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Das Rollenspiel >> Reisen und Quests durch die Immerlande >> In Blurraent
(Thema begonnen von: Tanel am 08. Mai 2006, 13:18 Uhr)

Titel: In Blurraent
Beitrag von Tanel am 08. Mai 2006, 13:18 Uhr
Seit mehreren Mondläufen ist Tanel nun schon in Blurraent, der berühmten Stadt der Schmiedekunst, wo er bei einem Meister der Silberschmiede seine Erfahrungen in dieser Kunst erweitert. Er fühlt sich wohl in der Stadt an der Rhûne, doch obwohl er viel gelernt hat, bedauert er es, daß er fast den ganzen Tag in der Schmiede verbringt und noch kaum mit vielen Menschen zu tun hatte, obwohl er doch eigentlich in die Menschenlande gezogen ist, um dieses Volk kennenzulernen. Mittlerweile ist es Frühling geworden, an der Esse bereits unerträglich heiß, und mit der Natur erwacht auch Tanels Abenteuerlust. Am liebsten hätte er sich auf eine Exkursion in die Drachendornen begeben oder die Ruinen der Zwergenfestung Saênyc erkundet, die sich verheißungsvoll auf dem Hügel über der Stadt erheben. Im Grunde ist ihm natürlich klar, daß es einem Selbstmord gleichkäme, ein solches Unterfangen allein zu beginnen, aber dennoch...

Auch sehnt er sich so langsam nach einer angemesseneren Unterkunft als seinem Zimmerchen im Dachgeschoß der Schänke ‚Zwergenbrunnen’, nicht größer als sein Raum in der Akademie zu Imraseth es war. Das Haus ist zwar ordentlich, aber sehr einfach und rustikal und großteils von Handwerkern besucht. Auch das aufgesetzte Lächeln seiner Wirtin Adandra bringt den Elfen, der nichts so sehr wie falsche Freundlichkeit haßt, fast zur Weißglut. Immerhin hat er es nicht weit zur Schmiede und vom Schreibtisch aus kann er durch die Butzenglasscheiben direkt auf das geschäftige Treiben auf dem Marktplatz sehen, wenn er abends dort noch über seinen Büchern sitzt.

Im Moment allerdings ist die günstige Lage der Schenke eher störend – es ist Inarianar, und einige Schritt unter ihm auf dem Platz herrscht bereits fröhliche, weinselige Stimmung. Selbstverständlich bleiben die Schmieden der Stadt heute geschlossen, doch Tanel ist nicht danach zumute, sich auf dieses Fest zu begeben und von Menschenfrauen umschwärmen zu lassen. Der Anblick der vielen bunten, leichten Kleider, der jungen Frauen, die sich unter ihm auf dem improvisierten Tanzplatz drehen, läßt ihm das Gesicht der Einen, der er nicht gut genug war, nicht aus dem Kopf gehen. Merilnys... Verärgert schließt der Magier das Fenster und wendet sich wieder seinem Buch über die Sphärenlehren zu, obgleich es nun noch stickiger in der ohnehin überhitzten Kammer wird. Vergeblich, obwohl der Lärm der Feiernden gedämpft zu ihm heraufdringt, wird die Schrift in dem Folianten immer wieder verdrängt von dem Bild der rotblonden Schönheit, das sich vor Tanels inneres Auge schiebt. Schließlich knallt er entnervt das Buch zu und wirft sich stattdessen auf das Bett, um an die Decke zu starren. Eine flüchtige Handbewegung läßt einen Hauch frischer, kühler Luft durch den Raum wehen, eine der leichtesten Übungen für einen Luftmagier, aber in ihrer Wirkung dennoch nicht zu verachten. Tanel schließt seufzend die Augen und versucht sich zu entspannen, endlich versinkt er in Trance und Merilnys’ spöttische smaragdgrüne Augen verblassen in seinen Gedanken.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Tanel am 26. Mai 2006, 10:03 Uhr
Der Monat Inar neigt sich dem Ende entgegen, ohne daß Tanel sich dessen recht bewußt wird. Seine Tage sind angefüllt mit Arbeit, denn Meister Fairan erwartet viel von seinem Lehrling. Die Anstrengungen lohnen sich für den jungen Magier, denn ganz allmählich bekommt er unter der Anleitung des Artefaktmeisters Übung darin, seine Kraft nun gezielt in ein Werkstück fließen zu lassen. Filigrane silberne Kunstwerke voller Magie nehmen unter seinen geschickten Fingern Gestalt an, und es erstaunt ihn selbst, wie viel Freude es ihm nach all den langen Jahren des Studiums bereitet, wieder ein Handwerk auszuüben. Darüber hinaus lenkt ihn die durchaus auch körperlich harte Arbeit ab, läßt ihn Merilnys’ Gesicht für den Augenblick vergessen.

Die Abende jedoch verbringt der Silberelf nach wie vor bis spät in die Nacht hinein bei Kerzenschein über seinen magietheoretischen Büchern, denn das Wetter ist wieder regnerischer und kühler geworden und hat seiner Lust darauf, die nähere Umgebung der Stadt zu erkunden, einen ordentlichen Dämpfer aufgesetzt.
Alles in allem ist Tanel recht zufrieden mit seinem Leben in der Menschenstadt, der einzige Haken ist nach wie vor seine Wirtin Adandra, die ihn beständig mit ihrem künstlichen Lächeln und leeren Worten umschwirrt, obwohl er sich sicher ist, daß sie ihn ebenso wenig leiden kann wie er sie. Wünschen der Herr noch etwas? Ist alles recht so? Ich habe frische Blumen hergestellt! Soll ich noch etwas Brot und Wein heraufbringen? – Warum kann mich das Weibsstück nicht einfach in Frieden lassen?!  Erneut klopft es an der Tür und der Magier zuckt zusammen, so daß sich ein dicker Tintenklecks von seiner Gänsefeder löst und auf das kostbare Buch tropft. Ungehalten sieht er von seinen Pergamenten auf. „Ja, zum...!“
„Warum so unwirsch, ich wollte nur fragen, ob der Herr einen Heizstein wünscht...?“
Tanel unterdrückt den nahezu unwiderstehlichen Impuls, das Tintenfaß nach seiner aufdringlichen Wirtin zu werfen, die ihren runden, rosigen Kopf durch den Türspalt gesteckt hat. Rund und rosig und ein Lächeln wie ein Ferkel beim Anblick des Trogs... „Nein, zum Henker, wenn ich etwas brauche, dann frage ich danach!“ Tatsächlich hat der Gedanke an einen Heizstein durchaus etwas Verlockendes, das kleine Dachzimmer ist kalt und klamm, und es fällt schwer sich vorzustellen, daß es noch vor einigen Wochen fast zu heiß war, um es darin auszuhalten. Nur ist die Sache mittlerweile zu einer Frage des Prinzips geworden, und Tanel würde sich eher die Zunge abbeißen und die ganze Nacht frieren als der Wirtin einen Sieg zuzugestehen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Shyada am 25. Juli 2006, 12:42 Uhr
Wäre Liomie wortgewandter, so hätte sie wohl ihre Freude darüber, endlich mal wieder in einer richtigen und vor allem großen Stadt zu sein, stundenlang zum Ausdruck gebracht. So aber genießt sie einfach den Augenblick, als sie Kutsche unter den Stadttoren entlang rattert und die ersten Stadtbewohner hinter den Fenstern zu sehen sind. Auf der breiten Hauptstrasse die sie gerade entlang fahren, ist kaum Schatten zu sehen, aber in den Gassen zwischen den hohen Stadthäusern herrscht verlockende Dunkelheit. Am liebsten würde Liomie sofort aus der Kutsche springen, um sich dort in die Schatten zu flüchten. Seit die Sonne unerträglich warm geworden ist, hat sie mit ihrem Kleid zu kämpfen, doch der schwarze Mann hatte sich einfach nicht erweichen lassen. Hinten in der Kutsche hatte sie ihren Rock soweit wie möglich hochgekrempelt, damit der Schweiß nicht in Sturzbächen an ihr hinunterfließt, doch sowie sie gerastet oder in Gasthäusern übernachtet haben, konnte sie das natürlich nicht mehr tun. Das heißt sie hätte schon, aber Selli hatte ihr erklärt, dass sich so etwas für eine Frau wie sie nicht gehört und somit musste Liomie die Hitze stillschweigen(zumindest mehr oder weniger) ertragen.
Draußen in einer Seitengasse kann Liomie spielende Kinder sehen. Ihr Lachen dringt zwar nicht bis in die Kutsche vor, aber sie kann es sich auch so vorstellen und wäre jetzt gerne dabei. Die Fahrt hierher hat nicht nur lange gedauert, sondern war auch noch geprägt von Langeweile. Tagein, tagaus gab es so gut wie nur die vier Kutschenwände und Selli zu sehen. Nicht, dass sie Selli nicht mehr mag, aber hin und wieder ein wenig Abwechslung, wäre ihr schon recht gewesen. Immerhin ist sie auf reisen und da soll man doch auch was von der Landschaft, den Bewohnern und überhaupt von allem möglichen mitbekommen. Aber selbst wenn sie mal nachgefragt hat, ob man nicht mal wieder einen Stadtausflug machen könnte, wurden ihre Bitten abgelehnt.

Als sie nun endlich im Gasthaus steht, möchte sie sich am liebsten an Ort und Stelle fallen lassen und nichts mehr tun. Ihr Hintern tut schon seit Wochen unerträglich weh und das ständige auf und ab in der Kutsche hatte auch sein Bestes gegeben, um die Schmerzen zu verstärken. Liomie weiß, dass es Selli ebenso gehen muss. Immerhin haben sie die ganze Zeit zusammen verbracht und sich auch gegenseitig die blauen Flecken vorgezählt, die sie mittlerweile so zahlreich an ihren Körpern finden können. Der andere dunkelhäutige Mann hatte sie aufgeklärt, wie immer hatte der andere es nicht nötig gehabt, und ihnen gesagt, dass sie hier nun wohl eine ganze Weile rasten werden. Liomie kann zwar nicht verstehen, warum erst so gehetzt wird, um dann hier Zeit beinah unsinnig zu vertrödeln, aber sie sagt lieber nichts dazu. Es ist auch viel zu warm, um noch Fragen zu stellen und sich böse Blicke einzufangen. Außerdem ist der Gedanken länger als nur eine Nacht in einen ordentlichem Bett schlafen zu können, doch mehr als verlockend. Und mit etwas Glück würden sie auch hier wieder ordentliche Mahlzeiten und nicht nur getrocknetes Fleisch, Dörrobst oder altes Brot zu essen bekommen. „Hoffentlich sind die Betten schön weich“, murmelt sie leise in Sellis Richtung und wartet darauf, dass man ihnen wieder einen eigenen Zimmerschlüssel überreicht. Zu ihrer Freude bekommen sie tatsächlich wieder ein Zimmer für sich und bringen auch, kaum dass sie den Schlüssel in den Händen halten, ihr Gepäck nach oben und lassen sie wie es mittlerweile bei ihnen schon üblich ist, sich auch gleich auf die Betten fallen. Alle Gliedmaßen von sich gestreckt, lauschen die beiden einfach nur den Geräuschen die vom Platz aus zu ihnen dringen. Ohne dass Liomie es bemerkt, wird sie immer schläfriger und schlaft auch prompt, so wie sie sich auf das Bett geschmissen hat, ein.

Erst als die Sonne ein Stück weiter gewandert ist, wacht sie von einem lauten Geräusch vom Flur auf. Dem Getrampel nach zu urteilen, ist jemand gestolpert und versucht nun sein Gleichgewicht wieder zu erlangen. Im ersten Moment muss Liomie an den Mann denken, aber dem würde so was wohl eher nicht passieren und außerdem hätte sie dann wohl auch ausgeprägte Fluchlaute gehört. Mit einem müden Blick linst sie von ihrem Bett aus zum anderen rüber. Selli scheint auch zu schlafen und so tapst sie leise in Richtung Fenster. Vorhin hatte sie gar keinen Blick hinaus geworden und ist umso überraschter, als sie den Platz direkt vor ihrem Fenster hat. Da die Männer ein Zimmer gegenüber von ihrem haben, werden sie somit nur Ausblick auf den Hinterhof haben. Ein kleines böses Lächeln huscht kurz über ihr Gesicht. Wenigstens eine kleine Strafe für die bisherigen Strapazen. Zudem haben die Männer jetzt wohl auch die Nachmittagssonne in ihrem Zimmer, da das Haus auf dieser Seite einen dunklen Schatten über den Platz wirft. Neugierig macht sie sich mit dem Fensterriegel vertraut und öffnet dieses dann etwas zu schwungvoll, so dass es gegen die Wand knallt. Glücklicherweise bleibt das teure Glas unversehrt, aber dafür scheint das Geräusch Selli in ihrem Schlaf gestört zu haben. Noch bewegt sie sich zwar nur unruhig, aber sie murmelt bereits irgendwas von „Lärm“ und „nicht gestört werden“. „Entschuldigung!“, flüstert Liomie leise. Draußen auf dem Platz stehen einige vereinzelte Händlerstände, aber der Anblick ist nicht mit dem in Talyra zu vergleichen. Zumindest glaub sie das, denn in dem Moment, wo sie darüber nachdenkt, ist da schon wieder so eine Leere in ihrem Kopf, die es ihr schwer macht, etwas genaueres zu fassen zu bekommen. Selbst angestrengtes Überlegen bringt nichts. Egal woran sie sich zu erinnern versucht, es tauchen keine bekannten Bilder oder Gesichter in ihrem Kopf auf. Plötzlich von einer Panik erfasst, spürt sie wie sich ihr Magen verkrampft. „Warum kann ich mich an nichts erinnern?“ Da sie sich nicht erinnern kann, würde sie nichts beschwören, aber trotzdem ist sie ziemlich sicher, dass sie eigentlich nie etwas böses getan zu haben, um das hier rechtfertigen zu können. Jeder sollte sich an schöne Dinge erinnern können, aber sie kann es nicht und das macht ihr Angst. Die Tränen bereits in den Augen überlegt sie, ob sie Selli endgültig wecken soll, aber genaugenommen verrät sie ihr kaum etwas. Sie hat ihr nach all der Zeit noch nicht einmal die Namen der Männer genannt, obwohl sie sie ja zu kennen scheint. Zu ihrer Angst und der Panik mischen sich nun auch noch Zweifel. Sie weiß nicht woher sie kommen und wieso sie mit einem Mal glaubt, dass ihr der Himmel auf den Kopf fällt, aber sie will einfach nur weg. Sie will zu ihrer Familie, auch wenn sie überhaupt nicht weiß wie sie aussehen. Oder wie sie heißen. Weiß ich überhaupt wo sie wohnen?

Ohne darüber nachzudenken, ob sie es überhaupt tun sollte, hat Liomie das Zimmer verlassen und eilt die Treppe nach unten. Sie braucht frische Luft. Nicht nur das bisschen, was sie durch das Fenster einatmen kann, sondern überall um sie herum. Unerklärlicherweise verspürt sie mit einem Mal den Drang sich einfach in den Wald zu setzen. Irgendwo wo niemand sonst ist. Nur Bäume, Gras, ein paar Blumen und vielleicht auch ein paar Tiere. Einfach nur Natur, keine Mauern, keine Strassen, keine anderen Personen. Das Kleid hochgerafft läuft sie in eine beliebige Richtung. Sie achtet weder darauf wohin sie rennt, noch woher sie kommt. Mal biegt sie dort ein, mal hier und irgendwann bleibt sie einfach stehen. Sie hatte schon vorher gewusst, dass es unklug war, einfach wegzugehen, aber die befürchtete Angst allein in einer fremden Stadt zu sein bleibt aus. Völlig orientierungslos blickt sie sich um, lässt den Anblick der Häuser auf sich wirken und betrachtet die Stadtbewohner die sich in ihrer unmittelbarer Nähe aufhalten. Ob mich hier einer kennt? Aber hier bin ich auch nicht zuhause... oder doch? Nein wir reisen ja noch weiter... aber ich will nicht mehr reisen. Wieder den Tränen nahe lässt sie sich auf der nahe gelegenen Bank unter einer mächtigen Eiche nieder. Die Füße hat sich ebenfalls auf der Sitzfläche, um so ihre Beine mit den Armen umschlingen und ihren Kopf seitlich auf die Knie legen zu können. Sachte vor und zurück wippend sitzt sie dort, in der Hoffnung, dass ihr eine Idee kommt, was sie tun soll. Ganz nebenbei wartet sie aber auch darauf, dass ihre Erinnerungen zurück kommen, obwohl sie eigentlich genau weiß, dass das wohl nicht der Fall sein wird.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Selainee am 25. Aug. 2006, 11:49 Uhr
Selainee schläft tief und fest. Über die lange Zeit ihrer Reise hat sie sich irgendwie eine Art Schlaf zugelegt in der sie nichtmal die Apokalypse persönlich aufwecken könnte und so merkt sie nichts von dem, was in und außerhalb ihres Zimmers vorgeht zu dieser Zeit.

Die Unruhe, die sie wegen Liomie schon die ganze Reise und vor allem die letzten Tage gespürt hat, schlägt sich mittlerweile selbst in ihren Träumen nieder. Sie ist sich sicher irgendetwas übersehen zu haben, etwas, das eine Menge erklären würde, oder wenigstens ein wenig mehr Licht in diese verworrene Situation bringen könnte. Nicht dass es jetzt noch einen Unterschied machen würde.

Sie ist wieder auf dem Fest, dem lustigen Fest auf dem man sie für einen Jungen gehalten und mit Wein übergossen hat. Sie hat gerade bemerkt, dass sie die Zeit aus den Augen verloren hat. So spät ist es schon! Jamar wird sie umbringen! Gehetzt sucht sie nach dem richtigen Weg. Oh nein da ist auch noch Darwik, dieser Trottel, aber es bleibt keine Zeit um ihm zu sagen, dass er sich beeilen soll. Was macht dieser Kerl nur hier? War ja klar, Frauen angaffen. Egal, sie hat jetzt keine Zeit dafür. Ein kurzer Blick auf das arme Opfer, sie kann sie nur halb sehen. Irgendwie kommt sie ihr bekann vor.
"Moment....Liomie?"

Erschrocken setzt sie sich auf und bemerkt in der selben Sekunde, dass sie nicht auf dem Fest ist, sondern in ihrem Bett im Gasthaus. Verwirrt schüttelt sie den strubbeligen Schopf und versteht nicht, warum ihr das gerade jetzt eingefallen ist.  Ja, gut und schön. Ich hab Liomie schonmal auf dem Fest gesehen.Was soll daran besonders sein? Die ganze Stadt war auf den Beinen und ihr hat das bunte Treiben sicherlich gefallen. Doch dann fällt es ihr wie Schuppen von den Augen. Liomie erinnert sich an unsere Reise, vom ersten Tag an aber...an nichts davor. Sie muss zumindest Darwik kennen, von dem Fest und überhaupt...so ein Fest vergisst man nicht! bis jetzt ist es ihr immer so vorgekommen, als wäre die junge Frau einfach irgendwie vom Himmel gefallen, hätte vorher vielleicht ganz armseelig irgendwo gelebt und wäre erst durch die fürsorglich verabreichte Medizin wieder ein wenig klarer im Kopf geworden. Doch die junge Frau auf dem Fest sah nicht armseelig aus und auch nicht verwirrt.

Wo bin ich da nur reingeraten? in einer fahrigen Bewegung streicht sie sich die Haare aus der Stirn und dreht sich zu Liomies Bett. "Hey Liomie ich..." doch da ist keine Liomie mit der man reden könnte. Alles in allem ist eigentlich Niemand da und Selainees Herz rutscht irgendwo durch das Bett ganz tief nach unten. "Oh Scheiße...." entfährt es ihr leise, dann hüpft sie hastig vom Bett und durchsucht erstmal sinnlos das ganze, kleine Zimmer.
"Liomie? Komm schon...hallo? Oh verflucht....." ohne sich überhaupt die Mühe zu machen Hut und Schuhe anzuziehen, verlässt sie fluchtartig das Zimmer und rennt in den Schankraum. "Entschuldigung ich suche die...die junge Frau. Rotes Kleid, bezauberndes Lächeln.." bringt sie gerade noch zustande und erfährt, dass Liomie wohl schon vor einer ganzen Weile allein das Gasthaus verlassen hat. Jetzt bin ich dran. Sag deinem Leben auf Wiedersehen Sel...

Fast fluchtartig verlässt sie das Gasthaus. "Liomie?" Doch draußen kann sie zunächst niemanden erblicken. Völlig egal. Ich muss sie entweder finden oder möglichst schnell die Stadt verlassen. "Hey! Liomie!" und mit diesem beunruhigenden Gedanken macht sie sich einfach daran die junge Frau zu suchen und wenn sie dafür ganz Blurraent auf den Kopf stellen muss.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Shyada am 25. Aug. 2006, 22:41 Uhr
Die Augen geschlossen achtet Liomie nur auf die Geräusche um sich herum und versucht jeden unschönen Gedanken einzeln aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie weiß überhaupt nicht was sie tun soll. Selli ist lieb und nett, aber trotzdem hat sie irgendwie das Gefühl, dass es anders sein sollte. Wieder ist der Gedanke, warum sie sich denn absolut nicht erinnern kann, allzu präsent und raubt ihr fast den Atem, so dass Liomie lautstark nach Luft schnappt und die Augen rasch wieder öffnet. „Einfach nicht daran denken. Vielleicht hast du dich gestoßen und es ist gar nicht schlimmes.“ Es wäre durchaus möglich, dass dem so ist, aber sie ist im Augenblick einfach nicht in der Verfassung, dass ihr schöne Worte weiterhelfen würden. Bewusst konzentriert sie sich auf die Leute, die an ihr vorbeigehen, prägt sich Haarfarben, Kleider, Gangart und das Gesagte ein, findet aber zu ihrem Unbehagen immer wieder zu Selli und den drei Männern zurück. Abgesehen von ihrer Freundin kommen sie ihr mit einem Mal extrem unheimlich vor. „Du bist dumm...“, murmelt sie vor sich hin und meint eigentlich sich selber, weil sie sich immer wieder Angst macht, aber der Junge der soeben an ihr vorbeigeht, scheint da ganz anderer Meinung zu sein. Mit einem „Was?“ bleibt er vor ihr stehen und funkelt sie auf zwei rehbraunen Augen böse an. Liomie ist zunächst zu verwirrt, um zu wissen, was der Knabe eigentlich von ihr will und blickt ihn daher einfach nur verständnislos an. „Warum beleidigst du mich? Ich hab dir doch gar nichts getan!“, meint der Bursche dann wie die personifizierte Empörung und stemmt die Fäuste in die Hüften. Ohne darüber nachzudenken, dass es den Jungen noch mehr beleidigen könnte, beginnt Liomie zu kichern. Erst schüchtern und halb hinter vorgehaltener Hand, dann aber umso deutlicher. „Du bist auch dumm, wenn du glaubst, dass ich dich gemeint habe. Hab ich nämlich nicht, sondern mich“, erklärt sie ihm, woraufhin er nur die Stirn runzelt und sie ansieht, als wenn sie nicht ganz bei Verstand wäre. Die Augenbrauen fragend gehoben, wartet sie auf eine Antwort, doch eine weitere Empörung bleibt aus, stattdessen ist eine weibliche Stimme zu hören, die einen Jungennamen ziemlich lautstark ruft. Der Junge verdreht genervt die Augen und sieht sich dann nach jener Person um, sie dann, kaum dass sie ihn entdeckt hat, auch schon gleich zu ihm rennt. „Hab ich dir nicht verboten mit Fremden zu reden? Was machst du überhaupt hier?“ Die Mutter, ziemlich voluminös und aufgebracht, wirft Liomie einen Blick zu, der ihr ganz und gar nicht behagt und irgendwie deutlich zeigt, was die Frau von ihr hält. Nämlich gar nichts. Sie hat den Mund schon aufgemacht, um zu sagen, dass sie dem Jungen nichts getan hat, da zetert die Mutter auch schon weiter. „Nun komm endlich und halte uns nicht noch länger auf. Deine Geschwister wollen den Zirkus heute noch sehen!“ Wütend ergreift sie ihren Sprössling am Arm und zieht ihn dann, seine Proteste und sein Gestrampel ignorierend, zu einem Haufen weiterer Kinder, die in einiger Entfernung brav wie Zinnsoldaten neben einem Händlerstand warten.

Liomie blickt der Familie solange hinterher, wie sie sich noch in der Menge ausmachen kann und besinnt sich dann plötzlich auf das, was die Frau gesagt hatte. „Ein Zirkus?“ Sie grübelt eine Weile, was ihr das Wort sagt und als sie dann endlich eine wage Vorstellung davon bekommt, was das sein könnte, ist sie kräftig am überlegen, ob sie auch schon einmal einen gesehen hat. Natürlich erhält sie keine Antwort auf ihre stumme Frage, denn wie immer, gibt es keine Erinnerung die behilflich sein könnte. Aber diese Erkenntnis scheint sie gerade überhaupt nicht zu interessieren. Vielmehr hat Liomie mit einem Mal das Gefühl, als dass es sie überhaupt nichts angehe. Wer weiß schon, was ihre Erinnerungen sind. Gut oder böse, es ist ihr jetzt egal. „Wer braucht schon Erinnerungen...“ Eigentlich sollten sie diese Worte weiter beruhigen, aber der schwach nagende Schmerz von Verlust nagt weiterhin an ihr herum. Mit einem tiefen Seufzer macht sie ihrem Unmut Luft und schiebt die Beine dann wieder auf den Straßenboden. Einen Zirkus würde sie jetzt auch gerne sehen, aber sie hat weder Geld, noch weiß sie wo dieser Zirkus sein soll oder wie sie dort denn hinkommen würde. Wie ein schmollendes Kind, das seine Honigbonbons nicht bekommt, verzieht sie die Mundwinkel und tritt kleine Steinchen mit dem Fuß weg. Ob sich Selli schon Sorgen macht? Bestimmt schläft sie noch. Ihr Blick irrt einmal über die Menschen, Elben und anderen Personen in ihrer Nähe, aber niemand sieht so aus, als wäre er Selli. „Wenn ich wüsste wo ich lang muss, dann wäre ich bestimmt noch zurück, bevor sie aufwacht.“
Angestrengt versucht sie sich zu erinnern, aber sie weiß maximal bis zur nächsten Kreuzung aus welcher Richtung sie gekommen ist.
Allerdings weiß sie auch, dass sie nicht zur Taverne zurückkommt, wenn sie hier sitzen bleibt. Die Chance sich noch mehr zu verlaufen, ist zwar genauso groß, aber für sie ist ohnehin jede Strasse wie die vorherige, also macht das auch keinen allzu großen Unterschied mehr. Noch etwas unentschlossen, erhebt sie sich wieder von der Bank und schlägt sie Richtung ein, von der sie glaubt, dass sie zur Selli führt.

Ein paar Strassen weiter muss sie zu ihrem Leidweisen jedoch feststellen, dass sie hier überhaupt noch nicht war. Sie kann es zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, aber die üppigen Blumenkästen auf den Fensterbänken, wären ihr mit Sicherheit aufgefallen. Mit großen Augen lässt sie sich eine Weile von der Schönheit der einzelnen Häuser mitreißen, wird dann aber abrupt wieder zur Besinnung gebracht, als jemand gegen sie läuft und dabei seinen Ellbogen schmerzhaft in ihre Seite stößt. „Aua!“ entfährt es ihr in Kleinkindmanier und erbost dreht sie sich zu dem Übeltäter um, der sich als ein junger Adliger herausstellt. „Oh“, kommt es anschließend leise über ihre Lippen, weil er so nah bei ihr steht. Ein wenig zu nah, wenn es nach ihr geht, so dass ihre Wangen sich augenblicklich verräterisch verfärben. „Ich... also... ich wollte hier nicht herumstehen...“, beginnt sie zu stottern, erntet aber statt einer weiteren empörten Antwort eines Bürgers Blurraents nur ein amüsiertes Lächeln. „Was denn?“ Sie versteht nicht, warum der Mann das so lustig findet, aber irgendwie gefällt ihr sein Gesicht, wenn er lächelt. „Als ob Ihr Euch bei mir entschuldigen müsstet! Immerhin bin ich in Euch hineingerannt.“ Er schnaubt amüsiert, tritt einen halben Schritt zurück und deutet eine Verbeugung an. „Verzeiht, Mylady. Ich bin manchmal ein Tollpatsch. Wie konnte ich nur eine solche Schönheit übersehen und sie dann auch noch anrempeln. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Ihr meine Entschuldigung annehmt.“ Verblüfft und peinlich berührt zugleich starrt Liomie den Fremden an und wird noch unsicherer, als sie bemerkt, dass einige Frauen kichern zu ihnen herübersehen. „Was? Ich... nein, nein... also... warum... Ich. Ja, aber ihr braucht Euch doch nicht zu entschuldigen. Ist ja auch gar nichts passiert.“ Mit einem nahezu honigsüßen Lächeln richtet sich der Adlige wieder auf und tritt wieder etwas näher heran, so dass Liomie automatisch einen Schritt nach hinten macht. „Warum so schüchtern meine Hübsche? Gibt es etwas, was ich für Euch tun kann? So als Entschädigung für mein Benehmen?“ Liomie ist sich nicht ganz sicher, ob sie ihn richtig versteht, denn seine Augen funkeln mit einem Mal so komisch, dass sie beinah das Gefühl hat, dass der Mann sich über sie lustig macht. „Ihr...ähm... nein, ich wollte gerade nach Hause.“ „Nach Hause und würde Mylady mir auch verraten, wo das ist? Dann begleite ich Euch ein Stück.“ „Mein Zuh... oh, also das ist... naja. Hier. Das ist hier. Also in Blurraent.“ Sie kichert nervös und bemerkt plötzlich, dass sie ihre Finger seltsam ineinander verknotet hat. „Ich... ich muss dann mal los.“

Der Junge Mann ist ihr irgendwie gar nicht mehr so sympathisch, auch wenn er noch immer recht ansehnlich ist. Als sie einfach an ihm vorbeigehen will, schiebt er sein Gesicht ganz dicht an das ihre und flüstert ihr dann ins Ohr, dass er genau weiß, dass sie keine Ahnung hat, wohin sie denn müsse. „Ihr wisst?“ Überrascht bleibt sie stocksteif stehen und sieht ihn unsicher an. „Also, lasst mich Euch helfen, hm? Wir finden schon noch raus, wohin Ihr müsst. Glaubt mir ich kenne mich bestens in der Stadt aus.“ Glauben tut Liomie ihm das schon, aber sie ist sich im Augenblick ziemlich sicher, dass sie den Grund dafür nicht wissen will. Die kichernden Mädchen stehen noch immer ein Stück neben ihnen, zerstreuen sich dann aber plötzlich mit Handküssen, als der Mann sich kurz zu ihnen umdreht. Ohne, dass sie Zeit hat sich noch schnell eine Ausrede einfallen lassen zu können, um den Mann loszuwerden, ergreift er ihren Arm und geht dann mit ihr schon mal in die Richtung los, die sie von sich aus eingeschlagen hat. „Vermutlich sucht Ihr ein Gasthaus? Wenn ich mir Euch so ansehen, dann wohl keine schäbige Kaschemme, richtig?“ Er mutmaßt lustig weiter und plappert dabei soviel, dass Liomie nur gelegentlich ein leises „Ja“ von sich geben kann, ansonsten aber einfach brav wie ein Hund neben dem Mann geht. Irgendwann scheint er aber dann wohl tatsächlich eine Idee zu haben, wohin sie müssen und führt sie nach Westen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 07. Sept. 2006, 20:33 Uhr
Im Hafenviertel


Alles Starren der Welt hilft den blurraenter Seeleuten nicht viel, denn Achim wird samt dem Beiboot unter dem grinsenden Jubel der Mannschaft – nachdem man sich die Petersilie, die als Ohrenstöpsel missbraucht worden war, wieder aus den Ohren gepult hat - wieder an Bord geholt und Einhand steuert die "Planke" im engen Hafen an ihren Liegeplatz, und bringt sie an den Pier, so sanft und sicher wie eine Mutter ihr Neugeborenes in die Wiege legen mag. Obwohl die Stadt Blurraent selbst viel kleiner als Talyra ist, ist der Hafen mindestens ebenso groß und es herrscht ein unüberschaubares Hin- und Her von Schauerleuten, Reisenden, Händlern, Hafenhuren, Seeleuten, Fischern und Karrenfahrern. Zwischen den festen Gebäuden aus Stein, der Hafenmeisterei, den Lagerhallen, Speicherhäusern, Handelskontoren und Gasthäusern, zwei oder mehr Stockwerke hoch und mit Reet gedeckt, erstreckt sich ein Gewirr aus Bretterbuden und Verschlägen, windschiefen Tavernen, Docks, Fischerhütten und Ställen und ein Netz schlammiger Wege breitet sich abseits der breiten, gepflasterten Straße zum Südtor. Das Hafenviertel liegt außerhalb der Stadtmauern, unmittelbar an der Mündung des Rhûne in den Ildorel am östlichen Flussufer, doch bis zum Südtor ist es bestenfalls ein Tausendschritt, wenn überhaupt. Sie können die Mauern von hier aus sehen, sicherlich zwölf Schritt hoch und mit starken Basteien, Wachttürmen und Wehrgängen versehen. Olyvar wendet den Blick vom lärmenden Durcheinander an den Piers ab und sieht sich um, doch außer Achim, der sich immer noch in der allgemeinen Bewunderung der Mannschaft sonnt und ein bisschen verlegen und hochrot ihre Beifallsbekundungen entgegen nimmt, entdeckt er niemanden ihres heroischen Rettungstrupps. Die beiden Frauen waren so gut wie die ganze Reise über stumm wie Fische geblieben und hatten praktisch miteinander um das finsterste Gesicht und die abweisendste Haltung gewetteifert. Olyvar wird nicht schlau daraus, immerhin sind sie alle gemeinsam hier und so unterschiedlich ihre Beweggründe auch sein mögen, sie haben ein gemeinsames Anliegen. Man sollte annehmen, nach zwei Siebentagen zusammen auf einem Schiff, dürften zwischen ihnen mittlerweile mehr als drei Worte am Tag gewechselt werden, die auch aus mehr als "Ja", "Nein" und "Ich weiß nicht" bestehen. Andererseits ist es wirklich nicht seine Pflicht, an diesem Dauerschweigen oder dem kaum zu übersehenden Unmut irgendetwas zu ändern... er hat schließlich nicht seine Zunge verschluckt und - ganz abgesehen davon - den beiden erstens rein gar nichts getan und ihnen zweitens auch schon mehr als genug Vertrauen auf Vorschuss geschenkt.

Er spricht mit Einhand, sobald der Kapitän zwischen dem Kläffen eines Hafenmeisters mit keifender Fistelstimme und fürchterlichem Lispeln und den Rufen der Schauerleute vom Pier herauf ein halbes Ohr für ihn übrig hat, doch mit Recaredo hat er schon vor Tagen das weitere Vorgehen besprochen, so dass kaum noch etwas gesagt werden muss. Die "Planke" würde im blurraenter Hafen liegen bleiben, vorgeblich um nach dem Sturm gründlich überholt zu werden, in Wahrheit natürlich um auf sie – oder wenn nötig – weitere Anweisungen zu warten. Blurraent mag nicht so groß sein wie Talyra, aber es ist auch alles andere als eine kleine Stadt und hier eine entführte Amazone zu finden gleicht der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Und selbst wenn wir sie schnell finden, müssen wir sie auch noch in die Finger bekommen und mit ihren Entführern fertig werden. Laut Aswhang kein leichtes Unterfangen... Sie gehen also von Bord, sobald die "Planke" sicher vertäut ist, doch mit Achim im Schlepptau, der sich mit einem freundlichen Ogergrinsen vom Schiff begibt, fallen sie unweigerlich auf wie bunte Hunde. Blurraent ist eine Stadt, die berühmt ist für ihre Schmiede, in der ungewöhnlich viele Zwerge, Zwergenmischlinge und Mogbars leben und die lange nicht so weltoffen und bunt bevölkert ist, wie Talyra. Es gibt zwar auch hier hauptsächlich Menschen, doch Olyvar mit seinen zwei Schritt überragt die allermeisten schon um gut zwei Köpfe, Achim muss ihnen vorkommen wie ein wandelnder Berg. Entsprechend entgeistert sind die Blicke, die sie ernten und das verwunderte Raunen, das ihnen folgt wohin sie sich auch wenden, ebenso wie die allgemeine Aufmerksamkeit. Immerhin, die Menge vor ihnen teilt sich wie einst vor Sankt Mallorn der Ildorel, wenigstens etwas. Olyvar atmet tief durch und raunt dem Oger an seiner Seite zu, dass sie sich mit ihm wohl oder übel irgendetwas einfallen lassen müssen, und zwar schnell. Trotz allen Starrens und Tuschelns, erreichen sie den "Glücklichen Bootsmann" jedoch ziemlich rasch und völlig unbehelligt. Den "Bootsmann" zu finden ist leicht: es ist das größte Gasthaus im Hafenviertel, gut drei Stockwerke hoch, mit einem Fundament aus Flusssteinen, einem quadratischen Innenhof, einem Mietsstall im Südflügel und einer Fassade aus vielen Fenstern und hölzernen Erkern. Darin dann auch Quartier für vier Personen zu bekommen – von denen eine ein Oger ist – erweist sich schon als schwieriger, doch nachdem Olyvar die Wirtin, eine grauhaarigen Kneifzange mit Walkürenausmaßen und stechendem Blick, mit Seharimzungen und einer gepfefferten Summe Silber von Achims Harmlosigkeit überzeugt hat, haben sie eine Unterkunft.

Er hat drei Zimmer gemietet, eines für die beiden Frauen, eines für sich und eines für den Oger. Die Wirtin, Hepzibah, wie sie sich nennt, lässt sich sogar dazu breitschlagen, Achim einen überdimensionierten Strohsack zur Verfügung zu stellen, da er beim besten Willen auch nicht ins größte Bett des "Bootsmanns" passt. Während sie ihre Zimmer beziehen, ihr Gepäck verstauen, sich umkleiden und – zumindest in Olyvars Fall – ein Bad nehmen, schlägt das Wetter um. Den ganzen Tag lang war es drückend warm gewesen, sowohl auf dem windstillen Ildorel, als wohl auch in Blurraent selbst, jetzt frischt es auf. Es dauert nicht lange und ein Gewitter zieht über die Stadt hinweg, das die Luft merklich abkühlt und graue Regenwolken bringt. Es regnet auch immer noch, und ist kalt, grau und trüb, als sie am späten Nachmittag in die Gaststube herunter kommen, um etwas zu essen und ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. Im "Bootsmann" ist es voll, die meisten Tische sind besetzt und am Tresen drängen sich die Seeleute, die krügeweise Ale und Bier in sich hineinschütten, doch es herrscht kein allzu schlimmes Gedränge. Sie finden einen Tisch in der Ecke unter einem der breiten, tiefgesetzten Fenster zwischen wuchtigen hölzernen Pfeilern, dessen hintere Bank sich selbst für Achims Hintern stabil und breit genug erweist, und Olyvar wirft einen Blick aus dem Fenster. Dichter Nebel verhüllt inzwischen die Küste und den gesamten Hafen, und die schmalen Wege des Hafenviertels sind ein einziges Schlammfeld. Er winkt eine der umhereilenden Schankmägde zu sich, eine dralle Mogbar, die mit heftigem Nicken und rutschender Haube versichert, zu ihnen zu kommen sobald es sich machen ließe, und lässt seinen Blick dann einfach durch die Schankstube schweifen. Ihm fällt niemand auf, der sie beobachtet, trotz des ziemlich unübersehbaren Ogers, doch es sind außer ihnen auch noch exotischere Fremde anwesend. Ein paar buntschillernde Kobolde etwa, die drei Tische weiter hinten würfeln und eine Gesellschaft mürrisch dreinblickender Südländer, die mit ihren Affenschwanzhüten, ihren noch vor Feuchtigkeit dampfenden Seidengewändern und vor allem ihrer bauchigen Shisha anscheinend  mehr Flair in die heimische Gerüchteküche bringen, als Achim. Abgesehen davon spielt in einer anderen Ecke des "Bootsmannes" jemand, den sie nicht sehen, nur hören können, die schwermütige, langsame Weise der "Regenballade" auf einer Mandoline. Die Stimme des unbekannten Spielmannes ist überraschend tief und warm, und die versammelten Gäste lauschen andächtig.

Ich kam von meinem Wege ab, weil es so nebeldunstig war.
Der Wald war feuchtkalt wie ein Grab und Finger griffen in mein Haar.
Ein Vogel rief so hoch und hohl, wie wenn ein Kind im Schlummer klagt
und mir war kalt, ich wusste wohl, was man von diesem Walde sagt...

Dann setzt' ich wieder Bein vor Bein und komme so gemach vom Fleck
und quutsch' im letzen Abendschein schwer vorwärts durch Morast und Dreck.
Es nebelte, es nieselte, es roch nach Schlamm, verfault und nass,
es raschelte und rieselte und kroch und sprang im hohen Gras....


Die Schankmaid kommt an ihren Tisch und während Achim höchst angetan der umfangreichen Auswahl an Biersorten lauscht, die sie in atemberaubender Geschwindigkeit herunterrattert, bestellt Olyvar für sich nur einen Krug Wasser, Fleisch und frisches Brot und erkundigt sich dabei beiläufig nach den anderen Gasthäusern in der Stadt. Mindestens über vierzig, wird ihm beschieden, aber die bekanntesten seien "Der Eiserne Amboss" und der "Knecht" am Alten Markt oben in der Nordstadt, das "Goldene Schild" in der Mitte der Stadt, die "Backmulde" im Osten Blurraents und "Der dicke Mann" am Ostmarkt. Die andere könne sie nicht alle namentlich aufzählen, allein im Hafen wären zwei Dutzend Schänken und Tavernen, aber selbstverständlich sei keine von ihnen so gut wie der Bootsmann. Olyvar schenkt der Mogbar ein unverbindliches Lächeln und lauscht dem unsichtbaren Sänger, während sein Blick wieder in die graue Nebelsuppe vor dem Fenster schweift.

Auf einmal, eh ich's mich versehn, bin ich am Strom, im Wasser schier.
Am Rand bleib ich erschrocken stehn, fast netzt die Flut die Sohle mir.
Das Röhricht zieht sich bis zum Tann und wiegt und wogt soweit man blickt
und flüstert böse ab und an, wenn es im feuchten Windhauch nickt.

Das saß ein Kerl! Weiß Bran, mein Herz stand still, als ich ihn sitzen sah!
Ich sah ihn nur von hinterwärts, und er saß klein und ruhig da.
Saß in der Abenddämmerung, die Angelrute ausgestreckt,
als ob ein toter Weidenstrunk den dürren Ast gespenstisch reckt...*


Als die Magd verschwunden ist und sie allein am Tisch zurückbleiben, zuckt er mit den Schultern. "Morgen beginnen wir mit der Suche. Am besten wir teilen uns in zwei Gruppen auf und klappern ein Gasthaus nach dem anderen ab... es sei denn, jemand hat einen besseren Vorschlag."


*(c) Ina Seidel

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Aswhang am 09. Sept. 2006, 00:39 Uhr
Als sie endlich Blurraent erreichen und das Schiff verlassen, ist Aswhang mehr als erleichtert und ihre Laune um ein Vielfaches besser als zu Beginn und vor allem während des letzten Teils der Reise. Die vergangenen Tage an Bord des Schiffes war – und sie kann es nicht anders ausdrücken – eine schiere Qual.
In dem Augenblick, als sich die „Planke“ vor einigen Sonnenläufen unvermittelt wieder in Bewegung gesetzt hatte, war Aswhang hoffnungsvoll an Deck zurückgekehrt. Doch der erwartete, ersehnte Wind war noch immer ausgeblieben. Stattdessen hatte sich ihr ein Anblick geboten, welcher sie im ersten Moment an eine Sinnestäuschung glauben ließ. Man hatte das Monster in ein Beiboot gesetzt und ihm zwei erstaunlich große Ruder in die Pranken gegeben. Tatsächlich war dem Oger gelungen, woran Aswhang unter anderen Umständen ihre Zweifel gehabt hätte. Das riesige Schiff bewegte sich unter Achims kraftvollen Ruderschlägen – und das sogar in einer erstaunlichen Geschwindigkeit. Mochten ihr die Maßnamen auch außergewöhnlich erschienen sein, anfangs hatte sich die Silberelbe sehr über diesen seltsamen, sich jedoch als sehr wirkungsvoll entpuppenden Einfall, gefreut. Doch ihre Begeisterung war abrupt umgeschlagen, als die Folter begann, welche die gesamte restliche Überfahrt andauern sollte. Das Monster hatte anscheinend beschlossen, ihnen zusätzlich zu seinen Diensten als Zugtier auch noch sein gesamtes Liederrepertoire zu bieten und das in einer Lautstärke, welche nach Aswhangs Einschätzung, selbst für einen Oger erstaunlich ist. Zuerst hatte die Elbe in einem Anflug zuversichtlichen Leichtsinns geglaubt, es handle sich um eine unangenehme, jedoch schnell endende Lärmbelästigung. Doch in diesem Punkt unterlag sie einem gewaltigen Irrtum. Das Grölen des Untiers hatte einfach kein Ende genommen und für das feine Gehör der Elbe war das mehr, als es ertragen kann. Fortwährend hatte sie versucht vor den „Gesängen“ zu fliehen, jedoch erfolglos – die Stimme des Ogers hatte sie in jeden Winkel des Schiffes verfolgt und schien ihr unter allen Umständen den Verstand rauben zu wollen. Zwar ließ sie sich nach außen hin so wenig wie möglich anmerken, doch letztendlich hatte sie sich gequält in ihre Kajüte zurückgezogen, in welcher der Lärm wenigstens ein wenig gedämpft zu ihr drang.

Umso schneller ist sie nun, nachdem endlich die lang ersehnte Ruhe herrscht und die „Planke“ am Hafen Blurraents angelegt hat, von Bord verschwunden. Obgleich im Hafenviertel reges Treiben herrscht und die Mannschaft angesichts des erreichten Ziels eine ausgelassene Stimmung teilt, empfindet Aswhang diese Art von Geräuschen als angenehm, im Vergleich zu den Ogerliedern. Endlich ist es ihr wieder möglich einen klaren Gedanken zu fassen.
Die Seemänner loben Achim überschwänglich für seine vollbrachte Leistung und scheinen seine nicht enden wollenden Gesangseinlagen bereits wieder vergessen zu haben.
Auch Aswhang beschließt, sich auf das vor ihr liegende zu konzentrieren. Trotz ihrer erneut aufkommenden Nervosität ist sie zuversichtlich und eine Art grimmige Freude hat von ihr Besitz ergriffen. Jamar wird lernen, dass es besser ist, eine Elbe nicht zu verärgern und vor allem, dass er mich nicht unterschätzen sollte!
Das Blurraent der Weltenstadt, was die Größe anbelangt, um einiges nachsteht, tut dem fortwährendem Menschenstrom leider keinen Abbruch. Als Olyvar noch einige Dinge mit dem Kapitän geklärt hat, brechen sie auf, nach einem Gasthaus zu suchen. Die Augen der Menschen ruhen selbstverständlich misstrauisch und verunsichert auf dem Oger. Mit ihm im ist die Gruppe alles andere als unscheinbar, was für ihre Zwecke ganz sicher nicht dienlich ist. Verdammt, das ist nicht gut. Ich hoffe nur, man wird uns nicht allzu viele dumme Fragen stellen...
Aswhang ist trotz ihrer Zuversicht äußerst angespannt. In jeder Straße fürchtet sie, im nächsten Moment Jamar in die Arme zu laufen. Natürlich müssen sie die Entführer sowieso finden, doch so auffällig wie sie mit dem Monstrum im Schlepptau sind, ist die Wahrscheinlichkeit um einiges größer, dass sie gefunden werden. Die Elbe glaubt nicht, dass Jamar noch mit ihrem Auftauchen rechnet, doch er kennt Aswhangs Gesicht und würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch aus einiger Distanz erkennen. Somit huschen ihre nebelgrauen Augen unstet zwischen den Passanten hin und her.
Schließlich erreichen sie ein großes Wirtshaus, welches Olyvar als angemessen einzustufen scheint. Es nennt sich "Glücklicher Bootsmann" und macht einen recht guten Eindruck. Zimmer zu bekommen erweist sich, aufgrund des Ogers, als kleine Herausforderung. Diese meistert Olyvar allerdings und beschließt kurzerhand, dass sich Aswhang ein Zimmer mit der Blondhaarigen teilen soll. Die Frau hat sicher etwas dagegen einzuwenden, doch der Elbe ist diese Verteilung mehr als recht. So ist sie in der Lage, die fragwürdige Person weiter im Auge zu behalten, ohne sich sonderlich anzustrengen.
Nachdem sie ihre Zimmer bezogen haben, beschließt Aswhang, nach der langen Reise auf dem Ildorel zunächst einmal, ein Bad zu nehmen.
Die heiße, stickige Luft der Vortage weicht nach und nach einem kühleren Klima und bereits kurz darauf zieht ein Gewitter auf. Aswhang empfindet die Abkühlung als durchaus angenehm.
Nachmittags finden sich alle im Wirtshaus ein. Aswhang entdeckt Olyvar und Achim an einem rustikalen Ecktisch, an einem der Fenster. Bevor sie zu ihnen geht, blickt sie sich aufmerksam um. Nein, hier  befinden sich zwar einige exotisch anmutende Gäste, jedoch niemand, der den Eindruck erweckt, mit Jamar zusammen zu arbeiten.
Sie nimmt auf einem der Stühle Platz. Angenehme Musik erfüllt den Schankraum des „Bootsmann“ und Aswhang genießt für einen Augenblick die Atmosphäre. Als eine Dame ihre Bestellung aufnimmt, verlangt die Elbe, welche ein leichtes Hungergefühl verspürt, Fisch und ein Glas Holunderwein. Außerdem erfahren sie von der Schankmaid die Namen einiger anderer Wirtshäuser in Blurraent.
Als sie wieder allein am Tisch sind, blickt Olyvar in die Runde. >"Morgen beginnen wir mit der Suche. Am besten wir teilen uns in zwei Gruppen auf und klappern ein Gasthaus nach dem anderen ab... es sei denn, jemand hat einen besseren Vorschlag."< Bei der beträchtlichen Anzahl, von welcher die Dame gesprochen hat, dürfte das eine langwierige Arbeit werden...
„Schön und gut“ wirft die Elbe ein. „Nehmen wir einmal an, wir finden die Entführer – habt Ihr auch einen Plan, wie wir anschließend weiter verfahren?“ Aswhang zieht eine ihrer fein geschwungenen Augenbrauen nach oben. „Shyada wird ohne Zweifel durchgehend und gut bewacht.“
Sie hofft sehr, dass Olyvar zumindest in etwa einen Vorschlag hat. Nur dann ist die Elbe in der Lage, ihre Vorgehensweise entsprechend anzupassen und ihre Vergeltung endlich in die Tat umzusetzen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Diantha am 12. Sept. 2006, 20:56 Uhr
Diantha genießt die Ruhe auf dem Zimmer, während die Elbe ein Band nimmt. Sie hatte schon die Befürchtung gehegt, nach dem Gegröle des Ogers taub geworden zu sein. Während der letzten Tage an Bord war sie sich sicher gewesen, mit der Teilnahme an der Rettungsaktion die absolut falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Denn der Oger hatte sich als erheblich kräftiger herausgestellt, als sie erwartet hätte. Achim hatte ganz allein über Stunden hinweg die schätzungsweise ein Gros Quarder schwere Galeone gezogen. Dass Schiffe von einem kleineren Boot gezogen werden, kannte Diantha vorher nur vom Hafen und da hing das Gewicht des Schiffes ja nie so lange an dem kleinen Schlepper. Noch dazu hatte er genug Atem besessen, um noch dazu lauthals die furchtbarsten Lieder zu grölen.
Dass der Oger das über so lange Zeit durchgehalten hat, beunruhigt die Immerfrosterin mehr als sie zugeben würde. Doch nicht nur sie scheint unruhig zu sein, sondern genauso die silberhaarige Elbe. Auf dem Weg vom Hafen zum Gasthaus schaute sie sich die ganze Zeit in der Menge, die sich wegen Achim gebildet hatte, um, als würde sie nach jemanden suchen.

Was das zu bedeuten hat, ist Diantha auch jetzt noch nicht ganz klar. Und ob es so toll ist, mit der Elbe ein Zimmer zu teilen, ist sie sich auch noch nicht sicher. Der Vorteil ist, dass sie nicht besonders an der Immerfrosterin interessiert zu sein scheint, sondern auch eher verschlossen ist. Das heißt, es wird wohl zu keinen gezwungenen Gesprächen kommen, was auf jeden Fall gut ist. Solange sie nicht mit Achim auf einem Zimmer ist, ist Diantha eigentlich alles recht. Auf ein eigenes Zimmer zu hoffen, wäre wohl auch sehr vermessen gewesen.

Während die Elbe eine wahre Wasserschlacht zu veranstalten scheint - wie kann jemand so lange baden? - entschließt sich Diantha dazu, ihre Kleidung mal ein wenig aufzumöbeln. Durch die lange Hitzezeit klebt Dianthas Hemd wie eine zweite Haut an ihr und riecht nicht mehr gerade angenehm. Kurzerhand kramt sie aus ihrer Tasche das einzige andere Exemplar, das sie besitzt, weicht das durchgeschwitzte Oberteil ein - wenn sie schon die Badwanne in Beschlag nimmt, kann Diantha ja wohl zumindest die Waschschüssel benutzen - und zieht sich das ungetragene über den Kopf. Bei dieser Gelegenheit fällt ihr mal wieder auf, wie kaputt ihre Kleidung zur Zeit ist. Doch ihre Ausbeute aus der Inarinacht reicht nicht für ein gutes Hemd, sie muss endlich mal wieder auf die ein oder andere Art und Weise Geld einnehmen.
In Gedanken versunken realisiert die Immerfrosterin erst spät, dass das Wetter umgeschlagen hat und es zu regnen begonnen hat. Das hebt Dianthas Laune erheblich, endlich ist  liegt die drückende Schwüle hinter ihr!

Besser gelaunt als bisher auf der ganzen Reise geht sie zusammen mit Aswhang in die Gaststube hinunter. Was sie da sieht, gefällt ihr durchaus, es ist vol aber nicht zu volll und es herrscht gute Laune, wie eigentlich überall wo Seeleute und Alkohol zusammentreffen.
Die vier Reisegefährten finden etwas abseits Platz, direkt unter einem Fenster. Der Anblick des Hafen unter einem dichten Nebelschleier und die schlammigen Straßen erinnert Diantha ein wenig an Immerfrost und lässt sie sich noch ein wenig wohler fühlen. Außerdem scheinen Oger zumindest hier im Gasthaus nichts besonderes zu sein, Olyvar hat es wohl bewusst gewählt. Bei einem Blick in die Runde fallen ein paar Kobolde und einige Südländer in ihren bunten Gewändern auf. Dass die fröhliche Aisha aus den gleichen Gefilden wie diese übellaunigen Zeitgenossen kommen soll, kann sich Diantha nicht so wirklich vorstellen.

Ganz anders als auf dem Boot ist auch die Musik im Gasthaus. Eine wunderschöne, traurige Weise wir von jemandem gespielt, der sein Handwerk versteht. Mit seinere vollen, tiefen Stimme zieht der von ihrem Platz aus nicht sichtbare Sänger Diantha in seinen Bann und sie lauscht genau wie die anderen Gäste andächtig. Die Töne treffen Diantha ins Herz und auch der Text berührt sie, hat sie doch eine ähnliche Situation wie besungen wird, schon selbst erlebt.
So nimmt sie die Unterbrechung von der Schankmaid widerwillig auf, die zu Achims offensichtlichem Gefallen in Höchstgeschwindigkeit aufzählt, was es denn alles für Biersorten gibt und nach den Bestellungen - für Diantha Fisch und Brot, dazu Met - plänkelt Olyvar mit der Maid über die Gasthäuser der Stadt und die Immerfrosterin horcht auf. Möchte er vielleicht dort mit der Suche beginnen? Falls ja haben sie einiges zu tun, nach Auskunft der Frau gibt es eine riesige Auswahl.

Nach dem Abgang der Magd schaut Olyvar einen Moment aus dem Fenster und sagt dann: >"Morgen beginnen wir mit der Suche. Am besten wir teilen uns in zwei Gruppen auf und klappern ein Gasthaus nach dem anderen ab... es sei denn, jemand hat einen besseren Vorschlag."<
Da meldet sich Aswhang zu Wort, das erste Mal seit Tagen: >„Schön und gut. Nehmen wir einmal an, wir finden die Entführer – habt Ihr auch einen Plan, wie wir anschließend weiter verfahren? Shyada wird ohne Zweifel durchgehend und gut bewacht.“<
Nun sieht sich auch Diantha genötigt mal etwas zum Gespräch beizusteuern, schließlich setzt sie hier möglicherweise ihr Leben aufs Spiel und auch wenn sie das nicht das erste Mal tut, wäre sie diesmal gerne vorbereitet. "Können wir mit Hilfe von Shiardas" - der fremde Name bereitet Diantha ein paar Schwierigkeiten - "Seite rechnen? Oder ist sie eher keine Kämpfernatur?"

