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(Thema begonnen von: Lorne am 07. Aug. 2005, 16:54 Uhr)

Titel: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 07. Aug. 2005, 16:54 Uhr
Während sich Janna noch von Dancy und den übrigen Pfirsichen verabschiedet hat, haben Del und Sira ihr Frühstück beendet, gezahlt und ihr Reisegepäck geholt. Bereit für einen baldigen Aufbruch haben sie darauf gewartet, bis Janna sich endlich zu ihnen gesellt und das Zeichen für ihren Aufbruch gibt. Gemeinsam verlässt die kleine Gruppe Wanderer den Pfirsich. Es ist noch immer recht früh am Morgen und auf den Straßen der Stadt es noch angenehm still. Eine kühle, angenehme Morgenbrise weht durch die Gassen und die Wanderer sehen sich kurz an. Der Pfirsich liegt direkt am Verder Stadttor und so müssten sie dieses nur durchqueren, um Talyra zu verlassen, aber da Sira and Del vorher erst noch ihre neuen Reisegewänder aus der Schneiderei von Madam Pileh abholen müssen, bevor sie die Stadt verlassen können, schlägen sie den Weg zum Haus der Bücher ein.

Noch immer ziemlich still und schweigsam stapft Sira zwischen dem Halbelben und der Schankmaid dahin. Im Gegensatz zu dem Mädchen ist Wind, Siras ständiger, vierbeinige Begleiter, ausgesprochen munter und läuft ein gutes Stück vor den drei Wanderern her. Der graue, zottige Hund scheint zu spüren, dass seine Leute die Stadt verlassen wollen und endlich wieder etwas mehr Aufregung in sein Leben kommt.

Vor der Schneiderei angelangt, die direkt gegenüber dem Haus der Bücher liegt, macht die kleine Gruppe halt. Sira gähnt und überlässt es dem Halbelben, hinein zu gehen und die neuen Gewänder zu holen. Normalerweise wäre es wohl üblich, dass Sira ihn begleitet, damit sie die neuen gewänder anprobieren können, aber da sie es eilig haben, lässt Del das Mädchen samt Hund in Jannas Obhut zurück. Müde reibt sich Sira die Augen, während der Halbelb in der Schneiderei verschwindet. Lächelnd mustert sie Janna von der Seite. „Freust du dich auch schon auf die Wanderung?“, erkundigt sie sich freundlich und sieht die Schankmaid fragend an, wobei sie feststellt, dass die junge Frau ziemlich blass um die Nasenspitze herum wirkt. Einen Augenblick lang ist Sira ein wenig besorgt, aber da Janna ansonsten einen recht gesunden Eindruck macht, denkt sie sich nichts weiter dabei, immerhin hat jeder einmal einen schlechten Tag und es gibt schließlich eine ganze Menge Menschen, die von Natur aus sehr helle Haut haben und daher immer recht blass wirken. Das Mädchen deutet auf die Tür der Schneiderei, vor der sie noch immer stehen, um auf Dels Rückkehr zu warten: „Ich bin schon schrecklich gespannt. Madam Pileh hat mir ein neues Kleid genäht. Extra für die Reise.“ Verträumt blickt sie zum Himmel hinauf, wo ein paar einsame Vögel ihre Bahnen ziehen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 07. Aug. 2005, 21:16 Uhr
Nachdem er sein Gepäck bei Sira und Janna gelassen hat, lässt Del die beiden Damen mit dem Wolfshund alleine. Keine von beiden scheint irgendwie den Eindruck zu machen, als würde sie es bedauern. Stattdessen sehen sie eher wie Schlafwandler aus, die noch nicht begriffen haben, dass die Nacht längst vorbei ist. Einen kritischen Blick auf beide geworfen, überzeugt sich Del davon, dass keine im Stehen einschlafen würde und betritt dann die Schneiderei. Dieses Mal ohne anzuklopfen, denn er weiß ja, was ihm dahinter erwartet. Wie auch schon beim ersten Besuch ertönt eine kleines Glöckchen und kündigt seinen Besuch an. Allerdings wäre dies nicht nötig gewesen, denn Madam Pileh befindet sich mit einer weiteren Kundin und einem ihrer Mädchen im Verkaufsraum. Mit einem freundlichen "Guten Morgen", und einem netten Lächeln tritt Del etwas näher heran, behält aber genug Abstand, um nicht allzu aufdringlich zu wirken. Er hat es zwar relativ eilig, aber so sehr sitzt ihm die Zeit auch nicht im Nacken, um sich mit einer wohlbeleibten älteren Dame anzulegen. Auch diese wird höflich gegrüßt. Während er wartet, flüstert Madam Pileh ihrer Gehilfin etwas zu, woraufhin diese im Durchgang verschwindet. Neugierig und um seine Aufmerksamkeit nicht zu sehr auf das Geschehen am Tisch zu lenken, sieht Del der jungen Frau hinterher. Es dauert nicht lange, da erscheint sie bereits wieder im Durchgang und hat die Hände voll einem Kleiderstapel. Sofort erkennt Del die Stoffe und lächelt zufrieden. Scheinbar hat alles problemlos geklappt. Es hieß es nur noch warten, bis die andere Kundin fertig bedient werden würde.

Soris scheint ihm jedoch wohlgesonnen, denn die Dame braucht etwas länger, als es darum geht, sich einen geeigneten Stoff für ihr neues Kleid auszusuchen und erlaubt es Madam Pileh sich zwischenzeitlich >"...um den netten Herren..."< zu kümmern. Dankbar nickt Del in ihre Richtung und tritt auf einen Wink der Schneiderin hin, näher zu ihr heran. In Worten, die ihr Können und Wissen deutlich zeigen, beschreibt sie Del was sie wie getan hat, welche Stellen am Mantel ausgeflickt worden sind, worauf man achten sollte, damit die Kleidung etwas länger hält und wie viel Münzen sie für welches Stück berechnet hat. Aufmerksam hört Del zu, doch interessieren tut ihn nur der Preis, den er bereitwillig zahlt, da er sich sehr vernünftig anhört. Die Frage nach der Anprobe verneint Del entschuldigend und erklärt dies mit ihrem Aufbruch und das sie keine weitere Zeit verlieren wollen. Madam Pileh scheint dies nicht gewohnt zu sein, doch da bereits gezahlt worden ist, nimmt sie es einfach so hin, legt aber die Kleidung noch ordentlich zusammen und händigt sie Del mit den Wünschen einer guten Reise aus. "Danke, werte Dame." Damit verabschiedet sich Del von den Anwesenden und hat die Schneiderei auch schon verlassen, wo Sira mit einem Mal hellwach vor ihm auftaucht und nach ihrem Kleid verlangt.
"Langsam, langsam junge Dame. Das kriegst du zu sehen, wenn wir Talyra verlassen und ein Stück Weg hinter uns gebracht haben." Schmollend verschränkt Sira die Arme vor der Brust, doch da Del die neuen Gewänder gleich in den Beuteln und Rucksäcken verstaut, bleibt Sira keine andere Wahl, als sich dem Halbelben zu beugen. Del hätte es dem Mädchen zwar gerne gleich ausgehändigt, aber er hofft so Sira zusätzlich anspornen zu können, damit sie nicht gleich am ersten Tag schlapp macht. "Auf geht's meine Damen. Blasen, Insekten und wunde Füße rufen." Er grinst frech, als er mürrisches Knurren hört, schultert Gepäck und nimmt alles auf, was ihm zum tragen zugedacht worden ist und geht dann ohne zurück zu blicken voran.

