt. Gerade eben waren die Zwillinge mit Koira  an ihnen vorbeigestürmt, hatten aber nicht  viel mehr als einen lachenden Morgengruß für ihn übrig gehabt.  Pumquat streckt sich genüsslich, rollt die kleinen Knubbelzehen – Rhordri hat den buntscheckigen Kobold noch nie, nicht einmal im tiefsten Winter – Schuhwerk tragen sehen ein und wieder aus und seufzt dann hingerissen irgendetwas von Distelfeen, das Rhordri gar nicht näher wissen will. "Schon gut, schon gut, behalt' es für dich!"

Sie finden Olyvar in Gesellschaft seines jüngsten Sohnes, seiner Frau und einer winzigen, dunkelblauen Fee im Garten beim Frühstück und Rhordri steigt der verlockende Duft  von Honig und Cofea in die Nase. Er begrüßt seinen Lord Commander wie immer wenn sie unter sich sind, nämlich mit einem ziemlich formlosen Nicken (schließlich hat er den Bengel praktisch aufgezogen) und lässt sich ohne Umschweife neben ihm auf die Holzbank fallen, lächelt Diantha kurz zu und küsst sie auf beide Wangen – wobei Pumquat von seiner Schulter auf den Tisch hüpft -, dann streckt er die Arme aus und Njáll wechselt von Olyvars Schoß auf seinen, nur um ihn wild zu umarmen und seinen Kopf mit der Wucht einer Kanonenkugel an Rhordris breite Schulter zu rammen. "Umpf, hallo mein kleiner Sonnenkäfer... ja, ich freue mich auch, dich zu seh...oh, uh. Hör auf, so zu strampeln! Diantha, was gibst du ihm zu essen? Ich schwöre dir, er ist in den letzten zwei Tagen schon wieder gewachsen! Ach ja, und ich soll dir von Morna ausrichten, dass sie die Kinder morgen nach dem Unterricht gleich abholt und mitnimmt, du weißt schon, es ist Nestas achter Namenstag. " "Auch will, auch will!" Tönt es prompt neben seinem rechten Ohr und Rhordri nickt. "Aber sicher, wenn deine Mutter es erlaubt, darfst du auch mit." Der Kobold verbeugt sich derweil formvollendet erst vor Diantha, dann vor Olyvar und schließlich auch noch in Richtung des kleinen Fremden und macht es sich schließlich auf dem Tisch bequem, wobei er den Milchkrug als Rückenlehne benutzt.  Rhrodri wirft der kleinen blauen Fee einen neugierigen Blick zu und begrüßt sie mit einem höflichen Nicken, als Diantha ihn als einen Bekannten namens Nachtfalter vorstellt. Der alte Kastellan ist an seltsame Gäste seines Lord Commanders gewöhnt. Es ist zwar nicht an der Tagesordnung, kommt aber oft genug vor, dass bei Olyvar Vampire,  Warge, Spitzohren, Kobolde, Elben, Zwerge, Gnome, Zentauren und selbst der ein oder andere Lindwurm ein und aus gehen, so dass ihn eine Fee, auch wenn sie noch so winzig ist, wirklich nicht aus dem Konzept bringt. "Seid gegrüßt, Nachtfalter." Er überlässt es Olyvars Frau, ihn selbst und den Kobold vorzustellen und wendet sich dann Olyvar.

"Es ist soweit, wir können die alte Truppe zusammentrommeln und ihnen ihre wohlverdiente Belohnung auszahlen. Vor drei Siebentagen hat Borgil den letzten azurianischen Teppich an einen Blurraenter Kaufmann verscherbelt und gestern kam das Gold. Zur Hälfte Allgemeinwährung, zur Hälfte Golddrachen, aber wir haben die Drachen bei drei Händlern wechseln können, so dass wir jetzt alles zusammenhaben.  Ist eine hübsche Summe geworden. Ich habe die Auflistung hier und alles ist in die Bücher eingetragen. Pumquat hier und ich selbst haben heute Morgen alles noch einmal geprüft, es ist in Ordnung." Er fummelt den eng beschriebenen Pergamenbogen hervor und überreicht ihn Olyvar mit einem erwartungsvollen Lächeln.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 25. Juni 2011, 12:28 Uhr
Zunächst wirkt der Feenmann so, als würde er sich nicht ganz wohl fühlen, die Erwähnung von Honig hat allerdings eine im höchsten Maße beruhigende Wirkung auf ihn, auch wenn die Abwesenheit der frechen Zwillinge sicherlich zusätzlich dazu beiträgt. Wie er so hingebungsvoll einen Krümel nach dem anderen in die golden glänzende Masse tunkt, erinnert er Diantha an Njáll, als der das erste Mal allein mit einem Löffel essen durfte.  Allerdings stellt sich Nachtfalter natürlich um Welten geschickter an, trotzdem ist seine Begeisterung sehr einnehmend. Von Nachtfalters Gedanken ahnt Diantha natürlich nichts, es hätte sie sicherlich gefreut zu hören, dass  sich die Fee das erste Mal seit langem wohl und sicher fühlt. Überraschend klingen Geräusche aus dem Westflügel zu ihnen, aber es sind sehr bekannte Stimmen, die da zu hören sind. Olyvar ruft Rhordri und Pumquat nach unten, wo sie freudig begrüßt werden, zum einen lautstark von Njáll, aber auch Diantha freut sich und erwidert Rhordris doppelten Wangenkuss freundlich. Mit einem breiten Grinsen beobachtet sie, wie Njáll sich kreischend auf den alten Kastellan stürzt und antwortet auf dessen Frage nur kurz: „Er isst, was wir alle essen und du hast recht, im Moment wächst er wie Unkraut, ständig passen ihm seine Sachen nicht mehr.“ Obwohl das recht harsch klingt, schwingt in ihrer Stimme eine Menge Zärtlichkeit mit. Natürlich ist es manchmal etwas ärgerlich, wenn eine Hose schon nach drei Wochen nicht mehr recht passen will, auf der anderen Seite ist es ihr lieber ein hochgewachsenes, kräftiges Kind zu haben, als ein kleines, ständig vor sich hin kränkelndes.

>„Ach ja, und ich soll dir von Morna ausrichten, dass sie die Kinder morgen nach dem Unterricht gleich abholt und mitnimmt, du weißt schon, es ist Nestas achter Namenstag"<, fährt Rhordri fort. Was würde ich nur ohne Morna machen... Das hätte ich sicherlich vergessen. Zugegeben, es ist bei Mornas Kinder- und Enkelschar nicht leicht, den Überblick zu behalten, aber gerade mit Nesta verstehen sich die Zwillinge sehr gut. Kaum ist das gesagt kräht es neben Rhordri schon: "Auch will, auch will!" >"Aber sicher, wenn deine Mutter es erlaubt, darfst du auch mit"<, antwortet Rhordri dem kleinen Kerl, der seine Mutter prompt mit großen, blauen Augen anschaut. „Wenn du bei Morna brav bist, dann darfst du mit, mein Herz. Wenn nicht, dann hol ich dich wieder ab, verstanden?“ Natürlich kann sich Morna auch gegen den kleinen Tunichtgut durchsetzen, aber wenn sie schon eine Geburtstagsgesellschaft am Hals hat, muss sie sich nicht noch mit einem kleinen Dickkopf beschäftigen. Rhordri winkt natürlich ab, das würde schon alles funktionieren, aber Njáll sieht, dass seine Mutter es ernst meint und nickt, dass seine blonden Locken fliegen.
Erst dann besinnt sich Diantha wieder auf ihre Rolle als Gastgeberin und stellt ihre Gäste einander vor: „Rhordri, Pumquat, das ist mein neuer Freund Nachtfalter, ihr werdet ihn wohl hin oder wieder hier sehen, nicht wahr Nachtfalter?“ Der Feenmann wird freundlich von Rhordri begrüßt, der Kobold ist derweil zu beschäftigt mit einem Stück Käse und nickt ihm nur zu. „Also das ist Rhordri“, erläutert Diantha mit einem Nicken zu dem bärbeißigen Mann in den Sechzigern, dessen narbenübersätes Gesicht mit der in Mitleidenschaft gezogenen Nase von den Jahren seines Soldatenlebens erzählen. „Er ist der Kastellan der Steinfaust, er kümmert sich ein bisschen um alles, vor allem wenn es um Gold geht. Außerdem sind er und seine Frau für meine Kinder so etwas wie Ersatzgroßeltern. Das hier“, dabei nickt sie dem bunt gescheckten Kobold mit den verschieden farbenen Augen zu, „ist Pumquat, Olyvars Skriptor und besonderer Vertrauter, außerdem ist er ein viel besserer Magier, als er es sich meist anmerken lässt.“ Der Kobold wirft ihr einen Blick zu, der so allerhand bedeutend könnte, während er die Aufmerksamkeit offensichtlich genießt. Sei nett zu Nachtfalter, denkt sie sich und ist sich recht sicher, dass der Kobold das aus ihrem Blick lesen kann, auch wenn er es sich nicht anmerken lässt.

Erst jetzt hört Diantha, dass Olyvar und Rhordri derweil zurück zum Thema der Auszahlung des Gewinns aus dem Quest zurückgekommen sind. Sie hat offensichtlich einen Teil des Gesprächs verpasst, aber die zwei wohl wichtigsten Sätze schnappt sie noch auf: >Ist eine hübsche Summe geworden. Ich habe die Auflistung hier und alles ist in die Bücher eingetragen. Pumquat hier und ich selbst haben heute Morgen alles noch einmal geprüft, es ist in Ordnung.< Olyvar nimmt den Pergamentbogen entgegen, den ihm Rhordri so erwartungsvoll unter die Nase hält und betrachtet die Auflistung. Mal wieder kann Diantha ihre Neugier nicht im Entferntesten unterdrücken und platzt hervor: „Und, was habt ihr jetzt vor? Wird die Gruppe jetzt in die Steinfaust zitiert um sich ihren Lohn abzuholen? Oder gibt es ein Fest? Oder ein Treffen in der Harfe? Und bekommen auch diejenigen etwas, die nicht bis zum Ende dabei waren? Also auch diese Shi... Shina... nein, Shin. Lady oder Mistress oder so hat sie sich glaub ich genannt?“ Nach der letzten Frage wird ihr bewusst, wie viel sie eigentlich gerade gebrabbelt hat und in ihrem Gesicht breitet sich eine feine Röte aus.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 29. Juni 2011, 08:20 Uhr
Während Diantha und der Neue einige Worte wechseln, genießt Nachtfalter weiterhin den Honig, als Dianthas Stimme nun aber die Neuankömmlinge und Nachtfalter einander vorstellt, horcht er auf: >Rhordri, Pumquat, das ist mein neuer Freund Nachtfalter, ihr werdet ihn wohl hin oder wieder hier sehen, nicht wahr Nachtfalter?<
Hat sie gerade wirklich Freund gesagt? Nachtfalter hat keine Freunde. Zumindest hatte er keine mehr, seit dieser bösen Hexe, Dämonin, Magierin, was auch immer. Er blinzelt kurz, ehe ihm aufgeht, dass Diantha auch noch eine Frage gestellt hat und er dann doch noch zu einer Antwort ansetzt: „Ja, ja. Natürlich. Sofern ich darf, würde ich gerne öfter hier vorbei schauen.“ Rhordri wirkt freundlich und so fällt es Nachtfalter ebenso leicht den alten Mann freundlich zurück zu grüßen.  Dann, nachdem Diantha ihm auch erklärt hat wer die Neuankömmlinge sind, wird Nachtfalter ganz warm. Arbeiten alle Freunde von Diantha in der steinernen Faust? Wenn dem so ist, so hätte er selbst vielleicht wirklich eine Chance. Aber ob diese gestandenen Männer einen Wicht wie ihn wirklich aufnehmen wollen würden? Nachtfalter vermutet eher nicht und beschließt tatsächlich irgendwann einmal mit Diantha darüber zu reden. Er ist sich zwar sicher, dass gerade seine winzige Größe auch von Nutzen sein könnte, aber ohne die Fähigkeit sich hin und wieder, wenn es brenzlig wird vergrößern zu können, würde er wohl kaum eine Hilfe sein. Vielleicht, wenn er das Problem verschweigen würde?

Aber was wenn sich alle auf ihn verlassen und er alleine aufgrund dieser Einschränkung jämmerlich versagen würde. Nein, auch das könnte er nicht riskieren, aber vermutlich war es ohnehin besser so, auch wenn ihm die Vorstellung ein Retter in der Not zu sein ganz und gar gefällt und er sich wirklich sicher ist in einer solchen Tätigkeit voll und ganz aufgehen zu können. Er wirft den Männern einen Blick zu und betrachtet dann den Kobold. Auch er ist nicht sonderlich groß, wenngleich doch deutlich größer als Nachtfalter selbst und doch gehört er der Truppe an, aber wie Diantha ihm gerade erklärt hat, handelt es sich um einen mächtigen Magier und schon fröstelt es dem kleinen Wicht wieder. Er mag Magie, Zauberei, Hexerei und okkulte Angelegenheiten überhaupt nicht. Die Frau, welche ihn lange gefangen hielt hat sich dieser Dinge bedient und vielmehr noch, sie diente dem Dunklen. Etwas, womit Nachtfalter gar nichts anfangen kann. Düstere Gedanken senken seine Stimmung wieder und immer wieder wirft er dem Kobold skeptische Blicke zu. Andererseits, war ja bekannt, das Kobolde die meisten Großen wegen ihrer Grausamkeiten nicht sonderlich mochten, also entweder dieser Kobold war grausam und lebt deshalb hier mit den Großen beisammen oder, was wie Nachtfalter wahrscheinlicher fand, die Großen hier sind alle irgendwie anders. Was gleichzeitig aber auch heißt, dass der Kobold, so mächtig seine Magie auch sein mag, vermutlich nichts Böses im Schilde führt.

Nachtfalter ärgert sich über sein eigenes viel zu misstrauisches Verhalten. Wer sollte seine Skepsis schon verstehen? Er würde wirklich mit Diantha alleine reden müssen, auch um vieles über die Gepflogenheiten in der Stadt in Erfahrung zu bringen.  Andererseits, diese Neuankömmlinge können doch nicht wirklich eine Gefahr darstellen. Diantha zumindest, hätte ihn sicher gewarnt und bestimmt würde sie auch nicht zulassen, dass sie ihm etwas tun. Dann kommt ihm ein noch besserer Gedanke: Sie vertraut ihnen sogar ihre Kinder an, DAS würde sie wahrhaft nicht machen, wenn der Kastellan und sein Kobold gefährlich wären!

Und vielleicht konnte der Kobold gar den Fluch aufheben oder wüsste was Nachtfalter helfen könnte. Der kleine Feenmann wird innerlich ganz aufgeregt, doch weiß er nicht genau wie er mehr darüber in Erfahrung bringen soll. Schon will Nachtfalter dazu ansetzen, sich zumindest über die Stadt zu erkundigen, denn das könnte er ja gewiss auch in Erfahrung bringen, wenn mehr Leute anwesend waren, als das Thema wieder jäh zu irgendeiner Bezahlung zurückkommt. Und so schweigt Nachtfalter, der das durchaus wichtig klingende Gespräch nicht stören mag. Die Bezahlung scheint gut auszufallen, für wen auch immer. Die Frage ob einer Shina Shin Mistress ebenfalls ein Anteil zusteht, wird gestellt und auch wenn Nachtfalter diese Shina nicht kennt, ist er offen interessiert. Weniger an dieser Person, als vielmehr an der Tatsache an sich, dass Lord Olyver der Steinfaust und Commander von  Tarascon erzählt hatte, dass die Beute von einer Jagd auf einen Finsteren stammt und von einem Felsenkeller war die Rede. Nachtfalter , der noch immer kaum etwas über diesen Ort weiß, ist gespannt ob er auf diesem Wege mehr erfahren kann. Finstere zumindest, wie jene Frau eine war, welche ihm so schreckliche Dinge angetan hat, scheinen hier gejagt zu werden und nicht nur von den Menschen der steinernen Faust, nein auch von anderen Menschen, welche dafür sogar bezahlt werden.

Diese Stadt scheint wahrhaft sicherer zu sein als alles andere sonst. Nachtfalter lauscht dem Gespräch weiter stillschweigend und erst nachdem das Thema um diese Beute, Felsenverließe, Helfer und Finstere wieder beendet ist und sich die Gesellschaft alltäglicheren Themen zuwendet, wagt sich Nachtfalter das Wort zu ergreifen. „Ich bin noch sehr neu in der Stadt, aber vielleicht könntet ihr mir ein wenig erzählen?“ bittet er freundlich. „Es ist so, dass ich vieles gehört habe…“ vor allem, dass es hier alle möglichen Arten von Wesen gibt und wenn jemand den Fluch aufheben kann, dann hier. Zumindest ist das alles was ich bisher in Erfahrung bringen konnte… „… und nun, ich habe hier schon viel erlebt. Diantha war so freundlich mich hierher einzuladen…“ nachdem sie mich beinahe todgetrampelt hat, aber gut, dass muss ich ja nicht erwähnen, wo sie danach sooo nett war. „… und ich hätte nie zu träumen gewagt, dass man sich umgeben von steinernen Mauern so wohl und sicher fühlen kann.“ Die Idee, dass dieser Ort gerade wegen der Mauern so sicher ist, kommt dem kleinen Feenmann gar nicht erst. Für ihn ist es eindeutig ein Obwohl, denn umgeben von Stein ist man eingeengt und stets in Gefahr. „Ich würde gerne länger hier bleiben,  aber würde ich einfach gerne vorher mehr über den Ort und seine Gepflogenheiten erfahren.“ Damit ich mir hier bloß keinen Ärger einfange und noch Schlimmeres passiert.  Irgendwie muss es an diesem Ort doch einen bitterbösen Haken geben…

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 08. Juli 2011, 14:12 Uhr
Rhordri, ohnehin abergläubisch und ein großer Bewunderer der kleinen Völker, lächelt den kleinen Feenmann breit und freundlich an, doch Pumquat wirft Diantha einen langen, unmissverständlichen Blick zu, als sie den Kobold so ungeniert als "viel besseren Magier, als er sich anmerken ließe" vorstellt. Im Allgemeinen geht er damit nicht hausieren und Olyvar hat ihn zwar nie nach den Gründen für seine Geheimniskrämerei gefragt, aber er ist sich sehr sicher, dass Pumquat berechtigtes Interesse daran haben wird, genau das eben nicht jedem auf die Nase zu binden. Olyvar sieht von seinem Skriptor zu seiner Frau und wieder zurück, doch während Diantha vollkommen arglos weiter plaudert, versteinert Pumquats Miene sichtlich. Der buntgefleckte Kobold ringt sich ein höfliches Nicken in Nachtfalters Richtung ab und verbirgt sich dann erbost hinter einer ganzen Wolke blauer Pfeifenrauchringe. Olyvar unterdrückt ein Grinsen und überfliegt derweil das Pergament, das Rhordri ihm reicht und seine Augen wandern ganz von selbst als erstes zu der Summe, die ganz unten am Ende der fein säuberlichen Aufstellung aller Beutestücke samt der Preise, die ihr Erlös erzielt hatte, steht. Angesichts ihrer Höhe weiten sich seine Augen ein wenig und er pfeift leise durch die Zähne. Er hatte ja gewusst, dass sie reiche Beute in den Kellern des Nekromanten gemacht hatten, aber dass es so viel werden würde, damit hatte er dann doch nicht gerechnet. Olyvar hebt Kopf und Blick, um kurz seinen Kastellan anzusehen, der angesichts seiner Überraschung in ein breites Grinsen ausgebrochen ist und liest sich Pumquats und Rhordris Listen dann genauer durch. Akribisch sind Gemälde, Bücher, Teppiche, Weine und Branntweine, Zedernholztruhen mit Gewändern und Roben, Edelsteine, Perlen, Geschmeide, Stoffe, Schmuck und allerlei sonstige edle Geschmeide, alchemistische Ingredienzien, kostbare Heilkräuter- und Steine, Pelze, seltene Gegenstände wie das Horn aus einem Lindwurmzahn, Geldkatzen samt ihrem Inhalt, Waffen und Rüstungen, Amulette, Einrichtungsgegenstände, Geschirr, Zierrat, große und kleine Schatztruhen voller Silber, Spiegel und allerlei andere Kostbarkeiten und Kleinode aufgeführt, deren Erlös eine Gesamtsumme von dreihundertachtundzwanzig Goldstücken und achtunddreißig Silberlingen eingebracht hat. Himmel, das ist wirklich eine Menge... Doch noch ehe er irgendetwas dazu sagen kann, kommt Diantha ihm zuvor >Und, was habt ihr jetzt vor? Wird die Gruppe jetzt in die Steinfaust zitiert um sich ihren Lohn abzuholen?< Olyvar hebt erstaunt eine Braue. Diantha ist immer interessiert und auch durchaus neugierig, aber normalerweise wesentlich beherrschter und schießt nicht gleich Fragen im Dutzend auf ein ab. >Oder gibt es ein Fest? Oder ein Treffen in der Harfe? Und bekommen auch diejenigen etwas, die nicht bis zum Ende dabei waren? Also auch diese Shi... Shina... nein, Shin. Lady oder Mistress oder so hat sie sich glaub ich genannt?<

Olyvars Mundwinkel zucken. "Wenn du mich zu Wort kommen lassen würdest, Conasg, könnte ich dir Antwort geben." Sie ist schon ein wenig rosa um die Nase, nun beginnen auch noch ihre Wangen zu glühen. "Ich denke, es ist besser, wir geben an alle Nachricht, dass sie in die Steinfaust kommen sollen, um sich ihre Belohnung abzuholen. Es ist sicherer so. Die Jagd nach diesem elenden Finsteren und ihr Ausgang waren bitter genug, ich glaube nicht, dass irgendjemandem deswegen nach einer Feier zumute ist. Und was die angeht, die nicht bis zum Ende durchgehalten haben..." er zuckt mit den Schultern. "Nun, wir teilen wohl einen Anteil unter ihnen auf... also unter Frey und Kaney und dieser Lady wer? Ach ja... Shin, das war diese Magierin, oder? Mit den weißschwarzen Haaren." Rhordri nickt geduldig und wirft ein, Lady Shin wäre doch wegen dieser Armenspeisung bei ihm gewesen, er wisse schon.  "Ach die." Olyvar erinnert sich an die Frau, er hatte sie auf Aurians Blumenball gesehen, gestreift wie ein Quagga. "Ich weiß nur noch, dass ihre arme Eule fast von Ballabars Raben aufgefressen wurde, als sie verletzt im Branturm lag. Aber ich erinnere mich. Neuerdings hat sie ja ihr Herz für die Witwen und Waisen entdeckt. Vielleicht verwendet sie es gleich für ihre Suppenküche im Fliegengrund. Rhordri, Pumquat, veranlasst alles Weitere, aye? Die Botschaften gehen heraus, sobald Tiuri aus Sûrmera zurück ist, er sollte im Sonnenthron wieder hier sein." Sie plaudern noch über die eine oder andere Einzelheit, dann bekommen die Tischgespräche wieder unverfänglicheren Charakter und drehen sich um die neuen Rekruten, das Wetter, die Stimmung in der Stadt und so fort. Allmählich beginnt sogar Nachtfalter, sich an den Unterhaltungen zu beteiligen und wirkt zwar noch ein wenig argwöhnisch, aber auch sehr interessiert und lauscht jedem Wort. >Ich bin noch sehr neu in der Stadt, aber vielleicht könntet ihr mir ein wenig erzählen?< Wagt er irgendwann zu fragen und meint damit wohl Talyra an sich. >Es ist so, dass ich vieles gehört habe… und nun, ich habe hier schon viel erlebt. Diantha war so freundlich mich hierher einzuladen... und ich hätte nie zu träumen gewagt, dass man sich umgeben von steinernen Mauern so wohl und sicher fühlen kann. Ich würde gerne länger hier bleiben, aber würde ich einfach gerne vorher mehr über den Ort und seine Gepflogenheiten erfahren.<

"Mit "diesem Ort" meint Ihr da Talyra oder die Steinfaust selbst?" Erkundigt sich Olyvar und schenkt sich noch einmal Cofea nach. Pumquat hat inzwischen aufgehört zu schmollen und mustert den wirklich sehr kleinen Feenmann neugierig aus ungleichen Augen. Die Frage danach, warum er so winzig ist, brennt dem Kobold wohl schon auf der Zunge (die übrigens ebenfalls zweifarbig ist, nämlich blau und grün), aber er hält sich zurück. "Und wenn Ihr Talyra meint, was genau habt Ihr denn gehört?"

