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Das Rollenspiel >> Die Stadt Talyra >> Der Sithechtempel
(Thema begonnen von: Niniane am 09. Sept. 2003, 22:47 Uhr)

Titel: Der Sithechtempel
Beitrag von Niniane am 09. Sept. 2003, 22:47 Uhr
Dort, wo die Begräbnisstätten mit der Südmauer abschließen, erhebt sich aus dem Silbergras ein wuchtiger, nachtschwarzer Kubus von seltsam mattem Glanz - der Sithech Tempel Talyras. Er erscheint auf den ersten Blick kleiner und weniger imposant als die gewaltigen Bauten des Tempelviertels, auf den zweiten Blick jedoch offenbart sich dem aufmerksamen Betrachter seine ungewöhnliche Einzigartigkeit: die Mauern sind spiegelglatt, doch ihre Schwärze reflektiert kein Licht, scheint es aufzunehmen und zu trinken. Aufwendige, vollkommen symmetrisch veschlungene Muster laufen um den gesamten Tempel, deren Geometrie dem Betrachter fremd erscheint, so daß es schwer ist, ihnen wirklich zu folgen. In sie eingelassen sind hohe, schmale Fenster aus rauchgrauem, bleigefaßtem Glas. Rabenstatuen aus schwarzem Onyx und Achat breiten ihre Flügel um die spitzen Fensterbögen, so unglaublich kunstfertig gearbeitet, daß sie auf den ersten Blick lebendig wirken, im Flug erstarrt.
Breite, mitternachtsdunkle Stufen führen hinauf zu zwei hohen Torflügeln aus anthrazitgrauem Eisenholz. Ihre Beschläge sind aus Bronze und Eisen, den Metallen des Winters, und ihre Schnitzereien zeigen kleine, zarte Totenfalter und mächtige, klauenbewehrte Greife.  Über dem Tor spreizt ein riesenhafter Rabe seine Flügel, gleichsam das halbe Mauerwerk überspannend, aus dem selben glatten und lichtschluckenden Stein wie der gesamte Tempel - nur seine Augen schimmern rot, als erfülle sie ein geheimnisvolles, inneres Feuer.
Im Inneren des Tempels herrscht immer Düsternis, denn die schmalen Fenster aus grauem Rauchglas lassen nur wenig Dämmerlicht herein - aber es ist eine warme Dunkelheit, die jeden willkommen zu heißen scheint, der die heiligen Hallen Sithechs betritt.

Zwei Säulenreihen aus Obsidian, Achat und schwarzem Marmor tragen das hohe Dachgewölbe, das sich völlig in der Finsternis verliert. Schwarze Seidenschleier mit zarten, silbrigen Fäden darin verhüllen die Wände hinter den Säulen und teilen die Schreine der Archonen vom Hauptraum des Tempels ab. Dutzend hohe, weiße Kerzen umkränzen in verschlungen geformten Bronzehaltern die Säulen, winden sich in spiralen an ihnen empor und  werfen matten, warmen Schein in die Dunkelheit ringsum. Gegenüber des Eingangs erhebt sich hinter einem schlichten Altar, einem einzigen, schwarzen Basaltblock, die hohe Statue Sithechs selbst. Sie zeigt einen asketisch wirkenden Silberelben in rauchgrauem Umhang, das düstere und doch schöne Gesicht von einer Kapuze überschattet. Auf der linken Schulter des Götterbildes sitzt ein Rabe, dessen Augen den Besucher mit eigenartigem Glanz zu mustern scheinen und zu seinen Füßen sammelt sich stets feiner, grauer Nebel.
Hinter den Säulenreihen befinden sich die Schreine von Sithechs Archonen - Kenen, Gebieterin über Eis und Schnee, thront als alabasterweißes Marmorbildnis mit einem Kranz aus Eiskristallen im Haar schneeweiß und leuchtend inmitten der Dunkelheit, zu ihren Füßen ein liegender Irbis.

Das Bildnis Nurms wirkt fast unscheinbar, grau und gütig, doch auf dem kleinen Altar vor der Statue der Archonin liegen stets zahllose Blüten und brennen Dutzende von Lichtern - kleine Opfergaben der Trauernden, die auf ihren Beistand hoffen.
Kyroms Schrein hingegen ist der schwärzeste Ort des Tempels und obwohl nichts an der Dunkelheit hier beängstigend oder kalt wirkt - von der Statue des Purpurtods geht etwas Unheimliches aus. Purpurnes Feuer leckt in den leeren Augenhöhlen des geschnitzten Skeletts aus Ebenholz und hunderte von Totenfaltern flattern in seinem Schrein, das Wispern ihrer Flügel ein unablässiges Flüstern von unabwendbar Kommendem.
Das Bildnis Llaerons ist aus kostbarem Glas und zeigt einen androgynen Elben, dessen linke Hälfte hell und klar erscheint, dessen rechte aber dunkel, rauchig und undurchsichtig wirkt. Flankiert wird er von zwei sitzenden Greifen, die Räucherschalen in ihren Krallen halten. Zu ihm kommen vor allem Seher und Gelehrte, Sterndeuter, die die Zukunft zu ergründen suchen und andere, die etwas über ihr Schicksal erfahren wollen.
Der abgeschiedenste Schrein des Sithechtempels gehört Sarurnir, Herr über Wahnsinn und Krankheit und vor der Statue des Archonen, einem Kobold mit ungleichen Augen und einer goldenen Pestmaske über dem Gesicht quillt der Altar über vor Opfergaben - denn viele versuchen ihn milde zu stimmen oder sind mitleidig mit jenen, die er in seinem Griff hält.




Im Sithechtempel

Ygerne Silberlied
Für eine Menschenfrau ist die Hohepriesterin des Sithech außergewöhnlich groß gewachsen und überragt mit ihren knapp sechs Fuß Körperhöhe so manchen Mann. Sie mag weit über fünfzig Jahresläufe zählen, doch sie wirkt seltsam alterslos und ihre scharf geschnittenen Züge sind von jener reinen, strengen Hoheit, die ein edel geformtes Gesicht im Lauf der Zeit annimmt. Ihr glattes, meist streng nach hinten frisiertes Haar ist von hellem Braun, durchsetzt von silberschimmernden Strähnen, und ihre Augen sind von einem klaren, sehr dunklen Blau. Oft wirkt sie kühl und frostig, wie der Gott, dem sie dient, doch der Eindruck täuscht, und hinter der unergründlichen Fassade verbirgt sich eine zwar stille und besonnene, zugleich aber auch warmherzige und gütige Priesterin.

Khalkhis von Klingenfall
Der Scriptor und Archivar im Tempel des Sithech ist ein äußerst gebildeter Mann und ein Schriftgelehrter mit schier unermesslichem Wissensschatz. Der Immerfroster ist ein Mann des Wortes und beherrscht fließend die meisten Immerländischen Sprachen und unzählige Dialekte, ist bewandert in vielen Wissenschaften und der Historie des Landes. Sein Äußeres ist schlicht und bescheiden und lässt kaum vermuten, welch brillanter Geist sich in dieser unauffälligen Hülle verbirgt. Khalkis, der das sechzigste Lebensjahr schon längst vollendet hat, ist mittelgroß, von eher blasser Gesichtsfarbe, trägt stets schlichte Roben und sein eisgraues Haar recht kurzgeschnitten. Das ungewöhnlichste in seinem ansonsten gewöhnlichen Gesicht sind die Augen, die klar und rein in einem silbrigen Grau erstrahlen.

Skarmendes
Der Novizenmeister und hochgestellte Priester gilt bei seinen Schülern als strenger Lehrherr und wird von vielen wegen seiner oft herrischen Art gefürchtet. Ein gewisser Hochmut liegt in seinen aristokratischen Zügen mit den durchdringend blickenden stahlblauen Augen und der schmalen Nase, die entfernt an einen hakigen Vogelschnabel erinnert. Sein nachtschwarzes Haar, das er zu einem langen Zopf gebunden trägt, zeigt trotz seines fortrgeschrittenen Alters noch keinen Anflug von Grau, und nur die tiefen Furchen in seinem Gesicht und der bittere Zug um seinen schmallippigen Mund lassen auf die wahre Zahl seiner Jahre schließen.  

Nechta Graulicht
Nechta, eine Priesterin des Sithech, ist die Oberste der Schweigenden Schwestern und zugleich die Herrin des Gräber. Ihr obliegt es zusammen mit den Grauen Frauen, wie sie auch genannt werden, sich um die Toten zu kümmern, Bestattungen vorzunehmen und die Heiligen Haine des Sithech zu hüten. Nechta Graulicht ist angesichts der schweren Aufgabe, die sie übernommen hat, mit ihren gut dreißig Lenzen noch recht jung an Jahren, und so mancher fragt sich, was eine hübsche, blühende Frau, wie sie eine ist, mehr zu den Toten als zu den Lebenden zieht. Sie ist eine stille Person, mittelgroß und von schlanker Gestalt, das schmale, schöne Gesicht mit den vollen Lippen und den haselnussbraunen Augen wird von einer glänzenden Flut dunklen Haares eingefasst, die sie jedoch stets in einem schmucklosen Zopf versteckt.

Krötenaug und Klageweh
Die beiden Totengräber und Friedhofsdiener sind so unterschiedlich, wie zwei Personen nur sein können. Krötenaug trägt seinen Namen zu recht, denn er hat tatsächlich Glubschaugen, die ihm ständig aus den Höhlen zu quellen drohen. Zudem ist er mit einem Aussehen und einem Gesicht gestraft, das wirklich nur eine Mutter lieben kann. Sein Gesicht ist eine Mischung aus Pfannkuchen und pockennarbiger Kraterlandschaft, eingerahmt von zottigem mausbraunem Haar, das mehr gehäckselt als geschnitten wirkt, und seine Ahnenreihe scheint ein wildes Sammelsurium aller möglichen Rassen zu sein. Groß und plump wie er ist, muss wohl auch ein Oger oder ein Narg eine Rolle gespielt haben, doch als Ausgleich für seine Hässlichkeit wurden ihm ein herzensgutes Wesen und vor allem Bärenkräfte in die Wiege gelegt. Klageweh, sein totengrabender Kollege, reicht ihm gerade mal bis zur Brust und ist auch sonst alles andere als athletisch gebaut. Er ist ein buckliges, kleines Männlein, mit fedrigem weißen Haar, das ständig in alle Richtungen absteht und ihm das Aussehen einer elektrisierten Pusteblume gibt. Mit Krötenaug verbindet ihn ein immerwährender Streit - der Friedhofsriese hält ihn für einen weinerlichen Jammerlappen, während Klageweh seinen überdimensionierten Kollegen einen hirnlosen, tumben Plumpsack schimpft. Doch beide sind sich trotz ihrer Dauerfehde in herzlicher Freundschaft zugetan und einer ist so gut wie nie ohne den anderen anzutreffen.

Brecca, Cruth, Fenora, Eisfalk, Nessel und Kupferkopf - einige Novizen des Tempels  

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 10. Sept. 2003, 00:49 Uhr
Still wie ein Schemen durchschreitet die Frau den hohen Raum und ihre Robe leuchtet wie frisch gefallener Schnee in der samtigen Dunkelheit des Tempels. In der angemessenen Entfernungen von mehreren Schritten hält sie vor dem Altar des Gottes inne und richtet die grauen Augen nach oben, wo sie auf dem Antlitz des Gottes zur Ruhe kommen. Nach all den Jahren spricht ihr Blick noch immer von der bedingungslosen Liebe und Demut vor ihrem Gott, Sithech, der Herr über denWinter und den Tod, des Totenreichs und des Langen Schlafes.

"Sieben Steine aus Silber und eine Krone für den Herren Aêyolirias."

Die Stimme der Priesterin ist dunkel. Sie neigt den Kopf in stillem Gruß, ehe sie verharrt, die Hände vor dem Leib geschlossen. Der Nebel zu Füssen der Sithechstatue scheint sie einzuhüllen und sie mit sanfter Berührung zu umschmeicheln. Nimoe lächelt sanft, und tritt einen Schritt zurück, um sich vor ihrem Gott zu verneigen. Ihre bloßen Füsse hinterlassen leise Geräusche auf dem kalten Boden, während sie mit einer ruhigen Gelassenheit der Türe zustrebt, um in das Grau des jungen Tages zu treten.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 17. Sept. 2003, 21:30 Uhr
Die Sonne steht schon hoch, obwohl der Tag noch jung ist. Tau überzieht das Silbergras und Nebelfetzen treiben wie Schiffe still über das Meer der Grabstätten hinweg. Nimoe jedoch ist schon lange wach. Sie sitzt im Scriptorium, einem unscheinbaren Anbau am hinteren Ende des Tempels, wo sich auch ihre und die Räume der Priester befinden. Pergamente und andere Aufzeichnungen türmen sich in geordnetem Chaos auf dem massiven Schreibtisch, dem einzigen Einrichtungsgegenstand neben einem großen Ohrensessel und einigen kleineren Stühlen und einem Eichenholztisch für Empfänge. Die Hohepriesterin runzelt die Stirn, greift zur Feder und taucht den Kiel abermals in ein hohes Fass nachtschwarzer Tinte. Aber ihre Rechnung stimmt. Das Gold würde knapp werden für den Rest dieses Jahres und soviel Dinge waren zu erledigen, zu reparieren und zu ersetzen. In einer Geste flüchtiger Verzweiflung wendet sie ihre Augen zur schlicht gemauerten Decke.

In diesem Augenblick klopft es an der Tür und Nimoe sieht auf. "Herein, nur herein." Sie lässt sich in den Sessel zurücksinken und noch ehe Dwayne erscheint, erfüllt der betörende Duft von Totenblumen den Raum. Nimoe atmet tief ein und der intensive Geruch der Pflanzen erfüllt sie mit einer seltsamen Gelassenheit. "Möge Sithech dich segnen." Dwayne erwidert den Gruß.  Ein Lächeln zaubert viele kleine Fältchen um die Augenwinkel der Hohen, dann blickt sie wieder ernst. "Es muß noch vieles erledigt werden, ehe der Winter kommt. Sobald es deine Zeit zulässt,dann geh nach Talyra. Im Tempel findest du Weihrauchkessel, acht an der Zahl. Nimm sie und bring sie zu einem Schmied. Sie müssen ausgebessert und poliert werden." Denn neue können wir uns nicht leisten. Und die Gewänder... Aber sie nimmt sich vor, diese Angelegenheit selbst zu regeln.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Dwayne am 18. Sept. 2003, 00:43 Uhr
Es ist still im Tempel als Dwayne die heilige Halle betritt.In seinen Händen hält er einen grossen Korb voller Todesblumen, die er heute morgen auf dem Friedhof gepflückt hat. Aufmerksam lässt er seinen Blick durch den grossen Raum streifen - sieht aber nur einen Novizen der den Altar reinigt.
Dann begibt er sich vor die grosse, ehrfurchtserregende Statue des Sithech wo er ein kurzes Gebet ablässt und daraufhin schnell die Halle in Richtung Priestertrakt verlässt.
Dort angekommen führt ihn sein Weg vorbei an den einfachen Behausungen der Priester zum Zimmer der Hohepriesterin und Führerin dieses Tempels - der Lady Nimoe. Vorsichtig lauscht er um herauszufinden ob die ehrwürdige Dame gerade Besuch empfängt und von daher keinen Besuch duldet, doch er hört nichts und klopft deswegen kräftig an...dreimal.
Als er den Ruf Nimoes hört doch bitte einzutreten greift seine Hand nach dem Türknauf, drückt ihn herunter und öffnet behutsam die Tür. Daraufhin tritt er in den asketisch wirkenden, vor Dokumenten überquellenden Raum ein und schliesst die Tür hinter sich.
"Möge der grosse Sithech euch segnen und behüten", grüsst er die Priesterin und verbeugt sich. Daraufhin stellt er den Korb voller Blumen zu Boden des Tisches ab und nimmt seine AUfgaben für den heutigen Tag entgegen.
Acht Weihrauchkessel soll er nehmen und zu einem Schmied zur Reparatur bringen.
"Selbstverständlich euer Ehrwürden. Ich werde mich auf der Stelle darum kümmern."
Erneut verbeugt er sich knapp und verlässt den Raum wieder um seiner Aufgabe nachzugehen...

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 18. Sept. 2003, 13:07 Uhr
Die Ergebenheit des Gehilfen treibt Nimoe ein Lächeln ins Gesicht und als er das Scriptorium verlässt beugt sie sich hinab um eine der Blumen aufzunehmen, deren violette Blüte sie mit ihrem Duft einzuhüllen scheint. Manchmal meine ich, dass sich immer mehr den Göttern abgewandt haben. Ihre Gedanken schweifen ab zu den Kammern im Adeptentrakt, die zur Hälfte leerstehen. Vielleicht fürchten sie den Tod so sehr, dass sie kein Interesse mehr daran haben, ihm auch noch ihr Leben zu widmen. Momente lang hängt sie ihren Gedanken nach. Dann erhebt sie sich und nimmt den Korb auf. Ein junger Priester ist es, dem sie die Pflanzen übergibt und ihm aufträgt, sie ins Heiligste zu bringen. "Geh ins Handwerkerviertel und mach einen Schneider ausfindig. Er soll herkommen, denn wir benötigen Gewänder für den Winter." Der junge Mann, der kaum mehr als zwanzig Sommer zählt, nickt und entbietet ihr einen Gruß, ehe er in die Düsternis des Tempel davongeht.


Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 20. Sept. 2003, 16:45 Uhr
Es ist bereits Mittag, bald Zeit, um ein Mahl zu sich zu nehmen, doch Nimoe hat keinen Hunger. Man würde ihr das Fehlen am Mittagstisch nachsehen. Die Stapel von Pergamenten und anderen Aufzeichnungen sind niedriger geworden, aber die finanzielle Lage des Ordens mußte dem Stadtrat vorgebracht werden, dringend. Beim nächsten Raed.. Nimoe streckt den Rücken durch, als es leise an der Türe klopft.

Auf ihr Zurufen öffnet sich die Türe und das schmale Gesicht des Adepten erscheint. "Verzeiht, der Schneider ist hier, wie Ihr es gewünscht hab." Nimoe nickt und der Adept tritt zurück, um Nibrir Einlass zu gewähren. Nimoe tritt auf ihn zu und neigt den Kopf. "Möge Sithech Euch segnen, dass Ihr so schnell kamt."

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nibrir am 21. Sept. 2003, 02:51 Uhr
Während Nibrir vor der reich verzierten großen Flügeltür steht und auf den Adepten wartet, der ihn kurz ankündigen wollte, schaut er sich noch einmal in dem riesigen Gebäude um. Er hatte sich auf seinem Weg durch die dunklen Räume mehr als einmal dabei ertappt, wie sein Blick an den massigen Steinsäulen emporgewandert war, doch er hatte nichts erkennen können, nichts außer einem tintigen Schwarz, welches sich hoch über seinem Kopf zu verlieren schien. Die Gänge selbst sind nur mit kleinen Kerzen ausgeleuchtet, ansonsten ist das Innere des großen Tempels vollkommen dunkel. Wüsste er nicht, dass er vor erst wenigen Minuten noch in der prallen Mittagssonne gestanden hatte, er könnte nun unmöglich die Tageszeit schätzen; hier im Inneren des Tempels scheint es ihm, als stehe die Zeit immerfort still.

Der Adept ist inzwischen wieder zu ihm getreten und bedeutet ihm mit einem handzeichen und einem unterwürfigen Nicken, einzutreten. Der Schneider kommt der Aufforderung auch sogleich nach und findet sich daraufhin der Hohepriesterin des Tempels gegenüber wieder. Diese begrüßt ihn förmlich und Nibrir tut es ihr nach, da er ja keine Ahnung von den Sitten und Bräuchen dieses Kultes hat. Er wartet einen kurzen Moment, ehe er die Priesterin anspricht.

"Ihr habt mich gerufen, Priesterin? Was wünscht Ihr von mir?"

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 21. Sept. 2003, 12:02 Uhr
Nimoe weiß, wie der Tempel auf einen Fremden wirkt: düster, geheimnisvoll, fernab von der Welt und dem Tageslicht. Vielleicht ist das der Grund, warum kaum einer Sithech dienen will. Sie studiert die Mimik des Schneiders aufmerksam, doch sie findet nichts darin ausser einer gewissen Befremdlichkeit, die wohl jeder empfinden mag, der das erste Mal hier ist.

Sie deutet auf den Eichenholztisch und die Stühle, deutet ihm, dass er sich setzen möge, und als er das getan hat, lässt sich sich ihm gegenüber nieder. Er wirkt elegant, fast reich, so wie er dort sitzt, und er wirkt sehr jung. Nach einigen scheinbar endlosen Minuten schließlich lächelt Nimoe ihr Gegenüber an.

"Ich will mich nicht mit vielen Worten aufhalten. Wir benötigen Gewänder für den Winter. Einfache Roben doch aus einem wärmenden, gebleichten Stoff." Der junge Adept betritt das Zimmer, ohne mehr Geräusche als nötig zu verursachen und schenkt dem Gast aus einer rauchglasigen Karaffe frisches Wasser in einen Kelch, ehe er sich wieder zurückzieht. "Könnt Ihr uns ein Angebot machen für ein gutes Dutzend solcher Gewandungen?"

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nibrir am 21. Sept. 2003, 16:16 Uhr
Nibrir hört der Hohepriesterin aufmerksam zu und nickt dem Adepten kurz zu, als dieser ihm einschenkt. Er überlegt einen Augenblick lang, ehe er Nimoe antwortet:

"Ihr benötigt also ein dutzend Gewänder? Nun, das ließe sich durchaus machen, glaubt mir. Ich müsste wohl erst nach einem geeigneten Stoff schauen, aber ich denke, dass ich Euch bereits jetzt ein ungefähres Angebot unterbreiten kann." Er grübelt einen Moment lang und fährt dann mit geschäftlicher Stimme fort.

"Zwölf Gewänder wären das dann also, ich würde sie Euch für jeweils ein Silberstück schneidern. Nein, sagen wir, für zehn Silberstücke insgesamt. Vorausgesetzt, sie sollen nicht sonderlich pompos oder auffalend sein, dann müsste ich den Preis etwas anheben. Aber ich glaube nicht, dass die Gewänder des Tempels besonders auffalend sein sollen, oder?"

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 22. Sept. 2003, 23:29 Uhr
"Ein Silberstück?" Nimoes Gesicht hellt sich sichtbar auf. "Das wäre wunderbar. Vielleicht könnt Ihr mit einigen Stoffproben nochmals herkommen, so dass wir auswählen können? Eure Mühen sollen natürlich nicht umsonst sein. Und nein, unsere Roben sind schlicht, es gibt keinen Grund für aufwendige Kleidung im Dienst eines Gottes, wenn Ihr versteht." Ihre Lippen verziehen sich zu einem schmalen Lächeln. Der Preis, den der Schneider bietet, ist weitaus mehr als in Ordnung.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Dwayne am 23. Sept. 2003, 12:14 Uhr
Ausgelaugt durch die unbarmherzigen Strahlen der hoch am Himmel stehenden Sonne kehrt Dwayne zum Tempel zurück. Seine Aufgabe, die 8 Weihrauchkessel zu einem fähigen Schmied zur Reparatur zu bringen hat er vollbraucht und nun steht er etwas verloren inmitten der grossen Eingangshalle. Was ist heute noch zu tun? Hm...ich könnte noch einmal den Hain abgehen. Oder vielleicht sollte ich erstmal zur ehrwürdigen Nimoe gehen und ihr Bericht erstatten. Hm... Zufällig schaut er in Richtung der grossen Sithechstatue und sein Blick bleibt auf den Raben auf der Schulter seines Gottes hängen, der ihn merkwürdigerweise genau zu mustern scheint. Ein kalter Schauer läuft Dwayne den Rücken runter und er verlässt die Halle schnell in Richtung der Priesterquartiere. Hier bleibt er vor dem Arbeitszimmer Nimoes stehen und atmet tief durch. Schon so lange diene ich Sithech...doch stets bereitet mir der Blick dieses Raben Unbehagen. Es scheint so als würde er in mein Innerstes blicken und all meine Fehltaten analysieren... Er reibt seine Hände noch einmal kurz aneinander, bevor er an der Türe lauscht, ob die Hohepriesterin gerade Besuch empfängt. Und tatsächlich hört er gedämpfte Stimmen durch das Holz der Tür dringen. Eigentlich sollte ich die Hohepriesterin ja nicht stören wenn sie Besuch empfängt...aber wenn ich schonmal hier bin, kann es nicht schaden wenn ich ihr schnell von meiner Aufgabe berichte..., geht ihm durch den Kopf, als er dreimal kräftig gegen die Tür klopft.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 24. Sept. 2003, 13:44 Uhr
Der Schneider nickt und erklärt sich bereit, mit einigen Stoffproben zurückzukehren. Nimoe erhebt sich mit ihm und entbietet ihm einen Gruß, während sie ihn zur Türe geleitet. Welch ein eleganter junger Mann. Und sie ist sicher, dass jemand, der sich so edel zu gewanden weiß, mit Sicherheit eine gute Qualität liefern würde. Nibrir will soeben seine Hand auf den Türknauf legen, als ein kräftiges Klopfen erklingt und als sie öffnen, steht Dwayne vor der Tür. Er wirkt etwas verunsichert, als er sich dem Schneider gegenübersieht, aber Nimoe lächelt ihm zu und fordert ihn auf einzutreten, während Nibrir sich verabschiedet.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Dwayne am 24. Sept. 2003, 14:08 Uhr
Noch während er an die Tür klopft öffnet sich diese und Dwayne sieht sich der Hohepriesterin und einem elegant wirkenden, blonden Mann gegenüber. Leicht irritiert blickt er den Mann an, der mit seiner Kleidung und seiner ganzen Art so gar nicht in den Tempel zu passen scheint. Doch dann bemerkt er das warme und freundliche Lächeln Nimoes die ihn mit einer knappen Handbewegung auffordert einzutreten und sich gleichzeitig von dem blonden Mann verabschiedet. Schnell betritt Dwayne das Arbeitszimmer und wartet, darauf dass Nimoe die Tür schliesst und sich ihm widmet. Als diese sich schliesslich umdreht, spricht Dwayne sie an: "Ehrenwerte Nimoe, ich hoffe doch sehr, dass ich euch und euren Gast nicht unterbrochen habe. Aber ich wollte euch unbedingt davon berichten, wie es um die Weihrauchkessel steht". Und so gibt er ihr eine knappe, aber äussert genau und präzise Zusammenfassung seiner Begegnung mit dem Schmied. "Der gute Mann hat mir versichert, dass er die Kessel in allerspätestens 4 Tagen repariert haben wird und sie dann persönlich in den Tempel zu bringen gedenkt. Sein Name lautet Taran." , beendet er seine Zusammenfassung und schaut die Hohepriesterin erwartend an.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 24. Sept. 2003, 14:39 Uhr
Taran.. mir scheint, es hat sich viel geändert in der Stadt. Vielleicht sitze ich auch nur viel zu viel innerhalb dieser Mauern ohne etwas mitzubekommen von dem, was draussen vor sich geht. Ihr Blick ruht abwesend auf Dwayne, der dort steht und sie erwartungsvoll ansieht. Was für ein seltsamer junger Mann er doch ist. Widmet sein ganzes Leben dem Tempel, ohne doch selbst an dem Leben darin teilzuhaben. Wird irgendwann einmal der Tag kommen, an dem er uns verlassen wird um eine eigene Familie zu gründen? Sie weiß, es würde ihr leid tun, auch wenn sie ihm das Beste wünschen würde. Ihr wird bewußt, dass er noch immer geduldig auf ihre Reaktion wartet. "Ja. Ja, das ist gut. Hab Dank, Dwayne." Wieder scheint sie in Gedanken zu versinken und tatsächlich versucht sie Ordnung in selbige zu bringen, die sich immer und immer wieder um die Finanzen und den kommenden Winter drehen wie Motten um ein Licht in der Nacht. "Wenn es deine Zeit erlaubt.. Dwayne, dann möchte ich dich bitten dir anzusehen, wieviel Vorräte uns für den Winter bleiben und was noch gekauft werden muß, solange die Märkte voll sind von den Ernteerträgen." Etwas leiser fügt sie hinzu: "Und wie das Gold einzuteilen ist für diese Dinge." Sie weiß nicht einmal, ob er lesen kann, wie ihr in diesem Moment bewußt wird.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Dwayne am 24. Sept. 2003, 14:59 Uhr
Dwayne wird das Gefühl nicht los, dass Nimoe in ihren Gedanken ganz wo anders ist.Sie wirkt so müde und ängstlich, als ob sie vor der Zukunft Angst hätte...und irgendwie scheint sie gerade nicht so recht gewusst zu haben, was sie mit mir machen soll. Als Nimoe ihn plötzlich wieder, ganz unerwartet anspricht, erschrickt Dwayne ein wenig. Sie trägt ihn auf, die Vorräte für den Winter zu begutachten und diese nach Bedarf aufzustocken. "Aber Herrin...", bringt er stockend hervor. "...wie soll ich herausfinden wieviele Vorräte wir noch haben?" Sein Blick gleitet vorsichtig hinunter und ängstlich stammelt er hervor: "Ich kann doch weder lesen, noch zählen"
Schüchtern tritt er zwei Schritte zurück, als würde er eine Strafe erwarten und wagt es gar nicht erst aufzublicken.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 24. Sept. 2003, 15:51 Uhr
Nimoe bereut es fast, ihn in diese Situation gebracht zu haben, als sie sieht, wie er vor ihr steht, völlig beschämt über die Tatsache, dass er weder lesen noch schreiben kann. Tröstend legt sie ihm eine Hand auf die Schulter. "Das soll kein Hinderungsgrund für dich sein. Wenn du es möchtet, so sollst du lesen und schreiben lernen."  Ein aufmunterndes Lächeln begleitet ihr Worte. "Ich glaube nicht einmal, dass für diese Aufgabe selbiges von Nöten ist, aber es mag dir hilfreich sein, diese Kenntnisse zu erwerben." Schüchtern schaut er sie von unten herauf, so weit das möglich ist, denn er ist größer als sie selbst. "Laß uns im Lager gemeinsam nachsehen, wie es um die Vorräte bestellt ist und dann werden wir sehen, was zu tun ist."  Ohne seine Reaktion abzuwarten öffnet sie die Türe und lässt ihn vorausgehen. Ihr wird mehr als jemals zuvor bewußt, dass sie fast gar nichts weiß über diesen Mann, der seit so langer Zeit im Dienste des Tempels steht und sich mit rührender Hingabe um alles gekümmert hat, was jemals angefallen war.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nibrir am 29. Sept. 2003, 16:43 Uhr
Groß und beinahe bedrohlich liegt der Tempel vor ihm, als der Schneidermeister gegen abend dort ankommt. Momentan dreht sich alles in seinem Kopf nur um Shehra, es gibt soviele Geheimnisse, die darauf warten, aufgedeckt zu werden, und er hat sicherlich noch nicht im Entferntesten alle gefunden. Erst jetzt fällt ihm ein, dass er wesentlich langsamer und gemächlicher gegangen ist, als er es sonst zu tun pflegt, und er muss leicht darüber lächeln. Soeben will er den Tempel durch das große Tor betreten, als er etwas weiter hinter sich seinen Namen vernimmt. Er wendet überrascht den Kopf in diese Richtung und ist umso erstaunter, als er einen kleinen Jungen sieht, der in schnellem Tempo auf ihn zu läuft. Was will dieses Gör von mir?, schießt es ihm blitzartig durch den Kopf. Er bleibt also stehen und rümpft beim Näherkommen des Kleinen leicht die Nase, denn er riecht stark nach Fisch und ist auch sonst nicht gerade mit Schönheit gesegnet worden. Die krumme Nase sticht wie ein Berg aus dem Gesicht hervor, die Haare sind wirr und hängen ihm ungepflegt ins Gesicht.