Den Platz der Händler zu so früher Stunde zu betreten ist wahrlich eine Wohltat. Wo tagsüber schlimmstes Gedränge herrscht, sind jetzt nur die leeren Stände und Bänke zu sehen. Niemand schubst sie, niemand drängelt und keiner pöbelt herum, wenn man ihn aus Versehen berührt. Aus diesem Grund haben sie den Platz auch schon wieder verlassen, kaum dass sie ihn betreten haben und beginnen nun ihre Reise, die über den Frostweg nach Norden führen würde.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 08. Aug. 2005, 22:51 Uhr
Janna nickt nur flüchtig lächelnd auf Siras Frage hin, dem winselnden grauen Bündel zu ihren Füssen nachgebend und ihm den Bauch kraulend. Im Gegensatz zu seiner Besitzerin scheint das Kerlchen so lebendig wie ein Springfrosch zu sein.
Nein, wirklich freuen kann sie sich beim besten Willen nicht. Worauf denn auch? Am Ende ihres Weges wartet eine wütende, im Stolz verletzte Mutter, ein Stamm voller Frauen deren Traditionen sie gebrochen hat und eine lange Zeit des Wartens, die ihr wahrscheinlich den letzten Nerv rauben wird. Also nichts wofür sich Freude lohnt.
Weit schiebt sie diesen Gedanken von sich und kommt sogar nicht umhin zu schmunzeln, als das Mädchen, scheinbar noch immer nicht ganz wach, mit glänzenden grünen Augen von ihrem neuen Kleid erzählt. Einen Augenblick länger, als das es eigentlich sein müsste und lacht dann leise auf: „Das wird mir ja eine Reise.“ Mehr als einen fragenden Blick bekommt Janna dafür nicht, denn gerade tritt Del wieder hinaus, auf dem Arm zweei Bündel und hat im nächsten Moment ein schwarzhaariges Springteufelchen am Hals, das quängelnd nach ihrem Kleid verlangt. Amüsiert beobachtet Janna wie Sira auf und ab hüpft, die Hände schon ausgestreckt hat und der Halbelb das Mädchen einfach nur lächelnd betrachtet und dann meint, dass sie das Kleid erst vor der Stadt bekäme.
Beinahe hätte Janna aufgelacht, kann es jedoch ob der schwer enttäuschten und beinahe beleidigten Miene Siras gerade noch verhindern und grinst dafür breit.
Doch sie scheint noch zu müde um weiteren Protest einzulegen und knurrt auch nur, als der Halbelb mit freudiger Stimme die Folgen einer Wanderung erklärt.
Bei diesen Worten verbirgt Janna jegliche Emotion, denn inwiefern sie des Wanderns noch mächtig ist, dass weiss sie nicht. Wahrscheinlich wird es einige Zeit dauern, bis ihre Beine sich wieder daran gewöhnt haben und viel über Schwangerschaften ist ihr auch nicht bekannt. Ein beklomenes Gefühl schleicht sich in ihre Magengegend und währendem Sira und Del auf dem Platz der Händler noch damit beschäftig sind, ein wenig Proviant zu besorgen, mit einigen Fingern vorsichtig über ihren flachen Bauch, der noch nicht einmal im geringsten von dem Leben erzählt, das darunter heranwächst. Ein Seufzen lässt ihre Schultern sich heben, bevor sie schliesslich die Arme verschränkt und matt lächelnd mit ansieht, die Sira den Halbelben beim Einkaufen immer wieder auf neue, möglicherweise *brauchbare* Dinge aufmerksam macht und dieser stets nur den Kopf schüttelt.
Schnell haben sie beisammen, was dringend notwendig ist für die Beiden, denn Janna war von Dancy schon genug verköstigt worden. Es würde wahrscheinlich gar für alle reichen, doch lässt die Schankmaid den Halbelben lieber machen und wird nur noch stiller, als es in Richtung Norden geht. Sie kommt nicht umhin, ein- gar zwei Blicke über die Schulter zurück zu werfen und heftig muss sie dagegen ankämpfen das Zittern ihrer Lippen zu unterdrücken. 12 Monde und dann würde ihr Weg sie wieder nach Talyra zurückführen und alles würde so werden, wie früher.