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 09. Juli 2011, 20:25 Uhr
Zrizlizirpzirzz weiß nicht, was er davon halten soll, dass der Riese von einem Mann, welcher sich Kastellan der Steinfaust schimpft, ihm freundlich zulächelt. Es ist nicht ausschließlich die Größe des Mannes, welche ohnehin noch kleiner ist als die von Dianthas Gemahl selbst, welche den kleinen Feenmann ein wenig verunsichert. Vielmehr ist es die offene Freundlichkeit, die er absolut nicht verstehen kann. Große sind fies und gemein und wenn sie überhaupt etwas von Feen wollen, dann ihren kostbaren Staub, was dummer Weise den Tod einer Fee voraussetzt. Oder aber sie waren wie diese… diese Hexe… und führten weit schlimmeres im Schilde. Da es sich bei dem Kastellan aber offensichtlich um einen Freund Dianthas handelt, kann Zrizlizirpzirzz sich eigentlich nicht vorstellen, das er wirklich gefährlich für ihn ist und so müssen sowohl Olyvar als auch Rhordri  schon in Ordnung sein. Was Nachtfalter von Pumquat allerdings nicht gerade denkt. Die Gefühle, welche der Kobold aussendet, waren anfangs arg verärgert und auch wenn Nachtfalter sich sicher ist, dass der Ärger seinen Ursprung in Dianthas Aussage, dass er ein so guter Magier sei, findet, macht es den Kobold in seinen Augen nicht gerade zu einem Freund. Zrizlizirpzirzz mag keine Magier, keine Hexen, ja nicht einmal Druiden, Schamanen oder Priester. Ihm ist es gleich auf was sich die Magie bezieht, welche jemand nutzt. Es ist einfach so, dass jede Art von Magie, selbst wenn es göttliche ist, ihn an den Fluch der auf ihm lastet erinnert. Zrizlizirpzirzz weiß nicht, ob es wirklich ein Fluch ist, aber in seinen Augen ist es der schlimmste Fluch von allen dauerhaft so winzig sein zu müssen und daher verurteilt er alles und jeden, welcher Magie nutzt. Selbstredend weiß er, dass er eigentlich immun gegen Magie ist und diese ihm nichts anhaben kann… Nichts anhaben können sollte. Aber was auch immer diese Hexe mit ihm angestellt hat, ob es Magie oder sonst was war, es war leider ausgesprochen erfolgreich und daher ist sich Zrizlizirpzirzz seiner Magieresistenz auch nicht 100%ig sicher und so verursacht der Kobold, welcher sich inzwischen beruhigt hat und nichts anderes mehr als offene Neugier und Interesse ausstrahlt, durchaus mit Vorsicht zu genießen.

Nekromanten sind auch eine Art Magier und so wie es sich anhörte, wurde der Nekromant gejagt, war hier also unerwünscht, zumindest das beruhigt Nachtfalter wieder, welcher viel zu wenig über die hiesigen Gepflogenheiten weiß. Als das Gespräch sich um die neuen Rekruten dreht, spitzt Nachtfalter seine Ohren ganz besonders, denn auch wenn es eher ein Traum vieler Knaben sein mag, so träumt auch Nachtfalter davon ein großer Ritter zu werden, welcher sein Geschick und seine Fähigkeiten nutzt um die Welt und ihre Bewohner vor Schrecken zu schützen. Aber als die Rekruten näher erwähnt werden, geht es insbesondere darum, wie groß und kräftig sie doch seien oder wie geschickt sich der eine oder andere bereits mit Breitschwert, Zweihänder oder sonstiger Waffe anstellt und Nachtfalter verliert die Hoffnung. Dank seines Fluches wird er nie groß und kräftig sein. Er wird nie einen Zweihänder schwingen, zugegeben das würde seine Statur auch in menschlicher Größe nicht zulassen, noch ein Breitschwert, eine Streitaxt oder sonst eine dieser imposanten Waffen. Er ist schnell, gewandt, geschickt und vor allem ein Fechtkünstler, welcher mit blitzartigen Ausweichmanövern und Attacken, seine Gegner bezwingen könnte, wenn er nur nicht so klein wäre, dass er außer einer langen und vor allem spitzen Nähnadel, eine richtige Waffe führen könnte. Das Thema mag er nicht und als sich die Gelegenheit bietet lenkt er das Gesprächsthema auf die Stadt an sich, in welcher er nun zu leben gedenkt und erkundigt sich nach den Gepflogenheiten dieser Lande.

>Mit "diesem Ort" meint Ihr da Talyra oder die Steinfaust selbst?< fragt Olyvar nach und Zrizlizirpzirzz, der eigentlich den Ort als Ganzen meinte, überlegt ob es nicht sinnvoller wäre mehr über die steinerne Faust in Erfahrung zu bringen. Immerhin würde er hier öfter herkommen, denn Diantha wohnt hier und hat es ihm obendrein noch angeboten. Andererseits war er aus einem ganz bestimmten Grund hierhergekommen. Es hieß, dass egal wonach man suche, wenn man es in Talyra nicht finden würde, dann fände man es nirgends. Diese Ort sollte sagenumwoben groß sein und Händler aus aller Länder sollten hier ihre Waren preisbieten. Es würden hier Wesen in solch fassettenreicher Vielfalt leben, wie nirgendwo anders auf Rohas Rund und so verschlug es Nachtfalter hierher um eine Möglichkeit zu suchen, seinen Fluch zu lösen. Doch wie sollte er es anstellen? Offen heraus fragen, wer so etwas könnte, erscheint ihm nicht nur plump und unhöflich direkt, auch ist es ihm unangenehm, sein großes Problem preiszugeben, immerhin könnte es ihn auch in manche Gefahr bringen, wenn ein jeder seine Schwachstelle kennt. Zrizlizirpzirzz geht nicht davon aus, dass Diantha irgendetwas ahnt, obgleich er sich normalerweise hätte vergrößern müssen, um die Katze zu verjagen und sein Stück Stoff selbst zu retten, hätte es ebenso gut sein können, dass er sich an jenem Tag, welcher wohl der Gestrige war, bereits einmal vergrößert hatte. Feen können dies nur einmal am Tage und so wäre auch erklärt, warum er eben dies nicht machen konnte, ohne dass jemand gleich von dem Dilemma in dem er steckt, ahnt.

>Und wenn Ihr Talyra meint, was genau habt Ihr denn gehört?< fragt Olyvar weiter, nachdem der kleine Feenmann ihm noch immer eine Antwort schuldig bleibt.
Wie unhöflich von mir.
Eilig unterbricht Nachtfalter sein Schweigen und sagt: „Ich meine Talyra, den Ort an sich.“ Dass man Ort, eher für kleine Örtlichkeiten und nicht für eine solch gigantische Stadt benutzt, ist Zrizlizirpzirzz nicht bewusst. Erst als Diantha grinsen muss, als er Talyra als Ort bezeichnet, runzelt er die Stirn und fährt dann unbeirrt fort: „Ich habe gehört, dass dieser Ort der Größte auf Rohas Rund sei. In den anderen Landen heißt es, dass wenn man etwas suche und es hier nicht fände, würde man es wohl nirgends finden, weil alle Händler und Völker hier vertreten sein. Viele Bücher soll es hier geben, alte Bücher mit klugen Worten. Es heißt, dass hier jeder willkommen sei, gleich welcher Abstammung, sofern er sich nur an die hiesigen Regeln hält. Und da fängt mein Dilemma an… Ich kenne die hiesigen Regeln ja nicht einmal. Ich habe gehört, dass ein Nekromant gejagt wurde. Also scheint das verboten. Aber hier sitzt ein angeblich mächtiger Magier…“ Nachtfalter wirft Pumquat einen vorsichtigen Seitenblick zu und hofft den Zorn des Kobolds, Gnoms, Wicht oder was auch immer, nicht auf sich zu ziehen, als er fortfährt: „also ist Magie wohl erlaubt.“ Wo liegen die Grenzen? Ich meine… mich interessiert halt, was ich richtig machen muss und was ich nicht falsch machen darf, um hier leben zu können!“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 23. Juli 2011, 13:51 Uhr
Vielleicht war der Kommentar über Pumquat nicht so sinnvoll, jedenfalls schmollt der Kobold eine Weile vor sich hin, sodass es Diantha schon ein wenig Leid tut. Da sie aber nicht mehr zurücknehmen kann, was sie gesagt hat, hört sie stattdessen Olyvar aufmerksam zu, der – als sie ihn endlich zu Wort kommen lässt – erklärt, wie die Schatzverteilung vonstattengehen wird. Dass die Lady Shin sich um Witwen und Waisen kümmert, hatte Diantha schon irgendwann einmal gehört, aber nicht recht glauben können. Da muss ich ja glatt irgendwann einmal vorbei schauen…, nimmt sie sich insgeheim vor, denn so recht vorstellen kann sie sich das nicht. Hieß es nicht, sie habe beim Blumenball mit Schmuck um sich geworfen? Das passt ja so gar nicht zusammen. Persönlich mit ihr zu tun hatte Diantha noch nicht, aber so viele Gerüchte wie es über diese Frau gibt, kann sie mindestens nicht langweilig sein, aber vermutlich auch nicht die freundlichste Zeitgenossin. Dem folgenden Geplauder über Rekruten und Neuigkeiten aus der Stadt hört sie nur mit einem Ohr zu, über den Großteil weiß sie schon Bescheid, allerdings hat sie außerdem noch davon gehört, dass der Rekrut mit den rotblonden Locken ein Auge auf Dara geworfen hat, eine der jüngsten Mägde von Radegund. Die hat gar nicht dagegen, das einzige Problem ist nur, dass er immer knallrot anläuft, wenn er versucht sie anzusprechen und es dann sein lässt. Na, er wird schon noch lernen seinen Mann zu stehen, denkt sich Diantha. Vielleicht könnte man ihm ja ein wenig helfen, aber erst mal abwarten, vielleicht würde ihm ja einer seiner Kameraden einen Tritt in den Allerwertesten geben.

Die Immerfrosterin horcht erst wieder auf, als Nachtfalter sich in das Gespräch einklinkt und bitten, dass ihm etwas über Talyra erzählt wird. Als Olyvar nachhakt, was genau er den wisse, berichtet er ein paar sehr allgemeine Dinge, doch es scheint so, als habe ihn Diantha kurz nach seiner Ankunft getroffen, denn persönliche Erfahrungen sind nicht dabei. Schließlich kommt er zu seinem eigentlichen Problem: >„ Ich kenne die hiesigen Regeln ja nicht einmal. Ich habe gehört, dass ein Nekromant gejagt wurde. Also scheint das verboten. Aber hier sitzt ein angeblich mächtiger Magier…“< Bei den letzten Worten wirft er Pumquat einem so furchtsamen Blick zu, dass man meinen könnte, er erwarten jeden Moment aufgefressen zu werden. Das ist ja ungewöhnlich – eine Fee, die Angst vor Magie hat. Ob daran wohl ein schlechtes Erlebnis Schuld ist? Vielleicht hat es ja einen Grund, dass seine Vergrößerungsmagie nicht funktioniert?  Nachtfalter fährt fort: >„also ist Magie wohl erlaubt. Wo liegen die Grenzen? Ich meine… mich interessiert halt, was ich richtig machen muss und was ich nicht falsch machen darf, um hier leben zu können!“< Nach einem Moment des Überlegens beginnt Diantha zu erzählen. Sie berichtet von den Regeln, die die Anwohner der Stadt beachten müssen, von den Gesetzen und Steuern. Dabei helfen Rhordri und Olyvar ihr, wann immer sie eine Frage des neugierigen Feenmannes nicht recht beantworten kann. Der will noch einiges über Anstellungsmöglichkeiten wissen und auch ganz allgemeine Dinge des alltäglichen Lebens interessieren ihn.

Nachtfalter scheint alle Neuigkeiten wie ein Schwamm aufzusaugen und ist in seinem regen Interesse kaum zu übertreffen. Er stellt auch einige Fragen zu Themen, die Diantha so selbstverständlich erscheinen, dass sie nahelegen, dass Nachtfalter noch nicht unter Menschen oder zumindest nicht in einer größeren Ortschaft gewohnt haben kann. So will er auch etwas über Feste wissen, die nach Dianthas Wissen in den ganzen Immerlanden gefeiert werden und der Wert von Geld scheint ihm schwer verständlich. Die Immerfrosterin gibt sich alle Mühe, möglichst präzise und verständlich zu sein, allerdings hat sie bei manchen Themen das Gefühl, dass man sie erst wirklich verinnerlichen kann, wenn man sie selbst erlebt hat. Am besten nehme ich ihn mal mit auf den Markt, dann kann er vielleicht besser nachvollziehen, was wie viel Geld wert ist und warum es fast immer sinnvoll ist, zu handeln.< Als Nachtfalter jedoch wieder eine Frage zum Thema Magie stellt, muss sie gestehen: „Um ehrlich zu sein, ist das nicht so mein Fachgebiet.“ Sie erzählt kurz von den Heilern, weil sie da dank Mealla etwas mehr Ahnung hat, also von der Ausbildung die sie genießen und dem Schwur, den die Heiler ablegen müssen. „Auch die Magier sind jahrelang auf der Akademie und sie kontrollieren sich untereinander, damit nicht einer plötzlich den Verstand verliert und anderen Schaden zufügt, aber wie genau das funktioniert weiß ich nicht genau. Kann einer von euch weiterhelfen?“, fragt sie in die Runde. Sie wirft Pumquat einen fragenden Blick zu und hofft, den Kobold nicht allzu sehr verärgert zu haben. Nachher werde ich mich wohl noch entschuldigen müssen…



Wer Fehler findet darf sie behalten oder nächste Woche meine fünf Klausuren schreiben.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 27. Juli 2011, 14:34 Uhr
Diantha versucht redlich, dem Feenmann einen kleinen Überblick über die Gesetze des Zusammenlebens der Menschen, die geschriebenen wie die ungeschriebenen, zu verschaffen, doch es wird schnell klar, dass das ein viel zu weites Feld ist, um es in ein paar einfache, klar verständliche Sätze zu fassen oder auch nur in einer einzigen Erklärung unterzubringen. Spätestens, als sie bei der Magie angelangt ist, weiß Diantha beim besten Willen nicht mehr weiter. Und Olyvar hat auch keine Ahnung, wie er jemandem, dem die Menschen so unvertraut sind, wie Nachtfalter, etwas erklären soll, dass die meisten schon von Kindesbeinen an mitbekommen, auch wenn sie sich mit den genauen Wortlauten und Regelungen von Cobrins Recht, dem alten Imperialen Gesetz, dass sowohl in Talyra, wie in den meisten Ländern, die einst zum Imperium von Ûr gehört hatten, nach wie vor gilt, nicht auskennen. Dafür gibt es Advokaten... "Das mit den Magiern ist ein wenig kompliziert. Es gibt Magier und es gibt Hexer. Hexer sind all jene, die zwar magische Begabung in sich tragen, aber nie auf einer Magieschule waren und weder die Regeln der Magier gelernt haben, noch ihre Kräfte richtig einzusetzen und zu kontrollieren wissen. Hexer sind nicht unbedingt überall gern gesehen, denn sie sind unberechenbar und können mit ihren Zaubern viel Schaden anrichten, ohne das zu wollen. Sie haben ihre Magie sehr oft nicht unter Kontrolle. Ein Nekromant dagegen ist kein Magier. Er hat keine magische Begabung, sondern ist ein Priester des Dunklen und seiner Archonen.

Magier besitzen dank ihrer Gabe sehr viel Macht, manche mehr, manche weniger. Damit man sie nicht grundlos fürchtet und sie sich in der Gesellschaft bewegen und unter anderen Menschen geachtet leben können, unterwerfen sie sich den Gesetzen des Hohen Rats der Magier. Sehr vereinfacht ausgedrückt besagen diese Gesetze hauptsächlich, dass sie ihre Magie nicht zu niederen Zwecken anwenden dürfen. Sie sollen niemandem grundlos Schaden zufügen, niemanden quälen und dürfen keine willkürliche Zerstörung über die Maßen anrichten. Und sie müssen lernen, die Magie zu kontrollieren. Ähnliche Gesetze gelten auch für die Krieger oder andere, die mit Waffen kämpfen, die nicht von magischen Naturen sind. Das gleiche gilt im Prinzip auch für Runenwirker und Priester, auch wenn ihre Macht von den Göttern kommt und ihre Gesetze ein wenig anders sind. Natürlich gibt es überall schwarze Schafe, die glauben, sie könnten sich über die Gesetze stellen und nur nach ihren eigenen Regeln oder nach überhaupt keinen leben... einfach weil sie so arrogant oder böse sind, oder der Meinung, ihre Macht verleihe ihnen jedes Recht, das sie sich gerade einbilden. Solche Wesen, welcher Art auch immer, werden gesucht und für ihre Verbrechen bestraft... von der Obrigkeit, dem Rat der Magier, dem Stadtrat wie hier in Talyra, den Königen oder Fürsten der Länder. Hier in Talyra gibt es die Stadtgarde, damit der Rat die Gesetze notfalls auch durchsetzen kann. Denn wenn viele Menschen oder andere Wesen auf engem Raum zusammenleben, funktioniert das nur, wenn man allgemeinen Frieden einhält und sich bemüht, miteinander auszukommen.

Damit alle wissen, was erlaubt ist und was nicht, gibt es die Gesetze. So wie in jedem Feenkobel auch. " Olyvar kann sich nicht vorstellen, dass ganz elementare Grundregeln bei Feen nicht gelten, so etwas wie Du sollst nicht morden, du sollst nicht grundlos töten, außer zur Verteidigung deiner selbst und der deinen, du sollst die Finsternis nicht ehren, du sollst nicht stehlen,  du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten und derlei Dinge. "Magie ist also grundsätzlich zwar erlaubt, hier in Talyra und auch in den meisten anderen Ländern der Menschen, aber sie unterliegt gewissen Regeln und Geboten. Nekromanten allerdings werden nirgendwo geduldet. Sie huldigen der Finsternis und ihre Macht ist Blasphemie an den Göttern. Was Talyra angeht... in dieser Stadt gilt Cobrins Recht. Es besagt in etwa, dass vor den Göttern und der Obrigkeit alle Menschen – oder anderen Wesen – gleich sind und auch so behandelt werden sollen. Es ist verboten zu morden, zu stehlen, zu verleumden und Unfrieden zu stiften. Es ist geboten die Götter zu ehren, die Familie zu achten, Eide zu halten, Lehnstreue zu vergelten und freigiebig gegenüber Bedürftigen zu sein." Olyvar muss fast ein wenig schmunzeln über den auf das absolute Minimum reduzierten Grobüberblick, den er Nachtfalter zu verschaffen versucht. Dann aber fällt ihm etwas ein, das dem kleinen Feenmann vielleicht dauerhaft etwas von seiner Nervosität und Unsicherheit nehmen könnte. "Das Gastrecht ist im Übrigen heilig und unverbrüchlich. Wer unter einem fremden Dach einkehrt und sich dort nichts zu Schulden kommen lässt, sondern das Brot und das Salz seines Gastgebers isst, der ist unter diesem Dach sicher und ihm darf nichts geschehen."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Rhordri am 01. Aug. 2011, 21:34 Uhr
Rhordri schwirrt bald der Kopf vor lauter Gesetzen, die sie alle versuchen, dem Feenmann zu erklären – und die Lage damit wahrscheinlich noch viel komplizierter machen. Aber immerhin können Diantha und Olyvar ihm die nötigen Grundlagen wohl vermitteln und Rhordri kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich die wichtigsten Gesetzen von Feen und Menschen derart unterscheiden, dass Nachtfalter nicht wüsste, was man ganz elementar darf und was nicht. Morden, rauben, stehlen, ehebrechen, lügen, verleumden... ich glaube, diese Dinge sind unter allen halbwegs zivilisierten Völkern gleichermaßen verboten... zumindest, was das Zusammenleben in der Gemeinschaft angeht. Wie auch immer, er hat einen ganzen Packen Arbeit und außerdem einen Auftrag seines Lord Commanders, den er bald erledigt wissen will, die jährliche Frühjahrsinventur erwartet ihn mit einem götterlosen Rattenschwanz an Papierkrieg obendrein und da ist ja noch der Namenstag. Sobald sich ihm die Gelegenheit bietet, verabschiedet er sich also, Pumquat im Schlepptau (das heißt auf seiner Schulter, denn der Koboldmagier hat es gern bequem und verzichtet aus irgendwelchen Gründen auf den Hokuspokus mit der grünen Wolke und dem Verschwinden). "Ich schicke die Botschaften an die ahm... Nekromantenjäger dann im Sonnenthron fort, aye.  Diantha, wir sehen uns dann. Nachtfalter, gehabt Euch wohl."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 02. Aug. 2011, 03:24 Uhr
Nachtfalter ist zum ersten Mal nicht mehr aufgeregt sondern wird immer ruhiger. Denn der Verlauf des Gesprächs beruhigt ihn ungemein. Diantha erklärt ihm alles zu den Gesetzen und der kleine Feenmann ist wirklich sichtlich erleichtert, als er hört, dass man hier niemandem Unrecht tun darf. Selbstredend, Unrecht passiert trotzdem. Aber die Stadtgarde schützt die Bewohner Talyras davor und sorgt dafür, das Unrecht bestraft wird. Für den kleinen Feenmann ein absoluter Traum. Denn das heißt, er ist hier sicher und wenn er sogar hier bei Diantha sooo nah an der Stadtwache leben könnte, dann wäre er sogar noch sicherer, weil er genau bei denen leben könnte, die dafür Sorge tragen, dass das Gesetz auch eingehalten wird. Der Wunsch ein Teil dieser Stadtgarde zu sein und solch Unrecht wie es ihm widerfahren ist, zu verhindern wird nun noch dringlicher. Er verspürt ein absolutes Muss, Teil dieser tollen Idee von Recht und Ordnung zu werden.