"Was willst du?", fragt Nibrir unfreundlich, als der Junge vor ihm stehen bleibt.

"Entschuldigt bitte, Meister Nibrir, aber ich habe einen Brief für Euch." Mit diesen Worten hält er dem Schneider ein Pergament entgegen, welches dieser rasch an sich nimmt und dem Jungen mit einer fahrigen Handbewegung zu verstehen gibt, er solle verschwinden. Nibrir streift das Band von dem Pergament und rollt dieses auf, wobei ihm die Schrift sofort ins Auge sticht, denn sie kommt ihm nur allzu vertraut vor.

"Liebster Nibrir,

ich musste leider überstürzt abreisen. Ich kann nicht sagen, wann ich zurück sein werde, aber zwei Wochen werde ich sicher weg sein. Viel lieber wäre ich hier geblieben, doch leider lässt sich die Sache nicht aufschieben. Ich werde Dir vielleicht alles erzählen, wenn ich zurück bin. Bis dahin hoffe ich, dass Du mir mein plötzliches Verschwinden nicht übel nimmst.

In Liebe
Shehera"

Ungläubig liest er den Brief noch einmal, ehe er ihn in seine Tasche steckt, ohne weiter groß darüber nachzudenken. Etwas geknickt ist er schon, denn Shehera hatte noch vor einer Stunde mit ihm zusammen beim Essen gesessen und nichts dergleichen erwähnt, aber sie hatte ja selbst geschrieben, es habe sich kurzfristig ergeben. Momentan kann er sowieso nichts anderes tun als Vermutungen darüber anstellen, wieso sie so schnell verschwinden musste.

Also betritt er kurz darauf den Tempel und erkundigt sich nach der Obersten, die allerdings nicht in ihrem Zimmer zu finden ist. Er lässt einem der Brüder also eine kleine Nachricht an Nimoe da und lässt auch die Stoffe bei dem Mann liegen mit der Bitte, Nimoe zu sagen, dass sie sich doch bitte mit ihm in Verbindung setzen solle wegen der weiteren Arbeiten. Mit einem fröhlichen Gesicht verlässt er dann nach einigen Minuten wieder die Stille des Hauses und macht sich auf den Weg zur Schneiderei.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Dwayne am 29. Sept. 2003, 19:39 Uhr
Sichtlich verwirrt von Nimoes freundlichem Verhalten, lässt sich Dwayne von ihr durch das Gebäude führen. Sie kann doch nicht ernsthaft gemeint haben, dass man mir Lesen und Schreiben beibringen würde. Ich meine...ich bin ein einfacher Mann ohne Namen...warum sollte man mir gestatten so etwas lernen zu dürfen...?! Vorbei an den Schlafquartieren der Priesterschaft, folgt er Nimoe, die sich zielsicher in Richtung Vorratskammer bewegt. "Sagt mir ehrenwerte Hohepriesterin. Wenn ich Lesen und Schreiben lernen möchte...wie soll ich die Zeit dafür aufbringen ohne meine Pflichten im Tempel zu vernachlässigen? Der Hain muss täglich gepflegt werden und auch sonst fallen viele Arbeiten im Tempel an die selten Aufschub dulden..." , bringt er vorsichtig hervor und schaut ihr dabei ins Gesicht. "Ich möchte meine Pflichten Sithech gegenüber wahrlich nicht vernachlässigen...nicht dass der Zorn des Herrn auf mich fällt"

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 29. Sept. 2003, 20:40 Uhr
Nimoes bloße Füße bewegen sich fast lautlos über den Boden, doch die Kälte spürt sie nicht. Der Gang erstreckt sich lang und aus bloßem grauem Stein gemauert hin. Links und rechts zweigen in regelmässigen Abständen einfache Holztüren ab, die zu den Quartieren der Priester und Adepten führen. Und neben jeder von ihnen ist eine Pechlampe angebracht, deren Licht den fensterlosen Gang Tag und Nacht mit goldenem Schein erhellt. Nimoe lächelt leise. "Eine Stunde am Tag wird deiner Arbeit nicht schaden. Im Gegenteil. Ich frage mich manchmal, ob der Tempel überhaupt noch Stein auf Stein stehen würde, wenn du nicht wärst. Und Sithech wäre wohl kaum damit einverstanden, wenn wir eines seiner Häuser einstürzen liessen." Dwayne senkt abermals den Blick zu Boden, aber Nimoe sieht, wie sich seine Wangen rot färben.

Schließlich endet der Gang vor einer massiven Tür aus dunklem Holz und Nimoe schiebt den schweren Riegel beiseite. Auch hier gibt es keine Fenster, so dass sie sich die Lampe neben der Türe mitnehmen müssen um sehen zu können. Regale überziehen zwei der Wände und auf ihnen lagert Eingemachtes und Geräuchertes. Die gegenüberliegende Wand ist hinter Jutesäcken kaum zu erkennen. Nimoes Blick wandert über die Vorräte, die im ersten Augenblick reichlich erscheinen. Aber das Mehl würde kaum für genug Brot reichen, um die vielen Münder im Tempel den Winter über füllen zu können. "Wir benötigen Mehl und ein wenig Salz und Hefe. Auch die Weinvorräte neigen sich dem Ende zu." Nimoe seufzt und reibt sich die Hände an ihrem Gewand. "Es wird nötig sein die Bücher zu aktualisieren und den Bestand zu erfassen. Das werden wir gemeinsam tun, dann sehen wir schon, was noch gebraucht wird."

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 01. Okt. 2003, 15:18 Uhr
Nachdem sie aus dem Vorratsraum zurückgekehrt sind, ist Dwayne eilig aber mit einem seligen Grinsen nach draussen verschwunden. Mir soll es recht sein. Nimoe hegt ernste Zweifel an ihrer Fähigkeit andere im Lesen und Schreiben zu unterrichten. Doch sie stellt auch fest, dass sie keine Ahnung hat, ob es in dieser Stadt entsprechende Einrichttungen gibt, die ihr diese Aufgabe abnehmen können. Ein Klopfen unterbricht ihre Gedanken und einer der Priester steckt den Kopf zur Tür herein. Er überbringt ihr mehrere Stoffproben sowie die Nachricht des Schneiders, sie möge sich mit ihm in Verbindung setzen, sobald sie eine Entscheidung getroffen hätte. Der Mann will schon wieder gehen, doch Nimoe ruft ihn zurück. "Welchen Stoff würdest du nehmen, um Gewänder für den Winter daraus zu machen?" Alwin, ein untersetzter Mann Ende dreißig mit erstaunlich wenig Haaren auf dem Kopf, betastet vorsichtig die dicke Wolle. Die Proben ähneln sich allesamt in Farbe und Beschaffenheit, manch einer davon weicher, ein anderer rauer, doch alle sind dunkel gefärbt. "Diesen hier." Alwin befühlt das Material ausgiebig. Es ist weich, doch nicht zu weich und ziemlich dick. Es würde hervorragend wärmen, wenn die Stadt erst einmal unter einer weißen Schneedecke verborgen lag. Nimoe lächelt. "Das wäre auch meine Wahl gewesen. Und er sagte, ich solle mit ihm in Verbindung treten?" Auf das Nicken des Mannes erhebt sie sich. "Dann werde ich das wohl auch gleich tun." "Soll ich Euch begleiten?" Sie überlegt einen Augenblick, dann schüttelt sie leicht den Kopf. "Nein, nein. Ich denke, ich werden den Weg schon alleine zurückfinden." Sie schenkt ihm ein dankbares Lächeln und Alwin erwidert es.

Nachdem er das Scriptorium verlassen hat, wirft sich Nimoe einen Umhang aus indigofarbener Wolle um, ein teures Stück und ihr einziges für solche Zwecke. Alles andere, was sich an Kleidung im Besitz der Priester befindet, ist zweckmäßig und nicht nach Schönheit ausgewählt. Schließlich streift sie sich noch weiche, lederne Stiefel über, denn die Stadt würde sie nicht barfuß betreten wollen. Und mit den Stoffproben unter dem Arm verlässt die Hohepriesterin schließlich den Tempel.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Taran am 27. Nov. 2003, 19:09 Uhr
Die hohen, schlanken Zypressen heben sich gespenstisch und schwarz gegen das Dämmerlicht am Horizont ab, als Taran den Hain betritt. Und ebenso gespenstisch wirken die Umrisse der Grabsteine und beinahe lebendig wirkenden Statuen, an denen er vorüber geht. Auf vielen der Gräber brennen kleine Totenlichter, die wie winzige Leuchtpunkte in der Dunkelheit schimmern - oder wie glühende Augen, die jeden seiner Schritte zu verfolgen scheinen. Tagsüber mag der Hain wie ein weitläufiger Park anmuten, doch des nachts wirkt er alles andere als gemütlich und so legt der Schmied einen Schritt zu und folgt dem schmalen Kiesweg, bis er den Tempel erreicht.

Beinahe wie von selbst und völlig lautlos schwingen die schweren Türflügel auf und schließen sich hinter ihm ebenso geräuschlos wieder. Beeindruckt von der Größe und der Eleganz des Gebäudes bleibt Taran zwischen zwei der schlanken Säulen stehen und schlägt die Kapuze seines Umhangs zurück, um sich in der Halle umzuschauen. Er muss nicht lange warten, bis zwei Priesterinnen in nebelgrauen Gewändern auftauchen, die ihn nach seinem Begehr fragen. Als er ihnen erklärt, was er in der Schatulle mit sich führt, nicken sie nur, als würden sie über alles Bescheid wissen und heissen ihn einen Augenblick zu warten.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Taran am 27. Nov. 2003, 22:01 Uhr
Taran hat genug Zeit, sich umzusehen und durch die sanft erleuchtete Halle zu schlendern, deren Decke so hoch über ihm aufragt, dass sich das Gewölbe in der Dunkelheit verliert. Ein wenig misstrauisch beäugt er die imposanten Statuen Sithechs und seiner Archonen und ist so in Gedanken und seine Betrachtungen versunken, dass er zusammenschreckt, als eine der beiden Priesterinnen wieder zurückkehrt und leise zu ihm tritt. Sie neigt lächelnd das Haupt und berichtet ihm, dass Nimoe, die Hohepriesterin, derzeit nicht im Tempel sei, dass sie selbst aber angewiesen worden ist, die Schatulle entgegenzunehmen und ihm seinen Lohn auszubezahlen. Und so wechseln die dunkle Holzschatulle und ein reichlich schwerer, mit Münzen gefüllter Leinenbeutel die derzeitigen Besitzer. Die Priesterin, eine schöne, stille Frau mit klaren Gesichtszügen und blauschwarzem Haar, mustert ihn mit einem wohlwollenden Seitenblick, während sie die Schatulle einem der Tempeldiener übergibt. Als sich ihre Blicke treffen, schlägt sie jedoch die Augen nieder, verabschiedet sich von ihm und verschwindet hinter einem der silberschwarzen Schleier, die sich zwischen den Säulen durch die Kerzenwärme sanft bewegen. Mit einem wehmütigen Lächeln in den Mundwinkeln schaut Taran ihr nach, dann knüpft er den Beutel mit dem Geld an seinen Schwertgurt und wendet sich zum gehen.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Mechthild am 14. Jan. 2004, 14:50 Uhr
Während Mechthild sich auf den Weg zum Tempel macht, laufen Kinder hinter ihr her. Dies ist jedes Mal wieder ein Phänomen. Man möchte denken, dass Kinder durch ihre boshafte und mürrische Art abgeschreckt wären, doch genau diese Art scheint sie eher anzuziehen. Zwar schauen sie etwas ängstlich drein, raffen aber immer wieder den Mut zusammen, Lieder über Mechthild zu singen, die keineswegs nett gemeint sind.

"Scherrt euch fort.", ruft Mechthild ihnen zornig zu, während sie stehen bleibt und sich zu ihnen herum dreht. "Ich kenne euch alle und auch eure Eltern. Und diese würden euch mit Freuden den Hintern versohlen, wenn sie wüssten, was ihr tut, wenn ihr eigentlich im Haushalt helfen solltet und euren Müttern zur Hand gehen oder den Garten umgraben."

Die Kinder weichen etwas zurück und zufrieden von sich selbst geht Mechthild weiter. Eine Weile kommen ihr die Kinder noch nach, doch irgendwann bleiben sie zurück. Erst denkt Mechthild, sie hätte sie verscheucht und ist stolz auf sich. Doch dann merkt sie, dass sie schon fast vor Sitechs Tempel steht. Und wie jedes Mal, jagt er ihr einen gewaltigen Schauer über den Rücken. So beänstigend und beeindruckend wirkt er auf sie und sie wird ganz still.
Langsam und bedächtig, mit gesenktem Kopf, Gebete murmelnd, betritt sie den Tempel des Gottes der über sie und ihre Schwester wacht. Niemand stört sie in ihren Gebeten, denn ihr Gesicht ist hier schon bekannt und ihre Spenden sind jedes Mal sehr großzügig.

Nicht lange verweilt Mechthild in diesem Tempel, denn jedes Mal wirkt er angsteinflößend auf sie. Als sie den Tempel wieder verlässt, atmet sie tief durch.
"Das nächste Mal ist Gretel wieder dran.", grummelt sie dann.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Cleyron am 24. Apr. 2004, 16:18 Uhr
Beeindruckt pfeift Cleyron durch die Zähne, während er das Gebäude betrachtet.
Es ist ihm bereits häufig passiert, dass in noch größeren Städten als Talyra es nur eine winzige Hütte als Tempel für den Gott des Todes gab, oder der Tempel mehrere Meilen vor der Stadt lag, oder es überhaupt keinen gab.
Die Menschen wollen selten an den Tod erinnert werden und noch ungerner bauen sie Gebäude und Tempel zu seinen Ehren.
Dieser hier gehört zu den schönsten Sithechhäusern, die der Ehemalige bisher gesehen hat, auch wenn sicher viele den Tempel für alles andere als schön halten.

Mit einem Grinsen auf den Lippen nähert sich Cleyron dem Gebäude, doch kaum ist er über die Schwelle getreten, ist es bereits verschwunden, als wäre es nie dagewesen.
Es ist einer jener seltenen Momente, in denen der Ehemalige vollkommen ernst und konzentriert, beinahe emotionslos ist.
Vielleicht liegt es daran, dass er sich in den Hallen Sithech's stets tot fühlt. Die Illusion des Lebens, der er sich nur allzu häufig hingibt, schwindet und macht der düsteren Realität Platz. Im Grunde, ist er lediglich eine Leiche, die der Gruft entkommen ist.
Seine Schritte hallen seltsam dumpf durch die verlassenen Gänge. Manchmal ist ihm, als sähe er in dem spiegelnden Stein der Wände einen Schatten, vielleicht sich selbst.
Dann steht er vor der Statue des Herrn des Winters und des Todes. Ehrfürchtig neigt er das Haupt und betrachtet dann lange den kunstvoll behauenen Stein.
"Ich habe dich lange nicht mehr besucht.", stellt Cleyron mit heiserer Stimme fest. "Verzeih mir, ich werde es nachholen, solange ich hier verweile."
Lange steht er so dort, mit leicht geneigtem Kopf, als erwarte er eine Antwort. Die Stille um ihn herum nimmt zu und legt sich wie ein zweiter Umhang um seine Schultern. Ihm fällt ein, dass Aurian noch immer seinen Umhang hat, da er sie seit jenem Tag nicht mehr gesehen hat.
Seine Augen suchen die der marmoren Statue. Bittend erheben sich seine Hände. "Lass sie sein wie die Elben, sollte sie mit den Elben verwandt sein, lass ihr dieses Blut, welches sie nicht sterben lässt, schick ihr keinen deiner Boten. Sonst werde ich in ein paar Jahren unglücklich sein und vielleicht vollständig dir gehören."
Auf diese heiseren, mehr gehauchten, gedachten Worte, als wirklich gesprochen, folgt wieder eine lange Stille, dann legt er ein paar Münzen zu Füßen der Statue und entzündet zwei Kerzen.
Er hebt die Hand wie zum Gruß, dreht sich um und verlässt ruhigen Fußes das Haus.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Gretel am 27. Juni 2004, 11:21 Uhr
Gretels betritt den Sitechtempel mit tiefer erfurcht und geht langsam und leise in die Hallen des Tempels, um die Ruhe nicht zu stören.Sie tritt zum Altar und lässt sich vor ihm nieder um zu beten, sie dankt Sithech und seinen Archonen dafür, dass alle geschlachteten Tiere in der Fleischerei gesund waren, auch dankt sie Sarunir dafür, dass sie und Mechthild noch nicht von Krankheiten oder Wahn befallen wurden. Sie bittet darum, dass es auch weiterhin so sein möge und das Llaeron ihnen weiterhin dieses Leben gewähre, so dass Kyron sie auch nicht frühzeitig mit seiner Fähre hole.
Danach legt sie ihre Opfergabe in Forme einiger Silbermünzen vor der Statue auf den Boden, steht auf, verneigt sich nochmal und tritt dabei ein paar Schritte zurück, ehe sie kehrt macht und zum Ausgang geht. Als sie wieder vor dem Tempel steht, lächelt sie, dankt Sithech nochmal stumm für alles und macht sich auf den Rückweg zur Fleischerei Riethaus.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Kea am 19. Aug. 2004, 12:28 Uhr
Als Kea den Sithechtempel erreicht, lässt sie sich langsam von Edanwens Rücken gleiten. Sie ist zwar schon ein ganzes Jahr hier in der Stadt und hatte auch keine Hilfe gebraucht um den Tempel zu finden, aber bis jetzt ist sie noch nie hier gewesen. Ehrfürchtig geht Kea auf das dunkle Gebäude zu, jeden Schritt über die schwarzen Stufen setzt sie bedächtig und besieht sich derweil der glatten Mauern. So dauert es einige Zeit bis Kea das Ende der Stufen erreicht und am Tor angelangt wendet sie sich noch einmal zu ihrem Hengst um.
Sei so gut, warte hier auf mich und stell nichts dummes an! Edanwen senkt den Kopf mit den gespitzten Ohren etwas und Kea kann in seiner ganzen Körperhaltung sehen, dass er es sich gemütlich macht. Sie lächelt und zieht dann unter dem feurigen Blick des schwarzen Rabens die Schultern hoch. Auch das Innere des Tempels ist dunkel, aber langsam beginnt Kea sich zu entspannen und sie schreitet auf den Altar zu hinter dem sie schon vom Eingang aus das Bildnis des Gottes Sithech sehen kann. Irgendwie beschleicht sie das Gefühl, dass der Rabe auf der Schulter des Gottes sie beobachtet, auch wenn das wohl nicht möglich ist. Vor der Statue bleibt sie stehen und richtet ihre Augen auf das Gesicht Sithechs, das von einer Kapuze verhüllt ist. Lange Zeit steht sie einfach nur da und schaut das Götterbild vor sich eindringlich an, dabei verliert sie kein Wort und kein Gedanke richtet sich an den Gott. Schließlich ist das erste was sie macht, sich zu verneigen und danach sieht ihre ganze Haltung weit demütiger aus und nicht mehr wie die eines trotzigen Kindes dem man sein Spielzeug gestohlen hat.
Es war noch viel zu früh... Ihre Gedanken gehen in eine ganz andere Richtung als Kea es sich eigentlich vorgenommen hatte. Schließich bringt es nichts dem Gott Vorwürfe zu machen, er hat ihre Mutter und ihren Bruder nicht umgebracht, er hat sie nur in sein Reich aufgenommen. Mit dieser Erkenntnis beginnt Kea für den ewigen Frieden ihrer Familie zu bitten. Nach dem sie das beendet hat, gibt sie Sithech noch eine kleine Opfergabe dar und geht dann langsam weiter zum Bildnis der Archonin Nurm. Eine kleine gedrehte Kerze stellt sie zu all den anderen, besonders jetzt nach dem Nargfeldzug ist der Altar voller Kerzen und Blumen, und entzündet sie.
"Bitte! Hilf mir die Last zu tragen!" Ihre Worte sind leise, aber eindringlich und Kea hofft, dass die Archonin sie hören kann und auch erhören wird. Auch wenn sie nicht wirklich weiß wie Nurm das eigentlich anstellen soll, denn Kea ist sich sicher, dass nichts ihre Trauer lindern kann. Auch die Tatsache, dass ihre Brüder in Sûrmera genauso fühlen wie sie hilft nichts, im Gegenteil, der Gedanke, dass die Brüder unglücklich sind ist für Kea nur schwer zu tragen. Sie verneigt sich auch noch vor dem Standbild der Nurm und geht dann schnellen Schritten aus dem Gebäude.
Draußen schlägt ihr die heiße Luft entgegen die die kalten Steinmauern aus dem Tempel ausgeschlossen haben. Edanwen wirft den Kopf in die Luft und brummelt leise, während er mit gespitzten Ohren auf Kea zu kommt die sich noch von der zweiten Stufe aus auf seinen bloßen Rücken zieht und den Tempel verlässt.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Dror am 19. Nov. 2004, 00:06 Uhr
Zu jeder anderen Zeit, wäre Drors Blick sicherlich lange an den Verzierungen des Eingangs hängen geblieben, hätte er die Kunstfertigkeit der Handwerker bestaunt, die die Abbildungen der Vögel und der zahlreichen geschnitzten Totenfalter angefertigt hatten. Doch heute erinnern ihn ihre schwarzglänzenden Flügel lediglich an das düstere Reich, in dem ihr Herr regiert. Der Baumeister öffnet vorsichtig einen Flügel der Tür und als er in den Tempel hineinschlüpft, scheint es ihm als hätte der Rabe über dem Tor seine Schwingen herabgesenkt, um ihn mit Dunkelheit zuzudecken.

Es dauert einen Augenblick, bis sich seine Augen an das schwache Kerzenlicht gewöhnt haben. Doch schon bevor er die Statue auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes erkennen kann, glaubt er den strengen Blick zu spüren, welcher sich von den, unter der Kapuze verborgenen, Augen auf ihn zu richten scheint. Langsam, sich unter diesem Blick duckend, geht der Frostzwerg auf das Abbild Sithechs zu, bleibt schliesslich in einigem Abstand stehen und kniet, den Kopf gesenkt,  einen Moment vor dem Herrscher der Toten nieder.
Als er sich wieder erhebt, kann er im dämmrigen Licht hinter den grauen durchscheinenden Stoffbahnen einen weißen Schimmer erkennen. Er wendet seine Schritte dorthin und findet sich schliesslich vor dem Antlitz Kenens wieder, welches hier in der Dunkelheit, umso heller leuchtet.
 
Der Baumeister setzt sich vor ihren Schrein und schliesst die Augen. Kein Laut dringt an sein Ohr und er genießt die Stille, die sich immer weiter in ihm auzudehnen scheint. Hier, unter Kenens eisblauen Augen, hofft er endlich in Ruhe nachdenken zu können, um sein Schicksal akzeptieren zu lernen. Ihm wird das gleichmäßige Geräusch seines Atems bewußt, doch da ist noch etwas anderes. Er spürt einen eisigen Hauch auf dem Gesicht und die Dunkelheit unter seinen Augenlidern erhellt sich langsam, bis sich das Bild einer schneebedeckten Ebene bildet, welche sich bis zum nahen Horizont erstreckt und sich dort mit dem grauen Himmel vereint. Dror kann keine Landmarken ausmachen und wendet sich in diese und jene Richtung, doch es ist nicht mehr zu sehen, als weißgraues Nichts.  Vorsichtig nimmt er etwas von dem Schnee vor ihm auf und er wird ihm aus der Hand geweht. Der Wind wird stärker, als der Zwerg beginnt tiefer zu graben und wirbelt den Schnee vom Boden auf, so dass Flocken vor seinen Augen tanzen. Doch die Kraft des Windes ist nicht ungerichtet. Sie trägt den weißen Staub davon und nach und nach enthüllt sie einen dunklen Fleck vor seinen Füßen. Der Zwerg glaubt dort etwas vertrautes zu erkennen, doch gleichzeitig befällt ihn eine unbestimmte Angst vor dem, was dort nach und nach aufgedeckt wird. Erst zögerlich, dann immer hastiger versucht er es wieder mit Schnee zu bedecken, denn alles scheint ihm zu schnell zu gehen, doch er hat nur für kurze Zeit Erfolg. Mit neuer Kraft bläst der Wind, stärker als vorher und trägt die dicke Schneedecke Stück für Stück davon. Immer mehr wird nun freigelegt und der Zwerg stellt fest, dass er nicht mehr kontrollieren kann, was er zu sehen bekommt. Zum Vorscheinen kommen all die Ängste, die Verzweiflung und die Wut, die der Zwerg bisher verborgen hat. Doch auch die Hoffnung, sein Überlebenswillen und der Glaube daran, dass die Götter noch nicht endgültig über ihn entschieden haben, zeigen sich. Alles liegt plötzlich vor ihm, neben ihm, vermischt sich vom Wind getrieben zu einem Wirbel aus Gefühlen in dem Dror gefangen ist und schliesslich versinkt.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Dror am 19. Nov. 2004, 00:39 Uhr
Die Priester Sithechs sind es gewohnt, dass die Besucher ihres Tempels gerade hier, im Haus des Gottes dem oft Herzlosigkeit nachgesagt wird, ihre Gefühle zeigen. Sei es, um den Tod einer geliebten Person zu betrauern, sich um das Befinden eines längst Verstorbenen zu sorgen oder um darum zu bitten, dass ein Angehöriger nicht allzufrüh in das Reich der Toten gerufen wird. Die Diener des strengen Gottes haben solche Szenen oft gesehen und sie wissen, dass es danach oft einiger klarer, ruhiger Worte bedarf, welche dem Besucher ermöglichen seine Gedanken wieder zu ordnen.

So behält einer der Priester, während er einige der Halter vom Wachs befreit und mit neuen Kerzen besetzt, den Zwerg im Auge, welcher vor einiger Zeit den Tempel betreten hat. Fast scheint dieser, vor dem Schrein Kenens sitzend, in einen tiefen Schlummer gefallen zu sein, doch der Mann in der grauen Robe weiß, dass dieser Eindruck täuschen kann.