Wind lief mal voraus, dann wieder neben Sira und liess sich, wenn er wieder einmal etwas Interessantes gefunden hatte, zurück fallen, nur um dann wie vom Blitz getroffen an ihnen vorbei zu rennen und dreissig Schritt weiter vorne mit grossen, fragenden Augen zurück zu blicken, als wolle er den Zweibeinern hinter sich einen Vorwurf für ihren Gang machen. Sira lief nahe bei Del und der Beutel, in dem ihr Kleid lagerte, schien für ihre Augen für bedeutendes Interesse zu sein und Janna liess sich einige Schritte hinter die beiden zurück fallen, um die aufblühende Natur um sich geniessen zu können. Das Ende des Sommers nahte bereits wieder und Shenra liess sich Zeit damit, seine goldenen Strahlen über Rohas weites Rund zu schicken, beeilte sich des Abends jedoch Faerys den Himmel zu überlassen. Die Reise würde mitten in den Herbst hineinführen und wenn sie zurückkehrte in einem Jahr, so gereichte ihr der Schnee bei ihrer Ankunft in Talyra wohl bereits bis zu den Knien.
<<Über meine Rückkehr kann ich mir Gedanken machen, wenn es so weit ist. Jetzt sollte ich mich besser auf die Hinreise konzentrieren.>> Dies jedoch auch zu halten, fällt ihr schwer und eng schlingt sie den Umhang fester um ihre Schultern, da sie plötzlich fröstelt. Ihre Augen huschen flüchtig umher, bleiben auf einem immer noch schmollenden Kind und einem breit grinsenden Halbelben hängen, bevor sie weiter auf ein kleines, graues Pelzknäuel neben sich fallen. Wind tappst unbeholfen neben ihr her, wahrscheinlich weil er ebenso beleidigt ist wie seine Herrin, da sie ihn nicht beachtet. Wie heisst das Sprichwort? Die Hunde kommen stets nach ihren Führern.
Lächelnd stellt Janna fest, dass es hier vollkommen zutrift, beugt sich ein wenig hinab und will Wind in einer versöhnlichen Geste über Rücken streichen.
Einen Augenblick später erhebt sie sich jedoch bereits wieder ruckartig und hält eine Hand gegen die Stirn, schwankend nach Halt suchend. Schwarze Punkte flitzen vor ihren Augen herum, prallen zusammen und zerplatzen zu einem wilden Funkenregen. Ruhig versucht Janna zu atmen und schüttelt den Kopf um den Schwindel zu vertreiben, der sich so schlagartig bemerkbar gemacht hat.
<<Ruhig atmen hat die Heilerin gesagt, und nicht die Augen schliessen, das macht es nur schlimmer.>> Nach bestem Wissen und Gewissen macht sie einen Schritt nach dem anderen, beruhigt feststellend, dass weder Del noch Sira sie mit fragendem Blick betrachten, sondern nun gute zwanzig Schritt vorauslaufen. Lediglich Wind ist stehen geblieben und sieht Janna von unten herauf mit seinen kugelrunden Hundeaugen an, so wie es nur Welpen können. Freudig winselt er auf, als sie in Richtung der Gefährten nickt und leise meint: „Na komm, bevor noch einer merkt, dass wir fehlen.“ Schnell holen sie auf und als Sira sich gerade nach ihrem Hund umsieht, watschelt der schon wieder hinter ihr her, bis er einen Sommervogel entdeckt und ungelenk versucht ihn aus der Luft zu holen mit seinen Pfoten.
So schnell wie möglich schliesst Janna auf und läuft nun neben Del, der sie mit seiner Höhe immer noch um einen guten Kopf überragt. Bis jetzt ist es Janna noch nie in den Sinn gekommen zu fragen, warum ein solcher Mann mit so einem Kind in den Norden ziehen möchte und nach kurzem überlegen lässt sie es auch diesmal bleiben und meint dafür: „Kennt ihr den Weg nach Norden gut?“
Sie selbst war das letzte Mal vor fünf Jahren nun von Immerfrost her nach Talyra gereist, doch das war schon alles und sie traute es sich nicht zu, den Weg ohne jegliche Schwierigkeiten zu finden.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 11. Aug. 2005, 11:04 Uhr
Schmollend nimmt Sira Dels Beschluss, ihr das Kleid erst zu zeigen, wenn sie bereits etwas Abstand zwischen sich und Talyra gebracht haben. Sie will bereits laut protestieren, doch da hat der Halbelb die Gewänder auch schon in den Beuteln und Rucksäcken verstaut, die sie ihr Reisegepäck nennen und so verschränkt sie lediglich die Arme vor der Brust und bedenkt Del mit einem giftigen Blick. Nun, zumindest sollte er gewiss so wirken, da das Mädchen jedoch noch immer recht müde und verschlafen dreinschaut, wird daraus nichts. Ebenso wie Del hat auch Sira einiges, was sie während ihrer Wanderung tragen muss, wenn es auch nicht halb so viel ist, wie das, was der Halbelb mit sich tragen muss. Sie rückt den Rucksack auf ihrem Rücken zurecht und folgt ihm schließlich, nachdem sie sich noch einmal kurz zu Janna umgedreht hat, die ihr und Wind ebenfalls folgt. Auf dem Platz der Händler angelangt weicht Sira kaum von Dels Seite. Ihre Einkaufswünsche sind vielfältig, werden jedoch allesamt mit einem knappen „Nein“ oder auch nur einem schlichten Kopfschütteln seitens des Halbelbens abgeschmettert, was das Mädchen noch mehrmals an diesem Morgen dazu veranlasst, eine breite Schmollschnute zu ziehen. Nützen tut dies allerdings wenig. Als sie den Platz endlich verlassen und die Stadt verlassen, um ihre Wanderung endgültig zu beginnen, ist das schwarzhaarige Mädchen jedoch allerbester Dinge und beginnt sogar allmählich aufzuwachen. Gutgelaunt läuft sie immer irgendwo in Dels Nähe, wobei sie sein Gepäck, welches unter anderem auch ihr neues Kleid beinhaltet, nie vollkommen aus den Augen lässt. Wind läuft zumeist vor oder hinter ihr her und entfernt sich nie sonderlich weit von der Gruppe. Janna bleibt irgendwann ein Stück zurück und so sind die drei ihr schon bald, ohne das sie es so richtig merken, um etliche Schritt voraus.

Die Pfirsichschankmaid holt sie jedoch rasch wieder ein und geht schließlich an Dels Seite. Während sich die junge Frau mit einer Frage an den Halbelben wendet, entscheidet Sira etwas voraus zu gehen und setzt sich, begleitet von Wind, etwas von den beiden Erwachsenen ab, dass sie selbst eigentlich auch kein kleines Kind mehr ist, ist ihr derzeit einmal wieder erfolgreich entfallen. Der Himmel über ihr ist grau und bewölkt. Das schöne Sommerwetter scheint in diesem Götterlauf recht rar gesät zu sein, sodass die kleine Wandergesellschaft leider auf einen strahlend blauen Himmel und eine warme Sommersonne verzichten muss. Sir blickt hinauf zu den Wolken. Immerhin sieht es nicht nach Regen aus, sagt sie sich. Bestimmt kommt die Sonne heute noch raus. Später vielleicht. Optimistisch richtet sie ihre Augen wieder geradeaus auf den Weg, dem sie folgen. Links und rechts der Straße befinden sich Wiesen und Felder, aber auch hohe Sträucher, Busche und Bäume, da das Larisgrün sich immer in Sichtweite befindet und der Weg ohnehin mitten in die Wälder hineinführt, je weiter sie sich von Talyra entfernen. Da es noch früh am Tag ist, ist auf dem Weg nicht viel los, dennoch sind sie auch nicht vollkommen allein. Immer wieder begegnen ihnen Händler, die mit ihren Fuhrwerken auf dem Weg zur Stadt sind, aber auch Bauern und Feldarbeiter kreuzen von Zeit zu Zeit ihren Weg, denn mittlerweile ist die Erntezeit angebrochen und so gibt es viel zu tun, zumal das recht wechselhafte Wetter eine gewisse Eile gebietet.    