Er hatte sich nie um die Belange der Großen und ihre Gesetz geschert. Er wollte immer nur seine Ruhe und Frieden. Doch beides war ihm nie vergönnt. Auch wenn er noch so klein war und sich nicht daran erinnern kann, wie sein Kobel zerstört und seine Verwandtschaft getötet wurde und er von den wenigen Überlebenden während der Flucht getrennt wurde, so haben ihm seine Eltern, die ihn in Sicherheit brachten doch später davon erzählt. Sie haben ihm erklärt, dass manche Großen hinter Feenstaub her sein. Das alleine und die aufgrund der Erlebnisse sehr ausgeprägte Vorsicht seiner Eltern, haben ihn schon früh auf Mistrauen geprägt. Aufgrund der gefährlichen Welt, beschlossen seine Eltern in die Elbenlande zu ziehen. Einer seiner Elternteile, Nachtfalter weiß nicht mehr, ob es seine Mutter oder sein Vater war, stammen ursprünglich von dort. Es sei dort sicherer.  Ob seine Eltern diesen Frieden fanden, weiß er ebenso wenig, wie ob sie überhaupt noch leben. Er selbst fand diesen Frieden nicht. Mit einem Netz wurde er gefangen. Er war noch ein Kind als es geschah und er hatte sich im Spiel ob seiner Neugier viel zu weit von seinen Eltern entfernt, als dass er sie hätte um Hilfe rufen können. Ungern erinnert er sich an die Zeit danach. Den kleinen Käfig, welcher ihm nicht einmal ermöglichte seine Flügel auszubreiten und an den Schrecken den all das mit ihm verursacht hat. Es waren Große gewesen und seine Eltern hatten ihn immer vor den Großen gewarnt. Und so sollte er am eigenen Leib erfahren zu was Große fähig sind. Später als er entkommen konnte, da lebte er sehr zurückgezogen und in purer Angst vor allen Großen und Fremden, bis er in die Elbenlande kam und nach und nach wieder ein wenig Vertrauen aufbaute. ER suchte seine Familie, doch fand er nirgends auch nur eine Spur oder den kleinsten Hinweis und wenn man bedenkt, wie weit er folg um sie zu finden, war es auch kein Wunder, denn diese Welt erschien dem Kleinen so unendlich groß… Viel zu groß, als das man hier zwei Feen wiederfinden könnte.
Er blieb dort trotzdem lange, denn der Frieden tat ihm eine ganze Zeit gut. Aber leider nutzte ihm auf lange Sicht all der Frieden nicht. Er war schlichtweg zu klein, um eine Gefährtin zu finden und so blieb er am Ende doch immer alleine. Daher liegt es nur nahe, dass er wieder weiterzog um eine Lösung für sein Problem zu finden und so verschlug es ihn hierher. Denn ein jeder erzählte ihm, dass Talyra der Ort sei, an dem man wirklich alles finden kann. Er hatte Angst vor diesem riesigen Ort und vor den Menschen, vor allem vor den Menschen. Aber am Ende war der Wunsch, sein Problem loszuwerden einfach größer und nun ist er unendlich dankbar, dass er so schnell nach seiner Ankunft Diantha über den Weg lief und nun hier am sichersten Ort der Welt mit ihr am Frühstückstisch sitzt. Er musste einfach hier leben können, hier bei ihr, bei der Garde. Hier wo er sicher sei. Sie würden ihn gewiss suchen, wenn er jeden Tag hier ist und plötzlich nicht mehr und die Wache würde ihm helfen. Das würde sie doch oder? Oder?

Erst war Nachtfalter sich gaaaanz sicher, aber dann… Ja, dann nicht mehr, denn er hat gelernt, dass Menschen sich als was Besseres sehen und meinen dem kleinen Volk alles Mögliche antun zu können. Daher, warum sollten ihre Gestze auch für ihn gelten? Und so neugierig und vor Allem glücklich er soeben noch war, plötzlich fröstelt es ihn ein wenig. Er schlingt die Arme um seinen Oberkörper und aus großen ängstlich blauen Augen blickt er zu Diantha und fragt: „Aber… aber gelten denn eure ganzen Regeln für alle hier?“ Nach kurzer Pause ergänzt er: „Sie gelten auch für Feen, ja? Auch für mich?“ Seine brüchige Stimme zittert und wird immer leiser und zum Schluss flüstert er nur noch „Ich meine… Weil Feen… Na ja,…“ Er weiß nicht Recht wie er es sagen soll, zögert abermals und dann platzt es ängstlich aus ihm heraus: „Man will mich hier nicht töten und meinen Staub zu unbedeutenden Münzen machen? Sie dürfen das hier nicht einmal? Ganz ehrlich nicht?“

Es dauert eine ganze Weile, ehe Diantha den kleinen Kerl beruhigen kann aber dann als er wirklich begreift, dass er hier genauso viele Rechte hat wie jeder Andere und genauso bedeutend sei, kullern Tränen der Erleichterung aus seinen Augen. Und er flattert zu Diantha und umarmt dankend ihre Hand, welche auf der Tischplatte ruht. Kurz schmiegt er sich an, dann löst er sich wieder, bleibt aber in ihrer Nähe sitzen, als er nur ein „Danke“ flüstert.
Dann schaut er sich um, und errötet, alle Augen sind auf ihn gerichtet. Die Mienen nachdenklich. Hier und da nimmt er Empörung wahr. Erst denkt er, es käme, weil er so unschicklich eine verheiratete Frau oder vielmehr ihre Hand, umarmt hat. Sie selbst ist ja vieeel zu groß, als dass er sie hätte in den Arm nehmen können. Dennoch, irgendeine Spur von Unbehagen… Nein, das trifft es nicht… Empörung und Entsetzen… Ja das trifft es vielleicht eher… Liegt in der Luft. Und dann wird ihm klar, dass die Anwesenden ob seiner Stimme und seiner schieren Panik und der tränenüberströmten Erleichterung, die er nun verspürt, wo er weiß das er hier sicher ist, einfach schlichtweg entsetzt sind, weil sie erahnen können, dass der Kleine wirklich schreckliches erlebt haben muss und er beruhigt sich wieder. Er hat nichts falsch gemacht… Zumindest hofft er es und wischt sich energisch die Tränen fort und lächelt wieder: „Hier bleibe ich!“ strahlt er nun überglücklich und nascht noch ein wenig von dem Honig. Was jedoch weniger aus Hunger sondern mehr Ablenkungstaktik ist. Er ist voll und ganz auf den Honig konzentriert, um bloß keine Fragen beantworten zu müssen.

Erst als Diantha, feinfühlig die ihm unangenehme Situation mit den Worten > Auch die Magier sind jahrelang auf der Akademie und sie kontrollieren sich untereinander, damit nicht einer plötzlich den Verstand verliert und anderen Schaden zufügt, aber wie genau das funktioniert weiß ich nicht genau. Kann einer von euch weiterhelfen?< beendet, schenkt er den Anwesenden wieder seine Aufmerksamkeit. Nun ist es an ihrem Mann, weiter zu berichten. Er erzählt sehr ausführlich über die Magie und Hexerei und über Priester und Nekromanten und berichtet ihm, was in Hinblick auf Magie verboten ist und was nicht. Nachtfalter klebt förmlich an Olyvars Lippen und versucht sich jedes noch so kleine Wort einzuprägen. Es klingt alles so… Paradisisch… Kurz driftet er trotzdem zu der Vergangenheit, eine Hexe konnte seine Peinigerin nicht sein… Sie hat nicht unkontrolliert irgendwelche Zauber um sich gespuckt. Nein, genaugenommen hatte er sie nie zaubern sehen, aber da waren diese Tränke und all diese toten Tiere und da waren auch Steine und Knochen, ganz widerwertiges Zeug. Aber alles was sie mit dem Zeug angestellt hat, war nicht unkontrolliert. Nein, gar nicht.
Dass ein Nekromant, kein Magier ist, das wusste Nachtfalter nicht. Hexerei, Magie, Nekromantie, Priestertum, war das nicht am Ende alles ein Klumpatsch? Aber scheinbar nicht und Olyvar zeigt ihm die feinen Unterschiede auf. Für Nachtfalter wird nun einiges deutlicher. Magier dürfen gar nicht quälen und werden kontrolliert. Wieder etwas was gegen eine Magierin spricht. Es sei denn… Na ja, Leute die verbotenes tun gibt’s doch auch immer? Und schon bestätigt auch Olyvar, dass es doch überall schwarze Schafe gibt und Nachtfalter nickt zustimmend, da der Lord Commander nun etwas angesprochen hat, was Nachtfalter gerade auch selbst in den Kopf geschossen ist. Olyvar berichtet noch, dass der Stadtrat dafür zuständig sei, solche Personen, die eben Unrecht tun, auch wenn es sich um Magie handelt, zu finden und zu bestrafen und er hofft inständig, dass seine Peinigerin auch von jemanden gefunden und bestraft wurde. Er hofft, dass sie nie wieder irgendeiner Fee das antun kann, was ihm widerfahren ist.

Olyvar geht noch auf Cobrins Recht  ein. Nachtfalter kennt dieses Gesetz. Seine Eltern hatten es ihn gelehrt und auch in den Elbenlanden war es unter den Feen nicht unbekannt. Aber ihm ist neu, das Große daran auch glauben. Er hatte nie einen Elb danach gefragt. Überhaupt hatte er auch dort sehr wenig mit den Großen zu tun. Sie schienen zwar anders und haben zumindest keine Feen gejagt, aber geheuer waren sie ihm deswegen noch lange nicht. So dass er mit ihnen kaum darüber gesprochen hätte, ob sie die gleichen Gesetze teilen. Komisch, er hatte auch nie die anderen Feen danach gefragt. Er hatte es einfach als selbstverständlich genommen, dass das eine Feensache sei. Zumal er ohnehin keinen Schimmer hat, wann und wie dieses Gesetz entstanden ist und wer Cobrin überhaupt gewesen sein soll. Zugegeben… Der Name klang immer schon merkwürdig falsch… Ob es sich bei ihm nicht mal um eine Fee handelte? Nachtfalter dachte immer, dass Cobrin vor so unendlich vielen Jahren gelebt hat, dass die Sprache noch grundlegend anders war. Aber scheinbar ist das sogar falsch.

Nachtfalter ist ganz verunsichert. Auch wenn das alles positiv und traumhaft klingt, bricht für ihn ein Weltbild zusammen.
Ist es etwa Zufall, dass große unser Heim zerstört haben und dann noch eine Große mir so schreckliches antat? Habe ich nur zweimal ein schwarzes Schaf erwischt und Menschen sind sonst gar nicht so? Nicht böse? Hinterhältig und gemein? Glauben an die gleichen Rechte und Götter wie wir? Ich… Ich habe gar nicht gewusst, dass so etwas Böses wie Menschen an Götter glaubt und nun… Alles.. Wirklich alles woran ich glaubte ist falsch! Einfach falsch! Ich bin umsonst geflohen. Habe mich umsonst versteckt gehalten und ich hätte vermutlich nur mal über mein Misstrauen reden müssen, eine andere Fee fragen können und… und… sie hätten mir vielleicht gesagt, dass Menschen so nicht sind… Nicht immer… Ich erinnere mich nur noch an so wenig, von meinen Eltern… Hatten sie mir das erklärt und ich habe es nur vergessen oder wussten sie es vielleicht selbst nicht? Wussten sie gar nicht, dass die Welt so schrecklich gar nicht ist und es sichere Orte gibt? Aber doch, das wussten sie, denn zumindest, dass die Elbenlande sicher sind, wussten sie ja!
Nachtfalters Gedanken überschlagen sich und er weiß nicht Recht was er von all dem halten soll, denn auch wenn diese Weisheit gut und Positiv ist, heißt es dennoch auch, dass er sein ganzes Leben nach Lügen gelebt hat. Umsonst so schreckhaft war und grundlos geglaubt hat, dass es für ihn keine Sicherheit geben würde.

Währenddessen verabschieden sich der Magier und der Kastellan und Nachtfalter wirft Ihnen ein lächelndes: „Auf ein bald,“ zu. Und schiebt noch ein: „Es war mir eine Freude euch kennenzulernen.“ nach. Als die beiden verschwunden sind, erklärt Olyvar dem kleinen Kerl, dass hier das Gastrecht gilt, was so viel heißt, wie, solange er unter Dianthas Dach oder besser unter dem Himmel in Dianthas Garten, lebt, ist er wahrhaft und dauerhaft sicher. Nachtfalter ist sich nicht sicher, ob das was gleich sagen wird, unhöflich ist. Überhaupt macht er sich dazu keinerlei Gedanken, denn derzeit ist dies ein wahrerer Hoffnungsschimmer, an den er sich klammert und nach und nach begreift er wirklich, wie sicher er hier ist. Da ist Diantha und ihr Mann ist Commander der Wache, welche dafür sorgt, dass hier jeder Bürger sicher ruhen kann und somit  geht ihm plötzlich richtig auf, wie sicher dieser paradiesische Garten wirklich ist und so platzt es nur aus ihm heraus: „Und ich kann bleiben? Hier bei euch leben?“ Erst nachdem es ausgesprochen ist, wird ihm klar, dass dies sehr ungeschickt war, wenn sollte man es doch ihm anbieten hier einzuziehen, dauerhaft in dem Garten zu leben und so schiebt er schnell ein: „Ich meine – nur so lange bis ich was eigenes gefunden habe.“
Erwartungsvoll und neugierig blickt er zwischen Diantha und Olyvar hin und her. Ja vielleicht wäre er hier nicht nur sicher, vielelicht könnte er die Welt für andere sicherer machen. Inzwischen weiß er ganz genau, dass seine kleine Körpergröße nicht nur Nachteil sondern auch Vorteil ist und wenn Diantha und Olyvar einen Magier hier haben, dann könnte es doch möglich sein, dass er ihn vielleicht gar heilen kann. Aber nun ist der Kobold weg und Nachtfalter wird warten müssen, ehe er ihn danach fragen kann, aber ob der Kobold überhaupt helfen will, bleibt ohnehin fragwürdig, da er nicht glücklich darüber schien, dass Nachtfalter Nekromantie und Magie über einen Kamm geschert hat. Vielleicht war er ihm gar Böse?

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 17. Aug. 2011, 10:12 Uhr
Nachtfalter umarmt vor lauter Begeisterung Dianthas Hand und ist vollkommen aufgelöst, als er hört, dass er in Talyra genauso viele Rechte wie jeder Große hat. Er muss Schreckliches erlebt haben, sonst würde er wohl kaum so reagieren und mittlerweile ist sich die Immerfrosterin doch recht sicher, dass seine Größe irgendwie damit zusammen hängt. Vielleicht kann ihm ja jemand helfen… Arwen oder Niniane oder so, überlegt sie, während Olyvar versucht dem kleinen Kerl möglichst genau die Unterschiede zwischen Magiern, Priestern, Nekromanten und Hexern zu erklären. Ein wenig verwundert es sie schon, wie wenig Nachtfalter über einige grundlegende Dinge weiß. Ich dachte Feen wären auch gläubig? Dann müssten sie doch eigentlich ebenfalls etwas wie Priester oder Schamanen haben? Wie kann ihm das alles so gänzlich unbekannt sein? Scheinbar war Nachtfalters Kobel wohl sehr den Menschen abgewandt oder vielleicht wurde er auch ausgesetzt? So viele Fragen, auf die es wohl nicht allzu bald Antwort geben würde. Auf der einen Seite ist der Feenmann zwar sehr aufgeschlossen und interessiert, aber über sich selbst scheint er eher ungern zu berichten.
Als Rhordri und Pumquat nach einer Weile gehen müssen, verabschiedet Diantha sie herzlich und schaut ihnen noch einen Augenblick lang nach, wie sie sich schon über irgendwelches Papierzeug beratschlagend auf dem Weg zu Solar machen. Olyvar klärt den Feenmann noch über das Gastrecht auf, woraufhin der Kleine gleich begeistert fragt: >“Und ich kann bleiben? Hier bei euch leben?“< Verwundert schaut Diantha Nachtfalter aus großen blauen Augen an, damit hat sie jetzt nicht gerechnet. Scheinbar wertet der ihren Blick gleich falsch und schiebt hinterher: >„Ich meine – nur so lange bis ich was eigenes gefunden habe.“< „Natürlich kannst du eine Weile gerne hier bleiben!“, stellt sie mit Nachdruck fest. „Dann kann ich dir auch ein wenig über das Leben in der Stadt zeigen, morgen könnten wir zum Beispiel zum Markt gehen.“ Es ist doch immer besser, wenn man etwas selbst erlebt und nicht nur erklärt bekommt. Außerdem kann ich dann auch gleich auf ihn aufpassen, schon aufgrund seiner Größe wird er schließlich leicht übersehen, aber wenn die Leute ihn erst einmal kennen, dann achten sie sicherlich auch darauf. So selten wie sie ihren „Einfluss“ in der Stadt auch einsetzt, in diesem Fall kann man ihn für etwas Gutes nutzen.
„Allerdings ist dieser Korb hier auf Dauer nun wirklich kein Zustand und in der Steinfaust fühlst du dich ja schließlich so unwohl, da müssen wir eine andere Lösung finden.“ Es macht Diantha fast schon ein wenig traurig, dass Nachtfalter nicht dauerhaft bei ihnen wohnen kann. Doch selbst wenn er sich an die dicken Wände der Steinfaust gewöhnen könnte – wovon Diantha eher nicht ausgeht – dann wäre die Wahrscheinlichkeit doch viel zu hoch, dass er unbeabsichtigt irgendwo eingesperrt oder verletzt wird. Ganz einfach weil nichts in dem großen Gebäudekomplex für Bewohner ausgelegt ist, die nicht einmal fünfzehn Sekhel groß sind, schon von den schweren Türen würde er keine aufbekommen. Da kommt ihr ein etwas aufmunternder Gedanke: „Was hältst du davon, wenn Olyvar, Rhordri und ich uns ein wenig in der Stadt nach einem schönen Kobel umhören? Und du kommst uns so oft besuchen, wie du möchtest, wir haben immer einen freien Korb und eine offene Tür für dich? Was sagst du dazu?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 26. Aug. 2011, 15:44 Uhr
Nachtfalter kann sein Glück nicht fassen. Talyra scheint wirklich ein Ort, an dem es sich gut leben lässt und als sich Rhordri und Pumquat abwenden, verabschiedet sich Nachtfalter zwar, klebt aber sofort wieder an den Lippen von Diantha und ihrem Mann. Er erfährt einfach zu viele interessante Dinge von den Beiden. Dinge, die er selbst vorher nie lernte. Sein Kobel lag in der Tat sehr weit von jeglicher Ortschaft ab und nur sehr selten kreuzten Wanderer ihre Wege. Zudem bestand seine Familie aus nur wenigen Mitgliedern, die ein eher zurückgezogenes Leben vorzogen. Selbstredend kennt er alle Götter und weiß, dass es auch Priester gibt. Also Leute, welche diesen Glauben weiter tragen. Aber Magie ist ihm ein Tuch mit 7 Siegeln. Seine Eltern erzählten ihm nur wenig davon und die Erfahrungen, die er selbst mit jenen Kräften gemacht hat, waren nicht gerade die Besten.

Aber all das spielt jetzt kaum noch eine Rolle, denn er hatte zu diesem herrlichen Ort gefunden und würde hier bleiben können. Als jedoch auf seine Bleibe in Dianthas Garten zu sprechen kommen, wirft diese einen Punkt ein, den Nachtfalter fast vergessen hätte. Wie konnte er vergessen, dass er hier von Mauern umgeben ist und immer durch diese steinernen Gänge flattern müsste, wenn er den Garten verlassen will?
Ich würde mich hier wie ein Gefangener fühlen. Ein freier Gefangener… Gibt es so was überhaupt?
Nachtfalter runzelt nachdenklich die Stirn. Wie konnte er diese grässlichen steinernen Mauern vergessen? Andererseits gibt ihm alleine Dianthas Anwesenheit ein solches Gefühl von Sicherheit, wie er es seit gefühlten Ewigkeiten, nirgendwo sonst verspürte. Und der Garten selbst ist nahezu offen. Jedenfalls nach oben, denn der blaue Himmel breitet sich über ihm aus und der sanfte Duft von Gräsern und Blumen liegt in der Luft. Hier und da zwitschert sogar ein Vögelchen. Er kann noch immer nicht begreifen, warum er, klein wie er ist, nicht einfach über die Mauern fliegen darf und ein wenig neidisch blickt er einem kleinen Vögelchen nach, welcher eben noch in einem Baum dieses Gartens saß und nun über die Mauern davon fliegt. Zu gerne wäre er hier geblieben, denn auch wenn diese Mauern erschreckend sind, hätte er hier im Garten den offenen Himmel über sich und die Mauern bergen ja nicht ausschließlich Schrecken sondern eben auch eine gewisse, nicht unterschätzbare Sicherheit. Zu gerne wäre er wirklich für immer hier geblieben, bei der einzigartigen Großen und ihrer freundlichen Familie. Und als Dia seine Enttäuschung bemerkt, erklärt sie ihm, dass er selbstredend vorübergehend hier bleiben kann und sie ihn mit in die Stadt nehmen möchte, um ihm das Eine oder Andere zu zeigen und beizubringen. Nachtfalter ist schon wieder ganz aufgeregt. Vielleicht, wenn Diantha ihm zeigen beibringen würde hier zu überleben, vielleicht würde er sich dann eines Tages gar sicherer und wohler fühlen und müsse ihr nicht länger zur Last fallen?

Der Traum von der Steinfaust zerplatzt je, denn erst jetzt begreift er, dass er als Wächter mit all diesen Mauern zurechtkommen müsste und das hieße seine Angst überwinden. Für diese große Sache würde er seine Ängste angehen, denn was gab es schon wichtigeres und größeres, als für die Sicherheit so vieler Wesen zu sorgen. Aber da Diantha deutlich gemacht hat, dass er noch so viel zu lernen hat und gewiss mit all diesen Mauern nicht dauerhaft zurecht kommt, liegt es Nahe, dass ihr Mann ihn nie und nimmer in seine Dienste stellen würde und dabei wäre er ohne Sold, einzig mit einer Bleibe und selbstredend mit Verpflegung glücklich. Vielleicht würde es aber einen anderen Weg geben, wie er seinen wahrlich erst kürzlich entstanden Wunsch, der sich binnen weniger Stunden zu einem Lebensziel gewandelt hat, umsetzen könnte.