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 15. Sept. 2006, 09:55 Uhr
"He, Alter!" ruf ich, "beißt es gut?" Und sieh, der Baumstamm dreht sich um
und wackelt mit dem runden Hut und grinst mit spitzen Zähnen stumm.
Und spricht, doch nicht nach Landesart, wie Entenschnattern, schnell und breit,
kommt's aus dem algengrünen Bart: "Wenn's regnet, hab' ich gute Zeit"!

"So scheint es", sag ich und ich schau in seinen Bottich neben ihn.
Da wimmelt's blank und silbergrau und müht sich mit zerfetztem Kiem´,
Aale, die Flossen zart wie Flaum, glotzäugig Karpfen. Mittendrin,
ich traue meinen Augen kaum, wälzt eine Natter sich darin...

"Ein selt'nes Fischlein, alter Traun!" Da springt er froschbehend empor.
"Die Knorpel sind so gut zu kau'n" schnattert listig er hervor.
"Gewiss seid ihr zur Nacht mein Gast! Wo wollt ihr heute auch noch hin?
Nur zu, den Bottich angefasst! Genug ist für uns beide drin!"

Und richtig watschelt er voraus, patsch, patsch am Uferrand entlang.
Und wie im Traume heb ich auf und schleppe hinterdrein den Fang.
Und krieche durch den Weidenhag, der eng den Rasenhang umschmiegt,
wo, tief verborgen selbst am Tag, die schilfgebaute Hütte liegt.
*


Olyvar lauscht dem Barden, seiner Ballade, die ihre schwermütige, unheimliche Geschichte erzählt, und dem Rauschen des Regens draußen, doch es dauert nicht lange, bis sich auch Aswhang und Diantha bei ihnen am Tisch eingefunden haben, ihre Bestellungen aufgegeben sind und die Schankmaid wieder verschwunden ist, so dass sie ihr weiteres Vorgehen besprechen können. Die Elbin hat gebadet - sie riecht frisch nach Seife und ihr Haar ist noch leicht feucht, und auch Diantha ist gewaschen und hat ihr fleckiges Hemd gegen ein reines eingetauscht. Das sieht zwar so abgetragen aus, wie der Rest ihrer Kleidung, aber es ist sauber. Die Aussicht, Dutzende von Gasthäusern nach der verschwundenen Amazone abklappern zu müssen, ist auch für Olyvar alles andere als verlockend – es sind so viele. Vor allem aber ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass früher oder später irgend jemand aus dem Dunstkreis dieses Jamar auf ein paar Fremde, die merkwürdige Fragen stellen, aufmerksam wird. Doch sie haben keinen weiteren Anhaltspunkt, als das Wissen, dass Shya irgendwo in Blurraent in irgend einem Gasthaus stecken soll, was bleibt ihnen also, als in den sauren Apfel zu beißen...?  Das wird die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen...

Auf seinen Vorschlag antworten ihm allerdings nur erhobene Brauen, lange Gesichter, erwartungsvolle Blicke und – spitze Fragen. >Nehmen wir einmal an, wir finden die Entführer – habt Ihr auch einen Plan, wie wir anschließend weiter verfahren? Shyada wird ohne Zweifel durchgehend und gut bewacht.< Olyvar gibt ein belustigtes Schnauben von sich. Ob ich einen Plan habe? Und wer zum Kuckuck hat mich zum Anführer dieser erlesenen Heldentruppe bestellt, Mistress 'Rührt-mich-nicht-an'? Einen Moment lang ruht sein Blick fast nachdenklich auf der Elbin, doch angesichts ihrer Miene und dieser herausfordernd erhobenen Braue kann er einfach nicht anders, als sie mit ihrer schnippischen Art ein wenig aufzuziehen. "Natürlich," erwidert er also in todernstem Tonfall, nur in seinen Mundwinkeln zuckt ein halb verborgenes Lächeln. "Ihr zieht los und bringt alle um, während wir aus sicherer Entfernung zusehen. Wenn Ihr dann mit der blutigen Schlachtarbeit fertig seid, holen wir Shyada und fahren wieder nach Hause... was denn?" Er blickt in eine Phalanx entgeisterter Gesichter und fragt mit unschuldigster Miene: "Kein guter Plan? Och." Dann wird er wieder ernst. "Nein, ich habe noch keine Strategie, wie wir weiter verfahren. Und wenn Ihr mich fragt, sollten wir uns ohnehin gemeinsam eine zurechtlegen. Aber ich würde sagen, darum kümmern wir uns, wenn wir Shya gefunden haben. Dann wissen wir vielleicht auch mehr über die Anzahl und Bewaffnung von Jamars Leuten, die Lage des Gasthauses und die Möglichkeiten, die uns bleiben. Worauf es aber sehr wahrscheinlich hinausläuft, ist, dass wir sehr nahe an Shya heran kommen und schnell wieder verschwinden müssen. Wenn es sich irgendwie machen lässt, sollten wir einen Kampf mitten in der Stadt wohl besser vermeiden... ich für meinen Teil habe jedenfalls keine Lust auf nähere Bekanntschaft mit den Armbrustern der blurraenter Stadtgarde, die erst schießen und dann fragen was los war. Unsere einzigen Vorteile, soweit ich das bisher überblicke, sind die Tatsachen, dass Jamar wohl nicht mit Verfolgern rechnet und dass er bis auf Euch, Aswhang, niemanden von uns kennt. Selbst wenn wir ihm also über den Weg laufen, sollte ihn das nicht gleich misstrauisch machen, solange er Euch nicht zu Gesicht bekommt." Und wir uns nicht anstellen wie die letzten Volltrottel. Die argwöhnische Unruhe der Elbin auf ihrem Weg vom Hafen zum Bootsmann ist ihm nicht entgangen und er kann ihr das durchaus nachempfinden. Jamar kennt sie nun einmal und wenn er sie sähe, würde er vermutlich sofort Lunte riechen. Oder schlicht versuchen, sie aus dem Weg zu räumen. Andererseits rechnet er wahrscheinlich nicht damit, dass sich Aswhang ausgerechnet den Oger der Stadtgarde Talyras und ihren Lord Commander mitgebracht hat...

"Wie auch immer, Euch müssen wir ein wenig verkleiden." Die Versuchung, sie schon wieder zu necken, vielleicht damit sich doch ein wenig auszupolstern und als Achims Eheweib aufzutreten, sich als bucklige, warzige alte Vettel zu tarnen oder das Haar schreiend bunt zu färben und raspelkurz zu scheren ist groß, aber diesmal hält er den Mund. Dafür meldet sich Diantha zu Wort: >Können wir mit Hilfe von Shiardas Seite rechnen? Oder ist sie eher keine Kämpfernatur?<
Olyvar öffnet schon den Mund, um etwas zu erwidern, doch Aswhangs Worte kommen ihm wieder in den Sinn. Das Mittel, welches Shyada verabreicht wurde, stellt sicher, dass sie vor der Ankunft in Blurraent nicht wieder sie selbst wird...
"Shyada," verbessert er mit einem kurzen Lächeln. "Normalerweise ist sie eine Kämpfernatur, aber mit Hilfe von ihr können wir wohl eher nicht rechnen. Sie... ihre Entführer... haben ihr irgendein Mittel eingeflösst, einen Trank, eine Essenz oder irgendein Kraut. Ich weiß nicht genau was, aber es stellt sie wohl ruhig." Wäre sie sie selbst, hätte sie längst halb Blurraent zusammengeschrieen und dieser Jamar könnte sich als Eunuch verdingen... Das bestellte Essen kommt, während der trübgraue Regennachmittag in eine düsteren, frühen Abend übergeht und die Schlieren der herabrinnenden Wasserbäche an den Scheiben im Widerschein des Kerzenlichts glitzern. "Was auch immer, erst einmal müssen wir sie finden. Dann können wir entscheiden, was wir tun und wie. Morgen fangen wir an, zu suchen und am besten teilen wir uns auf. Wer geht mit wem?" Der Barde singt immer noch, das Ende seines Liedes, langsam und traurig, düster und unheilvoll wie die nebelverhangene Dämmerung.

Da drinnen ist nicht Stuhl, nicht Tisch, der Alte sitzt am Boden platt,
es riecht nach Aas und totem Fisch, mir wird vom bloßem Atmen satt.
Er aber greift frisch in den Topf und frisst die Fische kalt und roh,
packt sie beim Schwanz, beißt ab den Kopf und knirscht und schmatzt im Dunkeln froh.

"Ihr esst ja nicht! Das ist nicht recht!" Die Schwimmhand klatscht mich fett aufs Knie.
"Ihr seid vom trockenen Geschlecht, ich weiß, die Kerle essen nie!
Ihr seid bekümmert? Sprecht doch aus, womit ich Euch erfreuen kann."
"Ja", klappre ich: "Ich will nach Haus, aus dem verfluchten Schnatermann."

Da hebt der Kerl ein Lachen an, es klang nicht gut, mir wurde kalt.
"Was wisst denn Ihr vom Schnatermann?" "Ja", sag ich stur," so heißt der Wald."
"So heißt der Wald?" Nun geht es los, er grinst mich grün und phosphorn an:
"Du dürrer Narr, was weißt du bloß vom Schnater-Schnater-Schnatermann?!"

Und schnater-schnater, klitsch und klatsch, der Regen peitscht mir ins Gesicht.
Quatsch´ durch den Sumpf, hoch spritzt der Matsch, ein Stiefel fehlt - ich acht es nicht.
Und schnater-schnater um mich her, und Enten-, Unken-, Froschgetön.
Möwengelächter irr und leer und tief ein hohles Windgestöhn...

Des andern Tags saß ich allein, nicht weit vom prasselnden Kamin
und ließ mein schwer gekränkt´ Gebein wohlig von heißem Grog durchzieh'n.
Wie golden war der Trank, wie klar, wie edel war sein starker Duft!
Ich blickte nach dem Wald - es war noch sehr viel Regen in der Luft... *


*(c) Ina Seidel

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Aswhang am 15. Sept. 2006, 16:21 Uhr
>"Natürlich, Ihr zieht los und bringt alle um, während wir aus sicherer Entfernung zusehen. Wenn Ihr dann mit der blutigen Schlachtarbeit fertig seid, holen wir Shyada und fahren wieder nach Hause...“< Olyvars Stimme ist todernst, nur ein spöttisches Zucken seines Mundes deutet auf den Sarkasmus in seinen Worten hin. Aswhang überrascht seine Reaktion nicht. Sie lehnt sich ein Stück zurück und wartet, bis er mit diesen Kindereien fertig ist. Auch allein wäre es ihr gelungen, eine List zu finden, die Rache an Jamar in die Tat umzusetzen. Dazu ist die Hilfe eines widernatürlichen Ogers, einer aufdringlichen, dreisten Frau und auch die eines besserwisserischen Lord Commanders nicht notwendig. >„was denn? Kein guter Plan? Och.“<
Aswhang blickt ihm entnervt entgegen. „Wenn Ihr wollt, dass ich allein handle...,“ lässt sie sich doch auf das Spielchen ein, „...hättet Ihr nur auf mein Angebot eingehen müssen, mir ein Transportmittel zur Verfügung zu stellen. Es lag ganz in Eurer Hand. Ihr wart es, der sich unbedingt mit mir auf diese Rettungsorganisation begeben wollte.“ Sie ist sich der Arroganz in ihrer Stimme durchaus bewusst, doch sie spricht ruhig und eher wie jemand, der ständige Diskussionen, gleichgültig mit wem, im Grunde nicht mehr führen will.

Endlich wird Olyvar ernst. >"Nein, ich habe noch keine Strategie, wie wir weiter verfahren. Und wenn Ihr mich fragt, sollten wir uns ohnehin gemeinsam eine zurechtlegen. Aber ich würde sagen, darum kümmern wir uns, wenn wir Shya gefunden haben. Dann wissen wir vielleicht auch mehr über die Anzahl und Bewaffnung von Jamars Leuten, die Lage des Gasthauses und die Möglichkeiten, die uns bleiben. Worauf es aber sehr wahrscheinlich hinausläuft, ist, dass wir sehr nahe an Shya heran kommen und schnell wieder verschwinden müssen. Wenn es sich irgendwie machen lässt, sollten wir einen Kampf mitten in der Stadt wohl besser vermeiden... ich für meinen Teil habe jedenfalls keine Lust auf nähere Bekanntschaft mit den Armbrustern der blurraenter Stadtgarde, die erst schießen und dann fragen was los war. Unsere einzigen Vorteile, soweit ich das bisher überblicke, sind die Tatsachen, dass Jamar wohl nicht mit Verfolgern rechnet und dass er bis auf Euch, Aswhang, niemanden von uns kennt. Selbst wenn wir ihm also über den Weg laufen, sollte ihn das nicht gleich misstrauisch machen, solange er Euch nicht zu Gesicht bekommt."< Genau darin besteht mein Problem... Sobald Jamar mich sieht ist er umgehend verschwunden. Die Elbe ist in allem Gesagten der gleichen Meinung, wie Olyvar - was die Rettung von Shyada allerdings nicht unbedingt weiterbringt. Nach einer kurzen Pause spricht er jedoch weiter. >"Wie auch immer, Euch müssen wir ein wenig verkleiden."< Eigentlich keine schlechter Einfall, doch Aswhang meint, ihm seine Gedanken zu dem Thema beinahe ansehen zu können – ein amüsiertes Funkeln liegt in seinen Augen. Oder bildet sie es sich nur ein und ist bei diesem Kerl lediglich auf alles vorbereitet?
>„Können wir mit Hilfe von Shiardas Seite rechnen? Oder ist sie eher keine Kämpfernatur?“<, wirft plötzlich die Frau eine Frage in die Runde, welche bis jetzt beharrlich dem Gespräch gelauscht hat. Sie ist noch nicht einmal in der Lage, den Namen der Entführten richtig auszusprechen. Olyvar korrigiert sie kurz und antwortet dann: >"Normalerweise ist sie eine Kämpfernatur, aber mit Hilfe von ihr können wir wohl eher nicht rechnen. Sie... ihre Entführer... haben ihr irgendein Mittel eingeflösst, einen Trank, eine Essenz oder irgendein Kraut. Ich weiß nicht genau was, aber es stellt sie wohl ruhig."<
Die Schankmaid kommt zurück an den Tisch und stellt die bestellten Speisen ab. Ganz gegen ihre Gewohnheit beginnt Aswhang sofort - zwar immer noch sehr manierlich - doch eiliger als sonst, zu essen. Erst jetzt spürt sie, wie groß ihr Hunger tatsächlich ist. Der Barde hüllt das gesamte Wirtshaus mit seinen Sängen in eine schwermütige, jedoch sehr behagliche Atmosphäre und Aswhang bemerkt, wie sie sich in dem Klang der Musik treiben lässt. Der Lord Commander reißt sie jedoh bereits wieder aus ihren Träumereinen.
>"Was auch immer, erst einmal müssen wir sie finden. Dann können wir entscheiden, was wir tun und wie. Morgen fangen wir an, zu suchen und am besten teilen wir uns auf. Wer geht mit wem?"< Im Grunde spielt es für die Elbe nicht die geringste Rolle, mit wem sie sich auf die Suche begeben wird. Also zuckt sie nur mit den schmalen Schultern. „Ganz wie Ihr wollt. Mir jedenfalls ist es gleichgültig.“

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 16. Sept. 2006, 10:19 Uhr
Für sanfte Spötteleien hat die Elbin offenbar noch weniger übrig, als für den Gedanken, ihr Näschen vielleicht endlich einmal ein paar Tausendschritt niedriger zu tragen. Sie funkelt ihn nur verärgert an und während Olyvar die Schätzung ihres Alters dank diesen Verhaltens um ein paar Jahrhunderte nach unten korrigiert, hält Aswhang neunmalklug dagegen:  >Wenn Ihr wollt, dass ich allein handle, hättet Ihr nur auf mein Angebot eingehen müssen, mir ein Transportmittel zur Verfügung zu stellen. Es lag ganz in Eurer Hand. Ihr wart es, der sich unbedingt mit mir auf diese Rettungsorganisation begeben wollte.< Angesichts dieser himmelsschreienden Selbstgerechtigkeit hebt Olyvar verblüfft eine Braue, aber dann werden seine Augen schmal. "Oh," erwidert er sarkastisch. "Verzeihung, M'lady. Ich vergesse immer wieder, dass Ihr ja eine Ein-Frau-Armee seid." Er nimmt einen Schluck Wasser, lässt Ashwang jedoch nicht aus den Augen. "Ich hätte Euch also ein "Transportmittel" zur Verfügung stellen sollen? Sicher doch. Ich gebe jedem dahergelaufenen Fremden, der mir mit wirren Entführungsgeschichten kommt auf der Stelle ein Pferd, Proviant und am besten auch noch Waffen im Wert von was weiß ich wie viel gutem Silber. Darf es sonst noch etwas sein? Ifrinn, die Steinfaust ist doch kein Spielplatz für hochmütige, selbstherrliche, eingebildete, vorlaute, anmaßende und schnippische kleine Spitzohrenmädels, die sich in einem Anfall von Selbstüberschätzung für Mitaya Cathar persönlich halten." Ihr Essen kommt und für den Moment, in dem die Schankmaid Fisch, Fleisch, Brot, hölzerne Schüsseln und Essbretter und diese neumodischen Gabeln verteilt, verstummen alle Gespräche am Tisch.

"Ihr wollt es also ganz allein mit drei,  möglicherweise vier Männern, die allesamt kampferprobt sind und einen erfahrenen Anführer haben aufnehmen und sie alle ausschalten, ohne dass jemand etwas merkt, Alarm schlägt, Shyada die Kehle durchschneidet, die Stadtgarde aufmarschiert oder sonst irgendjemand zu Schaden kommt, geschweige denn, dass Ihr dabei draufgeht oder im Kerker der Zitadelle landet?" Fährt Olyvar fort, während Aswhang sich über ihren Fisch hermacht. "Bitte, nur zu. Bestimmt könnt Ihr auch über Wasser wandeln und Feuer speien." Auf seine Frage, wer mit wem gehen würde, wenn sie morgen beginnen, nach der Amazone zu suchen, erwidert sie auch nur: >Ganz wie Ihr wollt. Mir jedenfalls ist es gleichgültig.< Olyvar schüttelt resigniert den Kopf und wirft einen beistandheischenden Blick an die Balkendecke. Götter, werft Vernunft vom Himmel! "Schön. Dann geht Ihr morgen mit Achim, irgendjemand muss ja auf Euch aufpassen. Diantha bleibt bei mir. Wir treffen uns eine Stunde nach Sonnenaufgang hier im Schankraum... ich werde versuchen, irgendeine Verkleidung für Euch aufzutreiben. Wir nehmen uns als erstes die Schenken im Hafenviertel vor... hier ist so viel verschiedenes Volk, dass eine kleinere Reisegruppe kaum auffällt. Stellt keine allzu direkten Fragen, haltet Augen und Ohren offen und seht euch alle bewaffneten Männer genau an... Aswhang, wie sieht dieser Jamar genau aus?"

Gesagt getan. Nachdem Aswhang ihnen eine kurze Beschreibung des Südländers geliefert hat – großer, kräftiger Mann mit dunkler Haut, schwarzem, etwas längerem Haar und kalten Augen – hält zumindest Olyvar sich nicht viel länger im Schankraum auf. Morgen wartet ein langer Tag auf sie und er hat vorher noch etwas zu erledigen. Der nächste Tag beginnt genauso regnerisch und grau wie der letzte geendet hat. Ein Sonnenaufgang ist nicht wirklich zu bewundern, es dämmert nur neblig und trüb. Der Schankraum ist um diese frühe Stunde noch völlig leer, als Olyvar zu verabredeten Zeit mit einem gähnenden Oger im Schlepptau herunter kommt. Ein paar müde Mägde fegen aus und schüren gerade das Feuer im Kamin neu, während Spüljungen in der Küche herumhantieren und der Duft nach frischgebackenem Brot durch den Bootsmann zieht. Diantha und Aswhang sind bereits auf dem Posten und Olyvar überreicht der Elbin mit einem spöttischen Grinsen ihre 'Tarnung.' "Hier, zieht das an." Die schätzungsweise zehn Schritt dunkelblauen Stoffes erweisen sich als azurianische Burka, die Olyvar in der vergangenen Nacht noch mit Seharimzungen den wasserpfeifeschmauchenden Händlern abgeschwatzt hatte, und welche die Elbin nun von Kopf bis Fuß in wallendes Blau hüllen. Nur über den Augen ist ein schmaler Sehschlitz durchbrochener Gaze, durch die ihn hellgraue Augen zweifellos mordlüstern anfunkeln werden. "Damit seid Ihr eine azurianische Adlige in Begleitung ihres Leibwächters, eines äh... Ogers und garantiert nicht mehr zu erkennen." Er stattet Achim noch mit einer Geldkatze voll Silber- und Kupfermünzen aus und nickt dann Diantha zu. "Bereit? In Ordnung. Diantha und ich übernehmen die schäbigen Spelunken am Kai, ihr haltet euch an die besseren Gasthäuser im östlichen Hafenviertel. Bei Sonnenuntergang treffen wir uns wieder hier."

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Diantha am 19. Sept. 2006, 20:12 Uhr
Der Abend war mit der Besprechung des nächsten Tages und bitterbösen Spötteleien von Seiten Olyvars vergangen. Das Auftreten der Elbe war sehr arrogant gewesen, aber eigentlich dachte Diantha, dass alle Elben von Natur aus so wären. Wenn dem so ist, dann hat Olyvar ja einiges zu tun, allerdings hat sie das nicht klar bestimmbare Gefühl, dass etwas mehr hinter Olyvars Worten steckt. Doch sie hat nicht den Hauch einer Ahnung was das sein könnte, was weiß sie schon über ihn? Obwohl sie zusammen reisen, kennt Diantha keinen von ihnen richtig, es ist ein seltsames Gefühl so viel Zeit in Gesellschaft zu verbringen. Noch dazu so unterschiedlicher Gesellschaft, einerseits die eiskalte, abweisende Elbe, auf der anderen Seite der den einfachen Dingen des Lebens, also Wein, Weibern und Gesang, noch dazu ausgedehnten Mahlzeiten verschriebene Oger. Und irgendwo dazwischen der Offizier, selbstbewusst, spöttelnd, bei dem scheinbar immer alles unter Kontrolle ist.
Verwirrt ertappt sich Diantha dabei, darüber zu grübeln, was wohl unter Aswhangs Unnahbarkeit und Olyvars Selbstbewusstsein steckt. Vielleicht sind die beiden ja auch einfach so und drücken sich genauso ehrlich aus wie Achim? Doch irgendwie kann sich das die Immerfrosterin zumindest bei Aswhang nicht vorstellen.
Auf Olyvars Worte >"Was auch immer, erst einmal müssen wir sie finden. Dann können wir entscheiden, was wir tun und wie. Morgen fangen wir an, zu suchen und am besten teilen wir uns auf. Wer geht mit wem?"< hin zuckt Diantha kaum merklich zusammen. Nicht mit Achim, bloß nicht mit Achim! Doch mit wem sonst? Aswhang mit ihrer Arroganz und eindeutigen Abneigung Diantha gegenüber, wäre sicherlich keine besonders geeignete Person für eine solche Aktion. Wenn es hart auf hart käme, würde sie vermutlich sowieso auf eigene Faust handeln und Diantha außen vor lassen. Und zum Zentrum für Olyvars Spott zu werden, liegt Diantha auch nicht gerade nah. Also sagt sie vorerst gar nichts. Auch Achim schweigt sich aus - er überlegt wohl, welche der beiden Frauen das Größere Übel ist. Aswhang lässt geziert verlauten: >„Ganz wie Ihr wollt. Mir jedenfalls ist es gleichgültig.“<
Diese Gelegenheit lässt sich Olyvar natürlich nicht entgehen, schüttelt resigniert den Kopf und schaut hilfesuchend an die Decke. Das ist in den Augen der Immerfrosterin ein wenig übertrieben, natürlich mag es unvernünftig sein, was die Elbe so plant, aber sie hat schon oft genug Vernunft unterliegen sehen. Manchmal braucht man etwas Unvernunft und Wagemut, sonst verzagt man...
Über Olyvars Entscheidung, dass sie mit ihm und Aswhang mit Achim gehen soll, ist sie dann aber doch ganz froh. Spott ist doch noch besser als Feindseligkeit. Nach Aswhangs Beschreibung des Gesuchten - ihren Worten zufolge ein eindrucksvoller, starker Schwarzer, sicher kein leichter Gegner - erwachen in Diantha Fragen danach, woher Aswhang das denn alles so genau weiß. Dafür, dass sie den Mann nur kurz gesehen haben soll, ist ihre Beschreibung doch ein wenig zu detailliert. Wie auch immer, Olyvar verlässt die Schenke bald, doch Diantha bleibt noch recht lange und lauscht dem Gesang. Es ist schon spät, als sie endlich ins Zimmer geht und ohne ein Wort mit der Elbe zu wechseln, in ihr Bärenfell gekuschelt - besser als jede Decke, einschläft.

Am nächsten Morgen macht Aswhang - wohl absichtlich - so viel Krach, dass Diantha abrupt aus den Kissen fährt, die Hand am Dolch. Scheinbar will die Elbe unbedingt vor dem Offizier am verabredeten Standpunkt sein, wohl um ihre Überlegenheit zu beweisen. Gähnend schält sich die Immerfrosterin aus dem Fell, angenehme Kühle begrüßt sie und lässt sie für wenige Augenblicke sogar leicht frösteln. Bin ich etwa verweichlicht?
Nachdem sie sich umgezogen hat, folgt sie Aswhang in den Schankraum hinunter, in dem noch sehr wenig los ist, nur die Mägde schleichen im Halbschlaf durch die Gegend. Dafür, dass sie nicht sehr lange geschlafen hat, ist Diantha eigentlich ziemlich fit und freut sich auf gewisse Art und Weise sogar auf den Tag, endlich gibt es wieder etwas für sie zu tun, im Gegensatz zu der Reise per Schiff.
Es dauert nicht lange, da tauchen auch Olyvar und Achim auf, nachdem der Offizier Aswhang eine Ganzkörperbedeckung, damit "Jamar" sie nicht erkennen kann. Die Geschichte, die er sich ausgedacht hat, nämlich dass Aswhang eine azurianische Adlige und Achim ihr Leibwächter ist, ist wirklich überzeugend, was Diantha ein anerkennendes Hochziehen der Augenbrauen hervorlockt. Als Olyvar Achim mit einer prallgefüllten Geldkatze ausstattet, wird ihr das erste Mal klar, wie wohlhabend der Offizier wohl sein muss. Was man mit dem Geld nicht alles kaufen könnte ... Schnell wendet die Diebin den Blick hat, weil sie sonst für ihre Hände nicht mehr garantieren kann. So viel Geld! Aber auch das wäre die Feindschaft Olyvars nicht wert, er würde sie sicher ausfindig machen, egal wo sie sich versteckt. So viel Geld!
Doch der ist von ihren Blicken vollkommen unberührt. >"Bereit? In Ordnung. Diantha und ich übernehmen die schäbigen Spelunken am Kai, ihr haltet euch an die besseren Gasthäuser im östlichen Hafenviertel. Bei Sonnenuntergang treffen wir uns wieder hier."<
Gemeinsam treten sie aus dem Gasthaus und trennen sich dann recht schnell. Es ist ein regnerischer, grauer, kalter Tag,  also genau das richtige Wetter, Diantha fühlt sich in ihrem Element.
Mit einem unternehmungslustigen funkeln in den Augen fragt sie den hochgewachsenen, breitschultrigen Mann neben sich: "Und, was habt Ihr nun geplant? Wollt ihr die Macht des Geldes testen oder versuchen unauffällig Neuigkeiten über ungewöhnliche Reisende aufzuschnappen? Letzteres dürfte um diese Uhrzeit schwierig werden, zumindest in diesen einfachen Zechen, in denen sich letzte Nacht alle den Kopf zugezecht haben. Aber Geld lockt zu jeder Tages- und Nachtzeit..." Glaub mir, ich hab Erfahrung damit, ich kenne diese Menschen, gehöre doch selber zu ihnen., denkt sie, sagt es aber nicht. Olyvar wird schon wissen, was sie meint.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Aswhang am 20. Sept. 2006, 19:21 Uhr
Aswhang beschließt, an diesem Abend nicht mehr mit Olyvar zu diskutieren. Ließe sie sich weiter auf das Wortgefecht und seine Spötteleien ein, könnte sich daraus womöglich noch ein handfester Streit entwickeln und das will sie unbedingt vermeiden. Eine größere Auseinandersetzung mit dem Lord Commander Talyras brachte ihr rein gar nichts und verkomplizierte die Sache nur unnötig. Somit hört sie ihm nur noch schweigend zu und betrachtet ihn mit undurchdringlichem Blick, wenn auch die Arroganz und ein wütendes Funkeln nicht aus ihren Augen weicht.
Es fällt ihr dieses Mal nicht ganz leicht, den Mund zu halten und Olyvars Worte scheinbar an sich abprallen zu lassen. Doch trotz ihrer Wut, gelingt es ihr, die Fassung zu wahren. Was sie im Moment am meisten zornig macht, ist die Tatsache, dass er mit einigen seiner Worte in gewisser Weise im Recht ist. Hätte sie an seiner Stelle einer dahergelaufenen Unbekannten die verlangten Mittel zugestanden? Sicher nicht. Woran die Elbe dagegen nicht eine Sekunde lang zweifelte, ist, dass sie ihre Rache an Jamar auch allein erfolgreich durchgezogen hätte. Nicht immer macht körperliche Überlegenheit einen guten Plan aus. Sie hätte im Geheimen agieren müssen und mit eine guten List. Ihr Ziel hätte sie jedoch fraglos erreicht.  

Auf ihre letzten Worte reagiert Olyvar mit einem übertrieben flehendem Blick nach oben und legt dann kurzerhand fest, dass Aswhang von dem Oger begleitet werden würde. Sie nimmt diese Entscheidung wortlos und ohne mit der Wimper zu zucken zur Kenntnis – mit nichts anderem hat sie schließlich gerechnet. Die Frau und mich gemeinsam auf die Suche zu schicken, ist dem Lord Commander mit Sicherheit zu riskant. Er selbst wird vorerst genug von mir haben und mit dem Monster ist er gut befreundet. Was wäre also nahe liegender? Zusätzlich war auf dem Schiff nicht zu übersehen, was die Elbe von diesem Vieh hält – sicher ein weiterer Grund für Olyvar, sie gerade mit dem Oger losziehen zu lassen. Aber Aswhang hat nicht gelogen, es ist ihr tatsächlich gleichgültig – allerdings nur, solang das Ungeheuer nicht beginnen würde, zu singen!
Anschließend legt Olyvar fest, wer wo mit der Suche beginnt und wann sie sich am nächsten Morgen treffen wollen. Das letzte, das an diesem Abend besprochen wird, ist das Aussehen Jamars. Aswhang, welche Jamars Bild im Kopf hat, als stände er vor ihr, liefert eine schnelle und präzise Beschreibung. Den großen, muskulösen Südländer mit seiner dunklen Haut, den nachtschwarzen Haaren und seinen gefährlich stechenden Augen, hat die Elbe seit beginn der Reise beinahe unentwegt im Geiste vor sich und daran wird sich erst etwas ändern, wenn ihre Rache Erfolg haben würde...

Nachdem alles soweit geklärt ist, bleibt Aswhang nicht mehr lang im Wirtshaus. Kurz nach Olyvar verschwindet sie auf ihr Zimmer. Es vergeht einige Zeit, bis sie die Frau den Raum betreten hört. Aswhang steht am Fenster und macht sich nicht die Mühe, sich umzuwenden. Ihre Zimmergenossin lässt sie jedoch in Ruhe und bald darauf scheint sie bereits eingeschlafen zu sein. Aswhang dagegen bleibt noch eine ganze Weile wach, tief in ihre Gedanken versunken.

Der neue Morgen dämmert grau in grau. Irgendwann hatte auch die Elbe beschlossen, sich in ihr Bett zu legen. Doch trotz der wenigen Stunden Schlafes ist sie bereits sehr früh hellwach und eine aufmerksame Anspannung hat von ihr Besitz ergriffen. Die Blondhaarige schläft noch immer, doch Aswhang gibt sich keine sonderliche Mühe leise zu sein. Eine Aufgabe wartet auf sie alle. Wenn die Dame ausschlafen will, hätte sie sich der Rettungsorganisation nicht aufdrängen dürfen.
Sie macht sich auf den Weg, hinunter in das noch menschenleere Wirtshaus. Außer einige Bedienstete sind die Silberelbe und die Frau – welche ihr gefolgt ist – die Einzigen. Das bleibt nicht lange so, denn kurz darauf betreten auch Olyvar und der Oger den Schankraum. In der Hand hält der Lord Commander ein blaues Ding, welches Aswhang in den ersten Sekunden nicht identifizieren kann. Olyvar hält es ihr unter die Nase und ein breites, schadenfrohes Grinsen bestimmt dabei seine Mimik. Allein für diesen Gesichtsausdruck hätte sie ihn bereits jetzt am frühen Morgen wieder erschlagen können. >"Hier, zieht das an."< Das ist also meine geplante Tarnung. Die Elbe nimmt ihm den Stoff ab und betrachtet ihn prüfend. Nun, bei Olyvars Sinn für Humor hätte es durchaus noch schlimmer kommen können. Dieser Gedanke muntert sie ein wenig auf und sie folgt der Aufforderung. >"Damit seid Ihr eine azurianische Adlige in Begleitung ihres Leibwächters, eines äh... Ogers und garantiert nicht mehr zu erkennen."< Wo er recht hat, hat er recht. Selbst wenn ich Jamar jetzt direkt gegenüberstehen würde, käme er mit Sicherheit niemals auf den Gedanken, dass ich mich unter diesem wallenden Stoffberg befinde... Nur ihre Augen blicken noch durch einen schmalen Sehschlitz. >"Bereit? In Ordnung. Diantha und ich übernehmen die schäbigen Spelunken am Kai, ihr haltet euch an die besseren Gasthäuser im östlichen Hafenviertel. Bei Sonnenuntergang treffen wir uns wieder hier."< Das sind Olyvars Abschiedsworte, während Aswhang noch damit beschäftigt ist, die Stoffmenge zu ordnen. Die Burka ist ihr ein wenig zu lang.
Nachdem dem Oger ein wenig Geld überreicht wurde, brechen sie auf ihr Weg trennt sich schon bald, von dem des Lord Commanders und der jungen Frau. Zeitgleich mit jeder vergehenden Minute wächst Aswhangs Nervosität. Nach außen hin gibt sie sich jedoch wie immer gelassen und erhaben. Da von ihrem Körper allerdings nur die Augen ersichtlich sind, spielt das ohnehin keine große Rolle. Beinahe widerwillig wirft sie einen Blick auf das Monster neben sich – ohne Ergebnis. Aus der Mimik eines Ogers wir sie nicht schlau. Es ist nur zu hoffen, dass wir bereits am ersten Tag erfolgreich sein werden...

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Shyada am 21. Sept. 2006, 12:53 Uhr
Im Westen der Stadt/ Beim "Singenden Esel"


Seit dem Moment wo er sich bei ihr eingehakt hat und etwas zu vertrauensselig agiert, hat Liomie das Gefühl einen schrecklichen Fehler begangen zu haben. Der junge Mann, der in Blurraent wohl ziemlich bekannt ist, da eine Großzahl der vorüber ziehenden Passanten ihn grüßt, unterbricht sich keine Sekunde. Spricht ohne Punkt und Komma und kann mit erstaunlich wenigen Atempausen soviel über Blurraents Adel und Vergangenheit erzählen, dass Liomie schon nach kurzer Zeit die Ohren klingeln. Selbst wenn sie es wirklich gewollt hätte, so hätte sie sich niemals die Namen der zig Adelshäuser hier merken können. Was sie sich im Durcheinander der ganzen Namen als einziges merkt, ist das ihre Begleitung zum Haus Demary gehört und somit wohl ziemlich viel Einfluss. Bei dieser Erkenntnis wird Liomie noch ein Stück mehr mulmiger. Wenn neben ihr ein angesehener Adliger spaziert, verhält sie sich dann überhaupt korrekt? Mit Sicherheit haben diese irgendwelche seltsamen Benimmregeln, die sie nie verstehen würde und sich aller Wahrscheinlichkeit gerade zum Narren macht. Der Adlige der zwar allerhand erzählt, aber seinen Namen als einziges nicht preisgeben will, erklärt ihr auch großzügig warum es in der Stadt so viele Zwerge und kleine Leute gibt. Dass sich die Rassen hier stark vermischt haben und selbst Liomie mit ihrer Größe auffällt, ist ihr bereits vorhin aufgefallen, aber sie hat sich darum nicht weiter gekümmert und es auch nicht großartig hinterfragt. Während der Adlige also lustig weitererzählt und gar nicht mitbekommt, dass Liomie schon längst abgeschaltet hat, so dass es in ein Ohr rein und zum anderen gleich wieder hinausgeht. Passieren sie eine Strassenbiegung nach der anderen, kommen an seltsam anmutenden Gebäuden vorbei und halten gelegentlich, um sich kurz mit einem Befreundeten des Adligen zu unterhalten. Liomie würde sich in solchen Augenblicken am liebsten klammheimlich aus dem Staub machen, aber sie wird weiterhin fest im Arm gehalten und auch halbherzig vorgestellt, so dass ihr mehr Aufmerksamkeit zukommt, als ihr wirklich recht ist.

Verschüchtert und unsicher harrt sie brav an der Seite des Mannes aus und ist jedes Mal froh, wenn sie ihren Weg fortsetzten. Schließlich bedeutet dies, dass sie hoffentlich ihrem Ziel ein Stück näher kommen und sie dann endlich seiner Gesellschaft entkommt. Das einzige was Liomie wirklich als interessant empfindet, ist die Geschichte rund um die Namensgebung der Stadt Blurraent. Sie mag es, wenn Namen nicht einfach nach dem Zufallsprinzip entstehen oder Dinge nach ihrem Entdecker benannt sind. So ist also die kurze Lehrstunde bezüglich der Sprache der Zwerge und deren Abwandlungen das Einzige, was sie wirklich interessiert. Glücklicherweise bleiben ihr aber weitere Geschichten erspart, denn gerade als sie in eine weitere Strasse einbiegen und sich wohl immer noch in Richtung Westen bewegen, rennt geradewegs eine Person in die hinein, die Liomie wohl am wenigstens erwartet hätte. Es ist Selli. Erst will sie eine Entschuldigung stammeln, bekommt dann ebenso wie Liomie große Augen, wirkt dann aber plötzlich wütend. Ganz im Gegensatz zu Liomie, die einmal mehr das Bedürfnis hat, sich zu verstecken. „Ich...“, beginnt sie, wird aber von Selli unterbrochen und bekommt erst einmal eine saftige Strafpredigt, was das Verschwinden in fremden Städten angeht. Der Adlige betrachtet die ganze Szene recht amüsiert, grinst friedlich vor sich hin und zwinkert Liomie mehrmals zu. Selbst wenn ihm klar geworden sein sollte, dass seiner nun nicht mehr bedurft wird, behält er Liomie weiterhin im Arm, was wiederum Selli dazu veranlasst, erneut erbost aufzumachen. „Und wieso überhaupt, gibst du dich mit solchen Kerlen ab? Du kennst ihn doch gar nicht! Sei froh, dass Jamar davon noch nichts mitbekommen hat. Hoffe ich zumindest. Wenn er wissen würde, dass du einfach abhaust... dann könnten uns nicht einmal mehr die Götter helfen!“ Beschämt senkt Liomie den Blick. Selli hat mit allem was sie ihr vorhält recht und sie weiß auch, dass sie nicht einfach hätte weglaufen können, aber versteht ihre Freundin sie wirklich? Kann sie überhaupt nachempfinden wie es ist, wenn man sich an absolut nichts mehr erinnern kann und sogar das Gefühl hat, dass man bereits die Geschehnisse der letzten Stunde nicht mehr richtig im Kopf hat? „Es tut mir leid“, nuschelt sie daher nur verlegen und senkt den Kopf. „Du solltest jetzt schleunigst mit zurückkommen und auch endlich deine Medizin nehmen.“ Ihre Freundin ergreift sie etwas zu grob ab Arm, aber Liomie weiß, dass es Sellis gutes Recht ist, wütend auf sie zu sein. „Ich danke Euch, dass Ihr auf Liomie aufgepasst habt, aber nun werde ich mich wieder darum kümmern!“ Der Adlige scheint zwar nicht gewillt zu sein, sich so einfach abspeisen zu lassen, kommt aber auch nicht groß dazu etwas dagegen zu tun, denn Selli entreißt ihm Liomie kurzerhand und zieht sie energisch hinter sich her. Auch wenn Liomie froh ist, dem Adligen endlich entkommen zu können, blickt sie entschuldigend über die Schulter zurück. Der Mann sieht jedoch überhaupt nicht enttäuscht oder wütend aus, sondern grinst sich eins ins Fäustchen und winkt ihr hinterher, als würden sie sich morgen gewiss wieder sehen. Verwirrt darüber, dreht Liomie sich wieder zurück und bekundet mit einem „Aua“ dass der Griff um ihren Arm doch langsam unangenehm wird. „Selli, es tut mir leid. Wirklich! Ich wollte nicht weglaufen, aber du... du hast geschlafen und ich wollte gerne raus, weil der Raum plötzlich so klein war und...“ Schulter zuckend bricht sie ab und hofft, dass Selli ihr vergeben wird.

Diese bleibt abrupt stehen, sieht Liomie von oben bis unten an und nimmt sie dann in den Arm. „Ich hab mir Sorgen gemacht, also tu so etwas nie wieder, verstanden?“ Betreten nickt Liomie zaghaft und folgt ihrer Freundin dann zurück zur Taverne. Glücklicherweise weiß Selli genau wo sie hinmüssen und so haben sie den „Singenden Esel“ schon nach kurzer Zeit wieder gefunden. Da man ihnen beiden aber noch ansieht, das etwas im Argen ist, bleiben sie noch eine ganze Weile auf dem kleinen Platz vor der Taverne. So haben sie eine Bank ganz in der Nähe des Brunnens gesucht und dort niedergelassen. Da Selli die Medizin immer dabei hat, bekommt Liomie wieder ihre Ration, die sie ungefähr alle acht Stunden nehmen muss, gleich hier draußen und entschuldigt sich während dessen gleich noch zehnmal bei ihrer Freundin. Langsam fällt die Anspannung von beiden ab. Bei Selli, weil sie nun nicht mehr befürchten muss, dass Jamar sie einen Kopf kürzer macht und bei Liomie, weil sie nun wieder einen bekannten Menschen neben sich hat und weiß, wo sie überhaupt hingehört. Zumindest für diesen Moment. Wo sie insgesamt gesehen hingehört, weiß sie nämlich noch immer nicht. Am liebsten möchte sie Selli über dieses Thema alles Mögliche fragen, aber sie weiß genau, dass sie nicht die Antworten bekommen wird, die sie hören will. Dafür kommt Liomie etwas ganz anderes in den Sinn. „Wusstest du, dass in der Stadt ein Zirkus ist? Hast du schon mal einen gesehen? Ich nicht, aber ich würde gerne. Ob es Jamar erlauben würde, wenn wir da mal hingehen würden? Wenn wir länger hier in Blurraent bleiben würden, kann es ihm doch eigentlich egal sein, oder nicht? Er hat uns ja erlaubt, dass wir uns die Stadt ansehen dürfen.“ Selli zuckt auf die Fragen hin, nur mit den Schultern, da sie nicht einschätzen kann, ob es dem Südländer recht ist und meint daher nur, dass sie ihn auf alle Fälle fragen sollten. Wenn der Zirkus nämlich nur am anderen Ende der Stadt spielen würde, würde er es ihnen mit Sicherheit verbieten, aber bekanntlich ziehen solche Schausteller ja in Städten umher und vielleicht würde der Südländer sich ja bereit schlagen lassen, wenn in der Nähe eine Vorstellung ist.

Um also bei entsprechender Frage seitens Jamar auch gleich eine Antwort parat zu haben, informieren sich die beiden Frauen über die Vorstellungen des gastierenden Zirkus’ und kehren dann mit einen Lächeln auf den Lippen zur Taverne zurück. Auch Selli scheint mittlerweile ganz begeistert von der Idee zu sein und ist somit ungleich motivierter Jamar dieses Anliegen vorzutragen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Jamar am 24. Sept. 2006, 00:31 Uhr
Im singenden Esel


Schon als die beiden die Taverne betreten und ihn erblicken hat er das ungute Gefühl, dass sie wieder etwas ausgeheckt haben. Im Großen und Ganzen hat zwar keine der beiden Schwierigkeiten gemacht, aber noch ist diese Reise nicht zu Ende und solange er nicht weiß in welcher Form und vor allem wie sein Kontaktmann ihn überhaupt in dieser Stadt finden will, vermutet er hinter allem eine Falle oder zumindest eine höhere Chance dieses Vorhaben zum scheitern zu bringen. Mit seharimgleichen Unschuldsminen durchqueren sie den Schankraum und halten direkt auf ihn und Ismael zu. Dass sie dabei lächeln und ihn nicht in gewohnt distanzierter Weise beachten, gibt ihm dabei ein weiteres Mal zu denken. Weder Shyada noch Selainee braucht den Mund aufzumachen. Sie wollen etwas von ihm. Das steht ihnen regelrecht auf der Stirn geschrieben, aber er hat nicht den leisesten Hauch einer Ahnung was das sein könnte, geschweige denn, ob ihm das gefällt, dass die beiden plötzlich einen eigenen Tatendrang entwickeln, wo sie doch vorher einfach nur der Dinge ausgeharrt haben. „Was wollt ihr?“, kommt es leise geknurrt über seine Lippen, da er es absolut nicht mag, wenn man ihm zum Narren halten will. Die beiden Frauen blicken einander an und entscheiden wohl stumm, dass Selainee das Reden übernehmen soll.
Nein, ist seine reflexartige Antwort auf die absolut dümmste Idee, die er in der letzten Zeit zu hören bekommen hat. Aber eine leise Stimme flüstert ihm zu, dass es unter Umständen durchaus von Vorteil sein könnte, wenn die beiden etwas Abwechslung erhalten. Selainee hat den Zwischenfall mit Shyada immer noch nicht vergessen und die Amazone selbst, wirkt oft so zerstreut und verwirrt, dass er mehr als einmal befürchtet hatte, die Drogen könnten ihre Wirkung bei ihr schlichtweg verfehlen, weil sie schon so lange angewendet werden. Er tauscht einen langen Blick mit Ismael, doch dieser zuckt lediglich fast unsichtbar mit den Schultern. Es hätte Jamar eigentlich klar sein können, dass dieser nichts dagegen einzuwenden hat. Manchmal ist es schon erstaunlich, wieso sie, obwohl sie beide das gleiche durchgemacht haben, so unterschiedlich geraten sind und sich trotz dessen so nahtlos verstehen.

„Also gut. Aber Ismael wird mit euch gehen.“ Selainee versteckt ihre Freude über seine Zustimmung, sofern sie denn überhaupt welche verspürt. Shyada hingegen hätte ihn wohl dafür am liebsten umarmt und ist sogar halb dabei gewesen auf ihn zuzugehen, bis ihr wohl noch eingefallen ist, wen sie vor sich hat. Mit einem unmerklichen Mundwinkelzucken und leicht hochgezogener Braue, betrachtet er die sichtliche Verwirrung bei der Amazone, sieht kurz zu Ismael und schüttelt dann leicht den Kopf. Entführungen sind einfach nicht sein Ding. Morde oder Wiederbeschaffungsmaßnahmen sind ein so viel einfacheres Geschäft. Hier jedoch darf er sich mit zwei Weibsbildern herumplagen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zudem nervt ihn der Umstand, auf eine unbekannte Person warten zu müssen, mehr als er zugeben würde. Jeder Neuankömmling in dieser Taverne wird kritisch beäugt, doch bislang hat sich sein Kontaktmann noch nicht zu Wort gemeldet. In dieser Stadt voller Zwerge und Halbwüchsigen fallen sie natürlich auf, wie zwei bunte Hunde, aber angesichts der Größe Blurraents würde man wohl keine hundert Schritt weiter noch jemand von ihnen berichten. Dafür scheint jemand anderes viel interessanter für die Gerüchteküche dieser Stadt zu sein. Von Ismael hat er nämlich erfahren, dass schon seit einiger Zeit ein riesiger Oger in Blurraent sein Unwesen treiben soll. Mehr als das konnte ihm sein Begleiter aber auch nicht erzählen und sehr wahrscheinlich hatte einer der Zwerge auch nur eine zu blühende Fantasie und schon beim dritten der die Geschichte gehört hatte, wurde aus dem übergroßen Menschen ein bösartiger Oger, der vermutlich auch noch Zwergenkinder fressen würde, sofern es sie denn geben würde.

Da der Tag schon recht weit vorangeschritten ist und sie ohnehin, trotz der kleinen Rast direkt nach der Ankunft, noch alle müde sind und sich auf ein richtiges Bett freuen, bestellt Jamar für sich und Ismael Essen. Auch die Frauen und Darwik kommen nicht zu kurz, aber da sie sich auf den Zimmern befinden, müssen sie sich noch etwas länger gedulden, da gerade zur aktuellen Stunde reger Betrieb in der Taverne herrscht und vor allem Handwerker nach einem anstrengenden Tag hier einkehren. Mehrmals glaubt Jamar jemanden in der Menge ausmachen zu können, der eine Spur zu neugierig zu ihnen herübersieht, aber leider stellt sich jedes Mal heraus, dass er sich getäuscht hat und er langsam wohl schon überreagiert. Aus diesem Grund und um nicht irgendetwas dummes anzustellen, was ihnen Kopf und Kragen kosten könnte, leeren sie rasch ihre Teller und gehen dann auch auf ihre Zimmer. Sollte ihr Kontaktmann wirklich so gut sein, wie in dem Brief behauptet wurde, dann würde auch eine geschlossene Zimmertür ihn nicht davon abhalten, sie ausfindig zu machen. Der Tag endet somit mit einigen Besprechungen die sich um den morgigen Tag und den Zirkusbesuch drehen. Auch wenn offiziell nur Ismael die beiden Frauen begleitet, Jamar und Darwik werden sich ebenfalls unter das Volk mischen. Auch wenn Kestra ihrem anderen Laufburschen trauen mag, Jamar tut es nicht und er möchte ungern erleben, dass ihm jemand Shyada vor der Nase wegschnappt und sich dann die Belohnung von den von Reyes abholt. Laut Selainee soll der Zirkus genau vor der Haustür des singenden Esels gastieren, so dass sie auch einfach einen Blick aus dem Fenster werfen könnten, aber sollte wirklich etwas unvorhergesehenes passieren, wäre der Weg zu weit, um rechtzeitig agieren zu können.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 04. Okt. 2006, 12:48 Uhr
>Und, was habt Ihr nun geplant? Wollt ihr die Macht des Geldes testen oder versuchen unauffällig Neuigkeiten über ungewöhnliche Reisende aufzuschnappen? Letzteres dürfte um diese Uhrzeit schwierig werden, zumindest in diesen einfachen Zechen, in denen sich letzte Nacht alle den Kopf zugezecht haben. Aber Geld lockt zu jeder Tages- und Nachtzeit...< "Beides, schätze ich." Sie weichen einer Schlammpfütze aus uns bahnen sich ihren Weg entlang der vom Regen aufgeweichten Seitenstraßen in Richtung Südosten zum Kai und den Piers hinunter. Trotz der frühen Stunde und des miserablen Wetters herrscht im Hafenviertel Blurraents, etwa einen Tausendschritt vor den südlichen Stadtmauern direkt am östlichen Ufer der Rhúnemündung gelegen, geschäftiges Treiben und das lautstarke Hin und Her der Fischer, die ihren ersten Fang hereingebracht haben. "Je nachdem, was die Situation ergibt und mit welcher Taktik wir weiter kommen. Hoffen wir, dass Geld wirklich zu jeder Tages- und Nachtzeit lockt, wenn es denn sein muss..."
Die erste Kaschemme taucht schon nach wenigen Schritt auf ihrem Weg auf, ein verwinkeltes, windschiefes Ding aus grob zusammengezimmerten Brettern, einem einzigen, blinden Fenster und einem krummen Schild über dem Eingang, der das ganze als "Fröhlichen Krug" ausweist. Die Tür steht sperrangelweit offen, aus dem Inneren weht ihnen der abgestandene Geruch biergetränkter Schmutzwäsche entgegen und die einzige Anwesende, die sie zu Gesicht bekommen, ist eine verdrießliche Magd, die eben einen Eimer Dreckwasser in die Gosse kippt. "Was wollt ihr?" Bellt sie ihnen unfreundlich entgegen, als sie ihrer gewahr wird, doch Olyvar setzt sein strahlendstes Lächeln auf und erkundigt sich nach ein paar Südländern mit weiblicher Begleitung unter den Gästen. "Gäste?" Tönt es verbittert zurück. "Ham' keine Gäste, M'lord. Nur Säufer und Zechpreller. Is' 'ne billige Weinschänke, der Krug, kein Gasthaus. Kann man das nich' seh'n?" Auch in der zweiten, dritten, vierten und fünften Taverne haben sie kein Glück und treffen nur morgenmüde Scheuermägde oder verschlafene Spüljungen an. Die geben ihnen zwar, manchmal von sich aus, manchmal mit der Unterstützung des einen oder anderen Silberlings bereitwillig Auskunft, aber einen auffallend großen Südländer, auf den Jamars Beschreibung passt, der allein oder mit einigen Männern und einer Frau unterwegs ist, hat keiner von ihnen gesehen. Die einzigen Südländer, die überhaupt im Hafenviertel gesichtet wurden, scheinen lauter ortsbekannte Gewürz- und Teppichhändler aus Mar'Varis und Naggothyr zu sein... von Jamar keine Spur und von Shyada erst Recht nicht. Gemessen an Talyra ist Blurraent eine Kleinstadt, götterverdammt noch mal, sagt sich Olyvar, nachdem auch in den Schänken sechs bis elf nicht die kleinste Spur der Gesuchten zu finden gewesen ist. An wie vielen Stellen kann Shya schon stecken? Inzwischen sind sie in der zwölften Hafenspelunke angelangt und es muss längst Nachmittag sein. Da ihnen beiden der Magen knurrt und es mittlerweile außerdem wie aus Kübeln schüttet, ist ihr nächstes Ziel das bestaussehendste Gasthaus, das sie im Hafen außer dem Bootsmann finden können, der "Weidenbaum", direkt gegenüber der Hafenmeisterei zwischen hohen Speicherhäusern gelegen. Es ist voll, doch es riecht nicht einmal unangenehm nach gebratenen Kartoffeln, gebackenem Fisch, Pfeifenkraut und Birkenholzfeuer, und die Tische sind so gut wie alle von Seeleuten besetzt.

Außer einem wirklich guten Essen und einem Krug Bier, bekommen sie hier jedoch auch nur jede Menge Gerüchte über den zur Zeit in Blurraent gastierenden Zirkus "Maester Pimpernells Karneval", der gerade Stadtgespräch ist, und weitere Schauergeschichten über den Schnatermann zu hören, wie man die Auwälder des Rhûne nördlich von Blurraent nennt. Kein Sterbenswörtchen über Südländer, einen Jamar oder eine junge Frau, die Shyada sein könnte, und das, obwohl sie sich so beiläufig wie möglich bei jeder Schankmaid und dem Wirt selbst erkundigen. Als die Abenddämmerung hereinbricht, lässt der Dauerregen endlich nach, dafür ist die Luft klamm und kalt und der Nebel, der vom Seeufer aufsteigt, so dick und grau wie ein Leichentuch. Sie haben sämtliche Hafenkneipen, Weinschenken und Gasthöfe, ja selbst die Hurenhäuser abgeklappert und nirgendwo konnte ihnen irgend jemand auch nur einen Hinweis geben... wo immer Jamar und Shyada in Blurraent stecken mögen, im Hafen sind sie jedenfalls nicht gesehen worden. Desillusioniert, nass bis auf die Knochen und mit schlammverkrusteten Stiefeln kehren Olyvar und Diantha schließlich bei Sonnenuntergang in den Bootsmann zurück, nur um festzustellen, dass auch Achim und die Elbin nicht mehr Glück hatten, als sie selbst. Sie wärmen sich am Feuer, verzehren ein eiliges Nachtmahl, halten kurz Kriegsrat an einem etwas abseits gelegenen Tisch in der Schankstube und ziehen sich alle bald zurück, wild entschlossen, ihre Suche am Morgen fortzusetzen. Die nächsten Tage bringen ihnen jedoch auch nicht mehr ein. Systematisch durchkämmen sie in wechselnder Konstellation die südöstlichen und südwestlichen Viertel der Stadt selbst, doch nirgendwo ist eine Spur von Jamar oder Shyada zu finden, niemand will sie gesehen oder etwas von ihnen gehört haben. Überhaupt scheint das einzige Gesprächsthema Blurraents nur noch der dämliche Karneval zu sein, der den Frühling über seine Zelte in der Stadt aufgeschlagen hat. Vor allem Achim bekommt das zu hören, da ihn beinahe jeder blurraenter Bürger für einen waschechten Zirkusoger hält. Die Flausen, die das in Achims höchst geschmeichelten Kopf setzt, bleiben nicht lange aus und am dritten Tage darf sich Olyvar neben seiner Sorge um die Amazone auch noch mit so wahnwitzigen Forderungen seines Ogers wie der nach einem maßgeschneiderten Artistenogerkostüm herumschlagen. Dauernd erzählt Achim in blumigsten Phrasen von seiner zukünftigen Karriere als Seiltänzer, Schlangenoger oder vielleicht sogar als Luftakrobat. ("Kennst du nicht den Dreifach-Salto Oger mortale? Olli, den kennst du doch... soll ich mal? Was'n für'n Trapez? Ist das ein nautischer Begriff? So wie die ollen Kapern? Nein? Du verarscht mich doch... wie nein? Kein Oger mortale? Och! Spielverderber!")