Ohne es gemerkt zu haben, ist Sira ein ganzes Stück weit voraus gelaufen. Als sie endlich stehen bleibt, schaut sie über die Schulter zurück und winkt Janna und Del munter zu, während Wind neben ihr freudig mit dem Schwanz wedelt. Der junge Arduner Wolfshund wirkt ausgelassen, nun, wo sie bereits etwas gelaufen sind, ist er allerdings ruhiger und gelassener, als noch kurz zuvor in der Stadt. „Hallo, wo bleibt ihr den?“, ruft Sira dem Halbelben und seiner Begleiterin so laut sie eben kann zu und lacht, während sie geduldig darauf wartet, dass die beiden wieder zu ihr und Wind aufschließen. Auf den Grassäumen zu beiden Seiten der Straße blühen ein paar sehr schöne Wildblumen, die das Mädchen pflückt. Schon bald hat Sira einen kleinen Strauß zusammen und lächelt zufrieden. Dann runzelt sie die Stirn, als ihr einfällt, dass sie ja auf einer Wanderung überhaupt keine Möglichkeit haben, die Blumen irgendwo ins Wasser zu stellen. Mist, daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Angestrengt denkt sie nach, was sie tun soll. Schließlich entscheidet sie sich aus dem Pflanzen einen kleinen Kranz zu flechten. Zuvor zeigt sie Janna, die nun neben sie tritt, den Strauß. „Hübsch, nicht wahr?“, fragt sie einfach so, ohne wirklich irgendjemanden anzusprechen und setzt sich wieder in Bewegung, um zwischen Del und der jungen Frau her zu gehen, wobei sie beginnt, die Blumenstängel miteinander zu verknüpfen. Da sie die Straße dabei nicht mehr so ganz im Blick behält, muss sie sich arg vorsehen, dass sie nicht stolpert. Schließlich schaut das Mädchen auf und sieht Del kurz an. „Wann bekomme ich mein Kleid den nun zu sehen?“, erkundigt sie sich.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 14. Aug. 2005, 11:31 Uhr
Seit sie den Platz der Händler verlassen haben und nun den Frostweg nach Norden folgen sind vorerst alle Sorgen vergessen. Sicher, er weiß nicht, was alles auf sie zukommen wird, doch die Sonne und das fröhliche Gemüt Siras, stimmen auch ihn fröhlich. Sämtliche Bedenken wie diese Reise von statten gehen sollen sind in weite Ferne gerückt und scheinen mit einem mal nicht mehr so unlösbar. Sie brauchen einfach nur einen Fuß vor den anderen setzen und rasten wenn sie nicht mehr weiter können. Zwar neigt der Sommer sich langsam aber sicher seinem Ende zu und somit wäre es ratsam sich zu eilen, ehe schon der Winter Einzug hält, doch niemand drängt sie, möglichst schnell an ihrem Zielort anzukommen. Hin und wieder beschleicht Del zwar ein seltsames Gefühl, wenn er Janna ansieht, da die junge Frau öfters abwesend zu sein scheint, doch sie zeigt keinerlei Schwäche oder gibt irgendwelche Bedenken zu verstehen. Derart motiviert läuft Del einfach drauf los und achtet nicht großartig auf seine Begleiterinnen oder Wind. Bei ihrem Fußmarsch dürfte es ohnehin schwierig werden sich einfach mal so zu verlieren und aus diesem Grund bedarf es auch keiner größerer Aufmerksamkeit, ob alle beisammen bleiben, sofern sie später nicht in kleinere Ortschaften oder dichtere Waldteile gelangen. Noch befinden sich rings um sie, die Felder der nahe gelegenen Bauerngehöfte, doch schon bald würde das Larisgrün ihren Weg säumen. Das Korn ist noch nicht vollkommen reif und wurde an zahlreichen Stellen durch den Regen wahllos plattgedrückt. Für die Bauern nicht gerade erfreulich, da es so schwer sein dürfte die Halme zu schneiden, doch insgesamt ist der Schaden nur geringfügig, wenn man bedenkt wie groß die Felder sind, die Talyra versorgen. Gelegentlich sieht man jedoch schon Stellen, wo bereits ausgetestet wurde, ob das Korn bereits geerntet werden kann und einige Sorten befinden sich schon darunter, wo die Felder größere leere Flächen aufweisen.

Sira schwirrt anfangs noch, wie eine Biene um einen Honigtopf, um Del, doch schon bald gibt sie ihr Unterfangen, möglichst früh und schnell an ihr Kleid zu kommen, auf und hängt ihren eigenen Gedanken nach. Den Blick meist in die Ferne gerichtet, wäre Del mehr als einmal beinahe über Wind gestolpert, da der Wolfshund den Aufbruch der Reise voller Elan mit ständigen hin und her Gerenne verbringt Er scheint nicht lange an einem Fleck bleiben zu können, rennt schnurstracks gerade aus, lässt sich zurückfallen, schnüffelt am Wegrand nach Fährten und Markierungen anderer Tier oder hält gemütlich mit einen von den drei Begleitern Schritt. Als Wind längere Zeit nicht zu sehen ist, blickt er sich nach dem Hund um, doch scheint dieser sich für eine Weile zu Janna zu gesellen wollen, die ein Stück zurückgefallen ist. Ohne sich weiter darum Gedanken zu machen, schließlich ist der Anfang einer Reise, nachdem man längere Zeit in einer Stadt gewohnt hat, nie leicht, marschiert er munter weiter und drückt ab und zu sein doch beachtliches Gepäck zurück. Mehr als einmal beneidet Del Sira, doch es erscheint ihm falsch dem Mädchen unnötig viel aufzulasten. Später, wenn ihre Lust aufs Reisen vergangen wäre und sie nur noch brav einen Fuß vor den anderen setzt um ans Ziel zu kommen, dann könnte er noch einmal darüber nachdenken, doch noch wo ihr Tatendrang groß genug ist und sie, ebenso wie Wind, eifrig ihre Umgebung erkundet, will er ihren Spaß noch lassen. In Gedanken damit beschäftigt, was er hinter sich zurück lässt und was möglicherweise auf sie zukommt, bemerkt Del nicht, wie Janna plötzlich neben ihm geht. Erst ihre Frage reißt ihn aus seinen Vorstellungen. Die Stirn ein wenig kraus gelegt, dreht er seinen Kopf zu ihr und will gerade danach fragen, was sie gesagt hat, als ihm der Sinn der Worte doch noch klar wird. „Den Weg nach Norden?“, er lächelt schwach und grinst anschließend wie ein Junge, der dabei ertappt wird, wie er etwas verbotenes getan hat. „Nein, nein ich denke nicht. Ich bin zwar schon viel gereist und die nördliche Richtung war auch dabei, doch ich folge normalerweise keinem geplanten Weg.“ Er kann Jannas leichte Zweifel in ihren Augen sehen, doch wozu sollte er sie anlügen? „Keine Sorge, ich denke nicht, dass wir uns verlaufen werden. Die Sonne zeigt uns den Weg ebenso wie die Pflanzen. Außerdem sollten uns auf dem Frostweg einige Händler begegnen, die man notfalls fragen könnte. Wie auch immer, aber wie werden schon dort ankommen, wo wir hinwollen.“ Er blickt zuversichtlich zu der kleineren Frau und nickt ihr dann aufmunternd zu, da sie ein wenig blass um die Nase wirkt. Ob es nun an seiner Schilderung vom fast planlosen Aufbruch liegt oder eine andere Ursache hat, könnte er aber nicht sagen. Sira, die wohl mehr Vertrauen in Del legt, wartet seine Antwort gar nicht ab, sondern eilt ein Stück voraus und gibt sich zusammen mit Wind kleinen Erkundungstouren hin. Nur mit halben Auge sieht Del ihr hinterher. Abgesehen von den Bauern und dem Vieh auf den Feldern, ist nur gelegentlich jemand zu sehen und Wind würde auf seine Herrin schon aufpassen. Davon abgesehen würde es auffallen, wenn die ihnen Entgegenkommenden plötzlich auf Sira losstürmen würden. Gelegentlich werden Grüße mit den Fremden ausgetauscht, doch bleiben diese eher distanziert, da noch niemand nach den Weg fragen braucht oder das Angebot der Händler verlockend erscheint. „Da wir ja nun eine ganze Weile zusammen reisen werden, was haltet Ihr vom du? Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, ganz und gar nicht, aber ich glaube, dass es angesichts der Zeit, die wir zusammen verbringen wohl passender wäre... und vielleicht auch angenehmer.“ Del lächelt Janna freundlich, aber unverbindlich an, doch noch ehe Janna etwas dazu sagen kann, ist Siras Stimme aus einiger Entfernung zu hören. >“Hallo, wo bleibt ihr denn?“< Winkend steht sie am Straßenrand, doch nachdem weder Del noch Janna sich beeilen, um zu ihr aufzuschließen, lässt sie sich einfach an Ort und Stelle nieder und pflückt wahllos von den bunten Wildblumen. Als die beiden endlich bei Sira ankommen, hält sie stolz die Blumen in die Runde und schiebt sich dann zwischen Janna und Del.