Vielleicht würde er beobachten und abwarten und nebenher lernen, was es zu wissen gab: Über die Stadt, die hiesigen Gefahren, die Steinfaust, all solche Dinge und dann könnte er später auf eigene Faust arbeiten, wenn die Steinfaust ihn nicht haben wollen würde und warum sollten sie auch einen Wicht wie ihn haben wollen? Wieder einmal versucht er sich vor Augen zu führen wie vorteilhaft gerade auch bei Aufklärungs- und Ermittlungsarbeiten seine geringe Größe sein kann. Aber welcher Große würde das schon genauso sehen? Am Ende zählt Stärke und Kampfkraft. Er könnte nicht einmal eine Furcht einflößende Waffe führen, es sei denn er könne wieder groß werden. Das würde nahezu alle seine Probleme beheben. Aber auch wenn er Diantha voll und ganz vertraut, ist ihm dieses Thema noch viel zu unangenehm, um es auszusprechen und so lauscht er weiter ihren Worten. Gerade eben teilt sie ihm mit, dass sie einen schönen Kobel für ihn suchen könnten. Ja, zugegeben, DAS wäre genau die richtige Behausung für eine Fee. Nicht jedoch aber für ihn. Er hat während seiner Reise in Baumlöchern, Baumstümpfen, Felsspalten und ähnlichem genächtigt. Ein Ort der insofern sicher war, als das man ihn nie und nimmer als Feenheim erkennen würde. Er erinnert sich an den letzten Kobel. Seine ganze Familie lebte dort. Es war ein großer Kobel. Er erinnert sich an das Lächeln seiner Tante, erinnert sich an das muntere und lustige Spiel seiner Geschwister, Cousins und Cousinen und dann erinnert er sich, wie der Kobel zerstört und alles Leben, was nicht schnell genug fliehen konnte zu Feenstaub gemacht wurde.

Kummer macht sich abermals in ihm breit und unbehaglich kaut er ein wenig auf seiner Unterlippe herum. Es ist ja wirklich nett von Diantha, dass sie ihm helfen will, aber einen Kobel? Würde er mit anderen Feen oder alleine dort leben?
Alleine wäre der Kobel zu einsam und verlassen. Ein Kobel für sich alleine erscheint ihm so dermaßen falsch. Aber mit fremden Feen zusammen leben ist keinen Deut besser. Kobel sollten mit Leben gefüllt sein, aber sie sollten schon auch einer Familie gehören. Zumindest ist es Nachtfalters Vorstellung eines Kobels, doch wie sollte er Diantha erklären, dass ihr Angebot nicht gerade seine Zustimmung findet? Unruhig spielt er mit seinen Haaren herum und Dianthas Blick spricht Bände. Sie kann sich gerade absolut nicht vorstellen, was an ihrer großartigen Idee falsch sein könnte und auch Olyvar wirkt ein wenig verwirrt. Doch Nachtfalter hat vor seinem inneren Auge immer noch das Bild eines zerstörten Kobels und nun ringt er Tränen herunter, welche in seine Augen zu steigen drohen. Es wäre der erste Schritt zu üben, nicht wahr? Der erste Schritt sich dieser großen fremden Stadt anzupassen. Der erste Schritt seine Ängste zu bekämpfen und ein mutiger entschlossener Wächter zu werden, nicht? Und doch fühlt es sich so dermaßen falsch an, dass es schmerzt. „Gut“ flüstert er nur. Er könnte sich die hiesigen Kobel und deren Bewohner ja erst einmal ansehen und dann entscheiden. Dann geht ihm auf, dass Diantha sich ja wirklich um ihn bemüht und ein einfaches Gut gewiss nicht angemessen ist und so schiebt er noch ein „Danke“ hinterher.

Immerhin könnte er Diantha wann immer er möchte besuchen… Und doch kommt ihm ihr nett gemeintes Angebot fast wie ein bitterer Rauswurf vor, auch wenn er natürlich sehr wohl weiß, dass dies von Diantha keinesfalls so gemeint ist und da in Dias Augen noch immer Fragezeichen tanzen, wippt er unruhig auf und ab, als er ihr nun doch eine Erklärung zukommen lässt, sein Blick scheint dabei in weiter Ferne zu sein und ein zarter Hauch von Melancholie schwingt in seiner sanften Stimme mit: „Es ist sehr lange her, dass ich in einem Kobel lebte. Meine ganze Familie lebte dort. Es war ein schöner Ort, voller Leben. ich erinnere mich an so viele Gesichter. An die Stimmen der spielenden Kinder, an die Glockenstimme meiner Tante, an das fröhliche Lachen meines Onkels und den Gesang meiner Schwester und noch so vieles mehr.“ Seine Stimme wird ein wenig leiser, ganz so, als wäre er sehr weit weg und ein trauriges Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. „All das wurde zerstört und die Meisten starben einer Ware wegen, die ihr Feenstaub nennt und für uns nichts weiter als einen bitteren Tod darstellt.“ Eine kurze Pause entsteht. Sein Blick ist noch immer fern und nur langsam kehrt seine Aufmerksamkeit zu Olyvar und Diantha zurück, als er weiter spricht: „Ich habe seitdem nie wieder in einem Kobel gelebt, es gibt sicherere Verstecke, aber ich bin gewillt mir die hiesigen Kobel anzusehen und es zu versuchen. Ich weiß zu schätzen, was ihr für mich tun wollt, aber ich kann euch nicht versprechen, dass ich wieder so leben kann.“ Mit einem leisen Flüstern setzt er noch an: „Ein Kobel ist nicht sicher und was immer ihr über diese ganzen Gesetze und die herrliche Stadtwache berichten mögt… Ich kann dieser Stadt mit all den Großen nicht vertrauen… Noch nicht… Ich werde es lernen… bestimmt… Denn ich glaube euch, wenn ihr sagt, dass alle Wesen hier gleich sind und es dergleichen hier nicht gibt. Mein Kopf vertraut euch, aber meine Gefühle sagen mir, dass ich sehr vorsichtig sein muss. Ich wäre auch nie in diese Stadt gekommen, wenn nicht…“

Jetzt ist es so gut wie raus und erschrocken schlägt sich der Feenmann die Hand vor den Mund. Er wollte es nicht herausposaunen, aber andererseits ist Diantha wohl die Letzte, die ihn verurteilen würde und wenn er mit seiner Suche weiterkommen will, dann muss er jemandem sein Problem anvertrauen und Diantha scheint sich in Talyra mehr als gut auszukennen. unsicher blickt er sich um, aber die Kinder spielen etwas entfernt, so dass diese ob seiner Schauergeschichten gewiss keine Alpträume bekommen könnten und so setzt er an zu erzählen, was nach der Zerstörung seines Kobels weiter geschah. Sein Blick driftet wieder ab und es scheint, als würde er all das in Gedanken erneut erleben und gar nicht wirklich hier bei Dianthe und Olyvar weilen.

“Meine Eltern und ich konnten fliehen. Ich weiß nicht wie viele sonst entkommen konnten, aber es war fürchterlich. Ich war damals noch jung und meine Eltern wollten in die Elbenlande. Dort sei es sicher, sagten sie. Wir kamen dort aber nicht gemeinsam an. Ich war neugierig und entfernte mich während der langen Reise etwas zu weit von meinen Eltern. Mit einem dünnen Netz wurde ich gefangen und ehe ich wusste wie mir geschieht in einen Käfig gesperrt und später verkauft. ich weiß nicht, was das für eine Frau war, die mich kaufte, aber sie war fürchterlich grässlich und ich lebte dort viel zu lange. Was immer sie mit all dem Hokuspokus zu dem sie fähig war angestellt hat, seitdem bin ich so winzig und kann mich auch nicht mehr Vergößern. Ich entkam, weil ich so klein durch die Gitter huschen konnte, aber das Endergebnis ist das absolute Dilemma! Ich bin für immer so winzig! Auf meinen Reisen erfuhr ich, dass man alles was man sucht in Talyra finden kann und wenn nicht dort, dann nirgends und deswegen bin ich hier. Ich möchte doch einfach wieder normal sein. Vielleicht habt ihr ja eine Idee, wer mir helfen könnte? Das ist mir derzeit wirklich das aller Wichtigste.“

Hoffnungsvolle Augen suchen Dianthas Blick und schweifen dann nicht minder Hoffnungs- und Erwartungsvoll zu Olyvar hinüber.


Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 10. Sept. 2011, 16:21 Uhr
Olyvar stutzt ein wenig, als Nachtfalter sprichwörtlich mit der Tür ins Haus fällt und übereifrig nachfragt, ob er dann bei ihnen leben dürfe. Moment mal... Der kleine Feenmann schiebt zwar hastig ein >Ich meine – nur so lange, bis ich was eigenes gefunden habe.< hinterher, doch Olyvar kennt seine Frau gut genug, um zu wissen, was kommt. Diantha ignoriert ganz selbstverständlich seinen Blick und bietet Nachtfalter prompt an, eine Weile bei ihnen zu bleiben. Hmpf, zu spät... Es ist nicht so, dass Olyvar der kleine Kerl nicht sympathisch wäre oder dass er ihm grundsätzlich nicht helfen wollen würde, ganz im Gegenteil. Aber deshalb muss er noch lange nicht gleich bei ihnen einziehen. Er kennt den Feenmann überhaupt nicht, er hat heute Morgen vor gerade mal einer Stunde die ersten Worte mit ihm gewechselt - und hilfsbereit oder nicht, es ist schließlich sein Zuhause und das seiner Familie, über das hier gerade mehr oder weniger über seinen Kopf hinweg entschieden wird. Olyvar atmet hörbar ein und legt sich gerade die Worte zurecht, wie er das zur Sprache bringen kann, ohne Nachtfalter vor den Kopf zu stoßen, doch Diantha hat offenbar ebenfalls ein Einsehen, wenn auch aus ganz anderem Gründen: >Allerdings ist dieser Korb hier auf Dauer nun wirklich kein Zustand und in der Steinfaust fühlst du dich ja schließlich so unwohl, da müssen wir eine andere Lösung finden. Was hältst du davon, wenn Olyvar, Rhordri und ich uns ein wenig in der Stadt nach einem schönen Kobel umhören? Und du kommst uns so oft besuchen, wie du möchtest, wir haben immer einen freien Korb und eine offene Tür für dich? Was sagst du dazu?< Olyvar wirft seiner Frau einen "wir-müssen-uns-dringend-mal-unterhalten-Schatz"-Seitenblick zu und hebt ganz leicht eine Braue. Olyvar, Rhordri und ich? Ahja...
"Die meisten Feen, die dauerhaft in Talyra und nicht irgendwo im Larisgrün in der Nähe leben, bewohnen keinen großen, gemeinsamen Kobel, sondern die alten Bäume in der Tausendwinkelgasse. Die meisten von ihnen haben ihre eigenen, kleinen Kobel oder Nester. Saffron und Morag zum Beispiel, zwei ahm... Distelfeen, die ich gut kenne." Die beiden vorlautesten Schnapsdrosseln mit Flügeln, die man sich nur vorstellen kann und außerdem – warum auch immer - von Pumquat und diesem bescheuerten Tullochgorum-Gefiedel besessen, aber was soll's... Nachtfalter wird ohnehin mehr als einen Kulturschock erleben.

"Du könntest dir auch einen Kobel irgendwo in einem Wehrgang oder unter dem Dachgebälk eines Turms einrichten," schlägt er zur Güte vor, "wenn dir die Mauern zu viel Angst machen. Dann bist du der Steinfaust so nahe wie es nur irgendwie geht und trotzdem nicht in Gefahr, irgendwo eingeschlossen zu werden. Allerdings vielleicht nicht unbedingt am Branturm, weil ich nicht weiß, wie die Raben auf dich reagieren. Und im Kerkerturm leben jede Menge Fledermäuse." Die ihn vielleicht für eine große Motte halten und mit Wonne verspeisen...Ifrinn... einfach hat er es wirklich nicht. Nachtfalter mag ja tatsächlich vom Schicksal gebeutelt sein, doch er scheint weder von Dianthas Vorschlägen, noch von seinen bezüglich irgendwelcher Kobel, ob nun mit Gesellschaft oder ohne, sonderlich angetan. Die winzige Fee kaut auf ihrer noch winzigeren Unterlippe herum und blickt kreuzunglücklich drein. Sein gemurmeltes: >Gut< ist so leise, dass Olyvar ihn kaum noch versteht und klingt furchtbar enttäuscht, sein anschließendes >Danke< kaum zufriedener. Zwischen Olyvars Brauen erscheint eine steile, dünne Linie und seine Augen werden schmal, denn allmählich fragt er sich, was um Himmels Willen Nachtfalter eigentlich von ihnen erwartet oder worauf er aus ist. Diantha hatte ihm aus reiner Freundlichkeit Hilfe, Obdach und Gastfreundschaft geboten – obwohl sie nichts weiter von ihm wusste als seinen Namen. Und nun, da sie ein wenig mehr wissen, ist sie auch noch bereit, ihm zu helfen, Talyra und die Gesetze der Menschen, die Gepflogenheiten des Alltags und das Stadtleben besser kennenzulernen, doch all das scheint nicht genug. Auch Dianthas Blick wird immer fragender und so beginnt Nachtfalter schließlich zu erklären. Er erzählt von seiner Vergangenheit, von seinem Leben im Kobel seiner Kindheit bis dieser zerstört wurde und warum. >Ein Kobel ist nicht sicher und was immer ihr über diese ganzen Gesetze und die herrliche Stadtwache berichten mögt… Ich kann dieser Stadt mit all den Großen nicht vertrauen… Noch nicht… Ich werde es lernen… bestimmt… Denn ich glaube euch, wenn ihr sagt, dass alle Wesen hier gleich sind und es dergleichen hier nicht gibt. Mein Kopf vertraut euch, aber meine Gefühle sagen mir, dass ich sehr vorsichtig sein muss.<
"Moment, langsam!" Olyvar hebt beide Hände, die Handflächen nach außen. "Ich habe nicht gesagt, dass es hier dergleichen nicht gibt. Auch wenn meines Wissens noch nie ein Feenkobel im Larisgrün oder in Talyra mutwillig zerstört wurde. Ich habe gesagt, dass es verboten ist.

Aber auch in Talyra gibt es schwarze Schafe und böse Wesen, ganz gleich ob groß oder klein. Sicher... so sicher wie du es dir offenbar wünscht... ist nichts auf der Welt, Nachtfalter. Noch nicht einmal die Steinfaust. Auch eine Festung wie diese könnte man zerstören... mit der nötigen Zeit, den nötigen Männern und den nötigen Kriegsmaschinen. Es ist schon mehrmals versucht worden in ihrer langen Geschichte und bisher ist es noch nicht gelungen, aber das heißt nicht, dass es nicht grundsätzlich möglich wäre.  Ich will das nur klarstellen, damit du dir keine falschen Vorstellungen machst."
Nachtfalter nickt nur, so in seinen Erinnerungen gefangen, dass Olyvar nicht einmal sagen kann, ob der Feenmann ihn gehört hat oder nicht. >Ich wäre auch nie in diese Stadt gekommen, wenn nicht…< Erst scheint er unsicher, ob er mehr preisgeben kann und soll, dann spricht er doch weiter und seine Worte richten sich hauptsächlich an Diantha. Er berichtet von der Flucht seiner Eltern, von seiner Trennung von ihnen, seiner Gefangenschaft und seinem Leben im Käfig irgendeiner Magierin, Schamanin oder Hexe. >Was immer sie mit all dem Hokuspokus zu dem sie fähig war angestellt hat, seitdem bin ich so winzig und kann mich auch nicht mehr Vergrößern. Ich entkam, weil ich so klein durch die Gitter huschen konnte, aber das Endergebnis ist das absolute Dilemma! Ich bin für immer so winzig! Auf meinen Reisen erfuhr ich, dass man alles was man sucht in Talyra finden kann und wenn nicht dort, dann nirgends und deswegen bin ich hier. Ich möchte doch einfach wieder normal sein. Vielleicht habt ihr ja eine Idee, wer mir helfen könnte? Das ist mir derzeit wirklich das aller Wichtigste.<
"Niniane", erwidern Olyvar und Diantha gleichzeitig wie aus einem Mund. "Dass Ihr so winzig seid, ist tatsächlich ein Dilemma, das glaube ich euch gern und sofort", fährt Olyvar fort. "Wenn Euch jemand helfen kann, dann ist es Niniane, die Protektorin des Larisgrüns. Ich bin kein Experte auf dem Gebiet Eures... Problems, aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen, Ihr seid verflucht worden. Niniane wird es wissen. Sie ist... ahm, ziemlich alt. Und ziemlich mächtig."  Aber wenn er bei ihr genauso mit der Tür ins Haus fallt, wie bei uns, dann endet er noch als Wetterfrosch in einem Einmachglas mit Leiter...

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 12. Sept. 2011, 13:20 Uhr
Dank seiner Empathie versteht Nachtfalter gleich, dass Olyver die ganze Situation nicht sonderlich Recht ist und so hofft er nun tatsächlich, dass Diantha einen anderen Platz für ihn zum Leben findet, denn zur Last fallen will er ihnen auf keinen Fall. Er möchte sich einfach nur sicher und gut aufgehoben fühlen. Nicht mehr und nicht weniger.
Als Olyvar dann ansetzt und erklärt, dass hier die meisten Feen ihre eigenen kleinen Behausungen, bevorzugt in der Tausendwinkelgasse bezogen haben, ist nun auch Zrizlizirpzirzz neugierig und gespannt. Eine solche Art zu Leben ist ihm fremd. Aber eine Tausendwinkelgasse klingt schön, besonders wegen er erwähnten alten Bäume und so kann es der kleine Mann kaum abwarten, diese zu sehen zu bekommen.

Aber dann hat Olyvar noch eine bessere Idee und schlägt vor, dass sich Zrizlizirpzirzz einen Kobel an einem der Werhgänge oder Türme errichten könnte. Zuerst ist Nachtfalter die Vorstellung eines Kobels am Stein nicht geheuer. Aber dann denkt er an all das Efeu, was dort zu meist rankt und sein Heim vor neugierigen Blicken verbergen würde und er wäre der Steinfaust nahe, also weit sicherer als irgendwo sonst in den ganzen Immerlanden. Zrizlizirpzirzz ist die Freude sichtlich anzusehen und prompt denkt er auch daran, wie es denn wäre, wenn er dort die Augen offen halten würde und vielleicht hier und da den Wachen einige Tipps geben könnte, vielleicht würde man dann auch irgendwann die Hilfe eines so kleinen Wachmanns in Anspruch nehmen und er könnte doch zu den Leuten zählen, welche der Sicherheit der Stadt und dem Wohl ihrer Bewohner dienen. Das könnte er… Ganz bestimmt… Nachtfalter ist nach wie vor zuversichtlich, dass es einen Weg geben muss, die Großen von seinem Wert zu überzeugen, denn jetzt wo er weiß, dass es Leute gibt, die dafür sorgen, dass andere Leute, selbst kleine wie er, sicher leben können, wünscht er sich nichts sehnlicher, als auch dazu beitragen zu können. Aber andererseits wäre er dort alleine… Andere Feen, fremde Feen möchte er nicht in seinem Heim… Aber ganz alleine auf sich gestellt? Es würde bestimmt wieder irgendwas Grässliches passieren und am Ende würde es ihm noch schlimmer gehen… So war es doch immer oder? Und so ist eher nach einem kurzen Anflug von Freude doch wieder skeptisch und stark unsicher, ob das auch wirklich alles eine gute Idee sei…

Und als Nachtfalter seine Geschichte zu erzählen beginnt, holt Olyvar aus ihm zu erklären, dass es hier dergleichen auch geben könnte, es aber schlichtweg verboten ist. Nervör nagt Nachtfalter an seiner Unterlippe.
Ja, wenn es denn alles so friedlich hier wäre, bräuchte man die Wache nicht oder?
Das ist dem kleinen Wicht schon bewusst… Olyvar holt aus zu erklären, dass nichts auf der Welt wirklich sicher ist und Zrizlizirpzirzz nickt wissend.
Ja das mag stimmen… Aber dafür ist die Stadtwache da, nicht? Sie sorgt dafür, dass jenen die Unrecht tun eine Strafe droht und helfen doch jenen denen Unrecht widerfahren ist? Das ist es doch, was diesen Ort sehr wohl sicher macht! Diantha hat mir alles über die Stadtwache erzählt und ich habe gehört wie ein Nekromant gefangen wurde! Die Wache tut doch alles um diese Stadt zu schützen, dass aber trotzdem schlimme Dinge passieren können, weiß ich doch auch... Schlimme Dinge passieren einfach…
Und schon ist er wieder gedanklich bei seiner Geschichte und all seinen Problemen.
Doch scheinen Olyvar und Diantha beide gleich zu wissen, wer ihm helfen könnte und so ist der kleine Feenmann gleich ganz außer sich, am Liebsten würde er diese Njnjann oder so ähnlich, gleich aufsuchen. Aber als er hört, wie alt und mächtig sie ist, fröstelt es ihm und er weiß gar nicht Recht, ob er sie wirklich kennenlernen will… Hilfesuchend blickt er zu Diantha und weil Olyvar offenbar nicht gerade glücklich ist über die Vorstellung, einen Feenmann im Garten wohnen zu haben sagt er an Diantha gewandt, mit der es sich offenbar besser reden lässt: „Ich weiß… Du hast schon so viel für mich getan… Aber würdest du mich vielleicht dorthin begleiten? Ich meine nicht jetzt, sondern einfach dann, wenn du Zeit dafür findest?“ Seine blauen Augen blicken hoffnungsvoll, denn nichts wünscht er sich mehr, als wieder normal sein zu können. Mit einem Blick zu Olyvar ergänzt er noch „Danach…“ Mit Tränen der Hoffnung in den Augen ergänzt er: „Auch schon jetzt, wenn ihr es wünscht… werde ich euch auch wieder verlassen und mir eine eigene Bleibe suchen und euch gar nicht länger zur Last fallen. Versprochen!“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 30. Okt. 2011, 11:30 Uhr
Diantha merkt sehr gut, dass Olyvar so allmählich ein wenig verärgert angesichts von Nachtfalters Erwartungshaltung ist, was sie auch nachvollziehen kann. Schließlich hat sie den kleinen Kerl so freundlich wie möglich empfangen und von Anfang an versucht ihm, so weit es in ihrer Kraft steht, zu helfen. Andererseits hat sie mit dem Feenmann angesichts seiner Familiengeschichte viel zu viel Mitleid um wirklich sauer auf ihn zu sein. Davon abgesehen wirkt er so vollkommen überfordert mit den Umgangsformen der Stadt und der Menschen im Allgemeinen, dass sie seine Worte nicht auf die Goldwaage legt. Natürlich wäre es für Nachtfalter praktisch, wenn er sich einfach bei den Tarascons einnisten könnte und sich nicht selber um ein neues Heim kümmern müsste. Doch es ist nicht so ohne Weiteres umsetzbar, wie sich der kleine Feenmann das vorstellt. Realistische Einschätzungen sind scheinbar nicht so seine Stärke – er hat so eine gewisse Verträumtheit was das angeht. Olyvar versucht ihm wirklich zu erklären, wie das Rechtssystem Talyras so im Groben funktioniert, doch das nachzuvollziehen scheint Nachtfalter recht schwer zu fallen. Vermutlich braucht er einfach etwas mehr Zeit, um sich in der neuen Umgebung zurecht finden zu können. Irgendwann wird er gewiss verstehen, wie man sich hier zu verhalten hat. Woher auch immer ihre Zuversicht kommt, Diantha vertraut einfach ihrem Bauchgefühl. Perfekt mag ihre Menschen-und-andere-Wesen-Kenntnis nicht zu sein, doch in der Regel liegt sich bei ihren Einschätzungen nicht ganz daneben. Sie kann sich einfach nicht vorstellen, dass der kleine Kerl ihr seine Aufrichtigkeit und Treuherzigkeit vorspielt, obwohl man das natürlich nie vollkommen ausschließen kann. Außerdem erinnert sie sich noch gut daran, wie sehr Olyvar versuchte Shyada zu helfen, auch wenn diese sich gegen diese Unterstützung sträubte. Bei Nachtfalter hat sie viel mehr das Gefühl, dass das, was sie sagt und versucht zu tun, auf fruchtbaren Boden fällt.