Als Dror die Augen wieder aufschlägt, fühlt er sich schwach. Wie nach einem Fieber oder einem langen Marsch scheint sich jegliche körperliche Kraft verflüchtigt zu habe. Vorsichtig bewegt er erst die Arme und dann die Beine, welche eingeschlafen sind, um sie langsam wieder an die Bewegung zu gewöhnen. Er spürt mehr, als er es hört, dass jemand neben ihn tritt und ihm eine Hand reicht, als er aufstehen will. Der Frostzwerg hält sich daran fest und dankt dem Priester anschliessend.
"Ist alles in Ordnung mit euch?" fragt dieser, als der Baumeister für einen kurzen Moment das Gleichgewicht zu verlieren droht.
"Ich glaube nicht", antwortet er, wobei er an seinem Rücken entlangfühlt. Sein Gegenüber scheint von der Antwort nicht überrascht sein, denn sein Gesicht, welches teilweise von der Kapuze seiner Robe verdeckt ist, zeigt keine Regung.
"Habt ihr einen Verlust erlitten?" fragt er erneut und Dror glaubt etwas Sanftheit in seiner Stimme auszumachen.
"Noch nicht", antwortet der Baumeister, auf weitere Ausführungen verzichtend. Dann entschliesst er sich aber doch den Rat des Priesters zu suchen: "Wie kann man sich darauf vorbereiten den Weg in Sithechs Reich anzutreten?"
Der Mann in der grauen Robe nickt kurz und überlegt einen Moment. Dann sagt er: "Ich hörte einst einen Barden singen, dass das ganze Leben ein wunderschöner, wunderschöner Tod ist. Ihr bereitet euch also euer ganzes Leben darauf vor, indem ihr es so lebt, wie ihr es für richtig haltet. Niemand weiß, wann Sithech die Zeit für gekommen hält, deshalb macht es keinen Sinn sein Leben zu ändern, wenn man meint, der Zeitpunkt wäre nahe."
"Und wenn ich den Zeitpunkt recht genau wüßte?"
"Es wäre anmaßend, zu glauben, die Pläne der Götter vorhersehen zu können."
Dror überlegt, ob der Priester ihm ausweichend antwortet. Er muss ihm teilweise recht geben, doch wenn es alles so einfach ist und man nur warten muss, bis es endlich geschieht, warum hatten dann nahezu alle Sterblichen Angst vor dem Tod? Er überlegt einen Moment, ob er dem Priester erklären soll, warum er diese Fragen stellt, doch da er glaubt dass sich an dessen Antworten nichts ändern würde, entscheidet er sich dagegen. Stattdessen fällt ihm noch eine weitere Frage ein: "Wie ist sie, diese letzte Reise in das Totenreich? Wird sie beschwerlich werden?"
Der Mann in der grauen Robe neigt leicht den Kopf und sagt, nach einem Moment der Stille: "Einst geriet ein Fischer auf dem Meer in eine starke Strömung, die ihn immer weiter von der Küste forttrieb. Lange Zeit versuchte er mit aller Kraft gegen die Kräfte der Natur anzukämpfen, doch es gelang ihm lediglich nicht weiter hinaus getrieben zu werden. Irgendwann übermannten ihn Schmerz und Müdigkeit und er gab den Widerstand auf. Seine Wunden konnten sich endlich schliessen, sein Schmerz wurde ihm genommen und die Sehnsucht nach der Küste. Schliesslich hatte er nur noch die Ruhe und Endlosigkeit um sich, als er an die Tore von Sithechs Reich gelangte."

"Mhmm...", brummt Dror und fragt sich in Gedanken: Muss man ein Meer befahren haben, um zu wissen, wie es ist zu sterben? Dann werde ich es wohl nie vorher in Erfahrung bringen können.
Der Baumeister bedankt sich noch einmal bei dem Priester und verabschiedet sich schliesslich. In den Innentaschen seiner Kleidung sucht er nach einigen Münzen, die er in die Opferschale vor Kenens Schrein legt. Nocheinmal kniet er vor dem Abbild der Frostmaid nieder und wendet sich dann dem Ausgang des Tempels zu. Als er ihn verläßt, fühlt sich sein Kopf leer an. Im Moment kann er nicht beschreiben, was und ob er überhaupt etwas fühlt. Es wird Zeit brauchen bis sich alles am richtigen Platz absetzt und er dann vielleicht wieder fähig ist, klare Entscheidungen zu treffen. Im Moment wird er sein Leben so weiterführen wie bisher und das heißt, dass er nun erst einmal weiter daran arbeiten würde, den Kamin in Schilamas Baumhaus fertigzustellen.

Als er wieder auf die Strasse tritt, ist es bereits spät am Nachmittag. Es wird ihm nicht mehr viel Zeit bleiben heute noch weiter zu bauen und er fühlt sich im Augenblick auch nicht in der Lage dazu, deshalb entscheidet er sich in das nahegelegene Handwerkerviertel zu schauen, ob der Tuffstein, den er bestellt hat, bereits bei Meister Tuohr angekommen ist.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 07. Jan. 2005, 00:45 Uhr
Nimoe ist beinahe froh wieder in den Tempel zurückkehren zu können. Es ist Winter, Silberweiß, der erste von zwölf Monden und dem Gott geweiht, dem die Hohepriesterin die beinahe sechzig Zwölfmonde ihres Lebens gewidmet hat und unter dessen verborgenen Augen sie auch diese Erde wieder verlassen würde - irgendwann, in ferner Zukunft. Mit erhabenen Bewegungen schreitet sie die schwarzen Stufe zu zum Tempel empor, dessen fremdartiges Äusseres ihr schon lange so vertraut, der ihr Heim ist seitdem sie ihn als junges Mädchen als Novizin das erste Mal hierher geschickt worden war. Die Torflügel öffnen sich wie von Geisterhand und schwingen geräuschlos zurück, um Nimoe eintreten zu lassen. Noch während sie das Tor durchquert streift sie sich die Kapuze ihres dunkelgrauen Mantels vom Kopf und taucht ein in die immerwährende Stille des Heiligtums. Sie hat keinen Blick für die wenigen Besucher des Tempels und die vorbeihuschenden Priester und Priesterinnen. Vorbei an nachtschwarzen Säule nähert sie sich langsam dem Bildnis des Gottes um in gemessenem Abstand davor innezuhalten und den Kopf in stillem Gruß zu senken.

"Herrin?"

Nimoe hebt den Kopf, einen unwilligen Zug um den schmalen Mund. Die Novizin wagt es nicht aufzublicken, ein junges Ding, das im letzten Frühjahr in den Tempel gekommen war. Wahrscheinlich, weil ihre Eltern sie nicht mehr hatten ernähren können und ihr ein Leben als Liebesdame, als Hure hatten ersparen wollen. Und so reißt der Strom der abgeschobenen Kinder nicht ab. Mond für Mond und Jahr für Jahr. "Was?" Nimoes Stimme ist frei von jeglicher Emotion, so kalt und klar wie der Winterhimmel. Das junge Ding - sie mag vielleicht zwölf, vielleicht vierzehn Zwölfmonde zählen - starrt noch immer in fahriger Verlegenheit ihre Fußspitzen an. "Wir warteten schon ungeduldig auf Eure Rückkehr. Der Spiegel, Herrin." Nimoe horcht auf. "Was ist mit dem Spiegel? Sprich!" "Er hat gesprochen, Herrin."

Einige Momente lang starrt Nimoe das rabenschwarze Haar des Mädchens an, das ihr in geflochtenen, glänzenden Zöpfen bis gut über die Hüfte reicht, dann wendet sie sich um und geht rasch an den Statuen der Archonen vorbei bis sie die Gänge der Priesterquartiere erreicht. Der Gang führt sie weiter hinein ins Herz der Tempelanlage, doch sie lässt die Unterkünfte rechterhand liegen und folgt stattdessen einer schmalen Treppe hinunter in den Keller. Pechfackeln vertreiben die Dunkelheit mit ihrem goldenen Licht, doch Nimoe hat dafür keinen Blick übrig. Sie folgt dem kerzengeraden Gang bis dieser vor einer Tür aus schwarzem Eisenholz endet, doch die Flügel sind nicht geschlossen. Dahinter ertönt aufgeregtes Flüstern und Getuschel. Energisch stößt die Priesterin die Türe auf. Der Raum vor ihr ist leer; ein kahlen, in die Erde und den Fels geschlagenes Zimmer, vielleicht acht Schritt in Breite und Länge, an dessen Kopfseite einige wenige Stufen zu einem Podest hinaufführen, auf dem der einzige Gegenstand platziert ist: ein übermannsgroßer, zinngerahmter Spiegel, der frei jeglicher Zier ist bis auf die Gestalt eines Rabens, der die Flügel über dem polierten Glas ausbreitet.

Augenblicklich verstummen die anwesenden Priester als die Hohe eintritt. "Was ist geschehen?" In kurzen Worten wird ihr berichtet, dass die purpurnen Schleier sich gelüftet und der Spiegel gesprochen habe, dass aber keiner so recht etwas der Botschaft hatte entnehmen können. Nimoe entgegnet nichts. Stattdessen geht sie auf das Orakel aus Glas und Metall zu, dessen Oberfläche in einem dunklen Violett zu glühen scheint. Dunkle Schlieren verzerren Nimoes Spiegelbild, doch ihr Blick ist nicht auf das Vordergründige, auf ihr Abbild geheftet. Dann verschwimmt das Bild, ordnet sich langsam neu und gibt dem Blick auf auf einen Steg über einem Bachlauf, der beinahe zur Gänge von zähem, weißem Nebel verhüllt ist. Ein Mann steht dort und sein Gesicht drückt blanken Schrecken aus. Langsam kommt das Bild näher und mit ihm schält sich eine schwarze Gestalt aus dem Nebel, die sich dem Mann langsam nähert, der seinerseits zum Angriff ansetzt. Doch der andere ist schneller, zieht ihn mit einer einzigen Bewegung zu sich heran, als würden die beiden miteinander tanzen. Und dann senkt er mit der tödlichen Präzision eines Raubtieres die Zähne in den Hals, lässt ihn jedoch dann los ohne ihn leerzusaugen, doch der folgende, kurze Kampf endet tödlich. Es braucht keine Worte um Nimoe zu sagen, dass es ein Vampir, ein Sithech-Jünger ist, den sie dort sieht und sie zieht scharf die Luft ein. Zorn steigt in ihr auf, Zorn auf den Vampir der es gewagt hat Hand an einen Menschen zu legen. Gottloses Geschöpf, hast du vergessen, wer dir dein untotes Leben geschenkt hat?

Sie wendet sich nicht um, doch ihre Worte klirren wie Eis in der atemlosen Stille.

"Bringt ihn zu mir, findet ihn und bringt ihn her!"

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Pjerun am 16. Jan. 2005, 20:41 Uhr
Mit dem Bündel unter dem Arm, in das der erste der Kelche eingewickelt ist, und total durchgefroren erreicht Pjerun schließlich den Sitech-Tempel. Jetzt wusste sie, dass es von ihrem Haus hierher eigentlich kein allzu langer Weg war…sie war nur in die falsche Richtung losgelaufen und hatte sich heillos verirrt, bis ihr ein sehr liebenswürdiger älterer Herr schließlich den Weg gezeigt hatte.

Pjerun selbst ist nicht unbedingt die gläubigste, aber beim Anblick des Tempels bleibt ihr doch für einen kurzen Moment der Mund offen stehen. Der Tempel des Gottes der Toten hat ihr schon immer ein ungutes Gefühl eingeflößt, doch dieser hier ist geradezu gespenstisch. Langsam geht sie auf die Schwelle zu und betritt den Tempel. Das ungute Gefühl in der Magengegend verstärkt sich nur, als das Tor hinter ihr zufällt. Die Düsternis im Inneren des Tempels könnte gut etwas vertrautes, Kraft spendendes ausstrahlen, doch für Pjerun wirkt alles um sie herum nur bedrohlich. Sie wagt es nicht, zu weit nach vorne zu gehen. Sie könnte ja einen der wenigen Besucher in ihrer Andacht stören oder durch ihre fehlende Ehrerbietung Sitech gegenüber auffallen.

Das einzige, was ihr bleibt, ist es, sich hinten in den Schatten zu stellen und darauf zu warten, dass die Priesterin, die sie erwartete erschien. Ich kenne noch nicht einmal ihren Namen, so dass ich nach ihr fragen könnte… denkt sie sich und bereitet sich in Gedanken seufzend schon einmal darauf vor, eine Weile zu warten.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 17. Jan. 2005, 12:05 Uhr
Nimoe befindet sich im Scriptorium, in einem kleinen Anbau an der hinteren Seite des Tempels, als es an der Türe klopft und nach kurzer Wartezeit ein junger Priester den Kopf hereinstreckt. "Herrin, im Tempel steht eine Frau, die sagt, sie wolle Euch sprechen. Sie nannte sich Pjerun und sei Silberschmiedin." Erstaunt blickt Nimoe auf und kann im ersten Moment überhaupt nichts mit dem Gesagten anfangen, zuviel Zahlen und andere Dinge schwirren ihr im Kopf herum. Dann aber dämmert es ihr, dass es sich um die Pokale handeln muß. Natürlich, sie hatte die junge Frau gebeten mit einem Zwischenstand ihrer Arbeit beim Tempel vorbei zu kommen. "Bring sie her. Danke." Die Hohepriesterin winkt den Novizen mit einer ungeduldigen Bewegung hinaus und starrt dann die Berge von Pergamenten an, die sich vor den gut gefüllten Bücherregalen an allen freien Wänden des Raumes stapeln. Zum hundersten Male wünscht sie sich jemanden, der ihr bei diesen Dingen zur Hand gehen könnte. Sicherlich können einige der Priesterinnen und Priester schreiben, lesen und rechnen, aber keinem vertraut sie genug, als dass sie diese Arbeit abgeben würde. Und es ist nun einmal nötig sich darüber Aufzeichnungen zu machen, wieviel für gut drei Dutzend Sithech-Jünger einzukaufen ist, sei es nun Kleidung, Essen oder sonst etwas.

Nimoe seufzt gottergeben und drückt sich den schmerzenden Rücken durch. Durch das Fenster in ihrem Rücken fällt helles Licht und sie braucht sich nicht umzusehen um zu wissen, dass sich dort draussen strahlender Sonnenschein auf die schneebedeckte Erde ergießt. Im Tempelinneren ist es, bis auf die Priesterquartiere, nie sonderlich warm und auch das Scriptorium ist beinahe unbeheizt. Im Kamin zu ihrer Linken glimmt noch ein winziges Feuer, das aber kaum noch Wärme abstrahlt. Sie nimmt sich vor gleich nach dem Besuch der Silberschmiedin zu veranlassen, dass neues Holz geholt und gehackt würde, immerhin lagen gerade fünf der Mädchen krank in ihren Quartieren. Seit dem Tag, an dem der Spiegel zu ihr gesprochen hatte, hatte sich Nimoe um kaum etwas anderes mehr gekümmert. Dummerweise hatte das Orakel sich zu keiner genaueren Ortsbeschreibung hinreißen lassen, weswegen sie nur vermuten können, wo der Vampir sich aufhält. Wenn er sich überhaupt in Talyra aufhält.

Abermals klopft es leise, dann wird die Türe geöffnet und der Novize lässt die Silberschmiedin eintreten, die ihrerseits ein Bündel unter dem Arm trägt. Nimoe erhebt sich, bleibt aber auf der anderen Seite des Tisches, von wo aus sie die Besucherin freundlich lächelnd begrüßt. "Einen guten Tag wünsche ich Euch. Tretet nur heran und zeigt mir Euer Werk."

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Pjerun am 17. Jan. 2005, 15:37 Uhr
Nach einiger Zeit des Wartens wird es Pjerun zu dumm und ausser dem zu kalt nur im Tempel zu stehen und auf das zufällige Erscheinen der Priesterin zu warten. Sie hält einen der jungen Priester auf, und spricht ihn an. „Entschuldigt bitte, mein Name ist Pjerun, ich bin die Silberschmiedin. Gestern war eine Priesterin bei mir…sie hat mir einen Auftrag gegeben.“ Sie nimmt sich im Stillen vor, nach dem Namen der Priesterin zu fragen…das war ja schwerer als erwartet. „Ich nehme an sie ist eine der höheren Priesterinnen hier. Sie hat hellbraunes Haar, wenn Euch das hilft…Hättet ihr die Güte, sie zu suchen und meine Anwesenheit zu melden?“

Kurze Zeit später erscheint der junge Mann wieder und nickt Pjerun zu ihm zu folgen. Sie kommen an einer Türe an und der junge Mann klopft leise an und öffnet dann für Pjerun die Tür. „Ich danke Euch“ nickt sie ihm zu, bevor sie den Raum betritt in dem schon die Priesterin steht und sie erwartet. Aufrecht steht sie da, eine beeindruckende Person, trotz ihrer eher geringen Körpergröße. Freundlich lächelnd sieht sie Pjerun entgegen. „Einen guten Tag wünsche ich Euch. Tretet nur heran und zeigt mir Euer Werk.“ Langsam tritt Pjerun näher. Beeindruckt gleiten ihre Blicke an den Wänden der Schreibstube entlang. Die Wände des Zimmers sind fast vollständig von Regalen bedeckt und diese wiederum scheinen unter der Last der Pergamentberge fast zusammenzubrechen. „Die Götter seien mit Euch!“ Erwidert sie freundlich lächelnd. Vorsichtig stellt sie den Pokal auf den Tisch, an dessen anderer Seite die Priesterin steht. Behutsam enthüllt sie den Kelch und dreht ihn so, dass das Licht, dass durch das Fenster scheint direkt auf die von ihr bearbeitete Stelle scheint. In sich spürt sie den altbekannten Arbeitseifer aufkeimen, das fast kindische Bedürfnis, allen genau zu erklären, was genau sie getan hat um welchen Effekt auf ihrer Arbeit zu erzeugen. Doch sie reißt sich zusammen. „Seht her“ Sie beugt sich leicht über den Tisch und deutet mit einem Finger auf die neu nachgezogenen und bereits geschliffenen und polierten Gravuren.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 17. Jan. 2005, 19:03 Uhr
"Seht her", sind die Worte der Silberschmiedin, nachdem sie den Messkelch vorsichtig auf eine freie Fläche auf dem riesigen Schreibtisch platziert hat. Geschickt dreht sie den Pokal so, dass die Wintersonne schimmernde Reflexe auf das Silber zaubert. Nimoe streckt die Hände aus, nimmt den edlen Gegenstand an sich und hält ihn in angemessener Entfernung vor das Gesicht. Dennoch muß sie die Augen leicht zusammenkneifen um die getane Arbeit erkennen zu können. Noch vor zehn Zwölfmonden wäre das nicht nötig gewesen.

Die filigranen Runen sind mit winzigen Stichen und Linien nachgezogen und reflektieren das goldene Sonnenlicht auf eine so eigenartige Weise, dass sie beinahe von innen heraus zu leuchten scheinen. "Genau so, wie ich es mir vorgestellt habe." Nimoe flüstert die Worte nur, aber ihre Augen strahlen beim Anblick dieser hervorragenden, sorgfältigen Arbeit. Sie ahnt ja nicht, welch herrliche Zauber sie in das Metall webt. Die Priesterin lächelt sanft als sie aufsieht. "Ja... ja, Ihr macht die Arbeit noch besser, als ich gehofft habe, tatsächlich." Erst jetzt geht sie langsam um den Tisch herum. "Sicher wünscht Ihr nun eine Anzahlung, nicht wahr? Sagt mir, welcher Preis Euch angemessen erscheint, Pjerun."

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Pjerun am 17. Jan. 2005, 20:01 Uhr
Innerlich atmet Pjerun auf, als sie das Lächeln auf dem Gesicht der Priesterin sieht. Fasziniert beobachtet sie das Gesicht ihrer Gegenüber.  Sie scheint um Jahre jünger, wenn sie lächelt…

Das Lob der Priesterin lässt Pjeruns aufgrund der Kälte schon gerötete Wangen noch ein paar Schattierungen röter werden. Lob freut sie, natürlich, aber macht sie auch etwas verlegen. Genauso wie die Frage einer angemessenen Anzahlung. Nach kurzem Nachdenken wendet sie sich an die Priesterin. "Ich lasse mich nur ungern vor getaner Arbeit bezahlen, aber..." sie hofft, dass es nicht unverschämt ist, was sie vorhat zu fragen "Einen kleines Anliegen hätte ich, bei dem Ihr mir helfen könntet…" sie räuspert sich um das Gefühl loszuwerden, dass ihr langsam den Hals zuzuschnüren scheint. "Nennt mir doch bitte euren Namen, dass ich das nächste Mal direkt zu euch finde und nicht wieder versuchen muss, euch zufällig zu treffen oder einem jungen Priester zu erklären wie Ihr ausseht, damit er weiß, wen ich meine… "Fast schon erschrocken wagt sie es nicht, den Blicken der Priesterin stand zu halten und blickt auf eine Naht an ihrem Mantel, die sich aufzulösen beginnt.Warum macht mich das so fertig? Woher plötzlich dieser enorme Respekt vor dieser Priesterin...

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 18. Jan. 2005, 21:29 Uhr
"Es ist nicht wichtig, ob Ihr jetzt bezahlt werden wollt oder nicht, Pjerun. Ich sehe, dass Ihr Eure Arbeit vorzüglich angefangen habt und ich weiß, dass Ihr sie vorzüglich beenden werdet." Die Hohepriesterin wirft ihr einen langen Blick zu und wendet sich schließlich um, um aus einer Schublade aus dem riesigen Schreibtisch einen winzigen Beutel zu ziehen. Das Klimpern einiger Münzen ist zu hören und übertönt das leise Rascheln ihres Gewandes. "Ein Reisender kommt schlechter ans Ziel, wenn er zwischendurch nicht Rast macht." Nimoe blinzelt und es hätte ein Lächeln werden können, wäre es nicht ebenso schnell vergangen wie entstanden. Sie nimmt die warme Hand der Frau in die eigene, die so viel kühler ist, und legt den Geldbeutel hinein. "Mein Name kostet nichts, also nehmt es und seid stolz auf Euer Werk. Am Tage meiner Geburt nannte man mich Nimoe und so heiße ich wohl noch heute, wenn sich nicht etwas geändert hat, ohne man es mir mitgeteilte."

Die Gesellschaft der jungen Frau ist ihr nicht unangenehm und Nimoe genießt innerlich ihre offensichtliche Verlegenheit; diese Reaktion ist ihr nichts Neues. Nur wer den Winter kennt, der weiß ihn zu fürchten. Und vielleicht hat der Gott zu lange seine kalte Hand auf mich gelegt. "Geht nun, junge Frau, und vollendet Euer Werk. Sobald Ihr fertig seid kommt wieder her. Nun wißt Ihr ja, nach wem Ihr fragen müßt." Nimoe legt selbst das weiche Tuch wieder um den Messkelch und sie tut es so sorgfältig, als wickle sie ein kleines Kind.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Pjerun am 20. Jan. 2005, 09:24 Uhr
Das Lob der Priesterin und das kleine Säckchen mit den Münzen in ihrer Hand machen Pjerun leicht verlegen. Die Hand der Priesterin war kühl... Sie blickt ihr in die Augen. Die eisgraue Farbe erinnert an die winterliche Landschaft draussen vor der Türe.

Verwundert beobachtet Pjerun wie Nimoe den Messkelch wied erin das weiche Tuch packt. Vorsichtig, fast schon andächtig wirken ihre Bewegungen. Dieser Kelch muss wirklich etwas besonderes sein... Als Nimoe ihr Werk beendet hat nimmt Pjerun langsam und vorsichtig den Kelch vom Tisch, verstaut ihn unter ihrem Mantel und lässt das kleine Geldsäckchen in der Tasche an ihrem Gürtel verschwinden. "Ich danke Euch! Sowohl für die Anzahlung als auch für Euren Namen!" Ein lächeln breitet sich auf Pjeruns Gesicht aus. "Ich werde mir auch weiterhin Mühe geben. Sobald der erste Kelch fertig ist, werde ich ihn Euch bringen, wenn es Euch recht ist..." Während sie spricht wendet sie sich bereits der Türe zu, allerdings ohne dabei der Priesterin den Rücken zuzukehren.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Nimoe am 21. Jan. 2005, 07:38 Uhr
Dass Pjerun sich der Türe nähert ohne Nimoe den Rücken zuzukehren nimmt die Priesterin mit stiller Erheiterung wahr. Sie wartet ab, bis die Silberschmiedin mitsamt dem wertvollen Bündel unter dem Arm hinaus ist und bleibt dann noch einige Zeit stehen und blickt auf die Stelle, an der die junge Frau verschwunden ist. Sie ist zufrieden mit dem, was Pjerun ihr gezeigt hat, sehr zufrieden und sie hätte sich nicht wünschen können, dass die Arbeit besser gemacht würde. Doch es sind ganz andere Dinge, welche die Hohepriesterin beschäftigen. Der große Spiegel hatte seit diesem einen Tag geschwiegen und egal, wieviel Priester sie ausgesandt hatte, keiner hatte den Vampir ausfindig machen können. Vielleicht zeigt er Dinge, die schon vor langer Zeit geschahen oder die noch geschehen werden... Aber in letzterem Fall bestünde ebenso Handlungsbedarf. Es schmerzt Nimoe, dass sie sich das mitansehen mußte. Schon lange war sie keinem Sithechjünger mehr begegnet und es scheint, als würden die Vampire weniger werden. Fast sehnt sie sich danach einem Sohn Sithechs zu begnen, wenngleich auch unter solchen Umständen.

Mit sorgenvoll gerunzelter Stirn umrundet sie dann den Tisch und lässt sich wieder auf dem Sessel nieder, um die Arbeit fortzusetzen, mit der sie vor Pjeruns Ankunft beschäftigt gewesen ist.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Pjerun am 21. Jan. 2005, 17:46 Uhr
Kaum hat sie die Türe zum Scriptorium geschlossen, schlägt die düstere Stimmung im Tempel wieder über Pjerun zusammen. Sie hatte eben fast vergessen, wo sie sich eigentlich befand. Schnell macht sie sich auf den Weg zum Ausgang.

Als sie ins Freie tritt muss sie erst einmal die Augen zusammenkneifen. Die Sonne scheint auf die Schneedecke und lässte die Welt fast schon unwirklich hell erscheinen. Was für ein Unterschied zum düsteren Inneren des Tempels...

Durch die Strassen der Stadt macht sich Pjerun auf den Weg nach Hause.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Ifrith am 21. Feb. 2005, 18:44 Uhr
Zögernd näherte sich Ifrith dem Sithechtempel. Durch das Weiß des Schnees wirkte der Tempel wie ein schwarzes Loch in der Landschaft, das rings um das hohe Gebäude jegliche Farbe in sich aufzusaugen schien. Von diesem Anblick konnte sich Ifrith keine Sekunde lösen, denn sie hatte sich bis jetzt niemals Gedanken darüber gemacht ob etwas  noch schwärzer sein könnte als die Nacht. Doch nun stand es vor ihr. Ifrith blieb stehen.
Sie rief sich nochmals den Text der Hohepriesterin vor Augen den sie an der Anschlagtafel gelesen hatte: Magd gesucht...die sich auch um den Garten kümmert....
Sie sah sich um. Rings um sie herum standen Grabsteine. Genauso schwarz wie der Tempel jedoch von einer dünnen Schicht Schnee bedeckt.
Doch dann besann sie sich eines besseren und schüttelte die Zweifel ab. Du bist eine Zentaurin...Wir haben niemals Angst! Der Schnee knirschte unter ihren Hufen, als sie beschleunigten Schrittes weiterging. Vor der Treppe angekommen blieb sie stehen.
Eine Treppe...Glatt und Schneebedeckt....nichts zum festhalten.....Gut das die Stufen breit sind! Ein Huf vor den anderen setzend erklomm Ifrith die Stufen bis sie vor dem großen Eisentor des Tempels stand. Sie ergriff das Gefühl die Intarsien des Tores mit dem Finger nachfahren zu müssen, jedoch hatte sie zu großen Respekt und noch etwas Furcht um sich diesem gefühl hinzugeben.
Sie nahm jedoch allen Mut zusammen und klopfte an das Tor. Verwunderlicherweise schwang das Tor auf und Ifrith trat in das Innere des Tempels.
Sofort schlug ihr der nicht unangenehme Geruch der Kerzen und des Räucherwerkes entgegen. Um nicht unhöflich gegenüber der Priesterin und des Gottes zu sein, entschloss sich Ifrith, in der Vorhalle des Tempels zu warten. Irgendwann wird schon jemand kommen...

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Ifrith am 02. März 2005, 19:00 Uhr
Vor Kälte zitternd und von einem Huf auf den anderen wechselnd schaut sich Ifrith um.Keiner kommt....Nicht mal ein Novize! Kein Wunder bei dem Wetter! Scharrend bewegen sich ihre Hufe in der Dunkelheit über den glatten Steinfußboden. Dunst schwebt vor ihrem Gesicht der sich dann in kleine Wolken auflößt als sie geräuschvoll ausatmet. Ihr Schweif peitscht durch die Luft. Sie wendet sich der Tür zu die sie mit all ihrer Kraft aufdrücken muss, da der Wind von aussen gegen sie presst. Es dunkelt bereits als sie aus dem Tempel tritt. Erst die Stufen erklommen....Nun muss ich sie wieder runter steigen....Ach was! Ich springe!Kräftig stößt sie sich ab und landet rutschend und tänzelnd auf dem Weg vor dem Tempel. Sie schaut sich um, klopft den Schnee von ihren Beinen und zieht den Mantel enger um sich sowie die Kapuze tiefer ins Gesicht. Das Schneegestöber um sie herum nimmt mit jeder Minute mehr und mehr zu. Ich muss endlich Arbeit finden! Und eine Wohnung....Dies wird wieder eine sehr kalte Nacht werden... Sie richtet ihren Blick zum Himmel an dem die Sterne wie Eiszapfen glitzern und setzt sich mit schneeaufwirbelnden Hufen in Bewegung.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Aishalanea am 25. Juli 2005, 09:21 Uhr
Schließlich erhebt sich vor Aishalanea zwischen den Gräbern ein wuchtiger Kubus aus mattschwarz schimmerndem Stein: der Tempel des Todesgottes. Wo die kühle Marmorschönheit der Statue beruhigend wirkte, hat der Anblick des Gebäudes nun eher eine beklemmende Wirkung auf sie. Das finstere Schwarz scheint mit dem Licht auch ihren Blick einzusaugen in eine unendliche, bedrohliche Tiefe, und im Näherkommen verwirren sie die verschlungenen Muster darauf, die keinen Anfang und kein Ende haben. Es sind keine erkennbaren Bilder und auch keine Schrift, jedenfalls keine, die Aisha lesen könnte. Wann immer sie den Blick abwendet, scheinen die Muster in ihrem Augenwinkel sich jedoch zu bewegen… Nein, das musst du dir einbilden! Hastig richtet Aisha ihren Blick auf andere Dinge, wie die hohen Bleiglasfenster mit den Rabenfiguren darüber, und lenkt ihre zögernden Schritte die breiten mitternachtsdunklen Stufen hinauf zu dem gewaltigen, zweiflügligen Eisenholztor. Die Greifendarstellungen darauf wirken bedrohlich, sie scheinen ihre Klauen nach dem Menschenwesen auszustrecken, es zu rufen… der Rabe über dem Tor bohrt seine blutrot glühenden Augen in die ihren… Aisha atmet tief durch und tritt durch den steinernen Türrahmen in den finsteren Tempelraum. Die warme stickige Luft ist erfüllt vom Geruch der Räucherschalen, nur wenig Licht filtert durch die getönten Scheiben der Fenster hoch über ihr. Es ist totenstill, das einzige Geräusch kommt von ihrem eigenen Atem.