Von diesen und ähnlichen Sperenzchen abgesehen, verläuft ihre Suche nach Shya, Jamar und den anderen Entführern jedoch absolut ergebnislos. Nach sechs Tagen ununterbrochenen Abklapperns sämtlicher Gasthäuser der Stadt schlagen ihre ohnehin vagen Hoffnungen, die Amazone auf diese Weise zu finden, allmählich in Verzweiflung um. Ashwang beharrt jedoch darauf, dass Jamar hierher in ein Gasthaus wollte, mehr wisse sie einfach nicht, und mehrere Abende lang reden sie sich folglich die Köpfe darüber heiß, ob - und wenn ja wie -, der Südländer mit seiner Kutsche vielleicht aufgehalten worden sein könnte, ob es möglich sein könnte, dass Jamar noch gar nicht in Blurraent angekommen... oder vielleicht schon wieder abgereist war und derlei mehr. Doch was immer bei ihren hitzigen Debatten herumkommt, es kommt nichts dabei heraus. Sie haben nun einmal nur diesen einen Anhaltspunkt "Gasthaus in Blurraent" und Olyvar weiß genau, dass es tausend Gründe für eine Verzögerung geben kann, wenn man einen so weiten Weg mit einem Fuhrwerk und Pferden zurücklegt. Allerdings gleicht ihr Suchen einem ziemlich erfolglosen Herumstochern in einem Ameisenhaufen und das zermürbt selbst seine unerschütterliche Geduld mehr als er zuzugeben bereit ist. Am Nachmittag des siebten Tages ihrer bisher so entmutigenden Nachforschungen sind nur noch wenige Gasthäuser übrig, in denen sie noch nicht den Wirt, sämtliche Schankmaiden, Servierjungen, Spülhilfen, Scheuermägde und sonstige Bedienstete mit ihren Fragen nach einer jungen Frau und einem griesgrämigen Südländer in den Wahnsinn getrieben hatten... vier Stück, um genau zu sein: der "Singende Esel", der "Eiserne Amboss", der "Knecht" und das "Goldene Schild". Für heute jedoch haben sie alle mehr als genug von überfüllten Gasthöfen und weinseligen Schenkenbesuchern und beschließen, sich den Rest der blurraenter Wirtshäuser für den nächsten Tag aufzuheben. Nur Olyvar hält es nicht im "Bootsmann", noch nicht einmal in Achims Gesellschaft, also beschließt er in einem Anfall von Trostlosigkeit, dem Westwark einen Besuch abzustatten... das würde ihn vielleicht wenigstens für eine kleine Weile ablenken. Seine Laune hat sich inzwischen ohnehin in die Kellerräume seiner Seele verzogen, wo sie ziemlich rastlos umherstreift und nur noch leise Knurrgeräusche von sich gibt. Seine Gedanken kreisen beständig um Shyada, ob sie noch am Leben ist, ob es ihr gut geht, wieso bei allen Göttern und sämtlichen Höllen die Amazone eigentlich entführt worden war, warum man sie hierher gebracht hatte (oder auch nicht), wieso beim Dunklen sie sie noch immer nicht ausfindig gemacht hatten und welche Rolle Aswhang eigentlich bei dieser ganzen Sache spielt. Die Elbin und ihre Absichten sind ihm nach wie vor ein Rätsel, doch je mehr er sich den Kopf darüber zerbricht, desto weniger kann er sie einschätzen, und das gefällt ihm überhaupt nicht. Erstens müssen sie sich alle aufeinander verlassen können, wenn es hart auf hart kommt und zweitens war er schon immer jemand, der ganz gern weiß, woran er ist. Aswhang jedoch denkt gar nicht daran, ihnen im Allgemeinen oder Olyvar im Besonderen noch irgendetwas über Jamar, die Entführung und sie selbst zu verraten, und scheint obendrein auch noch beschlossen zu haben, zumindest ihm nur noch mit gleichgültigem Schweigen zu begegnen. Ifrinn! Noch ein paar Tage mit diesem störrischen Weibsbild und ich kann für nichts mehr garantieren...

Mit diesen und ähnlich unterhaltsamen Gedanken im Kopf, schnappt er sich seine Geldkatze, seine Stiefel und seinen Umhang und verschwindet in einen frühlingshaft warmen Grünglanznachmittag. Sein Weg führt ihn hinauf in den Westen Blurraents, doch er hat die große Steinbrücke, die der Stadt ihren Namen eingebracht hat, noch nicht einmal erreicht, vom Westwark ganz zu schweigen, als die Götter, alle guten Geister und sämtliche kosmischen Mächte sich einen faulen Witz mit ihm erlauben. Kaum hat er sich endlich dazu durchgerungen, sich nach monatelanger Enthaltsamkeit einmal für wenige Stunden etwas angenehmere weibliche Gesellschaft zu suchen, als die Aswhangs oder Dianthas, da steht ausgerechnet Shyada vor ihm. Das darf doch nicht... Ifrinn! Er blinzelt einmal, doch die Amazone löst sich keineswegs in Luft auf. Sie ist direkt vor seiner Nase, vielleicht zehn Schritt entfernt... und sie steht zwar mit dem Rücken zu ihm, doch er ist sich sicher – dieser Hintern ist unverkennbar, ob im kurzen Rock oder im langen Kleid. Letzteres lässt ihn dann allerdings doch noch zweimal hinsehen. Shyada in einem Kleid...? Und morgen geht die Sonne im Westen über dem Golf von Fa'Sheel auf! Dennoch, sie ist es tatsächlich, in voller Lebensgröße, wenn auch in ungewöhnlicher Aufmachung und zudem am Arm eines ganz und gar blurraentisch und ziemlich geckenhaft aussehenden jungen Mannes. Wenn das da Jamar ist, bin ich ein Zwerg oder Aswhang ist blind... Es ist nicht Jamar, wie sich nur allzu schnell herausstellt, denn noch bevor Olyvar den Anblick der Amazone auch nur verdaut hat oder "Hoppla" sagen kann, stürzt plötzlich aus dem Nichts eine weitere junge Frau herbei, die im wahrsten Sinne des Wortes über Shya und ihren Begleiter herfällt. Olyvar kann nicht alles hören, was aufgebracht gestikulierend gesprochen wird, denn dazu ist die Gasse, in der sich diese pittoreske Szene abspielt, zu belebt und er selbst zu weit entfernt, doch er schnappt immerhin die Worte "solchen Kerlen", "kennst ihn doch" und "sei froh, dass Jamar" auf. Und etwas von "schleunigst zurückkommen" und "Medizin". Und wer zum Teufel ist dieser Hut tragende Giftzwerg? Ganz instinktiv hält Olyvar sich im Hintergrund, als Mistress Gifthut sich Shyada schnappt, den Gecken seiner Wege schickt und die Amazone dann zielstrebig abführt. Er folgt den beiden Frauen inmitten eines Pulks eiliger Mägde mit Weidenkörben, Stock-und-Ball spielender Kinder und einigen anderen Straßenvolks bis zum Flussmarkt, einem gepflasterten Platz rund um einen alten Brunnen direkt bei der Großen Brücke. Olyvar hält sich abseits, kauft ein paar Honigwaffeln bei einer winzigen Garküche, wechselt ein paar belanglose Worte übers Wetter mit einem alten, Pfeife schmauchenden Halbzwerg an der Straßenecke, und sieht sich so unbeteiligt um, als warte er auf sonst jemanden. Niemand  würde auf die Idee kommen, ihn ihm irgendetwas anderes zu sehen, als einen zwar nicht unbedingt harmlosen oder unauffälligen, aber ganz und gar teilnahmslosen Passanten.

Die beiden Frauen jedenfalls beachten ihn nicht, sondern spazieren keine Armlänge entfernt vorbei in Richtung einer kleinen Bank, wo sie eine ganze Weile sitzen bleiben. Vergessen ist das Westwark und jeder Gedanke an Ablenkung. Olyvar lehnt sich in Hörweite an einen steinernen Pfeiler, beobachtet das Treiben, schleckt sich den Honig von den Fingern und spitzt seine Ohren. Die Versuchung, sich gleich hier und jetzt Shyada zu schnappen ist groß. Sie ist hier in unmittelbarer Nähe und bis auf das dünne Hutmädel ganz allein... jedenfalls kann er absolut niemanden in der Nähe der beiden jungen Frauen entdecken, der auch nur irgendwie nach Aufpasser oder Beobachter aussieht. Das heißt noch lange nicht, dass sie auch tatsächlich allein sind, mahnt er sich selbst zur Geduld. Also überstürz nichts. Abgesehen davon würdest du mit Shya nicht einmal zehn Schritt weit kommen, ohne dass es einen Riesenaufstand gibt. Sie kennt ja nicht einmal sich selbst mehr, geschweige denn dich. Olyvar kann sich lebhaft vorstellen, was geschehen würde, würde er die Amazone einfach wegschleppen wollen und ergibt sich seufzend in sein Schicksal. Außerdem liefert ihm das Gespräch der beiden mehr aufschlussreiche Hinweise, als er zu hoffen gewagt hätte... auch wenn Shyas Art zu reden, ihre Mimik und ihr Tonfall sich ganz und gar fremd anhören. Was immer man ihr eingeflösst hat – und Olyvar kann beobachten, dass die junge Frau, die Shyada Selli nennt, ihr irgendeinen Trank verabreicht, wohl die vorhin erwähnte "Medizin" – scheint mehr als gut zu wirken. Shya erweckt den Eindruck, ein völlig fremder Mensch zu sein. Sie hat offenbar wirklich nicht die geringste Ahnung, wer sie eigentlich ist, dass sie entführt wurde, warum sie hier ist oder was sie noch erwarten mag. >Wusstest du, dass in der Stadt ein Zirkus ist? Hast du schon mal einen gesehen? Ich nicht, aber ich würde gerne. Ob es Jamar erlauben würde, wenn wir da mal hingehen würden? Wenn wir länger hier in Blurraent bleiben würden, kann es ihm doch eigentlich egal sein, oder nicht? Er hat uns ja erlaubt, dass wir uns die Stadt ansehen dürfen....< Olyvar traut seinen Ohren nicht.  Jamar erlaubt ihr, sich die Stadt anzusehen?! Entweder der Südländer ist ein kompletter Volltrottel oder aber er wiegt sich hier in absoluter Sicherheit. Wohl eher letzteres. Meinen Dank auch, Jamar. Wer hätte gedacht, dass du dich so schnell auf dünnes Eis begibst...
Das Hutmädchen zuckt nur mit den Schultern und erwidert recht jovial, dass man Jamar fragen müsse, aber in ihrer Stimme schwingt zugleich Unbehagen und geweckte Neugier auf den Zirkus mit. Überhaupt klingen die beiden Mädchen eher wie zwei folgsame Töchter, die sich nicht so ganz sicher sind, wie sie ihrem strengen Vater mit einer Bitte kommen sollen, doch dann überwiegt die Anziehungskraft von "Maester Pimpernells Karneval" doch. Aufgeregt wie flatternde Hühnchen eilen sie zum nächstbesten Zirkusplakat, das an einer Hausecke klebt, und plappern dabei unentwegt über die beste Taktik, Jamar zu überzeugen, die Vorstellung besuchen zu dürfen. Olyvar behält sie im Auge, bis sie im "Singenden Esel" verschwunden sind, aus dem sie auch nicht wieder auftauchen, und kann immer noch nicht ganz fassen, was ihm der pure Zufall gerade vor die Füße gespielt hat.

Götter im Himmel... Tagelang hatten sie die ganze Stadt durchkämmt und nun findet er Shyada ausgerechnet hier, als er überhaupt nicht beabsichtigt hatte, sie zu suchen. Nein, ich wollte angenehme weibliche Gesellschaft... In Gedanken schon halb mit möglichen Strategien beschäftigt, wie sie die Amazone am schnellsten und unauffälligsten erwischen und aus der Gewalt ihrer Entführer befreien könnten, sucht er mit den Augen jedes Detail des Flussmarkts, der hinführenden und abgehenden Straßen, die in Frage kommenden Fluchtwege, die Häuser, Deckungen, Entfernungen und so fort ab, prägt sie sich ein und kommt zu dem Schluss, dass sie schon einen verflucht guten Plan brauchen, um Shya hier unbemerkt herauszuholen. Verdammt! Sie ist so nahe... keine hundert Schritt entfernt, a dhia! Sein Blick fällt auf das Plakat, das sie beiden jungen Frauen so aufgeregt umschnattert hatten. Er kennt es, denn die Anschläge hängen schon seit Tagen in Blurraent aus, bisher hatte er es aber stets nur überflogen. "Maester Pimpernells Karneval" wird dort in großen Lettern angepriesen, ebenso wie "Wilde Tiere, Schlangenmenschen, Reiter des Windes, Tanzende Sphinxen, echte Wahrsagerei und atemberaubende Kunststücke am Hochseil". Was Olyvar jedoch ins Auge sticht, ist ein kleiner Vermerk unter den bunten Bildern der feilgebotenen Besonderheiten. "Vorstellungen für die Allgemeinheit auf jedem Markt der Stadt und vor jedem größeren Gasthof". Er steht hier auf dem Flussmarkt, der "Singende Esel" grenzt direkt an. Der Karneval wird hier spielen. Sie treten hier auf.... Noch bevor er den Gedanken und alle Einfälle, die ihm folgen, überhaupt zu Ende gebracht hat, hat er das Plakat schon von der Wand gerissen und ist auf dem Rückweg zum Hafen und dem "Glücklichen Bootsmann". Den ganzen Weg über nimmt der wilde Plan, der ihm durch den Kopf geistert, mehr und mehr Gestalt an, und obwohl Olyvar selbst ihn mehr als einmal völlig verrückt nennt, ist er dennoch gut. Er ist mit Sicherheit irrwitzig und riskant, aber er beinhaltet alles, was sie brauchen - und ein besserer will ihm einfach nicht einfallen. Im Bootsmann angekommen, findet er ihre kleine Truppe in der ansonsten nur wenig besuchten Schankstube am Kamin, der jedoch wegen der Wärme nicht geheizt, sondern sauber ausgefegt ist, doch er geht angesichts neugieriger Augen und Ohren kein Risiko ein und scheucht sie mit den knappen Worten, er habe Neuigkeiten alle hinauf in sein Zimmer. Oben angekommen verschließt er die Tür und blickt in eine Reihe erwartungsvoller Gesichter. "Gefunden. Ich habe Shya und Jamar gefunden. Und..." fährt er fort, bevor alle anfangen können, wild durcheinander Fragen zu stellen und entrollt das Zirkusplakat, so dass es jeder sehen kann, "einen Plan."

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Jamar am 10. Okt. 2006, 12:16 Uhr
Singender Esel/ Flussmarkt



Hätte Jamar vorher gewusst, wie sich seine Zusage auswirkt, hätte er vielleicht doch noch ein weiteres Mal und viel genauer darüber nachgedacht. Kaum, dass sie sich am Morgen zum gemeinsamen Frühstück versammelt haben, schnattern die beiden Frauen los und hören gar nicht mehr auf. Selbst Selainee die sonst eher stumm dasitzt und sich das Gebrabbel der Amazone antut, scheint von der euphorischen Stimmung, einen Zirkus sehen zu können angesteckt worden sein. Zu Jamars Leidwesen, findet auch Darwik immer mehr Gefallen daran und schon bald haben er und Ismael es mit drei aufgescheuchten Gänsen zu tun, die es nicht einmal schaffen, für wenige Augenblicke still zu sein. Derweil Ismael sich noch Mühe gibt, um dem Gespräch oder eher dem Durcheinander an Wortfetzen, zu folgen, schaltet Jamar einfach ab und lässt seinen Blick durch den Schankraum irren. Irgendwie gibt es ihm zu viele offene Fragen in diesem Spiel. Und alles was er hat ist dieser Brief von Aswhang. Was wenn er nur eine Finte war? Aber würde sie wirklich soweit gehen und das Siegel der vn Reyes für ihre Zwecke ausnutzen? Zutrauen würde er ihr es eigentlich nicht, aber die Chancen sie in dieser Stadt ausfindig zu machen, sind für ihn noch immer verschwindend gering. Selbst wenn jemand wüsste, dass sie irgendwo hier wären.... es würden Tage, wenn nicht sogar Wochen vergehen, bis man einander ausfindig gemacht hat. Zeit, die sinnlos mit herumsitzen und warten verschwendet würde. >“Ob dieser Oger, von dem sie erzählen auch zum Zirkus gehört?“< Er blickt kurz zu Shyada, die vom heißen debattieren schon ganz rote Wangen bekommen hat und versinkt dann wieder in seiner Gedankenwelt. Ja der Zirkus war eine gute Idee, es würde sie ablenken und Selainee hoffentlich auch. Letztere ist zwar nicht ganz so hibbelig, aber auch bei ihr scheint diese Zusage den gewünschten Erfolg zu bringen. Der Auftritt würde zwar mächtig an seinen eigenen Nerven zerren, da solche Veranstaltungen nur schlecht zu überblicken sind, aber solange es die beiden Frauen für eine Weile wieder bei Laune hält und die Zwischenfälle der Reise vergessen lässt, soll es ihm recht sein. Du könntest sie auch einfach knebeln und in ihr Zimmer sperren. Hier kennen sie eh keinen mehr, um Hilfe zu erwarten. Bei dem Gedanken funkeln seine Augen belustigt. Das wäre durchaus nach seinem Geschmack, aber sollte Kestra später Spuren von Knebel oder Fesseln entdecken, würde sie ihm vermutlich den Hals umdrehen.

Ohnehin erscheint es ihm, noch immer abwegig, dass ausgerechnet die Amazone ihre Enkelin sein soll. Und davon abgesehen, warum sollte sich Kestra freiwillig jemanden ins Haus holen, der sie weiteres Geld kostet? Seine Vermutung geht zwar dahin, dass er Shyada an einen reichen Schnösel verschachern will, damit sie selbst wieder zu Geld und zu Ansehen kommt, aber wie bei allen Zwölfen, wollen sie dieses Weibsbild dauerhaft ruhig stellen? Kestra weiß zwar noch nichts von ihrem Glück, aber sie wird es erfahren und dann wird man in Torhof wieder das Gefühl haben, dass der Dunkle persönlich aufgetaucht ist. Wäre er jemand der sich seine Gedanken und Gefühle anmerken lässt, hätte er wohl theatralisch aufgeseufzt, so aber beschließt er sich wieder auf seine durchaus interessante Reisegesellschaft zu konzentrieren, die wie es anders nicht sein kann, noch immer über Kuriositäten diskutieren. Als er Ismaels Blick erhascht, macht er ihm auf diese stumme Art gleich klar, dass er kurz nach draußen geht, um sich umzusehen und verlässt daraufhin, ohne ein weiteres Wort an die anderen, den Tisch. Natürlich lässt sich niemand davon stören. Eigentlich ein gutes Zeichen für ihn. Die Frauen und Darwik sind in ihrer eigenen Welt versunken und könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht unauffälliger sein, als wenn sie ihm gegenüber misstrauisch und reserviert handeln.

Es ist nicht zu früh, aber doch recht zeitig am Morgen und trotzdem glänzt der Flussmarkt schon wieder in fast kompletter Ausstattung. Doch dieses Mal ist der gesamte mittlere Teil frei geblieben und nur am Rande reihen sich die Marktbuden und Händlerwagen aneinander. Zahlreiche Fuhrwerke stehen kreuz und quer auf dem gepflasterten Platz und dutzende Männer tragen allerhand Gerätschaften umher. Jamar weiß nicht genau, wann die Vorstellung beginnen soll, aus diesem Grund ist er eigentlich auf der Suche nach einem von diesen albernen Plakaten, aber so wie die Männer umhereilen, scheint ihnen die Zeit im Nacken zu sitzen. Irgendwo ziemlich in der Mitte des Platzes steht ein kleiner, beinah runder Mann mit gestreiften Hosen und nacktem Oberkörper und freut sich des Lebens, während er einen Befehl nach dem anderen ruft. Jamar kann absolut nicht nachvollziehen, warum man ausgerechnet ihm gehorchen sollte, aber so wie es aussieht, scheint es sich bei dieser Witzfigur um den Maester Pimpernells handeln zu können. Da Jamar sich ohnehin nicht für den Zirkus oder irgendwelche Aufbauarbeiten interessiert, wohl aber die Kinder dieses Stadtbereichs, die sich zahlreich einfinden, lenkt er seine Schritte zu einem Baum, wo die bunten Zeichnungen und Lettern des Zirkus’ prangen. Rasch hat er alle Einzelheiten die ihm das Pergament verrät erfasst. Allem Anschein nach, soll es mehrere Vorstellungen geben und die erste gleich zum Sonnenhöchststand beginnen. Sollten sie also wirklich noch irgendwelche riesigen Bühnen aufbauen wollen, dann hätten sie wirklich noch allerhand zu tun, aber was kümmert es Jamar, er braucht sich ja nicht abzuhetzen. Von seinem jetzigen Platz aus, lässt er auch noch gleich einen Blick über den Markt gleiten. Noch kann man nur erahnen, wo die Bühne stehen wird, aber von ihrer Taverne aus, hätten sie wirklich einen  nahezu perfekten Überblick. Doch diese Variante ist er bereits durchgegangen und fällt somit weg. Die Händler ringsherum würden es schwierig machen, einen Überblick zu behalten wer kommt und wer geht, aber es genauso erschweren, sich behände einfach aus dem Staub zu machen. In Normalfall verursachen solche Veranstaltungen nämlich einen ziemlich großen Andrang. Da kann man schon froh sein, wenn man einen Schritt um sich herum Platz hat. Über eine Stunde läuft Jamar den Platz ab, kontrolliert Möglichkeiten, wie er und Darwik sich postieren können und wo er Shyada und Selainee am besten hinschickt, um sie möglichst sicher, weit entfernt von Seitenstrassen zu haben.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Achim am 14. Okt. 2006, 11:56 Uhr
Als Olyvar am späten Nachmittag von seinem Ausflug in die Gaststube zurückkehrt, trägt er einen Ausdruck im Gesicht wie die vielzitierte Katze, die eben den Kanarienvogel verspeist hat. Achim quittiert das zufriedene Grinsen seines Lord Commanders allerdings nur mit neidischen Blicken, einem abgrundtiefen Seufzer und einem Zucken seiner Brauen. Tja, wenn es ein Westwark für Oger geben würde, dann würde ich jetzt vermutlich genauso selig aus der Wäsche schauen, suhlt er sich in himmelschreiendem Selbstmitleid. Aber in dieser dreimal verdammten Stadt ist ja alles nur auf Zwergengröße zugeschnitten, pah! Genau weiß er zwar nicht, ob Olyvar wirklich im Westwark gewesen ist, aber dessen Miene hatte Bände gesprochen, als er den Bootsmann verlassen hatte, und selbst ein Oger braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wohin den Lord Commander der kleine Abstecher vermutlich geführt hatte. Bevor Achim jedoch in beleidigtem Schmollen über die Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen und die in Blurraent im Besonderen versumpfen kann, scheucht Olyvar sie alle mit der verschwörerisch geflüsterten Mitteilung, er habe wichtige Neuigkeiten, von den Bänken und über die Stiege hinauf in sein Quartier. Was er ihnen dann offenbart, lässt dem Oger und den beiden Mädchen dann im wahrsten Sinn des Wortes die Kinnlade auf die Brust klappen - zumindest Achim hat Schwierigkeiten, seinen gewaltigen Unterkiefer wieder in eine halbwegs normale Stellung zu bringen. >Gefunden<, verkündet Olyvar und lässt damit schlagartig all ihre durcheinanderschwirrenden Fragen verstummen. >Ich habe Shya und Jamar gefunden. Und ... einen Plan.<

Völlig konsterniert starrt Achim auf das pergamentene, kreischend bunt bemalte Plakat, das der Lord Commander zugleich entrollt und ihnen triumphierend unter die Nasen hält. "Maester Pimpernells Karneval...", entziffert er mit angestrengt gefurchter Stirn und sein Blick irrt verständnislos zwischen dem Zirkusplakat und seinem Commander hin und her. "Häh? Shyada gibt Zirkusvorstellungen? Als was denn? Als männermordende Amazone?" Olyvar rollt nur leicht entnervt die Augen gen Himmel und scheint für einen kurzen Moment sämtliche Götter inbrünstig um Beistand anzuflehen, dann fasst er sich wieder, berichtet ihnen in knappen Worten von seiner Begegnung mit Shya und dem schlapphuttragenden Mädel, mit der sie im "Singenden Esel" verschwunden war, und versucht gleich darauf, ihnen besagten Plan zu erklären, mit dem er Shyada zu retten gedenkt. Zum zweiten Mal an diesem Abend sinkt Achim die Kinnlade auf die Brust, denn das, was Olyvar vorhat, ist derart abstrus und wahnwitzig, dass der Oger im ersten Augenblick glaubt, sich einfach verhört zu haben. "Ähm, Moment mal", wirft er misstrauisch ein, als der Lord Commander seine Erklärungen beendet, "ich glaube, ich muss da etwas falsch verstanden haben. Lass' mich das noch einmal rekonstruieren. Es gibt also einen Zirkus in der Stadt, der vor jedem größeren Gasthaus eine Vorstellung gibt. Der Zirkus wird auch auf dem Platz vor der Taverne auftreten, in der Shyada gefangengehalten wird. Und wir sollen uns in diesen Zirkus einschleichen. Wir vier." Achims Blick schweift durch die Runde, wandert zu einem Lord Commander mit zerzaustem Haar und Tarnkluft, der gerade versucht, ihnen ein aberwitziges Himmelfahrtskommando schmackhaft zu machen, weiter zu einer hochnäsigen, weißhaarigen Elbin, die es schon für unter ihrer Würde hält, mit Matrosen am gleichen Tisch zu sitzen, schließlich zu einer hageren, abgerissenen Gestalt, die so ziemlich das unweiblichste weibliche Wesen ist, das ihm jemals begegnet ist und deren freundlichster Gesichtsausdruck ein verbissenes Knurren ist, und bleibt letztendlich an seinen eigenen Füßen hängen. Ogerfüße, knapp einen dreiviertel Schritt lang mit wuchernden Haarbüscheln zwischen den schwieligen Zehen. Herrje, ich müsste dringend einmal wieder die Nägel schneiden. "Wir vier. Als Artisten. Dann warten wir, bis Shya im Publikum auftaucht - falls sie denn überhaupt auftaucht - , schalten ihre Bewacher aus, lenken die Leute ab, metzeln Jamar und seine Kumpane nieder, klemmen uns die Amazone unter den Arm, zaubern uns schwuppdiwupp auf das Schiff, das meilenweit entfernt irgendwo im Hafen liegt, ziehen der Blurraenter Stadtwache lange Nasen und segeln zurück nach Talyra. Alles klar. Guter Plan. Er hat nur einen Haken - er wird niemals funktionieren."

Olyvar bedenkt ihn mit einem äußerst geduldigen Blick. "Ja, genau", bestätigt er und legt alle Überzeugungskraft, deren er mächtig ist, in seine Stimme. "Wir vier. Als Artisten. Aswhang geht sicher als Magierin durch, Diantha kann als Messerwerferin auftreten, und ich werde mich als Feuerschlucker und Dompteur ausgeben", schließt er im Brustton der Überzeugung. Achim beäugt ihn nur mit äußerst zweifelndem Blick. "Dompteur? Dompteur von was denn?" Das Grinsen, das sich daraufhin in Olyvars Mundwinkeln zeigt, trägt eindeutig diabolische Züge und bringt schlagartig sämtliche Alarmglocken im ogerschen Oberstübchen zum Bimmeln. "Ooooooh nein. Nein. Nein. Nein. Das kannst du vergessen. Shyadas Rettung hin oder her, ich werde auf keinen Fall dem respektablen Ruf der Oger schaden, auf gaaar keinen Fall! Wenn Tante Hildegund wüsste, was du mit mir vorhast, würde sie dir die Ohren so langziehen, dass du dich damit zudecken könntest! Außerdem könnte ich das gar nicht - ich bin ein netter Oger, kein bösartiger Menschenfresser, nur zu deiner Information." Schließlich lässt er sich doch erweichen, den bösen, geifernden Oger zu mimen, mit dem das Publikum in der Vorstellung abgelenkt werden soll, denn immerhin geht es um eine gute Sache - wenigstens hofft Achim das. Da er Shyada kennt, hat er daran zwar berechtigte Zweifel, aber wenn Olyvar glaubt, der Welt dadurch einen guten Dienst zu erweisen, indem er eine spuckende, beißende, tretende, um sich schlagende, keifende, kratzbürstige Giftspritze zu retten, dann ist ihm wohl einfach nicht zu helfen. Außerdem konnte er dem bittenden Hundeblick seines Lord Commanders noch nie widerstehen, also hievt er seine gewaltigen Körpermassen von der Bettkante, auf der er sich niedergelassen hatte, steigt in seine Stiefel und ergibt sich seufzend in sein Schicksal. "Bist du am Ende in sie verliebt? Klar, du musst ja in sie verliebt sein - das wäre der einzige Grund, dass jemand überhaupt auf die Idee kommen würde, dieses schreckliche Weibsbild zu retten. Warum lassen wir sie nicht einfach hier? Oder bei diesem Zirkus? Hinter Gitterstäben wäre sie doch ganz gut aufgehoben, meinst du nicht? Und apropos ... wenn ich schon in einem Zirkus auftreten muss, dann will ich auch ein entsprechendes Kostüm haben. Ich dachte da an ein nettes Glitzerröckchen, vielleicht mit Rüschen, das würde mir bestimmt gut stehen. Oder eines dieser niedlichen Spitzenschirmchen ... oder eine Federboa, was meinst du? Glaubst du, Rosa passt zu meinem Teint? Oder lieber Himmelblau?"

Sie halten sich gar nicht mehr lange im Bootsmann auf, sondern brechen sofort auf und machen sich auf den Weg zum Hauptquartier von Maester Pimpenells Karneval, der sein Lager, wie weithin bekannt ist, im Osten Blurraents aufgeschlagen hat. Inzwischen hat sich der Abend über die Stadt gesenkt und mit ihm wieder einmal Regenwetter. Die Kapuzen ihrer Umhänge tief in die Gesichter gezogen, bahnen sie sich ihren Weg durch matschige Gassen, Pfützen und gurgelnde Rinnsale, bis sie schließlich wie ein Rudel nasser Katzen den großen Platz erreichen, auf dem der Zirkus seine Zelte aufgeschlagen hat. Als hätte ein Riese seine Spielzeugkiste ausgekippt, stehen auf dem weiten, pfützenübersäten Feld in einem wirren Durcheinander die Wägen der Zirkusleute und Schausteller, bunt bemalte Karren, Zelte und mit Tüchern verhängte Käfige, zahllose Planwagen und Kutschen, lustig anzuschauende Häuschen auf Rädern und provisorisch errichtete Unterkünfte. Trotz des regnerischen Wetters herrscht zu dieser Stunde ein erstaunlich geschäftiges Treiben und der Platz zwischen den Zelten und Wagen scheint regelrecht überzuquellen vor buntgewandeten Artisten, durcheinander rennenden Pferdeknechten und einem Sammelsurium der kuriosesten Gestalten. Sie sehen Seiltänzerinnen in koketten Kostümen, einen bärtigen Feuerschlucker, der gewaltige Flammen in den verregneten Abendhimmel pustet, Jongleure und Kunstreiter in farbenprächtigen Gewändern, einen buckligen Narren mit Federstock und Schellenkappe, schwarze Moriskentänzer und eine Horde winziger, verwachsener Gnome, Lautenspieler und Fanfarenbläser, einen dunkelhäutigen Jungen, der, nur mit einem ledernen Schurz bekleidet, auf einem ohrenwackelnden Elefanten an ihnen vorüber reitet, eine grell geschminkte und gepuderte Dame, die einen Karren voller buntgelockter Hunde hinter sich her zieht, Zigeuner und fahrendes Volk, Schlangenmenschen und Zauberer mit riesigen Hüten, buntgeschmückte Pferde, einen Tanzbären und sogar einen leibhaftigen kleinen Drachen. Zumindest sieht das Wesen auf den ersten Blick so aus, beim Näherkommen stellt sich allerdings heraus, dass es sich um eine Art große Eidechse mit angeklebten Flügeln handelt. "Gütige Götter", stöhnt Achim angesichts dieser verwirrenden Vielfalt, "wie sollen wir in diesem Durcheinander nur so etwas wie einen Direktor finden?"

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Diantha am 19. Okt. 2006, 23:13 Uhr
Die Tage vergehen eingängig. Von morgens bis abends suchen sie nach der Frau und ihren Entführern, doch haben sie kein Glück. Egal wie viel Geld sie zum Fenster hinausschmeißen, keiner hat was von einem Südländer gehört oder gesehen. Bei der gesamten Truppe sinkt die Laune nach den ersten Tagen erheblich, was zu zahlreichen Diskussionen führt, an denen sich Diantha nur halbherzig beteiligt.  Was soll all das reden, es führt doch zu nichts. Nur weil man sich den Kopf über den Entführer und sein Opfer heiß redet, wird er nicht im nächsten Moment um die Ecke kommen und schreien: „Hier bin ich! Ihr habt so viel über mich  geredet, ich ergebe mich freiwillig!“ Während die anderen also leidenschaftlich darüber diskutieren, wieso sie Shyada noch immer nicht gefunden haben, genießt Diantha das für sie kostenlose Essen und das weiche Bett, das ihr zunehmen besser gefällt. Ich gewöhne mich hier an einen Lebensstil, den ich nie werde halten können... Aber warum soll ich es nicht genießen, solange es dauert?
Zusätzlich zu der ergebnislosen Suche schlägt ihren Mitreisenden das Wetter aufs Gemüt, es ist kühl und nass. Das muss wohl einer der Gründe sein, aus dem Aswhang kaum ein Wort mit Diantha wechselt, obwohl sie das Zimmer teilen. Für die Immerfrosterin hingegen ist das Wetter kein Grund für schlechte Laune, sondern ganz normal. Achim scheint es auch nicht so viel auszumachen, aber sogar  Olyvar lässt dann und wann mal seine schlechte Laune durchblicken, was Diantha einige Genugtuung bringt. Er ist also doch ein Mensch und nicht die Perfektion in Person!

Je länger sie in der Stadt bleiben, desto verrückter benehmen sich die Leute. Hatten sich anfangs nur Wenige über den in Kürze in die Stadt kommenden Zirkus unterhalten, entwickelt sich das Thema zunehmenden zum Stadtgespräch. Bald geht es rund um die Uhr nur noch einzig darum, was ja an sich nicht so schlimm wäre, auch die bunten Plakate stören nicht weiter. Doch das furchtbare ist, dass Achim ständig darauf angesprochen wird, ob er ein Zirkusoger ist, was vermutlich jeder andere freie Oger als Beleidigung angesehen hätte, doch nicht so Achim. Nein, der glaubt natürlich prompt für eine Zirkuskarriere auserwählt zu sein und teilt das allen in den blumigsten Worten mit, egal ob sie es wissen wollen oder nicht. Diantha will es definitiv nicht wissen, was Aswhang genauso zu gehen scheint, das ist auch so ziemlich das einzige, was die beiden Frauen miteinander verbindet.

Nach sechs Tagen hat auch die Immerfrosterin allmählich Zweifel, ob sie Shyada in dieser Stadt noch finden werden. Sie haben fast alle Gasthäuser abgeklappert, es sind nur noch eine Handvoll übrig und wie wahrscheinlich ist es, dass der Entführer Shyada ausgerechnet dorthin gebracht hat? So schließt sich sogar Diantha mit den Trübsaal blasenden Achim und Aswhang zusammen, die für Achims Verhältnisse schweigend, in der Gaststube sitzen und sich ein wenig des Alkohols münden lassen. Natürlich achten sie alle darauf, dass sie am nächsten Tag nicht sturzbesoffen sein werden, aber ein wenig Met und Wein hat noch keinem geschadet, der der Auffassung ist, dass die Welt es nicht gut mit ihm gemeint hat. Es ist eine nahezu groteske Situation, wie die drei so unterschiedlichen Wesen, nicht nur in Aussehen, sondern auch in Charakter, zusammensitzen und jeder für sich mit der Welt hadert. Gesprochen wird nicht viel, worüber auch? Trotzdem ist es auf eine merkwürdige Art und Weise ... angenehm so zusammen zu sitzen.
Olyvar verschwindet ganz unauffällig – ja wohin wohl nur, so ganz alleine? Garantiert um alleine nach Shyada zu suchen ... oder vielleicht nach einer anderen Frau. Jedenfalls grummelt Achim ein wenig, dass er eine dralle Talyrerin gut gebrauchen könnte und dass die Frauen in dieser Stadt Oger nur als Zirkusattraktionen ansehen. Darauf schweigt Diantha wohlweißlich, man muss Achim ja nicht unbedingt mitteilen, dass er nun mal nicht der Traum der schlaflosen Nächte vieler Frauen darstellt. Auch Aswhang sagt nichts darauf, was wieder zu einer langen Stille führt.

Diese wird abrupt von einem über das gesamte Gesicht strahlenden Olyvar unterbrochen. Na, dein AUSFLUG hat dir wohl wirklich gut getan, hm? Als er sie nach oben scheucht ist Diantha doch ziemlich verwirrt, will er ihnen jetzt im Detail mitteilen, wie toll es war? Doch nein, scheinbar hat der Offizier nicht das getan, was sie ihm unterstellt hat, sondern tatsächlich nach Shyada gesucht. Und das Skurrile ist: Er hat sie auch noch gefunden. Tja, da stellt sich wirklich die Frage ob Achim, Aswhang und Diantha nicht nur als Anhang mitgenommen wurden oder um auf sie aufzupassen, damit sie auch bloß keinen Unsinn anstellen. Einerseits ist es natürlich toll, dass Shyada endlich gefunden wurden und Olyvar sogar einen Plan hat, andererseits ist dies ein weiteres Zeichen, dass der Offizier einfach eine ganz andere Sorte Mensch ist als die Immerfrosterin, gut aussehend, intelligent und wohlerzogen, wie aus einem Märchenbuch entsprungen. Neben ihm kommt sie sich grau und farblos vor, wie der Abschaum der Menschheit.
Schnell vertreibt die Immerfrosterin diese negativen Gedanken und lauscht Olyvars zugegeben sehr tollkühnen Plan. Zuerst einmal hat er herausgefunden, dass Shyada von einem Mädchen mit Schlapphut bewacht wird und das zumindest die beiden, aber vermutlich auch der Südländer und eventuelle weitere Entführer eine Vorstellung des vermaledeiten Zirkus besuchen werden.  Dort sollen sie vier nun als Artisten auftreten, plötzlich während der Vorstellung Shyada von ihren Begleitern befreien und mit ihr die Heimreise antreten. Achim äußert seine Meinung sehr direkt und auch Diantha kann sich dem nur anschließen: Die Wahrscheinlichkeit, dass das funktioniert ist nicht besonders hoch.
Der Offizier lässt sich jedoch nicht davon abbringen, ist vollkommen überzeugt davon, dass sie mit seiner Masche durchkommen und man Aswhang als Magierin und Diantha als Messerwerferin durchkommen lässt. Das kann sich die Immerfrosterin durchaus gut vorstellen, die Elbe hat etwas geheimnisvolles und mit der richtigen Kleidung lässt sich da sicherlich etwas machen. Sie selber als Messerwerferin dürfte eigentlich auch funktionieren. Olyvar als Feuerspucker kann sie sich nicht so gut vorstellen und Achim als wildes Monster erst recht nicht. Vielleicht steckt ja irgendwo in diesen riesigen Pelzvorhang etwas animalisches, bisher hat er aber nicht sehr viel davon durchblicken lassen. Sonst hätte er sich schließlich auch nicht so eins zwei drei dazu überreden lassen, etwas zu machen, was in seinem Volk scheinbar als ehrlos angesehen wird. Aber was weiß Diantha schon über das Volk der Oger und Achims Beziehung zu eben diesem?
Bezeichnend ist mal wieder, wie er davon zu faseln beginnt, was für ein Kostüm er als Bestie brauchen würde. Wer Achim einmal davon hat reden hören, dass ihm rosa Tütüs und Federboas stehen, kann ihn einfach nicht mehr als bedrohlich ansehen. Es stellt sich auch die Frage ob er tatsächlich so ist, oder ob er nur eine Show abzieht um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Vielleicht kann er ja ein Publikum davon überzeugen, dass er böse ist, wenn er aufhört zu reden und ein wenig grimmig aus der Wäsche schaut.

Da niemand eine bessere Idee als Olyvar hat, verlassen sie das Gasthaus und machen sich auf dem Weg zum Zirkus, der nicht schwer zu finden ist. Allerdings liegt er ein ganzes Stück weg, eine Strecke die sie im strömenden Regen gehen müssen, was zu einem guten Erscheinungsbild nicht gerade beiträgt. Im Klartext: Sie sind klatschnass und haben schlechte Laune.
Auf dem Platz, auf welchem der Zirkus sein Lager aufgeschlagen hat, herrscht das absolute Chaos, in dem es nicht einmal den Hauch einer Ordnung zu geben scheint. Alle wuseln wild durcheinander, ob nun mit schrillem Kostüm oder ohne, jeder scheint zu wissen wo er hin will aber für einen Außenstehenden sieht es aus, als ob ein Haufen Verrückter mit allerlei Getier ziellos über den Platz läuft. Und das trotz des schlechten Wetters teilweise nur in Lendenschurz oder knappen Tanzkleidern! Zirkusvolk  ist schon was Einzigartiges.
Selbst Achim scheint überwältigt. >"Gütige Götter, wie sollen wir in diesem Durcheinander nur so etwas wie einen Direktor finden?"< Also eigentlich müsstest du mit deinen gut und gerne acht Fuß einen ganz guten Überblick haben, nur das komische graue Tier mit den zwei langen weißen Zähnen ist größer als du und das auch nicht gerade viel! Doch Diantha verkneift sich einen Kommentar.
Als sie gemeinsam ungefähr den Mittelpunkt des Platzes erreicht haben – es ist wirklich erstaunlich, wie wenig sie auffallen, obwohl ein ausgewachsener Oger unter ihnen ist, aber Ausgefallenes scheint hier an der Rangordnung zu stehen – als sie jemand laut brüllen hören: „WAS macht ihr da?“
Irritiert sieht sich die Immerfrosterin um, als sie plötzlich von einem auffallend kleinen Mann zur Seite geschubst wird, der wie ein Racheengel auf eine Gruppe junger Frauen in feinen, hauchdünnen Seidenkleidern zu rennt, die ganz eindeutig Bauchtänzerinnen oder etwas in der Richtung sind. „In den feinen Kleidern! Die werden doch ganz nass! Ich habe euch gesagt ihr sollt IN EUREN WAGEN bleiben! Elendes Weibspack! Vor eurer nächsten Aufführung will ich euch hier nicht mehr sehen!“
Die meisten der Frauen wirken sehr verängstigt und eingeschüchtert von dieser Rüge, was Diantha so gar nicht nachvollziehen kann, wie kann jemand diesen kleinen, dicken Mann in einer überaus albernen, bunten Aufmachung nur ernst nehmen? Gut, eine laute, eindrucksvolle Stimme hat er, sonst aber auch nichts. Nur eine der Frauen wagt es etwas gegen ihn zu sagen, sie wirkt deutlich älter als die anderen, wenn auch noch nicht wirklich alt. „Maester Pimpernell führt Euch nicht so auf. Wir sind für unsere Kleider verantwortlich und werden dafür sorgen, dass sie bis zur nächsten Aufführung wieder in bester Verfassung sind!“
Pimpernell? Warte hieß der Zirkus nicht Maester Pimpernells Karneval oder so was in der Richtung? Soll das wirklich heißen, dass dieser Zwerg der Verantwortliche für diesen ganzen riesigen Zirkus ist?
„Das will ich auch für euch hoffen Amala, sonst seid ihr nämlich allesamt gefeuert!“, brüllt Maester Pimpernell und feuert noch die eine oder andere Schimpftirade auf die Frauen ab, die alle bis auf Amala auch reichlich ernst zu nehmen scheinen.
„Ich glaube dein Direktor hat uns gefunden“, stellt Diantha an Achim gerichtet fest. Na bei dessen Laune kann es ja heiter werden mit dem zu verhandeln um uns kurzzeitig einzustellen...

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Aswhang am 22. Okt. 2006, 22:48 Uhr
Sonnenlauf um Sonnenlauf verbringen sie mit der Suche nach Shyada, Jamar oder auch nur dem winzigsten Anhaltspunkt. Doch ihre Mühen bleiben gänzlich ohne Erfolg. War die Stimmung der Elbe bei Beginn dieser Aktion bereits nicht sonderlich gut, so ist sie mittlerweile auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Die Rolle einer Adligen scheint man ihr problemlos abzukaufen, doch die Kostümierung wäre nicht einmal notwendig gewesen; sie stoßen in all der Zeit nicht auf das kleinste Zeichen von Jamar. Inzwischen hat Aswhang das Gefühl, Blurraent in und auswendig zu kennen. – Nicht, dass es sich hierbei um eine Bereicherung handelt. Sie mag die Stadt nicht im Geringsten, was jedoch vermutlich vielmehr auf den Grund ihrer Anwesenheit, als auf Blurraent selbst zurückzuführen ist.
Die ermüdenden Diskussionen der kleinen Gruppe öden sie ebenso an, wie die alltägliche, ergebnislose Fragerei in den Wirtshäusern. Es scheint nicht die geringste Spur von dem Südländer oder Shyada zu existieren und Aswhangs Befürchtungen werden mit jedem vergangenen Tag größer. Wenn Jamar bereits abgereist ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, ihre Rache in die Tat umzusetzen…
Sie hatte es sich bisher selbst nicht eingestanden, doch als sie nach einer neuerlichen Enttäuschung mit Diantha und Achim schweigend an einem der Tische der Schankstube sitzt, wird ihr bewusst, dass sie die Hoffnung auf das Gelingen ihrer Pläne bereits aufgegeben hat. Vielleicht befindet sich Shyada bereits zurück bei den von Reyes…
Das Eintreffen Olyvars hindert die Elbe daran, ihren düsteren Gedanken weiter nachzugehen. Vorhin war er irgendwo hingegangen um irgendetwas zu tun. Was genau hatte die Elbe nicht interessiert, aber nun liegt eine Zuversicht in seinem Blick, die sie aufmerken lässt. Er habe Neuigkeiten, lässt er verlauten und verheißt der Gruppe, in sein Zimmer zu gehen. Aswhang weiß nicht recht, was sie davon halten soll, aber sie würde es ja hoffentlich gleich erfahren. Tatsächlich rückt der Lord Commander umgehend mit der Sprache heraus. Es scheint, als könne er es selbst kaum noch erwarten, seine Neuigkeiten hervorzubringen.
>"Gefunden. Ich habe Shya und Jamar gefunden. Und... einen Plan."<
Die Elbe braucht einige Sekunden, um das eben Gehörte zu verarbeiten. Im ersten Moment glaubt sie, sich verhört zu haben; im zweiten Moment zweifelt sie an der Aussage des Lord Commanders und erst im dritten Moment realisiert sie die Tragweite, Olyvars Worte.
Selbst wenn sie in der Lage gewesen wäre, etwas hervorzubringen - was aufgrund ihrer maßlosen Überraschung nicht der Fall ist - hält sie es im Augenblick für sinnvoller den Mund zu halten und schweigend zu lauschen, was Olyvar erzählen wird. Noch immer hat sie Zweifel und ein möglicher Irrtum ist in ihren Augen ganz und gar nicht ausgeschlossen. Eine eventuelle herbe Enttäuschung ist nur zu vermeiden, indem sie vorerst skeptisch bleibt.
Der Lord Commander hält ein buntes Plakat in den Händen. >„Maester Pimpernells Karneval..."<, ließt der Oger vor. >"Häh? Shyada gibt Zirkusvorstellungen? Als was denn? Als männermordende Amazone?"< Mit einen kurzem Augenrollen macht Olyvar deutlich, dass dem selbstverständlich nicht so ist.
Aswhang hält sich noch immer zurück und der Lord Commander berichtet davon, Shyada zufällig auf einer Straße gesehen zu haben. Außerdem erzählt er von einem Gespräch zwischen ihr, einer anderen Frau und dass die beiden vorhaben, sich eine Zirkusvorstellung anzusehen. Das Gesicht der Elbe bleibt regungslos, doch ihre Zweifel wachsen ins Unermessliche. Jamar soll einer derart wichtigen Geisel einen Zirkusbesuch gestattet haben? Entweder Olyvar leidet unter Wahnvorstellungen oder der Südländer ist nachlässig geworden. Es sieht Jamar allerdings absolut nicht ähnlich, sich in vollkommener Sicherheit zu wiegen. Ich traue der Sache nicht…
Noch seltsamer, als der Bericht des Lord Commanders ist der Plan, welchen er der Gruppe anschließend erläutert und Aswhang fällt es schwer, ihn nicht ungläubig anzustarren. Achim fasst das von Olyvar Gesagte noch einmal zusammen und er scheint diesem Vorhaben gegenüber nicht weniger abgeneigt zu sein, als Aswhang es ist.
>"Ähm, Moment mal, ich glaube, ich muss da etwas falsch verstanden haben. Lass' mich das noch einmal rekonstruieren. Es gibt also einen Zirkus in der Stadt, der vor jedem größeren Gasthaus eine Vorstellung gibt. Der Zirkus wird auch auf dem Platz vor der Taverne auftreten, in der Shyada gefangengehalten wird. Und wir sollen uns in diesen Zirkus einschleichen. Wir vier. Wir vier. Als Artisten. Dann warten wir, bis Shya im Publikum auftaucht - falls sie denn überhaupt auftaucht - , schalten ihre Bewacher aus, lenken die Leute ab, metzeln Jamar und seine Kumpane nieder, klemmen uns die Amazone unter den Arm, zaubern uns schwuppdiwupp auf das Schiff, das meilenweit entfernt irgendwo im Hafen liegt, ziehen der Blurraenter Stadtwache lange Nasen und segeln zurück nach Talyra. Alles klar. Guter Plan. Er hat nur einen Haken - er wird niemals funktionieren."<
Aswhang hört der Zusammenfassung des Ogers nur mit halben Ohr zu. Natürlich hatte sie den Plan sofort ebenfalls als vollkommen wahnsinnig eingestuft, aber nun überdenkt sie die Sache noch einmal gründlich. Es ist die einzige Idee, die sie haben und vielleicht würde gerade etwas Wahnsinniges am Ende gelingen. Sie spürt, wie ihre Abwehrhaltung ein wenig schrumpft.
Olyvar lässt sich von dem Oger scheinbar nicht beirren. >"Ja, genau. Wir vier. Als Artisten. Aswhang geht sicher als Magierin durch, Diantha kann als Messerwerferin auftreten, und ich werde mich als Feuerschlucker und Dompteur ausgeben"<
>"Dompteur? Dompteur von was denn?"<, wirft Achim ein. Anstatt einer Erwiderung beantwortet ein breites Grinsen des Lord Commanders diese Frage.
Bei der Vorstellung huscht für den Bruchteil einer Sekunde auch ein amüsiertes Lächeln über Aswhangs schmales Gesicht. Ich habe nichts zu verlieren. Da mir selbst nichts Besseres einfällt, um Shyada zu befreien, kann ich ebenso gut an Olyvars absonderlichen Idee teilnehmen. Immerhin ist sie ausgesprochen originell. Jamar wird keinesfalls damit rechnen.
Nach zahlreichen empörten Einsprüchen, stimmt der Oger schließlich doch zu und kurz darauf machen sie sich auf den Weg zu dem Lager von „Maester Pimpernells Karneval“. Wie die meiste Zeit, die sie bisher in Blurraent verbracht haben, regnet es. Aswhang macht das Wetter für gewöhnlich nichts aus, doch im Moment empfindet sie es als sehr unangenehm, zumal der Zirkus ein ganzes Stück entfernt ist. Bereits nach kurzer Zeit sind alle vier nass bis auf die Knochen.
An ihrem Ziel angekommen, beobachtet die Elbe fasziniert das geschäftige Treiben, der Zirkusleute, welche trotz des strömenden Regens allerhand Beschäftigungen nachgehen. Es handelt sich um einen schreiend bunten Haufen, der verschiedensten Wesen. Die Vielfältigkeit beeindruckt sogar Aswhang, welcher auf ihren Reisen schon viele Attraktionen untergekommen sind.
>"Gütige Götter wie sollen wir in diesem Durcheinander nur so etwas wie einen Direktor finden?"< Dieses Mal teilt Aswhang die Befürchtung des Ogers. Bei dem verwirrendem Durcheinander sieht sie keine Möglichkeit einen Überblick über das Geschehen zu erhalten. Während sie noch ein wenig angespannt den Blick schweifen lässt, ertönt plötzlich eine laute, keifende Stimme, welche einigen dummen Weibern begreiflich macht, in ihren Wagen zu verschwinden. Die Elbe betrachtet den lächerlichen kleinen Mann, von welchem der Befehl kommt. Bei dem nachfolgendem Gespräch zwischen ihm und einem der Mädchen stellt sich heraus, dass es sich bei dem Winzling doch tatsächlich um den Direktor dieses Zirkus handelt! Aswhangs Augenbrauen wandern geringschätzig nach oben. Wie kann man nur einer solch lachhaften Figur gehorchen?
Aber es spielt keine Rolle, wer Maester Pimpernell ist. Sie haben ihn gefunden und können nun ihr Anliegen vorbringen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Shyada am 08. Nov. 2006, 14:24 Uhr
Seit sie heute morgen aufgewacht ist und sich der Gedanke nachher einen Zirkus besuchen zu dürfen bei ihr festgesetzt hat, kann sie an nichts anderes mehr denken. Selli schien ihre Freunde anfangs nicht teilen zu wollen, hatte sich aber dann doch von ihr mitreißen lassen und seit sie beim Frühstück Jamar erfolgreich vertrieben haben, hat auch Darwik noch intensiver ihren Wunschvorstellungen angeschlossen. Gemeinsam schwärmen sie davon, was sie alles zu sehen bekommen und ob dieser Oger tatsächlich zu den Schaustellern gehört. Liomie weiß zwar nicht genau, was sie sich unter einem Oger vorzustellen hat, aber nachdem ihr Ismael erklärt hat, um was für ein Wesen es sich dabei handelt, ist sie felsenfest davon überzeugt, schon einmal einem begegnet zu sein. Natürlich fehlen ihr aber die Erinnerungen, um entsprechend in ihrem Kopf Bild herauf zu beschwören, so dass ihre gute Stimmung unmerklich ein wenig abflaut. Trotz aller Vorfreude kann sie sich an den gestrigen Tag nämlich noch sehr gut erinnern und das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, hält sich auch weiterhin hartnäckig. Doch ist es gleichermaßen auch viel zu wage, als dass es langfristig und anhaltend Beachtung bekommt. Die leeren Teller und Schüssel wurden bereits abgeräumt, von Jamar ist immer noch keine Spur und so langsam gehen auch Selli, Liomie und Darwik die Vorstellungen aus, so dass an ihrem Tisch langsam Schweigen eingeht.