In dieser Formation gehen sie ein ganzes Stück. Während die Erwachsenen noch einmal auf das Thema zuvor zurückkommen und über allerhand Dinge erzählen ist Sira damit beschäftigt die Blumen zu einem Kranz zu binden und stolpert mehr als das sie geht. Wind setzt seine Erkundungstouren fort. Dann irgendwann taucht wieder die Frage auf, die eine ganze Weile vergessen wurde. >“Wann bekomme ich mein Kleid denn nun zu sehen?“< „So ungeduldig?“, ist Dels erste Reaktion, die Siras Zunge, gefolgt von einem dieser schmollenden Blicke gekonnt zum Vorschein bringt. „Wenn wir rasten. Das sollte genügend, ansonsten hält uns das hier mitten im Weg auf. Und nein,“ noch bevor Sira überhaupt ansetzen kann, klappt ihr Mund stumm wieder zu, „wir werden jetzt nicht hier und auf der Stelle rasten. Wir können Talyra noch immer sehen und da ist eine Rast ganz bestimmt nicht verdient. Wenn die Mauern nicht mehr zu sehen sind, dann bekommst du das Kleid.“ Deutlich ist Sira anzusehen, wie viel sie von diesem Vorschlag hält. Leise vor sich hinbrummelnd widmet sie sich wieder ihrem Kranz. Aus den Augenwinkeln kann Del Jannas verkniffenes Lachen sehen und muss sich selber zusammenreißen, um nicht seinen Ernst bei dieser Sache zu verlieren.  

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 18. Aug. 2005, 21:42 Uhr
Sie kann ihre Zweifel nicht wirklich verbergen, doch Del fährt lächelnd fort und beruhigt sie ein wenig. Na gut, es ist wahr, nach dem Weg fragen kann man immer, wo man nach einer solchen Beschreibung aber landet, ist eine andere Sache. Erdboden unter ihren Füssen knirscht und knackst bei jedem Schritt und als sie nun zu ihren Füssen blickt, werden ihr die über den Grund huschenden Schatten bewusst. Wolken ziehen immer dichter über den Himmel und verdecken das helle, strahlende Blau, das aussieht wie ein weites blaues Meer, in dem man liebend gerne baden würde, mit grauen und manchmal fast schwarzen Nebelfetzen.
Sira läuft voraus, bestaunt wie Wind jeden neuen Winkel und jede Biegung, die der Weg macht, um ihnen schliesslich ungeduldig zuzurufen, wo sie denn blieben. Janna wirft Del ein Schmunzeln zu und kann erkennen, dass seine Mundwinkel ebenfalls nahe daran sind in die Höhe zu schnellen. „Da wir ja nun eine ganze Weile zusammen reisen werden, was haltet Ihr vom du? Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, ganz und gar nicht, aber ich glaube, dass es angesichts der Zeit, die wir zusammen verbringen wohl passender wäre... und vielleicht auch angenehmer.“ „Oh, sehr gerne. Ein guter Einfall, die Reise ist ja wirklich lange“, lächelnd nickt sie und trotz dessen, das ihr immer noch leicht übel ist, fühlt sie sich direkt besser, da es nicht mehr so befangen zu statten geht. In einem Freudenhaus wie dem Pfirsich kann man sich auch als Schankmaid keine Zurückhaltung leisten, schliesslich sollen die Gäste ja wiederkehren. „Nun Del, ich wollte vorher nicht erscheinen, als traue ich es dir nicht zu, den Weg zu finden, nur kenne ich ihn selbst und weiss wie… hm… verzweigt er ist“, dabei kann sie nur leise lachen, als ihr Bilder von zwei triefend nassen und über die Götterfluchende Gestalten einfallen, die sich ob der komplizierten Beschreibung einer alten Dame für zwei Tage verirrt hatten.
Sira ist derweil munter dabei, den Wildblumen eine neue Bestimmung zu bringen, reisst sie also ab und sammelt so nach und nach einen prächtigen Strauss, wobei sich Janna fragt, was das Mädchen danach damit anfangen möchte. Bis zum nächsten Dorf schleppen und dort um Wasser bitten? Spätestens nach weiteren zwei Stunden Fussmarsch, wird sie es wohl bereuen, sich eine solch ärgerliche und unnütze Last aufgehalst zu haben. Kopfschüttelnd grinst Janna Sira an, als diese ihnen den Strauss voller Stolz präsentiert, sich dann frech wie der Wind zwischen die beiden Erwachsenen schiebt und einige Augenblicke später schon völlig darin versunken ist, aus den prächtigen Wildrosen, Sonnendahlien in stechendem Orange, einigen weisse Blüten, die Janna nicht kennt, sowie ein zwei Farnen um das Ganze abzufertigen, einen Kranz zu flechten. Die Steine, die ihr dabei im Weg liegen, bemerkt sie kaum und hin und wieder, kommt sie dem Boden doch näher als beliebt und jagt den Erwachsenen immer wieder von neuem einen kurzen Schreck ein, der jedoch spätestens beim siebten Mal nicht mehr auftritt, denn auch Janna und Del versinken über Siras schwarzen Schopf hinweg in ein angeregtes Gespräch über die Reise, was für Aufwendung sie erfordert, wie viele Dinge man doch oft vergisst und so weiter und so fort.