Die Halle ist so groß und dunkel, dass Aishalanea ihre Ausmaße nur erahnen kann. Die Säulen aus Obsidian, Achat und schwarzem Marmor, zwischen denen sie zögernd hindurchgeht, verlieren sich nach oben in der Dunkelheit, und das Licht der zahlreichen weißen Kerzen an den Säulen belebt die Finsternis eher mit zuckenden Schatten, als dass es sie erhellt. Schließlich steht Aisha vor dem schwarzen Basaltblock des Altars, über ihr ragt hoch die Statue Sithechs auf und zu ihren Füßen wabern Nebel, deren Ursprung nicht zu erkennen ist. Der Gott ist als Silberelb dargestellt, und auf Aisha wirkt er fremdartig, kühl und streng. Sein Gesicht ist schön, doch düster und überschattet von einer tiefhängenden Kapuze. Auf seiner Schulter sitzt ein Rabe, und Aishalanea fühlt sich unangenehm beobachtet von der Statue und dem steinernen Vogel, als würden sie ihr bis in die Seele blicken… Sie murmelt ein Gebet, verneigt sich ehrerbietig und furchtsam vor der Statue, dann eilt sie hastig weiter zu ihrem eigentlichen Ziel, den Schreinen der Archonen in den Seitenschiffen des Gotteshauses, erleichtert, ihre Pflicht gegenüber dem göttlichen Hausherrn erfüllt zu haben.

Als sie schließlich den Altar Nurms gefunden hat, hält sie inne. Das kleine Bildnis der Archonin wirkt längst nicht so beeindruckend wie die große Statue Sithechs, die unscheinbare Darstellung einer Frau ist aus einfachem grauem Stein gehauen, doch der Ausdruck ihrer Augen ist gütig und voller Mitleid. Vor ihr liegen verwelkte, zerdrückte Morninaeblüten und abgebrannte Kerzen, die Trauernde dort geopfert haben. Aisha wirft eine klingelnde Münze in den Opferstock unter der Statue, nimmt dafür zwei frische Kerzen heraus, zündet eine an und lässt ein bisschen Wachs auf den Sockel tropfen, um sie zwischen die anderen Opfergaben zu kleben. Großvater, die ist für dich. Du fehlst mir… In Gedanken erzählt sie ihm von ihren Erlebnissen in Talyra, er hatte diese Stadt so gemocht, hatte so viel davon erzählt, sie ihr immer zeigen wollen… Ich habe heute Yohn Humperknie getroffen, er will Wein bei mir kaufen! Wir haben lange gesprochen, demnächst will er vorbeikommen und die ‚Seestern’ ansehen… Und ich habe einen Papagei gekauft, genau so einen wie Käpt’n Grünfeder, weißt du noch?...  

Doch immer wieder wird das Gesicht des gütigen alten Mannes in ihren Gedanken ungefragt verdrängt von dem eines muskulösen jungen Mannes mit verwegenem Grinsen. Als sie schließlich nichts mehr zu erzählen weiß, dreht Aisha die zweite Kerze einen Moment unschlüssig in der Hand, bevor sie auch diese anzündet und vor das Bildnis Nurms stellt. Arsio… es war eine schöne Zeit, auch wenn ich dir nicht so wichtig war wie du mir… wäre ich auf Finks Zauberschiff verbannt gewesen, dann wäre ich wohl jetzt noch dort… Aisha atmet tief durch, sie ist etwas überrascht, dass sie noch immer wütend auf ihn ist. Aber wie kann jemand den Kampf so sehr lieben?! Warum konnte er nicht bei mir bleiben, ich habe ihn gebeten, ihn angefleht… Anklagend sieht sie Nurm an, als erwarte sie eine Antwort von der Steinfigur, doch die Archonin sieht sie nur traurig, mitleidig an und bleibt stumm.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 10. Sept. 2008, 14:56 Uhr
« Der Sithechhain
Anfang Erntemond

Wild mit den Armen fuchtelnd und laut Zeter und Mordio schreiend versucht Klagweh den kleinen Löwentamarin zu verscheuchen – der sich nur dummerweise nicht vertreiben lassen will. Krötenaug versucht zwar seinem Gefährten zu Hilfe zu kommen, doch all seine Bemühungen haben wenig Erfolg. Das Äffchen ist viel zu gewandt für den plumpen Totengräber und entwischt Krötenaugs Händen mühelos sobald dieser nach ihm greift. Doch anstatt zu flüchten, weicht der Tamarin jedes Mal immer nur ein Stückchen zurück, um gleich darauf wieder mit beeindruckend gesträubter Mähne stehen zu bleiben und die beiden Totengräber lautstark anzukreischen. Und Krötenaug kann nicht umhin anzuerkennen, dass das Äffchen Klagweh in einem Wehgeschrei-Wettstreit, wenn es so etwas denn gäbe, ohne weiteres schlagen würde – was schon einiges heißen will!
Dieser Gedanke bringt ihm eine unvermutete Idee ein: Klagwehs Gezeter und Gejammer hat meistens nur ein einziges Ziel, nämlich Mitleid .. und Aufmerksamkeit zu erregen. „Äh ... Klagweh“, brummt er schließlich langsam, „... äh, vielleicht will uns der Kleine ja was ... äh, sagen. Äh, ja ...“ Das dürre, weißhaarige Männlein hält für einen Augenblick in seinem wilden Gefuchtel inne und starrt seinen glubschäugigen Gefährten fassungslos an. „Was könnte der uns denn sagen wollen, eh?“, keift er schließlich giftig. Hilflos zuckt Krötenaug die breiten Schultern. „Äh, weiß auch nicht ...“, stammelt er verlegen. Nachdenklich kratzt er sich am Hinterkopf. „Vielleicht will er ja wen retten“, überlegt er unsicher. „Erinnerst du dich noch an den Hund von Bauer Branntwein ... äh ... der so lange gebellt hat, bis ...“ Unwirsch fällt Klagweh im ins Wort. „Ja, jaaa, du Volltrottel. Bin ja nicht senil, eh“, keift er unfreundlich. „Aber das da ist kein Hund, du Spatzenhirn. Oder hälst du DAS für einen Hund, eh?“ Mit ausgestrecktem, knöchernen Finger deutet er auf den immer noch aus leibeskräften kreischenden Löwentamarin. „Vielleicht ein ganz Kleiner?“, entgegnet Klagweh vorsichtig und senkt unter dem vernichtenden Blick  seines Gefährten rasch den Blick. „Äh, nein, doch nicht, Klagweh. Kein Hündchen, nein, nein ...“ Sein Blick hellt sich unvermittelt wieder auf. „Aber ich könnte ja trotzdem 'mal schaun“, schlägt er vor, was Klagweh nur resigniert den Kopf schütteln lässt. „Pfff, tu was du nicht lassen kannst“, knurrt er schließlich. „Hauptsache wir werden das Vieh irgendwie los.“

Also macht Krötenaug einen Schritt auf den Tamarin zu. Dieser weicht ein Stück zurück. Langsam macht Krötenaug einen zweiten Schritt. Das Äffchen weicht abermals zurück. So geht es immer weiter. Schritt. Zurück. Schritt. Zurück. Mit in die Hüften gestemmten Händen steht Klagweh da und verfolgt das sich ihm bietende Schauspiel entnervt, macht aber selbst keine Anstalten seinem Gefährten zu folgen, bis dieser plötzlich laut zu rufen beginnt. Alarmiert eilt das dürre Männlein seinem Kameraden nun doch hinterher. „Was ist denn?“ Krötenaug muss allerdings gar nichts sagen, denn die Frage klärt sich gleich darauf von ganz alleine. Klagweh bekommt beinahe einen Herzkasper. Da liegt eine verdammte Frau mitten auf einem Polster aus Silbergras und Totenblumen.
„Noch eine?!“, entfährt es ihm unwillkürlich. „Aber ich dachte ..., ich dachte die hätten diesen verdammten Mörder mittlerweile erwischt.“ Verstört starrt er auf Kali Maya hinab die, nicht tot, sondern nur bewusst los, daliegt. „Aaah, doch nicht“, erklärt er gleich darauf überaus erleichtert, nachdem er sich mutig über die vermeintliche Tote gebeugt und ihren Puls überprüft hat. „Wie, nicht tot?“, stammelt Krötenaug verständnislos. Bei all den Frauen (naja, eigentlich sind es mit dieser ja nur zwei) über die sie ständig auf dem Knochenacker stolpern, kann man schon mal den Überblick verlieren – egal ob sie nun tot oder lebendig sind. „Na halt nicht tot“, giftet Klagweh ungehalten zurück. „Die lebt noch. Du weißt schon – leben! Das Gegenteil von tot sein.“ „Ooooh“, mehr hat der plumpe Totengräber dazu erst einmal nicht beizusteuern. Einige Augenblick später stammelt er in Kalis Richtung: „Äh, Fräulein ... Madame, äh. Da könnt Ihr nicht liegen bleiben, also äh, es beginnt zu regnen ... und ... Ihr werdet Euch verkühlen ...“ Auf vertrackte Art und Weise ist diese Situation jener, als sie damals die Leiche auf dem Grab von Diadra Aílin gefunden haben, gar nicht so unähnlich. „Lass das du Hornochse“, fällt Klagweh Krötenaug schimpfend ins Wort. „Die is' bewusstlos, du Trottel. Am besten wir bringen sie zu den Schwestern, die werden wissen, was zu tun ist.“ Im Klartext bedeutet dies, dass letztlich alles auf die übliche Arbeitsteilung der beiden Totengräber hinausläuft: Während Krötenaug die bewusstlose Azadoura mit seinen kräftigen Armen vom Boden aufhebt, um sie zum Sithechtempel zu bringen, trägt Klagweh wie stets schwer an der Verantwortung.
Der Löwentamarin, der sich, seit die beiden Totengräber Kali gefunden haben, ruhig und in sicherer Entfernung aufgehalten hat, folgt den beiden unterschiedlichen Kameraden in einigem Abstand.

Und so kommt es, dass Kali schließlich im düsteren Inneren des Sithechtempels wieder zu sich kommt – selbstverständlich nicht im eigentlichen Heiligtum, sondern in einem Nebenraum, welcher für gewöhnlich nur der Priesterschaft des Sithech zugänglich ist. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkt sie eine flüchtige Bewegung im Dunkel. Alarmiert tastet sie nach ihrem Dschenbie, richtet sich hastig auf und sieht sich hektisch um. „Schon gut“, erklingt eine beruhigende Stimme aus der Finsternis und eine Priesterin tritt mit einer beschwichtigenden Geste ihrer Hände aus den Schatten, welche die Flammen der weißen Kerzen, die das einzige Licht an diesem Ort spenden, tritt. Kali mustert die Frau mit leicht zusammengekniffenen Augen. Über einem schlichten, hellgrauen Gewand trägt die Priesterin einen dunkelgrauen Überwurf mit einem mitternachtsschwarzen Raben auf der Brust. Den Schleier, hinter welchem sie ihr Gesicht vermutlich für gewöhnlich verbirgt, hat sie geschickt zurückgeschlagen, sodass Kali ihr ungehindert in die Augen sehen kann. Finger am Griff des Krummdolchs lockern sich ein wenig, trotzdem mustert sie die Sithechpriesterin weiterhin misstrauisch.
„Meine Name ist Nechta Graulicht“, stellt sich die Priesterin sich vor. Und  Ihr seid ...?“ „Verwirrt ... Wie bin ich hierher gekommen?“, entgegnet Kali argwöhnisch, dass sie sich nur im Siethechtempel befindet kann, ist ihr klar. „Die Sitechhaindiener haben Euch bewusstlos neben einem Kiesweg auf dem Silbergras des Knochenackers gefunden und zu uns in den Tempel gebracht“, erklärt die Priesterin freundlich, sie lässt in keiner Weise erkennen, ob Kalis unhöfliches Verhalten sie kränkt. „Normalerweise habe ich es hauptsächlich mit Toten zu tun, aber ich muss weder eine Hellseherin noch eine Heilerin sein, um zu erkennen, dass Euch, abgesehen von einer warme Mahlzeit, vermutlich nichts weiter fehlt.“ Sie lächelt leicht. „Kommt.“ Mit einer Hand bedeutet sie Kali ihr zu folgen. Zögernd erhebt sich die Azadoura und folgt Nechta schließlich auf schwachen, wackeligen Beinen. „Ich ... hatte ein Äffchen bei mir“, murmelt sie leise. Ein Lachen erklingt, ohne stehen zu bleiben oder sich zu Kali umzudrehen, entgegnet die Sithechpriesterin: „Oh ja, die beiden Totengräber haben mir von ihm berichtet.“ Der Gedanke an Klagwehs aufgebrachtes Gezeter und Krötenaugs stolzes Grinsen lässt selbst jemanden wie Nechta ein wenig schmunzeln. „Einige Novizen haben versucht den kleinen Burschen einzufangen, aber er ließ sich nicht locken. Bestimmt sitzt er immer noch auf einem der Bäume nahe des Tempels.“ „Aaaah.“ Kali schaut sich nervös um, normalerweise stören sie dunkle, düstere Gänge und Gemäuer nicht, aber an diesem Ort fühlt sie sich ausgesprochen unwohl. „Wohin bringt Ihr mich?“ „In die Küche“, erklärt Nechta, und ihre Stimme klingt, als fände sei diese Erklärung eigentlich vollkommen überflüssig. „Ihr könnt an unserem Nachtmahl teilhaben.“ „Oh“, murmelt Kali einsilbig.

Verstohlen schaut Kali über den Rand ihrer Schüssel hinweg in die Runde und fragt sich zum wiederholten Male, warum sie nicht längst das Weite gesucht hat. Die Gesellschaft der zahlreichen Priester und Novizen, die schweigend ihr Nachtmahl zu sich nehmen, behagt ihr ganz und gar nicht. Den kühlen, prüfenden Blick der Hohepriesterin Ygerne Silberlied empfindet sie als ebenso unangenehm wie den der hochmütigen, stahlgrauen Augen des Novizenmeisters Skarmendes und das unablässige Gewisper der anwesenden Novizen wird ihr allmählich lästig. Vor allem ein kleiner Rotschopf fällt ihr auf. Immer wieder wandert sein Blick neugierig zu ihr herüber, wenn er glaubt, dass sie ihn nicht bemerkt, nur um ihn rasch wieder zu senken, wenn er seinen Irrtum bemerkt. Immerhin, das Nachtmahl der Priesterschaft füllt ihren ausgehungerten Magen recht angenehm und der verdünnte Wein spült den peinigenden Durst in ihrer Kehle fort. Endlich wird die schweigende Tafel zu Kalis großer Erleichterung aufgehoben. Die Gelegenheit sich so schnell wie möglich vom Acker zu machen – im wahrsten Sonne des Wortes.
Kaum hat sie sich jedoch erhoben, ist auch schon wieder Nechta an ihrer Seite, neben sich einen unscheinbaren, grauhaarigen alten Mann. „Habt Ihr noch einen Augenblick Zeit?“ Die Frage der Priesterin klingt, als lasse sie keinen Widerspruch zu. „Scriptor Khalkhis von Klingenfall würde gerne kurz ein paar Worte mit Euch wechseln.“ Mit hochgezogener Augenbraue mustert Kali den Greis, der ihr während des Essens kaum aufgefallen. „Hm“, brummt sie schließlich. Der Alte lächelt. „Es wird auch nicht weh tun“, erklärt er schalkhaft und wird sogleich wieder ernst, als die Azadoura nicht entsprechend auf den kleinen Witz reagiert. „Also dann.“ Er räuspert sich noch einmal kurz, vielleicht um noch einmal nach den richtigen Worten zu suchen. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr aus Agutrot stammt?“ Falsche Frage. „Und wenn es so wäre?“, entgegnet Kali ausweichend. „Ja nun, verzeiht einem alten Mann, ich bin nur neugierig. So weit entfernt von der Rubinküste bekommt man für gewöhnlich keine Azadoura zu Gesicht, wenn Ihr versteht ...“ Sicher. Kali mustert ihn kühl, sagt aber nichts. „Ich habe gehört, dass nur Verbannte Agutrot verlassen. Stimmt das?“, fährt der Scriptor schließlich fort. Nun sind es seine silbergrauen Augen, die sie prüfend mustern und seine Stimme merkwürdig kalt. Ganz falsche Frage. „Wenn Ihr das gehört habt, Scriptor ...“, erwidert sie schleppend. „Ihr entschuldigt mich jetzt, ich sollte gehen.“ „Aber doch sicher nicht, ohne zuvor unsere heiligen Hallen gesehen zu haben“, widerspricht der alte Mann eigenartig liebenswürdig. „Kommt, ich führe Euch herum.“ Er nickt Nechta Graulicht knapp zu und bedeutet der Azadoura dann ihm zu folgen, was diese auch widerstrebend tut.  

Abgesehen vom Klang ihrer Schritte ist es im Tempelinneren totenstill. Zwei gewaltige Säulenreihen, bestehend aus Obsidian, Achat und Marmor, tragen das hohe Deckengewölbe über ihnen. Weiße Kerzen in gewundenen Bronzehaltern umkränzen die zahlreichen Säulen und bringen ein wenig Licht in die Dunkelheit. Hinter den Säulen kann Kali schwarze Seidenschleier erkennen, welche von zarten Silberfäden durchwirkt sind, die in diesem Licht sanft schimmern.  
Scriptor Khalkhis führt die Azadoura zunächst zum Hauptaltar des Sithechtempels, einem einzigen, schwarzen Basaltblock hinter welchem eine gewaltige Statue des Gott des Winters und des Todes aufragt. Kali Maya kann nicht umhin sich einzugestehen, dass sie beeindruckt ist – und beunruhigt. Hastig tritt sie ein paar Schritte zurück und folgt  dem Scriptor schließlich zu den Schreinen von Sithechs Archonen. Sie lässt sich von dem alten Mann am alabasterweißen Marmorbildnis Kenens vorüber zu jenem von Nurm führen. Weiter geht es zum Schrein Llaeron Schicksalsfügers – und von dort schließlich zu jenem von Kyrom dem Fährmann – dem schwärzesten Ort des Tempels. Mit angehaltenem Atem schaut Kali zu dem aus dunklem Ebenholz geschnitzten Skelett auf, welches den Archonen darstellen soll. Ihr Blick verliert sich in den purpurnen Flammen, die in den leeren Augenhöhlen der Statue flackern. Wie gebannt steht sie da, während sie den Purpurtod unverwandt anstarrt und dem Wispern lauscht, welches die Flügel der hundert Totenfalter verursachen, die in dem Schrein des Archonen hin und her flattern.
Irgendwann glaubt Kali ihr Flüstern sogar verstehen zu können. Kali ... Kali Maya ... Das unheimliche Gewisper scheint ihren Namen unablässig zu wiederholen, sie zu rufen. Ein kalter Schauder läuft ihr den Rücken hinab. Dunkler, wendet sie sich stumm an den einzigen Gott, den zu verehren sie gelernt hat und einen Augenblick lang klingt das ewige Wispern tadelnd und mahnend. Brüsk wirbelt Kali herum. Ohne sich länger um Scriptor Khalkhis zu kümmern (oder den letzten Schrein, den des Archonen Sarurnir, gesehen zu haben)  stürzt sie hinüber zum Tempeleingang und hinaus in die kalte Nacht. Auf dem obersten Treppenabsatz bleibt sie kurz stehen, um nach Luft zu schnappen. Ein winziger Schemen kommt aus der Dunkelheit gehuscht. Behände klettert der Löwentamarin an ihrem Gewand empor und kauert sich schließlich auf ihrer Schulter zusammen. „Lass uns hier verschwinden“, zischt Kali ihm mit rauer Stimme zu und eilt davon.

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Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 23. Jan. 2009, 19:08 Uhr
« Die Straßen der Stadt

Ende Silberweiß
~ RÜCKBLICK ~

Im Kapitelsaal: Kali Maya sitzt schweigend an einem der Tische und krault abwesend das seidige Fell ihres Löwentamarins. Das Äffchen liegt zusammengerollt auf ihrem Schoss und schläft friedlich. Auf dem Tisch vor der Azadoura steht eine gewöhnliche Tolschale, die mit ebenso gewöhnlichem Wasser gefüllt ist. Die Azadoura starrt angestrengt in das dunkle Wasser, so als könnte sie die vergangenen Siebentage darin noch einmal vorüberziehen sehen ...

... nachdem Kali sich vor dem Steinernen Dreieck von Eljena verabschiedet hat, hat sie ihren Weg zum Sithechtempel fortgesetzt. Triefend nass vom Regen sucht sie schließlich im Inneren des Tempels zuflucht und lässt sich von einer  mausgrauen Novizin in den Kapitelsaal, den Versammlungsraum der Ordensangehörigen, führen. Dort findet sie Nechta Graulicht, die Oberste der Schweigenden Schwestern, vor. Die Priesterin scheint Kalis erneuter Besuch im Tempel nicht allzu sehr zu überraschen. Schweigend bietet sie der jungen Frau einen Becher mit heißem Kräutertee an, das Getränk verströmt einen angenehmen, würzigen Duft und rinnt Kali wohltuend warm die Kehle hinab, während die Priesterin die Novizin, die die Azadoura hergeführt hat, anweist dem späten Gast ein paar weite, trockene  Gewänder zu holen.
Als Kali sich schließlich in einer kleinen Kammer umgezogen hat und in den Kapitelsaal zurückkehrt, hat sich dort noch ein weiterer Angehöriger der Priesterschaft Sithechs eingefunden – Skarmendes, der Novizenmeister der Tempels. Der hochgestellte Priester mustert die Azadoura argwöhnisch, es ist offenkundig, dass Khalkhis seine Mitbrüder und -schwestern darüber in Kenntnis gesetzt hat, woher Kali seiner Meinung nach stammt. Schweigend hören er und Nechta der Azadoura zu, als diese sich endlich dazu durchdringt und so teilnahmslos wie möglich von dem Grund für ihren Besuch im Tempel berichtet. Sie schildert den beiden ihre Träume in allen Einzelheiten und als sie schließlich endet, sieht die beiden abwartend an. Aber weder Nechta noch Skarmendes sprechen zunächst ein Wort. Schließlich ist es der Novizenmeister, der die Stille beendet. „Ich werde die Hohepriesterin informieren und mich mit ihr beraten“, erklärt er kühl, erhebt sich und verschwindet raschen Schrittes. Irritiert sieht Kali Nechta an und will schon etwas sagen, als diese leicht den Kopf schüttelt. Ein paar Priester und Novizen kommen herein und beginnen die Tische für das Nachtmahl zu decken. „Seit unser Gast“, lädt die Oberste der Schweigenden Schwestern Kali ein. „Und teilt das Nachtmahl mit uns, während ihr wartet.“ Als sie die deutliche Verärgerung in Kalis Gesicht bemerkt, fügt sie hinzu: „Ihr werdet Eure Antworten erhalten, aber Ihr müsst Euch gedulden.“ Der Azadoura funkelt die Priesterin finster n, eine hässliche Antwort liegt ihr bereits auf die Zunge, doch sie schluckt sie hastig hinunter. Wenn ich nur irgendwie diese Träume loswerde, soll mir alles Recht sein, denkt sie grimmig und ahnt nicht, wie sehr sie diesen Gedanken später noch bereuen wird ...

... Kali löst ihren Blick für einen kurzen Moment von der mit Wasser gefüllten Schale und starrt grimmig die schmucklose graue Kutte an, die sie trägt – das Gewand eines Novizen oder einer Novizin der Zwölfgötter. Was Ygerne Silberlied ihr in jener Nacht Mitte Nebelfrost zu sagen hatte, hatte sie wahrlich alles andere als erfreut. Ihre Träume ein Ruf Sithechs, eine Aufforderung an sie sich in seinen Dienst zu stellen und dem Gott ihrer Kindheit, dem einzigen Gott, dem zu huldigen sie bis dahin gelernt hatte, zu widersagen. Der Blick der Azadoura wandert wieder zurück zu der  Tonschale ...

... „Der Herr über das Totenreich fordert Euch auf, Ihm zu dienen.“ Die Worte der Hohepriesterin schweben kristallklar   in der Luft. „Niemals“, erbost funkelt Kali sie an. Sie ist vom Tisch aufgesprungen, so heftig, dass sie dabei ihren Stuhl umgestoßen hat, woraufhin dieser polternd zu zu Boden gegangen ist. Die Hände der Azadoura sind zu Fäusten geballt und der Löwentamarin, der bisher auf ihrem Schoss gesessen hat, flüchtet sich kreischend auf einen nahe stehenden Schrank. Ygerne hält ihrem Blick ungerührt stand. „Euch bleibt kaum eine andere Wahl, wenn wir die Botschaft, die Eure Träume enthalten, richtig deuten. Entscheidet Euch für Sithech ... oder opfert Sarunir Euren Verstand!“ Fassungslos starrt die Azadoura die Hohepriesterin an, was Ygerne da sagt, ist einfach ungeheuerlich. „Das ist unmöglich“, presst sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Skarmendes lässt ein sarkastisches Lachen hören. „Glaubt uns, wir sind ebenso ... überrascht ... wie Ihr“, erklärt er trocken. „Für gewöhnlich ereilt einen der Ruf nicht so spät, auch wenn es schon vorgekommen ist.“ Kali weiß instinktiv, was unausgesprochen in diesen Worten mitschwingt. Und schon gar nicht jemanden wie mich, wollt Ihr wohl sagen, was? Jemanden wie mich, ein reißender Wolf unter all diesen ach so weißen Schäfchen, die Euren ach so edlen Göttern huldigen. Nein wie grotesk ...

... Kali Maya hat versucht der Macht der Träume zu widerstehen, hat verzweifelt dagegen angekämpft, nur um am Ende doch ihrer schier unerträglichen Intensität nachzugegeben, zu unterliegen. Seither trägt sie das graue Gewand der Novizen und außerhalb des Sithechhains auch den grauen Schleier der Schweigenden Schwestern, eine Maske, hinter der sie sich nur allzu gerne verbirgt. Bisher ist es ihr nicht wirklich gelungen, sich in ihre neue Rolle einzufinden. Es ist ihr gestattet weiterhin im Nevisyoli zu leben, welches sie allein schon wegen dem damit verbundenen Allerley Gifte und seinem Zugang zur Unterstadt nicht aufgeben will. Auch als Schreiberin darf sie sich nach wie vor betätigen, doch die vielen Pflichten, die das Noviziat im Sithechtempel mit sich bringt, haben ihre bisherigen Freiheiten merklich eingeschränkt. Nechta Graulicht hat sie unter ihre Fittiche genommen, und auch Khalkhis, der Scriptor und Archivar des Tempels, weiß ihre Talente zu schätzen. Die wirklich interessanten Schriften hält er zwar sorgsam von ihr fern, aber mit etwas Geduld ... Kali ist nicht dumm und kann sich nur zu gut ausmalen über welche Schätze der alte Immerfroster so eifersüchtig wacht.
Skarmendes macht ihr derweil das Leben schwer. Der Novizenmeister ist ein gestrenger Lehrherr und bei Kalis jungen Mitnovizen vor allem aufgrund seiner herrischen Art gefürchtet. Die Azadoura selbst betrachtet der Novizenmeister offenbar als ganz persönliche Herausforderung. Die lange Zeit, die sie schon im Tempel weilen, hat die anderen Novizen Respekt für und Furcht vor Skarmendes gelehrt, Dinge, die Kali fehlen. Dem merklichen Hochmut des Novizenmeisters begegnet sie mit dem ihren; gepaart mit jener geringen Wertschätzung des männlichen Geschlechts, welche ihrem Volk zu eigen ist – keine besonders gute Grundvoraussetzung für ein spannungsfreies Miteinander.