Mit einem freudigen Lächeln und roten Wangen betrachtete Liomie die Gäste des Esels und fragt sich leise, wer von ihnen auch bei der Vorstellung heute zugucken würde. Das Hämmern der Arbeiten hatte schon heute früh begonnen und mit einem Blick aus dem Fenster hatte sich Liomie zudem davon überzeugt, dass es auch wirklich auf dem Markt vor ihrem Gasthaus und der Zirkus war. Während ihr Blick über die verschiedenen Männer und Frauen huscht, wird sie auch ein paar junger Frauen gewahr, die ihrem Äußeren nach, wohl Adelstöchter sind. Ihre Haare wurden kunstvoll nach oben gesteckt, die Kleider sehen nagelneu aus und alles an ihnen scheint perfekt zu sitzen. Die Mundwinkel verzogen, betrachtet Liomie die Mädchen verstohlen. Sie hat zwar auch ein Kleid an, dass irgendwann vor Beginn der Reise sogar mal sauber und komplett heil war, aber je länger sie sich die Kaufmannstöchter dort drüben anguckt, umso mehr hat sie das Gefühl, doch nur ein Bauerntrampel zu sein, der irgendeine Scharade spielt. Als ob du adlig wärst... Da ihr die Erinnerungen fehlen, glaubt sie einen Moment lang ernsthaft sich einbilden zu können, dass es vielleicht doch so wäre, aber schnell wird ihr klar, dass sie nicht mal ansatzweise, wie sich Adlige überhaupt zu benehmen haben. Dass sie aber eine Reihe von Regeln zu beachten haben, ist ihr dann doch bewusst und bei dieser Erkenntnis angelangt scheint es ihr doch nicht mehr so verlockend. Wobei sie die Mädchen weiterhin um ihr Aussehen beneidet. Und komische Narben haben sie bestimmt auch nicht. Sie seufzt einmal tief auf und beginnt ihre Finger vor Verlegenheit und Unsicherheit zu kneten, als Selli sie mit einmal anstupst und fragend ansieht. „Is’ nichts“, nuschelt sie leise und versucht sich ein Lächeln abzuringen.

Selli scheint aber genau zu wissen, was sie bedrückt, faselt in Richtung von Ismael und Darwik irgendwas davon, dass sie beide sich jetzt ein Weilchen zurückziehen und zerrt sie dann eilig die Treppe hoch. „Selli, was soll das?“ kommt es atemlos über ihre Lippen, als sie endlich in ihrem Zimmer zu stehen kommt und sich dem kritischen Blick ihrer Freundin gegenüber sieht. „Wir werden dich jetzt hübsch machen!“ Im ersten Moment reichlich verwirrt, starrt sie Selli einfach nur an und zieht dann die Stirn kraus. „Geht ja gar nicht.“
Prompt kommt jedoch die Antwort, dass das sehr wohl geht und Selli verschwindet kurz aus dem Zimmer, ohne dass Liomie den Grund erfährt, geschweige denn sie aufhalten könnte. „Was?“, fragend blickt sie die geschlossene Tür an und wartet darauf, dass ihre Freundin wiederkommt, was nur unmerklich später auch geschieht.
„Setz dich aufs Bett. Wir werden erstmal deine Haare waschen und dann machen wir die hübsch, ja? Und danach wird uns Shana von den Wirtstöchtern helfen, dich zu schminken!“ Eben noch dabei, den Befehl sich zu setzen auszuführen, ruckt Liomies Kopf herum und blickt Selli aus großen Augen an. „Schminken? Mich?... Das geht doch nicht... ich meine wir haben doch nichts und Jamar... er wird bestimmt schimpfen... außerdem bin...“ Sie schweigt und zuckt nur mit den Schultern. ...ich nicht hübsch und werde es auch nie sein. Den kopf gesenkt, lässt sie Selli machen, was auch immer diese für richtig hält. Der tadelnde Blick ist ihr zwar nicht entgangen, aber als hübsch hat sie sich wahrlich noch nie gefühlt. Und jetzt wo sie darüber nachdenkt, hat es auch noch nie eine Rolle gespielt. Sie ist ja schließlich nur irgendwer, den sowieso niemand für voll nimmt. Während Selli ihr die Haare wäscht und anschließend kämmt, schweigen die beiden Frauen und jede hängt ihren eigenen Gedanken nach, wobei Liomies nicht gerade dazu führen, dass sie sich besser fühlt. Sie weiß zwar, dass Selli es lieb meint, aber letztlich kommt sie sich gerade wie eine zu groß geratene Puppe vor, die man aus Langeweile hübsch machen will.

Irgendwann während ihre Haare zum fünften Mal durchgekämmt und provisorisch zu Testfrisuren hochgesteckt werden, klopft es an der Tür und vorher erwähnte Shana betritt das Zimmer. Genau wie ihr Vater hat sie ein pausbackiges Gesicht und ist ziemlich klein geraten. Doch ihr Lächeln wirkt ansteckend und vertreibt sogar Liomies trübe Gedanken. „Da bin ich!“ kündigt sie sich überflüssigerweise an und schreitet dann auch schon unaufgefordert zur Tat, nachdem sie eine Reihe seltsamer Dosen und Schachteln aus ihren Rocktaschen hervorgeholt hat. Selli wird auf ihr Bett verbannt und darf mit Erscheinen von Shana nur noch sagen, was ihr gefällt oder was sie eher für ungünstig hält. Es kommt Liomie wie Ewigkeiten vor, während die beiden anderen Frauen über ihre Haare beratschlagen, sie flechten, hochstecken, verknoten oder andere schmerzende Dinge mit ihnen anstellen. Sie versucht zwar aus dem Gespräch zwischen den anderen beiden herauszuhören, was genau sie dort tun, gibt aber irgendwann auf. Die Augen geschlossen, hört sie zwar noch die Stimmen, weigert sich aber den Sinn ihrer Worte zu verstehen. Ein angenehmes Kribbeln macht sich in ihrem Bauch breit, als sie sich versucht vorzustellen, wie es wäre zwei Schwestern zu haben, die sich gerade liebevoll um sie kümmern. Sie weiß zwar, dass sie eigentlich keiner richtig um sie kümmert, aber gerade jetzt stört sie das überhaupt nicht. Als ihr Shana plötzlich im Gesicht rumtupft, schreckt sie auf, wird aber sofort angewiesen, die Augen wieder zu schließen und still zu sitzen. Was auch immer die Wirtstochter macht, es ist ein angenehmes Gefühl, die arbeitenden Finger, Schwämme und seltsam riechenden Substanzen auf ihrer Haut zu spüren. Insgeheim hofft Liomie nur, dass man sie nicht zu einem Narren macht, der dann auch beim Zirkus seine Vorstellung geben kann. Nach endlosen Gezupfe, Gecreme und Geschmiere, scheint Shana dann endlich fertig zu sein und hält ihr auch schon den kleinen Wandspiegel vor die Nase, als sie die Augen öffnet. Einen Augenblick lang betrachtet Liomie das Bild und weiß nicht was sie davon halten soll. Die Augen ihres Gegenübers sind dunkel umrahmt, auf den Wangen liegt eine schwache unnatürliche Röte und ihr Blick scheint durch das bisschen dunkle Farbe über den Augen intensiver zu sein. „Oh“, kommt es ihr dann über die Lippen, als sie auch noch die halb hochgesteckten, halb frei fallenden Haare sieht und dann endlich begreift, dass sie das eigentlich ist. „Danke!“, ruft sie entzückt aus, als sie erst zu Shana und dann zu Selli blickt.

Shana scheint ebenfalls zufrieden, sammelt ihre ganzen Utensilien ein und verabschiedet sich dann mit einem breiten Lächeln wieder, ohne eine Gegenleistung zu fordern. Selli erklärt ihr anschließend, dass sie das gerne getan hat und dann machen sich beide noch daran, dass Kleid ein wenig zu saubern. Während sie das tun, kommt sich Liomie schon wieder vollkommen albern vor. Sie wird einen Zirkus besuchen und macht sich dafür schön. Niemand würde ihr dort Beachtung schenken, schließlich geht es um die Tiere, Schausteller und Kunststücke.
Du bist dumm... das war alles umsonst und wenn Jamar das sieht, wirst du das ohnehin abwaschen müssen. Trotz dessen, dass sie sicher ist, dass es so kommen wird, genießt sie den Moment, so auszusehen, wie es ihr der Spiegel verrät und vergisst darüber auch hinaus ihre Narben, die ihr seit der Entdeckung immer noch Rätsel aufgeben. Schließlich sollte man sich an derart starke Verletzungen schon erinnern können.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 19. Nov. 2006, 21:18 Uhr
Als es Mitternacht wird, liegt Olyvar auf einer strohgefüllten Matratze in einem kleinen, schreiend bunten Zirkuswagen, der nur von einer mickrigen Talgkerze neben seiner Schlafkoje erhellt wird, lauscht dem brummenden Schnarchen Achims, der sich kurzerhand auf dem Fußboden ausgestreckt hat, starrt ins Nichts und weiß beim besten Willen nicht mehr zu sagen, wie sie es vor fünf Stunden geschafft hatten, Maester Pimpernell davon zu überzeugen, sie unbedingt anheuern zu müssen. Dennoch, der Kobold hatte es getan und morgen würden Achim und er als "Menschenfressender Oger mit seinem Bändiger", Diantha als "Wurfstern-Wunder" und Ashwang als exotische Gehilfin des Magiers Ar' Badakarba Schandadh auftreten. Götter im Himmel, wir müssen alle vollkommen... vollkommen irre sein... das wird nicht funktionieren. Nie im Leben... es sei denn, Jamar lacht sich über uns tot. Ashwang war gleich nach ihrer wundersamen Anstellung beim Zirkus von Ar' Badakarba mitgenommen und "zur Kostümanprobe" davon geschleift worden und ist bis jetzt noch nicht zurück, Diantha liegt in der anderen Koje des kleinen, schreiend bunten Zirkuswägelchens und scheint tief und fest zu schlafen... oder zumindest liegt sie still und reglos auf ihrem Lager. Viel zu aufgewühlt, um auch nur die Augen schließen zu können, wälzt Olyvar sich auf der eigenen, engen Bettstatt hin und her und lässt die vergangenen Stunden noch einmal vor seinem inneren Augen vorbeiziehen.
Zurück im Gasthaus hatte er sich geduldig die "Rekonstruktionen" seines wahnwitzigen Unterfangens  aus dem Ogermund angehört, die er – anscheinend in einem Anfall von Irrsinn – so großspurig als "Plan" betitelt hatte. > Wir vier. Als Artisten. Dann warten wir, bis Shya im Publikum auftaucht - falls sie denn überhaupt auftaucht - , schalten ihre Bewacher aus, lenken die Leute ab, metzeln Jamar und seine Kumpane nieder, klemmen uns die Amazone unter den Arm, zaubern uns schwuppdiwupp auf das Schiff, das meilenweit entfernt irgendwo im Hafen liegt, ziehen der Blurraenter Stadtwache lange Nasen und segeln zurück nach Talyra. Alles klar. Guter Plan. Er hat nur einen Haken - er wird niemals funktionieren,< hatte Achim ihm auf seine unnachahmlich charmante Art beschieden, nur um sich anschließend mit Händen und Füßen gegen die pikanten Details dieses Vorhabens zu wehren. >Ooooooh nein. Nein. Nein. Nein. Das kannst du vergessen. Shyadas Rettung hin oder her, ich werde auf keinen Fall dem respektablen Ruf der Oger schaden, auf gaaar keinen Fall! Wenn Tante Hildegund wüsste, was du mit mir vorhast, würde sie dir die Ohren so lang ziehen, dass du dich damit zudecken könntest! Außerdem könnte ich das gar nicht - ich bin ein netter Oger, kein bösartiger Menschenfresser, nur zu deiner Information...< Olyvar hatten den hektischen Protesten seines Ogers, die auf die Tatsache folgten, dass er ein gefährliches Ungeheuer mimen solle, keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt -  Tante Hildegund würde in ihrem ganzen Leben noch nicht einmal in die Nähe seiner Ohren kommen und Achim ist das einzige As im Ärmel, das er besitzt. Mit einem zahmen Oger würde dieser Maester Pimpernell ihn einfach anheuern müssen, und ein wütender Oger als Ablenkung zur rechten Zeit wäre todsicher im Stande, eine solide Panik im Publikum auszulösen, so dass sie sich unbemerkt Shyada schnappen und verschwinden könnten. Er hatte also alle Register gezogen, doch Achim hatte ihn zappeln und zappeln lassen, und sich erst dann erbarmt, als Olyvar ihm einen Blick von der Sorte hatte zukommen lassen, dem einen normalerweise nur sieben Wochen alte, halbverhungerte, todgeweihte Hundewelpen schenken.

Allerdings hatte seine Erleichterung  sich rapide in völlig fassungsloses Starren verwandelt, als Achim in bester Ogerlogik auf einmal ziemlich haarsträubende Spekulationen kundgetan hatte >Bist du am Ende in sie verliebt? Klar, du musst ja in sie verliebt sein - das wäre der einzige Grund, dass jemand überhaupt auf die Idee kommen würde, dieses schreckliche Weibsbild zu retten.<  Spätestens nach dieser Offenbarung war es an Olyvars Kinnlade gewesen, sich entgeistert der Schwerkraft zu ergeben. "Was?!" Hatte er gerade noch hervorkrächzen können. >Warum lassen wir sie nicht einfach hier? Oder bei diesem Zirkus? Hinter Gitterstäben wäre sie doch ganz gut aufgehoben, meinst du nicht?<
"Was soll ich sein? Achim, schnappst du jetzt über? Die Frage stellst du mir nicht im Ernst, oder?" Kaum ausgesprochen, war Olyvar aufgefallen, dass man das jetzt auch zweideutig hätte verstehen können, und er hatte spontan beschlossen, besser den Mund zu halten, bevor der Oger noch weitere Mutmaßungen über ihn und die Amazone anstellen würde. Hmpf! Verliebt in Shya, ausgerechnet ich! Als wäre ich lebensmüde, nicht mehr ganz bei Trost! Völlig irre, auch nur daran zu denken. Abgesehen davon ist Kizumu gerade einmal seit ein paar Monden fort! Er hatte also konsterniert nur noch den Kopf geschüttelt, doch Achim, der Prioritäten setzen kann, war schon dabei gewesen, ihm die nächste Schreckensvision zu unterbreiten. >Und apropos ... wenn ich schon in einem Zirkus auftreten muss, dann will ich auch ein entsprechendes Kostüm haben. Ich dachte da an ein nettes Glitzerröckchen, vielleicht mit Rüschen, das würde mir bestimmt gut stehen. Oder eines dieser niedlichen Spitzenschirmchen ... oder eine Federboa, was meinst du? Glaubst du, Rosa passt zu meinem Teint? Oder lieber Himmelblau?<
"Raus!" War alles, was Olyvar erwidert hatte, den ausgestreckten Arm samt unmissverständlichen Zeigefinger auf die Tür gerichtet. "Alle! Packt Eure Sachen, bezahlt die Rechnung bei der alten Hepzibah, ich muss noch rasch in den Hafen, ich komme nach. Bis ihr den Zirkusplatz erreicht, habe ich euch wieder eingeholt." Wider Erwarten hatten die beiden Frauen ihrer kleinen Amazonenrettungstruppe dem Plan - wenn auch mit deutlich zweifelnden Mienen -, ohne jedes weitere Widerwort zugestimmt, so dass er nicht noch stundenlang Überzeugungsarbeit hatte leisten müssen. Das wäre ihm auch schwer gefallen, denn er war selbst keineswegs so überzeugt davon, dass das alles funktionieren würde, wie er sie glauben lässt. Aber etwas besseres hatte er einfach nicht vorzuweisen, und auch die anderen haben keine wirkliche Alternative, sie hatten also ihre Siebensachen gepackt und den "Bootsmann" verlassen, um unter die Schausteller zu gehen. Olyvar hatte Diantha, Aswhang und den Oger vorgeschickt, war zu den Piers geeilt und hatte mit Recaredo gesprochen... denn in einem Punkt hatte Achim durchaus Recht: wenn sie Shyada erst einmal hätten, wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, sie unbemerkt quer durch halb Blurraent bis in den Hafen und dort auf ein Schiff zu schleppen. Und da der "Singende Esel" und der Flussmarkt, der Schauplatz ihrer Befreiungsaktion, im äußersten Westen Blurraents an der großen Brücke und dem Tor an deren anderem Ende liegt, würden sie auf diesem Weg aus der Stadt verschwinden müssen.

Es hatte den Göttern sei Dank nicht lange gedauert, die Einzelheiten mit Kapitän Einhand zu besprechen, dem das Warten allmählich genauso lang geworden war, wie ihnen selbst. Olyvar hatte   einen Treffpunkt mit ihm vereinbart, eine kleine, halb versteckte Bucht ein paar Tausendschritt westlich der Rhûnemündung, wo die Faule Planke vor Anker gehen und auf sie warten würde. >Was tue ich, wenn Ihr bis zum Sonnenuntergang des morgigen Tages nicht kommt, M'lord?< Hatte Einhand zum Schluss noch wissen wollen, als Olyvar die Laufplanke schon halb wieder hinunter war. "Dann hol' uns aus dem Kerker..." hatte er trocken erwidert. "Oder zumindest alle, die es überlebt haben." Er hatte die anderen im strömenden Regen und der Düsternis einer schiefergrauen Dämmerung eingeholt, kurz bevor sie den Platz erreicht hatten, auf dem der Zirkus gastierte. Und angesichts Achims, der sich immer noch mit brennenden Kostümfragen herumgeschlagen hatte, hatte Olyvar spontan beschlossen, mit dem Oger wenigstens einen Übungsdurchlauf zu absolvieren, um nicht gleich den ersten Eindruck zu vermasseln.... sehr zur Erheiterung Dianthas und Aswhangs, die sich über einen Lord Commander und einen Oger, die Nase an Nase Grrrrrrr! machten, bestimmt sehr amüsiert hatten. "Nein, nein, nein, Achim, kein Spitzenschirmchen! Schlag dir das Glitzerkostüm aus dem Kopf, die Leute wollen etwas Furchterregendes sehen, das ihnen einen Schauer über den Rücken jagt." (Hier war Olyvar kurzzeitig der Gedanke gekommen, dass Achim diesen Effekt mit einem Glitzerröckchen vermutlich durchaus erzielen könnte, aber das nur am Rande...) "Also wir üben das jetzt. Knurr mal wie ein böser Oger."
Achims Antwort war ein verständnisloser Blick gewesen.
"Achim, ein böser Oger, komm schon. Du hast es mir versprochen. Fletsch die Zähne, so, siehst du... und dann machst du: Grrrrrr!"
Aus Achims verständnisloser Miene war ein ziemlich zweifelndes Fragezeichen geworden, aber dann hatte der Oger sich doch einen Ruck gegeben. "Grr?"
"Was für ein zimperliches Grr! Das kannst du bestimmt besser. Mach's noch mal. So: Grrrrrrrrrrrrrrrr!"
"Ah, ich weiß schon, ich muss es anders betonen, oder?" Achim hatte sich – sehr wichtig – geräuspert. "So besser: Grrrr?"
"Nein, Achim, ein böser Oger!"
"Hm... noch mehr Timbre in der Stimme? So vielleicht: Grrrrr?"
"Nein, nein, nein. Du zirpst wie ein verliebter Grashüpfer! Du sollst wie ein richtig böser Oger klingen, Achim! So, wie du geknurrt hast, als die Spüljungen dir letzten Mond die Gemüsebeete abge..." Weiter war Olyvar gar nicht mehr gekommen, denn Achims sonst so gutmütiges Gesicht hatte sich binnen eines Herzschlags drohend verfinstert und sein folgendes Gebrüll ihrer aller Herzschlag bis in die Kehle hinaufgetrieben. "Spü...?! Gemü...?! GRRRRROOOOAAAAAAARRRR! Diese Gemüsediebe! Möhrenschänder! Kohlräuber! Wenn ich die erwische, Olli, die können eine ganze Woche lang nicht mehr sitzen, die zerreiß' ich in der Luft! Dieses Lauserpack, diese kleinen Rotzgören, diese... " Der Rest von Achims Schimpftirade war in höchst beeindruckenden, unartikulierten Schnaub-, Grunz- und Knurrgeräuschen untergegangen, die Olyvar ein breites Lächeln entlockt und ihn zufrieden hatten nicken lassen. "Siehst du, du kannst es. So klingt ein richtig böser Oger."  

Dann waren sie um eine Ecke gebogen und plötzlich inmitten einer völlig fremden Welt gelandet... einer fieberhaften, bunten, lauten, quirligen, lachenden, schnatternden, exotischen und aufregenden Welt, summend wie ein Bienenstock. Sie hatten den Karneval erreicht. Trotz des strömenden Regens hatte wildes Treiben zwischen den bemalten hölzernen Wägen, den Käfigen und Zelten geherrscht - der Platz war voller fremdartiger Tiere, lachender Gnome, maskierter Tänzer, kichernder Feen, zischender Nachtfeuer in eisernen Körben, die Luft voller Jahrmarktsgerüche nach Zuckerwerk, gebrannten Nüssen, Fladenbrot und kandierten Früchten, und die Atmosphäre über all dem seltsam hektisch und gelassen zugleich. Die hin und hereilenden Schausteller, Tänzerinnen, Zauberer, Feuerschlucker und Artisten hatten sie bis auf neugierige Blicke und das ein oder andere Nicken wenig beachtet... offenbar wurden sie zu dieser späten Stunde im Lager einer Schaustellertruppe mit einem leibhaftigen Oger und einer exotischen Elbin im Schlepptau ganz selbstverständlich ebenfalls zum fahrenden Volk gerechnet. Achim, mit stieren Augen einem als "Drachen" maskierten Saphirwaran hinterherblickend, hatte hilflos etwas von Durcheinander und Direktor finden gebrummt, doch das hatte sich noch als ihr geringstes Problem erwiesen. Maester Pimpernell aufzutreiben war nicht weiter schwer gewesen. Ein schreiend bunt gekleidetes, cholerisches kleines Männchen, ziemlich klein und ziemlich rund, und mit einer ziemlich lauten Stimme gesegnet, war ihnen schon nach wenigen Schritten über den Weg gelaufen – und er hatte eher sie gefunden, als umgekehrt. Kaum war er nämlich Achims ansichtig geworden, hatte er sämtliche aufmüpfigen Tänzerinnen in Schleierkleidern und Federn vollkommen vergessen und, Aswhangs angewiderten Blicken zum Trotz, alles stehen und liegen lassen, um herüberzukommen und Olyvar selbstvergessen und mit großen Augen den Oger musternd, die Hand hinzustrecken. "Maester Pimpernell, zu Diensten," hatte er bedächtig gemurmelt, dabei aber nur Augen für Achim gehabt, in deren dunklen Tiefen es bereits spekulativ zu glänzen begonnen hatte. "Was äh kann ich für Euch tun?"
Olyvar hatte geseufzt, sein Schicksal den Göttern anempfohlen und dann sich selbst als Ogerbesitzer, den Oger als Attraktion, Diantha als Wurfsternkünstlerin und Ashwang als fremdländische Assistentin für Zauberkünstler, Raubtierbändiger oder ähnliches angepriesen... und Pimpernell hatte sie tatsächlich vom Fleck weg engagiert. Nun ja, fast vom Fleck weg, denn Diantha hatte ihr Können mit einer kleinen Kostprobe beweisen müssen und dem Winzling prompt mit sechs präzise geschleuderten Wurfsternen ein kleines Gesicht auf die Seite eines zitronengelben Zirkuswagens gestanzt – sie war gut mit den Dingern. Bei Aswhang war ihnen der Zufall zu Hilfe gekommen und Olyvar hatte im Stillen sämtlichen Göttern gedankt, denn mitten in die Verhandlungen über ihre  Zukunft als Schausteller, war plötzlich ein händeringender Magier namens Ar' Badakarba Schandadh geplatzt, der die Elbin gesehen und sie stehenden Fußes entführt hatte – als Ersatz für seine krank gewordene Gehilfin. Und was den großen bösen Oger und ihn selbst anging, so würden sie morgen vor der eigentlichen Aufführung auftreten und das Publikum zum Staunen bringen... wie auch immer.

Das alles war so schnell gegangen und hatte sowohl ihn, als auch die anderen derart überrollt, dass sie noch gar keine Gelegenheit gehabt hatten, weiter an ihrem Plan zu schmieden, sich während der Vorstellung irgendwie Shyada zu schnappen, von der sie noch nicht einmal sicher wissen, ob sie im Publikum sein würde. Olyvar, der immer noch keinen Schlaf findet, und das obwohl in zwei Stunden vermutlich mit dem Aufbau am Flussmarkt begonnen werden soll, setzt sich in seiner Schlafkoje auf und angelt nach seinem Seesack. Irgendwo auf dessen Grund schlummert ein kleiner Lederschlauch mit etwas Uisge – über zwölf Jahre alt, bernsteinklar und stark. Toller Plan, wirklich. Er zieht den Korken mit den Zähnen heraus und nimmt einen Schluck. Fast augenblicklich breitet sich die wärme einer kleinen, glühenden Sonne in seiner Magengrube aus. Achim hatte ja so recht. Und ich bin ja so ein Narr! Das einzige, was morgen klappen wird, ist gar nichts... Ein dumpfes Klopfen an der Seitenwand des Wagens, den man ihnen als Quartier überlassen hatte, reißt ihn aus seinen Gedanken, und als Olyvar einen der hölzernen Läden einen Spalt weit öffnet, um hinauszuspähen, steht dort zu seiner Überraschung Aswhang – eine ziemlich spärlich bekleidete Aswhang obendrein, die frierend in der Nachtkühle von einem Fuß auf den anderen tritt. Sie scheint irgendetwas großes auf dem Kopf zu haben, aber in der Dunkelheit kann er nicht viel mehr als ihre groben Umrisse ausmachen. Olyvar öffnet die Tür und entzündet zusätzlich ein paar Kerzen, was Diantha und nach ihr auch Achim aus dem Schlaf schreckt, die sich augenreibend aufsetzen. Und während der Oger noch gähnend etwas von "schonmorgenhabgarnichgeschlafenwiespätisses" nuschelt, wirkt die Immerfrosterin weitaus wacher und alarmierter. "Ist nur die Elbin," beruhigt Olyvar sie. "Dieser Magier hat sie anscheinend endlich aus seinen Krallen gelassen." Er steigt über Achims Füße hinweg, um die Tür zu öffnen und Aswhang schlüpft ungeduldig herein... ihr Aufzug und ihr vielsagender Gesichtsausdruck lässt Olyvar allerdings umgehend ein möglichst unverbindliches Gesicht aufsetzen. War die azurianische Burka, in die er sie gesteckt hatte, dazu gedacht gewesen, möglichst viel von ihr zu verhüllen, um sie so für Jamar unkenntlich zu machen, erfüllt dieses Gewand den selben Zweck, ist aber genau das Gegenteil davon... es besteht im wesentlichen aus durchsichtiger, lindgrüner Gaze, einzelnen, glitzerbronzenen Blättern und kann insgesamt nicht mehr Stoff besitzen, als ein Strumpfband. Zu allem Überfluss, wurde ihr langes weißes Haar zu einer turmhohen Frisur aufgeplustert, in Tausende winziger Löckchen gelegt und ist mit funkelnden grünen Schmetterlingsspangen und Blättern dekoriert. Krönender Abschluss ihres Aufzugs als Magiergehilfin bietet eine goldene Pestmaske, welche die obere Gesichtshälfte bedeckt und aussieht wie ein langer, gebogener Vogelschnabel. "Kein Wort," zischt es unter eben diesem hervor, als Aswhang mit soviel Würde, wie ihr geblieben ist, ins Wageninnere tritt. "Kein einziges Wort."
"Ähem," ist folglich auch alles, was von Achim und Olyvar kommt, und Diantha quittiert die von Kopf bis Fuß funkelnde und gleißende Erscheinung der Elbin auch nur mit hochgezogener Braue. Weil ihm nichts anderes einfällt, reicht Olyvar der schnaubenden Aswhang wortlos den ledernen Uisgeschlauch. "Hier. Sieht aus, als könntet Ihr einen Schluck vertragen... und wenigstens wissen wir jetzt, wie Schandadh der Magier sein Publikum von seinen Tricks ablenkt. Mit ahm... einer solchen Gehilfin sieht niemand mehr auf ihn."

"Weiß ich," faucht die Elbin zurück. "Deswegen bin ich hier. Dieser Zauberer treibt mich in den Wahnsinn, seit Stunden muss ich völlig idiotische Gewänder anprobieren, dieses hier hat noch den meisten Stoff. Aber ich habe eine Idee. Schandadh hat mir den Ablauf der morgigen Vorstellung erklärt und ein wenig erzählt, was er vorführen wird. Ich weiß jetzt eine Möglichkeit, Shyada aus dem Publikum und in unsere Gewalt zu bekommen..." Die nächste halbe Stunde lauschen sie gespannt den Ausführungen Aswhangs, die ihnen mehr oder weniger geduldig einen groben Plan, Shya unauffällig in die Finger zu bekommen, auseinandersetzt... einen der gut ist. Einen der funktionieren könnte, wenn sie nur ein wenig Glück mit dem zeitlichen Ablauf haben... und vor allem einen, der sich auch wirklich durchführen lassen sollte. Nachdem alles gesagt und jede Frage, die ihnen um diese Zeit und erschöpft wie sie sind noch einfallen will, beantwortet ist, nickt Olyvar langsam. "In Ordnung. Dann lasst es uns so versuchen... Aswhang, von Euch hängt es ab. Ihr müsst Shyada als Frau aus dem Publikum für die Zaubernummer in die Finger bekommen. Wenn der Magier dann loslegt, bist du dran, Achim, du weißt, was du zu tun hast. Diantha, du bleibst bei mir und hilfst mir mit Shya, sobald wir sie haben. Aswhang... was Euch und Jamar angeht und was immer Ihr auch vorhabt: wartet bis wir aus der Stadt heraus sind. Er wird uns ganz sicher verfolgen. Ich sorge dafür, dass einer der leichteren Planwägen  mit einem ordentlichen Gespann an der Brücke bereit steht. Merkt ihn euch – sobald es morgen losgeht, müsst ihr so schnell wie möglich zum Wagen kommen, egal wo ihr seid. Ich will niemanden zurücklassen müssen." Mehr gibt es nicht mehr zu sagen, also verkriechen sie sich, bis auf Aswhang die gleich wieder zu ihrem kostümpingeligen Magier zurückkehrt, alle wieder auf ihre Schlafplätze und harren der Dinge, die da kommen sollen. Zunächst kommt jedoch nur die Dämmerung, die fahl wie das Innere frischer Muscheln über den Horizont kriecht. Dann ertönt ohrenbetäubendes Bronzeglockengebimmel und nur einen Herzschlag später bricht die Hölle los. Menschen, Tiere, Wägen, Helfer, hölzerne Aufbauten, die im diffusen grauen Dämmerlicht wie die Skelette verhungerter Riesenwesen herumliegen, Artisten, Schausteller – alles wuselt und irrt scheinbar völlig planlos durcheinander. Der Eindruck täuscht allerdings, wie Olyvar verwirrt feststellt, denn in Windeseile ist das halbe Lager des Zirkus abgebaut und auf ein paar Fuhrwerke verladen. Olyvar redet mit Seharimzungen auf einen hektischen Pimpernell ein, damit dieser ihnen einen Planwagen und ein Gespann kräftiger Pferde überlässt und begründet das ganze mit Achims horrendem Lampenfieber, was nicht einmal gelogen ist, denn angesichts seines nahenden Auftritts schlottern die Ogerknie wie ein Tambourin. Sie bekommen den Wagen, sie machen sich sogar hier und dort beim Abbau und Aufladen nützlich, sie gehen wieder und wieder ihren Plan durch, befinden ihn für immer besser, weil Jamar, wie Aswhang ihnen mit fast so etwas wie einem Lächeln versichert, dass der Südländer mit vielem, aber nicht mit so etwas rechnen würde, sie nehmen mit einer Horde schwatzender Artisten und Schausteller ihr Morgenmahl an einem riesigen Lagerfeuer ein und machen sich mitsamt "Maester Pimpernells Karneval" schließlich auf zum Flussmarkt.  

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Aswhang am 26. Nov. 2006, 22:45 Uhr
Aswhang befindet sich nun bereits seit Stunden in der Gewalt dieses dreimal verdammten Magiers und von Minute zu Minute wächt ihr Wunsch, ihn einfach zu erwirken!
Kaum, als sie den überfüllten Zirkusplatz erreicht und Maester Pimpernell auf die kleine Gruppe zugekommen war, hatte Ar' Badakarba Schandadh die Elbe entdeckt und kurzerhand entschieden, sie sei ideal, um als Aushilfe für seine kranke Assistentin einzuspringen.
Während Pimpernell den Oger (und Olyvar als dessen Besitzer) sofort mit gierigem Funkeln in den kleinen Augen engagiert hatte und auch Diantha nach einer Wurfeinlage als fähiger Zuwachs betrachtet zu werden schien, hatte Aswhang sich bereits größte Sorgen gemacht, eventuell als einzige abgelehnt zu werden. Was hätte sie auch zeigen sollen, hätte Pimpernell eine Kostprobe ihres Könnens verlangt? Somit hatte sie das Auftauchen des Magiers als durchaus hilfreiche Zufallsfügung angesehen, wenn sie auch überrascht war, als er sie nur mit einer sehr knappen, gemurmelten Erklärung mit sich zerrte. Entgegen ihrer sonstigen Abwehrhaltung war sie ihm einfach durch das dichte, bunte Gedränge gefolgt. Bereits wenige Minuten später sollte die Elbe diese Entscheidung jedoch bitter bereuen...
Sie hatten schließlich vor einem rot und blau bemalter Zirkuswagen angehalten, welcher mit auffälligen Lettern den Name des Besitzers bekanntgab. Am Ziel angelangt hatte Schandadh begonnen in großen und kleinen Holzkisten zu wühlen, wiederum ohne zu erklären, nach was er da eigentlich suchte. Irgendwann zog er schließlich ein Gebilde aus roten Schnüren, violetten Federn und eine silberne, an der Stirnpartie ebenfalls gefiederte Maske hervor. „Probiert das an!“, meinte er und deutete auf eine hölzerne Trennwand. „Anprobieren?!“, hatte die Elbe fassungslos und mit weit aufgerissenen Augen erwidert. Dieses Ding sollte ein Kleidungsstück darstellen? Noch immer darauf wartend, dass Schandadh beginnen würde zu lachen und sich das Ganze als Scherz aufklärte, wurde ihr das gefiederte Etwas mit einer ungeduldigen Geste des Magiers in die Hand gedrückt. „Selbstverständlich sollt Ihr es anziehen! Oder mein Ihr, irgendein Zuschauer hat Interesse daran, Euch so zu sehen?“, fragte er mit einem abfälligen Blick auf die verhüllende Burka.
Wäre Aswhang in diesem Augenblick nicht schlicht und einfach sprachlos gewesen, sowie unfähig sich zu rühren, hätte sie mit Sicherheit auf dem Absatz kehrt gemacht oder den Magier mit dem nächstbesten Gegenstand erschlagen.
Doch sie war geübt darin, die Selbstbeherrschung zu wahren. Mit zu Fäusten geballten Händen dachte sie an ihre Rache, welche nur gelingen würde, wenn sie weiterhin mitspielte. Und eine Winzigkeit Gutes war selbst an dieser Sache zu finden: Wenn Jamar bei einer Frau in vollkommen verhüllendem Stoff vielleicht misstrauisch geworden wäre, so würde er mich in dieser Aufmachung nicht einmal vermuten, wenn ich in zwei Schritt Entfernung vor ihm stünde und ihm erklären würde, wer ich bin. Also versuchte sie jegliche Gefühlsregung aus ihrem Gesicht zu verbannen und verschwand hinter der Trennwand.
Als sie wieder hervortrat schüttelte Schandadh jedoch den Kopf. „Nein, das sieht ja grauenhaft an Euch aus!“ Wieder hatte er in den Truhen gekramt und hielt Aswhang schließlich ein Kostüm entgegen, welches sich vom ersteren zwar in Farbe und Form, jedoch nicht in der Hinsicht des kaum vorhandenen Stoffes unterschied. Mit unterdrückter Wut versuchte die Elbe auch diese Aufmachung, nur um wieder auf Ablehnung von Seiten des Magiers zu stoßen.
Irgendwann hatte Aswhang aufgehört zu zählen, das wievielte Kostüm sie nun bereits anprobierte und während sie immer zorniger wurde, wurde Schandadh stetig ungeduldiger. „Nein! Nein! Nein!“
Nach mehreren Stunden schwankte der Magier zwischen zwei Kostümen. Mit Engelszungen war es der Elbe jedoch letztendlich gelungen, ihn von einer Aufmachung in verschiedenen funkelnden und klitzernden Grüntönen und schmückenden Blättern zu überzeugen, das ein klein wenig mehr Stoff aufweisen konnte, als die meisten anderen. Zu diesem gehörte eine Maske, welche die obere Gesichtshälfte des Trägers bedeckte und an einen Vogelschnabel erinnerte. Aswhangs naiver Glaube, diese Prozedur sei bereits alles gewesen, wurde ernüchternd enttäuscht, als der Magier kurz verschwunden war und in Begleitung zweier rundlicher Damen zurückkehrte. Diese begannen sofort, sich an Aswhangs Haaren zu schaffen zu machen. Die Elbe ließ auch das über sich ergehen und versuchte dieses Mal, einfach an gar nichts zu denken.

Fast nackt und mit einer scheinbar meterhohen Frisur, welche es Aswhang beinahe unmöglich macht, den Kopf gerade zu halten, sitzt sie nun im Wagen und lässt sich von dem Magier den Ablaufplan der Aufführung erklären. Wie genau man ihr Haar verunstaltet hat, weiß sie nicht, denn um ihre psychische Verfassung nicht noch mehr zu strapazieren, hat sie darauf verzichtet, in einen Spiegel zu sehen.
Während sie versucht, ihre immense Wut zu unterdrücken und Schandadhs Ausführungen lauscht, kommt ihr plötzlich eine Idee, wie sie Shyada einigermaßen problemlos aus dem Publikum holen können.
Das könnte tatsächlich funktionieren... Wenn ich schon ein solch lächerliches Kostüm tragen muss, soll es wenigstens zu etwas nütze sein.

Es ist spät, als der Magier endlich einmal den Wagen verlässt und sich Aswhang ohne größere Erklärungen, wohin sie will, auf die Suche nach den anderen machen kann.
Im kalten Wind beginnt sie augenblicklich zu zittern und der Turm von einer Frisur beginnt gefährlich zu wanken. So schnell es ihr die dichte Ansammlung der Artisten und anderen Zirkuswesen ermöglicht, kämpft sie sich vorwärts. Nur einmal kurz hatte sie fragen müssen und sofort den Aufenthaltsort der anderen (oder besser den des Ogers) erfahren.
Nun steht sie fröstelnd vor dem Wagen, in welchem sie Olyvar, Diantha und Achim vorfinden wird. Dass sie dem Rest der Truppe in dieser Aufmachung unter die Augen treten muss, macht die Erniedrigung komplett. Somit zögert sie einem Moment, ehe sie sich schließlich dazu durchringen kann, zu klopfen.
Einige Sekunden später wird sie von Olyvar hereingebeten. Am liebsten hätte sie den Blick gesenkt und mit den Händen so viel wie möglich von ihrem Körper verborgen. Doch sie wird dem Lord Commander keinesfalls zeigen, wie demütigend diese ganze Sache für sie ist. Mit erhobenen Haupt und steinerner Miene tritt sie ein.
Während Olyvar einige Kerzen entzündet erwacht auch der Oger mit einem unverständlichen Murmeln. Diantha dagegen scheint sofort hellwach. Alle drei betrachten Aswhangs Aufmachung mit einem Gesichtsausdruck, der Worte im Grunde unnötig macht. „Kein Wort!“, zischt die Elbe dennoch mit gefährlich leiser Stimme. „Kein einziges Wort!"
Anscheinend versteht selbst Olyvar, dass die Elbe bei der geringsten Bemerkung, ihr Aussehen betreffend, für nichts mehr garantieren kann und hält sich zurück. Stattdessen reicht er ihr einen Schlauch, welchen Aswhang fast schon dankbar entgegennimmt. >"Hier. Sieht aus, als könntet Ihr einen Schluck vertragen... und wenigstens wissen wir jetzt, wie Schandadh der Magier sein Publikum von seinen Tricks ablenkt. Mit ahm... einer solchen Gehilfin sieht niemand mehr auf ihn."< „Weiß ich!“, erwidert die Elbe nach einigen tiefen Schlucken gereizt. "Deswegen bin ich hier. Dieser Zauberer treibt mich in den Wahnsinn, seit Stunden muss ich völlig idiotische Gewänder anprobieren, dieses hier hat noch den meisten Stoff. Aber ich habe eine Idee. Schandadh hat mir den Ablauf der morgigen Vorstellung erklärt und ein wenig erzählt, was er vorführen wird. Ich weiß jetzt eine Möglichkeit, Shyada aus dem Publikum und in unsere Gewalt zu bekommen..."
Bevor sie fortfährt trinkt sie noch einmal und berichtet dann von ihrer Idee.
Die anderen hören schweigend zu, während sie von dem Auftritt des Magiers berichtet und davon, wie er vorhat, eine Frau aus dem Publikum zu hypnotisieren. Auch ist es die Aufgabe der Elbe, eine geeignet Kandidatin zu wählen und nach vorn auf die Bühne zu holen. Der Rest liegt dann an Achim, Olyvar und Diantha.
„...Wenn Jamar uns keinen Strich durch die Rechnung macht, dürfte es funktionieren.“, endet sie schließlich. Zumindest hoffe ich das.
>„In Ordnung.“<, meint Olyvar, der einverstanden zu sein scheint. >„Dann lasst es uns so versuchen... Aswhang, von Euch hängt es ab. Ihr müsst Shyada als Frau aus dem Publikum für die Zaubernummer in die Finger bekommen. Wenn der Magier dann loslegt, bist du dran, Achim, du weißt, was du zu tun hast. Diantha, du bleibst bei mir und hilfst mir mit Shya, sobald wir sie haben.< Dann wendet sich der Lord Commander nochmals der Elbe zu. >„Aswhang... was Euch und Jamar angeht und was immer Ihr auch vorhabt: wartet bis wir aus der Stadt heraus sind. Er wird uns ganz sicher verfolgen. Ich sorge dafür, dass einer der leichteren Planwägen mit einem ordentlichen Gespann an der Brücke bereit steht. Merkt ihn euch – sobald es morgen losgeht, müsst ihr so schnell wie möglich zum Wagen kommen, egal wo ihr seid. Ich will niemanden zurücklassen müssen."< „Keine Sorge, ich werde rechtzeitig bei diesem Wagen sein.“, verspricht sie und lächelt sogar kurz. Selbstverständlich werde ich das! Es wäre überaus unklug, Jamar mitten in der Stadt anzugreifen!
Nachdem alles geklärt ist, kehrt Aswhang zurück zu Ar' Badakarba Schandadh und fiebert mit nervöser Ungeduld ihrem Auftritt entgegen.

Die Elbe kann nicht sagen, wie sie das Warten auf den Beginn der Aufführung überstanden hat. Nach außen hin erscheint sie wie gewohnt unnahbar und gelassen, doch in ihrem Inneren sieht es gänzlich anders aus. Der große Moment ist gekommen und bald würde der Magier an der Reihe sein. Mit jeder vergehenden Minute, ist ihr Mut und ihre Überzeugung, dass der Plan tatsächlich gelingen wird, weiter gesunken. Jetzt, einige Minuten vor dem Auftritt, ist ihre Zuversicht am Boden und sie glaubt nicht, dass sie jemals zuvor derart nervös war.
Es wird nicht gelingen! Jamar erkennt mich und bringt mich ohne mit der Wimper zu zucken vor all den Leuten um, wenn er mich sieht...
Selbstverständlich sagt ihr Verstand, dass das absoluter Blödsinn ist. Nicht nur, dass Jamar sie niemals erkennen würde, er würde zudem auch nicht riskieren, aufzufliegen. Doch ihre Vernunft kann Aswhang im Augenblick auch nicht beruhigen. So nah vor der Ausführung ihres Plans, liegen ihre Nerven blank.
Dann erklingt eine donnernde Stimme, die den Auftritt von dem Magier Ar' Badakarba Schandadh ankündigt. Das ist ihr Stichwort und mit Beinen, die ihr das Gefühl vermitteln, ihr Gewicht nicht mehr lange zu tragen, betritt sie die Bühne. Im Publikum herrscht gespanntes Schweigen und die Blicke sind auf den Magier, aber größtenteils auf sie gerichtet. Womit habe ich das verdient?
Aswhang nutzt die ersten Minuten, um die Zuschauer näher zu betrachten. Sie kann weder Shyada noch Jamar irgendwo sehen! Panik beginnt in ihr aufzusteigen. Wieso sind sie nicht da?
Dann endlich erblickt sie die dunkle, gefährliche Gestalt des Südländers recht weit vorn in den Reihen des Publikums. Aswhang muss ein erleichtertes Aufatmen unterdrücken und blickt schnell in eine andere Richtung. Die junge Frau neben Jamar ist ihr nicht entgangen, doch zweifelt sie einige Sekunden ernsthaft daran, dass es wirklich Shyada ist, die sie eben gesehen hat. Die Amazone hat sich vollkommen verändert. Ihr Haar ist kunstvoll frisiert und sie trägt ein langes, elegantes Kleid, welches sie viel femininer erscheinen lässt. Der Elbe bleibt vorerst keine Zeit, noch einen Blick zu riskieren, denn Schandadh beginnt mit seinen Zaubertricks. Einer davon besteht darin, Aswhang scheinbar verschwinden und später an einer anderen Stelle des Raumes wieder auftauchen zu lassen. All das ist nur leerer Hokuspokus, keine wirkliche Magie und Schandadh ist mit ihr durchgegangen, was sie zu tun hat. Die Elbe konzentriert sich auf ihre Rolle, um keinen Fehler zu machen und zu ihrer eigenen Überraschung funktioniert alles reibungslos.
Endlich hat sie den größten Teil des Auftritts hinter sich gebracht, ohne dass sie sich wirklich erinnern kann, wie ihr dieses Kunststück gelungen ist.
„Und jetzt, verehrtes Publikum...“, beginnt Schandadh schließlich. „Werde ich die mystische Macht der Hypnose demonstrieren!“ Während er spricht setzt sich Aswhang bereits in Bewegung. Während sie so tut, als müsse sie sich noch nach einer geeigneten Person umblicken, bewegt sie sich scheinbar zufällig in Shyadas Richtung.
Jetzt ist sie Jamar ganz nah. Das kann gar nicht gut gehen! Ihr Herz schlägt immer schneller und sie befürchtet, der Südländer müsse ihren lauten Pulsschlag hören. Einige Schritte vor Shyada bleibt sie stehen, deutet auf die Amazone und winkt sie zu sich. Eine Aufforderung in Worten ist unmöglich, denn Jamar würde ihre Stimme sofort erkennen. Die Elbe unterdrückt ein nervöses Zittern, als sie den auf sich ruhenden Blick des Südländer bemerkt. Er betrachtet sie mit einem undurchdringlichen Gesichtsausdruck und nun ist sie sich gar nicht mehr so sicher, dass ihr Kostüm sie ausreichend unkenntlich für ihn macht. Aswhang kann nicht umhin, ihn noch einen Sekundenbruchteil länger zu studieren. Seine dunklen Augen lassen sie wie immer keinen einzigen Gedanken ablesen, doch Erkennen liegt nicht nicht in ihnen.
Shyada hat die Aufforderung durchaus verstanden, doch noch ist sie sichtlich unsicher, ob sie ihr nachkommen soll. Die Elbe wiederholt die Geste und die Amazone wirft einen fragenden und zugleich bittenden Blick zu Jamar. Oh nein! Ich darf ihm keine Gelegenheit geben, sie abzuhalten. Entschlossen tritt Aswhang noch ein Stück näher und nimmt Shyada bei der Hand, welche mit verwunderter Miene aufsteht.
Als sie dem Südländer den Rücken zuwendet, erwartet Aswhang, dass er jeden Augenblick aufspringt und die Amazone zurückzerrt. Doch nichts dergleichen geschieht. Shyada wehrt sich ebenfalls nicht und lässt sich ohne weiteres mit schnellen Schritten auf die Bühne führen. Gelobt sei dieses Mittelchen, dass Jamar ihr verabreicht! Scheinbar seelenruhig geht die Elbe zu dem Magier und bemüht sich, ihre mysteriöse Ausstrahlung beizubehalten, um bloß keinen Verdacht zu erwecken. Sie ist tatsächlich auf der Bühne! Shyadas Gesicht glänzt vor erwartungsvoller Aufregung. Aswhang kann es selbst kaum glauben, dass es ihr gelungen ist, sie so dicht vor Jamars Augen zu entführen.
Aber es ist nicht der richtige Moment für freudige Erleichterung. Wir haben es noch lange nicht geschafft! Jetzt liegt alles an dem Oger. Bei diesem Gedanken wird der Elbe beinahe schlecht vor Aufregung und schnell versucht sie sich selbst zu beruhigen. Es muss einfach alles gut gehen!

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Achim am 02. Dez. 2006, 16:05 Uhr
Achim schlottert. Zappelt. Bibbert. Tritt nervös von einem Fuß auf den anderen. Wackelt zur Beruhigung ein wenig mit den Zehen. Und hat ein furchtbar flaues Gefühl in der Magengrube. Mein erster öffentlicher Auftritt, hach, hoffentlich geht alles gut. Sitzt das Röckchen auch richtig? Will mich ja schließlich nicht vor dem Publikum blamieren, indem ich im entscheidenden Moment dieses ... dieses ... Ding hier verliere. Er verdreht die Augen und schielt an seinem mächtigen Brustkasten und seinem nicht weniger mächtigen Bauch vorbei nach unten, wo zu seinem abgrundtiefen Bedauern leider keine rosa Rüschen vor sich hin rüschen, sondern ein ziemlich peinlicher Ogerklischeelendenschurz aus verfilztem Fell baumelt. Nervös zupft er an den Zotteln herum und ärgert sich über Pimpernell, der ihm dieses Kostüm aufgeschwatzt hat. Nicht einmal das obligatorische Blumenkränzchen war ihm zugestanden worden, kein bisschen Glitzer, keine Sternchen, keine Spitzen - und das wurmt ihn gewaltig. Unter einem schicken und vor allem standesgemäßen Kostüm hätte er sich eigentlich etwas völlig anderes vorgestellt, aber offenbar war in Pimpernells vermaledeitem Zirkus nicht ein einziges Rüschenröckchen in seiner Größe aufzutreiben gewesen, so dass er seinen Hintern notgedrungen in dieses flatternde Felldings gezwängt hatte. Um die strammen Waden und die Füße hat man ihm das gleiche Zeug gewickelt und mit Lederschnüren festgezurrt, und um die Schultern hat er ein mottenzerfressenes Moschusochsenfell hängen - wissen die Götter, aus welcher verstaubten Gewandtruhe die Zirkusleute diesen Bettvorleger ausgegraben haben, der angeblich einmal dem berühmten Menschenfresser Hannibal dem Kannibalen als Kostüm gedient hatte. Dass es das Fell eines Moschusochsen sein muss, kann Achim nicht daran erkennen, wie es aussieht, sondern vor allem daran, wie es riecht.

Es hatte lange gedauert, bis er sich hatte überzeugen lassen, dass ein Riesenbaby in rosa Spitze nicht unbedingt das ist, was die Zuschauer sehen wollen, aber schließlich hatte er den Traum vom seiltanzenden Oger im Glitzerkostümchen seufzend an den Nagel gehängt, sich schicksalsergeben in sein Los gefügt, sich von einem ganzen Rudel kichernder Zirkusmädchen in diesen peinlichen und für jeden anständigen Oger absolut indiskutablen Fummel hüllen lassen, und steht nun schlotternd und Schweißpfützen vergießend neben Olyvar hinter einer gespannten Zeltbahn, die die Zirkusleute von den Zuschauern trennt und als Manegeneingang für die Artisten und Gaukler dient. Maester Pimpernells Truppe hatte an diesem Morgen wirklich ganze Arbeit geleistet und in solch atemberaubender Geschwindigkeit zum Aufbruch gerüstet, dass ihnen buchstäblich die Luft weggeblieben war. Mit dem ersten Hahnenschrei, zu einer Uhrzeit also, zu der ein Oger im Normalfall allerhöchstens zu einem schläfrigen Grunzen und noch keinesfalls zum Aufstehen in der Lage ist, hatte man Achim mitleidslos von seiner Schlafstatt gezerrt, in die kühle Morgenluft hinausgeschubst und zum Arbeiten angetrieben. Pimpernells schrille Stimme hatte sich schmerzhaft in seine Gehörgänge gebohrt und ohne Punkt und Komma eine ellenlange Liste an Aufgaben heruntergerattert, die er vor dem Aufbruch noch erledigen sollte, vom Wassereimerschleppen über das Bepacken der Wagen bis hin zum Verladen störrischer Tiere. Achim hatte, gähnend und noch völlig vom Schlaf benebelt, zuerst kein Wort von diesem sprudelndem Wortschwall verstanden, götterergeben genickt, mit den Pranken sein in alle Himmelsrichtungen abstehendes Haupthaar geplättet und sich den Schlaf aus den Augen gerieben.

Als sein müdes Ogerhirn nach geraumer Weile und einem Eimer Cofea endlich auf Betriebstemperatur gekommen war und er begriffen hatte, dass hier energischer Protest angebracht gewesen wäre - schließlich ist er ja für eine Böse-Oger-Nummer engagiert und nicht als Viehhirt oder Gepäckträger -, war der kleinwüchsige Zirkusdirektor jedoch schon über alle Berge und zwischen den umhereilenden Gauklern und Artisten verschwunden gewesen. Achims einziger Trost war, dass es seinen Begleitern keinen Deut besser gegangen war als ihm - auch Olyvar und die beiden weiblichen Mitglieder ihres kleinen Rettungstrupps hatten bei den Aufbruchsvorbereitungen kräftig mit anpacken müssen. Selbst zu dieser frühen Stunde hatte das Zirkushauptquartier am Stadtrand schon gewimmelt wie ein Ameisenhaufen, den jemand mit einem Stock angestochert hatte - allerdings wie ein ziemlich gut organisierter Ameisenhaufen. Bevor sie auch nur dreimal hatten blinzeln können, waren alle Sachen gepackt und auf die Wagen verladen, die Tiere in ihren Käfigen, und die Gauklertruppe bereit zum Aufbruch gewesen. Durch die noch im Tiefschlaf liegende Stadt und stille, nebelverhangene Gässchen waren sie mit ihrer merkwürdigen Karawane Richtung Westen zum Singenden Esel und zum Flussmarkt gezogen, wo an diesem Tag die Vorstellung stattfinden sollte. Kaum angekommen, war das ganze Gewimmel von Neuem losgegangen, und es hatte nur wenig länger als eine Stunde gedauert, bis die Zirkusleute unter dem neugierigen Gaffen einiger Frühaufsteher den weiten, viereckigen Marktplatz vor dem Gasthaus in eine Art Arena verwandelt hatten.

Das nebelfeuchte Pflaster war unter einer dicken Lage Sägemehl verschwunden, Bänke waren von den Karren abgeladen und rund um die improvisierte Manege aufgestellt worden, Pflöcke zwischen die Pflastersteine geschlagen und bunte Absperrbänder gespannt worden, und noch bevor die Sonne sich verschlafen über die Dächer Blurraents erhoben hatte, hatte vor dem 'Esel' schon ein prächtiges Zirkusrund mit Blumenschmuck und flatternden Fähnchen geprangt. An der Ostseite des Platzes, zum Gasthaus hin, waren an langen Stangen Zeltbahnen gespannt worden, um den Bereich der Zirkusleute vor den Blicken des Publikums zu verbergen. Dahinter waren die meisten der buntbemalten Zirkuskarren zu einer Art Wagenburg zusammengeschoben worden, in deren freien Mitte nun genug Platz ist für die Tiere, die Gaukler, für letzte Proben vor dem Auftritt und für einen nervösen Oger mit Lampenfieber und einem akuten Magenproblem. Olyvar neben ihm lugt wachsamen Auges durch die schmale Lücke zwischen den Zeltbahnen, die den Blick auf die Manege, die vollbesetzten Bänke und den mit Schaulustigen bevölkerten Flussmarkt frei gibt. Achim dagegen, einen guten dreiviertel Schritt größer als sein Lord Commander, sieht leider überhaupt nichts, denn direkt vor seinen Augen befindet sich nichts als eine Reihe vernagelter Latten und ein Gewirr an Zeltschnüren, so dass Olyvar ab und an den aktuellen Stand der Dinge hinauf in luftige Höhen und in Richtung eines Paares gespitzter Ogerohren durchgeben muss. "Ist unser Fluchtwagen auch wirklich noch da?" grunzt Achim nervös nach unten und versucht, über die Querlatten in Richtung des abgestellten Fuhrwerks zu äugen, das am Rand des Platzes in der Nähe der Silberbrücke auf sie wartet.