Sira dagegen verlässt wohl irgendwann die grosse Lust daran, Blume an Blume zu knüpfen und die überaus wichtige Frage, was denn nun mit ihrem Kleid sei und wann sie es anziehen kann, kommt schon wieder aus ihrem Mund, ohne zu achten darauf, das Janna gerade zu einer Antwort auf Dels Frage angesetzt hat. Schnell schliesst die Schankmaid den Mund, dreht den Kopf ein wenig weg und hält sich die Hand vor den Mund, so dass Sira das breite Grinsen nicht erkennen kann. Ein Funkeln in Dels Augen und Janna ist nahe daran in Lachen auszubrechen und wie es scheint ergeht es dem Halbelben ebenso. Doch mit aller Anstrengung die er wohl aufzubringen vermag, setzt er ein ernstes Gesicht auf und belehrt die junge Dame darüber, dass sie ihr Kleid dann bekommen wird, wenn die Stadtmauern Talyras ausser Sichtweite und sie somit nicht erst hundert Fuss von dem eben passierten Tor entfernt sind. Janna kann die Ungeduld des Mädchens ganz gut verstehen, schliesslich ist etwas Neues immer etwas, das man sofort und auf der Stelle haben möchte, nicht erst wenn man gelaufen ist.
Schliesslich jedoch lässt die Kleine noch einmal davon ab, Del gehörig zu widersprechen und macht sich wieder daran, die Blumen zu einem hübschen Kranz zu flechten, wobei Janna ihr hin und wieder neugierig auf die Finger sieht.
Für eine kurze Zeit herrscht Stille, in der sie unbeschwert dem Weg entlang laufen, rechts und links von sich die goldgelben Felder, smaragdgrüne, saftigen Wiesen und hin und wieder ein knorriger, alter Baumstamm, der sich wohl nicht der Macht der Axt gebeugt hat. Frischer Wind kommt auf, huscht ihnen übers Gesicht und schnell zieht Janna ihren Umhang fester um ihre Schultern, da sie zu frösteln beginnt, obwohl durch die Flut an Sonne noch immer eine angenehme Temperatur herrscht. Der Schankmaid jedoch drohen die Zähne zu klappern, als wäre schon tiefster Langschnee und der Illdorel bis auf den letzten Fuss zugefroren. <<Ich bin schwanger und der Heiler meinte, es könne sein, das ich empfindlicher auf Kälte und Wärme reagieren, ich sollte mir also keine Sorgen machen.>> Trotzdem bleibt ein unangenehm, beklemmendes Gefühl in ihrer Magengegend zurück, dass sich nach und nach zur Übelkeit entwickelt, als sie schliesslich schon beinahe ausser Sichtweite von Talyras Toren sind.
Jannas Gesicht ist noch blasser als zuvor, doch sie zwingt sich selbst ein Lächeln auf, als Sira sich plötzlich umsieht und dann triumphierend den fertig gestellten Kranz durch die Luft schwingt, einen Freudenruf ausstösst und sich dann beinahe wie eine ausgehungerte Wildkatze auf den Beutel mit ihrem Kleid stürzt. Leicht verblüfft, wendet sich Janna um und versteht einen Augenblick später den Grund für die Freuden der jungen Dame und stellt gleichzeitig verwundert fest, dass der erste Abend schon sehr nahe ist. Ihre Füsse schmerzen noch kaum, doch hin und wieder ziepen ihre Oberschenkel. Der Wind wird stetig kälter und Nebel zieht vom Illdorel her auf. Da Del sowieso gerade beschäftigt scheint – Sira hüpft wie ein kleines Springteufelchen um ihn herum -, wendet sich Janna lieber ihren klappernden Zähne zu, zieht ihren Beutel von der Schulter und kramt ein wenig darin herum, bis schliesslich ihr grünes Wollhemd zum Vorschein kommt. Mit wenigen Handgriffen ist ihr Umhang gelöst und das Kleid über ihr braunes Leinenkleid gestreift, um gleich darüber ihr ledernes Mieder anzulegen, das reichlich auffallend ist, gleichzeitig jedoch auch schön warm hält und das ist momentan alles woran Janna sich schert. Als der Umhang schliesslich wieder um ihre Schultern liegt, wendet sie sich wieder ihren Weggefährten zu, ein flüchtiges: „Für heute schätze ich, genügt die Strecke und der Himmel sieht auch nicht aus, als würden wir noch lange trocken bleiben.“ <<Und morgen werde ich mir überlegen müssen, wie ich das mit meinem allmorgendlichen Problemen bewerkstelligen werde.>>

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 21. Aug. 2005, 17:12 Uhr
Die drei Wanderer setzen ihren Weg unbeirrt fort und die Stunden des Tages vergehen unbemerkt. Nachdem Sira endlich eingesehen hat, dass sie ihr neues Kleid gewiss erst später am Tage zu sehen bekommen wird, kümmert sie sich nicht mehr so sehr darum, sondern widmet sich anderen Dingen. Ihr Blumenkranz nimmt recht schnell eine sehr ansehnliche Gestalt an und kränzt schon bald das lockige Haupt des zierlichen Mädchens, welches munter zwischen Janna und Del dahinmarschiert. Gegen Mittag haben die drei Glück, ein Fuhrwerk kommt an ihnen vorüber und der Händler, ein älterer Herr mit Schmerbauch und rundem Mondgesicht nimmt sie ein Wegstück lang mit, so dass sich ihre müden Füße etwas ausruhen können.
Während sie hinten auf dem Holzkarren ein kleines Picknick veranstalten, wobei der Halbelb  Sira jedoch immer wieder darauf hinweist, dass sie noch eine weite Reise vor sich haben und ihre Vorräte deshalb sorgsam einteilen müssen. Das Mädchen verzieht zwar das Gesicht, nickt aber verständnisvoll. Obschon die Mittagszeit langsam verstreicht, ist der Himmel immer noch eher grau und die Sonne kommt nur sehr sparsam zum Vorschein. Sira legt sich auf den Rücken, verschränkt die Arme unter dem Kopf und starrt zu den Wolken hinauf, während das Fuhrwerk polternd und rumpelnd den Frostweg lang rollt. „Eine Katze, ein Hund, ein Vogel, eine Blume“, ruft sie hin und wieder aus und deutet dann mit ausgestrecktem Finger zu irgendeiner Wolke hinauf, die vage die Form der genannten Tiere, Pflanzen oder sonstigen Dinge aufweist. Janna und Del kümmern sich indes kaum um sie und so wird ihr das Spiel mit der Zeit langweilig, sodass sie aufgibt und einfach nur verträumt in die Landschaft starrt.