Die Azadoura erhebt sich, wobei sie den Löwentamarin weckt. Enttäuscht springt das nach wie vor namenlose Äffchen auf den Boden und keckert verärgert, als seine Herrin es hinaus in die Kälte scheucht, im Tempelinneren ist das exotische Tier nicht unbedingt gerne gesehen. Ein heftiger Stoß in die Rippen lässt Kali zusammenzucken und sie legt beide Hände auf den gewölbten Leib, der ihr mittlerweile nur noch eine einzige Last ist. Im Grunde kann es nun jeden Tag soweit sein und Nechta sieht es ausgesprochen ungern, dass die Azadoura den Tempel nach wie vor jeden Abend verlässt, um die Nacht allein im Nevisyoli zu verbringen.
Aber Kali braucht diesen Abstand, das trügerische Gefühl zumindest für ein paar einsame Stunden vor der Macht Sithechs in die vertraute Finsternis des Dunklen fliehen zu können. Ein frevlerischer Gedanke für eine Novizin der Zwölfgötter, das ist Kali nur allzu klar. Deshalb wundert es sie auch sehr, dass der Gott des Winters, wenn er den wirklich so machtvoll ist, wie Skarmendes ihr jeden Tag einzubläuen versucht, sie bisher nicht mit aller Härte dafür bestraft hat. Sie geht in den Tempel, vor Sithechs Bildnis bleibt sie stehen. Spöttisch lässt sie die Wort der Widersagung in ihrem Geist erklingen: Ich widersage den Mächten der Finsternis und ihren Dienern mit all ihrer Bosheit. Ich widersage dem, dessen Name nicht mehr genannt wird auf Erden, der verbannt wurde aus dem Kreis der Götter, der begraben und vergessen ist bis an das Ende aller Zeiten. Kali lacht leise, nichts ahnend, dass Skarmendes sie aus den Schatten heraus unbemerkt beobachtet. Du hast noch viel zu lernen, Mädchen, denkt der Novizenmeister bei sich. Und es ist mir ein Rätsel, was der Herr des Totenreichs mit einer wie dir vorhaben könnte. Nun, er wird seine Gründe haben ... und wir werden sehen, auf welche Pfade er deine Schritte lenkt.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 31. Jan. 2009, 17:03 Uhr
Nacht des 30. Silberweiß'

Im Sithechtempel herrscht Stille, alle haben sich zur Ruhe begeben, entweder um zu schlafen oder um sich ungestört noch eine Weile den eigenen Studien zu widmen. Aber Kali hat weder für das eine noch das andere den rechten Nerv. Schon seit geraumer Zeit hat sie das Gefühl ihr Bauch wird in unregelmäßigen Abständen von einem Band zusammengeschnürt, welches man kurz darauf wieder lockert. Anfangs hat sie dem wenig Aufmerksamkeit beigemessen, doch allmählich wird sie unruhig. Nervös wandert sie im Dunkel des Kapitelsaal auf und ab, wobei sie sich immer öfter das schmerzende Kreuz hält. Plötzlich bemerkt sie das sanfte Flackern einer Kerzenflamme und bleibt stehen. Beinahe geräuschlos tritt Nechta aus den Schatten, die Kerze vor sich her tragend. „Hat es begonnen?“, fragt sie und ihre sonst so beherrschte Stimme klingt ungewohnt weich. Die Azadoura nickt. „Ich denke schon“, antwortet sie. „Die Wehen kommen unregelmäßig, vielleicht 2 oder 3 in einer halben Stunde.“ Die Priesterin nickt verständnisvoll. „Dann ist noch ein wenig Zeit“, erklärt sie und wendet sich ab. „Ich werde Nessel und Kupferkopf wecken und zu Lady Niniane ins Larisgrün schicken“, erklärt sie bedächtig. „Brecca und Fenora können mir derweil hier bei einigen Vorbereitungen zur Hand gehen. Bleibt hier, ich werde gleich zurück sein.“ Die Azadoura mustert die Oberste der Schweigenden Schwestern mit ihren nachtschwarzen Augen, die im Dunkel nicht erkennbar sind, erwidert aber nichts. Nechta fasst das Schweigen der Schwangeren als Zustimmung auf und eilt mit raschelnden Gewändern davon, an das kühle, distanzierte Verhalten, welches Kali nach wie vor an den Tag legt, hat sie sich längst gewöhnt.

Nessel und Kupferkopf sind wenig erbaut davon mitten in der Nacht bis ans andere Ende der Stadt und hinaus ins Larisgrün zum Baum der Protektorin geschickt zu werden, fügen sich aber murrend in ihr Schicksal, als sie erfahren worum es geht. Kali Maya ist unter den übrigen Novizen nicht gerade beliebt, doch dies tut in diesem Augenblick nichts zur Sache – wann kommt es schon einmal vor, dass man ausgerechnet in Sithechs heiligen Hallen der Geburt neuen Lebens entgegen sieht? Hastig kleiden sich die beiden an und machen sich auf den Weg, immerhin sind sie zu Zweit. Die Gräueltaten des Nekromanten, die in Talyra Angst und Schrecken verbreitet haben, liegen noch gar nicht so lange zurück und die Erinnerung daran ist nicht wieder aus den Köpfen und Gedanken der Bevölkerung verschwunden. Während die beiden Novizen in die Nacht hinaus huschen, kommt Nechta mit Brecca und Fenora zurück. „Fenora, hab' ein Auge auf Kali“, weißt die Priesterin die Novizin, ein verhuschtes, zartes Ding, an und fordert Brecca anschließend auf, ihr bei den verschiedensten Vorbereitungen behilflich zu sein. Die Azadoura will Fenoras Hilfe abweisen, doch Nechta duldet an diesem Punkt keinerlei Einspruch, deshalb muss Kali es sich fortan gefallen lassen, dass die Novizin jeden ihrer Schritte wachsam verfolgt und sogleich an ihre Seite geeilt kommt, sobald sie zu stolpern droht oder sonst einer Hilfe zu bedürfen scheint. Leise in der Zunge der Shebaruc vor sich hin murmelnd lässt sich die Azadoura durch den spärlich erhellten Kapitelsaal führen und schlägt schließlich den Weg ins Herzstück des Tempels, zu den Schreinen und Abbildern Sithechs und seiner Archonen ein.

In der Düsternis des Tempelinneren schreitet sie dahin ohne ihrer Umgebung wirklich etwas von ihrer Aufmerksamkeit zu schenken. Auch Fenora, die mittlerweile dazu übergegangen ist, die Azadoura zu führen und zu stützen, beachtet Kali kaum. Angespannt horcht sie in ihr Innerstes und achtet auf jede noch so kleine Veränderung. Die Wehen scheinen allmählich häufiger zu werden, die einzelnen Abstände verkürzen sich merklich. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – scheint Kali Maya immer mehr jedes Gefühl für Raum und Zeit zu verlieren. Im unheimlichen Rascheln der unzähligen Totenfalterflügel vermeint sie wieder eine eindringliche Stimme ihren Namen wispern zu hören. Ein kalter Schauder läuft ihr den Rücken hinab, seit sie sich in das Noviziat gefügt hat, hat sie die Stimme nicht mehr so deutlich vernommen, wie in eben diesem Augenblick.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Niniane am 25. Feb. 2009, 09:53 Uhr
In der letzten Nacht des  Silberweißmondes


Die letzte Nacht des Silberweißmondes ist klirrend kalt und nur spärlich vom Licht eines dünnen, abnehmenden Mondes erhellt. Es liegt nicht viel Schnee, aber der Wind treibt harsche Reifflocken in dünnen Schleiern vor sich her, und der Boden ist silbern vor Frost und hart wie Stein. Etwas mehr als eine Stunde, nachdem die beiden junge Novizen an den Smaragdstrand geschickt worden waren, erreicht Niniane den Sithechtempel und kündigt ihre Ankunft dort mit sanftem Flirren und goldenem Dunst am Haupttor an. Cron hatte den verschüchterten Nessel und den neugierigen Kupferkopf eingelassen und ihnen nach heißem Tee vermutlich Obdach für den Rest dieser eisigen Nacht gegeben, während sie durch die verworrenen Stränge und unsichtbaren Pfade des Gewirrs in die warme Dunkelheit des Sithechtempels geeilt war. Um einer Azadoura beizustehen… Sie landet direkt hinter dem Rabentor in der Vorhalle des Tempels und tritt aus einem Strudel schimmernder Lichtschleier in die ewige Düsternis des Gottes von Tod und Winter. Es ist lange her, dass ich hier war. Ihre jüngsten Erinnerungen an den Knochenacker sind nicht unbedingt die besten, aber das hat weder mit Sithech noch mit diesem, seinem Haus, etwas zu tun, also schiebt sie alle Gedanken daran entschlossen beiseite und geht mit lautlosen Schritten in die Haupthalle. Sie kennt Ygerne sehr gut und weiß, dass zumindest die Hohepriesterin ihre Ankunft hier wohl bemerkt hat, denn sie hatte nichts getan, um ihr Kommen zu verbergen - doch da niemand erscheint, um sie willkommen zu heißen und Ygerne weder unhöflich, noch gedankenlos ist, noch je etwas grundlos in ihrem Leben getan hat, macht Niniane sich ihre eigenen Gedanken und glaubt zu wissen, was dahinter steckt. Sie kann auch Nechta Graulicht irgendwo in der Nähe spüren, aber die Priesterin hält sich ebenso im Hintergrund, wie alle anderen Vorsteher und Priester des Tempels. Nun, wir werden sehen, Ygerne. Nicht jede Rechnung geht auf…
 
Still wie ein Schemen und halb verborgen von den Schatten und den Totenfaltern, die sich um sie drängen und von den Belangen kleiner, geflügelter  Wesen flüstern, nähert sich Niniane den einzigen beiden Frauen außer ihr in der Halle - einer Hochschwangeren, die vor Sithechs Statue ihre Kreise zieht, und einer zierlichen Novizin, die sie stützt. Die Azadoura ist nicht sehr groß, eine Handbreit kleiner als sie selbst, und erinnert nicht einmal so sehr an eine Shebaruc, wie Niniane insgeheim erwartet hatte – vielleicht liegt das aber auch nur am dämmrigen Halbdunkel hier im Tempelinneren, wo das flackernde Kerzenlicht mehr Schatten zu werfen, als zu vertreiben scheint. Erst als sie wirklich nahe ist, blicken beide Frauen auf, sowohl die Azadoura, als auch die deutlich erleichtert wirkende Novizin. "Ich bin Niniane." Aus der Nähe lassen die mondbleiche Haut, die pupillenlos schwarzen Augen und die dunklen Tätowierungen keinen Zweifel an der Abstammung der Sithechnovizin. Niniane hatte schon längst von ihr gehört, wie wohl alle, die irgendetwas mit den Tempeln und dem Klerus der Stadt zu tun hatten, denn… nun, zumindest die geistlicheren unter den Spatzen hatten es im wahrsten Sinne des Wortes von den Dächern gepfiffen. Sie kann es ihnen nicht verdenken – schließlich fällt die Wahl eines der Zwölf nicht jeden Tag auf eine Azadoura. "Und Ihr seid Kali Maya. Ich habe schon… von Euch gehört." Und nicht jeden Tag heiratet ein Eisenzwerg eine halbe Shebaruc oder jemand wie du einen Nordmann, also gib ihr eine Gelegenheit. Eine neue Wehe verkrampft den Körper der Azadoura sichtlich und Niniane winkt die Novizin zur Seite, um selbst deren Platz einzunehmen. "Setzt Euch einen Moment," wendet sie sich an die Azadoura. "Hier, auf eine der Gebetbänke. Ich möchte Euch untersuchen, um zu sehen, wie weit Ihr schon seid. Und du, Mädchen lass uns einen Augenblick allein. Geh zu Nechta und sieh nach, wie weit sie mit allem sind, was wir brauchen werden."    

Die Novizin eilt davon und Niniane dirigiert die Hochschwangere mit sicherem Griff auf eine der schmalen Holzbänke. "Schamgefühl und Befremdung müssen wir für eine Weile außer Acht lassen," erklärt sie leise, während ihre kundigen Finger das lose Novizengewand raffen, nach oben schieben und sich dann rasch, aber sanft und gründlich an eine Bestandsaufnahme machen. "Und ich werde Euch möglicherweise einige vertrauliche Fragen stellen müssen, aber das gehört zu meiner Aufgabe." Der kugelrunde Bauch der Azadoura wird in mehr oder minder regelmäßigen Abständen steinhart, aber die Wehen liegen noch mehr als fünf Minuten auseinander und der Muttermund ist weich, aber noch längst nicht vollständig geöffnet. "Ist schon Fruchtwasser abgegangen? Nein? Gut. Dann wird die Fruchtblase vermutlich erst platzen, wenn die Presswehen einsetzen. Ein Stückchen Arbeit, bis es soweit ist, liegt aber noch vor uns. Ihr müsst so lange umherlaufen, wie Ihr könnt, das hilft meist, die Geburt zu beschleunigen. Außerdem fühlt man sich nicht ganz so hilflos, wenn man nicht wie ein dicker Käfer auf dem Rücken liegen muss. Kommt. Gehen wir noch ein Stück." Sie hilft der Azadoura aufzustehen und stützt sie, als sie ihr langsames Umherwandern wieder aufnehmen. "Wenn ich noch irgendetwas wissen muss, was die Geburt anbelangen könnte... über Euch oder den Vater der Kinder... dann ist jetzt die Gelegenheit, es mir zu sagen."

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 26. Feb. 2009, 19:38 Uhr
Während Kali an Fenoras Seite immer und immer wieder an den Statuen Sithechs und seiner Archonen vorüberkommt, lässt sie ihren Gedanken treiben. Die Senkwehen werden zwar häufiger, doch im Augenblick beträgt ihr Abstand etwas mehr als fünf Minuten und die Schmerzen lassen sich noch gut ertragen. Weder Ygerne noch Nechta kommen, um nach ihr zu sehen und so sind die beiden Frauen allein, als plötzlich, beinahe geräuschlos, eine Frau aus den Schatten im Tempelinneren tritt und auf sie zugeht. Kali und Fenora bleiben stehen, schauen überrascht auf und gleich darauf wirkt die zierliche Novizin an der Seite der Azadoura sichtlich erleichtert. Sie scheint die Unbekannte zu kennen, den sie neigt respektvoll den Kopf als Zeichen des Grußes. »Ich bin Niniane«, stellt sich die Fremde vor, während Kali sie taxierend in Augenschein nimmt. Vor ihr steht eine schlanke Elbenfrau, genauer gesagt eine Halbelbin, wie die Azadoura sehr wohl weiß. Niniane ist größer als sie selbst, wenn auch nicht so groß wie die meisten Elbinnen. Dunkelrotes Haar fällt ihr in sanften Wellen den Rücken bis zur Taille hinab und umrahmt ein ebenmäßiges Gesicht mit klaren, kühnen Zügen. Doch es sind die Augen der Halbelbin, die Kalis Blick gefangen nehmen – ohne erkennbare Pupille oder Iris, so wie der Azadoura, doch golden wie Mittagssonne begegnen sie denen der Schwangeren. Das also ist die berühmte Protektorin des Larisgrüns, stellt Kali fest. Interessant. Natürlich hat sie längst von Ninane gehört, immerhin scheint die Halbelbin in gesamten Stadt hoch angesehen zu sein, nun ja. Kali schweigt und bleibt auf Distanz. Ihr Volk hegt keine große Liebe für Angehörige der Elbenvölker und die Azadoura hat zwar längst gelernt, ihre Abneigung nicht bei jeder noch so bedeutungslosen Gelegenheit zur Schau zu stellen, doch tief in einem ganzen Volk verankerter Hass und Misstrauen lassen sich auch nicht so leicht ablegen wie ein altes paar Schuhe.
»Und Ihr seid Kali Maya. Ich habe schon… von Euch gehört«, spricht die Protektorin weiter, woraufhin die Angesprochene vage nickt und erwidert „... und ich von Euch“ bevor sich ihr Körper, von einer neuen Wehe überrascht, schmerzhaft verkrampft. Die Halbelbin reagiert sogleich, winkt Fenora beiseite und schickt die Novizin dann fort, nimmt stattdessen selbst den Platz an Kalis Seite ein und bittet die Azadoura sich kurz auf eine der nahen Gebetbänke zu setzen und untersuchen zu lassen. »Schamgefühl und Befremdung müssen wir für eine Weile außer Acht lassen«, merkt sie leise an und Kali stimmt widerwillig zu. Sonderlich willkommen ist ihr die Begutachtung ihres körperlichen Zustandes nicht, doch ihre Notwendigkeit in Anbetracht der gegenwärtigen Situation sieht sie durchaus ein. Angespannt lässt sie Ninianes tastende Hände und kundige Fragen über sich ergehen und lässt sich schließlich sichtlich erleichtert wieder auf die Beine helfen.

»Wenn ich noch irgendetwas wissen muss, was die Geburt anbelangen könnte... über Euch oder den Vater der Kinder... dann ist jetzt die Gelegenheit, es mir zu sagen«, stellt die Halbelbin schließlich klar, als sie ihr gemeinsames Umherwandern wieder aufnehmen und die Azadoura mustert sie abschätzend. „Der Vater?“, echot Kali schließlich leise. „Unbedeutend, ... tot.“ Ihre Stimme klingt kalt, teilnahmslos und drückt genau das aus, was sie für Kumara Nílagráha empfindet bzw. empfunden hat – nichts! Er war nur Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. Beziehungen bzw. Ehen innerhalb einer Sippe gelten nach den heutigen Gesetzen der Azadoura zwar offiziell als absolutes Tabu – inoffiziell aber sind Nachkommen aus derartigen Verbindungen vor allem innerhalb der sich als sehr reinblütig betrachtenden, noch immer den Dunklen verehrenden und extrem fundamentalistisch auftretenden Sippen Mazaka und Nílagráha (und einiges anderer) durchaus üblich und erwünscht, obschon die jeweiligen Sippenmütter nach außen eine andere Haltung vortäuschen.
Niniane gegenüber verliert Kali in dieser Richtung jedoch kein Wort, danach, einer wildfremden Frau, noch dazu einer Elbenblütigen, ihre Beweggründe zu erklären, steht ihr gerade wirklich nicht der Sinn. Sie schweigt kurz, als sie sich für einen kurzen Moment an ihre letzten Monde in Agutrot erinnert, dann holt sie eine Wehe schmerzhaft in die Wirklichkeit zurück. Als sie endlich wieder normal atmen kann, erklärt sie: „Aber vielleicht solltet Ihr wissen, dass Zwillingsgeburten in meiner Familie nichts ungewöhnliches sind.“ Sie lächelt bitter, als bei diesen Worten unweigerlich eine alte Erinnerung an ihre eigene Zwillingsschwester Kalidasa wachgerufen wird. In den meisten Fällen hatte nur ein Zwilling überlebt, männliche Kinder wurden anfangs sogar ganz bewusst direkt nach der Geburt ihrem Schicksal überlassen oder als Opfer verwendet – was waren sie schon groß wert? Und so wahr Kali hier steht, bei allen Neun Höllen, wie sehr wünscht sie sich, Kalidasa hätte ein ähnliches Schicksal ereilt. Verärgert murmelt sie einen leisen, unverständlichen Fluch in der Zunge ihres Volkes, bevor sie an etwas anderes zu denken versucht. Schließlich wird ihr bewusst, dass sie überhaupt nicht die geringste Ahnung hat, ob sie möglicherweise tatsächlich Zwillinge erwartet. Seit ihrem Besuch bei der alten Heilerin in Naggothyr hat sie niemanden dieser Zunft mehr aufgesucht, um sich untersuchen oder ein paar Ratschläge geben zu lassen. Dabei, da ist sie sich sicher, hätte ihr jemand wie Niniane gewiss schon längst sagen können, ob sie ein Kind oder zwei erwartet. Im Grunde ist es der Azadoura jedoch egal, solange sie nur keinen Jungen zur Welt bringt.

Schweigend lässt sie sich von Niniane durch das Halbdunkel des Tempelinneren führen, zu sagen hat sie der Halbelbin nicht viel. Dann und wann beantwortet sie eine Frage bezüglich ihres körperlichen Befindens, zieht es ansonsten aber vor lieber dem Rascheln der Totenfalterflügel zu lauschen und ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Irgendwann kommt Nechta zu ihnen, um nach ihr zu sehen, Niniane willkommen zu heißen und ein paar Worte mit der Protektorin zu wechseln, aber Kali schenkt dem leisen Gespräch der beiden Frauen wenig Aufmerksamkeit. Stattdessen sinnt sie darüber nach, wie merkwürdig es doch ist, dass sie – ausgerechnet sie – hier an diesem Ort, in den Hallen des Gottes von Tod und Winter, darauf wartet neues Leben zu gebären.
Die Stunden der Nacht verstreichen ungezählt, die Morgendämmerung kann nicht mehr allzu fern sein. Allmählich spürt sie, wie sie immer müder wird und es ihr mehr und mehr schwerer fällt, sich noch auf den Beinen zu halten. Dann und wann verlangt sie nach etwas Wasser oder ruht sich für eine Weile auf einer der Gebetbänke aus, doch die Zeit will einfach nicht vergehen. Ungeduld und Unmut machen sich langsam in ihr breit – immerhin, die Abstände zwischen den einzelnen Wehen lassen ihr mittlerweile nur noch ein bis zwei Minuten Zeit zum Atmen und laut Auskunft der Halbelbin deutet auch die Weitung ihres Muttermundes darauf hin, dass die eigentliche Geburt endlich näher rückt. Mittlerweile sind die Wehen extrem schmerzhaft und der Azadoura ist mehr und mehr danach zu Mute herzhaft fluchen zu wollen. Eine weitere Wehe, Schmerz, dann das Gefühl von Feuchtigkeit verbunden mit einem leicht süßlichen Duft. Verblüfft schaut sie zu Boden. Zur ihren Füßen breitet sich langsam eine Fruchtwasserlache aus. Widerstandslos lässt sie sich bestimmt aus Sithechs heiligen Hallen geleiten und dorthin führen, wo Nechta, Brecca und Fenora alles für die eigentliche Geburt vorbereitet haben. Die Priesterin und die beiden Novizinnen haben wirklich für alles Nötige gesorgt: Schalen und Krüge mit heißem Wasser, weiße, weiche, duftende Linnentücher, verschiedene Kräuter und Öle, ja sogar eine Schale für die Nachgeburt steht bereit. Kali stellt benommen fest, dass sich die Wehen spürbar verändert haben und ist dankbar, als sie ihren schmerzenden Körper endlich auf das vorbereitete Geburtslager betten darf, doch dieses Gefühl der Dankbarkeit währt nur kurz. Als die Presswehen endgültig einsetzen, ist es mit dem letzten bisschen Selbstbeherrschung der Schwangeren rasch vorbei. Wirklich bewusst nimmt sie kaum noch etwas von dem wahr, was um sie herum geschieht. Stattdessen lässt sie all ihren Empfindungen freien Lauf, und – da kann man sagen was man will – kaum eine Sprache eignet sich vortrefflicher zum Fluchen, Drohen und Wüten als die unheilvolle Sprache der Shebarûc ...

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Niniane am 27. Feb. 2009, 18:38 Uhr
Niniane übergeht sowohl die anhaltende Schweigsamkeit, als auch die überhebliche Arroganz, in die sich die Azadoura den ganzen Rest der Nacht hüllt wie in einen Harnisch. Sie denkt sich nur ihren Teil - einmal kann sie nicht widerstehen und wirft einen spöttischen Blick hinauf zum asketischen Gesicht der Sithechstatue. Was um Himmels Willen hast du dir dabei eigentlich gedacht? Das Rascheln tausender Totenfalterflügel ist die einzige Antwort, die sie bekommt, aber es klingt eindeutig erheitert. Dann fällt ihr ein, wen der Gott des Winters, der Kälte und des Todes in Talyra noch so alles in seinen Diensten hat und so zuckt sie nur mit den Schultern.

Die einzigen Worte, die sie und die Azadoura wechseln, beschränken sich auf knappe Fragen und noch knappere Anweisungen und geben der ganzen doch sehr vertraulichen Situation etwas ziemlich bizarres - und als die eigentliche Geburt beginnt, und sich zu den heftigen körperlichen Schmerzen der Gebärenden auch noch eine gehörige Portion Ungeduld gesellt, wird Ninianes Langmut allmählich auf eine harte Probe gestellt. Sie lässt die junge Frau laufen so lange ihre Beine sie tragen, untersucht sie in immer kürzeren Abständen und hört den aufgetriebenen, straff gespannten Bauch nach den Herztönen der Kinder ab, doch beide schlagen kräftig und gleichmäßig. "Euren Kindern geht es gut," verkündet sie kühl, als der Tag endgültig anbricht und sie Kali Maya in das Gemach bringen, wo die Priesterinnen des Tempels alles für die Geburt vorbereitet haben. Die Azadoura ist eine Azadoura, aber sie scheint ungeheuer stolz auf ihr Shebarûcerbe und ist immerhin so etwas wie elbenblütig -  und natürlich nimmt Niniane an, sie weiß längst, dass sie Zwillinge erwartet, vor allem da das in ihrer Sippe nichts ungewöhnliches zu sein scheint. Sie weiß nicht, ob Azadoura senden können wie Elben, nach dem Benehmen der Gebärenden ihr gegenüber hat sie jedoch auch keine große Lust mehr, danach zu fragen - oder überhaupt ein Gespräch zu führen.  "Die Schmerzen werden bald nachlassen. Wenn Ihr pressen dürft, ist das Schlimmste vorüber."

Kaum haben sie die Azadoura auf das breite Bett verfrachtet und ihr dort eine ganze Reihe dicker Kissen in den Rücken geschoben, an die sie sich lehnen kann, bäumt sich der Körper der jungen Frau auch schon auf, getrieben von Kräften, denen sie vollkommen hilflos ausgeliefert ist. Niniane winkt Nechta und zwei der Mädchen herbei, welche Kali Maya stützen und ihre angewinkelten Beine halten.  "Macht den Rücken rund", weist sie die Azadoura an, die presst und presst und dabei wie so viele Frauen den Kopf in den Nacken wirft. Als sie dann jedoch beginnt, mit harscher Stimme in der Zunge der Blutelben Gift und Galle zu spucken, ist es mit Ninianes Beherrschung vorbei und sie hält der jungen Frau kurzerhand für einen Moment den Mund zu.

Ihre Augen sind heller als das Herz der Sonne, als sie ihr Gesicht ganz dicht vor das schweißglänzende, bleiche Antlitz der Azadoura bringt und eindringlich in ein paar onyxschwarze Augen starrt. "Hört. Auf. Damit. Flucht und schreit so viel Ihr wollt, wenn Ihr der Meinung seid, Ihr habt soviel Atem übrig. Aber nicht in dieser Zunge! Und jetzt nehmt das Kinn herunter, Ihr behindert Euch sonst noch selbst." Sie kehrt zu ihrem Platz am Fußende des Bettes zurück, und breitet die Geburtslaken aus weichem, saugfähigem Leder aus. Ein weiterer Schwall Fruchtwasser tränkt mit der nächsten Presswehe das Bett und füllt das Gemach mit dem Duft des Lebens selbst. "Aufhören," mahnt sie leise. "Nicht mehr pressen jetzt. Gut so. Langsam. Nicht pressen. Wenn Ihr nicht reißen wollt, dann haltet Euch noch eine Weile zurück. Gut. Wartet. Wartet auf die nächste Wehe. Atmet. Jetzt! Pressen… weiter… weiter… Ihr macht das sehr gut… weiter. Und hier ist es… "

In einer schier endlos langen Wehe und Anstrengung wird das erste der beiden Kinder geboren, ein kräftiges, faltiges, weißrotverschmiertes Würmchen mit fuchtelnden Ärmchen und Beinchen, das es ziemlich eilig hat, zur Welt zu kommen und auf einen Rutsch in Ninianes wartende Hände gleitet. "Hier ist das erste. Ein kräftiges Mädchen." Niniane legt das Baby auf den immer noch hart gewölbten Bauch seiner Mutter und bindet die Nabelschnur ab. Kaum hat sie den zweiten Knoten geschlungen, beginnen die Presswehen allerdings schon von Neuem und das zweite Kind kündigt sich an.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 02. März 2009, 20:59 Uhr
Als Niniane Kali in das vorbereitete Gemach begleitet, ist die Azadoura ehrlich erstaunt, als die Halbelbin erklärt: »Euren Kindern geht es gut.« Bis zu diesem Zeitpunkt war der Gebärenden, ganz im Gegensatz zu Ninianes Annahme, nicht klar, dass sie im Begriff ist, die _Tradition_ ihrer Familie fortzusetzen.
Obwohl Azadoura ebenso wie Halbelben gewissermaßen als elbenblütig gelten, hat die Gabe des Sendens bei ihnen im Laufe der Generationen deutlich an Stärke nachgelassen. Eine durchaus positiv zu wertende Entwicklung, wenn man bedenkt, dass es in den Anfangszeiten der Azadoura, als die Gabe des Sendens noch weitaus stärker ausgeprägt war, durchaus nicht unüblich war unerwünschte männliche Nachkommen einfach abzutreiben. Mittlerweile entwickelt sich die Gabe des Sendens glücklicherweise frühestens in den letzten ein oder zwei Monaten vor der Geburt, oftmals sogar erst im Verlauf des ersten bis dritten Lebensjahres. Einer werdenden Mutter ist es daher selten möglich auf diesem Wege vor der Geburt mit ihrem Kind in Kontakt zu treten.
Zwillinge ... Der Gedanke löst unzählige widersprüchliche Gefühle in der jungen Frau aus. Monde lang hat sie das neue Leben in ihrem Leib gespürt, hat dafür ihre gesamte sichere Existenz aufs Spiel gesetzt – und verloren – und nun Töchter zu erwarten, denen womöglich ein ähnliches Schicksal wie ihr in die Wiege gelegt wird, stößt sie ab. In Agutrot wären ihre Kinder von Anfang an dazu verdammt als Rivalinnen aufzuwachsen. Aber dies hier ist Talyra!, wird ihr urplötzlich bewusst. Verzweifelt hält sie diesen Gedanken fest, während die Schmerzen ihr Tränen in die Augen treiben.