Pimpernell hatte zuerst darauf bestanden, dass sie ihren persönlichen Wohn-, Schlaf- oder Wasauchimmer-Wagen, den er ihnen überlassen hatte, zusammen mit den anderen vor dem Singenden Esel platzieren müssten. Allerdings wäre ihnen dann, eingekeilt zwischen Tierkäfigen und Ochsenkarren, und mit einer wimmelnden Menschenmenge zwischen sich und der rettenden Brücke in die Freiheit, eine schnelle Flucht schlicht unmöglich gewesen. Olyvar hatte sofort Protest angemeldet und geistesgegenwärtig darauf gedrängt, das Fuhrwerk etwas abseits der anderen abzustellen, und schließlich war es ihnen mittels gutem Zureden und der Behauptung, der Oger würde Migräne bekommen, wenn dem Wagen nicht ein exklusiver Standplatz zugeteilt werden würde (und Oger mit Migräne sind wirklich unausstehlich), gelungen, Pimpernell zu erweichen. Noch dazu können sie den Wagen von ihrem momentanen Standort aus gut beobachten. Das heißt, Olyvar kann - der Oger nicht. Achims neugierig spähende Blicke und seine zerraufte Haarpracht, die sich über der Zeltplane zeigt, bringen ihm einen rüpelhaften Ellbogenrempler des Commanders ein. "Runter da!" zischt Olyvar. "Lass dich bloß nicht sehen. Der Wagen ist noch da, also keine Panik." Der improvisierte Zeltbahnenvorhang vor ihrer Nase teilt sich und spuckt ihnen den entkräftet röchelnden Feuerschlucker entgegen, der seine Darbietung gerade beendet hat. Beim Anblick des Gauklers, der, heftig hustend und noch immer kleine Rauchwölkchen um sich herum schnaubend, an ihnen vorbeihastet, plumpst Achims Herz zwei Stockwerke tiefer und hängt ihm irgendwo in den Knien, denn dem Programm und der Reihenfolge nach, die Pimpernell ausgeheckt hatte, sollen nach dem Feuerschlucker Aswhang und der Magier auftreten - was bedeutet, dass auch Olyvar und er selbst bald ihren großen Auftritt haben werden. Vorausgesetzt natürlich, es würde alles nach Plan klappen.

Und wirklich, kaum dass 'Faisal, das Flammenwunder' an ihnen vorbei in Richtung der abgestellten Zirkuswagen gehuscht ist, schiebt sich Aswhangs turmhohe Frisur in ihr Blickfeld. Mit steinerner Miene, die Arme voller Requisiten, folgt sie dem Zauberer, der mit majestätisch geblähtem Umhang voranschreitet, in die Manege. "Ohjeohjeohje, es ist gleich so weit", kiekst Achim und zappelt aufgeregt neben Olyvar herum, "ist Shyada auch wirklich da? Ich seh' sie gar nicht ... und wo zum Henker ist Diantha? Sie sollte doch hier sein .... Götter im Himmel, das wird niemals klappen, das wird so dermaßen schiefgehen, wie etwas nur schiefgehen kann .... Himmel hilf, mein Auftritt, ich muss mich vorbereiten..." Reiß dich bloß mal zusammen, alter Knabe, du wirst dich doch nicht blamieren wollen. Denk an Ogertante Hildegund, was würde die wohl sagen, wenn ihr Jungchen hier kläglich versagen würde? Achim versucht es als gutes Omen zu nehmen, dass Dianthas Vorstellung so gut geklappt hatte - wenn sie das schaffte, dann würde er das ebenso. Die Immerfrosterin hatte ihre Darbietung schon vor einigen Minuten absolviert, zwischen dem Auftritt der reichlich hässlichen Dame ohne Unterleib (deren simpler Anblick Achims ausgeprägten Sinn für Ästhetik schon derart beleidigt hatte, dass er zu dem Schluss gekommen war, es wäre nur vernünftig, ihr auch noch das Gesicht zu amputieren) und einem Gaukler, der zuerst mit Stoffbällen, dann mit brennenden Fackeln und zu guter Letzt mit lebenden Hühnern jongliert hatte. Während Diantha in der Manege gestanden und mit Dutzenden von Klingen und Wurfsternen hantiert hatte, hatten sie gezittert und gebangt, ob das Publikum ihr wohl die professionelle Zirkusmesserwerferin abnehmen würde, aber wie sich herausgestellt hatte, war dies völlig unnötig gewesen.

Weder Olyvar noch er hatten zuvor Gelegenheit gehabt, sich eine Kostprobe ihres Könnens anzusehen und einfach darauf vertraut, dass sie tatsächlich mit ihren Wurfgeschossen umgehen kann. Und das tut sie, kein Zweifel, und dazu noch mit einer Lässigkeit, als würde sie tagaus tagein nichts anderes tun, als mit blitzenden Hackmessern auf Zielscheiben und Bretterwände einzudreschen. Sie hatte ihre Wurfsterne mit solch verblüffender Geschwindigkeit wirbeln lassen, dass ihnen Hören und Sehen vergangen war, und die Zuschauer waren mehr als beeindruckt gewesen, als sie das Mädchen unter großem Applaus aus der Manege entlassen hatten. Danach war sie verschwunden und ist auch im Moment nirgends zu sehen, und das macht den Oger noch nervöser, als er ohnehin schon ist. Dazu lässt sich der Zauberer - Aberkadaver oder wie auch immer er heißen mag - für seine Vorführung auch noch grauenhaft viel Zeit und zeigt zunächst eine Reihe billiger Zaubertricks, während er nebenbei seine arme 'Assistentin' in der Manege herumscheucht. Achim würde ihm dafür am liebsten den mageren Hals umdrehen, denn je länger er auf seinen Einsatz warten muss, desto aufgeregter wird er. Einem Nervenzusammenbruch nahe zappelt er neben Olyvar herum, tritt von einem Fuß auf den anderen, fummelt an den Lendenschurzzotteln herum, kratzt sich den Schädel, kratzt sich den Hintern, hypochondert sich aus dem nervösen Geflatter in seiner Magengrube sofort ein bösartiges Geschwür zusammen ("Du, Oly, ich glaub', ich hab' gerade eine unheilbare Krankheit entdeckt, ich kann uunmöglich auftreten...") und lampenfiebert so vor sich hin, wobei er über die Querlatten linst und die Augen nicht von Aswhang und dem Magier lässt.

Die zierliche Elbin sieht zwar aus, als würde sie unter dem Gewicht ihrer turmartigen Frisur beinahe zusammenbrechen, aber sie hält sich erstaunlich gut und Achim beneidet sie fast um ihre Ihr-könnt-mich-alle-mal-Miene und um die kühle Lässigkeit, mit der sie die Situation meistert. Tja, alter Junge, die ist nicht so'n Sensibelchen wie du, von der kannst du dir noch eine Scheibe abschneiden. Kein Mensch würde angesichts der spärlich bekleideten Elbin auf die Idee kommen, dass sie in Wirklichkeit alles ist, nur nicht die Assistentin dieses windigen Möchtegernmagiers. Gerade fordert er sie auf, jemanden aus dem Publikum in die Manege zu holen, um seinen berühmten und rohaweit bekannten ... Rohaweit? Harhar. Ich lach' mich tot. ... Hypnosezauber vorzuführen. Uff, Götter helft, gleich geht es los .... schnell noch letzte Vorbereitungen treffen... Aus dem umgeschnallten Wadenfell zieht der Oger einen kleinen, rechteckigen Riegel, stopft ihn sich zwischen die Zähne und beginnt unter lautstarken Mahlgeräuschen hektisch darauf herumzukauen. Olyvar, der die Bewegung aus den Augenwinkeln bemerkt hat, wendet den Kopf und beäugt misstrauisch Achims Tun und die merkwürdigen Bläschen, die sich in den Mundwinkeln des Ogers bilden. "Was in aller Götter Namen isst du da?"
"Feife." Aus den Bläschen wird allmählich wildes Geschäume und der fragende Blick des Lord Commanders wandelt sich zu einem Ausdruck absoluter Verständnislosigkeit.
"Häh?"
"Na, du wirfst doch wohl wiffen, waf Feife ist", blubbert Achim erklärend zu ihm hinunter "Daf ift künftlicher Fabber. Faum vorm Maul, du weift fon, böfer Oger und fo. Ein guter Faufpieler muff völlig in feiner Rolle aufgehen, wenn er die Zufauer überpfeugen will. Wann geht'f denn jepft endloch lof?"

Über Achims plötzliche Schauspielleidenschaft resigniert den Kopf schüttelnd äugt Olyvar durch den Spalt in den Zeltplanen, während der seifenschäumende Oger hinter ihm an seinem Rockzipfel hängt und ihn mit nervigen Fragen malträtiert. "Waf fieft du denn? Waf? Waf?" "Shyada ist in der Manege", konstatiert der Lord Commander nach einem prüfenden Blick aus zusammengekniffenen Augen, "Aswhang hat sie gerade herangeholt. Also mach' dich bereit. Gleich ist es soweit. Und wo um Himmels Willen steckt Diantha? Ifrinn!"
"Fyada? Waf? Wo?" Der Oger lässt es sich nicht nehmen, selbst ein Auge in Richtung der Manege zu werfen, stellt sich auf die Zehenspitzen, schielt über die Latten und stellt dann erschüttert fest: "Götter fteht unf bei - fie hat die Falfe erwift. Daf ift doch nie und nimmer unfere Amapfone - aufgepfloffen! Fie trägt ein Kleid! Fie ift frifiert! Fie fieht auf wie eine adlige Dame!" Nach einem abschätzenden Blick auf Shyadas seltsam glasige Augen und ihren lämmchensanften Gesichtsausdruck muss er sich allerdings korrigieren: "Najagut, fie fieht eher auf wie eine Feharim auf Drogen. Komiff, irgendwie kommt fie mir bekannt vor." Während Achim noch entgeistert die Frau anstarrt, die Olyvars Meinung nach nur Shyada sein kann, setzt der Magier mit theatralischen Gesten und unverständlichem Gemurmel zu seinem Zauber an. Der Oger glaubt seinen Augen nicht zu trauen, als es Plop macht und die Amazone, umhüllt von zischenden Lichtblitzen und funkelndem Feenstaub plötzlich im Nichts zu verschwinden scheint. Achims Gestarre wird allerdings abrupt von Olyvars Ellbogen unterbrochen, der sich in diesem Moment rabiat in seine Weichteile bohrt. "Quatsch' nicht - los jetzt! Ich kümmere mich um Shya, und du legst los, mach schon!""
"Jepft? Wie jepft? Du meinft jepft gleich? Jepft fofort? Ich glaub', mir ift pflecht, herrje. Fipft mein Koftüm? Feh ich auch wirklich gut auf?" Mittlerweile ähnelt er - mit Fellzotteln am Hintern und Schaum vor'm Maul - mehr einem tollwütigen Mammut als einem Oger. "Achim", knurrt Olyvar warnend, während er sich schon auf den Weg in Richtung der Amazone macht, "denk an die Gemüsediebe....."

"Achja, ftimmt, verpfeihung. Ich foll ja den böfen Oger fpielen .....hoffentlich machen daf meine Pftimmbänder auch mit, ich hatte doch nur eine einpfige Übungfpfunde ..... GROOOOOOOOOOOOOOOOAAAAAAAAAAAAAAAAAAAR" Die Stimmbänder machen mit, und Achims ohrenbetäubendes Röhren lässt die schweren Zeltplanen vor seiner Nase wie abgerissene Segel im Wind flattern und jagt sämtliche Zuschauer erschreckt von den Bänken. "Gut fo?" fragt er eifrig. "Ich verfuch' mal, ein biffchen Randale pfu machen..." Er schlenkert mit den Armen wie ein Tanurischer Berggorilla, schlägt wild um sich, blubbert ganze Fontänen von Seifenschaumbläschen hervor, haut dabei gröhlend den halben Manegeneingang samt Brettern und Latten in Trümmer und bemüht sich redlich, möglichst grauenerregend auszusehen, was ihm - von Geburt an mit dem überaus anmutigen Aussehen eines ausgewachsenen Menschenfressers gesegnet -  nicht sonderlich schwer fällt. Bretter und geborstenes Gestänge donnern rund um ihn zu Boden und ein Regen aus umherfliegenden Holzsplittern geht auf die schreckerstarrten Zuschauer nieder, als Achim zähnefletschend und Geifer und Sabber versprühend in die Manege walzt. Mit einem Auge schielt er dabei angestrengt nach Olyvar und dessen Handzeichen, während er mit dem anderen das Publikum, die Elbin, den Magier und Shyada gleichzeitig im Blick zu behalten versucht - das wilde Augenrollen einer blutrünstigen Bestie ergibt sich dabei praktisch von ganz allein. Binnen weniger Herzschläge wandeln sich die bislang friedlich verlaufende Zirkusvorstellung in ein kreischendes Chaos und die Manege in ein Trümmerfeld, als helle Panik ausbricht. Bänke werden umgestoßen, Absperrungen niedergerissen, Mütter zerren schreiend ihre Kinder fort, und die Menge spritzt so angsterfüllt auseinander wie ein eine Herde Gänse, in die der Fuchs gefahren ist. Die Tiere in den Käfigen sind mittlerweile völlig durchgedreht, es gackert und wiehert, brüllt und bellt und trompetet in einer Lautstärke, bei der man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Der Krach ist einfach ohrenbetäubend. Und Achim ist begeistert - zwar hätte ihm ein bisschen Beifall auch ganz gut gefallen, aber das hier ist bei weitem besser und stachelt ihn geradezu zu Höchstleistungen an. Brüllend stürzt er sich in die Menge, als er Olyvars Blick und dessen wilde Gesten auffängt, dann ist der Lord Commander auch schon endgültig aus seinem Sichtfeld verschwunden, um sich die Amazone zu krallen, und Achim kann sich voll und ganz der heroischen Aufgabe widmen, den Flussmarkt Blurraents in den Vorhof einer der Neun Höllen zu verwandeln - die Hölle, in der die wilden Oger hausen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Jamar am 03. Dez. 2006, 11:36 Uhr
Den ganzen morgen über, während die Aufbauarbeiten vorangehen, lungert Jamar in der Nähe des Flussmarktes herum und inspiziert dabei so unauffällig wie möglich die Gegend. Das Gewusel auf dem gepflasterten Platz geht ihn dabei natürlich gehörig den Strich und mittlerweile ist er auch wieder bei Sinnen und zu dem Ergebnis gelangt, dass es eine absolut idiotische Idee gewesen war, es den Frauen zu erlauben. Da er noch nie einen Zirkus besucht hat, hat er keine Ahnung welche Ausmaße der Trubel annehmen wird, aber nachdem so eifrig Bänke und Sperrbänder verteilt werden, muss das heißen, dass eine Menge Leute sich das Spektakel angucken werden. Eigentlich auch nicht verwunderlich, doch das heißt auch, dass es nahezu unmöglich sein wird, die Sache unter Kontrolle zu halten. Andererseits würden sich alle auf die Vorstellungen konzentrieren, zumindest geht er davon aus, und das wiederum bedeutet, dass es sehr auffällig wäre, wenn jemand aus dem Publikum sich Shyada nähern sollte. Ohnehin ist er, nachdem er die ganzen Bänke gesehen hat, zu dem Schluss gekommen, dass er sie am besten dort platzieren wird. Selainee, Shyada und er. Nicht direkt in ihrer Nähe, aber so, dass er mit einem Schritt bei ihr wäre. Das hätte den Vorteil, dass er dann nicht die stehende Menge beobachten müsste und sich Shyada niemand nähern kann, ohne gesehen zu werden. Durch Schmerzensschreie, die wohl von einem falsch geschwungenen Hammer herrühren, in seinen Überlegungen unterbrochen, überblickt Jamar die Sache ein letztes Mal. Mit den Bänken hat er eigentlich wieder einen Vorteil für sich errungen, was die gelinde Genugtuung über diesen Umstand aber trübt, sind die ganzen Zelte und Wagen, die den Platz einrahmen und teilweise sogar abriegeln. Fast wie eine Falle, kommt ihm der Gedanke, denn an der offenen Seite können die ahnungslosen Gäste sich dem Spektakel nähern, während die anderen beinah nahtlos abgeriegelt sind. Es würde also nur noch jemand oder etwas fehlen, was den Ring schließen würde. Misstrauisch wendet er sich zu der offenen Seite des Platzes, aber es gibt weder Zäune, noch Palisaden, noch irgendetwas anderes, was darauf deuten könnte, dass man hinter ihnen die Luke dicht machen will. Nur ein einzelner Zirkuswagen steht etwas abseits der ganzen anderen und wirkt dadurch verloren. Unbewusst schiebt Jamar diesen Wagen dem Zirkusdirektor zu. Immerhin kann er gut nachvollziehen, wenn man als Verantwortlicher einer Sache auch einfach nur seine Ruhe haben möchte. „Wenn man nicht alles alleine richtig macht...“, murmelt er leise mit verschlossener Miene vor sich hin und spürt fast so etwas wie Bedauern für den Trottel Pimpernell, der wahrscheinlich von noch größeren Trotteln umgeben ist. Eine bessere Bezeichnung fällt ihm für bunt geschminkte Männer, angebliche Zauberer und schöne Frauen nicht ein.

Zurück im Esel und kurz bevor die Vorstellung beginnen soll, bespricht Jamar mit Ismael und zum Teil auch Darwik die letzten Dinge und erklärt ihnen, wer was zu tun hat. Darwik ist aufgrund der Euphorie über den Zirkusbesuch natürlich überhaupt nicht bei der Sache und wird daher von Jamar einfach dezent im Publikum verteilt. Wenn er sich denn dazu hinreißen kann, seine Aufgabe zu erledigen, bedeutet es ohnehin nur, dass er sich in nicht allzu weiter Entfernung von Shyada aufhalten und ebenfalls gelegentlich ein Auge auf sie werfen soll. Ismael hingegen wird sich nicht mit zu ihnen auf die Bänke gesellen, sondern die Sache von den Stehplätzen aus im Überblick behalten. „Hoffen wir, dass sich Kestras Handlanger nicht gerade den Zirkus für die Kontaktaufnahme ausgesucht haben.“ Einen Tag hocken sie nun schon in dieser Stadt. Wenn die unbekannte Person wirklich gut wäre, dann hätten sie eigentlich schon längst aufeinander treffen müssen. Zudem ist Jamar diese Ungewissheit so dermaßen verhasst, dass er am liebsten alle wieder in die Kutsche verfrachten und direkt losfahren möchte. Allerdings weiß er auch, welchen Aufstand das bei Kestra geben wird und sein Leben hat dank ihr nun mal weitaus bessere Züge angenommen, als dass er sie unnötig verärgern will. Denn auch wenn man es ihm vielleicht nicht ansieht, sein Leben ist ihm schon ganz lieb. „Also gut, lasst uns gehen, bevor die Frauen vor Extase noch umkippen.“ Gesagt, getan, verlassen die drei ihr Zimmer und staunen wenig später nicht schlecht, als sie Shyada erblicken. Darwik lässt sich zu einem mit roten Wangen gemurmelten „Hübsch!“ hinreißen, während Ismael nur anerkennend nickt und Jamar seine rechte Hand zur Faust ballt. Wütend sieht er zu Selainee, die wohl in seiner Abwesenheit plötzlich etwas wie eine weibliche Seite entwickelt oder jemanden ins Zimmer gelassen hat. Diese reckt jedoch nur trotzig das Kinn und erwidert seinen Blick mit einem aufmüpfigen Funkeln in den Augen. Schnell ruft sich Jamar den Grund für den Zirkusbesuch ins Gedächtnis und belässt es dabei, die Frauen nur wütend anzusehen. Sollen sie doch wenn sie meinen, aber beim nächsten Mal, würde es für Selainee nicht bei einem Blick bleiben. Er weiß zwar nicht, mit wem sie auf ihren Stadtausflügen zu tun haben, aber er will niemanden außer ihnen in dem Zimmer der beiden Frauen wissen. „Los jetzt“, knurrt er Selainee und Shyada an, die daraufhin fröhlicher drein blicken und schon die Treppe hinunterhetzen. Gleich im Schlepptau: Darwik. Regungslos betrachtet Jamar die drei, sieht kurz zu Ismael und schüttelt dann den Kopf. „Frag besser nicht... beim nächsten Mal, kann sie sich jemand anderes für so eine Aufgabe suchen.“

Als er jetzt wieder aus dem Esel tritt und die Hand gegen die Mittagssonne vor die Augen hält, hat sich der Platz neben den üblichen Schaulustigen auch bereits mit allerhand Gästen gefüllt, die zu den Bänken schlendern und sich möglichst weit vorne hinsetzen. Selainee und Shyada sind mit Darwik auch schon ein Stück weiter vorne, so dass Ismael und Jamar sich beeilen. Bevor sie die Bänke erreichen, trennen sich die beiden aber und Jamar geht direkt auf Darwik zu, den er ein Stück bei Seite scheucht und auf einen besonders tollen Platz aufmerksam macht, woraufhin dieser auch gleich dort hin stürmt. Nachdem die beiden Frauen sich ebenfalls eine Bank, von der sie gut alles überblicken können, ausgesucht haben, nimmt Jamar auf einer gleich dahinter aber ein Stück versetzt Platz. Vor ihnen ist die provisorische Bühne, zu beiden Seiten Zelte und Wagen, hinter ihnen die stehenden Zuschauer und dahinter der Zugang zur Vorstellung. Da er Ismael im Rücken hat, braucht er sich nur auf das vor sich konzentrieren und das sollte, da die Frauen ziemlich weit vorne sitzen, auch nicht weiter kompliziert sein. Was ihm jetzt noch zu hoffen bleibt, ist dass die Vorstellung möglichst schnell zu Ende geht. Nach und nach strömen immer mehr Gäste herbei, bis irgendwann ein Mann auf die Bühne tritt, sich als Pimpernell vorstellt und mit großen Worten von seinem tollen Zirkus berichtet und dann die Vorstellung für eröffnet erklärt. Erfreutes Geklatsche und Gekicher ist immer wieder von allen Seiten zu hören, so dass Jamar mehr als nur einmal genervt die Augen rollt oder aufseufzt. Auch wenn er sich immer wieder im Publikum umsieht, bekommt er doch einiges von der Vorstellung mit. Die Messerwerferin ist ihm dabei besonders ins Auge gefallen. Ihre Fähigkeiten waren nicht zu verachten und könnten es mit denen so mancher Männer aufnehmen, die Jamar kennt. Aber in einem Kampf würde der schmächtigen Frau das auch herzlich wenig nützen. Wieder einmal werden die Darsteller ausgewechselt und irgendwann wird sogar der von Jamar befürchtete Zauberer ausgerufen. Auch wenn die meisten sich gerne täuschen lassen, er weiß, dass die meisten Zauber einfach nur billige Tricks sind, denn Leute die glauben dass es etwas sein wird und muss, können die wunderbarsten Dinge sehen. Besonders solche, die es gar nicht gibt. Während der Zauber unter Schweigen oder bei Auflösung der Tricks auch in Begleitung von „Aah“ und „Ooh“, seine Kunststückchen präsentiert, kündigt er schließlich einen Hypnoseversuch an, woraufhin seine ziemlich merkwürdig gekleidete Assistentin sich zielstrebig aufs Publikum zu bewegt. Sie blickt mal hierhin und mal dorthin, was darauf hin deutet, dass sie wohl jemanden aus dem Publikum für die Hypnose auswählen will. Unwillkürlich stellen sich Jamars Nackenhaare auf. Er weiß immer genau, wenn etwas außer Kontrolle gerät und das hier nimmt gerade seinen Anfang. Doch bevor er etwas unternehmen kann, ist der bunte Vogel von Frau(wo die Schnabelmaske sehr passend erscheint), direkt vor ihnen und heftet seinen Blick auf Shyada. Wortlos die Hand ausgestreckt, wahrscheinlich um die ach so magischen Kräfte des Vorhabens nicht zu stören, sucht sie sich tatsächlich Shyada aus, dass Jamar am liebsten knurrend aufgesprungen wäre. Doch er weiß nur zu genau, dass dies zuviel Aufmerksamkeit auf sich lenken würde. Brav wie Shyada in ihrem Zustand jedoch ist, wendet sie sich zu ihm um und sieht ihn hoffnungsvoll fragend an. Gerade will er mit dem Kopf schütteln, als die Assistentin sich einfach Shyada schnappt und sie ihm sichtlich verwirrten Zustand mit sich zerrt. Sämtliche Muskeln angespannt, kann Jamar es gerade noch so verhindern, dass er aufspringt und die Amazone zurückzerrt. Das hätte nicht passieren dürfen! Suchend blickt er sich nach Ismael um. Dieser hat sich bereits ein Stück genähert und scheint nicht minder davon angetan zu sein. Darwik hingegen ist voller Verzückung, dass jemand, den er kennt, jetzt auf der Bühne steht.

Steif wie ein Zinnsoldat steht Shyada auf der Bühne und wird von Jamar nicht mehr eine einzige Sekunde aus den Augen gelassen. Er weiß, dass Ismael das gleiche tut und sollte es auch nur das geringste Anzeichen dafür geben, dass sich jemand an ihr vergeht oder sie wegführen will, wäre er bei ihr. Egal was für einen Aufstand das geben würde, notfalls würden sie doch allein und ohne den Besuch des Kontaktmannes nach Torhof weiterziehen. Innerlich angespannt und voller Adrenalin, starrt Jamar auf die Bühne und ignoriert die Gesten und das Gefasel des Zauberers. Erst als Rauch aufsteigt und es seltsam zu Flirren anfängt, ahnt er, dass hier etwas so ganz und gar nicht so läuft, wie es geplant war. Du und deine verfluchten Ideen! Ein Blick zu Ismael, ein kurzer zu Selainee, die fasziniert zur Bühnenshow blickt, dann erhebt er sich und will gerade über die erste Bank steigen, als es erste Beschwerden gibt. Der Rauch wird immer dichter, so dass nicht mehr allzu viel von Shyada zu sehen ist. Irgendetwas stimmt hier nicht. Das weiß Jamar so genau, wie dass die Sonne jeden Morgen im Osten aufgeht, vergisst darüber hinaus jede Vorsicht und springt über die nächste Bank. Auch Ismael hat sich in Bewegung gesetzt, doch bevor sie auch nur ansatzweise die Bühne erreichen ertönt völlig unerwartet ein ziemlich unmenschliches Geräusch und deutet darauf hin, dass es dort jemanden gibt, der nicht minder wütend und aggressiv ist. Augenblicklich verlagert sich die Aufmerksamkeit der staunenden Menge zu dem Ort des Gebrüll, als auch schon das erste Holz splittert und sich ein wahrlich großes und vor allem schäumendes Ungetüm auf die Menge zu bewegt. Keinen Herzschlag später ist der Manegenplatz ein Ort heillosen Durcheinanders, wildem Gekreische und entsetztem Gekeuche. Männer, Frauen und Kinder laufen wild durch die Gegend, keiner achtet auf den anderen und alle treten und schlagen sie sich gegenseitig um möglichst schnell von dem Ungeheuer wegzukommen. Über die Köpfe der panischen Menge hinweg, kann Jamar sehen, wie sich auch die Leute auf der Bühne bewegen. Unter ihnen natürlich Shyada, doch so sehr er auch rücksichtslos um sich schlägt, er kommt kaum einen Schritt vorwärts, da er in genau in die anderen Richtung will, als wie die meisten der fliehenden Zuschauer. „Verdammt! Haut ab!“, knurrt er immer wieder, schlägt einen Mann ins Gesicht, zerrt eine Frau an den Haaren bei Seite und bleibt, als er endlich freie Bahn hat, wie angewurzelt stehen. Der Magier und seine Assistentin sind weg. Und mit ihnen Shyada.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 03. Dez. 2006, 17:12 Uhr
Von einem Herzschlag auf den anderen verwandelt sich der eben noch fröhlich-bunte Flussmarkt Blurraents in ein brüllendes, kreischendes Inferno aus einem tobenden Oger und einer in wilder Panik davon spritzenden Menschenmenge, durchgedrehten Tieren, konfusen Schaustellern, splitternden Trümmern, abgerissenen Stoffplanen und wild hin und her peitschenden Tauen, die aus ihren Verankerungen gerissen wurden. Olyvar hetzt zu Shyada davon, sobald Achim und sein furchterregendes Brüllen durch den Vorhang brechen, um eitel Chaos und Verwüstung anzurichten. Er flucht im Stillen über ihr irres Vorhaben, das besser zu funktionieren scheint, als sie alle erwartet haben, und kann nur hoffen, dass die flüchtenden Massen dort draußen Achim - der im Lendenschurz und mit Schaum vor dem Maul zugegebenermaßen wahrhaft furchterregend aussieht, auch wenn er inzwischen vermutlich zehn Schritt gegen den Wind nach Lavendelseife stinkt - , den bösartigen Menschenfresser auch lange genug abnehmen. Wie auch immer, er hat keine Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Er rennt in Richtung der Bühne, drängt sich rücksichtslos durch dichte Trauben flüchtender Schausteller, weicht fluchend einem missmutig aus seinem Käfig tappenden Schneebären aus, stolpert fast über den falschen Drachen, den Saphirwaran mit den angeklebten Flügeln, welcher das gar nicht amüsant findet und schneller als Olyvar auch nur "Mist!" sagen kann seinen halben Umhang frühstückt und ihn dabei fast erwürgt, bis er sich aus den zerfetzten Stoffresten befreit hat. Irgendwie erreicht er schließlich doch noch in einem Stück den kleinen Verschlag des doppelten Bodens im hölzernen Unterbau der Bühne, in dem - laut Plan – die Amazone stecken müsste. Shyada ist tatsächlich noch darin, denn die Tür zittert unter wildem Rütteln und jemand hämmert hektisch gegen das dünne Holz. Olyvar hält sich nicht mehr mit Schlüsseln oder Verriegelungen auf, sondern reißt kurzerhand den gesamten Beschlag samt Schloss und Knauf vom Türblatt, so dass ihm die lang gesuchte Amazone, ihres hölzernen Widerstands beraubt, haltlos in die Arme purzelt.  "Hoppla... " Olyvar pflückt sich mit einem wahrhaft mörderischen Grinsen die panisch an ihm klebende Shyada vom Hals und hält sie an den Armen ein Stück von sich weg. "Ich freu mich auch, dich zu sehen, Shya. Und jetzt weg hier."
"Was... nein.... ich... muss... was ist los? Wer bist du? Wo bin ich...?"


"Keine Zeit." Olyvar wirft sich Shyada wie einen Mehlsack über die Schulter, ignoriert alle Proteste, jedes erschrockene Gezappel und sämtliche Gegenwehrversuche, und blickt sich in dem ganzen Chaos suchend nach Ashwang und Diantha um. Es dauert nicht lange, bis er sie entdeckt, etwa zwanzig, fünfundzwanzig Schritt von ihm entfernt. Die turmhohe Frisur der Elbin ist zwar in reichlicher Auflösung begriffen, aber immer noch gut zu erkennen, auch wenn sie nunmehr eher einer sturmzerfledderten Palme ähnelt. Allen Göttern sei Dank ist Diantha bei ihr und zerrt Ashwang mehr oder weniger sanft hinter sich her in Richtung des Wagens, während die Elbin mit hasserfüllten Augen auf irgendeinen Punkt in dem Gewimmel in der ehemaligen Manege starrt, den Olyvar von seinem Standort hinter der Bühne aus nicht sehen kann. "Lauft!" Brüllt er und winkt heftig mit seinem freien Arm. "Zum Wagen. Sofort! ACHIM!" Ihm bleibt keine Zeit abzuwarten, ob der Oger ihn hört oder nicht, er muss selbst sehen, dass er den Wagen erreicht, bevor die bereits wild scheuenden Pferde vollends durchgehen. Kaum ist das geschafft und die Amazone auf die Ladefläche unter der gewölbten Plane verfrachtet, klettern auch Ashwang und Diantha an Bord und Olyvar heißt sie, sich um Shyada zu kümmern und sie notfalls zu fesseln und zu knebeln, während er selbst versucht, die schweren Pferde im Zaum zu halten – wenigstens so lange, bis Achim sie erreicht hätte. Ungeduldig sieht er sich nach dem Oger um, während die Leinen tief in seine Handflächen und Finger schneiden, die heftig ruckenden, stampfenden, wiehernden und halb steigenden Tiere ihm fast die Arme aus den  Schultergelenken reißen und irgendwo hinter ihm Shyada, eingekeilt zwischen Diantha und Ashwang, kreischt wie eine verbrühte Katze – was sie sagt, kann er über all den Lärm um ihn herum nicht verstehen. "ACHIM! Götter im Himmel, beeil dich Mann!"
Der Oger hat ihn offenbar gehört, denn er biegt gerade im Schweinsgalopp um die traurigen Überreste der einst so stolzen Bühnenkonstruktion, mit einer Hand den Lendenschurz festhaltend und unter den freien Arm ein mageres Mädel geklemmt, das nicht minder Zeter und Mordio schreit wie Shyada hinter ihm. Olyvar traut seinen Augen nicht. "Himmelgötterverdammtnochmal, ACHIM! Du sollst dir keine Souvenirs mitnehmen, du sollst laufen. Schneller! Achim, komm schon! Beeil dich!!!"
"Ich..."   keuch... "ich..." keuch... "komme ja schon! Ein alter Oger ist..." keuch ... "kein Windhund!"

Achim poltert über einen ziemlich verbeulten Käfig hinweg, macht einen Satz über ein paar Kisten, rutscht auf einer heruntergerissenen Plane herum, stolpert ebenfalls über den falschen Drachen, was aber nur einen matschigen grünen Fleck auf dem Pflaster hinterlässt und erreicht schließlich schnaufend wie ein azurianisches Dreihorn den Planwagen, gerade als Olyvar die Pferde beim besten Willen nicht länger halten kann. Oger und Mädchen – es ist tatsächlich der Hut tragende kleine Giftzwerg, wie immer sie Achim auch dazu gebracht haben mag, sie mitzunehmen  -  klatschen stöhnend auf die Ladefläche, Olyvar gibt den panischen Tieren die Zügel frei, und schon rattern sie in wilder Flucht über die Brücke davon. Der Wagen ächzt und schwankt bedenklich, aber er hält, immerhin, und sie donnern in rasender Fahrt über das allen Göttern sei Dank einigermaßen glatte Kopfsteinpflaster. Vor dem Tor versuchen ein paar verschreckte Wachen ihnen halbherzig Einhalt zu gebieten, doch die Männer sehen rasch ein, dass sie den durchgehenden Pferden nichts entgegenzusetzen haben und retten sich mit hastigen Sprüngen zurück in ihre Wachhäuser. Geschrei und Lärm bleiben hinter ihnen zurück, während Olyvar die Tiere fluchend auf der breiten Straße in Richtung Westen zu halten versucht. Seine Arme fühlen sich mittlerweile wie zu lange gekochter Brei an, aber die Pferde zeigen Einsicht und beschränken sich wenigstens darauf, eine arme Schafherde von der Straße zu jagen und auf dem Pflaster dahin zu donnern, und nicht kopflos in die nächstbeste Wiese zu rasen. Sie sprengen am Westwark vorbei, einem hohen Gebäude mit gemauertem Fundament, aus dessen breitem Torbogen sich eine Schar leichtbekleideter Frauen ergießt, die aufgeregt schnatternd in Richtung des Aufruhrs an der Brücke hinter ihnen blicken, dann lassen sie die letzten Gebäude Blurraents endgültig hinter sich.

Eine enge Linkskurve ein Stück voraus treibt Olyvar dann allerdings doch noch einmal die Schweißperlen auf die Stirn. Götter, wir werden umkippen! "Achim, nach links, schnell!" Brüllt er über die Schulter, während der Wagen polternd einen Satz über eine Unebenheit macht und hinter ihm alles schreiend durcheinander purzelt. "Waf?" nuschelt der Oger, offenbar immer noch mit Seifenresten zwischen seinen Zähnen kämpfend, als er wieder auftaucht.
"Nach links! Da vorn ist eine Kurve, der Wagen kippt sonst!"
"Wo ift linkf?"
"Nach innen, du musst... da wo der Daumen rechts ist!"
"Rechtf? Ja, wie jepft?"
"In die Richtung, in der... Diantha, zeigt's ihm!"
Es poltert und schwankt, aber der Oger scheint auf der richtigen Seite gelandet zu sein, denn kaum rauscht der Wagen ächzend und kreischend in die Kurve, heben sich die Räder links götterlob nur zwei Handbreit vom Boden und sie kommen heil davon ohne sich zu überschlagen. Dann liegt nur noch die breite Seestraße vor ihnen, die sich parallel zum in Sichtweite liegenden Ufer des Ildorel entlang zieht und etwa einen halben Tausendschritt vor ihnen in die lichten Auwälder des südlichen Schnatermann eintaucht... Irgendwo dort, noch einige Wegstunden entfernt, würde die "Faule Planke" in einer Bucht vor Anker liegen. Die Pferde, inzwischen offenbar auch endlich zur Überzeugung gelangt, dass nicht gleich der Leibhaftige persönlich hinter ihnen her ist, beruhigen sich langsam und fallen in einen etwas gemäßigteren Galopp. Olyvar lässt sie laufen, bis sie den Waldrand erreicht haben und zügelt sie dann zu einem leichten Trab. "Alles in Ordnung bei euch?" Erkundigt er sich bei seinen reichlich durchgerüttelten Passagieren, die, kaum dass ihre Fahrt etwas ruhiger vonstatten geht, hinter ihm aus der Versenkung und dem Durcheinander des Wageninneren auftauchen. "Ist Shya noch da? Seid ihr alle heil?"

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Diantha am 03. Dez. 2006, 19:01 Uhr
Mit einem ungewohnt zufriedenem Gefühl liegt Diantha in der Koje in dem kleinen Zirkuswagen, der aussieht, als hätte jemand wahllos Eimer mit Faber über ihn gekippt, nur um zu schauen wie das Endergebnis aussieht. Das erste Mal seit sie von Talyra aufgebrochen sind, hat sie das Gefühl etwas Sinnvolles zu Shyadas Rettung beigetragen zu haben.
Denn auch wenn Pimpernell Achim und Olyvar wohl so oder so von der Stelle weg engagiert hätte – er versuchte zwar so zu tun, als würde ihm ein gezähmter Oger jeden Tag über den Weg laufen, aber an dem Glanz in seinen Augen sah man deutlich, dass dem nicht so ist – Diantha und Aswhang schien er allerdings weniger gewogen. „Wurfsternkünstlerin?“, hatte er bei ihrem Anblick nur gemurmelt und sie kritisch betrachtet. Dass niemand einer dünnen Frau wie ihr zutraut mit irgendeiner Art von Waffe umgehen zu können, kennt die Immerfrosterin schon zu genüge und hatte dies mehrmals zu ihrem Vorteil ausnützen können. „Hättet ihr gerne eine Kostprobe?“, hatte sie ihn mit einem falsch-freundlichen Lächeln gefragt – große Diplomatie für ihre Verhältnisse. Nach einem zustimmenden Nicken von Seiten des Zirkusleiters hatte sie ohne groß nachzudenken einfach ein Gesicht in seinen abstoßend gelben Wagen gestanzt. Das hatte ihr gegenüber die größten Voreingenommenheiten ausgeräumt und die „Echtheit“ der Truppe bewiesen. Als dann auch noch ein dürrer Mann mit einem langen Bart und stereotypischer Magierkluft aufgetaucht war und erklärt hatte, dass seine Assistentin krank geworden sei und er unbedingt eine Aushilfe bräuchte, hatte schlussendlich auch Aswhang eine Anstellung gefunden und war auch prompt mit dem Möchtegernzauberer mitgeschleift worden.
Danach hatte Pimpernell Diantha mitgenommen und einigen Artisten vorgestellt: dem Schwertschlucker Amrit und den Schwerkünstlern Sefu und Sipho. Die hatten bei ihrem Auftreten erst einmal ein wenig kritisch aus der Wäsche geschaut, als sie jedoch nach einer weiteren Kostprobe festgestellt hatten, dass die Immerfrosterin mit ihren Wurfsternen gut umgehen kann, hatten sie ihr bereitwillig Hilfestellung gegeben. „Du schaust viel zu konzentriert! Das muss viel lockerer aussehen!“, hatte es da geheißen oder „Keine so angespannte Körperhaltung! Angespannt grundsätzlich ja schon, aber nicht so, als wärst du jederzeit bereit alles stehen und liegen zu lassen und zu verschwinden!“ Teilweise hatten diese Ratschläge wirklich hart an Dianthas Beherrschung gerüttelt, doch einige waren sogar halbwegs nützlich gewesen. „Wenn du dich so aus der Hüfte drehst, kannst du dich am schnellsten umdrehen und hast du den Überraschungsmoment auf deiner Seite. Es kommt beim Publikum immer gut an, wenn es überrascht wird!“, hatte es da zum Beispiel geheißen und Sefu hatte auch gleich eine Demonstration seines Könnens vorgeführt, nach der Diantha hatte zugeben müssen, dass die Drehung nicht nur gut aussah, sondern auch wirklich schnell war. Der dunkelhäutige Mann mit dem großen, goldenem Ohrring und einer ziemlich schlimmen Narbe am Hals, von dessen Herkunft Diantha lieber nichts wissen wollte, war ihr von den drei Männern am sympathischsten gewesen, Sipho und Amrit waren ihr ein wenig zu überzeugt von ihrem Können und das wobei Sipho verletzt war und deshalb die gemeinsame Aufführung mit Sefu am folgenden Tag nicht stattfinden konnte! Trotzdem erzählte Sipho stolz, wie halsbrecherisch diese sei, dass sie sich teilweise sogar mit geschlossenen Augen große Säbel zuwerfen und mit Schwertern jonglieren würden.Das gemeinsame Training hatte nicht allzu lange gedauert, denn obwohl der Platz relativ gut erleuchtet war, war die Verletzungsgefahr doch relativ groß, zumal immer mal wieder jemand vor die Ziele lief, weil er angeblich unbedingt gerade da lang müsste.
Innerlich ist Diantha selbst ein wenig überrascht, wie schnell sie wieder gut mit den Wurfsternen geworden ist, schließlich gab es während der Schiffsfahrt keine Möglichkeit zu üben. Andererseits ist der Umgang mit diesen Waffen ähnlich wie schwimmen: Wenn man es erst einmal kann, verlernt man es so schnell nicht wieder. Außerdem war in einem Abschnitt in ihrem Leben das Üben mit den Wurfsternen ihre einzige Freizeitbeschäftigung gewesen, das Level hatte die Immerfrosterin zwar noch nicht wieder erreicht, aber wenn sie so darüber nachdachte könnte sie das einmal wieder anstreben.
So in Gedanken versunken döst Diantha vor sich hin und wäre fast eingeschlafen, bis sie plötzlich von einem Geräusch aus der Versunkenheit gerissen wird. Automatisch greift sie nach ihrem Dolch und sieht sich alarmiert um, doch Olyvar beruhigt sie damit, dass es nur Aswhang sei. Bei Sithech, ich bin nachlässig geworden! Hätte jemand mich wirklich umbringen wollen, dann wäre ihm dies heute problemlos gelungen! Da fällt ihr Blick auf die Elbe und die Puste bleibt ihr weg: Diese steckt in einem aufreizendem, grünen, glitzernden Stück Stoff, das man keinesfalls als Kleid bezeichnen kann und ihre sonst schönen Haare sind zu einer hohen Frisur aufgesteckt und so voller Glitter und Spangen, dass die Elbe eine kleine, glitzernde Spur hinterlässt. Bran, hat ihr das dieser Magier angetan? Wenn ja – lebt der noch?, kommt es Diantha in den Sinn, Aswhangs Gesicht spiegelt ähnliche Ideen wider. Olyvar reagiert genau richtig – indem er ihr einfach seinen Uisgeschlauch in die Hand drückt und nichts weiter sagt. Selbst Achim beweist so viel Taktgefühl nichts weiter zur Aufmachung der Elbin zu sagen und auch Diantha bleibt still, kann aber eine hochgezogene Augenbrauche nicht unterdrückten. Im Stillen dankt sie den Göttern dafür, dass ihr diese Schmach nicht zuteil geworden ist, denn nicht einmal das, was ihr auf dem Marktplatz Talyras geschehen ist, ist so erniedrigend, wie das, was Aswhang gerade durchmacht.
Nachdem sich alle ein wenig gefasst haben, schlägt die Elbin einen Plan vor, der wirklich nicht schlecht ist und die nächste Zeit verbringen sie mit seiner Besprechung. Als jetzt alle wissen, was sie am nächsten Tag zu tun haben, kehrt Aswhang zu ihrem verrückten Magier zurück, was sie sicherlich einiges an Überwindung kostet und den drei übrigen bleibt noch ein wenig Zeit um sich auszuruhen. Doch richtig schlafen kann die Immerfrosterin nicht mehr, jetzt wo die Vorstellung näher rückt wird auch sie nervös und so dämmert sie bis zum Morgengrauen nur vor sich hin. Dann werden sie auch prompt allesamt zum Abbau des Zirkus’ abkommandiert und ehe sie sich versieht, muss Diantha ordentlich mit anfassen, was sie zu dieser frühen Zeit nicht wirklich gewohnt ist. Mit einem kurzen Gedanken an Aswhang fügt sie sich aber schnell in dieser Rolle – besser Kisten verladen als in einem größtenteils nicht vorhandenem Kleid rumzulaufen. Obwohl sie das nie gedacht hätte muss Diantha zugeben, dass der ganze Abbruch sehr schnell vonstatten geht und Pimpernell ein guter Organisator ist – niemand sonst könnte dieses Chaos überwachen und zu einem Ergebnis führen.

So ist es noch nicht spät am Morgen, bis der ganze Zirkus vor dem ‚Esel’ schon wieder aufgebaut ist. Leicht überrumpelt wird sie von Sefu und Sipho in die Mitte genommen, die ihr noch einmal einige Tipps mit auf den Weg geben, was sie allerdings mehr beunruhigt als das Gegenteil zu erzielen. „Ihr macht mich vollkommen nervös!“, sagt sie schließlich leicht verärgert und hofft damit, die beiden los zu werden. „Das muss auch sein! Wenn du zu ruhig bist, kann das gar nichts werden!“, behauptet Sipho darauf prompt. Der hat gut reden! Er hat das schon tausendmal gemacht und muss heute nicht in die Manege und ich hab das noch nie gemacht und muss gleich da rein! „Das wird schon!“, meint da Sefu und legt ihr seine große Hand auf die Schulter. „Du kannst mit den Wurfsternen umgehen. Du wirst es schaffen, glaub mir!“ Diantha nickt nur und schon muss sie hinaus in die Manege. Einen Moment blickt sie überwältigt von der Anzahl der Zuschauer zu den Tribünen, dann reißt sie sich aber zusammen und wirft mit klopfenden Herzen den ersten Wurfstern. Entgegen aller Ängste verfehlt er sein Ziel nicht und von da an hat die Immerfrosterin das Gefühl, dass die Zeit wie im Nu verfliegt, fast alles funktioniert genau so, wie geplant, nur ein einziger Wurfstern verpasst sein Ziel knapp. Das scheint den Zuschauern nicht weiter aufzufallen, sie belohnen Diantha mit einem großen Applaus, den sie überwältigt entgegen nimmt. Sie hätte nie erwartet, dass ihr ein solcher Auftritt Spaß machen könnte, doch sie muss ganz ehrlich sein: Das hat es!
Strahlend als hätte sie noch nie etwas Schöneres erlebt verlässt sie die Manege und wird sofort von den Artisten mit großem Hallo empfangen. „Das war hervorragend!“, jubelt ihr Sipho zu. „Du hast das Zeug zu einer ganz großen Artistin!“
„Einer ist danebengegangen“, murmelt Diantha nur.
„Na und? Das Publikum war viel zu überwältigt um es zu bemerken!“, lautet die Antwort.
Die nächsten Minuten versuchen Sipho und Sefu sie zu überzeugen sich beim Zirkus zu verpflichten und spinnen schon Pläne für eine Zirkusnummer zu dritt. Diantha fällt es wirklich schwer, dass sie den beiden sagen muss, dass aus diesem schönen Wunschtraum nichts werden kann, doch da werden die sie schon von Amrit unterbrochen. „Schaut euch das an Jungs! Die neue Gehilfin von Badakarba!“
Sofort sind Sipho und Sefu abgelenkt und schauen in die Manege. „Wirklich hübsch die Kleine! Viel zu schade für eine solche Nummer!“, urteilt Sefu gerade, als Diantha klar wird, dass die Männer von Aswhang reden. Verdammt, ich müsst schon längst bei Olyvar sein!, wird ihr da klar. Aswhang holt gerade eine junge, braunhaarige Frau in einem roten Kleid aus der Menge. Das ist also Shyada! Dass die eine Kriegerin sein soll, wäre mir beim besten Wille nicht eingefallen! Die Immerfrosterin beobachtet, wie Shyada zu verschwinden scheint – sicherlich ein vollkommen banaler Trick. Wie auf Kommando ist plötzlich ein wildes Brüllen zu hören und ein Oger, der scheinbar gar nichts mehr mit dem bekannten Achim zu tun haben scheint, mit Schaum vor dem Mund stürmt die Manege um sämtliche Zuschauer davon zu jagen.

Sipho, Sefu und Amrit rennen davon und wollen Diantha mit sich ziehen, doch diese entwindet sich dem Griff und stürzt zeitgleich mit Olyvar auf Shyada zu. Als sie jedoch merkt, dass der Offizier erheblich näher an der Entführten dran ist, schaut sie sich lieber nach Aswhang um, die dank ihrer grellen Aufmachung leicht zu erkennen ist. Allerdings läuft sie nicht wie verabredet auf den Fluchtwagen zu, sondern starrt stattdessen in die schreiende Menge. „Was soll denn das?!“, knurrt Diantha, rennt auf die Elbin zu und zerrt sie ganz einfach hinter sich her. Da ruft auch schon Olyvar: >“Lauft!“< Er hat sich kurzerhand einfach Shyada über die Schulter geworfen, wie ein Held in einer alten Sage. Angespornt legt Diantha noch einen Zahn zu und rennt wie eine Verrückte auf den Wagen zu, Aswhang immer noch hinter sich herreißend, die es, dank der komischen Schuhe von dem Magier, ziemlich schwer mit dem Laufen hat.
Endlich erreichen sie den Karren, springen auf das Gefährt und kümmern sich auf Olyvars Geheiß um Shyada, die sie mit großen, vor Angst aufgerissenen Augen anstarrt. „Alles wird gut! Wir retten dich, also halt still, verstanden!“, sagt Diantha ganz plötzlich ohne darüber nachzudenken, doch irgendwie tut ihr Shyada leid. Da erreicht auch endlich der Oger mit einer Person mit Hut auf den Wagen zu, der augenblicklich losrast, die Pferde müssen total panisch sein. Alles geht trotzdem überraschend gut, bis Olyvar plötzlich: >"Achim, nach links, schnell!"< brüllt und Diantha ist überrascht von der Angst in seiner Stimme.
>"Waf?“<, fragt der Oger zurück  
>"Nach links! Da vorn ist eine Kurve, der Wagen kippt sonst!" <
>"Wo ift linkf?"<
>"Nach innen, du musst... da wo der Daumen rechts ist!"<
>"Rechtf? Ja, wie jepft?"<
>"In die Richtung, in der... Diantha, zeigt's ihm!"<
„Dahin verdammt!“, schreit diese den Oger lautstark an und zeigt auf die linke Wand.
Gerade noch rechtzeitig, denn just als Achim sich auf die richtige Seite geworfen hat, biegen sie schon ab und mit Ogerhaar vor dem Gesicht bleibt Diantha nur noch zu hoffen, das es gut geht. Und das tut es! Sie werden zwar noch mehr durcheinander geworfen, doch mit lautem Ächzen und Knirschen schafft der Wagen es um die Kurve.  Es dauert nicht mehr lange, bis die Pferde sich endlich beruhigen und schließlich laufen sie gemächlich im Trab, sodass Olyvar sich nach ihrem Wohlbefinden und Shyada erkundigen kann.
Ganz voller Ogerhaare und Glitter von Aswhangs Kleid antwortet Diantha als Erste: „Soweit ich das sehe ist alles ganz gut, wir leben allesamt noch und dank Achim ist auch keiner heraus gefallen!“ Das stimmt tatsächlich, der Oger hatte in den Kurven alle so fest an die Wand gedrückt, dass keiner die Chance hatte hinauszufliegen, nicht einmal die leichtgewichtige Elbin.
„Wie geht es dir?“, fragt die Immerfrosterin nun Shyada, für die das alles ein furchtbarer Albtraum gewesen sein muss. Und auch wenn die Frau total verunsichert wirkt, hält Diantha ihren Dolch lieber fest, wer weiß wann sich Shyada darauf besinnt, dass sie eine Kriegerin ist.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Shyada am 04. Dez. 2006, 17:21 Uhr
Obwohl ihr der Mann im Nacken sitzt und sie genau weiß, dass er wieder mit seinem brütenden Blick jede ihrer Bewegungen verfolgt, freut sich Liomie ausgelassen über die Vorstellung der bunten Zirkusleute. Sie freut sich ebenso wie die kleinen Kinder, die immer wieder vergnügt in die Hände klatschen oder ihre Eltern staunend auf die neuen Attraktionen hinweisen. Auch sie und Selli tuscheln immer wieder leise miteinander, schließlich soll er hinter ihr  nicht allzu viel davon mitbekommen. Neben riskanten Wurfaktionen, gibt es auch Vorführungen mit Tieren und Feuer, bei denen ihr ein kalter Schauer nach dem anderen über den Rücken läuft. Sie selbst würde sich so was nie trauen, aber bei den Leuten vom Pimpernells Zirkus sieht es so aus, als seien all die gefährlichen Kunststücke ein Kinderspiel. Mit leuchtenden Augen und glühenden Wangen betrachtet sie den Wechsel der verschiedenen Darstellungen und verfällt schließlich auch dem Applaus, der den angekündigten Zauberer hervorlocken soll. Dieser präsentiert sich auch prompt mit gestenreichen Worten, einem breiten Grinsen und einer sehr schrill gekleideten Assistentin. Völlig gefangen von dem ganzen Geglitzer betrachtet Liomie die doch recht dünn bekleidete Frau und grinst heimlich aufgrund der recht beeindruckenden Frisur. Die Maske findet sie persönlich zwar störend und auch ein wenig abschreckend, muss aber auch zugeben, dass die Assistentin dadurch viel geheimnisvoller wirkt. „Die erkältet sich doch bestimmt“, murmelt sie leise zu Selli, die nur stumm nickt und dann nach vorne deutet, da der Zauberer mit seinen ersten Tricks beginnt. Es sind nur kleine Sachen, aber sie alle sind sofort gefesselt. So verschwinden Gegenstände, tauchen an ganz anderen Orten wieder auf, werden harmlose Tücher zu wild gurrenden Tauben und völlig verknotete Seile von ihrem Elend befreit. Doch als sei dies noch längst nicht genug, wird prompt eine weitere besondere Einlage angekündigt. Erwartungsvoll blickt Liomie zu dem Zauberer, der aber nicht so aussieht, als würde er gleich beginnen, sondern die ganze Zeit nur abwartend zu seiner Gehilfin blickt. Auch Liomie schenkt ihr kurz einen Blick, wendet sich aber gleich wieder zu dem Zauberer, schließlich will sie ja nichts verpassen. Doch leider tut sich absolut nichts auf der Holzbühne, so dass sie zu der Meinung gelangt, dass sie den Trick entweder nicht versteht oder sie ihn schlichtweg verpasst hat, als es direkt vor ihr zu glitzern und funkeln beginnt und sie erschrocken auf ihrem Platz zusammenzuckt. Verschüchtert wie ein kleines Kind, weil sie nicht mitbekommen hat, dass die Frau sich ihr genähert hat, blickt sie nach oben, wirft Hilfe suchend einen  Blick zu Selli und starrt dann die ausgestreckte Hand an. Was? Ich soll mitgehen? Oh nein, das... das geht nicht! stottert sie in Gedanken und sieht sich heimlich nach dem Südländer um, der sie bestimmt nicht mehr weggehen lässt, wenn sie mit der Frau mitgeht. Allerdings kommt sie gar nicht groß dazu, seine Meinung diesbezüglich einzuholen, denn die Assistentin ergreift sie einfach und zieht sie prompt mit sich. Die Hacken in den Boden gestemmt, versucht sie sich dagegen zu wehren, aber die ganzen Zurufe, die von allen Seiten auf sie eindringen, lenken sie so sehr ab, dass es wenig effektiv ist. „Ich kann das nicht... wollt Ihr Euch nicht jemand anderes aussuchen?“ Nervös versucht sie sich irgendwelche Ausreden auszudenken, um nicht auf die Bühne zu müssen, doch fällt ihr nichts ein und der lächelnde Zauberer kommt auf schneller näher, als ihr lieb ist. Da das Publikum aber der Meinung ist, dass sie die richtige Wahl sei, gibt sie ihre Gegenwehr auf und fügt sich dem peinlichen Schicksal, sich vor aller Welt zu blamieren. Jetzt bleibt ihr einzig und allein zu hoffen, dass man nicht allzu kompliziert Dinge von ihr verlangt.