Irgendwann ist es dann soweit und sie müssen ihren Weg wieder auf Schusters Rappen fortsetzen. Freundlich verabschiedet sich das Mädchen von dem rundlichen, pausbackigen Händler und winkt ihm noch einige Augenblicke lang hinterher, bevor sie sich daran macht, wieder zwischen Janna und Del daherzulaufen, während Wind hinter ihnen hertrottet. Der Blumenkranz auf ihrem Kopf hat schon arg gelitten, man sieht den Blumen, die traurig ihre Köpfe hängen lassen, deutlich an, dass sie sich nach einem Schlückchen Wasser geradezu verzehren und gewiss bald vollkommen verloren sind, doch vorerst mag Sira sich noch nicht von ihrem Blütenkranz trennen. Der Wind aufgekommene nimmt immer weiter zu und das Mädchen fröstelt ein wenig. Auch Janna zieht ihren Mantel einmal mehr enger um die Schultern. Schon vor einiger Zeit hat Sira bemerkt, dass die Schankmaid offenbar recht empfindlich auf das eher herbstliche, als sommerliche Wetter reagiert. Nur Del und Wind zeigen sich unbeeindruckt, sie scheint die immer stärker abkühlende Luft nicht weiter zu kümmern und so gehen sie ungerührt weiter, ohne groß auf die beiden Frauen zu achten.
Siras plötzlicher Freudenschrei lässt jedoch nicht nur Janna zusammenzucken. Auch Wind bellt überrascht und Del ist so überrumpelt, dass das Mädchen ungehindert den heißbegehrten Beutel in die Finger bekommen kann. Talyra liegt weit hinter ihnen zurück und die Stadtmauern sind, auch wenn dem Mädchen dies erst jetzt aufgefallen ist, bereits seit einigen Stunden nicht mehr zu erspähen. Während also zwischen dem Halbelben und dem Mädchen ein regelrechter Kampf um den Rucksack samt Inhalt entbrennt, nutzt Janna offenbar die Gunst der Stunde, um wärmendere Kleider anzulegen. Als sie damit fertig ist und ihren Umhang wieder fest um die Schultern gebunden hat, ist auch die kleine Auseinandersetzung entschieden. Und obwohl Sira kurze Zeit die Oberhand hatte, da der Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite war, so ist es doch am Ende der Halbelb, der letztlich obsiegt und das Mädchen grimmig mustert. Wütend funkelt Sira ihn an. „Du hast es versprochen!“, brüllt sie, nun doch reichlich aufgebracht, da sie nicht länger hingehalten werden mag. Ihr plötzlicher Anflug von kindischem Ärger nützt ihr allerdings herzlich wenig. Mit festem Griff hält Del den Beutel umklammert und bedenkt sie weiterhin mit strengem Blick.

Als Janna sich mit einem Mal an den Halbelben wendet, wird Sira wieder bewusst, dass sie nicht allein mit Del und Wind auf der Straße ist und flammende Röte überzieht ihre Wangen, als sie sich darüber klar wird, wie albern und lächerlich sie sich soeben aufgeführt hat. Sie ist froh, als Del vorerst entscheidet, auf Jannas Worte einzugehen, anstatt sich weiter um sie zu kümmern. Sein Blick sagt ihr allerdings das er wohl noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen haben wird, wenn sich die Zeit dafür findet. Zunächst einmal stimmt er der Schankmaid aber zu und die drei sehen sich nach einem geeigneten Lagerplatz für die näher rückende Nacht nach um. Ein Stück voraus können sie die Giebel einiger windschiefer Bauernhäuser erkennen, vielleicht ein kleines Dorf, das sich nicht mehr weit von ihnen befindet. Dass es dort eine Taverne gibt, in der sie übernachten können, ist jedoch fraglich. Dennoch machen sie sich auf den Weg. Sie würden noch früh genug dazu gezwungen sein unter freiem Himmel zu nächtigen. In dem Dorf angelangt, genau genommen handelt es sich lediglich um drei heruntergekommene Höfe, die um einen schlammigen Tümpel herum gruppiert sind, sehen sich die Wanderer um. Eine Taverne gibt es, wie bereits erwähnt, nicht. Unschlüssig stehen sie herum und überlegen gerade, was sie nun als nächstes tun sollen, als ihnen die Entscheidung abgenommen wird, denn gerade kommt einer der Bauern mit seiner Frau und zwei Knechten vom Feld wieder. Zunächst begegnet ihnen der Mann recht misstrauisch, als er jedoch hört, dass sie aus Talyra kommen, sieht er sie doch ein wenig interessiert an und langsam entsteht ein Gespräch in dessen Verlauf die Bauersleute Del, Janna, Sira und Wind auf ihren Hof einladen. Reisende, die Neuigkeiten, Nachrichten, Klatsch und Tratsch aus der Stadt berichten können, sind ihnen durchaus willkommen.
Dankend nehmen die Wanderer das Angebot an. Zwar bekommen sie nur eine einfache Mahlzeit, bestehend aus etwas Hafergrütze, Ziegenkäse und Milch sowie eine Übernachtung im nahen Heuschober geboten, dafür müssen sie die Freundlichkeit der Bauersleute jedoch nur mit ein paar Neuigkeiten entlohnen. Als sie endlich in den Heuschober hinübergehen können, ist es daher schon recht spät am Abend und Sira drohen bereits immer wieder die Augen zuzufallen, da der Tag für sie doch ziemlich anstrengend war, zumal sie in der vergangenen Nacht nur sehr wenig Schlaf abbekommen hat. Nachdem sie ihr Reisegepäck abgelegt und es sich im Heu bequem gemacht haben, besteht die Kleine aber dennoch darauf, erst ihr Kleid anprobieren zu dürfen, bevor sie sich bereitwillig schlafen legen will. Angesichts der Tatsache, dass sie nun wirklich lange genug gewartet hat und den ganzen Tag über weitestgehend ohne größeres Murren und Klagen hinter sich gebracht hat, bekommt sie das neue Kleidungsstück nun auch endlich ausgehändigt, wobei Del sich eine Bemerkung bezüglich ihres nur einige Zeit zurückliegenden denkwürdigen und wenig rühmlichen Auftritts nicht vollkommen verkneifen kann. Leicht geknickt und reichlich betreten lässt das Mädchen den Rüffel über sich ergehen, stürzt sich dann aber voller Begeisterung auf den Lederbeutel, um das von Madam Pileh angefertigte Kleid endlich herauszuholen. Staunend hält sie es in Händen und dreht und wendet es hin und her. Aber erst als Janna anmerkt, dass ein Kleid wohl nicht nur zum Ansehen, sondern in erster Linie zum Anziehen da ist, macht Sira sich eilends daran es  auch anzuprobieren.