Als sie im Gespräch auf Nachtfalters Größe kommen und er erzählt, dass diese mit einem Zauber oder einem Fluch oder dergleichen zusammen hängt, antworten Olyvar und Diantha wie aus einem Mund, dass ihm dabei wohl Niniane am meisten helfen könnte. Erst vollkommen verdutzt wirkt Nachtfalter plötzlich, als habe ihm jemand eine riesige Last von den Schultern genommen, doch dann macht sich in seinen Zügen Sorge breit. Bestimmt denkt er an diese Hexe oder war das war und befürchtet, dass Niniane so ähnlich ist, denkt sich Diantha und kann diese Idee gut nachvollziehen. Daher lächelt sie auch, als Nachtfalter vor sich hinzustammeln beginnt: >„Ich weiß… Du hast schon so viel für mich getan… Aber würdest du mich vielleicht dorthin begleiten? Ich meine nicht jetzt, sondern einfach dann, wenn du Zeit dafür findest?“< Bevor sie antworten kann fügt der kleine Kerl hinzu: >„Danach… Auch schon jetzt, wenn ihr es wünscht… werde ich euch auch wieder verlassen und mir eine eigene Bleibe suchen und euch gar nicht länger zur Last fallen. Versprochen!“< In seinen großen blauen Augen glänzen bei diesem Versprechen Tränen, wobei er natürlich sofort Dianthas Mutterinstinkt weckt. „Nana, immer langsam. Natürlich gehe ich mit dir zu Niniane, aber es ist nicht nur von mir abhängig, wann wir sie aufsuchen können, sondern auch von ihr. Sie ist nun wirklich kein Stubenhocker und wir werden uns erst einmal erkundigen müssen, wann sie Zeit hat.“ [i]Wir werden ihm wirklich noch ein wenig Feinschliff im Umgang mit Menschen geben müssen, damit er sich in seiner Eile keinen Ärger einhandelt. „Bis dahin kannst du gerne bei uns bleiben, aber ich halte auch Olyvars Idee mit einem Kobel im Wehrgang oder im Dachgebälk für gut. Oder du suchst dir einen unbewohnten Baum hier im Garten oder in der Umgebung der Steinfaust. Bei dem Bau deines Kobels könnten die Kinder und ich dir natürlich auch helfen, wenn du das möchtest. Auch wenn ich im Kobelbau sicherlich keine Fachfrau bin, mit Holz kann ich umgehen, wenn dir das hilft.“ Diantha muss ganz ehrlich zugeben, dass sie sich mit den Unterbringungen von Feen und Kobolden noch nie sonderlich beschäftigt hat. Sie hat auch keine Ahnung, wo und wie Pumquat eigentlich wohnt, ob er sein Heim in der Steinfaust oder anderswo hat. „Ich bin mir sicher, dass Niniane dir helfen können wird und wir auch ein Zuhause für dich auftreiben werden, in dem du vor Feinden sicher bist und dich wohlfühlst.“ Mit einem aufmunternden Lächeln nickt sie Nachtfalter zu, was dieser erwidert.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Nachtfalter am 15. Dez. 2011, 16:15 Uhr
Dass ein Treffen mit dieser Nineina…  Nanaine oder wie die von Diantha genannte Frau auch heißen mag, auch davon abhängt, wann diese Zeit dafür findet, leuchtet Nachtfalter ein. Auch wenn es ihn wundert. Denn wenn man einen Boten zu ihr schickt, um sie zu fragen, wann man sie besuchen kann, hätte man doch in der Zeit auch selbst hingehen und nachfragen können. Aber Diantha wirkt so, als weiß sie ganz genau was sie tut. Eigentlich hatte der Feenmann seit dem beinahe Missgeschick ihres Kennenlernens stets das Gefühl, dass Diantha sehr bodenständig ist und genau weiß was wann zu machen ist. Insgeheim bewundert er die Menschenfrau dafür.

Wie er überhaupt auf die Idee kam hier in dem Garten bleiben zu können, ist ihm inzwischen auch ein Rätsel, für den Moment hat er es als sicher empfunden, immerhin wäre er bei den Großen die für Recht und Ordnung sorgen, aber er würde sich nahe der Steinfaust oder der Wehrtürme einen eigenen Unterschlupf suchen. Letzten Endes wäre er hier auch nur ein Gefangener, denn auch wenn er die Mauern überfliegen könnte, so darf er es nicht und ewig durch das steinerne Gebäude der Großen zu müssen, wäre gewiss nicht der Traum eines neuen Zuhauses. Sicher hin oder her.

Letzten Endes spielt auch all das keine Rolle mehr, wenn er nur wieder normal wäre, groß werden könnte und auf sich selbst achtgeben könnte, dann wäre dergleichen ohnehin einerlei. Doch derzeit stellt bereits mancher Vogel oder eine Katze durchaus ein ernstzunehmendes Problem dar. Aber vielleicht würde sich all das schon bald… schon sehr bald ändern. Er hoffte es vom ganzen Herzen. Wenn er wieder groß werden könnte, würde sein Vorhaben sich bei Diantha erkenntlich zu zeigen, auch viel leichter umsetzen lassen. Eine Idee dazu hat er ja bereits. Nur bezüglich der Umsetzung ist er noch nicht ganz sicher.  Aber es musste wirklich perfekt werden. Denn was Anderes käme bei Dianthas Hilfe, insbesondere wenn sie wen auftreiben könnte, der ihn heilen könnte, gar nicht in Frage. Er ist sich sicher, dass er sie über ihre Kinder erreichen können wird. Eine große Freude für die Kleinen sorgt, das weiß er genau, auch bei den Eltern für großes Entzücken. Gerade bei den Müttern. Aber über Nacht würde er ein solches Geschenk, wie er es geplant hat gewiss nicht fertigbekommen. All das wird Zeit in Anspruch nehmen. Doch erst einmal gibt es wohl eine neue Aufgabe. Er müsste ein neues Heim finden und herrichten. Und dann müsste er Diantha wissen lassen, wie und wo sie ihn finden kann, sollte sie Nachricht von dieser Nin… Irgendwas erhalten. Ob all der neuen Hoffnung wird dem kleinen Mann ganz schwindelig und glückseelig lächelt er Diantha zu. „Also hier im Garten werde ich eher nicht länger bleiben können. Es mag hier sicher und wohlbehütet sein, doch da ich nicht über die Mauern fliegen darf, wäre ich hier doch zu arg eingesperrt.“ gibt Nachtfalter zu. Ich würde mir den Wehrgang gerne näher ansehen. Vielleicht gibt es gar kleine Nischen in der Mauer, irgendwelche Löcher, hinter denen ich mir ein Heim bauen kann?“ Nachtfalter stellt sich gerade vor, wie er dort versteckt und verborgen leben könnte. Eine Nische in einer Mauer wäre etwas sehr feines.
"Wenn ihr mich noch einmal durch den Stein begleiten würdet, würde ich gerne selbst etwas umher flattern und nach einem geeigneten Platz suchen.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 22. März 2012, 12:51 Uhr
~Ende Taumond 512 im Westflügel~



Suchend schaut sich Diantha um, doch in der großen Halle herrscht keine Unordnung mehr, scheinbar ist sie mit dem Aufräumen fertig. Alles was sie noch tun muss, ist die dreckige Wäsche zu den Wäscherinnen zu bringen. Und dann? Es gibt viele Orte innerhalb der Steinfaust, zu denen sie gehen könnte und überall würde sie freundlich empfangen werden, doch irgendwie ist ihr heute nicht danach, es zieht sie nach draußen. Da die Zwillinge in der Schule sind und Njáll sich wie so häufig in letzter Zeit bei Morna mit deren beinah gleichaltrigen Enkel Euan herumtreibt, spricht auch nichts dagegen. Warum eigentlich nicht. Sie war schon eine ganze Weile nicht mehr allein auf dem Marktplatz unterwegs, das wird gewiss eine nette Abwechslung sein. Außerdem braucht Njáll ohnehin neue Schuhe, seine Füße wachsen in letzter Zeit ja wie verrückt. Am besten ich nehme einen seiner momentanen Schuhe mit und kaufe dann welche, die deutlich größer sind, damit sie ihm nicht übermorgen schon wieder zu klein sind, überlegt sie. Dieser doch recht vorgeschobene Grund überzeugt sie von ihrem Plan, also beeilt sie sich, die Wäsche wegzubringen, hält dieses Mal nur einen sehr kurzen Tratsch mit den Wäscherinnen und wandert dann im Schlafgemach zwischen den aufgezogenen Schubladen ihrer Wäschekommode und dem Schrank hin und her. Sie könnte natürlich ein Kleid tragen, davon hat sie seit der Schwangerschaft einige bekomme, es würde sich für ihren gesellschaftlichen Status als Lady auch schicken und vermutlich würde sie einige Komplimente bekommen. Das mag alles der Fall sein, Diantha zieht trotzdem ihre Nase kraus, bei Kleidern muss man immer aufpassen, dass sie möglichst nicht dreckig werden und man nicht hängen bleibt, darauf hat sie heute keine Lust. So wichtig sind ihr Komplimente dann auch wieder nicht, außerdem hat sie oft das Gefühl, dass diese schönen Worte nur geheuchelt und nicht ernst gemeint sind. Schon seltsam, wie viele Leute denken, dass es strategisch günstig ist, der Frau des Lord Commanders Honig ums Maul zu schmieren – als ob ich so dumm wäre, mein Urteil davon abhängig zu machen, wer mir wie oft sagt ich sei hübsch. Ihre Hände gleiten über feine, weiche Leder- und Leinenhosen und über liebevoll gearbeitete, bestickte Hemden, Tuniken und Westen.  Ganz egal was davon sie wählen würde, jedes Kleidungsstück würde unter dem Wetter leiden und dreckig werden, so regnerisch und trüb wie es draußen ist. Hinzu kommt noch, dass der Boden ganz matschig von der Nässe der letzten Tage ist, von daher wäre es auch dumm, ein Paar allzu feiner Schuhe zu tragen, die würden nur fürchterlich verdrecken. Nichtsdestotrotz ist es relativ warm, ganz Talyra riecht nach einem erdigen Frühlingsversprechen und an allen grünen Ecken sind Schneeglöckchen und die Ansätze von Tulpen zu entdecken.

Ohne weiter darüber nachzudenken zerrt Diantha mit einem Mal aus dem hintersten Winkel ihrer Kommode ein altes, jahrelang nicht getragenes Kleidungsstück hervor: Die Hose, die sie trug, als sie als Kindermädchen in der Steinfaust anfing. Erstaunlich, dass das Ding überhaupt noch da ist. Die Immerfrosterin betrachtet die an manchen Stellen ziemlich abgetragene Hose kritisch von allen Seiten. Ob ich da wohl noch hineinpasse? Sie ist ein wenig skeptisch, schließlich ist sie nicht mehr so dünn wie damals, allerdings hat sie in Erinnerung, dass die Hose damals recht weit war und mit einem Gürtel gehalten werden musste. Natürlich treibt ihre Neugier sie dazu an, es zumindest zu probieren und erstaunlicherweise passt die Hose, allerdings braucht sie nicht mehr ansatzweise einen Gürtel. Bei der Hose ist es immerhin nicht schade, wenn sie ein wenig dreckig wird und eigentlich fühlt sie sich gar nicht schlecht an…, überlegt Diantha. Vielleicht sind ja sogar die alten Schuhe noch irgendwo? Sie zieht sich rasch das einfachste Leinenhemd und die am meisten abgetragene Weste über, die sie auftreiben kann, bindet ihre Haare zusammen und macht sich dann auf die Suche nach ihren alten, schweren, durchgelaufenen Stiefeln. Beim besten Willen kann sie sich nicht daran erinnern, die Schuhe weggeworfen zu haben, allerdings hat sie auch nicht den Hauch einer Ahnung, wo sie sein könnten. Selbst in den letzten Ecken des Schlafzimmers sind sie nicht zu finden, also beginnt sie in der Vorhalle zu suchen und nach einer ganzen Weile, in der sie zwei Bälle und ein Kuscheltier aus den Tiefen der Holzkassetten befördert, wird sie tatsächlich fündig. Mit einem breiten Grinsen, wie ein Kind, das einen Streicht ausgeheckt hat, betrachtet sie ihren Fund. Schwer vorstellbar, dass das mal mein wertvollster Besitz war, denkt sie und mit Nostalgie lässt sich sogar ausmalen, dass diese Dinger theoretisch einmal hätten bequem sein können. Im Vergleich zu den Schuhen und Stiefeln die sie sonst im Alltag trägt, sehen sie natürlich sehr ärmlich und mitgenommen aus. Als sie sie zuschnürt, was eine ganze Weile dauert, fühlen sich die abgetragenen Treter trotzdem gleich sehr angenehm an, so als würden sie sie begrüßen. Eigentlich ist das kein Wunder, schließlich hat Diantha Tage und Wochen in ihnen verbracht, ohne Wechselschuhe und sie dementsprechend so lange eingetreten, bis sie optimal an ihre Füße angepasst waren. Seltsam, dass ich sie so lange nicht getragen habe, für Wetter wie dieses sind sie eigentlich ganz gut geeignet. Jetzt braucht die Immerfrosterin nur noch ihren Beutel und Geld, dann verlässt sie auch schon über einige Schleichwege die Steinfaust, um nicht ganz so vielen Leuten über den Weg zu laufen, die ein Gespräch mit ihr führen wollen. Trotzdem muss sie am Ende durch das große Tor, auf die Nachfrage der Blaumäntel dort, ob sie denn Begleitung wünsche, schüttelt sie nur den Kopf.

--->Marktplatz

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 22. März 2012, 12:53 Uhr
---> Marktplatz


Ende Taumond im Westflügel



Der Rest des späten Nachmittags und Abends verläuft ohne große Besonderheiten, sie holt die Kinder nach Hause und lässt sich, nachdem sie sich umgezogen haben, von ihnen erzählen, was sie den Tag über gemacht haben. Die Zwillinge erzählen, dass sie gerade anfangen in einem größeren Zahlenraum zu rechnen und sich ein neues Reitkunststück ausgedacht haben. Mittlerweile ist es ganz schön beeindruckend, was die beiden mit ihren Ponys alles anstellen können, beinah wie im Zirkus. Auch Njáll hat sich an das Ritual des Erzählens gewöhnt, meistens fällt ihm zwar nur eine Sache ein, die er bei Morna gemacht hat, aber immerhin. Er berichtet, dass sie Kuchen mit ganz vielen Nüssen gebacken haben, wobei er mit auseinandergerissenen Armen anschaulich die Menge darstellt. Diantha gibt sich alle Mühe sich wie sonst auch zu benehmen, aber die Kinder merken, dass etwas nicht stimmt, Conn fragt sogar, ob es ihr nicht gut geht. Daraufhin versichert sie, dass alles in Ordnung sei, sie sich nur nicht so gut fühle. Mit Gönnermiene erklären sich dann die Zwillinge bereit jetzt ein bisschen mit ihrem Bruder spielen zu gehen, damit Diantha das Abendessen vorbereiten kann. An solchen Situationen merkt man immer mehr, wie rasch sie älter werden und hin und wieder auch Verantwortung für andere übernehmen können. Die Immerfrosterin nickt dankbar und beginnt, während die Kinder mit dem Kamelsattel in der großen Halle spielen, die übrig gebliebenen gekochten Kartoffeln vom Vortag in Scheiben zu schneiden, zum Abendbrot sind Bratkartoffeln mit Speck geplant, soweit reichen ihre kaum vorhandenen Kochkünste doch immerhin aus. Sie wäre gerade so weit, mit dem Braten zu beginnen, als es an der Eingangstür klopft und ein Botenjunge die Nachricht von Olyvar bringt, es sei etwas dazwischen gekommen und er würde es nicht zur üblichen Abendbrotzeit schaffen. Das verwundert Diantha nicht sonderlich, in letzter Zeit hatte Olyvar ohnehin recht viel um die Ohren, also tut sie einen Teil des Essens zur Seite und brät nur die für sie und die Kinder notwendige Menge. Nach dem Essen bringt sie Njáll ins Bett und singt ihm noch ein wenig vor, bis er schläft, während die Zwillinge sich leise in ihren Zimmern beschäftigen. Njáll ist gerade eingeschlafen, als Olyvar nach Hause kommt und prompt von Fianryn und Connavar belagert wird, die sich freuen, ihn noch zu sehen. Auch ihm wird von dem neuen Kunststück berichtet, allerdings deutlich detaillierter als Diantha, dafür erzählen sie weniger von der Schule. Olyvar berichtet auch ein wenig von seinem Tag, der wohl von einigem Chaos und Durcheinander geprägt war. Diantha sagt zu dem Thema lieber noch nichts, sie fragt stattdessen ob Olyvar die Kinder ins Bett bringen könne, dann würde sie derweil die Bratkartoffeln zubereiten. Ihr Mann stimmt zu, was von den Zwillingen mit Begeisterung aufgenommen wird und so verschwinden die drei die Treppe hinauf und Diantha hat Zeit darüber zu grübeln, wie und wann sie Olyvar erzählen soll, was auf dem Marktplatz passiert ist.

Es dauert nicht allzu lang, dann ist das Abendessen fertig und Olyvar kommt wie gerufen wieder in die Halle. Während er isst, leistet Diantha ihm Gesellschaft, allerdings rutscht sie unruhig auf ihrem Stuhl herum und spielt nervös mit ihrem Ehering herum. Ihr Mann wirft ihr einen skeptischen Blick zu – er kennt sie gut genug um zu wissen, dass etwas nicht stimmen kann, woraufhin Diantha ihn abzulenken versucht und von Njáll erzählt. Bin ich tatsächlich zu einem so offenen Buch geworden? Offensichtlich. Als er aufgegessen hat räumt sie schnell ab, weicht die Pfanne ein und eröffnet schließlich: „Karhuni, ich muss dir etwas beichten.“ Olyvars Blick spricht Bände, scheinbar kann er sich eine Menge vorstellen, die sie anstellen könnte. Sie fasst ihn an der Hand und gemeinsam setzen sie sich auf ein Sofa im hinteren Teil der Halle. Diantha erzählt ihrem Mann alles haarklein, von der komisch nostalgischen Stimmung bis zur Bezahlung des Rings und dem darauf folgenden Heimkehren. „Ich kann mir nicht erklären, was mich da geritten hat, ich weiß es einfach nicht. Immerhin habe ich es wieder hinbiegen können, trotzdem mache ich mir Vorwürfe.“ Jetzt treten ihr tatsächlich die Tränen in die Augen, die sie bis dahin zurückhalten konnte. „Ich habe mir schon einige Gedanken darüber gemacht, wieso es dazu kam und ich denke ich habe zumindest einen Teil der Antwort.“ Nervös beginnt sie wieder mit ihrem Ehering herumzuspielen und kann Olyvar nicht recht in die Augen schauen. „Die Kinder brauchen mich nicht mehr so, wie früher. Die Zwillinge sind in der Schule und auch danach noch ganz gut beschäftigt und wenn ich Njáll frage, ob er den Vormittag lieber mit mir oder mit Euan bei Morna verbringen will, ist die Antwort ziemlich klar. Bei den Zwillingen war das früher anders, sie hatten immer schon einen Spielpartner zu Hause. Natürlich kann ich Njáll verstehen, dass ein gleichaltriger Junge spannender ist, als seine Mutter, mit der man nicht halb so viel Unsinn machen kann.“ Kurz stockt sie, entscheidet sich dann, nicht erwähnen zu müssen, dass es nicht so aussieht, als ob sie bald schwanger werden würde. Sie beide wünschen sich schon seit geraumer Zeit eine kleine Lahja, doch die Götter sind wohl nicht in Schenk-Laune. Nach einer kurzen Pause fährt sie fort: „Natürlich gibt es viele Orte in der Steinfaust, zu denen ich gehen kann und wo man mich freundlich empfängt, aber es ist nicht mehr so, wie als ich noch dein Kindermädchen war. Letztlich bin ich doch immer die Ehefrau vom Lord Commander und man muss aufpassen, was man mir gegenüber erwähnt und was lieber nicht. Ich gehöre einfach nirgendwo so recht dazu und dass ich als Hausfrau nicht allzu viel tauge, war ja schon von Anfang an zu erwarten.“ Sie seufzt tief, diese Erwartung hatte sich erfüllt, sie kann einfach nicht sonderlich gut kochen und dekorieren, das Wäschewaschen wird ihr abgenommen und auch die Gartenarbeit, von der viele so schwärmen, bereitet ihr wenig Freude.