Während der Zauberer seinem Publikum noch erklärt, was nun folgen wird, murmelt die Assistentin ihr zu, dass sie einfach nur still stehen und lächeln soll. Gequält heben sich Liomies Mundwinkel, als auch schon der erste Rauch sie umschwirrt. Sichtlich nervös, würde sie am liebsten von der Bühne springen, hat er das Gefühl, dass ihre Knie da nicht mitmachen würden, so dass sie starr über die Köpfe der Menge hinweg blickt. Der Rauch wird immer dichter, aber bemerkt trotzdem noch, wie sich die beiden Männer, die sie nach Hause bringen sollen, auf die Bühne zu bewegen. Die Stirn gerunzelt, will sie sich bei der Assistentin erkundigen, ob was nicht stimmt, doch ihre Sicht wird zunehmend vernebelt. Noch immer stocksteif, aber dieses Mal nicht vor Aufregung, sondern Angst, dass etwas passiert, was nicht sein sollte, will sie sich aus dem weißem Rauch rauskämpfen, als ein ohrenbetäubendes Gebrüll ihr Herz für eine Sekunden aussetzen lässt und sie sprichwörtlich den Boden unter den Füßen verliert. Mit einem Laut des Schreckens, den aber niemand mehr vernimmt, öffnet sich eine Luke und sie plumpst unbeholfen ein Stück tiefer. Während das Gebrüll und Gekreische draußen enorme Höhenlagen und Lautstärken annimmt, findet Liomie sich in vollkommener Dunkelheit wieder und spürt wie ihr Herz panisch zu rasen anfängt. Es ist viel zu eng und abgesehen vom Rauch über ihr, sieht Shyada schlichtweg nichts. Sie hat gerade soviel Platz, um stehen und sich um sich selbst drehen zu können. Verzweifelt, weil sie nicht weiß, was dort draußen vor sich geht und sich scheinbar auch niemand um sie zu kümmern scheint, rüttelt, tritt und hämmert sie an ihrem hölzernen Gefängnis. „Lasst mich raus hier! Hilfe! Warum hilft mir niemand.“ Eigentlich sollte ihr das klar sein, denn das was von draußen zu hören ist, scheint eine ganze Horde an Ungeheuern zu sein. Den Tränen nahe und die Hände bestimmt schon blau geschlagen, taucht statt der Holztür plötzlich ein Mann vor ihrem Gesichtsfeld auf. Perplex darüber, dass man sich doch ihrer erbarmt und wo der Mann mit einem Mal herkommt, kommt sie nicht mehr dazu sich abzufangen. >"Hoppla... "< ist das erste was sie zu hören bekommt, kann sich aber beim besten Willen nicht erklären, wieso sich der Mann so freut, wenn die halbe Welt unterzugehen scheint. Fassungslos blickt sie ihn an und will sich dann aus seinen Armen befreien, als er ihr erklärt, dass er sie freut sie zu sehen. Shya?? Wer soll das sein? Ich heiße nicht Shya! Wieder ertönen splitternde Geräusche, Kreischen und sirenenartiges Gejaule. "Was... nein.... ich... muss... was ist los? Wer bist du? Wo bin ich...?" Über ihre Angst hinweg, vergisst sie sogar den Mann wie es sich gehört anzusprechen und sieht sich nach allen Richtungen um, um abzuschätzen wo das Monster sitzt, da der Mann wohl nicht gewillt ist, ihr eine Antwort zu geben.
Sein Griff lockert sich ein wenig, doch Liomie hat gerade sein „Keine Zeit.“< verarbeitet, als sie erneut den Boden unter den Füßen verliert und sich in einer sehr unschicklichen Lage wieder findet. „Hey, was... lasst das! Lasst mich sofort los. Ihr könnt doch nicht so einfach...!“ Immer wieder hämmert sie auf den breiten Rücken und versucht sich irgendwie von dem Mann zu befreien. Sie kennt ihn nicht und er scheint sie zu verwechseln, was erneut ihren Herzschlag beschleunigt. „Selli!“, versucht sie sich Gehör über den tosenden Lärm hinweg zu verschaffen, doch vergeblich, da hier hinter der Bühne nichts vom dem hinter der Bretterwand zu sehen ist. Plötzlich dämmert ihr, was der Mann vorhat. In den Tavernen, welche die letzte Zeit über ihr Zuhause waren, hatte sie genug Geschichten von Sklavenfängern gehört und welche Situation wäre besser als diese? Erneut versucht sie sich energisch zu befreien, aber von ihrer Position aus, hat sie keine Chance, sich auch nur annähernd vernünftig zu wehren oder dem Mann zu schaden. Als er plötzlich losbrüllt zuckt sie automatisch zusammen und sieht sich automatisch nach seinen Komplizen um.

Erst als sie unsanft mit dem Hinterteil auf dem Planwagen landet, bekommt Liomie das erste Mal die Chance kurz durchzuatmen, darüber nachzudenken was hier überhaupt passiert und zu registrieren, dass die Assistentin vom Zauberer mit ihrem Entführer unter einer Decke steckt. Auch die Frau, die vorhin noch so eindrucksvoll mit ihren Wurfsternen Kunststücke vorgeführt hat, findet sich plötzlich wieder an, so dass Liomie hastig auf dem Hintern in eine Ecke rutscht. Einem in die Ecke gedrängten Tier gleich, starrt sie die beiden Frauen an, sucht nach Fluchtmöglichkeiten und verhaspelt sich in ihrem Kleid. Die Stimme des Mannes lässt sie abermals zusammenzucken und was er sagt, gefällt ihr ganz und gar nicht. „Knebeln und fesseln?“ wiederholt sie leise und rappelt sich dann eilig auf um nach draußen zu stürmen, wird aber nicht nur von den beiden Frauen, sondern auch von ihrem Kleid aufgehalten, so dass sie schmerzhaft mit den Knie gegen das Holz des Bodens stürzt. > „Alles wird gut! Wir retten dich, also halt still, verstanden!“<, versucht sie die Wurfkünstlerin zu beruhigen, aber Liomie sieht die Sache ein wenig anders. Unkontrolliert und wild um sich schlagend versucht sich Liomie zu befreien und die nach ihr greifenden Hände weg zu schlagen, doch das Kleid ist ihr ständig im Weg. Trotzdem schafft sie es irgendwie sich an die Kante des Planwagens zu klammern, um sich zur offenen Stelle zu ziehen, zuckt dann aber heftig zurück, als ein Ungetüm vor ihr auftaucht und sich zu den Frauen gesellt. Hastig klettert sie wieder zurück und bemerkt, dass das Monster Selli bei sich hat. „Selli!“, keucht sie erschrocken auf und zerrt an ihrer Freundin, damit das Monster sie endlich loslässt, was dieses bereitwillig tut. Kaum, dass sich Selli und Liomie zusammengekauert in eine Ecke verdrückt haben, setzt sich der Wagen polternd in Bewegung. Wenn Liomie jemals geglaubt hätte, dass ihre vorherigen Kutschfahrten schon schlimm waren, so wird sie jetzt eines besseren belehrt. Schon noch wenigen Schritten, gibt es keine Stelle, sie sich noch nicht angestoßen hat und sie befürchtet, dass diese Fahrt unweigerlich in der Unterwelt enden wird. Die Augen fest zusammengepresst und dicht an Selli gedrängt, hockt sie da und hofft, dass es möglichst bald ein Ende finden wird, egal wie. Es kommt ihr wie Ewigkeiten vor und vollkommen versunken in ihrer Angst bemerkt sie auch nicht, dass die Fahrt ruhiger wird und sogar als ruhiger Ausflug endet. > "Ist Shya noch da? Seid ihr alle heil?" <  Wieder ist der Mann zu hören, der an allem schuld ist, so dass Liomie vorsichtig blinzelnd die Augen öffnet, aber vorsichtshalber die Knie noch ein Stück dichter an sich zieht und beschließt, dass sie am besten keinen der drei Fremden außer Auge zu lassen. > „Soweit ich das sehe ist alles ganz gut, wir leben allesamt noch und dank Achim ist auch keiner heraus gefallen! Wie geht es dir?“< Die Augen schreckgeweitet noch immer auf das haarige große Etwas gerichtet, realisiert Liomie etwas verspätet, dass sie gemeint ist. Verwirrt und irritiert blickt sie die magere Frau an. Wie soll es ihr denn gehen, wenn sie gerade entführt wurde und wieso überhaupt interessiert sie das? Statt zu antworten, rückt Liomie noch ein Stück näher an Selli, die ihrerseits durch die Frage angestachelt, ihr Kinn emporreckt und trotzig in die Runde blickt. „Was bei den Göttern soll denn das werden? Habt ihr sie noch alle! Ihr könnt sie doch nicht so einfach entführen! Außerdem heißt keiner von uns Shya, ihr müsst uns mit irgendwem verwechseln. Verdammte Bastarde!“ Nachdem sie anfangs noch sachlich die Lage schildert, fängt sie plötzlich wild zu fluchen an und erklärt jedem einzeln, was für ein hirnloser Idiot er doch sei.

Während Selli und die beiden anderen Frauen erst einmal ausgelassen darüber diskutieren, wer denn hier der größere Hornochse sei und wer am wenigsten Verstand hat, blickt der Oger sichtlich fasziniert zwischen den drei Kontrahenten hin und her und tauscht nebenbei einige Worte mit dem Mann, der die Pferde lenkt aus. Der Wagen rattert friedlich vor sich hin und es scheint, als habe es jetzt niemand mehr allzu eilig, was Liomie dazu veranlasst, ihre angespannten Muskeln, die sich allmählich verkrampfen, zu entlasten und sich etwas aufrechter hin zu setzen. Sie weiß zwar noch immer nicht, wer diese Shya sein soll, aber irgendwie muss den Leuten endlich begreiflich gemacht werden, dass sie schleunigst nach Blurraent zurück muss. Denn dass sie die Stadt verlassen haben, wird ihr mehr als deutlich klar, als sich am hinteren offenen Ende des Wagens erste Bäume zeigen und den Weg, welchem sie wohl folgen, zu beiden Seiten einrahmen. „Ich... ich muss zurück“, flüstert sie plötzlich leise und merkt wie ihr Tränen in die Augen steigen. Man hatte ihr erklärt, dass man sie nach Hause bringen will. Da sie keine Erinnerungen hat, scheint es ihr mehr als wichtig, zu wissen, wer ihre Familie ist, aber die Leute, die sich allem Anschein nach mit dem Monster prächtig verstehen und dass jetzt gar nicht mehr so böse tut, sind im Begriff das zu verhindern. Vorsichtig setzt sie sich ein Stück mehr auf und lug halb über die Schulter nach vorne, wo sich der gleiche Anblick bietet, wie auch hinten. Nur Bäume und ein Weg der schnurstracks gerade aus führt. „Das könnt Ihr nicht tun! Das... das dürft Ihr gar nicht.... bitte... ich muss zurück... ich...“, verzweifelt sieht sie zu Selli, dann zu den anderen die mit ihr hinten sitzen und dann zu dem Mann, der wohl der Anführer zu sein scheint. Als er sich zu ihr umdreht, zuckt sie zurück. Er sieht zwar nicht aus, wie die Bösewichter, die man aus den Geschichten der Mütter kennt, sondern eigentlich sogar ganz hübsch, aber Liomie befürchtet unbewusst, dass er sie schlagen wird. Der dunkelhäutige Mann hatte es nie getan, aber er hatte es im Blick gehabt und ihr immer wieder deutlich gemacht, dass es jeden Moment doch so sein könnte. Um zu vermeiden, dass die das gleiche in den grauen Augen ihres Entführers zu sehen, senkt sie verängstigt gleich wieder den Kopf und rutscht erneut ein Stück nach unten. „Bitte... ich... wir... wir sagen auch niemanden was von Euch.“ Während sie sich zumindest traut die Gestalten hier hinten anzusehen, fällt ihr etwas auf, dass viel weiter weg ist. Irgendwo dort, scheinbar am anderen Ende des Weges,  bewegen sich einzelne dunkle Punkte. Es ist nicht zu erkennen, was sich dort nähert, doch dass dem so ist, weiß jeder. „Jamar!“, ruft Selli überrascht aus, als sie ebenfalls bemerkt, was Liomie aufgefallen ist. „Das ist er ganz bestimmt und er wird uns retten!“, erklärt sie an Liomie gewandt. Trotz dem Umstand, dass ausgerechnet er es ist, kann man ihr ansehen, dass sie sich darüber freut.  Die anderen Personen im Wagen hingegen scheinen davon kein bisschen angetan zu sein. Ruckartig wenden sich die Köpfe zu dem angeblichen Verfolger und zumindest das Gesicht der leicht bekleideten Frau zeigt sich pure Wut. Noch kann man überhaupt nichts genaues erkennen, doch die Gewissheit, dass es niemand anderes sein kann, umgibt sie wie hartnäckiger Geruch, den man nicht nur durch pures wünschen loswird.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Aswhang am 04. Dez. 2006, 21:29 Uhr
Bevor Aswhang weiß wie ihr geschieht, ertönt ein monströser Schrei und in der nächsten Sekunde bricht unter den Zuschauern die sprichwörtliche Hölle los. Achims zugegebenermaßen beeindruckendes Grölen versetzt alle Anwesenden in Angst und Schrecken. Mit wilden Bewegungen stürzt er auf die Bühne. Widerwärtigen Schaum vor dem hässlichen Maul und scheinbar unkontrolliert um sich schlagend, bietet er ein abscheuliches und tatsächlich Furcht erregendes Bild. Der Plan geht auf! Doch im nächsten Moment wird Aswhang bewusst, dass sie sich keinesfalls zu früh freuen sollte. Mit vor entsetzen geweiteten Augen sieht sie, wie Jamar geistesgegenwärtig aufspringt, um Shyada zurück zu holen. Doch schon hat ihn die angsterfüllte, chaotisch übereinander stürzende Menschenmenge, welche voller Panik vor dem Oger flieht, verschluckt. Aswhang hört Olyvar irgendetwas rufen, aber das Gekreische um sie ist zu laut, als dass sie den Sinn seiner Worte verstehen kann.
Bänke werden umgestoßen, viele Leute einfach von der Flut aus Gliedmaßen und Körpern mitgerissen oder gar niedergetrampelt. Wieder taucht Jamars Gesicht für einen Sekundenbruchteil aus dem unüberschaubaren Szenario auf und dieses Mal kommt Aswhang ein anderer Gedanke. Nein, es reicht ihr nicht ansatzweise aus, nur seine Pläne zu durchkreuzen und die Amazone zu befreien! Ein rachlüsternes Funkeln tritt in ihre Augen. Der Gedanke an ihr Versprechen, sofort zum Wagen zu kommen und alles was sie gedenkt dem Südländer anzutun auf später zu verschieben, drängt sich in ihr Gedächtnis. Aber Olyvar hat was er will! Sollen die anderen ohne mich nach Talyra zurückkehren – vielleicht helfe ich ihnen sogar, wenn ich Jamar noch eine Weile aufhalte! Mit diesen Gedanken kräuseln sich ihre Lippen zu einem dünnen Lächeln und mit einer kurzen Bewegung nimmt sie die lächerliche Maske vom Gesicht. Ihr Entschluss, die Sache hier und jetzt zu beenden, steht bereits fest. Allein der Anblick des Südländers scheint alle Bedenken an die eventuellen Folgen beiseite geschoben zu haben. Doch bevor sie sich tatsächlich unüberlegter Weise auf Jamar stürzen kann, spürt sie eine Hand an ihrem Arm. Diantha! „Lasst mich los!“ Ihr wütender Protest geht im allgemeinen Lärm unter und bevor sie sich weiter wehren kann, wird sie von der Immerfrosterin mitgezerrt. Ein lautes >„Lauft!“< ertönt von Seiten Olyvars, welcher Shyada mittlerweile aus dem doppelten Boden, welcher für den angeblichen Zauber notwendig gewesen wäre, befreit hat. Die Amazone versucht ihren Retter loszuwerden, aber auch sie wird ohne weiteres mitgeschleift.
Aswhang hat inzwischen eingesehen, dass es ratsamer ist, sich noch eine Weile an den Plan zu halten und versucht, Diantha, so schnell wie möglich zu folgen. Mehrere Male stolpert sie über ihre eigenen Füße. Diese verdammten Schuhe sind ungeeignet sich darin auch nur ein paar Meter fortzubewegen!
Schließlich erreichen sie jedoch den Wagen und so schnell wie möglich klettern sie hinein. Die Pferde bäumen sich angsterfüllt auf und Olyvar hat sichtlich alle Mühe sie ruhig zu halten. Wo zum Teufel bleibt der Oger? Die wenigen Minuten, die bis zu seinem Auftauchen sicher nur vergehen, werden für Aswhang zur Ewigkeit. Dann endlich erscheint Achim. Im letzten Augenblick schafft es auch er, in den Wagen zu springen und das Gefährt setzt sich holpernd in Bewegung. Die Elbe kann einen kurzen Aufschrei nicht unterdrücken, als sie bei der nächsten Kurve zur Seite geschleudert wird und unsanft gegen Diantha prallt. Einige funkelnde Blätter lösen sich von dem Kostüm und bleiben an der Kleidung der Immerfrosterin hängen. Doch schon wird Aswhang in die andere Richtung geworfen. Ihre Hände greifen Halt suchend ins Leere. Der Wagen wird umkippen! Diese Erkenntnis kommt ihr schlagartig und auch Olyvar scheint die Gefahr erkannt zu haben. Er beginnt lauthals dem Oger Befehle zuzubrüllen, in welche Richtung er sich bewegen soll, doch scheinbar ist Achim nicht in der Lage, rechts von links zu unterscheiden. Diantha tut ihr Möglichstes, um es dem Oger begreiflich zu machen und in der – wie es Aswhang vorkommt – letzten Sekunde, wechselt Achim die Seite und verhindert somit das Umstürzen des Wagens.

Irgendwann lassen sie die Gebäude von Blurraent endgültig hinter sich und die Fahrt wird wesentlich angenehmer. Die Pferde beruhigen sich und auch die Mitfahrer rappeln sich nach und nach wieder auf. Aswhang ist schwindlig, doch sie hebt tapfer den Kopf und versucht sich zu sammeln. Der Turm auf ihrem Kopf ist vollends zusammengestürzt und das weiße Haar hängt verfilzt und noch immer von zahlreichen klitzernden Blättern geschmückt, über ihre Schultern. Kurz blickt sie an sich herunter und überprüft, ob das fast stofflose Kostüm auch noch einigermaßen sitzt, wo es hingehört. Zu ihrer Beruhigung ist alles so wie es sein soll. (Auch wenn sie ihrer Meinung nach gar nicht in diesem Ding stecken sollte!)
>"Alles in Ordnung bei euch?"<, erkundigt sich Olyvar, während die Pferde nun in einen ruhigen Trab verfallen sind. Aswhang überlässt es den anderen, dem Lord Commander eine Antwort zu geben. Nichts ist in Ordnung! Es bleibt nur zu hoffen, dass uns Jamar folgt. Mir reicht es nicht, dass Shyada von ihm unbekannten Rettern befreit wird! Ich will ihm ins Gesicht sehen, wenn ich mich an ihm räche! Im Moment ist selbst die gewöhnliche, leichte Furcht, die sie normalerweise bei dem Gedanken an den Südländer spürt, verflogen und nur ein Gefühl der Unzufriedenheit und des Zorns bestimmen das Denken der Elbe.
>„Ist Shya noch da? Seid ihr alle heil?“< Aswhang betrachtet die Amazone, deren Frisur ebenfalls sichtlich unter dem Gerüttel gelitten hat. Ansonsten scheint es ihr aber gut zu gehen, doch auch sie antwortet nicht auf Olyvars Frage. Ihr Blick spiegelt eine Mischung aus Verwirrung und Misstrauen wieder. Was auch sonst? Wie würde ich mich denn an ihrer Stelle verhalten?
>„Soweit ich das sehe ist alles ganz gut, wir leben allesamt noch und dank Achim ist auch keiner heraus gefallen! Wie geht es dir?“<, erbarmt sich schließlich Diantha zu einer Erwiderung. >„Was bei den Göttern soll denn das werden? Habt ihr sie noch alle! Ihr könnt sie doch nicht so einfach entführen! Außerdem heißt keiner von uns Shya, ihr müsst uns mit irgendwem verwechseln. Verdammte Bastarde!“< Aswhang muss wohl doch härter mit dem Kopf gegen die Wände des Wagens gestoßen sein, als erwartet, denn erst jetzt realisiert sie die Anwesenheit einer weiteren Person! Wo um alles in der Welt ist die jetzt hergekommen? Mit hochgezogenen Augenbrauen mustert die Elbe das Mädchen? den Jungen? Sie vermag nicht recht zu sagen, welchem Geschlecht dieses dürre, kleine Geschöpf da vor ihr angehört. Erst bei ganz genauem Hinsehen, entschließt sie sich letztendlich doch für weiblich. Die Kleine beginnt lauthals zu fluchen und sowohl Diantha als auch Aswhang zu beschimpfen. Als es der Elbe zuviel wird, beginnt sie, einige der unsachlichen Angriffe wütend zu kontern. Zwar bleibt ihre Stimme relativ ruhig, doch nimmt sie auch erstaunlich an Schärfe zu. Sie hat genug durchgemacht, als dass sie sich jetzt auch noch von diesem zu kurz geratenem Giftzwerg beleidigen lässt!
Doch dann hält Aswhang inne und wendet ihre Aufmerksamkeit wieder Shyada zu, als sie die Tränen in ihren Augen bemerkt. >„Ich... ich muss zurück. Das könnt Ihr nicht tun! Das... das dürft Ihr gar nicht... bitte... ich muss zurück... ich... Bitte... ich... wir... wir sagen auch niemanden was von Euch.“<, schluchzt sie verzweifelt und ihre Stimme ist nicht mehr, als ein zitterndes Flüstern.
Was dieses Mittelchen aus einer stolzen Amazone machen kann… Bei diesem Gedanken läuft Aswhang ein kalter Schauer über den Rücken. Lieber würde ich sterben, als auch nur einen Schluck von dem Zeug eingeflößt zu bekommen!
Shyada scheint nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich in sich zusammen zu sinken. Gegen ihren Willen verspürt Aswhang Mitleid mit der Amazone, die nun so gar nicht mehr kriegerisch ist. Gerade überlegt sie, welche Worte, die junge Frau vielleicht ein wenig trösten können, als ein Ausruf des Giftzwerges sie blitzartig zusammenzucken lässt. >„Jamar!“< Die Elbe wirbelt auf dem Absatz herum und tatsächlich – in der Ferne sind einige dunkle Punkte auszumachen, welche dem Wagen folgen. Obwohl Aswhang wie alle Anwesenden noch nichts Genaues erkennen kann, macht sich in ihr die deutliche Gewissheit breit, dass es sich tatsächlich um ihren Widersacher und seine Gehilfen handelt. Wut, aber auch eine grimmige Zufriedenheit breiten sich auf den Gesichtszügen der Elbe aus. Darauf habe ich gehofft!
Nur am Rande nimmt Aswhang die weiteren Worte des Giftzwerges wahr. >„Das ist er ganz bestimmt und er wird uns retten!“< Erstens sind wir diejenigen, die euch retten und zweitens würde ich damit nicht rechnen!
Nun vertreibt Aswhang wieder alle Emotionen aus ihrer Mimik. Sie will Jamar gelassen und gleichgültig gegenüber stehen, wenn es soweit ist. Nur ein angespanntes Funkeln in ihren nebelgrauen Augen bleibt. Sie wendet den Kopf zu Olyvar. „Was tun wir? - Ich glaube nicht, dass wir das Schiff erreichen, bevor sie uns eingeholt haben. Sie sind verdammt schnell!“

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 20. Dez. 2006, 23:18 Uhr
Olyvar will gerade dazu ansetzen, Shyada mit ein paar diplomatischen Worten irgendeine möglichst plausible Erklärung zu geben, die sie vielleicht ein wenig beruhigen würde, doch er kommt gar nicht dazu, denn das Hutmädel, inzwischen neben dem zitternden Häufchen Elend, das einmal eine stolze Amazone war, gelandet, fängt prompt an, Gift und Galle zu spucken >Was bei den Göttern soll denn das werden? Habt ihr sie noch alle! Ihr könnt sie doch nicht so einfach entführen! Außerdem heißt keiner von uns Shya, ihr müsst uns mit irgendwem verwechseln. Verdammte Bastarde!< Kaum hat sie das verkündet, flucht sie wie ein Fischmarktsweib und betitelt sie allesamt als hirnlose Idioten, Hornochsen und wissen die Götter als was noch alles. Olyvar verdreht die Augen und starrt dann auf den Waldweg vor ihnen, während sich Achim hinter ihm, praktisch wie er ist, erst einmal schnaubend und ächzend wieder in seine normale Kleidung quetscht – sie hatten all ihre Bündel, ihre Waffen und ihre wenige Habe in weiser Voraussicht auf dem Wagen deponiert, bevor sie mit diesem dreimal verdammten Zirkus aufgetreten waren. Die Pferde traben raumgreifend, aber gleichmäßig vor sich hin und das Rattern und Quietschen ihres Gefährts vermischt sich mit dem Schnaufen des Ogers, dem Keifen des zornigen Giftzwerges hinter ihm und einigen wütend gezischten Erwiderungen Aswhangs zu schaurigem Katzenjammer... Olyvar, inzwischen ganz erschöpfte Geduld, beschließt in Gedanken lautlos bis zehn zu zählen, ehe er dem ganzen ein Ende setzen und den fauchenden Weibern da hinten irgendetwas möglichst Schweres über den Schädel braten würde. Er kommt bis sechs, als der Ausruf >Jamar!< ihn alarmiert nach hinten spähen lässt. Alle starren auf irgendeinen Punkt weit hinter ihnen auf dem Weg, noch im offenen Land, den Olyvar von seiner Position auf dem Kutschbock aus nicht sehen kann. Er wirft Achim die Zügel zu und klettert nach hinten, gerade rechtzeitig, um die Worte des Hutmädels an Shya noch zu hören. >Das ist er ganz bestimmt und er wird uns retten!< Das bring das Fass zum Überlaufen. Olyvar packt die Kleine am Kragen und reißt sie hoch, bis ihr Gesicht nur noch einen Fingerbreit von seinem entfernt ist und ihre Füße damit gut vierzig Sekhel über dem Boden baumeln. Er hätte Lust, sie zu erwürgen und das sieht man ihm auch an. "Halts Maul, Rotzgör." Seine Augen, grau und kalt wie gehämmertes Silber starren in ein paar verschreckte Haselnussbraune. "Ich habe keine Ahnung, inwieweit wie du mit Jamar unter einer Decke steckst oder nicht, und es interessiert mich auch nicht. Aber in einer Stunde ist dein Jamar  tot und sein Blut kalt, und du solltest dir gut überlegen, auf welche Seite du dich jetzt schlägst." Er sieht auf Shyada hinunter, die auf dem Wagenbogen kauert, dann kehrt sein Blick zu dem erschrockenen Gesicht unter dem verrutschten Hutrand zurück. "Sie vertraut dir. Was immer ihr ihr angetan habt, sie vertraut dir. Also sag ihr die Wahrheit." Er schüttelt das Mädel wie ein Katzenjunges. "Sag es ihr!" Seine Stimme senkt sich zu einem bösartigen Flüstern und die Drohung darin ist nicht mehr zu überhören. "Und das besser schnell oder du kannst Jamars Schicksal teilen." Damit lässt er sie unsanft zurück auf den Boden plumpsen, wo sie trotzig liegen bleibt. Für einen Moment sucht sein Blick den Shyadas, doch er findet darin nur Verwirrung und absolute Verständnislosigkeit.

"Lomie ist nicht dein Name, mein Wort darauf, und Jamar wollte dich nie zu deiner Familie bringen. Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber..." beim Anblick der Amazone in dem Kleid fällt ihm etwas ein. "Du hast eine runde Narbe an der Schulter, unterhalb deines Schlüsselbeins und auch auf dem Schulterblatt, und eine tiefe, runde Narbe mit ausgefransten Rändern am rechten Oberschenkel. Willst du wissen, woher?" Er wartet ihre Antwort nicht ab, aber er hofft, dass er ihr damit wenigstens etwas zum Nachdenken gegeben hat und hastet durch den schwankenden Wagen an dessen hinteres Ende. Dort spähen Aswhang und Diantha so hasserfüllt wie besorgt auf den Weg und die Wiesen jenseits des Waldrandes. Immer wieder versperren ihnen Bäume oder Bodenerhebungen die direkte Sicht, aber ab und an zeigt sich der Weg und nach einer Weile kann er in einer Senke hüpfende schwarze Punkte erkennen. Ifrinn! "Drei Reiter," kommentiert er trocken. "In vollem Galopp. Es ist Jamar."
>Was tun wir?< Will Aswhang neben ihm wissen. >Ich glaube nicht, dass wir das Schiff erreichen, bevor sie uns eingeholt haben. Sie sind verdammt schnell!<
Olyvar traut seinen Ohren nicht. Was wir tun? Das, was Ihr die ganze Zeit über wolltet. "Na was wohl? Wir warten auf sie und trinken eine Tasse Tee mit ihnen," erwidert er gereizt, dann wendet er den Kopf. "Achim, fahr schneller! Wir brauchen ein wenig mehr Vorsprung. Fahr zu!" Der Oger hat ihn gehört, denn nur einen Herzschlag später fallen die beiden Pferde wieder in Galopp und ihre Fahrt wird erheblich schneller... und ungemütlicher. Wenigstens können weder Shyada noch der Hutfrosch bei dieser Geschwindigkeit aus dem Wagen springen, ohne sich dabei den Hals zu brechen. Was für ein Trost. Olyvar wühlt in dem Haufen mit ihren Sachen und zieht das Bündel der Elbin hervor, das er ihr zuwirft, dann greift er nach seinen eigenen ledernen Taschen. "Wenn Ihr jetzt immer noch nicht wisst, was Ihr mit Jamar zu tun habt, dann lasst Euch besser etwas einfallen – in einer Viertelstunde hat er uns eingeholt." Er mustert die zerzauste Frisur und das lädierte Kleid der Elbin, das jedoch selbst im Halbdunkel des Wageninneren glänzt und funkelt wie ein Sithechkranz mit Kerzen. "Falls Ihr einen Rat wollt, ich schlage vor, Ihr zieht Euch erst einmal um. Oder wollt Ihr Jamar vielleicht mit Eurer strahlenden Erscheinung blenden? Diantha, hilf mir mit den Schnallen des Kettenhemdes." Er zerrt eines seiner Bündel auf, schlüpft in einen wattierten Gambeson, verschnürt ihn mit fliegenden Fingern  und lässt sich dann das Hemd aus winzigen Eisenringen über den Kopf gleiten, das an Schultern, Armen und auf der Brust zusätzlich mit gekochtem und gehärtetem Leder verstärkt ist. Während Diantha auf Knien um ihn herumrutscht und die Riemen an Schultern und Seiten schließt, angelt er nach seinem Waffengurt mit Síail und dem langen Jagddolch und wendet sich leise an die Immerfrosterin. "Wie groß ist die Reichweite deiner Wurfsterne? Zehn Schritt? Oder mehr?"

Diantha schüttelt den Kopf und presst die Lippen aufeinander, während sie sich mit einer widerspenstigen Schnalle seines Kettenhemdes abmüht und erwidert dann, es wären eher acht, wenn sie ordentlich treffen sollen. "Dann bleib im Wagen in Deckung, sobald wir anhalten und sieh zu, dass du eines ihrer Tiere von den Beinen holst... sie sind nur zu dritt, aber sie sind zu Pferd, und ich habe keine Lust, niedergeritten zu werden. So wie es aussieht, werden wir ihnen einen Hinterhalt legen müssen. Falls sie einen Bogenschützen oder Messerwerfer oder sonst irgendjemanden haben, der uns unter Beschuss nimmt, versuch ihn als erstes auszuschalten." Soweit er weiß, hat die Immerfrosterin ansonsten nur einen Dolch... eine ziemlich aussichtslose Waffe gegen drei Männer mit Schwertern auf Pferden, also zerrt er aus seinem Bündel ein Kurzschwert, eine einfache, aber gute Ochsenzunge. "Hier, nimm das für alle Fälle. Und achte auf Shya und den Giftzwerg," er senkt seine Stimme zu einem halblauten Flüstern, das in dem ganzen ratternden Tumult um ihn her wirklich nur Diantha hört. "Lass sie nicht ungesehen in deinen Rücken." Er hat keine Ahnung, ob Aswhang über irgendwelche Nahkampfwaffen verfügt, aber das ist auch nicht sein Problem – wenn sie wirklich die erfahrene Abenteurerin ist, als die sie sich gibt, wird sie schon wissen, was sie zu tun hat und wie dem Südländer am Besten beizukommen ist. Gesagt getan, kaum haben sie alle ihre Waffen zusammengesammelt und sich vorbereitet, so gut es eben möglich ist, bringt Achim die Pferde auch schon zum Stehen und Olyvar klettert zu dem Oger auf den Kutschbock zurück, wo ihm mit unübersehbar stolzem Grinsen in dem breiten, gutmütigen Gesicht auch gleich eine Rolle Seil unter die Nase gehalten wird. "Hier. Hab ich unter dem Sitz gefunden. Können wir über den Weg spannen. Dann macht's Boing. Hoffentlich."
"Ah... ja." Was Achim mit "Boing" meint, ist nicht weiter schwer zu erraten und irgendwo her hat der Oger sich sogar schon seine monströse, viel geliebte Keule organisiert, deren knorriges und ganz und gar ungesund aussehendes oberes Ende er eben liebevoll tätschelt. "Dann verlieren wir keine Zeit." Er blickt hinter sich, wo Diantha und Aswhang bereit stehen. "Wir spannen ein Seil über den Weg, tarnen es mit Moos und Laub und sehen zu, dass wir damit eines der Pferde zu Fall bringen. Der Rest wird Messerarbeit." Zeit für mehr Erklärungen bleibt ihnen nicht, doch Achim hat gerade noch Gelegenheit, zweimal kräftig gegen das linke, hintere Wagenrad zu treten, um so für ihre Verfolger einen Radbruch zu simulieren. Diantha taucht in der Deckung ab, die ihr das nunmehr schief stehende Gefährt reichlich bietet und Olyvar und Achim hetzen davon, um das Seil etwa sechs, sieben Schritt vor dem Wagen über den Weg zu legen, es mit Laub zu tarnen und sich dann zu beiden Seiten der Straße hinter den Bäumen im dichten Unterholz zu verbergen... ein kräftiger Ruck und das Seil würde sich straff zwei Handbreit über dem Boden spannen. Wenn wir Glück haben, bricht sich Jamar dabei gleich den Hals...

Natürlich haben sie kein solches Glück. Ihre Verfolger nahen, der dumpfe Hufschlag ihrer Pferde ist lange zu hören, ehe sie in Sichtweite kommen - und sie treiben ihre Tiere unbarmherzig zur Eile. Doch als sie den liegengebliebenen Wagen erspähen, verringern sie ihr Tempo ein wenig. Verdammt... Olyvar kann hören, wie die Männer sich etwas zurufen, aber er versteht nicht, was… doch immerhin, noch reiten sie schnell und kommen rasch näher. Noch zweihundert Schritt. Drei Reiter, zwei Südländer und ein hellhaariger Mann mit einem eher einfältigen Gesicht. Hundertfünfzig Schritt. Zu ihrem Vorteil führen sich ihre beiden Zugpferde, ohnehin nervös, immer unruhiger auf, je näher ihre herangaloppierenden Artgenossen kommen, was den plötzlichen Radbruch nur echter erscheinen lässt. Hundert Schritt. Olyvar, tief vergraben in einem feuchtkalten Bett aus Moos, Humus, Laub und Farn, lässt den Weg keinen Herzschlag aus den Augen, ebenso wenig wie Achim auf der anderen Seite der schmalen Straße im Unterholz, gut verborgen von einem mannshohen Dickicht… Fünfzig Schritt - dann tun ihre Verfolger ihnen endlich den Gefallen und galoppieren weiter. Vierzig, dreißig, zwanzig, zehn, fünf, drei… "Jetzt!"
Achim zieht, Olyvar zieht, das Seil spannt sich und das vorderste Pferd geht mitsamt seinem Reiter hinter einem aufspritzenden Vorhang aus Schlamm, Dreck und Grasbüscheln zu Boden. Dann sirrt etwas durch die Luft und auch das zweite Pferd steigt kreischend und mit wirbelnden Hufen empor und versucht, seinen Reiter loszuwerden, während auf dem schweißnassen Fell an Brust und Flanken kleine, rote Blumen aufblühen… Diantha hat getroffen. Olyvar bleibt keine Zeit, sich nach ihr oder Aswhang oder dem dritten Reiter umzusehen, denn das gestürzte Pferd ist wieder auf den Beinen und hinkt außer Reichweite… und sein Reiter, ein breitschultriger, ein wenig untersetzter, flachsblonder Mann, rappelt sich im Schlamm auf. Olyvar ist bei ihm, als er gerade schnaufend auf die Knie kommt. Er sieht das Gesicht seines Gegners, sieht das Begreifen in dessen Augen, doch der Kerl macht keine Anstalten, auszuweichen – er reißt nur reflexartig den Arm hoch, um sein Gesicht zu schützen, als Siaíl auch schon auf ihn niedergeht. Das Schwert aus rauchigem Drachenstahl schneidet durch Stoff, Haut, Fleisch und Knochen wie durch weiche Butter und dort, wo eben noch der Unterarm des Mannes war, spritzt jetzt Blut in hellen Fontänen aus einem glatten Stumpf. Waffe… wo ist seine verdammte Waffe… da war kein Schwert und kein Messer… Olyvar tritt instinktiv einen Schritt zurück außer Reichweite, doch die noch zuckende Hand im blutgetränkten Laub ist leer. Linkshänder? Der Mann vor ihm bewegt sich überhaupt nicht, er starrt nur auf seinen Armstumpf, die Augen vor Entsetzten und Unverständnis weit aufgerissen, die Haut weiß wie Milch, das Gesicht völlig leer. Dann beginnt er zu schreien, nicht das laute, zornige, schmerzerfüllte Kreischen eines verwundeten Mannes, sondern das tiefe, jammervolle Klagen eines entsetzten Kindes und kämpft sich mühsam auf die Füße.

Olyvar prallt zurück, als wäre er gegen eine Mauer gelaufen. Was... "J-j-jamaaar," schreit es vor ihm. "Isma... Is... ma... eeeeeeel..." Dann hagelt es Steine, Moos, Äste, die herumliegen, während der Mann hektisch rückwärts stolpert, zu Boden geht, wieder aufsteht, fällt und weiterkriecht, und dabei nach ihm schleudert, was ihm gerade in die Finger kommt. Tränen des Schocks und der Schmerzen rinnen ihm über die wachshellen Wangen und Rotz läuft ihm aus der Nase, während Olyvar ihm zögernd wie ein Schlafwandler folgt. Irgendwo hinter ihm ringt Achim mit dem verwundeten Pferd oder seinem Reiter, vielleicht auch mit beiden auf einmal, aber für Olyvar besteht die Welt nur noch aus einem unbeholfenen, verwundeten, unbewaffneten Mann, der Blut verspritzend und heulend vor ihm herumkraucht, und ihn mit Steinen bewirft. Er kann die leisen Klicklaute hören, mit denen sie an seinem Kettenhemd abprallen. "Gabh mo leisgeul," flüstert er, als er den Mann erreicht und hebt sein Schwert. "Tha mi duilich." Siaíl gleitet mit einem dumpfen, schmatzenden Geräusch in die Brust des Verwundeten und Olyvar erwidert den fassungslosen, fast erstaunten Blick des Sterbenden so lange, bis das Licht in seinen Augen endgültig erloschen ist. "Tha mi duilich." Zwei, drei schier endlose Herzschläge lang steht er einfach nur da, dann zieht er sein Schwert aus dem Körper des Toten und wendet sich zu den Geschehnissen hinter ihm um.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Diantha am 26. Dez. 2006, 00:17 Uhr
Anstatt auf Dianthas – ihrer Meinung nach hoch diplomatische – Frage einzugehen, sagt Shyada gar nichts, die Person, die der Oger mitgeschleppt hatte, rappelt sich hingegen auf und beginnt zu zetern. Perplex starrt die Immerfrosterin den kleinen Mensch an und es wirkt, als hätte sie eine zu klein geratene Version von sich selbst in ihrer Jugend vor der Nase. Sicherlich, es mag da Unterschiede geben, nicht nur in der Größe, sondern auch in der Haar- oder Augenfarbe, auch mögen die Lippen und die Nase nicht wirklich identisch sein. Dennoch lässt allein die Art des Auftreten Diantha an ihre Vergangenheit denken, war sie doch in vermutlich ähnlichem Alter genauso dreist und unverfroren, was sich mit der Zeit jedoch änderte, schon lange ist sie nicht mehr so aufgeschlossen wie damals. Die mehrfach geflickte Hose und die abgelaufenen Schuhe erinnern an die Fetzen, in denen sie selbst schon herumgelaufen ist, dagegen sieht ihre derzeitige Kleidung sogar noch halbwegs passabel aus. Das rot anlaufende Gesicht wird teilweise von einem Schlapphut bedeckt, vermutlich der Stolz des Mädchens und Teil seiner Identität – Diantha hat in ihrer Zeit auf der Straße gelernt das Geschlecht trotz geringer Ausprägung zu erkennen, denn nicht selten hat dort ein falsche Anrede zu einem unnötigen Bandenkrieg geführt – ähnlich war es vielen Kindern gegangen, fast jeder hatte ein Kleidungsstück, das ihm wichtig gewesen war. Bei ihr selber waren dies mehr und mehr die Schuhe geworden, bei denen sie sich auch heute noch eingestehen muss, dass sie  stolz auf ihr derzeitiges Paar ist. Tja, wer in der Gosse aufgewachsen ist, der kommt nie mehr wirklich aus ihr los, grübelt sie, während sie den wild herumfuchtelnden kleinen Satansbraten betrachtet. Die Beleidigungen prallen an Diantha ab, sie achtet nicht weiter auf die Bedeutung der Worte, es fällt ihr nur auf, dass das Mädchen nicht im tiefsten Gossenslang spricht, immerhin. Auch wirkt ihre Haut nicht dreckig und scheint auch ohne Röte rosig zu sein, was bedeutet, dass sie in letzter Zeit einen Ort um sich zu waschen und genug zu essen hatte. Vielleicht stammt sie also auch nur aus einem einfachen Haus. Aber was treibt sie dann bei den Entführern?
Überrascht bemerkt Diantha, dass Aswhang das Gezeter ernster zu nehmen scheint, denn plötzlich beginnt sie mit auffallend scharfem Tonfall auf die Anklagen zu antworten, was natürlich genau das ist, was das Mädchen gewollt hat. Einen Moment lang hört Diantha dem aussichtslosen Hin-und-her zu, dann schaltet sie sich schließlich auch ein, einfach nur um zu demonstrieren, dass sie hinter Aswhang steht. Der Redegewandtheit der beiden Anderen - ein weiterer Unterschied zu Klein-Diantha, die nie besonders gut mit Worten umgehen konnte, was sie lieber anderen überließ – kommt sie zwar nicht so ganz hinterher, allerdings kennt sie zumindest in ihrer Muttersprache mindestens doppelt so viele Schimpfwörter wie die beiden zusammen. Mit denen geht sie jedoch recht zaghaft um, denn eigentlich weiß sie, dass diese die Kleine nur weiter anspornen würden. Dann beginnt auch noch Shyada zu jammern und zu schluchzen, dass man sie zurück bringen müsse und dass sie dann auch niemandem etwas von ihnen erzählen würde. Angewidert von den sinnlos vergossenen Tränen und der Art den Blick zu senken, wenn Olyvar die Fremde ansieht, blickt Diantha auf Shyada hinab. Und du sollst mal eine Amazone gewesen sein? Was um alles in der Welt haben sie dir eingeflößt?
Als dann das Mädchen auch noch jubelnd verkündet, dass Jamar hinter ihnen her ist, ist das Chaos perfekt. Augenblicklich dreht sich Aswhang um, den Feind wie ein ausgehungerter Hund den Knochen taxierend, im selben Moment übergibt Olyvar Achim die Zügel und klettert nach hinten. Als das Mädchen dummerweise verlauten lässt, dass Jamar sie und Shyada sicherlich retten wird, packt sie der auf einmal gar nicht mehr so zivilisiert wirkende Offizier und schüttelt sie wie einen unartigen Hund. Die Drohungen, die er von sich gibt, sind vom Wortlaut zwar nicht sehr bösartig, doch seine sonst so ruhige und freundliche Stimme hat plötzlich einen Klang, der es einem kalt den Rücken hinunterlaufen lässt. Das ist die Stimme eines Manns, der keine Probleme damit hat zu töten um selbst zu überleben. Dieser Klang wirft ein ganz neues, unerwartetes Licht auf Olyvar. Na, steckt in dir etwa mehr, als du normalerweise zeigst? Das ist interessant! Ich hab mich schon gewundert, wie jemand so ruhiges wie du Oberoffizier der Stadtgarde sein kann...
Dann wendet er sich Shyada zu und redet auf sie ein, was Diantha zum Anlass nimmt um die sich stetig nähernden Gegner eingehend zu betrachten. Es handelt sich um drei Männer, voran reitet ein dunkelhäutiger Mann von kräftiger Statur mit einem äußerst düsteren, wenn nicht hasserfüllten Blick. Dem würde ich nicht gerne im Dunkeln begegnen! Sein Gefolge besteht aus einem weiteren Dunkelhäutigen, der etwas kleiner und etwas weniger grimmig als der erste aus der Wäsche schaut, aber vermutlich auch nicht zu verachten ist. Außerdem ist noch ein nordländisch aussehender Mann mit von der Partie, er wirkt weniger gefährlich, hat er doch weder den Reitstil, noch den Körperbau eines Kriegers.
Als Olyvar sich zu Aswhang und Diantha gesellt - irgendwie hat er es geschafft Shyada vorläufig ruhig zu stellen, wofür die Immerfrosterin sehr dankbar ist, gibt es doch nichts Schlimmeres als heulende, jammernde Frauen - fragt ihn die Elbin, was er vor hat. Seine Antwort darauf trieft nur so vor Spott: >"Na was wohl? Wir warten auf sie und trinken eine Tasse Tee mit ihnen. Achim, fahr schneller! Wir brauchen ein wenig mehr Vorsprung. Fahr zu!"<
Durch seine Worte wird erst richtig klar, dass sie jetzt vor der entscheidenden Schlacht stehen, nun geht es um alles oder nichts. Unbewusst schleicht sich ein kleines Lächeln auf Dianthas Lippen, sie spürt wie Adrenalin in ihrem Blut ausgeschüttet wird und ihr Herz schneller zu schlagen beginnt. Dies sind die Momente, in denen sie sich lebendig fühlt, in denen keine Zeit für trübe Gedanken ist. Jetzt muss gehandelt werden, was ihr schon immer am meisten gelegen hat. Verärgert nimmt sie aber auch wahr, dass die erhöhte Geschwindigkeit den Wagen so stark schaukeln lässt, dass sich die Reichweite ihrer Wurfsterne stark verringert. Wie soll man bei so einem unstabilen Stand genau treffen? Davon abgesehen, dass Jamar selbst bei festem Stand viel zu weit weg wäre. Verdammt, dabei würde ich Jamar so gerne einen Wurfstern direkt in seine grimmige Visage pfeffern... Obwohl, Jamar sollte ich wohl besser Aswhang überlassen und mich um die beiden anderen kümmern.
Olyvar fährt fort zu reden, während er in ihrem Hab und Gut herumwühlt. So rät er Aswhang sich umzuziehen und befiehlt der Immerfrosterin ihm mit seinem Kettenhemd zu helfen. Für den Bruchteil einer Sekunde will diese ihm widersprechen, doch dann wird ihr klar, dass dies nicht ihr eigener Kampf ist wie bisher, sondern dass sie mehr an die ganze Gruppe denken muss. So hilft sie ihm wortlos in sein Gambeson - ein hervorragendes Stück mit guter Wattierung - , das er selbst verschnürt, und in sein Kettenhemd. Dann bleibt ihr nichts anderes übrig als auf den Knien die ganzen hartnäckigen Riemen an dem verfluchten Teil zu schließen. Es gibt massenweise Kettenhemden ohne Lederverstärkung und ohne Riemen! Warum verdammt noch mal muss der Kerl sich eine mit welchen besorgen? Gut, sie mögen noch mehr Schutz während des Kampfes bieten, dafür braucht man aber auch einen Knappen, der Erfahrung damit hat und einem hinein hilft. Und ich bin keiner, ich habe so was noch nie vorher gemacht!, ärgert sich Diantha in Gedanken und beneidet den Offizier gleichzeitig um seine gute Rüstung. Der kann natürlich nicht wenigstens still stehen um es ihr leichter zu machen, sondern muss selbstverständlich nach seinen Waffen greifen und die Immerfrosterin von den Schnallen ablenken indem er sie nach der Reichweite ihrer Wurfsterne fragt. "Während dieser ruckeligen Fahrt vielleicht vier Schritt, sonst um die acht, wenn ich sicher treffen soll", knurrt sie wie ein Polarwolf.
Doch den nachfolgenden Anweisungen hört sie hingegen sehr genau zu und hebt auch immer wieder den Blick hoch von den letzen drei Schnallen um auch ja nichts zu überhören. >"Dann bleib im Wagen in Deckung, sobald wir anhalten und sieh zu, dass du eines ihrer Tiere von den Beinen holst... sie sind nur zu dritt, aber sie sind zu Pferd, und ich habe keine Lust, niedergeritten zu werden. So wie es aussieht, werden wir ihnen einen Hinterhalt legen müssen. Falls sie einen Bogenschützen oder Messerwerfer oder sonst irgendjemanden haben, der uns unter Beschuss nimmt, versuch ihn als erstes auszuschalten."< Sie nickt um ihr Verständnis zu signalisieren und wendet sich wieder den Schnallen zu, doch der Offizier ist noch nicht fertig, sondern reicht ihr ein Kurzschwert, das sie einen Moment lang überrascht betrachtet. Es ist eine Ochsenzunge, in gutem Zustand, aber was genau sie damit soll weiß sie nicht. Schließlich ist sie den Umgang damit nicht gewöhnt, mit der Breite von fünf Fingern kommt ihr die Waffe ungewohnt breit vor und mit der Länge von gut zwanzig Zoll ist es wohl vier Zoll länger als ihr Langdolch. >"Hier, nimm das für alle Fälle. Und achte auf Shya und den Giftzwerg. Lass sie nicht ungesehen in deinen Rücken"<, raunt Olyvar der Immerfrosterin zu. Die Warnungen des Offiziers sind unnötig, aber sie versteht, dass sie freundlich gemeint sind. "Das werde ich. Wen auch immer Sithech heute zu sich ruft, Shyada wird nicht dabei sein, Ihr hoffentlich auch nicht. Voi hyvin!!" Kurz, direkt, ehrlich - mehr hat Diantha nicht zu sagen. Dafür wäre auch gar keine Zeit, denn kurz darauf bleibt die Kutsche stehen, Olyvar verschwindet nach vorne zu Achim. "So ihr beiden", wendet sich die Immerfrosterin an Shyada und den kleinen Stuwwelkopf, von dem sie nicht einmal weiß, wie er - oder eher sie - heißt. "Es gibt eine sanfte und eine weniger sanfte Methode." Sie zeigt auf Shyada: "Für dich lautet die sanfte Methode du bleibst ruhig und mischst dich nicht ein. Weniger sanft wäre, dass ich dich an Hände und Füße fessle und dir die Augen verbinde. Bei dir", knurrt sie, ahnend, dass diese nicht anders zu beeindrucken ist als mit klaren Worten, und weist auf das junge Mädchen: "sieht das ganz anders aus. Die weniger sanfte Methode besteht in einem Wurfstern in deinem Kopf. Habe ich mich klar ausgedrückt? Und die sanfte Methode ... hm, was meint Ihr?", richtet sie die Frage an Aswhang.
Auch wenn sie es sich nicht anmerken lässt, so fällt es ihr doch schwer sich eine angemessene Behandlungsmethode für die Kleine auszudenken, einfach weil sie das Gefühl hat sich selbst zu bestrafen, wenn sie das bei ihrem Gegenüber täte. So überträgt sie diese Aufgabe einfach auf Aswhang, die dem Mädchen gegenüber ein wenig anders eingestellt zu sein scheint. Denn einfach in Ruhe lassen und auf das beste hoffen wird Dianthas Einschätzung nach bei der Kleinen nicht wirken. Die mag zwar körperlich nicht gefährlich aussehen, doch kann sie sich als riesiger Störfaktor erweisen, wenn sie herumkrakelt und Diantha und Aswhang somit von ihrer Konzentration abhält. Oder wenn sie einfach in den Wald abhaut und ihr jemand hinterherlaufen muss! So überträgt Diantha diese Aufgabe einfach auf Aswhang, die mit dem Mädchen gegenüber ein wenig anders eingestellt zu sein scheint. "Wie sieht es mit der sanften Methode für unseren Ehrengast aus?"

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Shyada am 06. Jan. 2007, 19:30 Uhr
Eben noch voller Vorfreude, dass man sie wohl tatsächlich aus den Fängen ihrer Entführer befreien will, zuckt Liomie heftig zusammen, als der Anführer des Trupps so plötzlich bei ihnen steht und Selli brutal ergreift. Er hebt sie soweit hoch, dass ein leises gequältes Gurgeln über die Lippen ihrer Freundin kommt und ihre Füße nicht mal mehr den Boden berühren. Reflexartig und mit dem Mut der Verzweiflung will sich Liomie schon aufrappeln und dem Mann Selli aus der Hand zerren, als der Klang seiner Stimme sie inne halten lässt. Er wird nicht einmal richtig laut, aber die Drohung dahinter ist selbst ohne die ausdrücklichen Worte mehr als deutlich zu hören. In der Bewegung erstarrt, halb sitzend halb erhoben, blickt Liomie zu den beiden ungleichen Kontrahenten und rutscht schnell wieder auf ihrem Hintern ein Stück zurück. Sollte der Mann Selli wirklich etwas antun wollen, hätte sie ohnehin keine Chance gegen ihn und vielleicht würde es ihn nur noch wütender machen, wenn sie versucht einzugreifen. Als sich ihre Blicke kreuzen, wird sie innerlich noch kleiner, da sie dies als Hinweis sieht, richtig daran zu tun, nichts zu unternehmen. Den Blick auf den Boden gerichtet, hofft sie, dass das hier einfach alles nur schnell zu Ende geht oder sie aus dem Alptraum aufwachen wird. Doch sie weiß, dass es keiner ist und selbst wenn sie sich in den Arm zwicken würde... der Mann wäre noch immer da... die Frauen und das Monster auch. Versunken in wirre Überlegungen, Ängste und Hoffnungen, ob Jamar sie wirklich retten kann, sickert ein >"Sag es ihr!"< zu ihr durch, so dass sie ruckartig den Kopf hebt, weil sie glaubt, selbst gemeint zu sein, ohne es mitbekommen zu haben. Sie spürt wie ihr Herz wieder einen schmerzhaften Sprung macht und noch erbarmungsloser gegen ihre Rippen pocht. Trotz  ihrer Angst, findet sich irgendwo ein Fünkchen Mut, um fragen zu wollen, was sie denn sagen soll, als der Mann sich erneut zu ihr umdreht und sich sämtlicher Mut augenblicklich in Schall und Rauch auflöst. Selli fällt fast zeitgleich neben ihr auf den Boden zurück, bringt hastig etwas Platz zwischen sich und dem Mann und reibt sich den schmerzenden Hals. Liomie will zu ihr rüber kriechen, sich an sie klammern und einfach hoffen, dass mit geschlossenen Augen alles verschwindet, als der Anführer sie direkt anspricht.