Ganz automatisch führt sie aus, was auch immer Niniane von ihr verlangt. »Macht den Rücken rund«, fordert die Halbelbin sie auf und Kali gehorcht. Pressen. Atmen. Pressen. Atmen. Ihr ist völlig egal wie die Sprache ihrer Kindheit auf die übrigen Anwesenden wirkt, in diesem Augenblick ist sie das Einzige, was ihr etwas Trost spendet und Kraft gibt, verstoßen, entwurzelt und fern der Heimat wie sie ist; allein, ohne ein einziges vertrautes Gesicht.
Als sich plötzlich eine Hand auf ihren Mund legt, versetzt sie dies in blinde Panik. Verzweifelt versucht sie sich dagegen zur Wehr zu setzen und schlägt hilflos um sich. »Hört. Auf. Damit. Flucht und schreit so viel Ihr wollt, wenn Ihr der Meinung seid, Ihr habt soviel Atem übrig. Aber nicht in dieser Zunge! Und jetzt nehmt das Kinn herunter, Ihr behindert Euch sonst noch selbst.« Erst der Wut, die diese Worte in Kali wachrufen, gelingt es die Azadoura wieder zur Vernunft zu rufen. Zornig hält ihr Blick dem Ninianes stand. Als die Halbelbin sie schließlich ermahnt nun nicht mehr zu pressen bis die nächste Wehe da ist, gehorcht sie ihr jedoch widerstandslos, denn das Können der Protektorin stellt sie, trotz aller Antipathien und Vorurteile, die zwischen ihren Völkern bestehen, nicht einen einzigen Augenblick lang in Frage.
Der Rhythmus der Geburt und die damit verbundenen Anstrengungen fokussieren ihre Wahrnehmung mehr und mehr auf einen Punkt und lassen alles andere um sie herum völlig verblassen. Die Geburt des ersten Kindes – eine Tochter, wie erwartet – ist ein berauschendes Gefühl, ein Gefühl, das von einer erschreckenden und gleichzeitig unheimlich tröstlichen Erkenntnis begleitet wird: Sithech mag der Herr des Totenreichs und des Winters sein, aber im Gegensatz zum Dunklen, den ihre Sippe in Agutrot nach wie vor inbrünstig verehrt, steht er neuem Leben nicht feindlich und bedrohlich gegenüber. Eine einfache Erkenntnis, aber eine tiefgreifende, denn sie ist es, die es der Azadoura in diesem Moment endlich möglich macht, sich vollkommen in Sithechs Dienst zu stellen und völlig von ihrer Bindung an den Namenlosen, den Schlafenden Gott, zu lösen. Unter Sithechs Schutz eröffnet sich ihren Töchtern eine Zukunft unzähliger Möglichkeiten.
Ungläubig ob dieser Erkenntnis, betrachtet Kali fassungslos das winzige Bündel Azadoura, welches ihr die Halbelbin auf den gewölbten Buch legt. Fasziniert betrachtet sie ihre Tochter und will gerade eine Hand behutsam nach ihr ausstrecken, als die Presswehen erneut einsetzen und die Anstrengungen ein zweites Mal beginnen.

Als auch die Geburt des zweiten Kindes schließlich vorüber ist, kündigt sich draußen die Morgendämmerung an und das erste Licht des neuen Tages macht sich verhalten bemerkbar. Als Nininane das Neugeborene schließlich abgenabelt hat und neben dem erstgeborenen Kind auf Kalis Bauch ablegt, wird die Azadoura jedoch mit einer herben Enttäuschung konfrontiert. Nicht ein Mal ist der frischgebackenen Mutter in den Sinn gekommen, sie könnte einem Jungen das Leben schenken: Kali Mayas Sohn ist ebenso gesund wie seine Schwester, aber merklich zarter und schwächer. Auch sein erster Lebensschrei fällt deutlich verhaltener aus. Kali beachtet ihn kaum. Und als sie sich schließlich kräftig genug fühlt, um die die Arme auszustrecken, ist es nur das Mädchen nach dem sie verlangt. „Usha“, murmelt sie der Kleinen liebevoll zu. „Usha.“ Immer wieder nur diesen einen Namen. „Usha Kali Nílagráha.“
Nechta ist es, die sich ein Herz fast und ihr schließlich auch den Jungen in die Arme legt. „Ein hübscher Bursche“, erklärt die Priesterin, vielleicht um einfach irgendetwas zu sagen, vielleicht aber auch aufgrund eines aufrichtigen Empfindens. „Wie wollt Ihr ihn nennen?“ Die Azadoura runzelt leicht die Stirn und bedenkt ihren Sohn zum ersten Mal mit einem längeren Blick. Die Bezeichnung für ein später geborenes, jüngeres Kind liegt ihr bereits auf der Zunge; ein Name der unter den Männern ihres Volkes weit verbreitet ist. Doch plötzlich streift ein einzelner Lichtstrahl ihr Gesicht, um sie auf die Morgendämmerung aufmerksam zu machen. Kali legt den Kopf leicht schräg und erstmals zeigt sich darin etwas anderes als Teilnahmslosigkeit und Desinteresse. „Aruna“, erklärt sie. „Aruna Nílagráha.“ Er ist ihr Sohn, aber die Herzen der Azadoura schlagen selten laut für ihre Söhne – auch in der Fremde. Und schon bald hat sich der verträumt Blick der jungen Mutter wieder ausschließlich ihrer winzigen Tochter zugewandt, bis man ihr die beiden Kinder nach einer Weile behutsam aus den Armen nimmt, um sie gründlich zu untersuchen.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Niniane am 27. März 2009, 08:45 Uhr
Als die Azadoura ihren neugeborenen Sohn und den Zwilling ihrer Tochter nur mit einem teilnahmslosen Blick bedenkt, nimmt Niniane das Kind mit einem Kopfschütteln wieder an sich, nabelt es ab und untersucht es kurz. Er mag kleiner und ein wenig zierlicher sein als seine Schwester, aber nichtsdestotrotz ist er gesund und kräftig. Dennoch hat sie im Augenblick keine Zeit für eines der Kinder und reicht das Baby Nechta, die es mit einem Lächeln in die Arme schließt und ihm leise Koseworte zuflüstert, während sie selbst sich um die frischgebackene Mutter kümmert. So unverständlich und abstoßend das Verhalten Kali Mayas auch sein mag, sie ist ihre Hebamme und sie würde sich ebenso gut um sie kümmern, wie um jede andere Frau im Wochenbett, zu der man sie gerufen hat. Also massiert und knetet sie fest den Unterleib der Azadoura, bis das Bluten nachlässt und in ein paar letzten, ziehenden, aber weitgehend schmerzlosen Wehen die Nachgeburt ausgestoßen wird, wäscht die junge Frau mit warmem Wasser, sorgt für saubere Laken, weiche Leinenbinden mit dicken Einlagen aus zartem Weißmoos und ein frisches Hemd. Sie arbeitet unaufdringlich, ruhig und schweigend, während die Azadoura ihre Tochter im Arm wiegt und das perlgraue Licht der Morgendämmerung die kleine Kammer mit fahler Helle füllt. Es ist Nechta, die den Jungen irgendwann in die Arme seiner Mutter legt und fragt, wie er denn heißen soll. Der Kleinen hatte die Azadoura eben schon liebevoll einen Namen zugeflüstert - Usha Kali Nílagráha. Einen flüchtigen Moment lang sieht Kali Maya beinahe verärgert aus oder vielleicht ist die steile Falte zwischen ihren Brauen auch nur Nachdenklichkeit. Nechta wartet mit angehaltenem Atem und so wie Niniane die Priesterin kennt, auch bereit, das Kind sofort wieder an sich zu nehmen, sollte die Azadoura ihrem Sohn weiterhin nur gelangweiltes Desinteresse oder gar Feindseligkeit entgegenbringen. Ein seltsames Volk, diese Azadoura. Keine Menschen, keine Blutelben und "Halbelben" würde ich sie auch nicht nennen… woher diese Abneigung gegen Söhne wohl stammt? Shebarucerbe ist das jedenfalls nicht.

Draußen bricht die Wintersonne durch den Dunst und ein einzelner Strahl  verirrt sich in das kleine Gemach im Tempelinneren und fällt auf Kali Mayas Gesicht. In diesem weichen, goldblassen Morgenlicht schimmert ihre helle Haut wirklich wie ein Opal. Sie hat die schwarzen Augen dem winzigen Gesicht ihres Sohnes zugewandt. "Aruna. Aruna Nílagráha." Ihr Interesse an diesem Kind währt nicht lang, aber immerhin, es ist ein Hoffnungsschimmer und Niniane beruhigt sich mit dem Gedanken, dass Nechta gut auf den Kleinen achten und die Azadoura stets daran erinnert wird, dass sie zwei Kinder hat. Sie lässt Kali Maya noch einen Augenblick, dann nimmt sie die Kinder an sich, um sie sich noch einmal genauer anzusehen. "Ich werde sie wiegen und messen, ihre Atmung und ihre Haut überprüfen, mir den Nabel noch einmal ansehen und sie versorgen," beruhigt sie die junge Mutter, die mit Argusaugen überwacht, was mit ihren Kindern geschehen soll... oder zumindest was mit ihrer Tochter geschieht. Wenigstens darin sind sie alle gleich, ganz egal, von welchem Volk oder welcher Rasse sie entstammen. Niniane versorgt als erstes die Nabelschnurreste der Kinder, sorgt dafür, dass sie trocken und sauber sind und streut ein wenig Silberpuder darüber, bevor sie leichte Gazestücke so darum wickelt, dass kein Windelende scheuern kann. Sie misst und wiegt Aruna und seine Schwester Usha und stellt zufrieden fest, dass der Unterschied nicht so groß ist, als dass irgendjemand sich Sorgen machen müsste. Usha bringt 3250 Gran auf die Waage, ihr Bruder 3005 Gran, beide sind 50 Sekhel lang und sowohl ihre Hautfarbe, die natürlich blasser ist, als bei menschlichen oder elbischen Kindern, als auch ihre Atmung sind vollkommen in Ordnung. Dann wickelt sie die beiden, ölt sämtliche winzigen Hautfältchen sorgfältig ein, tupft vom Fruchtwasser noch feuchte Haarflaumköpfchen trocken und zieht ihnen weiche, warme Kittelchen, winzige Strümpfe und Leibchen an. Die Zwillinge lassen alles über sich ergehen, blinzeln ab und an mit schwarzen Augen in die ihnen noch so fremde Welt, niesen wie kleine Kätzchen und maunzen hin und wieder nach ihrer Mutter.  Eine Novizin des Tempels geht Niniane zur Hand und bringt die beiden hungrigen Babys dann zu Kali Maya zurück.

"So… möge Sithech Euch und Eure Kinder segnen, ihr habt es geschafft." Niniane wäscht sich die Hände in einer bereitgestellten Schüssel mit heißem Wasser und Honigseife. "Ich möchte, dass Ihr mindestens zwei Tage das Bett hütet, bis das stärkste Bluten nachgelassen hat, dann dürft Ihr aufstehen. Nutzt die Zeit, um Eure Kinder so oft wie möglich anzulegen, und zwar beide und an beiden Brüsten. In den nächsten Tagen, vermutlich schon morgen, manchmal dauert es aber auch ein wenig länger, wird die Milch einschießen. Ich lasse Euch einen Tee hier, den ihr trinken könnt, um die Milchbildung anzuregen, solltet Ihr nicht gleich genug haben, um sie satt zu bekommen. Die Lamien werden etwa vier bis acht Wochen anhalten. So lange solltet Ihr auch mit keinem Mann das Bett teilen. Habt Ihr noch irgendwelche Fragen?"

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 20. Apr. 2009, 19:29 Uhr
Wachsam beobachtet Kali von ihrem Lager aus jeden Handgriff Ninianes und sieht aufmerksam zu, wie die Halbelbin die beiden Neugeborenen untersucht, wiegt und misst, Atmung und Haut prüfend in Augenschein nimmt, die Nabelreste versorgt und die Winzlinge schließlich sorgfältig geölt, eingepudert und gewickelt in frische Kittelchen, Leibchen und Strümpfe steckt. Fenora steht Niniane bei diesen Aufgaben hilfreich zur Seite und bringt die Zwillinge schließlich zu Kali zurück, um sie ihr wieder in die Arme zu legen.
»So… möge Sithech Euch und Eure Kinder segnen, ihr habt es geschafft«, verkündet die halbelbische Protektorin und tritt an Feonoras Seite, nachdem sie sich gründlich die Hände gewaschen hat. Fenora lächelt verzückt, als die Zwillinge  einstimmig niesen und senkt verlegen die Augen, als ihr Blick dem Kali Mayas begegnet. »Ich möchte, dass Ihr mindestens zwei Tage das Bett hütet, bis das stärkste Bluten nachgelassen hat, dann dürft Ihr aufstehen. Nutzt die Zeit, um Eure Kinder so oft wie möglich anzulegen, und zwar beide und an beiden Brüsten«, erklärt Niniane derweil. »In den nächsten Tagen, vermutlich schon morgen, manchmal dauert es aber auch ein wenig länger, wird die Milch einschießen. Ich lasse Euch einen Tee hier, den ihr trinken könnt, um die Milchbildung anzuregen, solltet Ihr nicht gleich genug haben, um sie satt zu bekommen. Die Lamien werden etwa vier bis acht Wochen anhalten. So lange solltet Ihr auch mit keinem Mann das Bett teilen. Habt Ihr noch irgendwelche Fragen.« Abwartend schaut die Halbelbe die Azadoura an.

Kali Maya nickt langsam. Sie ist völlig erschöpft und so müde, dass es ihr schwer fällt, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Wie lange schlafen Neugeborene für gewöhnlich? Wie oft wird sie die beiden stillen müssen? Und was soll sie tun, wenn die Milch nicht für beide reichen sollte? Die Frage kommt ihr über die Lippen, ohne das sie überhaupt richtig darüber nachgedacht hat. Erstaunt kräuselt sie die Stirn. Bei den Azadoura stehen weibliche Nachkommen stets an erster Stelle – immer, damit wäre die Frage doch eigentlich schon klar beantwortet, oder? Irritiert mustert sie ihren Sohn, der schläfrig an ihrer Brust liegt, während seine Schwester unbeholfen, aber äußerst zielstrebig erste Trinkversuche unternimmt.  
„Wann werde ich meine Pflichten wieder aufnehmen können?“, fragt sie schließlich, weil ihr nichts anderes mehr einfällt. Fragend schaut sie Niniane an. Sicher, die Lamien werden ihr einige Zeit zu schaffen machen, aber ganze vier bis acht Siebentage ausschließlich damit beschäftigt zu sein, sich um ihre Kinder zu kümmern und ansonsten nichts groß tun zu können, behagt ihr irgendwie nicht. Auch die Aussicht vermutlich nicht allzu oft aus dem Sithechtempel hinaus zu kommen und Nechta und die anderen ständig um sich herumschwirren zu haben, passt ihr nicht. Auch wenn sie sich eingestehen muss, dass sie sich in Sithechs heiligen Hallen durchaus wohl fühlt, es ist auch angenehm, Abend für Abend zu verschwinden und ein wenig Abstand zwischen sich und die Priester und Novizen zu bringen. Außerdem ist der Sithechtempel nicht unbedingt der geeignetste Ort, um dort Kinder groß zu ziehen...

Die Azadoura kann ein leichtes Gähnen nicht unterdrücken. Sie streicht ihrer Tochter behutsam über den Rücken und bemüht sich dabei, Ninianes Antworten zu lauschen. Es gelingt ihr allerdings nur noch unter Mühen, ihre Aufmerksamkeit halbwegs aufrecht zu erhalten und so ist sie schließlich äußerst dankbar, als endlich alles gesagt und getan ist und die Protektorin sich anschickt zu gehen.
Kali Maya, von Kindesbeinen an dazu erzogen allen Elbenvölkern (außer den Shebaruc) nur Hass und Verachtung entgegen zu bringen, mustert die Halbelbe schläfrig. Die letzten Stunden, die sie gemeinsam verbracht haben, haben nicht unbedingt dazu beigetragen, Niniane und sie einander sehr viel näher zu bringen. Beide sind nicht frei von dem, was sie geprägt hat – die Unterschiede, die ihre Völker trennen. Aber auch wenn Kali nicht unbedingt von überschwänglicher Sympathie für die Halbelbin erfüllt ist, so kann sie doch nicht umhin anzuerkennen, was diese in dieser Nacht geleistet hat. „Ich danke Euch“, erklärt sie darum höflich, „Vielen Dank für das, was Ihr für meine Kinder und mich getan habt.“ Sie nickt, um ihre Worte zu unterstreichen und ringt sich sogar zu einem winzigen Lächeln durch. „Sithech mit Euch.“

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Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Niniane am 19. Mai 2009, 08:55 Uhr
Nach dem bisherigen Benehmen der Azadoura hatte Niniane schon halb ein trotziges Kopfschütteln erwartet, doch zu ihrer Überraschung nickt Kali Maya, wenn auch sichtlich erschöpft. Da scheint es noch eine Menge Fragen zu  geben, doch nur eine stellt sie halblaut. >Und was soll sie tun, wenn die Milch nicht für beide reichen sollte?<
"Es kommt nur sehr selten vor, dass eine Frau, ganz gleich welchem Volk sie angehören mag, wirklich zu wenig Milch hat. Die meisten glauben nur es wäre so, vor allem wenn ihre Kinder während der Wachstumsschübe ungehalten nach mehr schreien - das kann nach vier bis sechs Wochen und dann noch einmal nach zwölf Wochen für ein, zwei Tage so sein. Dann reicht ihnen plötzlich die Milch nicht mehr und sie sind hungrig. Wenn man die Kleinen dann aber so oft wie nur irgend möglich anlegt, ist auch innerhalb von wenigen Stunden wieder genug da. Je mehr Ihr Eure Kinder anlegen werdet, desto mehr Milch werdet ihr haben. Manche Hebammen… und andere Frauen vielleicht auch… werden Euch möglicherweise etwas von "füttert sie alle vier Stunden" erzählen, aber ich kann Euch nur raten: hört nicht auf sie, hört auf Eure Kinder. Füttert sie, wann immer sie Hunger haben und trinken wollen, auch nachts, dann werden sie sehr bald sehr zufrieden sein. Ihr müsst sie auch nicht dauernd wiegen. Ist ihre Haut rosig und prall und sind die Windeln mehrmals am Tag ordentlich nass, dann bekommen sie auf jeden Fall genug. Solltet Ihr irgendwelche Schwierigkeiten haben, lasst einfach nach mir schicken."

>Wann werde ich meine Pflichten wieder aufnehmen können?<
"Sobald ihr Euch gut genug dafür fühlt. Ihr solltet Euch ein paar Tage wirklich Ruhe gönnen und etwa eine Woche lang nicht schwer heben, aber ansonsten spricht nichts dagegen, dass Ihr etwas tut. Vermutlich werden Euch die beiden aber auch so gehörig in Atem halten. Wenn ich Euch noch einen Rat geben darf… nutzt jede ruhige Minute des Tages, um zu schlafen, wenn ihr des Nachts nicht allzu viel davon bekommt. Die Versuchung, die kleinen Schreihälse im Wald auszusetzen ist dann nicht ganz so groß…" Zum ersten Mal seit sie mit der Azadoura spricht, gestattet Niniane sich ein kleines, aber warmes Lächeln. Die Zwillinge sind in den Armen ihrer Mutter längst eingedöst und erholen sich von den Anstrengungen ihrer Geburt, und auch Kali Maya umgibt die Aura schläfriger Erschöpfung, auch wenn sie noch darum kämpft, die Augen offen zu halten. Niniane nickt nachsichtig und beginnt, ihre Sachen zusammen zu suchen. Hier ist alles getan, Mutter und Kinder sind wohlauf und brauchen Schlaf. >Ich danke Euch. Vielen Dank für das, was Ihr für meine Kinder und mich getan habt,< erklärt die Azadoura mit Nachdruck, gerade als Niniane den Mund öffnen will, um sich zu verabschieden. Kali Mayas Lächeln ist kaum mehr als ein kurzes Zucken der Mundwinkel, doch Niniane sieht es. >Sithech mit Euch.<

"Oh. Sithech und ich wir hm… haben es nicht so miteinander", erwidert sie, gerade so als kenne sie den Gott persönlich und schätze ihn durchaus, werde aber nicht so wirklich mit ihm warm. "Aber ich danke Euch für Eure guten Wünsche." Schließlich war ich, wenn auch ohne mein Wissen, die Frau seines schlimmsten Feindes. Kein Wunder, dass er mich mit Argwohn betrachtet. Aber er hat sich mir auch nicht verweigert, als ich die Häuser der Götter gegen den Nornyiran anrief. "Ihr und auch Eure Kinder habt eure Sache wirklich gut gemacht. Ich hatte wenig zu tun", erwidert sie und lächelt, als der Azadoura praktisch noch während sie spricht die Augen zufallen. "Ruht Euch aus, Kali  Maya und lasst eine Weile Shelair für Euch sorgen. Wenn es sein soll, begegnen wir uns mit Sicherheit wieder." Sie packt ihre Sachen, spricht noch kurz mit Nechta Graulicht und einigen anderen Priesterinnen und macht sich dann auf den Weg nach Hause. Sie reist nicht auf den verschlungenen Pfaden des Gewirrs, sondern geht zu Fuß, allein mit ihren Gedanken.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 23. Juli 2009, 12:12 Uhr
« Der Marktplatz Talyras

Nachdem Kali sich von Njucon verabschiedet hat, führt sie ihr Weg geradewegs am Roßsteinpark vorbei und die Straße hinab, weiter über die Brücke unweit der Färberei und Stoffhandlung Doriad und von dort in Richtung Ort der Schwerter und zu den Pforten des Sithechhains. Krötenaug und Klagweh arbeiten bereits oder wenigstens Krötenaug, den Klagweh steht wie üblich nur daneben und lässt kein gutes Haar an seinem Kollegen. Das Gezeter und Geschimpfe des buckeligen Männleins ist schon am Eingang zum Sithechhain gut zu hören, denn die beiden Totengräber haben offenbar nicht sehr weit entfernt zu tun. Kali Maya schaut sich nicht weiter nach ihnen um und eilt schnellen Schrittes zum Tempelbau. Weder sie noch Klagweh halten viel voneinander und gehen sich so gut es geht aus dem Weg, auch wenn dies nicht immer möglich ist - vor allem dann, wenn Kali im Auftrag von Nechta irgendetwas mit den beiden Friedhofsdienern besprechen soll.

Im Sithechtempel angelangt, zeigt sich schnell das aus Kalis Gang zum Haus der Bücher an diesem Tag nichts werden wird. Irgendein wohlhabender Händler aus dem Nordviertel hat in der vergangenen Nacht das Zeitliche gesegnet und seine sterbliche Hülle wurde umgehend der Obhut der Schweigenden Schwestern anvertraut.
Kali stört es nicht Nechta und die übrigen Grauen Frauen bei ihren Pflichten zu unterstützen. Die Aufgaben der Schweigenden Schwestern mögen manchen abschrecken, ja sogar abstoßen, doch die Azadoura empfindet keine Scheu vor dem Tod bzw. den Toten, sondern vielmehr Faszination. Und wenn sie sich dadurch, dass sie die Grauen Frauen bei ihrer traurigen Pflicht behilflich ist, andere lästige Aufgaben ersparen kann, die den Tempelnovizen zufallen, dann ist ihr dies nur recht. Ohne viele Worte zu verlieren gibt Kali die Zwillinge daher in Fenoras Obhut, die wiederum sehr dankbar dafür ist, auf diese Weise um ihre Mithilfe bei den Totenwaschung herumzukommen.

Die Azadoura stört der Umgang mit den leblosen Körpern nicht und die Atmosphäre, die während der stummen, ritualisierten Ausübung der verschiedenen Bestattungsvorbereitungen herrscht, empfindet sie als ausgesprochen angenehm. Die Toten kümmert es nicht was sie gerade denkt, sie misstrauen ihr nicht, fürchten sie nicht, verachten sie nicht. Während sie den runzeligen, fettleibigen Körper wäscht, denkt sie an die Bestattungsriten in Agutrot - an die Gemeinsamkeiten, vor allem aber an die Unterschiede.
Erdbestattungen, wie auf dem Totenacker von Talyra üblich, kennt man in ihrer Heimatstadt gar nicht. Auch dort werden die Toten einer Leichenwaschung unterzogen, aber anschließend bahrt man sie auf einem der zahlreichen Dakhmáh, den Türmen des Schweigens, auf und überlässt die sterblichen Überreste den Vögeln, hauptsächlich Knochennagern und Totenräubern. Erst Tage, ja sogar Siebentage später, werden die blanken Gebeine verbrannt und ihre Asche in alle Winde zerstreut. Nur die Schädel hochrangiger Azadoura werden eingesammelt und in den Katakomben der Stadt, den Gängen der Toten, sicher verwahrt.

Kali mustert Nechta unauffällig, während sie einer anderen Priesterin dabei hilft den Verstorbenen in saubere Totengewänder zu kleiden. Fenora wird es nicht müde immer wieder zu betonen, dass sie unter gar keinen Umständen den grauen Schleier der Schweigenden Schwestern anlegen wird, außer Sithech höchstpersönlich will es nicht anders. Kali Maya hingegen findet den Gedanken bei weitem nicht so abwegig. Jedenfalls auch nicht abwegiger als ihre Berufung in Sithechs Dienste.
Nachdem ihre Arbeit getan ist, verabschiedet sie sich mit einer schlichten Gebärden von den Grauen Frauen und nickt Nechta noch einmal zu. Die Oberste der Schweigenden Schwestern ist ungefähr in Kalis Alter, für jemanden mit ihren Pflichten und Aufgaben also eigentlich noch recht jung, während die Azadoura für eine Tempelnovizin bereits ungewöhnlich alt ist. In der letzten Zeit fragt sich Kali Maya häufiger, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie nicht in Agutrot geboren worden wäre und Sithechsruf sie eher ereilt hätte. Welche Stellung täte sie dann wohl jetzt innerhalb der Priesterschaft einnehmen?

Sie wendet sich ab, um sich selbst sorgfälltig zu reinigen, bevor sie nach ihren Kindern sieht, mit den übrigen Angehörigen der Gemeinschaft zu Abend isst und die üblichen Gebete spricht, um sich anschließend auf den Weg zum Nevisyoli zu machen, wo sicher schon der eine oder andere auf sie wartet, um ihr Können als Schreiberin in Anspruch zu nehmen.
"Waren die beiden artig?", erkundigt sie sich bei Fenora und diese nickt, als sie ihr die beiden Zwillinge in die Arme legt. "Natürlich", versichert sie strahlend und man kann sehen, wie viel Freude es der unscheinbaren Novizin bereitet, sich um die beiden Kinder zu kümmern. "Kannst du sie noch eine Weile im Auge behalten?", erkundigt sich die Azadoura und reicht ihr die zwei nach einer Weile wieder hinüber. "Ich habe noch etwas mit Khalkhis von Klingenfall zu besprechen." Fenora nickt lächelnd und Kali eilt rasch davon. Als sie schließlich zurückkehrt, ist gerade noch Zeit für ein kleines Abendbrot, dann verlässt sie den Tempel auch schon wieder für diesen Tag.

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Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 29. Feb. 2012, 23:08 Uhr
« Die Straßen der Stadt
Irgendwann im Herbst 510VZ
Zwei Tage nach Nathanals Verhaftung

Zügigen Schrittes führt Kali Maya durch den Sithech-Hain in Richtung des Tempelgebäudes. Dabei kommen sie an zahlreichen Gräbern, Seharimstatuen und Grabsteinen vorüber. Die düstere Atmosphäre des Ortes berührt jedoch weder die Azadoura noch die kleine Fee. Erstere, weil sie von jeher kaum etwas anderes als düstere, unheimliche Orte kennen gelernt hat und die Schrecken solcher Plätze daher nichts Ungewöhnliches für sie darstellen; letzterer sind die Totenstätten der Menschenvölker vollkommen unbekannt, was ebenfalls den Effekt hat, dass die nächtlichen Schemen auf dem Knochenacker der Fee keine Angst einjagen. Ganz im Gegenteil, Zoe scheint die Ruhe des Ortes zu gefallen und wie selbstverständlich umgeben sie schon bald alle möglichen Nachtfalter und Leuchtkäfer, die im Sithech-Hain umherschwirren.
»Die sind schön... oder?«, fragt Zoe und wirkt in diesem einen Moment wieder vollkommen glücklich, während sie ihre Falterfreunde bewundert. Kali Maya nickt unwillkürlich. Es ist mehr eine Reflexhandlung als eine zustimmende Antwort, doch die Frage führt dazu, dass die Azadoura die umherschwirrenden tatsächlich genauer zu betrachten beginnt und sich zum ersten mal ihrer Schönheit bewusst wird. „Hm“, murmelt sie leise, während sie ihre Schritte etwas verlangsamt. „Ja, schön...“ Die Azadoura nickt abermals. Zoe lächelt und marschiertlächelnd neben ihrer großen begleiterin her.