„Ich habe mir vorhin darüber Gedanken gemacht, was ich eigentlich für Fähigkeiten habe, woraus ich etwas Eigenes machen könnte. Sonderlich viel kann ich zwar nicht, aber ein paar Dinge sind mir dann doch eingefallen.“ Mal abgesehen von den Fähigkeiten, aus denen ich auf legale Weise keinen Nutzen ziehen kann, die brauche ich wohl kaum zu erwähnen. „Aus Holz kann ich mittlerweile einige ganz schöne Dinge herstellen, daraus könnte man vielleicht etwas machen.“ In den letzten Wochen und Monden hatte sie schon recht viel Zeit damit verbracht, nicht nur Spielzeug, sondern auch ein paar Intarsien herzustellen. Allerdings zweifelt die Immerfrosterin ein wenig daran, dass sie damit auf dem freien Markt wirklich viel Erfolg haben würde. „Außerdem habe ich mir Gedanken darüber gemacht, dass ich meine Kenntnisse über Schmuck und Edelsteine noch nie zu etwas Positivem genutzt habe. Scheinbar verlerne ich das auch nicht, als ich auf dem Marktplatz war hatte ich das Gefühl überhaupt nichts vergessen zu haben. Es muss doch möglich sein, daraus etwas Gutes machen zu können, ich will nicht mehr Angst davor haben müssen, ein Schmuckstück zu betrachten. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich lerne die Fähigkeit, den Wert und die Verarbeitungsweise von Schmuck einschätzen zu können, nicht mehr als Fluch zu sehen, der für mich negative Folgen hat, sondern als etwas, das ich nutzen kann um etwas Gutes damit zu machen.“ Endlich fasst Diantha den Mut ihrem Mann in die stahlgrauen Augen zu schauen, doch sie kann seinen Blick nicht genau deuten. Ist er sauer? Kann er sie nicht verstehen? Findet er, dass diese Gedanken Unsinn sind? Kann er sie nicht verstehen? Schämt er sich möglicherweise sogar für sie? Alles ist möglich und Angst schnürt ihre Kehle zu – hat sie das ganze Gespräch vielleicht ganz verkehrt angefangen? Wieder beginnen die vermaledeiten Tränen sich in ihren Augen zu sammeln, weshalb sie versucht sie wegzublinzeln und dann mit halberstickter Stimme fragt: „Was denkst du?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 24. März 2012, 21:48 Uhr
Ende Taumond 512


"Was ich denke?" Echot Olyvar mit einer Mischung aus Verwunderung, einem Hauch von Resignation, leiser Erheiterung, aber auch so etwas wie Mitgefühl in der Stimme, dann zuckt er mit den Schultern. "Eine ganze Menge, schätze ich. Ein paar Dinge, die du sicher nicht hören willst, Conasg, aber vielleicht weiß ich auch gar nicht genau, was du jetzt eigentlich von mir hören willst. Also lass mich einfach reden, so wie ich dich habe reden lassen und hör zu, aye? Und hör auf zu weinen, dafür gibt es doch gar keinen Grund. Schließlich..." Er steht auf, holt sich einen Becher Rotwein und schenkt auch Diantha nach einem fragenden Blick einen Kelch voll ein. Es ist guter Roter vom Ostufer, samtweich  und schwer, der den Geschmack von Zedernholz und das sanfte Aroma von Johannisbeeren auf der Zunge hinterlässt. "Wolltest du ja nichts stehlen. Zumindest bist du nicht mit der Absicht, etwas mitgehen zu lassen auf den Marktplatz spaziert, oder?" Er nimmt einen Schluck und legt sich seine nächsten Worte zurecht. "Zunächst einmal wundere ich mich ein wenig, dass du es immerhin vier Jahre ausgehalten hast, ehe die Decken hier angefangen haben, dir auf den Kopf zu fallen. Ich hätte schon viel früher damit gerechnet, aber du hast nie etwas gesagt und du bist mir bisher auch ganz zufrieden mit deinem Leben erschienen, also..." Er legt den Kopf leicht schräg und um seine Mundwinkel zuckt ein kurzes, halb verlegenes und auch ein wenig melancholisches Lächeln. "Vergiss nicht, dass ich dich kenne, Diantha. Ich weiß, wen ich geheiratet habe, aye? Und du wusstest das auch. Das hoffe ich wenigstens. Du hast Recht, du taugst so wenig zur Hausfrau wie ich als Hofnarr taugen würde. Aber ich habe doch auch nie versucht, eine aus dir zu machen, oder? Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es täte mir nicht leid, dass du offenbar in der Steinfaust keine Aufgabe für dich findest, denn diese Burg könnte eine richtige Herrin gut gebrauchen, aber was nicht sein soll, soll eben nicht sein." Diesmal überwiegt eindeutig das Bedauern in seiner Stimme – eine Weile hatte es so ausgesehen, als könne und wolle Diantha ihren Platz in der Festung finden, aber das war wohl ein Irrtum. Abgesehen davon findet er es ziemlich befremdlich zu hören, dass sie offenbar das Gefühl hat, man würde in ihr nur eine Art Anhängsel seines Titels sehen und die Worte ihr gegenüber auch noch auf die Goldwaage legen. Wenn sie das tun, wenn sie ihr gegenüber wirklich so vorsichtig sind mit dem, was sie sagen, dann haben sie dafür ihre Gründe – und die haben nichts mit einem "von" zu tun. Er weiß jedenfalls totsicher, dass man ihm gegenüber kein Blatt vor den Mund nimmt und er ist der Lord Commander. Dazu hatten ihn die Männer gewählt, er war nicht in dieses Amt oder in irgendwelche Kreise geboren worden.

'Letztlich bin ich doch immer die Ehefrau vom Lord Commander und man muss aufpassen, was man mir gegenüber erwähnt und was lieber nicht.' Das waren ihre Worte gewesen und die sitzen, aber aus einem ganz anderen Grund, als sie vielleicht glaubt. Das "nur" hatte sie zwar nicht ausgesprochen, aber es war trotzdem mitgeklungen – und das hatte ihn schlagartig auf der Hut sein lassen. Ihm ist schon einmal eine Frau davongelaufen, die nicht glücklich an seiner Seite war und lange kein Wort darüber verloren hatte. Geht es ihr genauso? Ist sie unglücklich mit ihm und schiebt nur andere Gründe vor? Nein, das würde sie nicht tun. "Trotzdem verstehe ich dein Problem nicht so ganz, Diantha. Wenn es ein Problem ist, was ich gar nicht glaube, vielleicht... machst du ja nur eines daraus. Du machst dir immer noch viel zu viele Gedanken, weißt du – daran haben auch fünf Jahre nichts geändert. Denn wenn du dir hier naja... nutzlos vorkommst, wenn du also irgendetwas tun willst, etwas anderes, etwas nur für dich oder ganz gleich was – " seine Mundwinkel kräuseln sich amüsiert, als er an ihre Beichte von eben denkt und er korrigiert sich - "sehen wir von Taschendiebstahl einmal ab, aye? Denn dann müsste ich dich wohl oder übel irgendwann verhaften. Na, dann tu es doch einfach. Ob du nun unter die Holzschnitzer oder die Juwelenschätzer gehst, tu was immer du tun möchtest." Er fährt sich mit der Hand durchs Haar, so dass sich die dicken, kastanienbraunen Strähnen aus dem Band in seinem Nacken lösen, also zieht er es ganz heraus und steckt es ein. "Erinnerst du dich an unser Nachtgespräch in der Laube, als du Angst hattest, du könntest Fianryn nicht das Sticken beibringen? Das ist fünf Jahre her – du warst noch kein ganzes Jahr bei uns. Sie kann inzwischen sticken, Morna hat es ihr gezeigt und Fianryn macht es Spaß. Sie hat allerdings genauso viel Spaß dabei, ihren Bruder mit dem Holzschwert zu verprügeln. Sie mag erst acht sein, und unbekümmerter, als es manchmal gut für sie ist, aber sie denkt nicht immerzu nach oder stellt ihr Handeln in Frage. Sie macht es einfach. Und..." er zögert kurz, fängt Dianthas tränenfeuchten Blick ein und hält ihm nicht nur stand, sondern ihn auch fest. Sie mag es vielleicht vergessen haben, aber er nicht. "Erinnerst du dich auch an unser erstes langes Gespräch im Larisgrün?" Seither hatte es viele Gespräche – und noch ganz andere Dinge - zwischen ihnen im Larisgrün gegeben, aber das war damals ihr erstes wirkliches Reden miteinander und er glaubt zumindest, dass sie weiß, was er meint. "Als wir mit den Kindern und Bayvard zu dem kleinen Hügel mit der Quelle gegangen sind... da habe ich dir gesagt, dass ich dich will. Nicht für meine Kinder oder um ihretwillen, sondern für mich und an meiner Seite. Ich habe dir auch gesagt, dass du tun sollst, was immer du willst, wenn dir das nicht genügt. Dass ich dich bestimmt nicht an Heim und Herd fesseln oder dir etwas verbieten wollen würde, was dir wichtig ist. Daran hat sich nichts geändert."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 24. März 2012, 23:09 Uhr
~Ende Taumond 512~



Olyvar ist wie meist sehr ruhig, kündigt zunächst einmal an, dass er einiges zu sagen hat, nicht nur Angenehmes und bittet sie dann, ihm zunächst einmal zuzuhören. Das erscheint ihr nur gerecht, schließlich hat sie ihr Anliegen auch zunächst erklärt, wenn auch offensichtlich nicht allzu verständlich. >„Und hör auf zu weinen, dafür gibt es doch gar keinen Grund. Schließlich wolltest du ja nichts stehlen. Zumindest bist du nicht mit der Absicht, etwas mitgehen zu lassen auf den Marktplatz spaziert, oder?"< Diantha reißt sich zusammen, auch wenn man die wenigen in die Augen getretenen Tränen nicht wirklich als Geheul bezeichnen könnte, und schüttelt nachdrücklich den Kopf. Sie wollte nichts dergleichen auf dem Marktplatz, deshalb war es ja nur umso erschütternder für sie, dass es trotzdem passiert ist. Auch um sich ein wenig zu beruhigen nimmt sie einen Schluck Wein, man merkt ihm an, dass er von guter Qualität ist, er ist sehr vollmundig und weich. Seine nächsten Worte verwirren sie dann doch ein wenig, denn er sagt: >"Zunächst einmal wundere ich mich ein wenig, dass du es immerhin vier Jahre ausgehalten hast, ehe die Decken hier angefangen haben, dir auf den Kopf zu fallen. Ich hätte schon viel früher damit gerechnet, aber du hast nie etwas gesagt und du bist mir bisher auch ganz zufrieden mit deinem Leben erschienen, also..." Es wäre ja jetzt nicht so, als ob sie kreuzunglücklich mit ihrem Leben wäre, aber es erfüllt sie nicht mehr so, wie einst, als sie mehr zu tun hatte. Was auch daran liegt, dass Njáll nicht mehr so abhängig von ihr ist, wie er es einst war und eben lieber Zeit mit Gleichaltrigen verbringt. Aber ihr Leben als aushalten zu bezeichnen erscheint ihr doch seltsam, schließlich lebt sie in dem Luxus nur sehr wenig tun zu müssen und vieles tun zu können. Olyvar fährt fort, erklärt, dass er sie kennt und von Anfang an wusste, wen er geheiratet hat und dass sie nicht zur Hausfrau tauge. Die Immerfrosterin seufzt, ihr Mann hat sich zwar nicht beschwert, aber scheinbar hat sich an diesem Umstand in all der Zeit auch kaum geändert. >„Aber ich habe doch auch nie versucht, eine aus dir zu machen, oder?“< Wieder ist es an ihr den Kopf zu schütteln, obwohl sie sich insgeheim eingestehen muss, dass sie zumindest zeitweise versucht hat, eine einigermaßene Hausfrau zu sein.

Nun wendet sich ein wenig das Blatt und in Olyvars Stimme klingt unüberhörbar Enttäuschung: >„Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es täte mir nicht leid, dass du offenbar in der Steinfaust keine Aufgabe für dich findest, denn diese Burg könnte eine richtige Herrin gut gebrauchen, aber was nicht sein soll, soll eben nicht sein."< Das trifft wiederum Diantha, auch wenn sie mit einem solchen Kommentar durchaus gerechnet hat. Ich habe es versucht, aber letztlich war ich selbst diejenige, die mir die Rolle als Burgherrin und übergeordnete Organisatorin nicht abgenommen habe – mal abgesehen davon, dass Rhodri und Radegund mir in dieser Hinsicht um Welten überlegen sind. Vermutlich hat sie sich das Vertrauen der Blaumäntel auch schon vor über zwei Jahren verspielt, als sie so wenig Verständnis mit dem vom Pfirsich ausgehenden Brennen zeigte. Das haben mir viele lange nachgetragen. Dass es sich bei den Angestellten der Küche, bei den Wäscherinnen, Radegunds Trupp, den Botenkindern, den Heilern und den Handwerkern um in sich abgeschlossene kleine Welten handelt, in die man nicht leicht aufgenommen wird, wenn man nicht das gleiche gelernt hat, scheint Olyvar nicht bewusst zu sein. Aber schließlich war er auch jahrelang Blaumäntel, bevor die ihm zum Lord Commander machten, da kann er sich wohl kaum vorstellen, wie seltsam es sein kann, wenn man als einfaches Kindermädchen in die Steinfaust kommt und dann plötzlich zur Lady wird. Mit einem so plötzlichen Rollenwechsel kann nicht jeder umgehen. Außerdem hat die Steifaust lange ohne Burgherrin gelebt, dafür wurden gut ausgebildete Fachleute eingestellt, was soll ich diese Aufgaben da an mich reißen. Vielleicht ist es aber auch tatsächlich zu viel von ihm verlangt, sich derart in ihre Lage hineinzuversetzen.
Unerwartet und nicht gerade erfreundlich sind allerdings Olyvars nächste Sätze: >"Trotzdem verstehe ich dein Problem nicht so ganz, Diantha. Wenn es ein Problem ist, was ich gar nicht glaube, vielleicht... machst du ja nur eines daraus. Du machst dir immer noch viel zu viele Gedanken, weißt du – daran haben auch fünf Jahre nichts geändert.“< Jetzt fühlt sie sich nicht so ganz ernst genommen, mit der Unterstellung sie mache aus einer Mücke einen Elefanten, als wären ihre Probleme gar keine. Sie muss schwer schlucken um nicht zu widersprechen und zu sagen, dass es ja wohl besser ist, sich viele Gedanken zu machen, als einfach gedankenlos zu handeln. Leicht frustriert nimmt sie einen so großen Schluck Wein, dass sie sich beinahe verschluckt hätte.

Als Olyvar fortfährt wird ihre Stimmung wieder etwas gehoben, auch wenn es sehr lapidar klingt, als er meint, sie könne abgesehen von Diebstahl alles machen, was sie wolle. Er erinnert sie an bereits geführte Gespräche, die ihr durchaus noch gut in Erinnerung sind, auch wenn sie schon eine ganze Weile her sind. Trotzdem ist es schön, zumindest ein wenig des damals Gesagten noch einmal zu hören: >"Als wir mit den Kindern und Bayvard zu dem kleinen Hügel mit der Quelle gegangen sind... da habe ich dir gesagt, dass ich dich will. Nicht für meine Kinder oder um ihretwillen, sondern für mich und an meiner Seite. Ich habe dir auch gesagt, dass du tun sollst, was immer du willst, wenn dir das nicht genügt. Dass ich dich bestimmt nicht an Heim und Herd fesseln oder dir etwas verbieten wollen würde, was dir wichtig ist. Daran hat sich nichts geändert."< Sie lächelt, er hat jetzt so vieles gesagt, sie weiß gar nicht, wo sie anfangen soll. „Ich kann mich schon noch erinnern, trotzdem schön das noch einmal zu hören.“ Sie schenkt ihnen beiden etwas Wein nach und überlegt, was sie unausgesprochen lassen soll und was sie thematisieren soll. „Deine uneingeschränkte Unterstützung macht mich sehr froh, darauf habe ich gehofft. Ich halte es trotzdem für wichtig, mit dir über meine Pläne zu reden und nicht einfach drauflos zu machen.“ Gehört das nicht irgendwie dazu, sich gegenseitig zu ehren, dass man die Meinung des Anderen wertschätzt, besonders bei wichtigen Entscheidungen? „Nachdem ich den Nachmittag über Zeit hatte mir Gedanken darüber zu machen, was ich möchte, ist mir klar geworden, dass ich mich gerne mit An- und Verkauf von Schmuck in einem kleinen Laden selbstständig machen würde. Dann bin ich wirklich mein eigener Herr oder meine eigene Herrin wohl eher.“ Sie lächelt bei dem Gedanken nicht Burgherrin, sondern Herrin ihrer selbst zu sein. „Dazu müsste ich zunächst einmal viel investieren, es wäre eine große Geldanlage ohne garantierten Erfolg.“ Mit von dir verdientem Geld, mal so nebenbei. Der Gedanke so selbstständig zu ihrem gemeinsamen Lebensunterhalt beitragen zu können, gefällt ihr, ist aber auch aufregend. Ich habe noch nie wirklich selbständig legal Geld verdient, es wird Zeit! „Traust du mir das zu? Glaubst du ich habe das Zeug dazu?“ In ihren Augen glimmt ein Funken der Begeisterung bei dem Gedanken an einen eigenen Laden.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 24. März 2012, 23:55 Uhr
Er behält Recht – vieles von dem, was er sagt, scheint Diantha überhaupt nicht zu schmecken, jedenfalls ihrer Miene nach zu schließen. Doch sie beschwert sich nicht, sondern lässt ihn ausreden, so wie er sie gebeten hatte, auch wenn es ihr manchmal deutlich schwerfällt. Dass sie den Eindruck bekommt, er nehme sie nicht Ernst, liegt bestimmt nicht in seiner Absicht und hätte er etwas davon geahnt, hätte er das sofort klargestellt. Aber da sie auch dazu schweigt, hat er leider keinen blassen Schimmer, was in ihrem hübschen Kopf vorgeht... er sieht nur, dass ihr seine Worte missfallen und weiß nicht, warum. Seine letzten Sätze scheinen sie wieder ein wenig mit der Welt zu versöhnen, jedenfalls lächelt sie, als sie beginnt, ihm zu antworten und ihm dann von ihren Plänen erzählt. >Nachdem ich den Nachmittag über Zeit hatte mir Gedanken darüber zu machen, was ich möchte, ist mir klar geworden, dass ich mich gerne mit An- und Verkauf von Schmuck in einem kleinen Laden selbstständig machen würde. Dann bin ich wirklich mein eigener Herr oder meine eigene Herrin wohl eher.<

"Hm," er nimmt nachdenklich einen Schluck Rotwein und stellt sich Diantha hinter einer Auslage mit allerlei Geschmeiden und Silberketten vor. Ihre 'eigene Herrin'. Das heißt dann wohl, jetzt glaubt sie es nicht zu sein... Sie hat so gar nichts Krämerhaftes an sich, aber sie kann Feilschen, das weiß er von zahlreichen Besuchen auf dem Markt oder dem Platz der Händler. Und sie hat ein gutes Auge für Schmuck ganz allgemein, seinen Wert und seine Verarbeitung, vor allem, was edle Steine angeht.
>Dazu müsste ich zunächst einmal viel investieren, es wäre eine große Geldanlage ohne garantierten Erfolg. Traust du mir das zu? Glaubst du ich habe das Zeug dazu?< Das Leuchten in ihren Augen ist unmissverständlich – sie findet die Vorstellung eines eigenen kleinen Reiches in dem sie Schalten und Walten und ihre Talente einsetzen kann wohl sehr faszinierend. Das aber ist etwas, das er sehr gut nachvollziehen kann - sich für etwas zu begeistern, einen Plan zu verfolgen und ein Ziel zu haben, auf das man hinarbeiten kann. Olyvar beobachtet seine Frau einen Moment lang fast taxierend über den Rand seines Rotweinkelches hinweg, dann lächelt er breit. "Gibt es irgendeinen Grund, Conasg, warum ich dir das nicht zutrauen sollte?" Er schüttelt sacht den Kopf und nimmt sich einen Haferkuchen von der Anrichte. "Was schwebt dir denn vor? Ich meine, wo soll dein Laden sein und wie soll er aussehen? Wann willst du anfangen mit deinem Unternehmen? Ich habe keine Ahnung von der Führung eines solchen Geschäfts, ich weiß gar nicht, was man dafür alles wissen und was man alles planen muss, aber ich kann mir vorstellen, dass es unendlich viele Dinge sind, die es zu Bedenken gibt."

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 27. März 2012, 20:00 Uhr
Auf Diantha drängende Fragen schaut ihr Olyvar so nachdringlich in die Augen, als suche er etwas darin. Dann, wie als hätte er es plötzlich entdeckt, beginnt er breit zu lächeln.  >"Gibt es irgendeinen Grund, Conasg, warum ich dir das nicht zutrauen sollte?"< Das ist offensichtlich ein hypothetische Frage, woher soll sie denn so genau wissen, was ihr Mann ihr zutraut oder nicht? Sie haben bewiesen, dass sie sich auch in schwierigen Situationen blind verstehen können, aber das sagt über das Potential einer Person ja wenig aus. Sie weiß jedenfalls sehr genau, in welchen Berufen aus dem des Lord Commanders sie sich Olyvar gut vorstellen könnte und in welchem eher nicht. Doch ihr Mann schüttelt nur den Kopf und bringt dann eine ganze Reihe Fragen an, dazu was man denn alles beachten müsse, was sie im Kopf habe und wann sie genau plane zu eröffnen. „Zunächst einmal musste ich ja deine Unterstützung haben. Jetzt wird es wohl das Beste sein, wenn ich mich morgen hinsetze und einen Finanzplan ausarbeite. Den würde ich daraufhin von Rhordri begutachten und einschätzen lassen und als nächstes den Schatzmeister fragen, was er davon hält. Dann muss ich mich schlau machen, wo ich mich eintragen müsste und wie teuer das ist – entweder bei der Stadthalle oder beim Haus der Gilden, denke ich. Da kann man mir sicherlich sagen, ob es bestimmte Steuern gibt, ob ich wirklich einer Gilde beitreten muss oder irgendeine andere Mitgliedschaft in einer Handwerkskammer oder so etwas brauche.“ Sie versucht im Kopf der Reihe nach die Schritte richtig anzuordnen und sich daran zu erinnern, worüber sie sich schon Gedanken gemacht hatte. Selbstverständlich liegt Olyvar richtig, es gibt eine Menge zu beachten, aber sie ist ja nicht auf den Kopf gefallen und mittlerweile ein wenig in der Stadt bekannt, das müsste sich doch alles herausfinden lassen. Von dem Alltag in einem Schmuckladen hat sie jedenfalls um Welten mehr Ahnung als von der Gründung. Da kann man auch so leicht falsch liegen und sich vertun… Im schlimmsten Fall verkalkuliert man sich schrecklich und setzt das gesamte investierte Geld in den Sand. Die Vorstellung ist einerseits beängstigend, andererseits aber auch sehr aufregend.