Eigentlich will sie ihn nicht ansehen. Zu sehr fürchtet sie sich davor, dass auch sie gleich gepackt und geschüttelt wird, weil sie noch immer nicht geredet hat, aber sie schafft es einfach nicht, sich seinem Blick zu entziehen und etwas an seinen Worten lässt sie auch nicht los, sondern scheint sie sogar zu zwingen ihn anzusehen, während er spricht.
> "Lomie ist nicht dein Name, mein Wort darauf, und Jamar wollte dich nie zu deiner Familie bringen. Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber...Du hast eine runde Narbe an der Schulter, unterhalb deines Schlüsselbeins und auch auf dem Schulterblatt, und eine tiefe, runde Narbe mit ausgefransten Rändern am rechten Oberschenkel. Willst du wissen, woher?"<  Verständnislos blinzelt sie herum, versucht das was sie gerade gehört hat zu sagen und öffnet den Mund, um sich verbal gegen die Behauptungen zu wehren, als ihr bewusst wird, dass der Mann ihre Narbe erwähnt hat. Nein eigentlich sogar mehr. Unbewusst tastet ihre Hand über den Kleiderstoff zu ihrem Oberschenkel und fährt grob die Formen der seltsamen Narbe entlang. Noch mehr Narben? Aber... woher? Wieso? Wieso weiß er? Es ist ein Trick. Heißt es nicht, dass die Opfer vorher ausspioniert werden? Sie will ihn fragen, will ihm vorhalten, dass er das von jemand anderen erfahren hat und sie nur verunsichern will, aber er steht gar nicht mehr vor ihr, sondern ist schon am anderen Ende des Wagens und kümmert sich gar nicht mehr um sie. Verwirrt sieht sie ihm hinterher, versucht das eben Gehörte zu verarbeiten und als erfunden abzutun, als das „Sag es ihr!“ wieder durch den Kopf geistert und sie sich zu Selli wendet. Diese hat sich wieder einigermaßen gefangen, scheint nun aber auch nicht mehr ganz so gelassen und gereizt wie noch vor wenigen Momenten. „Selli?“, leise flüstert macht Liomie auf sich aufmerksam und ringt sich sogar ein schwaches, kaum sichtbares Lächeln ab. „Woher weiß er das? Hab ich wirklich noch mehr Narben?“ Ein stockendes Nicken eines nicht weniger verwirrten Gesichtes ist die einzige Antwort. Eigentlich hat Liomie eine Verneinung erwartet. Irgendetwas das darauf hindeutet, dass der Mann lügt, dass er das nur erfunden hat, dass Jamar sie doch nach Hause bringt, aber auch wenn er nicht viel gesagt hat, so hat er doch viel zu überzeugt geklungen. Außerdem... außerdem ist da immer noch die Sache mit den fehlenden Erinnerungen. Ob... Grübelnd sieht sie zu den anderen und versucht ansatzweise Ordnung in ihre wild rudernden Gedanken zu bringen. Aber sie scheitert daran genauso wie länger auf einem Fleck in diesem holpernden Wagen zu bleiben. Eine der Frauen hilft dem Anführer gerade in seine Ausrüstung und zum wer weiß wievielten Male innerhalb kürzester Zeit rutscht Liomie das Herz ein ganzes Stück nach unten. Sie wollen kämpfen? Vergessen ist für einen Moment die Sorge und die Ungewissheit, woher der Mann ihre Narben kennt. Kampf heißt Schmerzen, Blut und auch Tod. Sie will nicht, dass man kämpft... nicht wegen ihr.

„Ich... vielleicht hat er recht.“, ist Selli leise neben ihr zu hören. „Ich mein wegen Jamar. Er hat mir gesagt, ich soll dir diese Medizin geben, weil du krank bist.... aber ich habe sie mal vergessen und da warst du ganz anders....“ Wie schon vorhin, hört Liomie die Worte zwar, braucht aber eine Weile, um das Gehörte zu verarbeiten und zu verinnerlichen. „Und... und da sind so viele Sachen die mir aufgefallen sind. Er hat nie viel gesagt und... ach ich weiß es nicht.“ Würde Liomie nicht bereits sitzen, wäre sie jetzt wohl einfach in sich zusammengefallen. Sie versteht nichts mehr. Gut sie hatte keine Erinnerungen, aber eben war sie noch glücklich gewesen. Nun sitzt sie inmitten von heillosem Chaos und weiß überhaupt nicht mehr was sie glauben soll. Die Augen zu und weglaufen. Das ist genau das, was sie jetzt möchte. Alles in ihrem Kopf schwirrt und summt. Ständig erzählt man ihr etwas neues. Innerhalb weniger Augenblicke ändert sich alles und wahrscheinlich wacht sie doch gleich aus ihrem konfusen Traum auf und ist dabei schon längst in einer Fähre über die purpurnen Flüsse. „Aufhören... bitte... ich will das nicht mehr hören... nichts mehr. Hörst du! Halt den Mund!“ Tränen laufen über ihr Gesicht, als der Wagen zum stehen kommt und der Oger samt Mann das Gefährt verlassen. Kurz darauf gibt es einen Ruck und ein krachendes Geräusch und der gesamte Wagen sackt ein Stück ab, so das alle vier Frauen kurz erschrocken aufjapsen. Von den Verfolgern ist nicht mehr allzu viel zu sehen, da der Wagen leicht schief auf dem Weg steht und die Wurfsternfrau auch auf sie zukommt und dadurch zusätzlich die Sicht versperrt. >"So ihr beiden. Es gibt eine sanfte und eine weniger sanfte Methode. Für dich lautet die sanfte Methode du bleibst ruhig und mischst dich nicht ein. Weniger sanft wäre, dass ich dich an Hände und Füße fessle und dir die Augen verbinde. Bei dir" < Blinzelnd, weil ihr die Tränen die Sicht versperren, blickt Liomie die Frau an, verspürt aber seltsamerweise keine Furcht mehr. Was auch immer hier mit ihr geschieht, es ist zuviel auf einmal. Ihr Kopf schmerzt bereits, ihre Augen brennen, die Hände und Füße tun von der Fahrt weh... überhaupt scheint der Traum eher ein Alptraum zu sein, was kümmert es sie da noch, was man ihr antun wird? Trotzdem rückt sie ein Stück weg und versucht zu erkennen, wie weit die Verfolger oder Retter noch weg sind. Sie hört den Frauen nicht zu, sie will nichts mehr hören. Von niemanden. Es wurde bereits zuviel gesagt, was sie nicht versteht und begreifen kann.

Ein lautes >“Jetzt!“< ist das nächste was sie wahrnimmt. Die Frauen befinden sich wieder am anderen Ende des Wagens. Der Mann und der Oger sind noch immer nicht zu sehen. Selli an ihrer Seite. Irgendwo jenseits des Wageninneren ertönt schrilles Pferdewiehern. Schwere Körper fallen zu Boden und Hufeisen stampfen hart auf dem Boden auf. Liomie sieht nichts und das macht ihr noch mehr Angst, als zu wissen, was da vor sich geht. Sie hat keine Ahnung was dort draußen passiert. Wer kämpft? Wer siegt? Warum überhaupt wird gekämpft? Sie will es doch gar nicht! Die eine Frau sollte auf sie aufpassen, aber sie ist beschäftigt genug, um nicht pausenlos auf Liomie achten zu können. Liomie weiß nicht, ob es das richtige ist. Überhaupt weiß sie absolut gar nichts im Moment, aber einfach wegzulaufen erscheint ihr das einzige Richtige. Überall scheint es nur Lügen um sie herum zu geben. Immer wieder neue Dinge, die sich nicht zuordnen kann. Mühselig versucht sie über den Kutschbock zu kriechen und wird plötzlich am Armgelenk festgehalten. „Lass mich... du hast mich angelogen!“ Wieder steigen ihr die Tränen in die Augen, als sie die Hand der Person abschüttelt, die sie als Freundin bezeichnet hat. >Aber du kannst doch nicht...< „Du sollst mich in Ruhe lassen... ihr alle!“ Obwohl sie fast schreit, beachtet sie niemand und Selli scheint bestürzt genug, um sie nicht weiter aufhalten zu wollen. Durch das Kleid behindert, kriecht Liomie weniger behände über den Kutschbock und kommt mit einem raschelnden Plumps auf dem Boden zu liegen und erstarrt im gleichen Augenblick als sie eine Bewegung an ihrer Seite sieht. Der Fremde und Darwik. Sie kann den blonden Mann nur von hinten sehen, aber seine Angst spürt sie trotz ihrer eigenen. Sie sieht das viele Blut. Sieht es am Schwert des Mannes glänzen, wie es sich mit der Erde vermischt und wie es aus dem Stumpf an Darwiks Arm sickert. Übelkeit steigt in ihr auf. Würgend beugt sie sich nach vorne, behält ihren Mageninhalt aber noch bei sich. >"Tha mi duilich." Als sie aufsieht, steckt das Schwert bereits in Darwik. Der Fremde hat seine Augen auf ihn gerichtet und scheint nichts um ihn herum wahr zu nehmen. Doch es ist nicht der Anblick des Todes der Liomie so unerwartet ein weiteres Mal schockt. Sie hat ihn verstanden. Er hat sich entschuldigt. In einer Sprache die sie noch nie gehört hat und sie hat es verstanden. „Wieso entschuldigst du dich, wenn du ihn tötest?“ will sie ihn fragen, doch sie ist viel zu sehr damit beschäftigt zu begreifen, warum sie ihn verstanden hat. Er hat ihr doch nur Lügen erzählt, genau wie alle anderen. Es kann sie gar nicht kennen. Aber wenn sie sich nicht kennen, warum versteht sie das, was er sagt? Die Augen geschlossen versucht sie Kopfschmerzen und Würgereiz zu trotzen, aber es gelingt ihr nicht. Sie wollte nur zu dem Fremden sehen, statt dessen sieht sie Darwik. Blutend, regungslos, tot. Gerade noch rechtzeitig schafft sie es sich zur Seite zu drehen und übergibt sich dann geräuschvoll. Keuchend versucht sie wieder zu Luft zu kommen und nicht das Bewusstsein zu verlieren. Der Alptraum soll einfach nur aufhören. Jetzt! „Ich muss weg hier... ganz... weit... weg.“ Über ihr taucht mit einem Mal das Gesicht von Selli auf, als sie sich wankend erhebt und langsam schwankend vom Wagen wegtappt. Die Kämpfe sind auf der anderen Seite, vielleicht würde sie niemand bemerken. Selli den Rücken zugewandt macht sie die ersten Schritte, während sie versucht sich zu beruhigen. Natürlich klappt es nicht und als hinter ihr >„Bleib hier!“< gerufen wird, weiß sie genau, dass sie ohnehin nicht weit kommen wird, aber sie will es zumindest versuchen. Die ersten Schritte klappen wunderbar, doch dann verheddert sie sich wieder in ihrem Kleid und fällt der Länge nach auf den Boden. Vielfach rammen sich kleine Steine unter die Haut in ihren Händen, doch sie nimmt den Schmerz nicht wahr. Weinend bleibt sie einen Moment liegen, hämmert mit den Fäusten auf die Erde ein und rappelt sich dann wieder hoch. „Aufwachen... ich muss aufwachen...oder weglaufen.“ Immer wieder rattert sie die Worte wie ein Mantra runter und setzt dabei mechanisch einen Fuß vor den anderen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Jamar am 12. Jan. 2007, 16:28 Uhr
Hätte der Oger sich nicht Selainee geschnappt, sie hätten keinen einzigen Anhaltspunkt gehabt, wo sie hätten suchen müssen. So aber, war es ihnen möglich gewesen in all dem Chaos auch Shyada ausfindig zu machen. Zumindest geht Jamar davon aus, dass sich die Amazone auch dort befindet, wo Selainee hingeschleppt wird, denn wer sollte schon Interesse an dem zickigen Gör haben? Andererseits könnte es auch eine Finte sein. Eingefädelt von dem angeblichen Kontaktmann, damit er wie ein Idiot hinter dem Wagen hinterher prescht, während er sich mit Shyada nach Norden absetzt. Doch sein untrügliches Gefühl sagt ihm, dass es nicht der Kontaktmann war. Die pflegen normalerweise nicht einen derartigen Aufwand, um sich einer Person zu nähern. Wütend und den Blick starr nach vorne gerichtet, läst Jamar immer wieder die Peitsche auf das Tier niedersausen. Es sind nicht ihre Pferde, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar einfache Ackergäule, aber es waren die einzigen Tiere, die in Reichweite waren, ohne allzu viel Zeit zu verschwenden. Ismael kann er an seiner Seite aus den Augenwinkeln sehen, bei Darwik vermutet er, dass er sowieso zurück gefallen ist. Hilfreich wäre er ohnehin nicht und bei seinem kindlichen Gemüt widerstrebt es ihm im allgemeinen auch, die Tiere zu hart zu fordern. Dennoch hält er sich erstaunlich wacker und hängt gar nicht so weit zurück, wie Jamar mit einem raschen Blick über die Schulter feststellt. Aber er hat keine Zeit darauf zu achten. Es spielt keine Rolle, wer von den anderen beiden schneller oder langsamer ist. Fakt ist, zu müssen den verdammten Wagen einholen. Die Pferde zu beruhigen, sowie aus der Stadt zu kommen, hatte viel zu viel Zeit in Anspruch genommen. Er weiß, dass der Wagen durch seine Last behindert ist und im allgemeinen sind derartige Gefährte auch nicht dafür geeignet über Landstrassen zu fliegen, aber oft fehlen nur Moment um Spuren zu verlieren und diese würde er ihnen nicht gestattet. Jamar hat keine Ahnung mit wem er es zu tun hat und dass macht die Sache erheblich undurchsichtiger. Eine leise Stimme flüstert ihm zwar zu, dass es Aswhang sein könnte, doch dieses spitzohrige Weibsbild wäre allein für ein solches Theater gar nicht in der Lage. Verbündete? Ein angespanntes Kribbeln zieht sich über seinen gesamten Körper, als er halbherzig darüber nachdenkt, ob die Elbin das Ganze geplant haben könnte. Sie muss schließlich gewusst haben, dass er sie nicht mitnehmen würde.

Etwas unverständliches in seiner Muttersprache fluchend, lässt Jamar immer wieder die Peitsche niedersausen und haut dem Tier die Stiefel in den weichen Leib, dass es mehrmals versucht auszubrechen oder sich dem zu wieder setzen, doch lässt der Südländer dem Pferd keine Wahl. Unbarmherzig treibt er es weiter an und ist nicht weniger verschwitzt, als das Tier selber. Die Silberbrücke haben sie schon längst passiert, vorher hätte sich der Wagen nicht absetzen können, doch nun wo offenes Land zu beiden Seiten ist, besteht durchaus die Chance, dass der Wagen nicht dem Weg folgt. Die Entführer der eigentlich bereits Entführten wären schön dumm, wenn sie es tun würden, doch andererseits scheint dies keine spontane Aktion gewesen zu sein. Sie könnten wollen, dass man ihnen folgt und ihnen einen Hinterhalt stellen. Sie könnten sich mit anderen dort verabredet haben. Sie könnten auch schon längst auf wartende Pferde umgesattelt haben und sie könnten auch längst am Ufer in ein Boot gestiegen sein. „Sie könnten... sie könnten... sie könnten.“ Knurrend macht Jamar seinen Unmut Luft. Es gibt tausend Möglichkeiten, wie die anderen flüchten könnten. Vielleicht haben sie ja auch einen richtigen Magier bei sich gehabt und sind längst schon auf widernatürlichem Wege verschwunden. Doch trotz allem folgt Jamar dem Weg weiterhin. Es ist die einzige erste logische Variante die im einfällt. Sollte Magie oder ein Boot im Spiel sein, wären sie wahrscheinlich eh schon außer Reichweite. Ein befestigter Weg scheint ihm für eine Kutsche die einzige zumutbare Möglichkeit um rasch vorwärts zu kommen. Er kennt den Weg entlang des Ildorel, immerhin sind sie ihn vor wenigen Tagen erst in die andere Richtung entlang geritten. Er weiß, dass der nahe liegende Wald die Chancen erhöht, das man sie abhängt. Verfluchte Hundesöhne! Er spürt noch nicht den bitteren Geschmack eines Verlierers im Mund, eigentlich kennt er ihn überhaupt nicht, doch er weiß, dass es seine Schuld war und ist. Er hätte die verfluchten Weiber einfach anketten und knebeln sollen. Kestra will die Amazone, von ihrem Zustand war jedoch nie die Rede gewesen.
Ein Ausruf Ismaels, der aber im Donnern der Hufe untergeht, lässt Jamar der Handbewegung seines Freundes folgen. Das sie sich dem Wald nähern, war ihm auch schon vorher klar gewesen, doch plötzlich bemerkt er, dass er gar nicht die Bäume, sondern dass dazwischen bemerken soll. Mit einem gierigen und wissenden Funkeln im Blick lässt Jamar seine Augen starr auf das Gefährt gerichtet. Jetzt würden sie ihnen nicht mehr entkommen. Und wer auch immer die Verantwortlichen für diese Unannehmlichkeiten sind, die würden leiden. Er würde ihnen gewiss keinen raschen Tod gönnen. Ein kurzer Blick zu Ismael, ein Blick zurück zu Darwik, dann wird alles andere unwichtig. Sie wissen was zu tun ist. Das Ziel klar vor Augen, spielt es keine Rolle, was hinter oder neben ihnen ist. Was zählt ist die Kutsche und Shyada.

Jetzt wo sie die Kutsche erst einmal ausgemacht haben, und sie sehen können, wie sie sich nähern, scheint die Zeit zu rasen. Einen Moment glaubt er, dass die Kutsche ihren Vorsprung ausbauen kann, aber das Gefährt hat ihnen in Geschwindigkeit nichts entgegen zu setzen. Doch gleichermaßen wie sie sich nähern, spürt er auch, dass die Tiere nicht mehr lange durchhalten werden. Auch wenn sie noch brav einen Huf vor den anderen setzen, so sind die Bewegungen längst nicht mehr so geschmeidig und gelegentlich befürchtet Jamar schon, dass die Tiere ihm schlichtweg unterm Hintern wegsterben. Ismaels Pferd beginnt sogar kurz zu Straucheln, fängt sich aber wieder und befindet sich kurz darauf wieder auf einer Höhe mit seinem eigenen. Immer deutlicher zeichnen sich die Umrisse des Wagens vor ihnen ab. Die Bäume fliegen nur so an ihnen vorbei. Während sie nicht im geringsten an Geschwindigkeit verlieren, scheint der Wagen sich plötzlich nicht weiter von ihnen zu entfernen, sondern kommt viel schneller auf sie zu, als er es eigentlich müsste. Misstrauisch, aber nicht misstrauisch genug, um erneut einen Hinterhalt zu wittern, lässt Jamar die Tiere unmerklich langsamer werden lassen. Was auch immer da vorne passiert ist oder geplant wird, er wird keine weitere Zeit verschwenden und alles niedermetzeln, was nicht nach Shyada oder dem Rotzgör aussieht. Dennoch bremsen sie ihre Pferde abermals, als sie sich dem Wagen nähern. Es ist niemand zu sehen. Zu Fuß geflüchtet? Rasch lässt er seinen Blick über die Umgebung schweifen. Es wäre töricht mit Shyada im Kleid durch den Wald rennen zu wollen. Sie würde wohl noch nicht einmal drei Schritt weit kommen. Als sie den Wagen fast erreicht haben, kann Jamar erkennen, dass das hintere Rad den Spaß der Flucht nicht stand gehalten hat. Unförmig stechen die gebrochenen Spitzen in alle Richtungen ab. Doch abgesehen von dem unruhigen Wiehern und Trampeln der Zugpferde ist nichts weiter zu hören. Zu still..., denkt er sich gerade, als ein Ruf von der linken Seite ertönt und kurz darauf Darwiks Tier stürzt. Er hört etwas durch die Luft sirren, vermutet instinktiv, dass es sich um Pfeile handelt, versucht sich in Deckung zu bringen, spürt aber statt Schmerzen das Zucken der Pferdemuskeln unter ihm und segelt wenig später durch die Luft. Der Aufprall ist unerwartet har. Benommen schüttelt er den Kopf und versucht die Schwärze in seinem Kopf zu vertreiben. Ganz nebenbei sieht er verschwommen die Gestalten aus dem Wald treten. Der Mann kommt ihm nicht bekannt vor, doch der Oger tut es. Noch immer nicht in der Lage sich zu erheben, versucht Jamar die Lage zu analysieren und erkennt plötzlich Aswhang im Wagen. Hass steigt so unkontrolliert in ihm auf, dass er jeden Schwindel und Schmerz vergisst. „Schmor in der Unterwelt du verdammte Hure!“ Als er sich erhebt bemerkt er, dass Ismael sich wirre Spielchen mit dem keulenschwingenden Oger erlaubt, die nicht sehr Erfolg versprechend aussehen, aber das Ungetüm wohl auf die Dauer ermüden würden. Er weiß, dass er sich auf Ismael verlassen kann, auf ihn würde er nicht acht geben müssen, doch als er zu Darwik blickt, weiß er, dass es für ihn keine Chance gibt. Er hätte in Blurraent bleiben sollen. Sein Arm ist bereits halbiert, aber er hat keine Zeit, sich um den gutmütigen Trottel zu kümmern. Vielleicht war es so sogar besser.

Den Schutz eines Pferdes nutzend, dass sich komischerweise noch nicht auf und davon gemacht hat, versucht sich Jamar dem Wagen zu nähern und sieht sich plötzlich zwei Frauen konfrontiert. Aswhang ist ihm mehr als bekannt und die andere hatte er vorhin beim Zirkus gesehen. Es war alles geplant und du bist darauf reingefallen. Sein Gesicht ist nach außen hin vollkommen ausdruckslos geworden, er würde es hier beenden. Keine Spielchen mehr mit der arroganten Elbin, die soeben Pfeil und Bogen wegschmeißt. Erneut surrt etwas durch die Luft, aber Jamar ignoriert den Schmerz des silbernen Sterns, der aus seinem linken Arm ragt. Sein Blickfeld beschränkt sich auf die beiden Frauen im Wagen, doch plötzlich erregt etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Etwas viel weiter weg. Nur kurz erlaubt er sich hinzusehen und fast augenblicklich beginnen seine Gedanken im Gleichtakt mit seinem Puls zu rasen. Er will sie und die anderen wollen sie. Würden sie soweit gehen und sie gefährden? Wohl kaum. Brüllend stürzt er sich auf die beiden Frauen, schwingt seinen Säbel durch die Luft, während seine andere Hand nach dem Dolch fingert und lässt die Waffe dann in Kopfhöhe der beiden Frauen durch die Luft sausen. Natürlich hat er nicht beabsichtigt sie zu treffen. Noch nicht. Stattdessen bringen die beiden sich in Sicherheit, ganz wie er es geplant hat und geben beim ducken den Blick auf Selainee frei, die hinter ihnen im Wagen sitzt.
Jamar hat jedoch keine Zeit sich weiter darum zu kümmern, sondern nutzt seinen eigenen Schwung und dreht sich vom Ende des Wagens weg. Darwiks Schreie haben nachgelassen. Er kann ihn nicht sehen, da der Wagen jetzt zwischen ihnen ist, aber er weiß, dass er tot ist. Darwik war kein Kämpfer. Er war ein Kind. Ismael ist noch immer mit dem Oger beschäftigt. Zusammen führen die beiden einen irrsinnigen Tanz auf, doch auch wenn Jamar weiß, dass er Ismael unmittelbar weiterer Gefahr aussetzt, wenn er die Frauen nicht mehr im Auge hat, er kann keine Rücksicht darauf nehmen. Eins der Zugpferde schnappt mit rollenden Augen nach ihm, als er sich an den Tieren vorbeibewegt und dann auf Shyada zuhält, die sich eben wieder vom Boden erhebt. „Bleib stehen.“

Sie folgt seiner Anweisung prompt und rührt sich kein Stück weiter. Sofort ist Jamar bei ihr, ergreift sie am Handgelenk und drückt ihr bereits während er sie zu sich heranzieht, den Dolch in den Bauch. Keine Sekunde zu früh wie er merkt, denn der Mann, der sich vorher um Darwik gekümmert hat, taucht hinter dem Wagen auf. Mit seinem Erscheinen blickt Selainee neugierig über den Kutschbock und auch die andere Frau erscheint wurfbereit dahinter. Nur von Aswhang ist nichts zu sehen. Er kann sich nicht vorstellen, dass sie sich mit Ismael zufrieden gibt, aber vielleicht hat sie ja auch eingesehen, dass sie gegen ihn keine Chance hat. „Bleibt wo ihr seid oder die Kleine ist tot.“ Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, schiebt er seine Hand mit dem Dolch ein Stück höher und lässt Shyada so erschrocken aufjapsen. Er hofft, dass es Shyada ist, welche die anderen wollen, denn damit würde er sich etwas Zeit verschaffen. Denn selbst wenn er den Mann allenfalls als ebenbürtig bezeichnen würde, ist da immer noch die Frau mit ihren Wurfsternen, welche Schutz durch den Wagen hat. Und dass er von Selainee keinen Beistand mehr bekommt ist ihr trotz Hut deutlich anzusehen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 13. Jan. 2007, 20:28 Uhr
Hinter sich hört Olyvar das schrille Wiehern eines verwundeten Pferdes und dazwischen das angestrengte Grunzen seines Reiters, der versucht, gleichzeitig im Sattel zu bleiben und sich gegen den schnaufenden Oger, mit dem er gerade einen irren Tanz auf einem schlammigen Waldweg aufführt, und dessen immer wieder herabkrachender Keule zu wehren, doch Olyvar hat nur noch Aufmerksamkeit für den Mann vor sich übrig... Jamar, der Shyada gerade ein Messer an die Kehle hält. >Bleibt wo ihr seid oder die Kleine ist tot. < Am liebsten hätte er auf der Stelle kehrtgemacht und Aswhang, die dem schwarzen Dreckskerl eigentlich einen Pfeil in die Kehle hatte jagen sollen, den weißen Hals umgedreht. Hinter sich spürt er Diantha, die immer noch mindestens einen Wurfstern, ihren Dolch und das Kurzschwert, das er ihr gegeben hatte, zur Hand haben muss und das Hutmädel, die jedoch eher ängstlich aus dem Wageninneren hervorlugt... von der Elbin ist nichts zu sehen und nichts zu hören, doch Olyvar weiß, dass sie da ist – und Jamar weiß es ebenso. Und sowohl er, als auch der Südländer wissen gleichermaßen, dass sie inzwischen lange genug Zeit hatte, um einen Pfeil einzulegen und ganz genau zu zielen. Olyvar hält inne, so wie Jamar es verlangt hat, aber er ist ohnehin schon nahe genug, um das Weiße in seinen Augen zu sehen, merkwürdig hell in dem ebenholzfarbenen Gesicht. Ihm bleiben nur wenige Herzschläge, um sich zu entscheiden, doch dann tut er es. Olyvar senkt sein Schwert und schlendert weiter, demonstrativ langsam, um Jamar nicht in Zugzwang zu bringen und doch nachdrücklich genug, um ihn zu verwirren und ihn zum Rückzug zu zwingen, weil ihm für weitere Drohungen gar keine Zeit bleibt... und so geht es ein Stückchen fort vom Wagen, langsam und in weitem Bogen, da der Südländer natürlich versucht, den Abstand zu halten und Shyada dabei mit sich zieht.

"Ach sieh an," verkündet Olyvar in spöttelndem Plauderton, "der große Jamar. Ich habe schon viel von Euch gehört... Aswhang hat praktisch von nichts anderem geredet. Jamar dies und Jamar das, Jamar, der stolze Südländer, blablabla... Aber dass Ihr ein jammernder Schwächling seid, der sich hinter einem Weiberrock und einer wehrlosen Frau versteckt, ist mir neu. Tja, wieder was gelernt." Olyvar schenkt Jamar ein fröhliches Grinsen, und mag sich ihm dabei auch noch so gallenbitter der Magen umdrehen, nicht einmal seine eigene Mutter hätte an seinem Gesicht irgendetwas anderes als Unergründlichkeit und eine gewisse Erheiterung abgelesen. In seinem Inneren sieht es ganz anders aus, aber das weiß Jamar nicht – dem Himmel sei Dank. Ködere ihn, bring ihn durcheinander, provozier ihn, götterverdammt, lass dir etwas einfallen! "Fassen wir mal zusammen... hinter mir steht ein Mädel, das mit Wurfsternen wirklich nicht schlecht ist. Darf ich vorstellen? Diantha. Diantha - Jamar, Jamar - Diantha. Ich bin ein höflicher Mensch, ich finde, Ihr solltet wissen, wer Euch nachher ein Loch in die  Stirn stanzt. Und, ach ja... bevor ich es vergesse, irgendwo ist da auch noch eine Elbin, die hoffentlich bald ihren Bogen gefunden hat. Die kennt Ihr ja bereits. Ich habe ehrlich gesagt nicht die leiseste Ahnung, warum sie so lange braucht, um Euch über den Haufen zu schießen, vorhin war sie noch ganz wild darauf, Ehrenwort. Und sind wir ehrlich, selbst wenn sie nur eine mittelmäßige Schützin sein sollte, auf die Entfernung kann sie euch gar nicht verfehlen. Ihr dagegen seid allein. Der Hellhäutige ist hinüber und Euer anderer Kumpan wird..."

Zum absolut perfektesten aller möglichen Zeitpunkte, ertönt eben in diesem Augenblick hinter ihnen ein hässliches Knirschen und ein zufriedenes Ogergrunzen, und Olyvar lächelt jovial, "... ist ebenfalls tot. Ihr seid allein und Eure einzige Lebensversicherung ist..." Olyvar weist mit einer blasierten, kleinen Geste auf Shyada in Jamars unerbittlichem Griff, ganz so, als sei sie ungefähr so wichtig wie eine vorbeikrabbelnde Küchenschabe, und zuckt mit den Schultern... "das da." Dann lässt er die Maske der Gleichgültigkeit fallen und kalte Wut glänzt hart und silbrig in seinen Augen. "Bringt sie um und Ihr seid tot. Lasst sie laufen und Ihr seid tot. Egal wie Ihr es auch dreht und wendet, Ihr sterbt hier, mein Wort darauf. Ich will Euren hässlichen Kopf." Komm schon, schluck es, verdammter Südländer! "Ich trenne ihn von Euren Schultern." Er wendet sich nach rechts und lässt kurz und demonstrativ die Spitze Siaíls hochschnellen, eine so stumme wie unmissverständliche Herausforderung. Glaub es mir, ich bin nur an dir interessiert...glaub es. Glaub es. "Dann tauche ich ihn in Pech und hänge ihn an die Schandpfähle auf den Zinnen meiner Burg, wo die Raben und Krähen fressen, was von Eurem Gesicht noch übrig ist... und wenn Ihr nur noch Knochen seid, dann pisse ich auf Eure Reste und verscharre sie im Dreck. Und jetzt kommt her, Feigling, und lasst uns die Sache beenden."

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Jamar am 15. Jan. 2007, 14:33 Uhr
Während er den Mann, der sich wohl in den Kopf gesetzt hat, dass Leben von Shyada ohne weiteres aufs Spiel zu setzen, nicht eine Sekunde aus den Augen lässt, rattert es eifrig hinter seiner Stirn. Soweit er Aswhang einschätzen kann, hat sie noch nie zu den Personen gehört, die sich gleich den Erstbesten schnappen um alberne Rachepläne zu schmieden. Genauso unwahrscheinlich erscheint es ihm, dass sie jemanden in Talyra hätte kennen können. Schon gar nicht einen derart bunten Haufen. Als ob sich die Elbin unter normalen Umständen jemals mit Oger abgeben würde. Doch wie um Himmels Willen gehören sie alle zusammen? Normalerweise liegt ein entscheidender Vorteil in seiner Arbeitsweise darin, dass er weiß, mit wem er es zu tun hat. Hier beschränkt sich sein Wissen rein auf Aswhang. Und das ist Grund genug, um sich nicht blindlings auf irgendwelche Spielchen einzulassen, die der Mann wohl zweifellos bezweckt. Jamar ist bewusst, dass das Aufrechterhalten ihrer beiden Abstandes, den zu Ismael erhöht. Etwas, dass sich durchaus zum Nachteil entwickeln kann. Dazu kommt, dass auch die drei Frauen am Wagen nicht mehr ohne weiteres anzugreifen wären. Doch dieses Risiko muss er wohl oder übel einnehmen, um zuerst mit dem fertig zu werden, was ihm augenblicklich am gefährlichsten werden könnte. > "Ach sieh an, der große Jamar. Ich habe schon viel von Euch gehört... Aswhang hat praktisch von nichts anderem geredet.“<
Würde Jamar sich zu spontanen Gefühlsregungen hinreißen lassen, so hätte er wohl halbherzig gelächelt. Aswhang und von ihm reden. Eher würden wohl die Götter persönlich vorbeikommen und ihm die Hand schütteln. Der Mann redet weiter und weiter. Jamar kennt diese Taktik. Er hat genug gekämpft und genug selber ausprobiert, um Tölpel aus der Reserve zu locken. Er schenkt den Worten des anderen nur halb Beachtung, denn es verstärkt sich mehr und mehr das Gefühl, dass er den Mann kennt. Er könnte aus Blurraent stammen, aber das hieße, dass Aswhang allein hergekommen sein müsste... sehr unwahrscheinlich. Also muss er aus Talyra stammen. Irgendjemand stadtbekanntes? Jemand über den er sich vor seiner eigenen Ankunft in der Weltenstadt erkundigt hatte?

>“Darf ich vorstellen? Diantha. Diantha - Jamar, Jamar - Diantha. Ich bin ein höflicher Mensch, ich finde, Ihr solltet wissen, wer Euch nachher ein Loch in die  Stirn stanzt.“< Jamar gibt sich nicht einmal die Mühe die Frau anzusehen. Ein Moment der Unachtsamkeit und alle Chancen wären dahin. Feige hin oder her. Gelegentlich braucht auch der Beste einen Schutzschild um zu überleben und Frauen sind im allgemeinen die effektivsten in Situationen wie diesen. Einmal hat sich Diantha bereits in seinem Arm verewigt, aber ein zweites Mal würde er es nicht dazu kommen lassen. Der Mann, den er immer noch nicht zuordnen kann, faselt weiter und weiter. Seine Erklärungen bezüglich Aswhang lassen Jamar innerlich auflachen. Vollkommen emotionslos. Oh ja, DAS konnte er sich gut vorstellen. Aber die Elbin hatte schon immer in seinem Schatten gestanden und dass sie es bislang noch nicht geschafft hat von ihrem Pfeil Gebrauch zu machen, geschweige denn auftaucht, lässt genug gedanklichen Freiraum. Wahrscheinlich hat sie sich schon im Wald versteckt. Als die Rede jedoch von seinen eigenen Gefährten ist, verhärten sich Jamars Gesichtszüge und nur wenig später, kann man für einen kurzen Moment durch seine eiserne Maske blicken. Das Geräusch brechender Knochen, ohne das derjenige dem die gehören noch die Chance eines Schmerzlautes hat, verrät genug. Jamar sieht nicht hin, aber er spürt, wie seine Selbstkontrolle ein Stück bröckelt. Er und Ismael haben noch nie verloren, kaum einen Kampf allein bestritten und nun sollte das zu Ende sein? Vielleicht war es Aswhang gewesen? Dumm genug könnte sie sein, um irgendwo zwischen Oger und Ismael herumzuhüpfen. >“Ihr seid allein und Eure einzige Lebensversicherung ist...das da." < Damit hätte sich für Jamar geklärt, wie es um Ismael steht. Scheinbar konnte der Mann aus den Ogergeräuschen mehr erkennen, als er selber.

Das was mit Jamar erst langsam von statten geht und was er sich selber noch nicht eingesteht, passiert mit dem Mann ihm gegenüber plötzlich in wenigen Augenblicken. Nichts ist mehr von der regungslosen Maske vorhin, die Jamar selber nur noch mühsam aufrecht erhalten kann. Shyada fängt an sich zu regen, beginnt leise zu wimmern und scheint tatsächlich zu versuchen, sich von ihm zu lösen, als der andere ohne Rücksicht auf Höflichkeit erklärt, was er genau mit Jamar alles vorhat. >“Und jetzt kommt her, Feigling, und lasst uns die Sache beenden.“< Ein dünnes, unechtes Lächeln erscheint auf Jamars Gesicht und entblößt kurz eine Reihe weißer Zähne.  Er weiß jetzt, mit wem er es zu tun hat. Er hatte sich immerhin ausreichend über Shyada informiert und weiß wo sie sich die letzten Zwölfmonde herumgetrieben hatte. Ihr wollt nicht mich, aber ich werde uns den Spaß gönnen. Darwik und Ismael sind tot. Somit steht er allein gegen die anderen da. Er zieht es normalerweise vor ohne großen Aufwand zu töten, aber hier bleibt ihm keine andere Wahl. Es müsste schnell gehen. Einen nach dem anderen, ohne zu zögern. Und Selainee die Verräterin gleich mit dazu.
„Dann lasst uns kämpfen, Tarascon!“ Kaum hat er die Worte ausgesprochen, schleudert er ihm Shyada entgegen, die erschrocken in ihrem Kleid auf den Lord Commander zustolpert und ihm somit genug Zeit gibt, um zum einen den Abstand ein Stück zu vergrößern und Olyvar selber zwischen sich und den Wagen zu bringen. Sollten Aswhang oder Diantha doch versuchen ihn zu erwischen. Die Chancen dass sie Shyada oder Olyvar treffen würden, wären nicht geringer. Statt Aswhang taucht plötzlich der Oger auf. Ein breites zufriedenes Grinsen im Gesicht, dass Jamar augenblicklich zu knurren beginnt und ihm am liebsten die Fresse poliert hätte. Doch vorerst, lässt er seine Wut über den Tod Ismaels am Lord Commander aus und greift diesen an, kaum, dass er sich von Shyada befreit hat. Sein Säbel ist kleiner als die Waffe Olyvars, aber seine Angriffe würden schneller auszuführen sein. Kreischend trifft der Stahl das erste Mal aufeinander. Jamar würde sich liebend gerne allein auf Olyvar konzentrieren und vielleicht sogar ein wenig mit ihm Spielen, aber dazu bleibt keine Zeit, da er die anderen im Auge behalten muss.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 15. Jan. 2007, 23:55 Uhr
Ob Hohn und Spott schließlich doch ihren Zweck erfüllt haben und den Gleichmut des Südländers durchbrechen, oder ob Jamar schlicht erkannt hat, dass die einzige Wahl, die er noch treffen kann, jene ist, mit dem Schwert in der Hand zu sterben – wie auch immer, er lässt sich tatsächlich aus der Reserve locken. Hätte er Shyada als Geisel behalten, er hätte Olyvar bis zum Sankt Nimmerleinstag auf diesem Waldweg festhalten können, so jedoch ist sein Schicksal besiegelt. Sein erster Fehler ist, Olyvar zu warnen, bevor er ihm Shyada entgegenschleudert  >Dann lasst uns kämpfen, Tarascon!<– sein zweiter die eigene Überheblichkeit. Shyadas Röcke streifen nur Olyvars Stiefel und behindern ihn nicht sonderlich, während er ausweicht, sich dreht, die Amazone zur Seite stößt und Jamars Hieb abfängt. Er ist hart, so hart, dass Olyvar ihn bis in die Schultern spürt und Funken sprühen, als die beiden Klingen aufeinanderprallen – doch er ist nicht hart genug. Sekhel für Sekhel zwingt Olyvar die Waffe und den Arm des Südländers nach oben und drängt ihn zurück, bis Jamar sich mit ein, zwei wilden Schlägen und Drehungen befreit und außer Reichweite bringt. Hinter ihnen wird es still, als sie beginnen, sich auf dem Waldweg zu umkreisen. Nur noch das Wispern des Windes in den Baumkronen und ihrer beider tiefer, ruhiger Atem ist zu hören... und für Olyvar besteht die Welt ohnehin nur noch aus seinem Gegner. Dann stürzt der Südländer erneut vor, schnell wie eine zustoßende Schlange - und Stahl kreischt über Stahl. Jamar trägt keine Rüstung und sein Falchion hat bestenfalls zwei Fuß Klingenlänge... damit bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als zu versuchen, Olyvars Deckung zu durchbrechen, da dieser in gehärtetem Leder und Kettenhemd steckt, und mit seinem Langschwert fast das Doppelte an Reichweite besitzt. Trotzdem lässt der Südländer unablässig Hiebe auf ihn niedergehen, schlägt von oben, von unten und von der Seite, springt vor und zurück, dreht sich wie ein Derwisch, sucht nach Lücken in der Panzerung, zielt auf die Schulterstücke und die seitlichen Schnallen, tanzt vor und zur Seite, nach links und rechts, und drischt so hart und schnell auf Olyvar ein, dass er mehr als einmal gezwungen ist, zurückzuweichen und sich Jamar mit harten Schlägen und Tritten vom Leib zu halten.

Der ganze irre Tanz kann nur wenige Augenblicke dauern, dann bricht der Südländer tatsächlich durch, holt rückhändig aus, zielt niedrig und seine Klinge schreibt eine blutige Spur auf Olyvars linken Oberschenkel. Der Hieb geht nicht allzu tief, aber der Schmerz ist beißend und lässt Olyvar einen Herzschlag lang straucheln. Um nicht zu stürzen, lässt er sich auf ein Knie fallen, riskiert den Nachteil, reißt Siaíl hoch und blockiert Jamars nächsten, nach unten gerichteten Hieb dann so heftig, dass der Südländer hart zurückgeworfen wird und ein paar Schritte taumelt... das reicht, um wieder auf die Beine zu kommen und nachzusetzen. Nun ist es Olyvar, der angreift, und einen Hagel harter Schläge niedergehen lässt. Stahl singt und klirrt, singt und faucht, singt und schlägt Funken, als die beiden so ungleichen Schwert sich wieder und wieder treffen. Olyvar treibt den Südländer unbarmherzig zurück, schwingt Siaíl, greift an und schlägt zu, schneller und schneller. Er muss den Kampf zu Ende bringen, jetzt, das weiß er. Der Schnitt an seinem Bein ist nur eine Fleischwunde, aber er blutet stark und es ist nur eine Frage der Zeit, ehe er ihn ernsthaft in Schwierigkeiten bringen würde – und noch blockt Jamar jeden seiner Hiebe. Der Südländer mag erschöpft sein, Schweiß glänzt auf seiner dunklen Haut und rinnt ihm in die Augen und er atmet inzwischen schnell und stockend, doch er kommt nicht einmal aus dem Takt.  Olyvar jagt ihn über den weichen, laubbedeckten Waldboden, quer über den Weg, treibt ihn zwischen die Bäume und flucht innerlich, als er Jamar schon gegen den Stamm einer alten Buche gedrängt hat und der Südländer ihm doch wieder entwischt. Er führt Siáil mit beiden Händen, taucht unter zwei Paraden hindurch, holt aus, schlägt ins Leere, durchbricht mit der Wucht seines Angriffs dennoch Jamars Deckung, dreht sich, hämmert dem Südländer den stahlgepanzerten Ellenbogen mitten ins Gesicht und schlägt die vollen, dunklen Lippen und einst so weißen Zähne damit zu blutigem Brei.

Jamar taumelt, blind vor Blut und Schmerz, und versucht noch, den Krummsäbel wieder hochzureißen, doch vergeblich - diesmal ist Olyvar schneller und rammt dem Südländer die Klinge tief in den Leib. Für Sekunden scheint die Welt still zu stehen und der Lauf der Zeit selbst angehalten... sogar die winzigen Staubkörnchen, die in den hellen Sonnenstrahlen tanzen, scheinen einen Moment lang reglos in der Luft zu hängen, während Jamar schwankend in die Knie geht. Dann kehren Geräusche und Gerüche zurück, und die letzten, blutigen Atemzüge des Südländers füllen den sonst grabesstillen Wald mit rasselndem Keuchen. Olyvar atmet selbst schwer, spürt sein Bein schmerzhaft pochen und sieht in ein paar dunkle, glasige Augen, die fast erstaunt wirken, dann zieht er sein Schwert zurück und Jamar sinkt haltlos gegen ihn. Olyvar hält ihn an der Schulter fest und schiebt ihn ein Stück fort, so dass er ihm ins Gesicht sehen kann. "Für die Raben und die Krähen." Er tritt einen Schritt zurück, holt noch einmal aus und trennt Jamar mit einem einzigen, wuchtigen Schlag den Kopf von den Schultern. "Ich halte mein Wort." Olyvar gönnt dem toten Südländer nicht einmal mehr einen letzten Blick, dreht sich um und hinkt zu den anderen zurück. Den abgeschlagenen Kopf allerdings lässt er liegen, wo er ist. Die Maden würden ihn zerfressen, ob nun hier oder in Talyra ist vollkommen einerlei – und er verspürt auch nicht die geringste Lust, irgendwelche Teile von Jamar Hunderte von Tausendschritt weit mit sich herumzuschleppen. Eigentlich ist er nur noch müde. Müde und wütend. Jetzt, wo die Anspannung und der wilde Rausch des Kampfes nachlassen, fühlen sich seine Arme taub und bleischwer an, seine Muskeln brennen, sein Bein schmerzt bei jedem Schritt... und in seinem Inneren gärt es, ohne dass er sagen könnte, warum. Er sieht niemanden an, humpelt nur zum Wagen, umrundet ihn und zerrt seinen ledernen Gepäckbeutel von der Ladefläche.

"Seht nach den Gespannpferden," murmelt er, während er sein Schwert notdürftig reinigt, in die Scheide zurückschiebt und ein paar Stücke reinen Leinens in Streifen reißt, mit denen er sein Bein provisorisch verbindet. "Und fangt die anderen ein." Jamars Reittier hatte es übel erwischt, doch dem Pferd des anderen Südländers und dem des Mannes, den er getötet hatte, scheint bis auf ein paar Schrammen nichts zu fehlen. "Achim, hilf mir mit dem Ersatzrad, ja? Ich... ich muss nur noch etwas erledigen." Damit hinkt er zu dem verwundeten Pferd, das noch immer am Boden liegt und es wohl schon einige Zeit aufgegeben hat, sich immer wieder verzweifelt auf die Beine quälen zu wollen, legt ihm die Hand auf den bebenden Hals, flüstert ihm beruhigende Wörter in seiner Muttersprache zu und schneidet ihm die Kehle durch.  Sechs Schritt weiter liegt das, was Achim von seinem Gegner übrig gelassen hat – ein verrenktes Etwas im aufgewühlten Laub und noch ein Stück weiter der tote Junge... Nein, er war ein Mann. Aber er hatte nur den Verstand eines Kindes. Götter im Himmel was für eine blutige Schweinerei... Olyvar fährt sich mit der Hand über Stirn und Augen und ignoriert das rote Beißen in seinem Oberschenkel, als er wieder aufsteht. Er will nur noch nach Hause. Er will nur noch zurück zu seinen Kindern. Er will... ein Blick zurück über die Schulter zeigt ihm Shyada, die zwischen Diantha und Achim steht, die Arme fest um sich selbst geschlungen, als müsse sie sich an irgendetwas festhalten. Das Hutmädel taucht zögernd neben ihr auf und mit ihrem Erscheinen eine Flut unbeantworteter Fragen in seinen Gedanken – doch dafür ist später noch Zeit. Erst einmal müssen sie hier weg und auf das Schiff zurück - und dann braucht er ein langes, langes heißes Bad und einen ganzen Eimer voller Uisge... und ein paar Antworten.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Diantha am 16. Jan. 2007, 20:27 Uhr
Noch bevor Aswhang antworten kann sind Jamar und seine Mannen schon zu dicht um die Zeit mit Plänkeleien zu verbringen und fast zeitgleich drehen sich Elbe und Diebin um. Die Blick beider Frauen richten sich auf Achim und Olyvar, die an dem Straßenrand kauern, ein Seil liegt unauffällig auf der Straße. Eine hervorragende Idee, wenn wir Glück haben fallen sie allesamt und wir haben leichtes Spiel...
Dazu kommt es dann nicht, aber immerhin der eine blonde Reiter fällt und Diantha nimmt aus dem Augenwinkel wahr, dass sich Olyvar um ihn kümmert. Jamar, scheinbar gleichzeitig verwundert und verärgert darüber, dass er in die Falle getappt ist, reitet genau auf Diantha zu. Schon liegt einer ihrer Wurfsterne in der Hand, denn wenn sie jemanden unbedingt zu Fall bringen möchte, dann Jamar! Eine genaue Kalkulation und Diantha lässt den Blick nicht mehr von dem Ziel weichen, ihre gesamte Konzentration ist auf das Pferd des Dunkelhäutigen gerichtet, sie hört nicht, ob jemand hinter ihr etwas sagt. Dann fliegen gleich zwei Wurfsterne (sicher ist sicher) und einer trifft! Das Pferd stürzt, sein Reiter kommt hart auf und da erklingt lautes Gekreische aus dem Wald, scheinbar hat Olyvar Schluss mit dem Blonden gemacht. Das Gleiche würde sie auch gerne mit Jamar tun, aber es war ja abgesprochen, dass Aswhang sich um ihn kümmert. "Nun mach schon!", fährt Diantha diese an, doch die rührt sich nicht.
Jamar hat sich nun schon im Schutz seines Pferdes einige Schritt genähert, sodass sich die Immerfrosterin dazu entschließt, den Mann wenigstens etwas zu verletzen, indem sie ihn einen Wurfstern in den linken Arm jagt, denn so schlecht Jamar sein mag - er soll im direkten Kampf sterben dürfen. Dieser stürmt plötzlich auf sie los Ich hätte ihn doch töten sollen, so eine schwachsinnige Abmachung! und führt einen mächtigen Hieb durch die Luft, dem Diantha und Aswhang aber problemlos ausweichen können. In Deckung gegangen zieht die Immerfrosterin das Kurzschwert, doch Jamar ist weg und als nächstes erklingen die Worte: >„Bleibt wo ihr seid oder die Kleine ist tot.“< Shyada! Verdammt! Ich sollte doch auf sie aufpassen! Da tritt schon der, der ihr das nahegelegt hat, vor den Wagen und legt eine phänomenale Glanzleistung an Schauspielkunst hin, jedenfalls kann sich Diantha nicht vorstellen, dass er das alles wirklich so meint, wie er es sagt. Spöttelnd und mit sarkastischen Sprüchen macht er sich über Jamar lustig, am besten gefällt Diantha natürlich der Satz: >"Fassen wir mal zusammen... hinter mir steht ein Mädel, das mit Wurfsternen wirklich nicht schlecht ist. Darf ich vorstellen? Diantha. Diantha - Jamar, Jamar - Diantha. Ich bin ein höflicher Mensch, ich finde, Ihr solltet wissen, wer Euch nachher ein Loch in die  Stirn stanzt."< Ein blutrünstiges Lächeln huscht über ihre Lippen, dass sich aber schnell wieder verliert, denn leider hat sie nur noch einen Wurfstern und Olyvar steht zur Zeit sehr ungünstig, sodass Jamar nicht ohne weiteres zu treffen ist, davon abgesehen, dass Shyada auch in hoher Gefahr wäre, wenn Diantha jetzt werfen würde.
Höhnisch fährt Olyvar mit seiner Rede fort und Diantha muss sich eingestehen, dass sie mittlerweile sicher angegriffen hätte, der Südländer hat sich gut unter Kontrolle! Da plötzlich schubst dieser Shyada auf den Offizier zu und ruft: >„Dann lasst uns kämpfen, Tarascon!“<, der Verlust seines Freundes - denn den hat Achim offensichtlich ausgeschaltet, hat seine eiserne Maske dann wohl zerbrochen. Diantha reagiert augenblicklich und reißt Shyada zur Seite, damit sie Olyvar nicht im Weg ist. "Du bleibst jetzt in meinem Gesichtsfeld, verstanden!", schnauzt sie diese an und fasst sie mit einem eisernen Griff an um klar zu machen, dass Shyada nicht noch einmal abhauen können wird. Dann jedoch lässt sie die Frau los, sie scheint viel zu erschöpft und verstört von dem Erlebten zu sein um abzuhauen, trotzdem hat Diantha sie ständig im Blickwinkel, während sie den Kampf zwischen dem Südländer und Olyvar beobachtet. Jamar ist ein guter Kämpfer, er geht wie ein Verrückter auf den Offizier los und schafft es sogar, diesen am Oberschenkel zu verletzen. Doch kann sich Olyvar wieder aufrichten und treibt sein Gegenüber in den Wald um ihn an die Bäume zu drängen. Macht schon Olyvar, je länger Ihr verletzt kämpft, desto schneller ermüdet Ihr auch! Das denkt sich der Offizier wohl auch, denn er jagt dem Südländer unerwartet den Ellenbogen ins Gesicht, dieser ist von den Schmerzen abgelenkt, sodass ihm Olyvar sein Schwert - mittlerweile mit zwei Händen haltend - in den Körper rammen kann. Mit einem letzen Hieb schlägt Olyvar Jamar den Kopf ab. Wir haben es geschafft!, realisiert Diantha, doch sie ist sich nicht so ganz sicher, ob sie sich freuen soll oder nicht.

Der Lord Commander ist offensichtlich erschöpft, doch fühlt er sich noch gut genug um Anweisungen zu erteilen. Gerade will Diantha danach fragen, ob sie seine Wunde am Bein verbinden soll, als er das schon selber tut. Womöglich kann er das sogar besser als ich! Also befolgt sie lieber seine Anweisung und fängt eins der Pferde ein, das noch in guter Verfassung ist. Nach einer kurzen Bestandsaufnahme der Tiere kümmert sich Olyvar um das verletzte und erlöst es von seiner Qual. Diantha geht noch einmal kurz zurück zu Shyada um sich zu vergewissern, dass Jamar ihr wirklich nichts weiter angetan hat, dann läuft sie los um ihre Wurfsterne einzusammeln und wischt sie wieder sauber. Ich sollte sie wirklich einmal schärfen lassen, am besten gleich wenn wir zurück in Talyra sind ... Talyra, was soll ich eigentlich da? Fast jeder kennt man Gesicht nach dieser Aktion auf dem Marktplatz... Einen Moment schaut sie Olyvar an. Vielleicht kann er mir helfen irgendwo eine Anstellung zu beschaffen? Sonst wird das schwierig, ich habe ja nichts gelernt... Doch jetzt ist keinesfalls die rechte Zeit um Olyvar danach zu fragen, jetzt ist nur eine Frage angebracht: "Sollen wir sie begraben, verbrennen oder so?", fragt sie mit einem Blick auf die übel zugerichtete Leiche von Jamars dunkelhäutigem Begleiter. Dass Jamar nicht begraben werden soll hat sie schon verstanden, sagt Olyvar doch >"Für die Raben und die Krähen."<, ob das nun für dessen Kumpanen gilt ist Diantha aber nicht klar. So werden ja alle Reisenden dieser Strecke mit dem Anblick der Toten bestraft, das kann doch nicht richtig sein... Doch bevor sie sich noch Ärger mit Olyvar einhandelt wartet sie lieber erst mal auf seine Antwort.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 17. Jan. 2007, 09:17 Uhr
Gerade, als er sich abwenden und zu den anderen beim Wagen zurückkehren will, taucht Diantha neben ihm auf. Die Immerfrosterin sammelt ihre Wurfsterne wieder ein und bemerkt dann mit einem Seitenblick auf  die verdrehte Leiche des Südländers mitten auf dem Weg: >Sollen wir sie begraben, verbrennen oder so?< Olyvar sieht sich auf dem Waldweg um, der breit und sonnengesprenkelt unter dem grünen Blätterdach daliegt und im Umkreis von fünfzehn Schritt aussieht wie ein Schlachthaus, dann schüttelt er langsam den Kopf. "Nein. Es ist schon spät und vor uns liegen noch mindestens fünfzehn Tausendschritt. Uns bleibt keine Zeit, sie zu begraben, und um sie zu verbrennen haben wir weder trockenes Holz, noch Öl." Dianthas Bedenken sind ihr von der Nasenspitze abzulesen und er kann das Mädchen zwar verstehen, aber er teilt ihre Befürchtungen nicht. Kupfriger Blutgeruch liegt wie eine Wolke in der kühlen Waldluft und Olyvar schätzt, dass sie bestenfalls noch eine Stunde haben, ehe sie die erste vierbeinige Gesellschaft bekämen... und zweibeinige würde auch nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen: "Sie werden nicht lange so liegen bleiben. Bei dem ganzen Durcheinander, das wir in Blurraent angerichtet haben, wird es vermutlich noch ein Weilchen dauern, bis man dort zwei und zwei zusammengezählt hat, aber die Stadt ist nicht weit und die blurraenter Garde wird schon bald hier auftauchen... es gibt sicher Leute, die unsere Flucht und die Verfolgung beobachtet haben. Maester Pimpernell wird darauf drängen, uns zu verfolgen, schließlich haben wir seinen Zirkus sabotiert und eines seiner Fuhrwerke gestohlen, und es gibt da noch einen Wirt in der Stadt, der bestimmt darauf aus ist, die Zechpreller um einen gewissen Südländer in die Finger zu bekommen... ich kann mir nicht vorstellen, dass Jamar noch artig im Singenden Esel bezahlt hat, bevor er zur Jagd auf uns aufgebrochen ist." Er zuckt mit den Schultern. "Das einzige, was wir tun können, ist die Leichen zu dem toten Pferd zu schaffen, den Rest werden Lord Bayrnes Greifenschwerter hinter uns aufräumen müssen."