Schließlich nähert sich die kleine Gruppe dem düsteren Tempelbau. Das Gebäude wirkt zunächst kleiner und weniger beeindruckend als die übrigen Tempel in der Stadt, offenbar jedoch schon beim zweiten Blick seine eigenen, beeindruckenden Besonderheiten: Der schwarze Stein, aus dem der Sithechtempel besteht, ist spiegelglatt. Allerdings refelktiert die dunkle Oberfläche das Mondlicht nicht, sondern verschluckt es stattdessen vollkommen, saugt es auf. In sich verschlungene, symmetrische Muster durchziehen den Stein und reichen einmal um den gesamten Tempel herum, während pechschwarze Raben von den Bögen der aus bleigefasstem, rauchgrauem Glas bestehenden Tempelfenster auf nahende Tempelbesucher herabblicken.
Als Zoe, Aruna und Kali sich dem Eingangsportal des Tempels näern, schluckt das Feenmädchen zum ersten Mal erschrocken. Die übergroße, beeindruckende Rabenstatue, die über der Eingagstür weit ihre Flügel spreizt, ist so lebensgetreu gestaltet, dass die Fee sie im ersten Augenblick für lebendig hält. Schnell erkennt sie jedoch, dass es sich nur um einen Steinvogel handelt und entspannt sich wieder. Sie wendet den Blick von der Statue ab und schaut stattdessen fragend zu Kali auf, so als ob sie der Anblick des Rabens soeben an etwas wichtiges erinnert hat.

»Du?«, wendet sie sich tatsächlich fragend an Kali Maya. »Ist es eigentlich etwas schlimmes, wenn man jeden mag?« Die Frage kommt so überraschend, dass Kali Maya vollkommen verdutzt stehen bleibt und die Fee einen Augenblick lang einfach nur sprachlos anschaut. Das ist eine Nummer zu groß für sie. Für Probleme dieser Art ist sie nicht wirklich die geeignete Ansprechpartnerin, oder etwa doch? Die Azadoura runzelt irritiert die Stirn. „Äh, nein“, bringt sie schließlich lahm heraus, bevor sie sich langsam wieder in Bewegung setzt und weiter in Richtung Tempeleingang geht. „Nein. Jemanden zu mögen ist nicht schlecht. Hm. Und wenn man in jedem etwas Gutes sehen kann, ist das eine seltene Gabe... schätze ich“, stammelt sie unbeholfen. „Es ist nur so dass... schlechte Menschen... das ausnutzen. Manchmal.... Weißt du, Zoe, manchmal mag man jemanden, der nicht gut für einen ist, ohne das man es weiß. Oder man spürt es, aber man redet sich lieber ein, dass man sich täuscht... Egal.“ Kali Maya schweigt einen Augenblick und ihre Gedanken wandern zu Nathan. Hastig schiebt sie den Gedanken an ihren dunkelhaarigen Gefährten beiseite und wendet sich wieder Zoe zu. „Was Uio gesagt hat, bedeutet, dass jemand der jeden mag, egal ob dieser jemand gut ist oder schlecht. Jemand der jeden mag, kann nicht zwischen guten und schlechten Leuten unterscheiden. Das Problem ist, dass wir immer beides sind, gut und schlecht. Die einen sind besser, die anderen schlechter, aber niemand ist perfekt.“
Die Azadoura lächelt. „Uio glaubt, dass ich ein schlechter Mensch bin.“ Sie zuckt leicht mit den Achseln, soweit das eben geht. „Das ist einerseits richtig und andererseits falsch. Ich habe Dinge getan, die viele Leute in Talyra für schlecht halten. Einiges davon dem, was ich getan habe, würde ich ohne zu zögern wieder tun, wenn ich muss. Anderes nicht. Gut und schlecht, dass ist so eine Sache. Ein Beispiel: Aruna hat sich drei Zuckerplätzchen genommen, aber ich nehme ihm zwei davon wieder weg und lege sie für später zurück in die Keksdose. Er denkt, ich bin gemein zu ihm, weil ich ihm einen Teil der süßigkeiten weggenommen habe. Ich denke, ich bin gut zu ihm, weil er von einem einzigen Plätzchen keine Bauchschmerzen bekommt, von dreien aber schon. Jeder hat auf seine Weise Recht. Verstehst du was ich meine?“

Mittlerweile sind die Fee und die Azadoura vor der Eingangstür des Sithechtempels angelangt und Kali Maya schickt sich an zu öffnen. Lautlos gleitet die Tür auf und die Azadoura bedeutet Zoe vorauszugehen. „Komm, es war ein langer Abnd und mittlerweile spät in der Nacht.“ Zielsicher führt Kali Maya durch den Tempel in den Bereich, in welchem die Novizen und Priester ihre Kammern haben. Auch für Besucher gibt es dort ein paar Kammern, von denen Kali gelegentlich Gebrauch macht, wenn dies nötig ist. Bisher hat sie schließlich meist außerhalb des Tempelgeländes gewohnt – nach Uios unüberlegtem Gebrauch des Geheimgangs im Nevisyoli ist damit jedoch wohl vorerst Schluss und es ist zu bezweifeln, dass sie das Gebäude je wieder selbst nutzen wird.
„Ist da jemand?“, erklingt mit einem Mal eine leise Stimme, als die kleine Gruppe so geräuschlos wie möglich durch einen Gang schleichen will, und eine Seitentür geht auf.  Das schmale, schöne Gesicht einer Mittdreißigerin mit ausdrucksstarken haselnussbraunen Augen und dunklem Haar erscheint in dem geöffneten Türspalt und schaut fragend in den Gang hinaus. „Ich bin es nur, Nechta. Kali“, erwidert die Azadoura leise. „Ich erkläre dir alles morgen in der Frühe“, fügt sie noch rasch hinzu, um unbequemen Fragen aus dem Weg zu gehen. „Hm“, entgegent die Priesterin kurz angebunden. „Und wen hast du da bei dir?“ „Aruna. Und das hier ist Zoe. Du erinnerst dich, ich habe dir schon von Zoe und Uio erzählt...“ Nechta nickt bedächtig. „Ah, ja. Willkommen in Sithechs Hallen, Zoe.“ Die Priesterin lächelt der Fee freundlich zu.

Gleich darauf wendet sich die Sithechpriesterin wieder Kali Maya zu. „Bevor ich es vergesse. Die Steinfaust hat heute früh einen Boten mit einer Nachricht für dich vorbeigeschickt. Sie haben einen Gefangenen, der darum gebeten hat, dir eine Botschaft zukommen zu lassen. Er hat ihnen gesagt, dass du hier im Tempel zu finden bist. Da du nicht hier warst, habe ich die Nachricht entgegen genommen und versprochen, dir sobald du wieder hier bist zu übergeben. Moment.“ Nechta wendet sich ab, um das Schreiben zu holen. Kali runzelt die Stirn und wechselt einen nachdenklichen Blick mit Zoe. Nathan? Wer sollte es sonst sein...? Ungeduldig tritt sie von einem Fuss auf den anderen, während sie darauf wartet, dass Nechta zurückkommt. Hastig nimmt sie das versiegelte Schreiben an sich, als die Priesterin es ihr entgegen hält. „Danke“, antwortet sie schnell, dann deutet sie mit einem Kopfnicken auf Aruna und Zoe. „Es ist spät, wir lassen dich jetzt besser in frieden und begeben uns ebenfalls in Ruhe“, erklärt sie eilig. „Ich erkläre alles morgen. Versprochen. Gute Nacht.“ Ohne eine Antwort abzuwarten schieb sie Zoe hastig den Gang hinab, bis sie eine der Gästekammern erreichen und darin verschwinden.
Nachdem Kali eine Kerze entzündet hat, sieht sie sich in dem Zimemr um. Der karg eingerichtete Raum enthält zwei einfache Pritschen, einen Tisch (auf dem die Kerze steht), zwei Stühle und eine einfache Kommode die mit einer Waschschüssel, einem Wasserkrug und ein paar Handtüchern ausgestattet ist. Kali setzt Aruna auf einer der Pritschen ab, lässt ihren ihren Seesack auf den Boden gleiten, legt Nathans Tasche auf dem Tisch ab und wirft zu guter Letzt ihren mantel über eine der Stühllehnen. „Du kannst dort schlafen, Zoe“, erklärt sie dem Mädchen und deutet mit einer Hand auf die freie Pritsche. „Mach es dir bequem und versuch etwas zu schlafen. Morgen sehen wir weiter.“

Die Azadoura selbst macht sich daran, Aruna zu versorgen. Rix hat es sich derweil auf einer Stuhllehnen nieder gelassen und der Löwentamarin hat es sich am Fußende von Zoes Prietsche zu einer runden Fellkugel zusammengerollt. Ruhe kehrt ein.
Als alles schläft öffnet Kali Maya endlich ungeduldig das Schreiben der Steinfaust. Was sie darin liest, lässt sie sprachlos zurück. Der Hexer Nathanael sei bis auf weiteres in der Steinfaust in Gewahrsam. Man werde seinen Fall untersuchen, sobald die Verträter der zuständigen magischen Behörden eingetroffen sein. Sofern sie wollte, könne sie den Gefangenen besuchen. Ende. Mehr nicht. Trotzdem enthält das Schreiben genug Wissen, um Kali Maya fassungslos zurück zu lassen. Nathanael ist ein Hexer. Das also ist sein Geheimnis! Die Azadoura schüttelt ungläubig den Kopf. Im Augenblick weiß sie nicht, was sie davon halten soll. Sie legt die Nachricht auf den Tisch, wobei ihr Blick an Nathans Beutel hängen bleibt. Ohne zu überlegen greift sie danach und durchwühlt seinen Inhalt. Die meisten Dinge sind nicht ungewöhnlich oder gar von großem Wert. Zu oberst in der Tasche befindet sich ein altes, abgetragene Paar lederner Handschuhe, vor allem an den Fingerspitzen sind sie teilweise völlig durchgewetzt. Als nächstes zieht Kali eine gewöhnliche Schriftrolle hervor. Nach einem kurzen Blick legt sie achtlos beiseite - sie kennt den Inhalt bereits, es handelt sich um die Abschrift, die sie Nathan seinerzeit vorlesen sollte. Ungeduldig durchwühlt sie die Tasche weiter und fördert einen in ein Leinentuch gehülten grünen, faustgroßen Kristall zu Tage fördert. Ein Turmalin?! Wie kommt ein einfacher Tagelöhner, nein, Hexer, korrigiert sich die Azadoura in Gedanken, in den Besitz solch eines Steins? Prüfend wendet Kali den transparenten Edelstein im schwachen Licht der Kerze hin und her. Er ist zweifellos wertvoll, so aufwendig wie er geschliffen wurde. Was hat es damit auf sich?

Ihr Blick fällt auf die zwei Münzen, die ebenfalls mit in dem Tuch eingewickelt waren: Eine Eisenmünze, die an einen Heller erinnert und ein Kupferling. Beide Münzen tragen auf dem Revers ein Symbol, das die Azadoura noch nie gesehen hat. Auf der Vorderseite des Hellers ist eine III-VII-V-III, auf der Vorderseite des Kupfers eine III-VII-II zu sehen.
Nachdenklich kräuselt Kali Maya die Stirn. Ein letztes Mal greift sie in Nathanels Beutel und holt auch den restlichen Inhalt heraus, zwei gefaltete Briefe, die offensichtlich mit Siegeln versehen waren, welche aber noch zerbrochen sind. Im Siegellack des ersten Schreibens ist noch der Abdruck einer Zahlenkombination zu erkennen: III-VII. Der zweite Brief weist rotbräunliche Flecken und Fingerabdrücke auf seiner Rückseite auf. Blut?, fragt sich die Azadoura. Neugierig öffnet sie die Schreiben, wird aber enttäuscht. Beide Briefe sind in der Sprache der Tamaruinn na hLaigeann, wie es in Laigin und Ambar gesprochen wird, verfasst, welches Kali nicht versteht. Dennoch lässt sich an der schönen, großzügigen Schrift erkennen, dass beide Briefe offenbar einen sehr ähnlichen Inhalt besitzen. Abgesehen von ein paar Eigennamen und Zahlen wie Nathanael, Bar, Alayz, Gwynilm Gilethain, Rochaylor und Eisenberge bleiben die Texte Kali jedoch verschlossen. Vorerst...

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Zsuzlpztirrp am 01. März 2012, 19:37 Uhr
--> Der Sithech-Hain (http://forum.weltenstadt.de/?board=stadtrpg;action=display;num=1063136510;start=135)

Aufmerksam lauscht die kleine Fee Kalis Worte. Ihre braunen Augen hängen förmlich an den Lippen der bleichen Frau, die zur Beantwortung ihrer Frage stehen geblieben ist. Also, wenn man jeden mag, macht man keinen Unterschied zwischen böse und gut. Zoe kratzt sich ein bisschen am Kopf und legt ihre Stirn in krause Falten. Dabei flattern ein paar der Falter, die sich auf der kleinen, jetzt groß gewordenen Fee,  niedergelassen haben, entrüstet auf.
Einen richtig bösen Großen hat die kleine Fee ja selber vor einiger Zeit kennen gelernt und den hat sie definitiv nicht gemocht. Er hat sie unter der Erde eingesperrt, das war ganz, ganz, ganz schlimm. Aber sonst? Ja die Großen machen ganz viele Dinge, die die kleine Fee nicht versteht. Sie tun sich gegenseitig weh, sagen gemeine Dinge, schimpfen, aber deswegen hat Zoe die Meisten trotzdem gern. Selbst den Nathanael hat sie lieb gewonnen und das, obwohl er den Uio doch so oft, ganz gemeine Dinge sagt und ihn auch schlägt.
Nachdenklich verzieht Zoe ihre Lippen einmal nach rechts und einmal nach links.
„Hm...ich glaub, ich weiß, was du meinst. Jeder ist also ein bisschen gut und ein bisschen böse. Und ich muss auf passen, weil nicht jeder Große gleich zu einer Fee wie mir nett sein will, sondern es auch Große gibt, die böse Dingen tun. Das darf ich nicht vergessen, dass hat auch der Nathanael gesagt. Mach ich auch nicht! Versprochen!“ Dazu nickt Zoe mehrmals bestätigend mit ihrem Kopf, so das ihre federleichten brauen Haare nur so um ihr Gesicht fliegen. Die kleine Fee macht gerade Anstalten wieder weiter zu laufen, da fällt ihr plötzlich siedend heiß noch etwas ein. Ein Lächeln macht sich auf dem zarten Feengesicht breit und ehe sich Kali versieht hat Zoe wieder ihre Hand genommen.
„Du bist auf jeden Fall nicht schlecht! Und weißt du warum?“, fragt sie mit dieser glockengleichen Stimme, die für Zoe so typisch. „Weil du mich so einfach aufgenommen hast, als ich den Uio endlich wiedergefunden hatte und mich nicht weggeschickt hast. Und das machen nur Große, die das Herz am rechten Fleck haben. Das du dich mit Uio so gestritten hast, ist schlimm, aber…aber…“, die kleine Fee legt ihren Kopf ein bisschen schief und schaut Kali lächelnd an, „...ich hab dich trotzdem lieb und den Uio auch und auch den Nathanael und …und Rix und den Fellfreund und Aurian und… Cináed und…Avila und  “
Jetzt fängt Zoe an erst leise, dann immer lauter zu kichern und zu prusten.
„Uio hat doch recht: Ich mag alle!“

Der große Steinkasten ist Zoe ein bisschen unheimlich, deshalb drückt sie Kalis Hand ein wenig fester, als sie unter dem großen Raben, der über den Eingang schwebt, hindurchgehen. Menschen wohnen wirklich in den seltsamsten Behausungen. Eigentlich dürfte sich Zoe gar nicht mehr darüber wundern. Naja, tut sie aber trotzdem. Als sie eine hübsche Große mit schönen haselnussbraunen Augen und dunklem Haar Treffen, zuckt Zoe ein bisschen zusammen. Fremde Große sind ihr immer noch unheimlich. So versucht sie sich ein bisschen hinter Kali zu verstecken, damit sie nicht so doll auffällt, besonders jetzt wo doch Zoe selber so groß ist. Doch Kali und die Große namens Nechta unterhalten sich nicht lange. Nach ein paar kurzen Sätzen geht die kleine Gruppe in eine Kammer. Da gibt’s Kerzen und zwei Schlafplätze für Große, einen Tisch, Stühle, ja alles was Große so brauchen, um glücklich zu sein.
Zoe gähnt herzlich und lässt sich, wie von Kali geheißen, auf eine der Schlafpritschen fallen. Sie ist wirklich müde und das war ein ganz anstrengender Tag für das Feenmädchen, wo doch so viel passiert ist. Bevor sie sich auf das Menschenlager legt, macht sie sich aber wieder klein. So fühlt sie sich einfach wohler. Komisch ist es allerdings, so ganz alleine in sooo einem riesen Menschenbett zu liegen. Zoe kommt sich ganz klein und einsam vor. Aber da sie völlig kaputt ist, schläft die Fee, wie immer auf der Seite liegend und eingerollt mitten auf dem Bett ein.

Es ist noch dunkel draußen, als sie wieder aufwacht. Irgendwas hat sie geweckt, vielleicht das Mondlicht, das ihr ein bisschen die Nase gekitzelt hat oder weil ihr einfach der Uio so fehlt. Die letzten Monde hat sie immer bei Uio geschlafen. Konnte sich an seine Haare oder Hand kuscheln, wenn sie nachts wach war. Jetzt ist da niemand. Traurig richtet sich die kleine Fee sich auf. Tränen sammeln sich in ihren Augen. Nein, sie mag jetzt nicht weinen. Sie zieht ihre Nase hoch und schaut rüber zu Kali und ihren klein-großen Freund Aruna, die auf dem anderen Menschenbett ganz fest schlafen. Rix hat sich auf einer Stuhllehne bequem gemacht und der Fellfreund hat sich auf der Sitzfläche eingerollt und schnarcht ein bisschen. Zoe beißt sich auf die Unterlippe. Ob sie das Bett, auf dem sie liegt, verlassen darf? Unsicher schaut sie sich um, dann fasst sie sich ein Herz und flattert zu Kali und Aruna rüber. Vorsichtig legt sie sich an das Kopfende, so dass sie sich an Arunas Haare kuscheln kann. Zoe seufzt leise und schließt die Augen. Ihre letzten Gedanken, bevor wie wieder einschläft, gelten ihrem besten Freund Uio!

Am nächsten Morgen wacht Zoe mitten zwischen Arunas strubbel-wuddel Haaren auf. Es ist schon ein bisschen hell draußen vor dem Steinkasten, die Sonne geht bestimmt gerade auf. Arunas kichern bedeutet, dass ihr klein-großer Freund auch schon wach ist. Zoe arbeitet sich durch sein dichtes schwarzes Haar und lässt ihren Oberkörper vor seinen Augen hin und her baumeln, während sich ihre Füße an seinen Haaren festkrallen.
„Guten Morgen, Aruna….“, lächelt sie verschmitzt und drückt ihrem groß-kleinen Freund einen Feenkuss auf die Nase. Das findet Aruna natürlich toll. Nachdem sie ein bisschen vor Arunas Gesicht gebaumelt ist, hüpft-flattert sie mit einer spielerischen Leichtigkeit auf die Brust von Kali. Dort macht sie einen kleinen Knicks und verkündet ebenso euphorisch wie gerade eben bei Kalis Sohn: “Guten Morgen, Kali Maya“ Darauf hin folgt der obligatorische Feen-Guten-Morgen-Kuss auf die Nase. Uio und der Nathanael sind ja leider nicht da, sonst hätte Zoe sie natürlich auch so begrüßt.
Nach den ganzen großen und kleinen Morgengeschäfte, die erledigt werden müssen, steht der Zeitpunkt an, an dem Kali ihre kleine Menschenbehausung wieder verlassen will. Das mag Zoe aber gar nicht. Irgendwie hat sie riesige Angst alleine hier zurück zu bleiben, selbst wenn Rix und der liebe Fellfreund bei ihr sind. Sie kennt diesen Steinkasten gar nicht, alles ist so riesig und die Großen, die hier sicherlich leben, sind ihr auch fremd. Deshalb fragt die kleine Fee beschämt und mit gesenkten Kopf, ob sie nicht heute mit Kali mitkommen dürfe.
„Ich bin auch ganz still und sitze auf deiner Schulter und mache keinen Unsinn. Bitte!“
Zu Zoes großer Freude geht Kali auf den Kompromiss ein und sie darf auf ihrer Schulter sitzen und den Tag über begleiten.

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 07. März 2012, 17:15 Uhr
Irgendwann im Herbst 510VZ
Am dritten Tag nach Nathanales Verhaftung

Draußen ist es noch immer dunkel, als Kali nach einigen Stunden wieder aus dem Schlaf erwacht. In der Finsternis der Kammer liegt sie mit geöffneten Augen da und starrt zur Zimmerdecke hinauf. Die Ereignisse des vergangenen Abends erscheinen ihr noch immer mehr wie ein Traum und nicht wie die Wirklichkeit. Nathan wurde verhaftet. Uio ist in die Unterstadt abgehauen. Das Geheimnis des Nevisyolis ist vermutlich nicht mehr lange ein Geheimnis. Ihr Liebhaber ist ein Hexer... und wer weiß was noch. Kali Mayas Gedanken wandern zu dem grünen Edelstein, den Münzen und den beiden Briefen, die sie unter Nathans Besitztümern gefunden hat. Sie würde herausfinden was es damit auf sich hat, koste es was es wolle, entscheidet sie grimmig. Vorher würde sie Nathanael allerdings einen Besuch in der Steinfaust abstatten und ihm gehörig die Meinung sagen. Im Augenblick fühlt sie sich in genau der richtigen Stimmung dafür: Wütend und aufgebracht, aber beherrscht genug, um sich nicht von irgendwelchen Entschuldigungen oder Erklärungen überrumpeln zu lassen.

Zoes obligatorisches Guten-Morgen-Ritual beendet die düsteren Überlegungen der Azadoura abrupt und alle machen sich daran, den neuen Tag zu beginnen. Aufstehen, waschen, ankleiden, das Übliche eben.
Als alle drei – Aruna, Zoe und Kali – schließlich soweit sind, um in den Speisesaal im Wohnbereich der Tempelanlage zu gehen und Kali sich anschickt, ihre Kammer zu verlassen, hält Zoe sie zurück. Verlegen erklärt sie, dass sie nicht alleine in dem fremden gebäude zurückbleiben wolle und ob sie Kali nicht vielleicht begleiten dürfe. »Ich bin auch ganz still und sitze auf deiner Schulter und mache keinen Unsinn. Bitte!«, erklärt die Fee flehentlich. Nur mit Mühe kann sich die Azadoura ein morgenmuffeliges Schnauben verkneifen und stattdessen eine zustimmende Antwort zustande bringen. „Gut“, willigt sie in Zoes Bitte ein. „Komm, wir wollen Frühstücken gehen. Dann lassen wir Aruna bei Fenora und du wenn du dann immer noch willst, kannst du mich gerne begleiten.“ Die Fee will und so verbringt sie diesen und auch die folgenden Tage damit auf Kalis Schulter zu sitzen und nicht von der Seite der Azadoura zu weichen.

Herbst 510VZ bis Silberweiß 511VZ
In der Zeit bis zu Nathans Prozessbeginn

Kali hat ihren Entschluss eingelöst. Nur wenige Tage nachdem sie von Nathans Verhaftung erfahren hat, hat sie den Hexer in seiner Zelle in der Steinfaust aufgesucht und ihm gehörig die Meinung gesagt. Viele unschöne Worte waren gefallen. Keines davon hat Kali seither bereut. Auch bemitleiden tut sie ihren Geliebten nur mäßig. Nathan ist ein erwachsener Mann, und wie jeder andere auch selbst verantwortlich für sein Handeln. Kali Maya hat dies selbst auf die harte Tour lernen müssen. Für ihr eigenes Scheitern kann sie die Schuld letztlich auch nur bei sich suchen. Nur ihre eigenen Fehler haben dazu geführt, dass sie von ihrer Schwester Kalidasa ausgebootet und so fürchterlich gedemütigt worden ist. Der Wunsch sich für diese Demütigung zu revanchieren, ist durch diese Erkenntnis allerdings nicht geringer  kleiner geworden.
Vielleicht macht sie Nathans Verhaftung so zornig. Sein Scheitern erinnert sie viel zu sehr an ihr eigenes Versagen und die Erniedrigungen, die sie erfahren hat. Die stolze Befehlshaberin der Mantikora von der eigenen Schwester in den Dreck gestoßen und in die Verbannung getrieben. Diese Schmach hat Kali Maya noch immer nicht ganz verwunden und wird es wohl auch nie. Wie dem auch sei. Während ihres ersten Besuchs in der Steinfaust, hatte sie Nathan jedenfalls gehörig zusammengestaucht, ihn mit zahlreichen Vorwürfen überhäuft und war dann stolz erhobenen Hauptes wieder von dannen gezogen – jedoch nicht ohne zuvor bei einem Offiziellen der Steinfaust zu Protokoll zu geben, wann sie Uio zu letzt gesehen hat und das sie, abgesehen von seinem Vorhaben in der Unterstadt abzutauchen, nichts über den Verbleib des Jungen weiß.

Nachdem Kali ihrem Zorn und ihren verletzten Gefühlen erst einmal freien Lauf gelassen hatte, hatte sie sich jedoch wieder beruhigt. Anfangs hatte sie sich vorgenommen Nathan nicht wieder zu sehen. Sollte er ruhig in seiner Zelle verschimmeln, was kümmerte sie das? Er war nur ein Mann, einer unter vielen. Wenn ihr danach war konnte sie jederzeit einen neuen Gespielen finden, der ihr das Bett wärmte.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war sie einige Siebentage später jedoch erneut in die Steinfaust marschiert, ein sauberes Hemd und Nathans lederne Handschuhe im Gepäck. Sie hatte sich sogar bemüht nett zu sein und nicht zu sehr über Uios zahlreiche Unzulänglichkeiten – für deren Nichtbeseitigung selbstverständlich ganz allein Nathan die Schuld trägt – zu klagen. Noch imemr hat sie dem Jungen nicht verziehen, dass er dafür gesorgt hat, dass sie das Nevisyoli verloren hat. Natürlich, sie könnte die Steinfaust um Hilfe ersuchen und den Geheimgang schließen lassen, aber dann müsste sie auch erklären, warum sie dieses Geheimnis nicht schon eher Prreis gegeben hat und wofür sie ihn genutzt hat. Kali Maya hat keine Lust noch weiter ins Blickfeld der Steinfaust zu gelangen, als dies durch ihre Beziehung zu Nathan ohnehin schon der Fall ist. Sie verspürt nicht den geringsten Wunsch einer eingehenderen Untersuchung unterzogen und mit misstrauischen Fragen belästigt zu werden. Ein Verkauf des Gebäudes kommt allerdings auch nicht in Frage, weil dies letztlich ähnliche Folgen nach sich ziehen würde. Spätestens dann, wenn sich die neuen Bewohner bei der Steinfaust über Diebesbanden, die durch ihr Schlafzimmer ziehen, beschweren, würde man sich das Nevisyoli genauer ansehen – und Kali anschließend aufsuchen.

Also steht das Haus vorläufig leer, während Kali Maya überlegt, wie sich das Problem am Geschicktesten lösen lässt. Neben dieser Angelegenheit, ihren Verpflichtungen gegenüber Aruna und Zoe und dem Tempeldienst nehmen auch die Rätsel, die Nathans geheimnisvolle Besitztümer aufwerfen, einen Großteil von Kalis Zeit in Anspruch.
Die Briefe hat sie sich von Khalkhis von Klingenfall übersetzen lassen, was sie aber nicht unbedingt einen großen Schritt weiter gebracht hat. Weitere Recherchen im Haus der Bücher erscheinen der Azadoura daher unerlässlich. Statt alle Nasen lang in die Steinfaust zu rennen, verbringt sie ihre freien Stunden lieber damit sich mühsam durch staubige Folianten zu arbeiten. Natürlich gibt es auch noch eine andere Möglichkeit, um an Informationen zu gelangen, aber bisher zieht sie diese nicht in Erwägung. Noch nicht. Denn einzigen ihr noch verbliebenen Trumpf will Kali Maya nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Nicht jetzt wo, wie sie gehört hat, das ein Abgesandter des Hohen Rates der Magier in der Stadt eingetroffen ist und Nathans Verhandlung nun vermutlich immer näher rückt...

Silberweiß 511VZ
Wenige Tage nach Rayyans Ankunft in der Steinfaust

...die Verhandlung. Während Kali Maya ihm Tempel ihren üblichen Pflichten als Novizin nachgeht, befasst sie sich erstmals näher mit dem Gedanken, was dies möglicherweise für ihr weiteres Leben bedeutet. Sie hat keine Ahnung was für eine Bestrafung Nathanael erwarten könnte. Peitschenhiebe, Kerker, Tod. In ihren Augen ist alles gleichermaßen möglich, immerhin ist er ein Hexer.
Die Azadoura versucht sich einzureden, dass sich ihr Leben, egal was mit Nathan geschieht, nicht ändern wird. Im Moment ist er auch nicht da und sie kommt gut zurecht. Ob sie ihn wegsperren oder hinrichten, für sie ändert sich dadurch nichts. Nicht einmal unter Folter würde sie irgendjemandem gegenüber zugeben, dass ihr etwas an dem Hexer liegt. Schließlich ist er ihr eigentlich phänomenal egal. Verliebt? Sie? Niemals! Liebe ist ein Unglück, dass nur anderen Leuten zustößt. An die Möglichkeit, dass Nathan frei kommen und dann womöglich zu ihr zurückkehren könnte, verschwendet sie deshalb sicherheitshalber keinen einzigen Gedanken. Die Wahrscheinlichkeit das dies geschieht, ist ohnehin eher gering... Oder?