„Dann muss ich mich auf jeden Fall darüber informieren, was zurzeit die gängigen Preise sind und ob es in irgendwelchen Bereichen einen Über- oder Unterangebot gibt. Vielleicht bietet sich da ja auch eine Marktlücke. Was normalerweise immer gesucht wird, sind einigermaßen faire Schätzer und das ist etwas, was ich gut kann." Immerhin auf dieses Wissen wird sie sich immer verlassen können, dass jemand sie betrügen kann, ist unwahrscheinlich. "Das wird sich aber er herumsprechen müssen und ich will ja nicht nur schätzen, sondern auch an- und verkaufen. Ich kenne mich ganz besonders gut mit Edelsteinen aus dem Norden aus, also Immerfrost und Rhaínlande, aber mein Allgemeinwissen bei den übrigen ist auch echt nicht schlecht und offensichtlich habe ich es nicht verlernt.“ Eigentlich erstaunlich, wenn man sich das überlegt, wie lange es schon her ist, dass ich damit etwas zu tun hatte. „Erst wenn ich die momentane Lage auf dem Markt einschätzen kann, wenn ich schon einige Händler kenne, von dem Ablauf auf dem Platz der Händler bei Eintreffen der Karawanen eine Ahnung habe und weiß, wie der Hase in der Nyzemia läuft, lohnt es sich, sich konkret nach einem Laden umzusehen. Da kann ich sicherlich auch Borgil fragen, denn mir wäre ein Laden, in dem ähnlich Wertvolles schon verkauft wurde, am liebsten, denn man braucht auch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen, sonst wird eingebrochen." Und ich weiß, wie sehr sich ein solcher Bruch lohnen  kann, wenn man auf der Straße lebt. "Ein Tresor für die besten Stücke wäre am besten. Und erst mit einem Laden, der zu meinen Vorstellungen passt und den Anforderungen entspricht kann man weiterplanen. Um zu deinen Fragen zurückzukommen: Ich gehe davon aus, irgendwann im Sommer, vielleicht auch im Spätsommern eröffnen zu können. Ich hätte gerne in vier bis sechs Wochen einen Überblick über den Markt, die Gildensituation und was ich alles aufgezählt habe und würde mich anschließend auf die Suche nach einem Laden machen. Der könnte dann eventuell auch noch umgebaut oder neu hergerichtet werden müssen und erst wenn das alles fertig ist, kann ich mich um Handelspartner, Kundenwerbung und das alles kümmern.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 27. März 2012, 21:23 Uhr
Diantha redet sich in Begeisterung, die sommersprossigen Wangen leicht gerötet, aber das kommt vielleicht auch vom Wein, die hellen Augen blitzend vor Energie. Sie spricht von Geldaufstellungen, von Rhordri, seinem Kastellan, und dem Schatzmeister der Steinfaust, von Steuern und Gilden, und das alles so schnell, dass Olyvar amüsiert und ein wenig verwundert eine Braue hebt. "Du hast dir ja bereits eine Menge Gedanken gemacht", stellt er fest und schüttelt gleich darauf den Kopf. "Rhordri brauchst du nicht wegen Geldangelegenheiten eines Ladens zu fragen, denke ich. Er ist ein hervorragender Kastellan und er hat viel Ahnung davon, wie man eine Festung führt und fünftausend hungrige Mäuler stopft, versorgt, unterbringt, einkleidet, bewaffnet und beschäftigt hält, aber ich glaube von Schmuck und Edelsteinen hat er keinen blassen Schimmer – noch weniger als ich, und ich kann einen kostbaren Edelstein schon gerade so eben von einem weniger wertvollen unterscheiden und auch das bestimmt nicht bei allen, es gibt so viele davon. Außerdem ist die Buchführung von einem solchen Geschäft etwas ganz anderes, als die der Steinfaust. Aber du könntest Borgil fragen, oder vielleicht einen Kaufmann hier in der Stadt. Im Handwerkerviertel in der Gasse der Schmiede gibt es eine Goldspinnerin, die mir noch einen Gefallen schuldet, sie kann dir bestimmt besseren Rat geben, wenn du welchen brauchst. Was die Steuern angeht, kommt es darauf an, ob du ein Geschäftshaus pachten oder kaufen willst. Wenn du nur pachtest, zahlst du keine Grundsteuern, wenn du ein Haus kaufst natürlich schon. Aber dann kannst du dort auch schalten und walten wie du willst." Sein Kelch ist schon wieder leer und er schenkt zum letzten Mal nach, sowohl Diantha, als auch sich selbst, dann ist der Wein endgültig alle.

>Dann muss ich mich auf jeden Fall darüber informieren, was zurzeit die gängigen Preise sind und ob es in irgendwelchen Bereichen einen Über- oder Unterangebot gibt. Vielleicht bietet sich da ja auch eine Marktlücke. Was normalerweise immer gesucht wird, sind einigermaßen faire Schätzer und das ist etwas, was ich gut kann...<, sprudelt Diantha weiter und Olyvar nickt. "Aye, über die Preise kann ich dir nichts sagen, aber ich weiß, dass es ein ganz entschiedenes Unterangebot hier in Talyra gibt, was solche Waren angeht - nicht umsonst sind bei den großen Karawanen im Frühjahr und Herbst immer so viele Schmuckhändler dabei. Talyra hat keine besondere Gold- und Silberschmiedetradition, und im Larisgrün finden sich nicht so viele wertvolle Edelsteine. Du könntest tatsächlich eine Marktlücke gefunden haben."
Sie führt weiter aus, was sie alles in Erfahrung bringen, vorbereiten, ausfindig machen und anschaffen will, und Olyvar hat keine Gelegenheit, irgendeine Frage zu ihren stürmischen Plänen zu stellen - etwa wie groß der Laden denn mindestens sein soll, ob sie sich vielleicht von der Gilde als offizielle Schätzerin vereidigen lassen wollen würde, also als Schätzerin, die im Auftrag der Stadt beispielsweise aufgebrachte Beutestücke nach ihrem Wert beurteilt, oder auch, woher sie das nötige Silber (oder wohl eher Gold) bekommen will, mit dem all die nötigen Anschaffungen getätigt werden können, denn er kommt gar nicht zu Wort. Sie ist so begeistert von ihrem Vorhaben, dass er ihr in diesem Moment wahrscheinlich auch von eierlegenden Wollmilchsäuen erzählen hätte können ohne irgendeine Reaktion von ihr zu bekommen und erst, als sie bei Handelspartnern und Kunden oder ihrer Gewinnung angelangt ist, holt sie Luft und verstummt. "Diantha, wie viel glaubst du wird das alles kosten? Wenn ich dich richtig verstanden habe, wirst du ja erst einmal alle möglichen Ausgaben haben."




Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 27. März 2012, 22:31 Uhr
Auf Olyvars Einwand bezüglich Rhordri nickt Diantha, da ist etwas dran. Borgil hatte sie ohnehin schon im Hinterkopf gehabt, er kann da sicherlich etwas zu sagen. Der Hinweis auf die Goldspinnerin ist auf jeden Fall gut, das liegt auf jeden Fall schon mal näher am Schmuckhandel. Bezüglich der Steuern hatte sie eigentlich mehr an Gewerbesteuern und Einfuhrzölle gedacht, aber auch das wird sich herausfinden lassen. Es stimmt auch, dass man in einem gekauften Geschäftshaus mehr Möglichkeiten zur Gestaltung bestehen, allerdings ist das wohl erst bei sich einstellendem Erfolg wirklich eine Option. Die Immerfrosterin sieht zwar ihre Idee in einem positiven Licht, sie macht sich aber nicht vor, dass es nicht auch ein Reinfall sein könnte. Da wäre es ja dumm sich gleich ein Haus anzuschaffen, das ist eher etwas für später. Als Olyvar davon redet, dass es ein Unterangebot an Schmuckläden in Talyra gibt, stimmt sie das sehr positiv. Sie kann sich erinnern, sich bei ihrer Ankunft vor fünf Jahren danach umgesehen zu haben, auch danach hat sie hin und wieder geschaut, aber wenn, dann war der Marktplatz oder der Platz der Händler der richtige Ort, kein größerer Laden, von dem sie zumindest wüsste. Trotzdem wird es sicherlich nicht leicht an gute Ware zu kommen, da werde ich schon auch Konkurrenz haben. Diantha wundert sich, als Olyvar ihr Wein nachschenkt, denn sie kann sich gar nicht daran erinnern, davon getrunken zu haben, sie war so in Gedanken und im Redefluss, dass sie es kaum gemerkt hat. Eine Flasche zu zweit reicht dann aber, sonst kann man ja nicht mehr richtig denken. „Diantha, wie viel glaubst du wird das alles kosten? Wenn ich dich richtig verstanden habe, wirst du ja erst einmal alle möglichen Ausgaben haben." Nun ist Diantha zunächst einmal irritiert, sie dachte eigentlich, klar gemacht zu haben, dass sie es ohne finanzielle Unterstützung von Olyvar ohnehin nicht in die Tat umsetzen kann. Und sich schlau zu machen, sich zu informieren, wie sie es in den nächsten Tagen vorhat, kostet zunächst einmal gar nichts.

„Tut mir Leid, eine genaue Zahl kann ich dir jetzt aus dem Stehgreif nicht nennen. Dazu muss ich wie schon gerade gesagt, mich erst informieren, ob ich der Gilde oder einer Handelskammer beitreten muss. Das wird vermutlich etwas kosten, wie viel weiß ich nicht, genau wie so etwas wie Gewerbesteuern. Dann werde ich in Erfahrung bringen ob es für mich eine Möglichkeit gibt, mich als Schätzerin eintragen zu lassen, vielleicht kann ich damit ja auch schon vor der Eröffnung ein wenig Geld auftreiben.“ Wenn er mich nicht unterstützen will, dann kann ich es ohnehin sein lassen, dann lohnt es gar nicht weiter darüber nachzudenken. Dass sie nur mit dieser Arbeit nicht viel Geld zusammen kratzen wird, dürfte ihnen beiden klar sein. „Als nächstes werde ich mir erst mal eine Grundauslage anschaffen müssen, für verschieden große Geldbeutel unterschiedliche Stücke, das wird nicht günstig. Wie viel genau, kann ich dir nicht sagen, bestimmt mehre Goldstücke. Aber wie du weißt kann ich feilschen, ich werde also nicht mehr bezahlen, als unbedingt nötig.“ Das hängt ja auch davon ab, wie die Preise so sind. Sie wurde schon oft unterschätzt, was das Feilschen angeht, stets zum Nachteil der anderen.  „Hinzu kommt der Laden an sich. Natürlich hat man in Eigentum einen größeren Spielraum und kann mehr gestalten, mehr eigene Ideen einbringen. Da das aber auch viel kostet, halte ich es für sinnvoller, zunächst einmal zu pachten und sollte es wirklich gut laufen, kann man sich dann überlegen, ob man doch kauft. Ich wäre mir auch nicht zu fein, falls es ein Laden ist, der nicht in optimalen Zustand ist, diesen für den Verpachtenden zu renovieren, natürlich gegen Bezahlung.“ In dem Bereich gibt es zwar auch Dinge, die ich nicht kann, aber die meisten kleineren Macken, die bei leerstehenden Gebäuden anfallen, könnte ich schon übernehmen. „Mitarbeiter würde ich auch erst einstellen, wenn ich das Geld dafür zusammen habe, es gibt also erst einmal nur den Laden, wenn ich da bin.“ Sie legt den Kopf schief und schaut ihren Mann fragend an. „Aber eins ist klar, ich kann die Gedanken an den Laden gleich verwerfen, wenn du mich nicht finanziell unterstützt. Falls du das alles gar nicht willst und dir das zu riskant ist, kann ich auch erst einmal als Schätzerin arbeiten und sparen.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 28. März 2012, 09:22 Uhr
Diantha blinzelt verwirrt, ehe sie vage mit den Schultern zuckt und erwidert, sie könne keine genaue Zahl nennen. >Dazu muss ich wie schon gerade gesagt, mich erst informieren, ob ich der Gilde oder einer Handelskammer beitreten muss. Das wird vermutlich etwas kosten, wie viel weiß ich nicht, genau wie so etwas wie Gewerbesteuern. Dann werde ich in Erfahrung bringen ob es für mich eine Möglichkeit gibt, mich als Schätzerin eintragen zu lassen, vielleicht kann ich damit ja auch schon vor der Eröffnung ein wenig Geld auftreiben.<
"Ich glaube nicht, dass die Gilden dich ein solches Geschäft aufziehen lassen, ohne mitmischen zu wollen, aber da kann ich mich auch täuschen. Wenn du tatsächlich eine Marktlücke aufgetan hast, was ich glaube, da in Talyra nur wenige Goldschmiede auch Juwelen und Geschmeide verkaufen, die über das übliche wie Eheringe, Medaillons und hin und wieder einfachen, nicht allzu kostbaren Schmuck hinausgehen, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass die Gilde nicht aufmerksam wird." Letztlich kann er jedoch auch nur ratlos mit den Schultern zucken und Mutmaßungen anstellen, denn er kennt sich in kaufmännischen Dingen und in Zunftinterna nicht aus. >Als nächstes werde ich mir erst mal eine Grundauslage anschaffen müssen, für verschieden große Geldbeutel unterschiedliche Stücke, das wird nicht günstig. Wie viel genau, kann ich dir nicht sagen, bestimmt mehre Goldstücke. Aber wie du weißt kann ich feilschen, ich werde also nicht mehr bezahlen, als unbedingt nötig.< Daran zweifelt er nicht, aber ihre Worte lassen ihn doch nachdenklich die Stirn runzeln. Es ist wahr, er hat von Edelsteinen und Schmuck nicht sonderlich viel Ahnung, zumindest nicht von ihrem genauen Wert und all den Abstufungen, die es auch hier sicher gibt... aber es ist noch nicht so lange her, dass die Beutestücke aus dem Keller des Nekromanten und der Ruine des alten Ailínanwesens geschätzt und verkauft worden waren.

Er erinnert sich noch gut an eine Schatulle, deren Inhalt wirklich schön gewesen war: alter Silberschmuck, ein Halsreif, zwei Armbänder und passende Ohrringe, alle mit Flussperlen und dunklen Saphiren besetzt, die nach elbischer Art rund geschliffen waren. Borgil hatte beim Anblick dieser Garnitur leise durch die Zähne gepfiffen und gebrummt, das sei gut und gern zwölf Goldstücke wert. Verkauft worden war alles zusammen schließlich für vierzehn. In Anbetracht dieser Tatsache und mit dem Wissen im Hinterkopf, dass sie schließlich nicht nur ein einziges Stück anschaffen kann, selbst wenn das meiste ihrer Ware nicht gleich so kostbar sein wird, bekommt Dianthas vage Aussage von "mehreren Goldstücken" eine Dimension, die selbst ihm ein wenig mulmig zumute werden lässt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sie auch noch Pacht, Steuern, wahrscheinlich Gildenzins und all die anderen Anschaffungen bezahlen muss... Vierzehn Goldstücke für ein einziges Schmuckset sind eine stolze Summe – eine Summe, die die wenigsten einfach so zur freien Verfügung haben. Und es war noch nicht einmal das kostbarste Stück aus dem Nekromantenhort. Selbst wenn jemand mehr besitzt und eigentlich durchaus vermögend ist, Hab und Gut sind im Allgemeinen nicht in losen Gold- und Silbermünzen, sondern in Sachwerten wie Land, Häusern, Feldern, Weiden oder Vieh angelegt. Das denkt der Richtige – was lagert denn in deiner eigenen Schatzkammer? Äcker und Schafe? Außerdem wird Schmuck auch des Wertes von Gold, Silber und edlen Steinen wegen gekauft, nicht nur weil er an einer hübschen Frau so nett aussieht. Sie spricht davon, zunächst einmal ein Geschäft pachten zu wollen und er nickt - eine verständliche und kluge Entscheidung. >Ich wäre mir auch nicht zu fein, falls es ein Laden ist, der nicht in optimalen Zustand ist, diesen für den Verpachtenden zu renovieren, natürlich gegen Bezahlung.<

Durch seine Gedanken geistert spontan ein Bild von einer mit Kalkputz bestäubten, bis an die Zähne mit Nägeln, Brettern und einem Zimmermannsbeil bewaffneten Diantha. Er unterdrückt hastig ein Grinsen, das sie vielleicht wer weiß wie aufgefasst hätte und setzt umgehend eine möglichst neutrale Miene auf. "Ich kann dir gern helfen, wenn du etwas Instand setzen musst." Er ist ein ganz passabler Zimmermann. In einer so großen Festung wie der Steinfaust ist ständig irgendetwas zu reparieren, auszubessern, zu erneuern oder zu ersetzen, und Olyvar war sich noch nie zu fein, bei so etwas mit anzupacken. Vor ein paar Jahren war er wochenlang im Dachstuhl des Pferdestalls herumgeturnt wie zahllose andere Blaumäntel auch, die einfach da sind, wenn Not am Mann ist oder helfende Hände gebraucht werden, ob sie nun Lord Commander, Kämmerer, Wächter, Sappeur, Offizier oder Stallbursche sind. >Aber eins ist klar, ich kann die Gedanken an den Laden gleich verwerfen, wenn du mich nicht finanziell unterstützt,< meint sie schließlich. >Falls du das alles gar nicht willst und dir das zu riskant ist, kann ich auch erst einmal als Schätzerin arbeiten und sparen.<
Er lässt ihre Worte wirken, nippt den letzten Schluck Wein aus seinem Kelch und lehnt sich zurück. "Finanziell unterstützen" ist vermutlich kaufmännisches Gerede, von dem er keine Ahnung hat, die Worte klingen jedenfalls fremd und ungewohnt in seinen Ohren... aber er ahnt dennoch, was sie meint. "Als du vorhin davon gesprochen hast, dich mit einem Laden selbstständig machen zu wollen, in dem du ganz allein deine eigene Herrin wärst, klang das für mich so, als würdest du das alles auch ganz aus eigener Kraft und ohne jede Hilfe, besonders nicht meine, schaffen wollen. Du hast außerdem gesagt: 'Ich müsste zunächst einmal investieren'. Mir war nicht klar, dass du eigentlich "wir" gemeint hast." Oder mich.

Ein vages Lächeln vertieft seine Mundwinkel. Der Rand des Weinkelchs zwischen seinen Fingern ist rund und glatt, kühl wie Seide. Merkwürdig, dass ihm das ausgerechnet jetzt auffällt, aber so ist es. Und ich rätsele schon die ganze Zeit, wer ihr geheimnisvoller Geldgeber für dieses Unternehmen wohl sein könnte... Einen Moment lang hängt er seinen ziemlich aufgewühlten Gedanken nach, aber wann immer er versucht einen aus dem wirbelnden Getöse zu fischen, um ihn zu Ende zu denken, stürzen sie wieder durcheinander wie ein aufgebrachter Wachtelschwarm. Sein Kopf ist zu voll, sein Tag war zu lang und zu chaotisch, und diese Wendung kam viel zu abrupt und zu unerwartet – abgesehen davon tut der schwere Rotwein sein Übriges. "Falls ich das alles gar nicht will..." wiederholt er leise und atmet hörbar aus. "Es ist dein Traum, Diantha. Wenn du das wirklich tun willst, dann tu es und ich unterstütze dich, so gut ich kann. Aber den Stiefel, dass es allein von meinem Willen oder meinem Gold abhängen soll, ob du deinen Traum verwirklichen kannst, den lasse ich mir nicht anziehen. Ja, es ist riskant. Das ist ein solches Unterfangen vermutlich immer, es sei denn, man kann Wasser in der Wüste oder Uisge in Laigin verkaufen. Ich kann nicht abschätzen, wie gewagt dieses Unterfangen am Ende wirklich ist und ich kann auch nicht gerade behaupten, dass ich schon immer davon geträumt habe, ins Schmuckgeschäft einzusteigen. Ich sage dir ganz ehrlich, dass ich nicht weiß, was ich von all dem halten soll, aber es geht hier um dein Vorhaben, um das, was du tun willst und was dir wichtig ist, und dabei werde ich dich ganz sicher unterstützen. Ich weiß, du hast gesagt, du kannst keine genauen Zahlen nennen, aber kannst du vielleicht schätzen, mit welchem Betrag du ungefähr rechnest?" Olyvar ist alles andere als arm, aber er ist auch nicht das, was er selbst als wirklich reich bezeichnen würde. Er besitzt einiges Gold und Silber, aber auch ein paar wertvolle Beutestücke aus den Räuberkriegen und von anderen Unternehmungen, etwa der Jagd auf wahnsinnige, aber unglaublich sammelleidenschaftliche und entsprechend begüterte, spitzohrige Finstere. Zur Not könnte er auch einige Besitztümer verkaufen - aber er kann Diantha schlecht das nötige Gold zusagen, wenn er gar nicht weiß, ob er so viel überhaupt hat.  

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 30. März 2012, 13:18 Uhr
Olyvar stimmt Diantha zu, dass es keine schlechte Idee wäre, zu pachten und sichert ihr seine Hilfe bei eventuell nötigen Instandsetzungen zu. Zum Thema Finanzierung weist er sie darauf hin, dass er erwartet habe, sie wolle den Laden aus eigener Kraft und ohne Hilfe aufziehen. Das trifft sie, obwohl es dafür wenig Grund gibt, denn sie bittet ihn schließlich um sein Geld, trotzdem stößt es ihr bitter auf. Sie kann sich noch daran erinnern, wie er ihr vor fünf Jahren versichert hatte: > „Das bedeutet, mein Geld ist auch deines.“< Scheinbar ist dem wohl so, wenn sie den Westflügel einrichtet, aber weniger, wenn es um ein Unternehmen geht, wie sie es jetzt vorschlägt. Aber was soll sie schon sagen? Gib mir die Hälfte von dem Geld, das du derzeit besitzt, denn ich habe ein halbes Jahrzehnt kaum einen Kupferling nach Hause gebracht und könnte es jetzt brauchen? Das ist meine eigene Schuld, wenn ich so lange daheim sitze, mich umsorgen lasse und statt Geld zu verdienen nur welches ausgebe. Sicherlich liegt noch ein wenig von dem Geld in der Schatzkammer, dass sie als Kindermädchen und mit dem Verkauf von ein wenig des selbst hergestellten Holzspielzeugs verdient hat. Das ist trotzdem ein Witz dem gegenüber, was sie zur Eröffnung des Ladens bräuchte. Warum habe ich damals eigentlich meine Selbstständigkeit so vollkommen aufgegeben? Die Jahre waren gewiss nicht verschwendet, hat sie doch drei Kinder umsorgt und erzogen, aber es gibt andere Mütter, die dasselbe tun und trotzdem arbeiten. Ihre eigene Mutter hatte kaum aus dem Kindbett wieder im Garten und auf den Feldern gearbeitet, auch wenn Dianthas Vater ihr anfangs versuchte die schwierigeren Arbeiten abzunehmen. Was Mutter wohl davon halten würde, wenn sie mich jetzt hier sehen könnte. Vermutlich würde sie schimpfen – dabei wollte sie immer, dass ich eine brave Ehefrau werde. Noch nie hat die Immerfrosterin sich in ihrer Ehe so abhängig gefühlt, wie in diesem Moment, weshalb sie rasch ein nichtssagendes Lächeln aufsetzt. Da habe ich mich selbst hineinmanövriert, jetzt muss ich es auch aussitzen.