Falls die Wölfe ihnen etwas übrig lassen. Und ich werde mir in den nächsten Monden vermutlich die Finger wund schreiben bei den ganzen Briefen, die ich an den Lord Commander der Greifenschwerter schicken muss, um ihm dieses Schlamassel zu erklären... Ehe Diantha sich abwenden kann, legt Olyvar ihr kurz die Hand auf die Schulter. "Du warst wirklich eine große Hilfe mit deinen Wurfsternen... und auch sonst. Tapadh leat. Ich danke dir."
Achim hilft ihm - nachdem Olyvar sich vergewissert hat, dass der Oger bis auf ein paar Kratzer unverletzt ist -, die Leichen Darwiks und Ismaels zu dem Pferd zu zerren, Jamar allerdings bleibt liegen wo er ist... in zwei Tagen sind vermutlich nur noch Stofffetzen und blanke Knochen von ihm übrig. Dann wechseln sie das gebrochene - oder besser zertretene - Rad des Wagens, schlagen das Ersatzrad fest so gut es geht, und hoffen, dass es halten wird, bis sie die Bucht erreichen, in der Recaredo mit der Planke auf sie warten würde. Als sie aufbrechen, steht die Sonne schon schräg über den Baumwipfeln. Achim fährt den Wagen, Olyvar hat sich eines der Pferde genommen. Er ist seit Wochen nicht mehr im Sattel gesessen und obwohl sein Bein schmerzt, tut es gut, endlich wieder ein Pferd unter sich zu spüren, auch wenn es nur ein derbes, grobknochiges Arbeitstier ist... vor allem mit der Aussicht, die nächsten zwei Siebentage auf schwankenden Schiffsplanken zu verbringen. Das Krächzen der ersten Krähen, die ihre Brüder zu einem Festmahl bitten, tönt heiser durch den Wald, als sie ihren Weg fortsetzen. Sie durchqueren eine kleine Senke und als Olyvar nach einer Weile von der anderen Seite aus zurückblickt, huschen die struppige graue Schatten bereits durch das Unterholz. Sie suchen sich Wege, die nach Süden in Richtung Seeufer führen und fahren die letzte Wegstunde auf einem schmalen Pfad zwischen mannshohen Schilfwäldern direkt am Ildorel entlang, bis sie eine weite, flache Bucht mit schneeweißem Strand erreichen. Die Planke liegt zweihundert Schritt weiter draußen vor Anker, aber am Ufer liegt ein Boot im Sand und ein paar Männer Einhands warten pfeifeschmauchend in der goldenen Abendsonne.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Shyada am 23. Jan. 2007, 10:26 Uhr
Irgendwann zu dem Zeitpunkt wo man sie einfach bei Seite gestoßen hatte, hatte sich ihr Verstand ausgeschaltet. Sie sieht zwar, was um sie herum passiert, aber sie hat keinen Willen mehr darüber nachzudenken. Stimmen. Sie hört sie reden. Die beiden Männer, die im Kampf vereint nur noch sich selbst wahrnehmen. Die Frau, welche sie hart ergriffen hat und ziemlich wütend aussieht. Doch was sie sagen, bekommt sie nicht mit. Sie will niemanden zuhören. Es ist ihr egal was sie reden. Am liebsten möchte sie sich einfach in eine dunkle Ecke setzen und weinen. Shyada weiß nicht, warum der Drang danach so groß ist, aber auch wenn sie mit einem Blick nach unten den Beweis dafür hat, dass sie noch Boden unter den Füßen hat, so fühlt sie sich ziemlich haltlos. Ihr Kopf pocht dumpf an den Schläfen, sie ist müde und sie weiß noch immer nicht, was das alles zu bedeuten hat. Der Anblick der ganzen Toten, das Blut, das schmerzende Geräusch kreischenden Metalls. Sie fühlt wie der Brechreiz stärker wird, aber sie kann sich zusammenreißen. Teilnahmslos, so als gehe sie das alles überhaupt nichts mehr an, beobachtet sie den Kampf. Der Tod Darwiks hatte ihr noch zugesetzt, der Anblick des enthaupteten Jamars entlockt ihr keine Gefühlsregungen. Stumm blickt sie zu dem Leichnam, vermeidet aber tunlichst den Kopf anzusehen. Hinter ihr regen sich die anderen. Reden miteinander und sind plötzlich wieder äußerst geschäftig. Shyada guckt mal hierhin und mal dorthin, weiß aber nicht, was sie mit sich anfangen soll. Helfen? Nein, warum sollte sie? Sie weiß noch immer nicht, warum sie die seltsamen Worte verstanden hat. War es eine Sprache die häufig vorkommt? Oder hatte sie den Mann nur verstanden, weil sie irgendwo in der Vergangenheit verbunden waren? Sie weiß es nicht. Sie möchte am liebsten fragen, aber sie wagt es nicht, den Mund aufzumachen, geschweige denn sich auch nur einen Sekhel hier fortzubewegen. Es ist Selli die sie aus ihrer Starre reißt und sie zum Wagen bringt.  Unter den misstrauischen Blicken aller Frauen kriecht Shyada auf dem Boden zu ihrer Ecke zurück und kauert sich so gut es geht zusammen. Sie spürt eine Hand auf ihrer Schulter, schüttelt sie aber ab. Sie will nicht angefasst werden, sie will nicht reden, sie will einfach nur in Ruhe gelassen werden.

Aus den kargen Gesprächen die während der Fahrt leise gesprochen werden, kann sie zwar einiges herausfiltern, aber es sind auch nur Fetzen, die sie mehr verwirren, als dass sie endlich Klarheit bringen. Es hätte so ein schöner Tag werden können, doch nun wird es zunehmend dunkel. Die Gestalten um sie herum verschwimmen mit den Schatten und alles wirkt plötzlich noch bedrohlicher, weil man nicht weiß, was sich hinter dem Dunkel verbirgt. Die Kopfschmerzen haben nicht nachgelassen. Im Gegenteil sie werden durch das Gerüttel was vom Wagen ausgeht nur noch verstärkt, so dass sich Shyada zunehmend elender fühlt. Als Selli näher zu ihr heranrückt und etwas von Medizin faselt, will Shyada ablehnen, aber vielleicht würde es gegen ihre Kopfschmerzen helfen. Sie weiß ja nicht einmal, ob es das Zeug ist, was sie schon seit Wochen zu sich nehmen muss oder etwas anderes ist, aber möglicherweise hilft es ja zu vergessen. Sie hat soviel vergessen, warum kann dann nicht auch der Anblick der Toten aus ihrem Kopf und das heillose Chaos hinter ihrer Stirn im Nichts verschwinden? Durch das monotone Geruckel des Wagens eingelullt, schreckt Shyada regelrecht hoch, als dieses plötzlich nachlässt, weil sie stehen geblieben sind. Sofort versucht man sie zu beruhigen, legt ihr die Hand auf die Schulter, doch schüttelt Shyada sie sogleich ab. Sie will nicht angefasst werden. Von niemanden! Die Stimmen des Ogers und des Mannes erklingen hinter den Holzwänden und nur wenig später taucht der Kopf des letzteren vor ihnen im schummrigen Dunkel auf und erklärt ihnen, dass die Reise mit dem Wagen nun zu Ende ist. Während die anderen drei Frauen der unausgesprochenen Forderung folgen, bleibt Shyada noch eine Weile in ihrer Ecke sitzen. Gemütlich wäre übertrieben, aber sie fühlt sich hier gerade ausgesprochen wohl. Sie will auf kein Schiff, sondern einfach hier sitzen bleiben. Doch natürlich lässt man sie nicht. Als bloßes zureden nicht hilft, will man sie kurzerhand aus dem Wagen zerren, doch da rappelt sie sich auf und kriecht von alleine aus dem Wagen. Bloß nicht anfassen lassen.

Erschöpft stolpert die zusammen gewürfelte Truppe zu dem kleinen Beiboot. Die Männer haben in der Zwischenzeit schon alles für den Aufbruch vorbereitet und verstauen das Gepäck bereits unter den Sitzbänken, kaum dass man es ihnen in die Hand gedrückt hat. Als sie dabei zusieht, fällt Shyada plötzlich ein, dass sie auch mal etwas wie Gepäck besessen hatte. „Meine Kette...“ murmelt sie leise, sieht zurück in die Richtung wo sie Blurraent vermutet und will gerade losmarschieren, als man sie am Oberarm ergreift, zurückzieht und geradewegs zum Beiboot schiebt. Der weiche Boden und das viel zu lange Kleid sind allein schon hinderlich, aber auch noch in das Boot zu krabbeln, erweist sich fast als ein Ding der Unmöglichkeit. Nachdem die Frauen auf den Bänken Platz genommen haben, wird das Boot bereits ein Stück weiter ins Wasser geschoben. Der Oger pocht zwar darauf, dass er nicht nass werden will und keinesfalls erst im Wasser ins Boot steigt, aber er muss schließlich doch einsehen, dass er ein wenig mehr Gewicht vorzuweisen hat und sie das Boot ja noch heute Abend ins Wasser kriegen wollen. Insgesamt geht das besetzen des Bootes recht rasch und leise von statten. Niemand will großartig reden oder Dinge erklären, für die man jetzt zu müde und erschöpft ist. Schwankend setzt sich das Boot in Bewegung und nähert sich im Schein der Öllampe der faulen Planke. Die Pferde hatte man einfach losgebunden. Sie würden sich selbst einen Weg suchen und waren schon längst vom sandigen Ufer verschwunden. Überhaupt ist kaum noch etwas außer dem Lichtschein rund um ihr Boot zu erkennen. Nur wage Schemen die es schwer machen sich zu orientieren. Als sie beim Schiff ankommen, erwartet man sie bereits, da das sich herannahende Licht bemerkt worden ist. Einer nach dem anderen klettert an der wackligen Seilleiter nach oben, wobei besonders der Oger und Shyada ein Problem darstellen. Während man bei Achim noch vermutet, die Seile könnten schlichtweg reißen, verheddert sich Shyada ständig mit ihrem Kleid. Von oben ruft man ihr gönnerhaft zu, dass sie doch einfach das Kleid ausziehen soll, so dass sie schon nah daran ist, sich einfach auf halben Wege wieder in das kleine Beiboot fallen zu lassen. Sie will auf kein Schiff wo solche Männer sind. Aber Olyvar, der zusammen mit zwei der Besatzungsmitglieder noch im Beiboot ist, lässt dies gar nicht zu und scheucht sie weiter, bis auch sie endlich oben ankommt und er ihr folgt. Während die Mannschaft sich um das Beiboot kümmert, beginnen oben am Deck die Vorbereitungen, damit man ablegen kann.

Einige der Männer sind alles andere über derartigen Frauenauflauf erfreut, aber andere scheinen sich schlimmeres vorstellen zu können und pfeifen anerkennend, als sie an ihnen vorbeikommen. Sie haben gerade ihr Gepäck an einen Knaben weitergereicht, der es in die für sie vorgesehenen Kabinen bringen würde, als der Kapitän persönlich auftaucht und sie auf seinem Schiff willkommen heißt. Shyada weiß noch immer nicht wie der Mann, dem sie das hier zu verdanken hat überhaupt heißt(und ist sich auch noch nicht einmal sicher, ob sie das überhaupt für wichtig hält). Dieser entfernt sich mit dem Kapitän jedenfalls ein paar Schritte und bespricht etwas abseits wohl das weitere Vorgehen. Auch der Oger und die beiden anderen Frauen scheinen sich hier schon recht heimisch zu fühlen und gehen jeder ihrer Wege. Zurück bleiben Selli und Shyada, die etwas unschlüssig in der Gegend herumstehen und nicht so recht wissen, was und ob überhaupt sie etwas tun sollen. „Macht mal Platz, meine Süßen.“, tönt es plötzlich hinter ihnen, als die Männer hinter der Reling auftauchen, die das Beiboot befestigt haben und denen sie beide im Weg stehen. Wortlos folgt Shyada der Aufforderung. Sie will hier mit niemanden etwas zu tun haben. Selli hingegen reckt schon wieder das Kinn hervor und fängt an zu zetern, was den Männern aber nur ein heiseres Lachen entlockt. Um dem Geplänkel zwischen ihrer ehemaligen Freundin und den Männern zu entkommen, geht Shyada ein Stück weiter und bleibt dann an der Reling stehen, um zuzusehen, wie sich das Schiff allmählich vom Ufer entfernt, dass nur noch dank seiner hellen Farbe vom Rest der Umgebung auszumachen ist. Hinter ihr ertönen weiterhin die Rufe der Männer, das eilige Getrampel von Schritten und all die anderen üblichen Schiffsgeräusche, doch sie selbst lauscht nur den Wellen. Sie fühlt sich allein und einsam, doch das Rauschen des Wassers hat etwas beruhigendes. Fast so, als würde sie es von früher kennen. Wann und wo auch immer das früher gewesen sein mag.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 26. Jan. 2007, 08:46 Uhr
Als sie auf die Planke zurückkehren, gibt es, während Achim als Lieblingsmaskottchen der Mannschaft mit frenetischem Jubel begrüßt wird, wegen der Frauen kurzfristig unschönes Geplänkel und auch wenn es im Grunde noch so harmlos ist, aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen verfinstert das Olyvars ohnehin schon schlechte Stimmung noch mehr. Die Shyada, die er kennt, kann sich gut ihrer Haut wehren und hätte den derben Scherz, mit dem sie an Bord empfangen wird, vermutlich ebenso derb zurückgegeben... dieses Kind in das Jamars Droge sie verwandelt hat, kann das ganz offensichtlich nicht. Recaredo hatte auf ihrer Reise nach Blurraent schon klargestellt, dass weder Aswhang, noch Diantha Freiwild an Bord sind und seine Männer, die normalerweise durchaus Prioritäten setzen können, hatten sich, nachdem der erste Aberglaube sich gelegt hatte, auch daran gehalten, nun scheint es, als müsse der Kapitän für das Hutmädel und Shya dasselbe noch einmal einfordern. Olyvar kommt ihm allerdings zuvor und sämtliche spekulativen Blicke und anzüglichen Bemerkungen verstummen auch prompt auf der Stelle, als er dem sechzehnjährigen Bengel, der rotzfrech gefordert hatte, Shya solle das Kleid doch einfach ausziehen, wenn es sie so stört, staubtrocken bescheidet: "Wenn dir das Kleid so gut gefällt, wirst du es tragen." Gelächter wird ringsum laut, aber es ist auch mit einem vage nervösen Unterton durchsetzt... die Mannschaft der Planke kennt ihn, sie wissen alle, dass er ein Mann ist, der meint, was er sagt - und die Schmach, in einem Weibergewand herumlaufen zu müssen, will sich keiner von ihnen antun. Einhand weiß das auch und teilt offenbar die Meinung seiner Männer, denn der bullige Kapitän nickt. "Ihr habt den Lord Commander gehört. Schluss mit den Narreteien und macht, dass ihr auf eure Posten kommt!" Dass lassen sich die Seeleute nicht zweimal sagen und nur einen Augenblick später herrscht an Deck das organisierte Chaos eines Dreimasters, der den Anker lichtet, Segel setzt und Fahrt aufnimmt. Achim verschwindet prompt zu seinem alten Freund Esucob in die Kombüse, wahrscheinlich um sich erst einmal ein ordentliches Nachtmahl zu sichern und weitere Rezepte auszutauschen, und auch Diantha und Aswhang gehen unter Deck in Richtung ihrer Kabinen... wohl um sich zu waschen, etwas in den Magen zu bekommen und sich die Wunden zu lecken... oder den verletzten Stolz. Was die Elbin angeht, so hat sie seit dem Kampf mit niemandem mehr auch nur ein Wort gewechselt, geschweige denn irgendetwas erklärt oder jemanden auch nur angesehen. Olyvar hat keine Ahnung, warum sie Jamar nicht einfach einen Pfeil ins Herz gejagt hatte, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hatte... doch so wie er Aswhang einschätzt, muss sie irgendeinen Grund gehabt haben und fühlt sich nun vermutlich um ihre Rache betrogen... von ihm, von sich selbst, vom Schicksal, was weiß er. Er weiß jedoch ebenso gut, dass er gar keine andere Wahl gehabt hatte. Jamar hatte Shyada. Hätte er sie ihm lassen sollen? Oder zusehen, wie er ihr die Kehle durchschneidet? Hätte er den Südländer vielleicht höflich bitten sollen, die Amazone doch kurz mal beiseite zu schieben, damit die Elbin ihn in Ruhe erschießen kann?

"Ifrinn!" Während sich die kleine Truppe zerstreut und das Schiff unter seinen Füßen zum Leben erwacht wie ein großes, schlafendes Tier, das sich regt, flucht Olyvar leise und fährt sich mit der Hand über die Stirn. Er ist selbst großzügig mit Blut verschmiert, das rot wie Eibenbeeren seine Haut und das Kettenhemd sprenkelt und in rostbraunen Flecken auf seiner Kleidung trocknet, und sein verwundetes Bein pocht wie verrückt. Er braucht dringend ein Bad und außerdem Einhands Wundscher, falls es noch nicht zu spät ist, den Schnitt zu nähen, doch zunächst sieht er sich nach Shyada und dem Hutzwerg um. Letzterer giftet gerade ein paar unvorsichtige Männer Einhands an und übt sich fleißig darin, im Weg herumzustehen, Shyada dagegen lehnt allein und abseits von allen an der Reling und starrt auf das Wasser. Sie hat zweifellos so viele Fragen, wie er und in ihrem Kopf geht wahrscheinlich alles durcheinander. Ohne zu wissen, wer sie eigentlich ist und ohne jede Erinnerung an ihr früheres Leben muss sie vollkommen verwirrt sein - und dafür bleibt sie eigentlich noch erstaunlich ruhig. Also geht er zu ihr, während sich hoch über ihnen das Tauwerk strafft, sich die Segel, die gerade gesetzt werden, träge bauschen und das allgegenwärtige Schwanken des Schiffes sich zu einem gleitenden Auf-und-Ab auswächst. Die flache Bucht und der weiße Strand, und mit ihnen auch ganz Blurraent, der Zirkus, ihre verrückte Flucht aus der Stadt und die Toten bleiben hinter ihnen zurück und verschwinden im Dunkel der hereinbrechenden Nacht. Obwohl Olyvar von Anfang an wusste, dass der Trank, die "Medizin", die Jamar Shyada verabreichen ließ, sie verändert und ruhig gestellt hat, er hat nicht mit einer so völlig ausgewechselten Frau gerechnet. Er weiß nicht genau, was er eigentlich erwartet hat, aber das zumindest nicht... eine zahmere Shyada, ja, aber in seiner Vorstellung war sie dabei immer noch Shyada gewesen. Und nun weiß er beim besten Willen nicht, was er diesem verängstigten Mädchen, das jetzt neben ihm steht, sagen soll. Er hat gerade beschlossen, mit etwas möglichst Unverfänglichem wie seinem Namen zu beginnen, als ihn plötzlich das Hutmädel am Ärmel zupft und ihn bittet, kurz mit ihr zu sprechen. Olyvar sieht ihren leicht gehetzten Blick und ihre bittende Miene und lässt sich alarmiert ein paar Schritt außer Hörweite ziehen. "Was gibt es?"
Das Mädchen hat Angst, er kann es sehen... nicht unbedingt nur vor ihm, sondern eher allgemein vor den Dingen, die jetzt auf sie zukommen, aber sie reckt trotzig ihr Kinn und verkündet dann entschlossen und halb flüsternd. "Ich bin Selainee. Selli. Shyada... ich meine Lomie, ich meine Shya... ach, Ihr wisst schon, nennt mich Selli. Jamar hat mich angeheuert, damit ich ihr helfe, auf sie aufpasse, ihr zur Hand gehe und so. Von allem anderen wusste ich nichts, bitte, Ihr müsst mir glauben. Und wenn Ihr's nicht glaubt... ach, auch egal, das ist jetzt nicht wichtig. Lomie... sie weiß nicht, wer sie ist. Und die... also die Medizin, die... also Jamar... also..." Der Winzling mit dem Hut sucht händeringend nach den richtigen Worten.

"Ich habe sie bei mir und sie muss sie nehmen. Weiter nehmen, meine ich. Jamar hat gesagt, und das glaube ich ihm sogar, dass es gefährlich ist, wenn man sie einfach so absetzt. Ich habe ihn mal mit einem seiner Männer reden hören wegen des Tranks. Man muss irgendwie die Menge langsam verringern oder so, ich weiß es nicht mehr genau. Ich weiß auch nicht, was alles drin ist, nur wie man sie verabreicht. Aber wenn ich ihr das Zeug nicht mehr gebe, dann... also... ich weiß nicht genau, aber ich glaube... ich glaube sie könnte sogar dran sterben."  
"Sterben?" Echot Olyvar erschrocken und packt das Mädel am Arm.
Das Hutmädel – Selainee – schüttelt den Kopf und befreit sich ungehalten aus seinem zweifellos viel zu festen Griff. "Nein. Nicht wirklich. Aber sie wird auf jeden Fall schwer krank. Es... es könnte sein. Sie braucht die Medizin, wenigstens noch eine Weile. Vielleicht kann man ihr jeden Tag ein bisschen weniger geben oder so."
Olyvar könnte schon wieder fluchen, lange und götterlästerlich und laut. Sehr laut. Alles, was er tut, ist vernehmlich durch die Nase zu schnauben. "Hört sich an, als hätte man sie von Mohnblumensaft abhängig gemacht... also schön. Also schön. Aber du wirst das nicht über ihren Kopf hinweg entscheiden. Das bist du ihr schuldig. Reden wir mit ihr. Vielleicht lässt sie sich überzeugen, den Trank weiterhin zu nehmen, bis wir sie in Talyra zu einem Heiler bringen können."
Kaum hat er vorgeschlagen, dass sie beide mit Shyada reden sollten, sieht das Mädchen mit dem viel zu großen Schlapphut plötzlich kreuzunglücklich aus und in diesem Moment wird Olyvar klar, dass ihr offenbar wirklich etwas an ihrem Schützling liegt und sie wegen Shyada... oder besser wegen Lomie... letztlich sogar bereit war, ihre eigene Sicherheit aufs Spiel zu setzen. Schließlich hatte ihr niemand garantieren können, dass es ihr nicht ebenso ergeht wie dem Rest von Jamars Leuten, wenn sie sich zu ihrer Mithilfe bei der ganzen Sache bekennt. "Wir reden mit ihr," entscheidet er und spricht es mit einer Gewissheit, die er nicht empfindet. "Jetzt gleich. Sie hört seit Monaten nichts als Lügen, ich werde damit nicht weiter machen."
Als sie neben Shyada an die Reling treten, nimmt sie keinerlei Notiz von ihnen, sie sieht nicht einmal auf. Olyvar folgt ihrem Blick hinab in die grünblauen Tiefen des Ildorel und stellt fest, dass er immer noch keine Worte hat, die ihr irgendwie Sicherheit geben könnten. Himmelgötternochmal, es ist Shyada, verdammt. Sag, was du zu sagen hast. Seit wann rührst du sie eigentlich nur noch mit Samthandschuhen an? Sein Blick wandert zu dem blassen, verstörten Gesicht neben ihm und den grünen Augen, die leer und stumpf ins Nichts starren. Seit sie nicht mehr Shya ist, sondern eine Fremde. Er dreht sich ein wenig und holt Luft, um etwas zu sagen, doch als er sich ihr zuwendet, rückt sie beinahe hastig ein Stück ab. Sie will ihn nicht einmal ansehen und hören will sie wohl auch nichts. "Ma's toigh leat mise, is toigh leam thu, is mur toigh na taobh mi," seufzt er mit leiser Selbstironie, während er sich fragt, was er eigentlich erwartet hat und zitiert damit ein altes Sprichwort, das in etwa bedeutet: Magst du mich nicht, mag ich dich auch nicht. Olyvar hat ganz unbewusst seine Muttersprache benutzt, Tamairge, wie man es in den Ostlanden und den Freien Städten spricht, doch Shyadas Kopf zuckt hoch und sie starrt ihn an, als...

Als hätte sie mich verstanden. Er hatte Shyada nie Tamar sprechen hören, in ihrer ganzen Zeit bei der Steinfaust nicht. Nicht weiter verwunderlich. Außer mir und ihr hätte dort keiner Tamar gesprochen und wir wissen ja, wie viele Worte sie mit mir gewechselt hat. Vermutlich ist sie noch nicht einmal auf den Gedanken gekommen... oder sie hat es ganz bewusst für sich behalten. Doch ihr Volk, die Amazonen des Dunkelwaldes, gehört zu den Nachfahren der Ersten Menschen. Tamar, natürlich. Ihre Sprache mag nicht genau seine sein, nicht Tamairge, aber innerhalb dieser uralten Sprache der Menschen sind sich die einzelnen Dialekte so ähnlich, dass sich bestenfalls einige Wörter und die Betonung unterscheiden... so heißt es jedenfalls bei den Gelehrten. Einerlei, er versucht es. "Ciamar a tha thu?"
"Tha gu dona," kommt die prompte Antwort, auch wenn ihre Aussprache der Wörter in seinen Ohren so fremd klingt, dass er sich ernsthaft fragt, wie irgendein Gelehrter bei klarem Verstand behaupten kann, die tamarischen Sprachen wären sich ähnlich. Dennoch fährt er fort, weil er instinktiv spürt, dass die Sprache, das einzige, dass sie offenbar nicht vergessen hat, ihr wenigstens ein bisschen Halt gibt. "Is mi Olaghair agus is mi a caraid." Ich bin Olyvar und ich bin ein Freund. "An aithne dhut an t-ainm?" Kennst du deinen Namen? Er hegt kurzfristig die Hoffnung, dass sie sich vielleicht an mehr würde erinnern können, wenn er sie nur lange genug in dieser Sprache festhalten würde... doch er wird enttäuscht.
"Chan eil fios agam." Ich weiß es nicht. "Lòmadh, a theagamh." Lomie, vielleicht.
"Lòmadh," wiederholt er und lächelt so zuversichtlich wie er nur kann. "Hör zu, Shya... oder Lomie wenn du willst. Ich weiß, dass dir vermutlich tausend Fragen auf der Seele brennen und du sehr verwirrt sein musst, und ich werde versuchen, dir Antworten zu geben so gut ich kann, aber das hier ist jetzt wichtig. Ich kenne dich von früher. Dein wirklicher Name ist Shyada und du warst in den letzten Jahren in einer Stadt namens Talyra zu Hause. Jamar hat dich von dort entführt und verschleppt, warum weiß ich nicht, aber er hat es getan, er und seine Männer. Ich glaube, er wollte dich verkaufen, aber ich weiß nicht, an wen oder wer seine Auftraggeber waren." Und diese Frage könnte mir, wenn überhaupt, nur Aswhang beantworten... was sie kaum tun wird.

"Die Elbin, die bei uns ist, kennt Jamar. Sie hat gesehen, wie er dich gefangen genommen hat und kam mit ihrem Wissen zu mir, also sind wir aufgebrochen, um dich zu suchen, Achim, Diantha, Aswhang und ich." Er geht vorerst nicht ins Detail, sondern verrät nur das absolut Notwendigste, um sie nicht noch mehr durcheinander zu bringen, als sie es ohnehin schon sein muss. "Dieser Trank, den Selainee dir geben musste... er ist der Grund, warum du dich an nichts erinnern kannst und er hat dich auch verändert... dein Wesen. Deine Art. Es ist eine Art Droge, glaube ich, aber wir wissen nicht, was genau er alles enthält. Und..." er holt tief Luft, "wir können ihn wohl nicht einfach weg lassen. Selainee meint, es sei zu gefährlich. Sie glaubt, du könntest krank werden oder sogar sterben, wenn du den Trank plötzlich nicht mehr bekommst." Das Hutmädel an seiner Seite nickt bekümmert. "Wir können versuchen, ihn langsam abzusetzen, dir jeden Tag ein bisschen weniger davon zu geben und sehen, wie es dir dabei geht und abwarten, was geschieht, ob Erinnerungen zurückkommen... aber das ist deine Entscheidung. Sobald wir wieder in Talyra sind, kann ich dich zu einem Heiler bringen, aber... auch das ist deine Entscheidung. Ich kann dir nicht versprechen, dass dir alles gefallen wird, was du in deiner Vergangenheit findest, aber ich werde dir helfen – wenn du das willst. Nimm dir Zeit, darüber nachzudenken, aye? Wir werden etwa zwei Siebentage brauchen, bis wir wieder in Talyra sind, wenn das Wetter hält vielleicht auch nur zehn. Wirst du den Trank also noch so lange nehmen, bis ein Heiler dir helfen kann?" Shyada schweigt eine ganze Weile, aber schließlich nickt sie doch.
"Glé mhath," erwidert Olyvar beruhigt und selbst Selainees mürrisches Gesicht verzieht sich zu einem erleichterten Grinsen. "Tha mi a'toirt dhachaigh." Ich bringe dich nach Hause.
Er bringt die beiden Frauen noch unter Deck und einer der Männer Einhands zeigt ihnen ihre Kabine, während Olyvar in seine eigene humpelt, wo allen Göttern sei Dank der Wundscher der "Planke" schon auf ihn wartet. Der spindeldürre, mürrische alte Flickenrand ist kein ausgebildeter Maester, von einem Heiler ganz zu schweigen, aber er hat geschickte Finger und macht seine Sache gut – eine Stunde später hat Olyvar eine einigermaßen gerade Wundnaht und einen dicken Kräuterverband am Oberschenkel und sitzt in einem hölzernen Badezuber, das verletzte Bein auf dem Rand und den Fuß in der Luft baumelnd, weil man ihm eingeschärft hatte, dass die Wunde nicht nass werden soll. Er schrubbt sich Dreck und Blut von der Haut, wäscht das verfilzte Haar aus, nimmt sich den kratzigen Drei-Tage-Bart ab und fühlt sich nach einer weiteren halben Stunde im dampfenden Wasser angenehm schummrig im Kopf und immerhin fast schon wieder wie ein Mensch.

Das Wetter hält und der Wind steht gut, und ihre Heimreise nach Talyra verläuft, zumindest was das Schiff und den Ildorel angeht, weit weniger stürmisch und ereignisreich als ihre Fahrt nach Blurraent es gewesen war. Die Stimmung unter Deck, vor allem die der Passagiere, ist hingegen etwas angespannt, da Aswhang in brütendem Schweigen versunken ist, Selainee herumschleicht wie das personifizierte, schlechte Gewissen, wozu sie ja auch allen Grund hat, und Shyada sich benimmt wie eine Mischung aus scheuem Reh und in die Enge getriebenem Dachs. Sie nimmt ihren Trank, immerhin, ansonsten ist sie nicht gesprächiger als Aswhang. Olyvar hatte fest damit gerechnet, dass sie ihn mit Fragen, vielleicht sogar mit Zweifeln und Vorwürfen überhäufen würde, doch sie schweigt eisern. Und da selbst Achim ohnehin nur noch bei Esucob in der Kombüse weilt, wo die beiden so ungleichen Köche ein kulinarisches Meisterwerk nach dem anderen austesten – sehr zur Freude Einhands und seiner Offiziere – bleibt als Gesellschaft nur Diantha. Immerhin ist die Immerfrosterin nicht mehr ganz so misstrauisch wie zu Beginn ihres seltsamen Abenteuers. Ab und an lässt sie sich sogar zu einem Würfelspiel überreden oder führt eine kurze Unterhaltung mit Olyvar, zumindest über Dinge mit einer absolut zuverlässigen Oberfläche wie das Wetter, das Schiff und den Ildorel. So vergehen elf Tage und am zwölften kommt mit dem Einbruch der Dunkelheit endlich das Leuchtfeuer von Madrons Wacht in Sicht – und eine halbe Stunde später liegt die "Planke" wieder an Pier Sieben im Perlenhafen Talyras. Trotz der Abendstunde herrscht dort wie stets geschäftiges Treiben, Schiffe werden be- oder entladen, Schauerleute schleppen Kisten, Fässer, Truhen oder Stoffballen, Hafenhuren lungern an den Molen herum, Seeleute steuern in singenden Rudeln von einer billigen Weinkaschemme in die nächste, Reisende warten mit und ohne Gepäck, eine Herde Schafe wird von Bord einer kleinen, bauchigen Handelskogge getrieben und blökt was das Zeug hält, und die Amurs Stolz hat wohl gerade eine ganze Horde Ritter, die wegen des Sommerfestes angereist sein müssen, nach Talyra gebracht, denn ein um das andere Streitross wird aus dem Bauch der dreimastigen Holk geholt und mit viel Aufhebens über die hölzernen Planken auf den Pier geführt. Olyvar will nicht riskieren mit Shyada quer durch ganz Talyra zu laufen, wo sie wissen die Götter wer alles erkennen und ihr sonst was an den Kopf werfen könnte, also schickt er einen von Recaredos Schiffsjungen mit einer Botschaft in die Steinfaust, und eine halbe Stunde später erscheint der Narrenkönig mit fünf weiteren Blaumänteln, einer Sänfte für die Frauen und - gepriesen seien alle Götter – einem gesattelten Bayvard, um sie abzuholen. Was er wegen Aswhang unternehmen soll, weiß Olyvar beim besten Willen nicht und sieht es ehrlich gesagt auch nicht als seine Pflicht an, dennoch bietet er der Elbin an, sie ein Stück des Weges zu begleiten, zumindest bis zum nächsten Gasthaus, wenn sie es wünscht. Was Diantha angeht... nun, sie hatte zwar in jenen nebligen letzten Stunden der Inarinacht, in denen sie aufgebrochen waren, behauptet, dass ihr freie Überfahrt und ein wenig Proviant vollkommen genügen würden, aber sie hatte immerhin sechs Wochen lang quasi als einfache Söldnerin gedient und ihre Sache gut gemacht, und genau so würde er sie auch bezahlen. Nachdem Shyada sicher in der Sänfte sitzt und damit vor allen neugierigen Blicken geschützt ist, brechen sie in Richtung Steinfaust auf und Olyvar will nur noch nach Hause. Die Kinder würde er morgen von Rhordri und seiner Frau holen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Del am 17. Dez. 2007, 13:48 Uhr
Das flaue Gefühl im Magen legt sich auch nicht nachdem Talyra längst außer Sichtweite ist. Im Gegenteil es wird sogar stärker, hat allerdings aber nichts mehr mit Janna oder Sira zu tun, sondern schlichtweg mit der Tatsache, dass Del mit Schiffen und dem ewigen auf und ab der Wellen eigentlich überhaupt nicht zurecht kommt. Sehr zur Belustigung von Passagieren und Besatzung verbringt Del die ersten Tage beständig in der Nähe der Reling und hat aus diesem Grund auch Dienstfrei. Der Kapitän ist anfangs nicht davon sehr angetan, dass ihm so die helfenden Hände fehlen, aber er hat schließlich ein Einsehen, dass es wohl hilfreicher ist, wenn er Del seinem Platz an Deck lässt, als wenn dem Halbelben ständig wer hinterher schrubben müsste. Besonders die jüngeren Kinder die zur Magierausbildung ans gegenüberliegende Ufer des Ildorel gebracht werden, tummeln sich zahlreich um Del, da dessen Unwohlsein wesentlich mehr Erheiterung mit sich bringt, als der langweilige Schiffsbauch. Aber irgendwann verlieren auch sie die Lust sich am Elend anderer zu weiden und versuchen sich mit allerhand Spielen die Zeit vertreiben. Nur ein kleines blondes Mädchen, etwas zu dürr und ziemlich schüchtern, bleibt beharrlich in Dels Nähe und fragt hin und wieder mit besorgter Miene, wie es ihm denn geht und ob sie ihm helfen soll.

Auch als sich Dels Magen nach ungefähr einem Siebentag wieder beruhigt hat und versöhnlich zeigt, bleibt das Mädchen, dass sich zwischendurch mit piepsiger Stimme als Caitlyn vorstellt, immer an Dels Seite und entpuppt sich schon bald als Quasselstrippe, nachdem sie wohl einen Narren an dem Halbelben gefressen hat. Del ist diese Form der Unterhaltung gang recht, da sie Ablenkung von der Arbeit verspricht und das Mädchen auch in keiner Weise zur Nervensäge mutiert oder ihm im Weg herum steht. Zudem kommt er so erst gar nicht auf die Idee, sich in Gedanken mit Janna, Iéil oder dem Ungeborenen zu beschäftigen, da sie ihm pausenlos Löcher in den Bauch fragt und auch prompt beleidigt reagiert, wenn er ihr nicht richtig zu hört und mehrmals nachfragen muss. An Board wird das kleine Mädchen in Mannschaftskreisen nur noch als Dels kleine Freundin betitelt, was dieser aber sogar zu gefallen scheint.
Die Tage vergehen und dank des stürmischen Herbstwetter, dass schon viel mehr nach Winter schmeckt, bleiben ihnen Flauten erspart und sie kommen recht zügig voran. Nur der Nebel macht ihnen immer wieder zu schaffen, da es unmöglich ist in den Zeiten vernünftig zu navigieren, so dass sie einmal sogar die falsche Richtung einschlagen. Trotzdem geht ihnen nicht viel Zeit verloren und sie kommen kontinuierlich dem anderen Ufer des Ildorel näher.
Die Nächte vergehen ebenso rasch wie die Tage und dank des festen Schlafes, der nicht von Träumen oder Zweifeln unterbrochen wird, fühlt sich Del beinah wie neugeboren. Er hat eine Aufgabe, wird gebraucht und nicht von unsinnigen Gedanken geplagt. Nur selten drängt sich das Bild von Janna in sein Bewusstsein, aber selbst dann flackert es nur kurz auf, da man schon wenige Augenblicke darauf wieder mit scharfen Ton Befehle erteilt, denen er zu folgen hat. Er hätte die Reise bequemer haben können, aber er hat sich dafür entschieden nur einen geringen Preis zu zahlen und dafür auf dem Schiff zu arbeiten. An Bord zu sein, ohne eine Aufgabe zu haben, wäre für ihn nur unerträglich geworden und er hätte zuviel Zeit zum nachdenken gehabt.

Das einzige was ihm dann jedoch wirklich Sorge bereitet ist die Frage, was er tut, wenn er in Blurraent angekommen ist. Er weiß wohin er möchte, doch die Frage ist noch immer wie er das bewerkstelligen will. Lange ist es her, dass er Kontakt zu seiner Familie hatte und Nomaden sind schließlich nicht dafür bekannt, dass sie ewig an einer Stelle verweilen. Es würde einige Zeit dafür verwenden müssen, um sich umzuhören und Informationen herauszufinden, aber dadurch hätte er die Chance eine neue Stadt kennen zu lernen. Und schließlich gibt es ja auch noch das Versprechen an Sira ihr Briefe zu schreiben. Blurraent wäre eine erste gute Gelegenheit, da er ihr so Bescheid geben kann, dass er gut auf der anderen Seite des Ildorel gelandet ist. Er könnte nicht einmal sagen, ob es danach für ihn auch noch Möglichkeiten gäbe sich per Brief zu melden, aber zur Zeit kann er ja nicht einmal sagen, wohin genau ihn sein Weg führen wird.
Es ist seltsam die Tage vollkommen ungeplant und ohne Aufgaben zu beginnen, aber es lässt ihn freier atmen und macht ihm gleichzeitig deutlich, dass er all die Zeit in Talyra etwas vermisst hat. Und auch jetzt vermisst er wieder etwas. Den warmen Körper der Frau die er liebt und die Umarmungen ihres Kindes, aber dies zu ändern steht nicht in seiner Macht. Freiheit zu kosten hingegen schon.

Es vergehen gut 17 Tage ehe jemand voller Vorfreude lauthals verkündet, dass Blurraent in Sichtweite ist. Sofort stürmen die Kinder zum Bug und springen fröhlich auf und ab, da die „Windbraut“ dort zwei Tage ankern wird und das heißt, dass sie die Stadt erkunden können, denn im Schiff gibt es schon längst keine unerforschten Ecken mehr. Und jeder der kein Seemann oder mit dem Meer verbunden ist, fühlt sich bereits nach kurzer Zeit wie eingesperrt auf Schiffen, egal wie groß sie auch sein mögen.
Nun mit dem vorläufigen Ziel vor Augen entsteht eine hektische Betriebsamkeit. Passagiere, welche die Schaluppe in kurzer Zeit verlassen werden, sammeln ihr Gepäck zusammen, die Schiffsbesatzung bereitet die „Windbraut“ zum vertäuen vor und allgemein breitet sich eine gewisse Erwartungshaltung und Vorfreude aus, die darauf beruht, dass Schiffen oft ein besonderer Empfang geboten wird als Handelskarawanen. Hatte man zwischendurch, nur umgeben von Wasser, noch das Gefühl, dass man überhaupt nicht vorankommt, wird einem jetzt bewusst, wie schnell und sicher die „Windbraut“ sich doch bewegt und rascher als gedacht, ist der Hafen erreicht und das Schiff bereits festgemacht worden. Del wird ein letztes Mal zum Kapitän beordert, der sich für die Hilfe bedankt und eine gute Weiterreise wünsch und dann darf auch er, nachdem die anderen Passagiere schon von Freunden oder Familien abgeholt worden sind, das Schiff verlassen. Blurraent ist ihm fremd, aber das würde sich in den nächsten Tagen ändern. Da es bereits spät ist und seine Kleidung vom Nebel feucht ist, macht erkundigt sich Del zunächst beim Hafenmeister nach günstigen Gasthäusern und folgt dann dem beschriebenen Weg durch die von Straßenlaternen erhellten Strassen.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Del am 07. Jan. 2008, 12:41 Uhr
Er hätte nicht gedacht, dass er das Schaukeln des Schiffes vermissen wurde. Doch zu seinem Leidwesen hatte er sich in der kurzen Zeit so stark daran gewöhnt, dass es ihm schwer fällt im Bett zur Ruhe zu kommen. Es ist spät, als er endlich in seinen tranceähnlichen Zustand verfällt, aber danach schläft er umso fester und wird erst durch einen lautstarken Streit auf der Strasse aufgeweckt. Verwirrt blinzelnd, weil er der Meinung war, zuletzt auf einem Schiff gewesen zu sein, braucht Del einige Momente um sich zu orientieren und die morgendliche Benommenheit abzuschütteln.
Seine Morgenwäsche fällt nur spärlich aus- die Schiffsreise hatte ihn auch diesbezüglich geprägt- und nach einem schnellen Frühstück unten im Tavernenraum, hat Del „Den dicken Mann“ vorerst auch wieder verlassen. Er hatte Sira versprochen, dass er sich melden würde und genau das würde er jetzt auch tun. Dank Janna hatte er ein wenig schreiben gelernt, aber es reicht bei weitem nicht aus, um selber Briefe zu verfassen und beschränkte sich meist auf die Worte, die man rund um das Führen einer Gerberei bräuchte. Der gedankliche Ausflug zu Janna versetzt ihm einen gehörigen Stich, aber er es fühlt sich längst nicht mehr so schmerzvoll wie noch vor der Abreise an. Es hat mittlerweile genug Tausendschritt zwischen sich und Janna, um auch emotional mehr Abstand zu der ganzen Sache zu haben, aber das macht es nicht im geringsten besser. Er fühlt sich trotzdem noch leer. Von außen unversehrt, aber im Inneren so gut wie tot. Die Kinder, die er auf dem Schiff kennen gelernt hatte, würde er vermissen. Sie hatten ihm, zusammen mit seiner Arbeit auf der Schaluppe, genug Abwechslung geboten und ihn gelegentlich sogar wieder lächeln lassen. Besonders Caitlyn hatte ihn oft darauf angesprochen, warum er denn immer so traurig sei. Er hatte ihr nie eine Antwort darauf gegeben, sondern im Stillen gehofft, dass die Ursache dafür sich eines Tages einfach in Luft aufgelöst haben würde. Doch damals wie heute weiß er, dass es nie passieren würde. Nichts was einen am Herzen liegt, würde einfach verschwinden. Es würde ewig Teil seiner selbst bleiben... solange bis es Antworten gibt. Oder anderer Ereignisse die schwerwiegender sind.

Mit einem Seufzen zieht Del den Hemdkragen höher. Talyra war ihm schon kalt vorgekommen, aber Blurraent ist durch seine Flussnähe noch um einiges unangenehmer. Besonders jetzt zur Novemberzeit. Nicht mehr lange und man würde in einigen Regionen und Städten das Julfest feiern. Vielleicht würde es ihm ja gelingen, seine Familie bis dahin gefunden zu haben. Es wäre wahrlich eine große Überraschung, aber eine nüchterne Stimme in seinem Kopf macht ihm klar, dass es wohl nicht so leicht werden würde. Selbst wenn er in kürzester Zeit herausfindet, wo sich seine Familie aufhält, gäbe es mit Sicherheit noch ein Stückchen zu gehen, ehe er seine Mutter, Geschwister und Verwandten wirklich wieder in die Arme schließen kann.
Vor einem etwas heruntergekommenen zweistöckigen Gebäude macht Del schließlich halt und betrachtet das leise im wind schaukelnde Schild über der Holztür. Wie es scheint hatte man ihm den richtigen Weg beschrieben. Nach einem kurzen Anklopfen, dass nicht wirklich auf eine Antwort wartet, tritt Del ein und findet sich sogleich in einem sticken Raum wieder, der von Papierrollen, Tintenfässchen, allerhand Büchern und Regalen und einem wuchtigen Schreibtisch erfüllt ist. Hinter dem Schreibtisch geht eine schmale Wendeltreppe nach oben, während der Durchgang daneben wohl zum hinteren Teil des Gebäudes führt.
Es ist niemand zu sehen, aber es hängt frischer Teegeruch in der Luft, als muss wohl jemand anwesend sein. Del hat kaum den Schreibtisch erreicht, als man auch schon schlurfende Schritte von oben hören kann und sich ein kleiner Mann mit Brille über das Metallgeländer beugt. „Guten Morgen, junger Mann! Einen kleinen Moment noch, dann bin ich bei Ihnen!“
Der Mann verschwindet wieder, lässt Del mit leichtem Stirnrunzeln zurück und kommt dann wenig später die Wendeltreppe heruntergeschlurft. Statt einer Teetasse, hat er jedoch zwei in den Händen und hält mit einem verschwörerischen Blick zum dreckigen Fenster Del eine hin. „Ein Hundewetter sag ich Euch. Hier nehmt das, wärmt die Knochen und ist auch sonst recht angenehm.“
Einen ersten Impuls folgend will Del schon ablehnen, aber der alte Mann hat recht. Es ist kalt und warum den Tee ablehnen, wenn vermutlich eh eine Weile mit dem alten Mann verbringen wird. Während Del noch seine Teetasse betrachtet, hat der Alte sich schon hinter seinem Schreibtisch niedergelassen und einen großen Schluck vom Tee genommen. „Ich nehme an, Ihr seid hier, damit ich etwas für Euch schreibe?“ Del nickt schwach und will gerade erklären worum es geht, als der Mann auf einen freistehenden Stuhl deutet. „Na setzt Euch doch erstmal, hm? Wird sicherlich ein Weilchen dauern... also was kann ich für euch tun?“

Noch immer ein wenig verblüfft über die ruhige und zuvorkommende Art des Mannes, folgt Del dem Angebot sich zu setzen und stellt den Tee vorsichtig auf dem Schreibtisch ab. „Ich bin hier, weil ich einen Brief nach Talyra schicken müsste. Es eilt nicht, aber es ist schon wichtig, dass er dort ankommt.“
„Ein Brief? Absolut kein Problem junger Mann. Heute und morgen wird er vermutlich nicht mehr auf Reisen gehen, aber im laufe der kommenden Woche wird sich wohl ein Schiff finden, welches man den Brief anvertrauen kann.“
Nachdem sie noch ein wenig über allerhand belanglosen Kram reden und es sich wie zwei gute alte Freunde gemütlich machen, beginnen sie irgendwann mit dem Briefe schreiben. Del tut die Zweisamkeit recht gut. Zwar kennt er den Mann nicht und keiner von ihnen hat sich mit Namen vorgestellt, aber die entspannte Atmosphäre hat etwas heimisches und weder Del noch der Schreiber scheinen es sonderlich eilig zu haben, so dass sie in aller Ruhe den Brief verfassen und selbst danach eine Weile miteinander reden. Natürlich kommt dabei auch Dels Reiseziel zur Sprache, aber der Mann kann ihm dabei nur wenig behilflich sein. Er erkundigt sich jedoch nach Dels Aufenthaltsort und verspricht einen Boten zu schicken, falls er etwas herausfinden sollte. Als Del sich verabschiedet sind gut zwei Stunden vergangen und es blinzelt sogar gelegentlich die Sonne durch die Wolken. Zufrieden darüber, dass die Sache mit dem Brief erledigt wurde, welche Sira nur darüber informiert, dass er gut in Blurraent angekommen ist und sich erstmal nur erkundigen wird, sucht er sich nun ein Plätzchen um etwas in den Magen zu bekommen und dort vielleicht mehr Informationen über den Nomadenstamm zu erhalten.

Wie Del jedoch an jenen und den kommenden Tagen feststellen muss, ist es recht schwierig sich nach seiner Familie zu erkundigen, wenn man dem Ganzen keinen Namen geben kann. Er kennt die Gesichter seiner Familie, weiß ihre Vornamen, aber das nützt ihm leider nur wenig in Bezug auf seine Fragen, die er anderen Leuten stellen kann. Niemand kann viel mit „Haben sie eine Nomadenfamilie auf ihren Reisen gesehen?“ anfangen, so dass Del mehr Zeit in Blurraent verbringt, als er ursprünglich geplant hat.
Ungefähr zwei Siebentage läuft er täglich durch die Strassen der Stadt und erkundigt sich bei allen Händlern, Bauern, Reisenden und Stadtbewohnern die so aussehen, als wenn sie hilfreich wären. Er fragt sogar bei den anderen Gasthäusern nach und verteilt verbale Beschreibungen seiner Familie in der Hoffnung, dass man sie doch gesehen hat, aber mehr außer einem Kopfschütteln erhält er selten. Schließlich gelingt es ihm aber doch jemanden ausfindig zu machen. Ein Händler aus Frith, der bereits schon eine recht beachtliche Reise hinter sich gebracht hatte, war wohl kurz vor Tuathbailémór auf einige Mitglieder seiner Familie gestoßen. Sie hatten zu dem Zeitpunkt einen Ausflug in selbige Stadt gemacht und waren wieder auf dem Rückweg zu dem Rest der Sippe gewesen. Man hatte einige Waren getauscht und dabei hätten sie angeblich erwähnt, dass sie zum Winter in Richtung der Gräberhöhen bei Flussmarkt ziehen wollen. Der Händler hatte ihnen angeboten, dass man ja zusammenreißen könnte, doch sie hätten abgelehnt, da sie lieber über die Weite des Gräsernen Meeres reisen würden als den Hauptstrassen zu folgen. So hatte man sich dann wieder voneinander getrennt und war eigener Wege gegangen. Es war schon vor einiger Zeit gewesen, aber nachdem Del und der Händler einige grobe Schätzungen gemacht haben, müsste seine Familie schon ein ganzen Stück hinter sich gebracht haben. Beide gehen davon aus, dass sie die Gräberhöhen noch nicht erreicht haben können, aber es könnte höchstens noch knapp einen Siebentag dauern, bis es so weit wäre. Natürlich weiß keiner von beiden, ob inzwischen eine andere Entscheidung getroffen worden ist, aber es ist für Del der einzige Anhaltspunkt bis jetzt. Das und die einzige Chance. Er hat nichts zu verlieren und geht auch kein allzu großes Risiko ein, wenn er es einfach darauf ankommen lässt und so ist seine Entscheidung bereits gefallen, als er sich vom Händler mit ein paar Münzen verabschiedet.

Noch am gleichen Tag bereitet er alles für eine Weiterreise vor. Er würde wieder einmal mit dem Schiff reisen, weil es einfach schneller geht, aber dieses Mal würde es glücklicherweise nicht wieder so lange dauern. Nachdem ein Schiff gefunden und ein Kajüte gemietet und bezahlt wurde, begibt sich Del zum „Dicken Mann“ zurück um dort noch anstehende Schulden zu begleichen, bezahlt für eine weitere Nacht und übernachtet dann zum vorerst letzten Mal in Blurraent. Im Gegensatz zu dein meisten Schiffen, die bereits im Morgengrauen auslaufen, lässt sich die „Meerjungfrau“ Zeit damit und gönnt allen Passagieren und Schiffsleuten das Ausschlafen und ein Frühstück. Erst danach wird alles zusammengesammelt, was für die kurze Reise von Nöten ist. Die „Meerjungfrau“ ist kleiner als die „Windbraut“ da sie nur kurze Strecke bewältigt und hauptsächlich Personen von einem Ort zum anderen bringt. Dieses Mal wird Del nicht mit Arbeit abgelenkt, aber seine Gedanken drehen sich ohnehin um das bevorstehende Zusammentreffen mit seiner Familie. Trotzdem wispert beharrlich eine Stimme, dass zu seiner Familie noch viel mehr gehören, als nur jene Personen die diesseits des Ildorel auf ihn warten.

Titel: Re: In Blurraent
Beitrag von Lilith am 02. Feb. 2008, 18:54 Uhr
Die hellen Sonnenstrahlen, die in die kleine Schlafkammer des „Eisernen Amboßes“ eindringen, wecken die noch tief schlafende Formorag, welche versucht sich unter dem Kissen vor dem fröhlichen Schein zu verbergen. Mit einem misslaunigen Gemurmel öffnet Lilith ihre Augen, streckt sich ganz nach Katzenmanier und reibt sich gemächlich die Augen, bevor sie ihre Umgebung genau mustert. „Ein neuer Tag, ein neuer Ort." Seufzend wühlt sie sich aus den Decken raus, in welche sie sich in der Nacht eingewickelt hatte und steht auf. Ihre nackten Füsse tappen leise über den Holzboden, während sie nach ihren verstreuten Kleidern sucht. Nach einigen Minuten Kampf mit ihrem Überrock, stellt sie sich angezogen vor die klobige Kommode und schüttet Wasser in einen kleinen Waschzuber. Langsam und gemächlich wäscht sie sich ihr Gesicht und trocknet dieses dann ab, bevor sie einen Blick in den Spiegel wagt. „Ich hasse es so früh aufzustehen, aber wenn mein Schiff nicht ohne mich nach Talyra reisen soll, sollte ich mich langsam beeilen.“

Nach dem Lilith alles eingepackt, ihr Haar zu einem dicken Zopf geflochten und ihre Stiefel über die Füsse gezogen hat, verlässt sie ihre Schlafkammer und schlendert runter in die Gaststube. Es hat noch kaum Betrieb, nur ein kleines Mogbarmädchen wischt auf allen Vieren den, vom Met klebenden, Boden auf. „Eine Schüssel mit Haferschleim bitte, es sollte schnell gehen.“ Lilith setzt sich in eine dunkle Ecke und schaut die Mogbar auffordernd an. Diese schnaubt leise, wirft ihren Lappen mit einem Schwung in den Eimer neben ihr und verschwindet ohne ein Wort in die Küche. Derweilen klaubt Lilith einige Münzen aus ihrer Geldkatze, welche an ihren schwarzen Langgürtel um die Hüfte befestigt ist und legt diese zusammen mit dem Kammerschlüssel auf den Tisch. Sie lässt ihren Blick zum Fenster schweifen und erschaudert. Es sieht richtig warm aus da draussen, was ihr ganz und gar nicht gefällt. Das scheppern in der Küche ist ruhiger geworden und die Türe wird wieder aufgestossen. Die Mogbar mit dem braunen Wuschelhaar und der klobigen Nase balanciert auf einem Tablett eine Schüssel, einen Krug mit Wasser und ein Stück Brot. Sie stellt alles mit lautem Scheppern auf Liliths Tisch und sackt das Geld und den Schlüssel ein, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit auf dem Boden zuwendet. Lilith beachtet die Frau nicht mehr und verschlingt so schnell es geht den grauen Haferschleim.

Während die Magierin ihr Frühstück verzehrt, kommen nach und nach mehr Leute von ihren Zimmern runter in den Gasthof und bestellen ebenfalls Frühstück. Lilith ist sich der Aufmerksamkeit bewusst, welche ihr zugeteilt wird, doch sie kümmert sich nicht darum und isst ihre Schüssel leer. Ohne sich umzusehen, packt sie ihre Tasche und verlässt ruhig den Gasthof, die Blicke im Rücken spürend. Auf der Strasse atmet sie erleichtert aus, zieht ihre Kapuze zum Schutze der Sonne tief ins Gesicht und macht sich auf zum Hafen, welcher auf der anderen Seite der Stadt liegt. Auf dem Weg dorthin schlendert sie an vielen Schmiedestätten, Handwerksbuden und Lederverarbeitungsläden vorbei. Aus purer Neugierde betrachtet Lilith die feine Ware der Zwerge, doch kaufen kann sie sich nichts. In den letzten Monden hat sie hauptsächlich von Erspartem gelebt und konnte nur wenige Aufträge entgegen nehmen und deswegen ist es langsam an der Zeit wieder eine Arbeit zu finden. Nach dem sich Lilith durch das Strassengewirr von Blurraent geschlagen hat, erreicht sie etwas erschöpft den Hafen. Eine leichte Brise weht und schon von weitem sieht sie die Fahnen des Handelschiffes, auf welchem sie sich eingekauft hatte, im Winde flattern.

Auf dem Deck des Schiffes angekommen, unterhält sich Lilith kurz mit dem Kapitän und übergibt ihm den Rest des Betrages, welchen sie für die Fahrt bezahlen muss. Danach richtet sie sich in einer Ecke des Schiffes auf die länger dauernde Überfahrt ein und macht ein kleines Nickerchen im Schatten der klobigen Holzkisten.

--> Talyra



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