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Zsuzlpztirrp am 13. März 2012, 11:27 Uhr
Herbst 510 bis Silberweiß 511


Die Zeit vergeht und einmal mehr verändert sich das Leben der kleinen Fee völlig. Statt in der Steinbehausung in den Tausendwinkelgassen lebt sie jetzt mit Kali, dem klein-großen Freund Aruna, Rix und dem Fellballfreund an einem Ort, der sich Sithechtempel nennt. Am Anfang hatte Zoe noch große Bedenken, so viele neue Gesichter, so eine große Steinbehausung. Doch mit jedem Tag, der sich den anderen anschloss, hat die kleine Fee mehr ihre Schüchternheit und Angst abgelegt. Nun fühlt sie sich auf dem großen Tempelgelände mit dem lichten Hain und all den vielen Faltern, mit denen sie sich selbstredend gut versteht, wohl. Wäre da nur nicht ihr bester Freund Uio, den sie so schrecklich vermissen tut, könnte man glatt behaupten, die kleine Fee wäre glücklich.
Manchmal ist so viel los, da kommt Zoe gar nicht dazu, an irgendetwas zu denken. Da spielt sie mit Aruna und Fenora und Brecca im Garten Fangen oder Ball oder sie hilft eine der anderen Tempelnovizinnen beim Aufräumen und Sauber machen. Egal wo man sich umsieht, es gibt immer etwas zu tun und Zoe ist nicht jemand, der gerne faul rum sitzt. Nein, dazu ist die kleine Fee viel zu neugierig. An manchen Tagen darf Zoe auch Kali begleiten. Uii, das sind schöne Tage. Da sitzt sie dann auf Kalis Schulter und schmiegt sich ganz fest an die Große mit der ganz hellen Haut an. An den vielen schwarzen Zöpfen kann man sich klasse festhalten und wenn Zoe ein bisschen Angst hat, kann sie sich in den lustigen Frisuren der Großen wunderbar verstecken und hinter dem schwarzen Berg an Haaren vorsichtig hervorspähen und die Welt um sie herum beobachten.

Nein, die Tage sind nicht das Problem. Schlimm sind die Nächte. Da tut Zoe ihren Ritter-Retter Freund manchmal so stark vermissen, dass es ihr das Herz zu zerreißen droht. Oft kann sie dann nicht schlafen und setzt sich neben Rix auf eine der Stuhllehnen. Seufzend legt die kleine Fee dann den Arm um die schwarze Rabenvogeldame und versteckt ihr tränennasses Gesicht in ihrem glatten Gefieder.
Auch Rix ist traurig wegen Nathanael. Ganz oft schimpft und krächzt sie einfach ohne jeglichen Grund, mag nichts Essen oder hackt irgendwelchem Fremden, die meinen sie anfassen zu müssen, in die Finger. Doch zum Glück ist Zoe da. Sie kann ihre Vogelfreundin immer wieder beruhigen, bevor sie größeren Schaden anrichtet. Den Nathanael vermisst Zoe natürlich auch. Kali hat ihr erzählt, dass er etwas sehr Dummes getan hat und deshalb eingesperrt worden ist. Eingesperrt Das ist das Schlimmste, was man jemanden antun kann! Die kleine Fee kann sich nichts Schrecklicheres vorstellen, als nicht mehr frei herumflattern zu dürfen und sie mag sich gar nicht ausmalen, was Nathan getan haben sollte, das er die schlimmste Strafe, aller Strafen dafür bekommt. Jedes Mal wenn Kali ihn besuchen geht, gibt Zoe ihr eine Kleinigkeit für Nathan mit. Mal ist es ein Blumenkranz, den sie selbst gemacht hat, mal eine Kette mit einem wunderschönen Anhänger aus der Borke, der Bäume des Tempelhains oder ein toller, ganz glatter, runder Stein, den Zoe unten am Ildorel gefunden hat. Alles in ihren Augen Schätze, die Nathan zeigen sollen, dass sie, die kleine Fee, an ihn denkt und ihn lieb hat.
Uio kann sie solche Geschenke nicht machen. Sie weiß ja nicht einmal, wo er sich befindet. Ob er auch irgendwo eingesperrt ist? Eine ganz, ganz schlimme Vorstellung. So bleibt der kleinen Fee nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass es ihrem allerbesten Freund gut geht und das er eines Tages zu ihr zurückkehren wird.
Immer wieder erinnert sie sich an Uios letzte Worte, bevor er das Nevisyoli verließ und in die Nacht verschwand: "Es tut mir leid Zoe, ich will dich nicht verlassen, aber...ich bin eben doch einer von den bösen Menschen. Und bei allem, was sie sagte, hat sie mit einem recht: du bist sicherer bei ihr, als bei mir! Ich find dich schon, Zoe, keine Angst! Und einfangen lasse ich mich nicht, das verspreche ich dir!"
Er hat es ihr versprochen! Und Versprechen bricht man nicht. Also wartet die kleine Fee auf ihren Freund. Sie wartet, dass er eines Tages wieder zu ihr zurück kommt. Das ist der Tag, an dem alles wieder gut wird und sie endlich wieder gemeinsam lachen und glücklich sein können!


Silberweiß 511
Wenige Tage nach Rayyans Ankunft in der Steinfaust


Es wird Winter. Dicke Schneeflocken segeln den Himmel herunter und verwandeln den Hain in ein wunderbares weißes Wintermärchen. Zoe mag den Winter! Es gibt nichts Schöneres als am Fenster ihrer kleinen Kammer zu sitzen und den vielen, vielen Flöckchen zu zuschauen, wie sie eine nach der anderen die grüne Graslandschaft in ein weißes Meer verwandeln. Keine gleicht der anderen und jede ist auf ihre Weise ein Wunder der Natur.
Gerne würde Zoe draußen um herfliegen und zusammen mit den Flocken durch die Lüfte tanzen, aber das geht nicht. Warum das nicht geht? Nun ja…gestern beim Anziehen ihrer hübschen Winterschuhe aus Kork und Moos, hat sie mit ihrem rechten großen Zeh ein Loch durch den Schuh gebohrt. Nun schaut der große Zeh vorne an der Spitze raus. Das sieht eigentlich ganz lustig aus, weil Zoe nun mit dem Zeh wackeln kann, aber wenn es draußen so kalt ist, dann wäre es schon besser, wenn die Füße in Stiefeln stecken, die keine Löcher haben.
Den letzten vergangenen Viertelzwölfmond  muss die Fee noch mal ein gutes Stück gewachsen sein. Die Ärmel ihres Flauschhemdes gehen ihr jetzt nur noch bis zur Mitte des Unterarmes und auch der Bund reicht ihr nur noch bis knapp über den Bauchnabel. Auch die dicke Winterhose hört an den Waden auf. Fenora hat ihr gesagt, sie müsse jetzt endlich mit Kali Maya darüber reden, dass sie neue Kleider benötige. Es wäre eine Schande für den Tempel, wenn sie so weiter rumliefe. So ganz hat Zoe das nicht verstanden, immerhin kommt sie in ihr Flauschhemd ja noch hinein, aber gut, vielleicht hat die nette Tempelnovizin ja recht. Bald passt ihr gar nichts mehr und dann kann sie den Tempel gar nicht verlassen, weil sie nichts mehr zum Anziehen hat. Das wäre Schade!
Zoe hat ja selbst keine Ahnung warum sie in letzter Zeit so in die Höhe schießt. Manchmal hat sie den Eindruck ihre Körperteile wachsen alle unterschiedlich schnell. Ihre Arme sind plötzlich länger, dann wachsen plötzlich ihr Oberkörper oder ihre Füße. Auch ihr Gesicht sieht irgendwie anders aus, länger, weniger rund und im Verhältnis zum Rest ihres Köpers irgendwie kleiner.
Zoe seufzt ein bisschen und fährt sich eine ihrer vorwitzigen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Aus diesem Grund ist sie nicht draußen und tanzt mit den Flocken, sondern wartet drauf, dass Kali Maya zurück kommt. Arunas Mutter ist in der letzten Zeit immer so viel unterwegs, es ist gar nicht so einfach sie tagsüber zu erwischen.

So dauert es eine Weile bis sich die Tür öffnet und Kali die Kammer betritt.
Auf ihrem Mantel und ihren schwarzem Haar hat sich weißer Schnee gelegt, das sieht sehr schön aus, wie die Fee findet. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht begrüßt Zoe die Große.
„Schön, dass du da bist. Aruna ist bei Fenora, die Beiden spielen ein bisschen im Schnee!“ Mit schlief gelegtem Kopf beobachtet die Fee Kali und wartet bis sich die bleiche Große ihres Mantels entledigt hat. Dann verlässt sie das schmale Fenstersims und fliegt auf die Stuhllehne, wo sie mehr oder weniger elegant landet. Ja, die ganze Wachserei beeinträchtigt zurzeit auch ihre Flugkünste.
„Du, Kali! Ich muss mal mit dir reden“ Die kleine, nun doch schon größere Fee verzieht ihren Mund ein bisschen und kratzt sich am Hinterkopf. So was mag sie eigentlich gar nicht. Aber Fenora hat schon recht, sie muss das Kleidungsproblem einfach mal angehen.
„Ich…naja….ich glaub, ich brauch was Neues zum Anziehen.“ Mit großen brauen Augen schaut sie Kali von unten her an und zupft ein bisschen an dem viel zu kurz geratenem Wollhemd. „Lang passe ich da nicht mehr rein.“
Wieder kratzt sich das Feenmädchen am Hinterkopf und verlagert mal ihr Gewicht auf den rechten mal auf den linken Fuß.
„Ich weiß auch nicht, warum ich in letzter Zeit so wachse. Ich hoffe ich werde nicht so groß wie du.. „ bei dem Gedanken kichert sie ein bisschen. „Nein, ich werde schon nicht so groß wie du, keine Sorge. Aber…aber ich bin auf jeden Fall zu groß geworden für das gestrickte Hemd, die Hose und meine Stiefel!“
Bei dem Wort Stiefel hebt die Fee ihren rechten Fuß und streckt Kali den Schuh mit der freiliegende Zehe entgegen, der fröhlich hin und her wackelt.


Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 28. März 2012, 20:22 Uhr
Kali Maya seufzt innerlich. Schon als sie die Kammer betreten hat, hat sie geahnt, dass dies nicht einer der dieser angenehmen, ruhigen Abende werden würde, die sie in der letzten Zeit so zu schätzen gelernt hat. Ihr war Tag war lang und anstrengend, hauptsächlich erfüllt von Studien in dicken staubigen Wälzern und Folianten. Eigentlich möchte sie nur noch die Füße hoch legen, eine Kleinigkeit essen und sich dann auf ihrem kargen Lager ausstrecken, aber ein einziger Blick in Zoes Gesichtchen genügt ihr, um zu ahnen, dass die ersehnte Ruhe noch etwas auf sich warten lassen wird.
»Schön, dass du da bist. Aruna ist bei Fenora, die beiden spielen ein bisschen im Schnee«, wird die Azadoura von der Fee begrüßt. Kali nickt müde. „Ja, ich habe die beiden draußen gesehen und Fenora gesagt, dass sie gleich nachkommen soll. Es wird noch immer früh dunkel draußen, obschon die Tage langsam wieder etwas länger hell bleiben.“ Die Azadoura legt ihren Mantel ab und schüttelt sich den Schnee aus dem Haar. Verlegen kommt Zoe zu ihr herüber geflattert.

»Du, Kali. Ich muss mit dir reden«, setzt das Feenmädchen an, lächelt schüchtern und schaut die Azadoura mit diesen großen, braunen Kulleraugen an, denen man nur so schwer wiederstehen kann. »Ich… naja… ich glaub, ich brauch' was Neues zum Anziehen. Lang passe ich da nicht mehr rein.« Verlegen schaut die Fee an sich herab und zupft nervös an ihren Kleidern. Kali Maya folgt dem Blick des Feenmädchens. Sie hat Recht, stellt sie trocken fest und seufzt innerlich angesichts dieses unerwarteten Problems. Kali Maya hat Zoe nie direkt gefragt, wie alt die Fee ist, es hatte sie nie wirklich interessiert. In ihren Augen war Zoe bisher immer ein kleines, putziges Geschöpf gewesen, dass von Zeit zu Zeit die Gestalt eines schmächtigen Menschenmädchens annehmen kann. Dass dieses kleine Feenmädchen irgendwann einmal, wie gewöhnliche Menschen- und Elbenkinder auch, wachsen und größer werden würde, war ihr nie so direkt in den Sinn gekommen. Ziemlich dumm von mir, gesteht sie sich lakonisch ein.
Immerhin, Zoe scheint es in dieser Hinsicht ähnlich zu gehen, was zumindest etwas tröstlich ist. »Ich weiß auch nicht, warum ich in letzter Zeit so wachse. Ich hoffe ich werde nicht so groß wie du… Nein, ich werde schon nicht so groß wie du, keine Sorge. Aber… aber ich bin auf jeden Fall zu groß geworden für das gestrickte Hemd, die Hose und meine Stiefel!« Kali Maya zieht eine Augenbraue in die Höhe, mustert die Fee noch einmal eingehend und nickt dann seufzend. „Ja, du bist tatsächlich ganz schön in die Höhe geschossen“, gibt sie schließlich zu, während sie versucht Zoes wackelnde Zehe so gut es geht zu ignorieren.

„Hm“, Kali Maya legt nachdenklich den Kopf schief und lässt sich auf einen Stuhl plumpsen. „Und was soll ich jetzt tun, Zoe“, fragt sie die Fee bedächtig. Sie muss sich eingestehen, dass sie tatsächlich absolut keine Ahnung hat. Woher beim Dunklen soll sie den wissen, wo man Feen-Kleider kauft? Sie runzelt nachdenklich die Stirn. In den Tausendwinkelgassen gibt es die sonderbarsten Läden und Geschäfte, wenn sie sich ganz doll anstrengt, meint sie sich sogar vage daran erinnern zu können, irgendwo eine Feen-Schneiderei gesehen zu haben... sicher sit sie sich allerdings nicht.
Und dann sind da selbstverständlich auch noch die Kosten. Neue Kleider gibt es schließlich nicht umsonst. Sicher, Uios dämmliche Aktion hat sie nicht völlig mittellos gemacht, dass wäre dann doch etwas zu übertrieben formuliert, aber sie hat das Nevisyoli durch ihn verloren und der Großteil ihres Geldes ist nun einmal in das Haus geflossen und die restlichen Ersparnisse, die ihr noch geblieben sind, sind nicht gerade üppig. Ihre Miene hellt sich etwas auf, als ihr Blick zufällig auf nathans Beutel fällt, der achtlos neben ihrem Bett liegt. Gewiss würde es ihm nichts ausmachen, wenn sie sich ein wenig aus seiner Börse bedienen täte – immerhin hat er ihr Uio und Zoe ins Haus geschleppt und erwartet, dass sie sich kümmert. Es erscheint ihr nur recht und billig, wenn sie sich, nun, da der Hexer im Kerker schmachtet, immerhin eine kleine finanzielle Unterstützung von ihm sichert.

„Also gut“, meint die Azadoura schließlich. „Wir werden in die Tausendwinkelgassen gehen. Ich habe keine Ahnung, was feenkleidung angeht, aber dort werden wir bestimmt etwas passendes für dich entdecken...“ Sie seufzt. ...und für Aruna, wenn wir schon einmal da sind, fügt sie in Gedanken hinzu. Ihr Sohn ist ebenfalls ganz schön gewachsen. Aus dem kränklichen, schmächtigen Säugfling ist mittlerweile ein gesundes Kleinkind geworden, dass sich gut entwickelt. Zwar ist der Junge immer noch recht zart und feingliedrig, neigt nach wie vor dazu schnell zu kränkeln, aber der Maester, der den Kleinen regelmäßig untersucht hat ihr versichert, dass sich auch das mit der Zeit ändern würde. Zum eigenen Besten des Mannes, hofft Kali Maya, dass der Alte damit Recht behalten wird...

Damit ist die Entscheidung also gefallen, in den nächsten Tagen, sobald es nicht mehr so arg stürmt und schneit, ist ein einkaufsbummel in den Tausendwinkelgassen fällig. Je mehr Kali Maya darüber nachdenkt, um so mehr ist sie dieser Vorstellung zugetan. Es wäre auch merkwürdig, wenn es anders wäre. Welche Frau geht nicht gerne neue Kleider kaufen. Vielleicht findet sich ja sogwar etwas für mich...?, überlegt sie verträumt und schiebt die lästige Kostenfrage vorerst in den hintersten Winkel ihrer Gedanken zurück.

Die Tausendwinkelgassen »

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von Zsuzlpztirrp am 01. Apr. 2012, 20:30 Uhr
Silberweiß 511
Einen Tag vor der Verhandlung


Schon seit den frühen Morgenstunden, als die winterliche Sonne die Fee mit ihren ersten Sonnenstrahlen wachgekitzelt hat, ist Zoe völlig aufgeregt. Heute ist endlich der Tag, an dem sie mit Kali Maya und ihrem Freund Aruna in die Tausendwinkelgassen gehen wird, um neue Kleidung für sich, aber auch für die Großen zu kaufen. Zoes Vorfreude kennt keine Grenzen und steckt auch ihren klein-großen Freund an. Die Beiden verbringen die Vormittagsstunden, die Kali noch mit Tempeldiensten in der Stadt verbringen muss, zusammen mit Fenora im beheizten Gemeinschaftsraum der Novizen des Sithechtempels. Dort kann die Novizin ihrer täglichen Arbeit nachgehen und trotzdem ein wachsames Auge auf die beiden kleinen Racker werfen, die mit viel Laufen, Fangen, Rennen, Fliegen, Singen und ganz viel fröhlichem Lachen die Tempelanlage mit Geräuschen beschallen, die der sonst so ruhige und besinnliche Ort in dieser Form nur selten erlebt.
So ist es kein Wunder, das als endlich nach einer gefühlten Ewigkeit Kali Maya den Gemeinschaftsbereich der Tempelnovizen betritt, sie von einem lauten „Hurrrrrrrrrrrraaaa wir gehen los!“ begrüßt wird. Wie ein azuranischer Wirbelwind stolpern und flattern einer kleiner, aufgedrehter Junge und eine noch kleinere, aber nicht minder aufgeregtere Fee auf die Azadoura ein. Beide haben gerötete Wangen und die nachtschwarzen Augen ihres Sohnes strahlen vor Begeisterung im Gleichklang mit den braun-grünen Augen der Fee.
„Da bist du ja endlich…“, lacht Zoe und flattert vor Kali Mayas Nasenspitze auf und ab. Ehe sich die Azadoura versieht oder auch nur die Chance bekommt, ihren eingeschneiten Mantel abzulegen, hat sie schon einen zärtlichen Feenkuss auf die Wange gedrückt bekommen, der vor überschäumender Freude und Zuneigung nur so überquillt. Gleichzeitig zupft am Zipfel ihres Mantel ihr Sohn, der ein eindeutiges und nicht minder stolzes: „Aiiiin..auuufnnnn“ von sich gibt. Die ganze Situation lässt keinen Zweifel aufkommen, dass ab jetzt die beiden kleinen Freunde das sagen im Gemeinschaftsraum haben und ihre neue Macht vehement für den längst überfälligen Besuch in den Tausendwinkelgassen einsetzen.
Fenora wandert ein amüsiertes Lächeln über das Gesicht, als sie die leicht überforderte Tempelnovizin und ihre beiden vor Freude nur so überschäumenden Kinder beobachtet.
„Sieht so aus, als müsstest du jetzt sofort los gehen, wer weiß was die beiden hier sonst noch alles anstellen“, schmunzelnd richtet sich die Frau auf und klopft sich den Staub aus ihrer grauen Robe.
Kali Maya, die sich gerade mit einem wenig begeisterten Gesichtsausdruck aus ihrem Mantel schälen und zu einer Erwiderung ansetzten will, wird ihrem Sohn prompt aufgehalten.
Der kleine blasse Junge mit den rabenschwarzen Haaren hält sich mit beiden Armen am Mantelsaum seiner Mutter fest und blickt sie bestimmt an. Der sonst so stille und in sich gekehrte Aruna ist seit dem Auftauchen der kleinen Fee im Nevisyoli förmlich aufgeblüht. In den wenigen Monden, die Kali Maya, Nathan, Aruna, Zoe und Uio zusammen verbracht haben, hat die junge Fee einen kleinen Teil ihrer Lebensfreude und auch ihrer Neugier auf das Kind übertragen. So es gibt keinen Tag, an dem der nicht zusammen mit seiner Freundin mit voller Begeisterung das Leben um ihn herum mit offenen Armen und Augen wie ein großer Schwamm aufsaugt.
„Aiiiin..auuufnnnn“, ertönt es wieder aus seinem Mund und wie als wollte er seinen Worten stärkeren Nachdruck verleihen, nickt er mit seinem Kinderkopf mehrmals dazu.
„Was habe ich dir gesagt…“, lacht Fenora und wuschelt dem kleinen Jungen beim Vorbeigehen über den Kopf. „Dir bleibt gar keine andere Wahl! Die beiden sind, was den heutigen Tag angeht, kompromisslos.“
„Jaaaaaaaa…genau!“, zwitschert Zoe und schlägt einen mehr oder weniger eleganten Purzelbaum in der Luft.
So Kali Maya bleibt nichts anderes übrig, als resigniert seufzend den Mantel an zu lassen und mit ihren beiden hibbeligen Anhängseln endlich den versprochenen Ausflug in die Tausendwinkelgassen zu unternehmen.

--> die Tausendwinkelgassen

Titel: Re: Der Sithechtempel
Beitrag von KaliMaya am 25. Apr. 2012, 21:24 Uhr
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~ Die Zeit vergeht ~
Silberweiß 511 bis Anfang Sturmwind 512 d5Z

Natürlich lässt man Kali nach Nathanaels Verurteilung durch einen Boten über den Urteilsspruch ins Bild setzen. Und die Azadoura ist fast ebenso geschockt wie der Hexer selbst. »Zwei Jahren Rashangefängnis auf Nirmonar.« Sie ist keine Magiekundige, kann das volle Ausmaß des Urteilsspruches ermessen, aber bereits die Tatsache, dass Nathanaels Haft nicht in Talyra fortgesetzt wird, spricht Bände. „Nirmonar. Nirmonar. Nirmonar.“ Immer wieder spricht die Frau von der Rubinküste den Namen halblaut vor sich hin. Er bedeutet ihr nicht viel. Bleibt in ihrer Vorstellung fremd und abstrakt. Khalkhis von Klingenfall hat ihr erklärt, dass es sich um eine Insel hoch im Norden, in der Grünen See vor der Küste seines Heimat Immerfrost handelt. Kalt und unfreundlich, so malt sie sich den Ort in ihrer Vorstellung aus... und weit, weit entfernt.

Dass sie Nathan noch einmal wiedersehen wird, erscheint ihr mit jedem weiteren Tag der vergeht unwahrscheinlich und so zieht sie es vor ihn nicht noch einmal aufzusuchen, bevor er fortgeschaft wird. Überhaupt, welche Sinn ergäbe das schon?
Ein letztes Mal holt sie Nathans wenige Besitztümer, die sich noch in ihrer Verwahrung befinden, hervor und mustert sie düster. In den vergangenen Siebentagen hat sie viel Zeit aufgewendet, um gerauszufinden, was es damit auf sich hat, doch nun erscheint ihr dies als völlige Zeitverschwendung. Kali nimmt die Eisenmünze in die Hand und wendet sie zwischen ihren Fingern hin und her. Das Symbol auf dem Revers der Münze sagt ihr nach wie vor nichts, auch die Zahlen (III-VII-V-III) auf der Vorderseite ergeben weiterhin keinen Sinn. Drei – Sieben – Fünf– Drei, denkt die Azadoura und nimmt den Kupferling zur Hand. Auch die zweite Münze trägt ein Symbol auf dem Revers, das ihr nichts sagt, und bildet auf der Vorderseite einen Zahlenkombination (III-VII-II) ab. Drei – Sieben – Zwei. Kali Maya legt auch die zweite Münze wieder beiseite und, ihr Blick fällt auf einen der Briefe aus Nathans Besitz. Das Siegel ist zerbrochen, aber man kann noch den Abdruck einer weiteren Zahlenreihe (III-VII) erkennen. Drei – Sieben. Wütend stopft sie die Münzen und die beiden Briefe zurück in Nathanels Tasche – dabei stößt sie unbeabsichtigter Weise gegen den auf dem Tisch liegenden Turmalin. Der Edelsteim kommt ins rollen und kullert langsam über die Kante, bevor Kali Maya ihn ergreifen kann. Klirrend fällt die geschliffene Kugel zu Boden.

Erschrocken beugt die Azadoura sich vor und hebt den Turmalin wieder auf. Prüfend wendet sie ihn im Licht einer Kerze hin und her. Offenbar hat der Kristall den Sturz unbeschadet überstanden. Aus einem unerfindlichen Grund erfüllt sie dies mit Erleichterung. Nachdenklich stopft Kali auch den Edelstein in Nathans Beutel, bevor sie ihn sorgsam verschließt. Dann trifft sie eine Entscheidung. Entschlossen steht sie auf.
Zoe und Aruna sind bei Fenora, sodass sich die Azadoura im Augenblick nicht um die beiden kümmern muss. Sie streift ihren Mantel über und nimmt Nathanaels Beutel an sich. Sie will weder die Briefe, noch die Münzen oder gar den Edelstein länger in ihrer Nähe wissen. Nathan scheint mehr Geheimnisse zu hüten, als ihr lieb ist und diese Dinge scheinen Teil dieser Heimlichkeiten zu sein. Weder Aruna noch Zoe sollen damit in Berührung kommen. So still und heimlich wie möglich schlüpft Kali aus dem Tempel hinaus in den Sithech-Hain. Nur ein steinerner Seharim weiß um den Ort, an welchem sie ihre eigenen Geheimnisse verbirgt. Kali maya lächelt grimmig. In dem Versteck ist sicherlich noch Platz für das eine oder andere zusätzliche Geheimnis. Im Schutz der aufziehenden Dunkelheit macht sie sich daran Nathans Besitztümer in ihrem Geheimversteck zu verbergen und anschließend so unauffällig wie möglich in den Tempel zurückzukehren, nachdem sie sich äußerst gründlich vergewissert hat, dass sie von niemandem beobachtet worden ist. Als die Azadoura über die Türschwelle zurück ins Temeplinnere schlüpft, hat sie jeden noch so kleinen Gedanken an die Briefe, Münzen und den Turmalin bereits erfolgreich in den hintersten Winkel ihrer Erinnerungen verbannt.

Die Zeit vergeht und Zoe, Kali und Aruna beginnen sich mehr und mehr in ihrem neuen Leben ohne Nathan und Uio zurecht zu finden. Aruna wird mit jedem Tag größer und kräftiger und lernt so schnell, dass es Kalis Herz voller Stolz anschwellen lässt.Doch nicht nur ihr kleiner Junge entwickelt sich prächtig, auch Zoe verändert sich mit jedem Tag der verstreicht mehr. Die kleine Fee wird selbstständiger und verliert nach und nach die klettenhafte Anhänglichkeit, die sie in den ersten Monden nach Nathans Verhaftung und Uios verschwinden an den Tag gelegt hat.
Liebevoll kümmert sie sich um Aruna und wird wortwörtlich zu seiner guten Fee, die ihn durchs Leben begleitet. Aus dem ängstlichen Feenmädchen, dass früher selbst einen Ritter-Retter nötig hatte, wird nun selbst eine kleine, tapfere Beschützerin. Und wenn Zoe doch einmal Angst oder Sorgen hat, dann ist da ja schließlich noch Rix, Nathans Rabe, der nach wie vor bei ihnen ein und aus flattert. Ob Zoe nun im Tempel hilft, mit Aruna spielt, Kali zur Hand geht oder mit Irisblüte im Larisgrün herumschwirrt, die Rabendame ist nie weit.


~ Der Sturm ~

3. Sturmwind (512 d5Z) und die Siebentage danach

Das Unwetter, dass Anfang Sturmwind über Talyra hereinbricht, hält die ganze Stadt in Atem und natürlich betrifft es auch die Priesterschaft und die Novizen im Sithech-Tempel sehr massiv. Dem trutzigen Tempelgebäude selbst kann der Sturm nur wenig anhaben, aber im Sithech-Hain hinterlässt er sehr deutliche Spuren und natürlich gehört es zur traurigen Pflicht der Schweigenden Schwestern sich um die Toten zu kümmern, die das Unwetter gefordert hat. Es ist eine beklemmende Zeit in der es viel zu tun gibt und an so manchem Abend fällt Kali völlig ausgelaugt und müde am Ende eines anstregenden Tages ins Bett.
Trotzdem schaft sie es irgendwie neben all den Dingen, die sie im Tempel zu tun hat, auch noch den Verkauf des zerstörten Nevisyolis abzuwickeln und in aller Heimlichkeit sicher zu stellen, dass ihre und Nathans Geheimnisse sich weiterhin in ihrem geheimen Versteck in Sicherheit befinden. Als sie sich vergewissert und Nathans Turmalin im Schutz der Nacht kurz hervorholt, kommt ihr mit einem Mal eine Idee. Behutsam lässt sie den Stein in einer Tasche ihres Mantels verschwinden und nur einen Tag später begibt sie sich – allein! – in die Tausendwinkelgassen...

Die Tausendwinkelgassen »



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