Es ist sehr lieb, wie Olyvar ihr versichert, dass er sie auf jeden Fall unterstützen wird, weil es ihr Traum zu sein scheint, auch wenn Schmuck nicht in seinem Interessengebiet liegt. >„Ich sage dir ganz ehrlich, dass ich nicht weiß, was ich von all dem halten soll, aber es geht hier um dein Vorhaben, um das, was du tun willst und was dir wichtig ist, und dabei werde ich dich ganz sicher unterstützen.“ Jetzt ist ihr Lächeln wieder echt, mit diesen Worten hat sie schon nicht mehr gerechnet. Vielleicht hat er Recht, vielleicht ist es besser, wenn ich mir das Geld für den Laden selbst erarbeite und nicht Familienvermögen dafür hernimmt.  >„Ich weiß, du hast gesagt, du kannst keine genauen Zahlen nennen, aber kannst du vielleicht schätzen, mit welchem Betrag du ungefähr rechnest?"< „Ich rechne mit 25 bis 30 Goldstück Startkapital.“ Sie lässt die Zahlen kurz auf sich wirken, dann stellt sie fest: „Das ist ein unheimliches Vermögen, von dem ich früher nicht zu träumen gewagt hätte, aber ich denke du liegst richtig damit, dass es besser ist, wenn ich versuche es selbst aufzubringen.“ Sie legt den Kopf schief und beginnt laut zu denken. „Es gibt schließlich auch die Möglichkeit Kredite aufzunehmen, dafür müsste ich allerdings Sicherheiten haben. Wenn ich dich nicht als Gläubiger belasten möchte, wird das schon wieder etwas schwierig, da ich ganz allein ja kaum etwas besitze.“ Der Gedanke ihr Pferd zu verkaufen schmeckt ihr gar nicht, das wäre aber auch eine Option, ihr Wallach würde mindestens 5 Goldstücke einbringen. „Zumindest eine berufliche Qualifikation werde ich dann brauchen, also sollte ich herausfinden, ob es Prüfungen oder dergleichen zum Schätzer gibt. Dann sollte ich ein bis zwei Jahre bei einem bekannten Schätzer arbeiten, sofern ich denn einen finden kann und von dort eine gute Empfehlung kriegen. Das Geld, was ich dort verdiene, könnte ich alles sparen, vielleicht würde ich dann innerhalb von zwei Jahren die Hälfte oder ein Drittel des Startkapitals zusammenkratzen können. Mit diesem Hintergrund dürfte ich einen Kredit aufnehmen können.“ Sie denkt ihre Planung noch einmal kurz durch. „Doch, das dürfte funktionieren und ich muss uns als Familie nicht in Geldsorgen bringen.“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 30. März 2012, 15:25 Uhr
Sie nennt die Summe, die ihr vorschwebt und er ist gerade dabei, fast erleichtert aufzuatmen, weil das zwar eine Menge ist, aber nicht so viel, wie befürchtet und auch keineswegs unmöglich zu bezahlen, als sie nachsetzt: >Das ist ein unheimliches Vermögen, von dem ich früher nicht zu träumen gewagt hätte, aber ich denke du liegst richtig damit, dass es besser ist, wenn ich versuche es selbst aufzubringen.< "Was?!" Erwidert er und glaubt seinen Ohren nicht zu trauen. Hatte er sich derart unverständlich ausgedrückt? Nein, auf keinen Fall! Sie redet schon weiter, spricht von Krediten und Sicherheiten und schmiedet Pläne, jahrelang irgendwo als Schätzerin zu arbeiten und zur Not jeden Heller ihres sauer verdienten Lohnes zur Seite zu legen, während er noch rätselt, wie sie ein paar einfache und seiner Meinung auch recht klaren Worte derart missverstehen kann. Hat sie mir eigentlich zugehört? "Ich habe nie behauptet, dass es besser wäre, wenn du das Geld allein aufbringst," stellt er richtig. "Ich sagte, für mich klang es so, als wolltest du das  alles allein bewältigen." Hätte er etwas davon geahnt, dass sie sogar mit dem Gedanken spielt, den Falben zu verkaufen, hätte er die Welt nicht mehr verstanden. Hätte er etwas von ihren gedanklichen Unterstellungen zum Thema "mein und dein" gewusst, wäre er ernsthaft wütend geworden, denn sie sind alles andere als fair. >...doch, das dürfte funktionieren und ich muss uns als Familie nicht in Geldsorgen bringen.<

"Das tust du nicht. Fünfundzwanzig bis dreißig Goldstücke ist kein so hoher Betrag, dass wir es uns nicht leisten könnten. Selbst wenn dein Laden keinen Erfolg haben sollte und du alles verlierst, dann ist es eben weg. Es wird uns vielleicht ein wenig weh tun, aber nicht ruinieren." Bisher hatte sich Diantha wenig für den Inhalt der Schatzkammern interessiert, er kann sich noch nicht einmal daran erinnern, dass sie auch nur einmal während ihrer Ehe danach gefragt hätte. Er selbst kann auch nicht bis auf den letzten Heller aufzählen, wie groß die Summen oder Werte sind, die dort lagern, aber er hat zumindest einen groben Überblick. Sie sind beide nicht sonderlich verschwenderisch veranlagt, sie pflegen keinen extravaganten Lebensstil, sie brauchen keinen teuren Luxus und zum täglichen Leben reicht ihnen sein Sold vollkommen, selbst wenn größere Anschaffungen für die Kinder, für sie selbst oder ihr Heim vonnöten sind. "Du musst nicht erst jahrelang als Schätzerin arbeiten und deinem Traum nachjagen, Diantha, das ist doch albern. Wenn du mich unbedingt missverstehen willst, Conasg, dann kann ich das nicht ändern, auch wenn ich gern wüsste, warum, aber leg mir keine Worte in den Mund, die ich nie gesagt habe, aye?" Seine Stimme klingt nicht sonderlich vorwurfsvoll, eher müde und ernüchtert, auch wenn es ihn ärgert. Er meint, was er sagt, nicht mehr und nicht weniger - und auch nichts anderes. Und er hat ganz bestimmt nicht gesagt: Bring das Geld für deinen Laden gefälligst allein auf.

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 05. Apr. 2012, 23:00 Uhr
>"Ich habe nie behauptet, dass es besser wäre, wenn du das Geld allein aufbringst. Ich sagte, für mich klang es so, als wolltest du das  alles allein bewältigen."<, erläutert Olyvar seinen Gedankengang, was Diantha nur noch mehr verwirrt. Sie weiß nicht, ob er ihr die Worte im Mund umdreht oder sie ihm – vielleicht tun sie es auch beide. Sie kann sich nicht erinnern gesagt zu haben, dass sie aus dem Nichts ohne Geld einen Laden aus dem Boden stampfen wolle, aber vielleicht war sie doch ungenau mit ihren Worten. Schon seltsam, wie man sich mit demselben Mensch manchmal blind verstehen kann und in einer anderen Situation überhaupt nicht weiß, worauf er hinaus will. Wahrscheinlich haben es die Spitzohren mit ihrem Gedankending manchmal doch leichter als wir Menschen. Vermutlich wäre es am einfachsten gewesen, mich hinzustellen und zu sagen: Schatz, ich will einen Laden und du sollst es bezahlen. Denn auch wenn sie es in andere Worte gepackt hat, das ist doch letztlich das, was sie möchte, auch wenn es wie der Wunsch einer gelangweilten Ehefrau klingt. Naja, wenigstens profitiert er finanziell genau davon, wenn das Unternehmen gelingt. Jetzt erläutert er ihr, dass die Summe keinerlei Problem darstelle, selbst wenn sie alles verlöre. Das ist gut zu wissen, aber die Imemrfrosterin ist sehr überzeugt davon, dass es dazu keinesfalls kommen wird. Natürlich muss man die Möglichkeit in Betracht ziehen, vor allem wenn ihr jemand von der Gilde nicht wohlgesonnen ist und versucht sie abzusägen. Anderseits muss man auch Dianthas starken Willen einrechnen – wenn sie sich einmal etwas in den Kopf setzt, dann tut sie alles dafür, zur Not geht sie auch mit dem Kopf durch die Wand. Es ist zwar schon eine Weile her, dass sie ganz alleine für sich sorgen musste und versuchte auf der Straße über die Runden zu kommen. Trotzdem hat sie diese Zeit geprägt, sie geht nicht blauäugig und naiv an ihren Plan heran, sie weiß, wie hart der Ton unter Händlern sein kann. Es gibt so gut wie nichts, was ihr nicht schon um die Ohren geschleudert wurde, die einzige Beleidigung, die sie noch nicht zu hören bekommen hat, ist die, dass sie eine schlechte Mutter ist oder Dinge über ihre Kinder. Auch das würde sie überleben, sollte es denn passieren und sie würde schon eine angemessene Antwort bereit haben.

Olyvar jedenfalls scheint sich noch weiter erklären zu wollen: >„Du musst nicht erst jahrelang als Schätzerin arbeiten und deinem Traum nachjagen, Diantha, das ist doch albern. Wenn du mich unbedingt missverstehen willst, Conasg, dann kann ich das nicht ändern, auch wenn ich gern wüsste, warum, aber leg mir keine Worte in den Mund, die ich nie gesagt habe, aye?“< Einen Moment lang blinzelt sie ihren Mann ungläubig an, sie kann es gar nicht fassen, dass er ihr vorwirft ihn missverstehen zu WOLLEN. Einige Augenblicke lang steigt Ärger in ihr hoch, warum behandelt Olyvar sie wie ein kleines bockiges Kind? Dann schluckt sie den Großteil wieder herunter, sie ist schließlich entgegen dem, wie er sie zu sehen scheint, keine zickige Diva, die ihren Mann aus Spaß falsch versteht und an der Nase herum führt. „Vielleicht haben wir uns beide auf dem falschen Fuß erwischt, ich versuche jedenfalls nicht, dich missverstehen zu wollen  und dir Worte in den Mund zu legen. Stattdessen habe ich den Eindruck, dass du dasselbe bei mir tust“, entgegnet sie, lenkt dann allerdings ein: „Der Tag war lang und ereignisreich für uns beide, für mich noch dazu ziemlich aufwühlend, vielleicht wäre es am besten, wenn wir morgen noch einmal darüber reden, wenn wir beide wieder einen klaren Kopf haben.“ Der Wein hat bei ihnen beiden seine Spuren hinterlassen und wenn Diantha eins weiß, dann ist es, dass Gespräche auf angetrunkenen Kopf meist nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Manchmal wie in der Laube damals schon, aber das war ja auch etwas anderes. „Jetzt sollten wir ins Bett gehen, sonst kommen wir morgen nicht aus den Federn und wenn du möchtest, könnten wir ja zusammen zum Schatzmeister gehen, was hältst du davon?“

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 25. Apr. 2012, 20:38 Uhr
Diantha klingt eingeschnappt als sie erwidert, dass sie sich möglicherweise auf dem falschen Fuß erwischt hätten und Olyvar zieht fragend die Stirn in Falten. Auf dem falschen Fuß erwischt? Ich glaube eher, wir reden irgendwie aneinander vorbei... Doch noch bevor er etwas antworten kann, spricht sie schon weiter. >Ich versuche jedenfalls nicht, dich missverstehen zu wollen und dir Worte in den Mund zu legen. Stattdessen habe ich den Eindruck, dass du dasselbe bei mir tust.< "Wie bitte? Wo habe ich dir etwas in den Mund gelegt?" Nun ist es an ihm, erst verwirrt, dann verärgert zu sein und vermutlich hört man es ihm auch an, schließlich bemüht er sich nicht darum, ihr irgendetwas vorzumachen. "Du hast gerade eben gesagt, ich läge richtig damit, dass es besser wäre, du würdest versuchen, das Geld allein aufbringen. Doch das waren deine Worte, Diantha, nicht meine. Ich selbst habe das nie gesagt, mit keinem Wort. Was ich sagte war, dass ich glaubte, du würdest meine Hilfe gar nicht wollen, sondern das alles aus eigener Kraft auf die Beine stellen – ich habe nicht gesagt, dass es besser wäre, wenn du es so machen würdest. Du hättest das mit einem Satz klarstellen können." >Der Tag war lang und ereignisreich für uns beide, für mich noch dazu ziemlich aufwühlend, vielleicht wäre es am besten, wenn wir morgen noch einmal darüber reden, wenn wir beide wieder einen klaren Kopf haben.<

Olyvar schüttelt nur den Kopf – er würde nicht so zu Bett gehen, nicht mit all diesen Missverständnissen zwischen ihnen und schon gar nicht, ehe die Unstimmigkeiten aus der Welt geschafft sind, doch genau das schlägt sie vor - jetzt doch besser schlafen zu gehen. So, sie beide verärgert, unverstanden, den Kopf voller kruder Gedanken, und halb geahnten, halb gefühlten gegenseitigen Vorwürfen im Inneren. "Wenn du schlafen gehen willst, geh. Aber ich werde das nicht tun. Ich kann nicht neben dir liegen und so tun, als wäre alles in Ordnung so lange ich nicht weiß, warum du wütend auf mich bist. Und das bist du, nicht wahr? Warum sagst du mir nicht einfach, was wirklich in dir vorgeht, Diantha? Oder ist das hier ein klassischer Fall von 'Frauen sagen doch nicht, was sie wollen, aber sie nehmen das Recht für sich in Anspruch, sehr unangenehm zu werden, wenn sie es nicht bekommen'? Ich kann keine Gedanken lesen, aber ich bin nicht blind. Allein in der letzten halben Stunde hast du ungefähr viermal ausgesehen, als würdest du auf eine saure Frucht beißen oder würdest mich am liebsten treten. Ich habe absolut nichts dagegen, dass du unter die Schmuckhändler gehen willst, ich habe dir gesagt, dass ich dir helfen werde so gut ich kann, was also passt dir nicht? Wenn... falls du möchtest, dass ich weiß, was dir im Kopf herum geht, dann wirst du es mir einfach sagen müssen."          

Titel: Re: Der Westflügel der Steinfaust
Beitrag von Diantha am 26. Apr. 2012, 09:25 Uhr
Als Olyvar Diantha mitteilt, dass er jetzt nicht schlafen gehen kann, ist noch alles gut. Sie hält es zwar nach wie vor für die verantwortungsbewusstere Lösung, da sie beide am kommenden Tag einiges zu tun haben, was man im halbwachen Zustand schlecht kann. Außerdem kann es manchmal sehr helfen über einen Disput zu schlafen, weil man mitunter am nächsten Morgen feststellt, dass er lächerlich war. Doch sie kann auch verstehen, dass man zu aufgewühlt zum Schlafen sein kann und lieber einen Streit beilegen möchte, bevor man zu Bett geht. Daraufhin fordert Olyvar, dass sie ihm doch erzählen solle, was in ihr vorgeht, lässt ihr dazu aber keine Gelegenheit, sondern unterstellt ihr stattdessen ein Vorurteil über Frauen, dass ihr die Spucke wegbleiben lässt. Für einen Moment scheint die Zeit langsamer zu vergehen und die Immerfrosterin schaut in die stahlgrauen Augen ihres Mannes, die ihr plötzlich fremd vorkommen. Sie hört nur noch stark gedämpft, was er nach >nicht bekommen?< sagt, sie starrt ihn hauptsächlich an und kann es nicht fassen. Dabei spürt sie ein überaus bitteres Gefühl in sich aufsteigen, dass sie zugleich wütend schreien, als auch verzweifelt schluchzen lassen könnte. Eins ist sicher: Die Immerfrosterin hat in den letzten Jahren gelernt, ihr Temperament zu zügeln und nicht gleich bei jeder Kleinigkeit aus der Haut zu fahren. Mit diesem lächerlichen, frauenfeindlichen Vorurteil, das ihrem Empfinden nach rein gar nichts mit ihr zu tun hat, ist nun ihre Grenze erreicht. Wäre sie noch immer dieselbe Frau wie beim Inarifest vor vielen Jahren, hätte sie vermutlich das Weinglas nach Olyvar geschmissen oder den Tisch umgeworfen. Jetzt treibt sie der Zorn nur auf die Beine und sie blitzt ihren Mann wutentbrannt an. „Was mir im Kopf herum geht? Dass ich mich langsam ernsthaft frage, ob es gut ist, wie du mich siehst!“ Sie bemerkt, dass sie ihre Stimme ganz schön gehoben hat und senkt sie wieder, damit sie die Kinder nicht weckt. Zum Glück haben alle drei einen gesunden, festen Schlaf, sodass sie nicht einmal Unwetter hören, sonst wären sie jetzt vermutlich schon wach.

„Warum es so auf mich wirkte, als ob du wolltest, dass ich das Geld allein aufbringe? Ganz einfach: Nachdem ich gesagt habe, dass ich es ohne dein Geld – oder unser Geld, wie man es sehen möchte – nicht schaffen kann, hast du mir erst einmal lang und breit ausgeführt, dass du dachtest, ich wollte das ganz allein, mit nicht vorhandenem Geld machen. Dann hast du dein Glas angegrinst um mir danach zu erzählen du seist nicht schuld daran, ob ich meinen Traum verwirklichen kann oder nicht, egal ob du mir Geld gibst oder nicht. Wie soll ich denn das verstehen! Ich habe es so verstanden, dass du irgendetwas furchtbar witzig findest, dir aber verkneifst, es laut zu sagen! Wie soll ich mich denn da ernstgenommen fühlen?“ >Außerdem ergibt der Gedanke einfach keinen Sinn, ich habe lange genug auf der Straße gelebt um zu wissen, dass man von vielem träumen kann, das man ohne eine finanzielle Grundlage und harte Arbeit niemals erreicht.< Nach wie vor spricht sie mit gesenkter Stimme, dafür bebt diese umso mehr vor Wut. „Aber ja, das Gefühl nicht wirklich ernst genommen zu werden zieht sich durch unser ganzes Gespräch!“ Einen nach dem anderen zählt sie die Punkte auf, die ihr quergeschossen sind: „Zuerst vermittelst du mir ein schlechtes Gewissen, weil es ja so schlimm von mir ist, keine Steinfaustlady zu sein. Das wusstest du von Anfang an! Außerdem halte ich es für Unsinn, dass die Steinfaust unbedingt eine Lady braucht, du hast sie schließlich auch schon vor mir geführt, aber vielleicht war Kizumu eine bessere Lady oder Herrin. Ich habe jedenfalls nicht gelernt einen Hofstaat zu organisieren und nur durch eine Hochzeit in den Adel kriegt man nicht das Wissen in den Kopf, dass adlige Mädchen im Laufe ihres Lebens lernen. Warum sollte ich mich also aufspielen, als wüsste ich irgendetwas besser als irgendein Küchenjunge oder eine Wäscherin?“ Mal ganz davon abgesehen, dass sie von einigen der Küchenangestellten und Wäscherin durchaus glaubt, dass ihre organisatorischen Fähigkeiten besser ausgeprägt sind, als Dianthas „Ich bin nicht mehr wert, ich habe keine übermenschlichen Fähigkeiten, die mich dazu berechtigen, mich zu ihrer Herrin zu machen. Und wenn es ein Problem gibt, mit dem sie zu niemand anderem kommen können, dann wissen sie alle, dass sie zu mir kommen können!“ Es wird voraussichtlich noch eine lange Nacht werden, denn in der Laune, in der die junge Frau gerade ist, wird sie zur Not auch bis zum Morgengrauen diskutieren.

Mit funkelnden Augen fährt sie fort: „Als nächstes bezeichnest du mich als albern, unterstellst mir dich absichtlich falsch zu verstehen und dir Worte in den Mund zu legen. Dabei hat deine Gestik und Mimik, oder auch dein Glasangrinsen wirklich Bände gesprochen, so blind, das nicht zu sehen, bin auch ich nicht. Außerdem kenne ich dich nicht erst seit gestern und wenn du anfängst zu grinsen oder seltsam zu lächeln, dann hat das in der Regel schon richtig was zu bedeuten. Das alles drei zusammen hat mich wirklich verletzt, ich verstehe nicht, wie du auf so einen Gedanken kommst. Warum sollte ich dich falsch verstehen WOLLEN? Worte können nun mal unterschiedliche Bedeutungen haben, je nach Situation und Auslegung, das hat nichts mit bösem Willen von meiner Seite zu tun! Ich kann genauso wenig in deinen Kopf schauen wie du in meinen! Ich verbitte mir jedenfalls die Unterstellung, dir Übles zu wollen oder mich zu zieren wie eine verzogene Göre. Wenn ich etwas nicht sage, was mir auf der Zunge liegt, dann kann das daran liegen, weil es gerade nicht zu dem Thema passt und ich nicht ablenken möchte oder daran, dass es einfach nicht zielbringend in der Situation ist.“ Sie hat sich angewöhnt über das, was sie sagen will, erst einmal nachzudenken, damit es zu keinen Zwischenfällen wie auf dem Marktplatz mehr kommt. Es ist schließlich auch ein Schritt des Erwachsenwerdens zu wissen, wann man einfach den Mund halten sollte, wenn alle reden und wann man ihn aufmachen sollte, wenn sonst jeder schweigt. „Und jetzt zu deiner letzten Aussage, die mich wirklich erschüttert hat: Ist dir mein Verhalten wirklich so unbegreiflich, dass du mit beleidigenden Vorurteilen ankommen musst?“ Am liebsten würde sie ihren Mann in diesem Moment aus voller Kehle anschreien, doch sie hält sich natürlich zurück, schlägt dafür nur für sie beide hörbar mit der Faust auf den Tisch und zischt: „Kennst du mich denn tatsächlich so wenig? Bin ich deiner Ansicht nach etwa auch nur ein ‚klassicher Fall von Frau‘? Denn dann, Olyvar, kennst du mich wirklich schlecht.“ Sie reißt sich vom Tisch los, um nicht noch einmal darauf zu schlagen, bringt einen Schritt Abstand zwischen sich und Olyar und geht ein paar Schritt auf und ab.

„ Zusammengefasst siehst du mich also als verantwortungslos, weil ich mich vorm Ladysein drücke, als albern, als absichtlich falschverstehend, als Wortverdreher und als klassische zickige, dämliche, verwöhnte Hausfrau, die ihren Mann planvoll quält und alles kriegen will, wonach ihr der Kopf steht, ohne zu fragen.“  Sie schüttelt das blonde Lockenchaos, das es nur so fliegt und ist mittlerweile an dem Punkt von Wut und verletztem Stolz angekommen, der darin besteht, schon fast wieder lachen zu können. „Wie konntest du dich nur dazu bereit erklären, so ein Monster in Menschengestalt zu lieben und zu ehren, die Treue zu halten und zu beschützen? Um das zu tun musst du ja geradezu Übermenschliches leisten!“ Ihre Worte sind hart, das ist ihr bewusst, aber das waren seine nicht weniger, wie spitze Stacheln, die sich in ungeschütztes Fleisch bohren. Sie hätte nie zuvor nie gedacht, dass Olyvar sie so sehen könnte, sie wäre noch nicht einmal im Entferntesten auf die Idee gekommen.



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