Während Del sich augenrollend, aber pflichtbewusst abwendet, schlüpft das Mädchen aus seinen alten Gewändern. Achtlos lässt Sira Lederhose und Leinenhemd zu Boden fallen und ist so beschäftigt, dass sie gar nicht daran denkt, dass Janna, die ganz in der Nähe sitzt, die auffällige Drachentätowierung nun unweigerlich auffallen muss. Ohne groß auf Del, Wind oder die Schankmaid zu achten, streift sich das Mädchen das neue Kleid über. Es besteht aus dunklem, schimmerndem moosgrünen Stoff, besitzt ausreichend Taschen und wirkt trotz all seiner praktischen Vorzüge doch nicht ganz so, wie sich der Halbelb das vielleicht gewünscht hätte. Ungeschickt fingert Sira an den Haken und Ösen des hellgrünen Mieders herum und sieht ratsuchend zwischen Del und Janna hin und her. Ihr verzweifelter Blick spricht Bände. „Wie bekomme ich das denn jetzt zu?“, jammert sie und nestelt ungelenk an dem verzwickten Verschluss herum. „Hilfe … Schhhh, Wind, verschwinde. Aus! Lass mich in Ruhe.“ Verzweifelt versucht sie den jungen Hund zu verscheuchen, der nun neugierig um sie herumtänzelt und die ganze Angelegenheit noch etwas komplizierter gestaltet. Da der graue, zottige Arduner Wolfshund allerdings längst kein kleiner Welpe mehr ist, sondern mittlerweile nahezu ausgewachsen ist, fällt es dem Mädchen schwer ihn sich zumindest halbwegs vom Leibe zu halten. Der ohnehin mittlerweile vollkommen unansehnliche Blumenkranz fällt ihr vom Kopf und landet achtlos im Heu, während sie versucht etwas Abstand zwischen sich und den jungen Hund zu bringen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 21. Aug. 2005, 19:18 Uhr
Sira tobt wie ein kleiner Springteufel, bis Janna ihr Wort an Del richtet, um zu verhindern, dass hier gleich ein Streit auf offener Strasse ausbricht, wobei sie das Mädchen bis zu einem gewissen Teil auch versteht, ebenso jedoch den Halbelben und still für sich verdichtet sich der Gedanke, ihr eigenes Kind besser in der Obhut ihrer Mutter zu lassen, als sich selbst darum zu kümmern. Als Janna jedoch sieht, dass ihre Weggefährtin putterot anläuft, tut es ihr beinahe leid, etwas gesagt zu haben und sie wirft dem Mädchen ein aufmunterndes Lächeln zu, gleichzeitig Dels Antwort lauschend, die unüberraschend positiv ausfällt.
Weiter den Weg entlang sind ein paar Rauchsäulen zu entdecken, die hinauf in den bedeckten, tristen grauen Himmel steigen, nur die dazugehörigen Schornsteine und Hütten werden noch von Tannen, Laubbäumen und einem leichten Nebel verdeckt, der traurige, halbzarte Schlieren durch die Umwelt zieht. Der Kies knirscht nass und schwer unter ihren Schritten, als sie sich aufmachen endlich ins Trockene zu kommen und wie es ihr Glück heute will, kommt ihnen ein Bauer entgegen, der, sobald er ihre Herkunft erfährt, sie mit zurückhaltender Höflichkeit auf seinen Hof einlädt und ihnen auch eine Unterkunft für die Nacht bereitstellt.
Dafür sehen sich Janna, sowie auch Del gezwungen jede Neuigkeit über die Geschehnisse preis zu geben, die ihnen gerade einfallen und das bis spät in die Nacht, wobei Janna irgendwann doch leicht ungehalten wird, als die Bauersfrau sie alle fünf Minuten erneut fragt, ob es ihr wirklich gut gehe, sie sei doch so blass im Gesicht. Zu Beginn schüttelt die Schankmaid noch freundlich den Kopf, doch nachdem sie noch nicht einmal mehr ausreden kann, ohne von der fürsorglichen Dame unterbrochen zu werden, zieht sie wütend zischend die Luft ein und faucht beinahe ein Genervtes: „Nein! Mir geht es wunderbar, war das nun verständlich?“ hinaus, was der älteren Dame dann doch den Mund verschliesst, noch ein Gemurmeltes: „Also wirklich…“, entlockend, was Janna auch sogleich Schuldgefühle in jeden Winkel ihres müden Leibes treibt und mit einem leisen Seufzen entschuldigt sie sich schliesslich auch noch mit einem spärlichen Lächeln bei der Frau, als sie doch endlich in ihr *Bett* entlassen werden. Dabei funkelt es in den Augen ihres Gegenübers und die Fältchen werden noch eine Spur tiefer, was in der Schankmaid irgendwie das Gefühl erweckt, als wüsste jeder um sie herum bereits Bescheid, ohne das sie auch nur den Mund aufgemacht hat.
<<Unsinn, ich bin nur momentan nicht Herr meiner Sinne.>>
Ein wenig gewärmt steigt das Trio schliesslich in den Heuschober wo Janna erleichtert aufatmend ihren Beutel in das Heu gleiten lässt, sich schon auf die ruhige Nacht freuend, aber sehr wohl mit dem Wissen, dass ihr Schlaf wohl kaum all zu lange dauern wird. Wie es scheint möchte Del nicht zu oft Zeit verlieren und Janna selbst ist es auch wohler so, schliesslich sollen sie am Punkt, wo sie die Gruppe verlassen soll, ankommen, bevor die Zeichen ihrer Schwangerschaft zu deutlich werden. Schnell hält sie die Hand vor den Mund, als ein Gähnen sich seinen Weg hinaus bahnt. Sira dagegen scheint sich trotz Müdigkeit partout nicht davon abbringen lassen wollen, endlich ihr heiss ersehntes Kleid in die Finger zu bekommen und kriegt es sogar, nach einem tadelnden und erinnernden Blick an ihr Gehabe am Nachmittag des Tages, wobei Janna flüchtig schmunzelt. Doch kaum hat sich Del weggedreht, ist jegliche schuldbewusste Miene von dem hübschen Mädchengesicht verschwunden und heisse Neugierde beginnt in den grünen Katzenaugen zu leuchten und der Beutel wird ohne Vorsichtig aufgerissen.

Janna hat sich derweil auf ein kleines Fleckchen Heu nieder gelassen, was sie kurzerhand als Schlafstätte auserkoren hat und breitet nun ihren Mantel aus, um ihn bis morgen trocknen zu lassen. Euphorisch wie Sira gerade ist, hat sie sämtliche Kleidung einfach auf den Boden geworfen und mit einem sanften Lächeln greift Janna nach den Sachen, um auchvsie  fürs Trocknen über einen etwas tiefer liegenden Balken zu hängen. Ihr Rücken schmerzt ein wenig, ebenso wie ihre Füsse, die ob der vielen Anstrengung des Tages merklich ziehen, was Janna ein stummes Ächzen entlockt und sie im nächsten Moment leer schlucken lässt.
Nebenbei weist sie Sira noch darauf hin, das man Kleider nicht nur anstarren, sondern auch anziehen könne und mit einem freudigen Laut beginnt das Mädchen hineinzuschlüpfen, wobei sie hin und wieder auf einem Bein herumhüpft wie ein wild gewordenes Huhn und dabei scheinbar schneller sein möchte als ihr Schatten.
Sorgfältig hängt Janna derweil die Kleidung auf, beschliesst ihre eigenen feuchten Sachen anzulassen und sieht erst fragend über die Schulter zurück, als lautes Jammern und hilfesuchendes Jaulen ertönt. Das Mädchen scheint im Umgang mit Ösen und derlei Dinge noch nicht wirklich Erfahrung zu besitzen, wobei es wohl auch schwer ist ein Kleid anzuziehen und sich gleichzeitig einen anschmiegsamen, ausgewachsenen Arduner Wolfshund vom Leib zu halten und so tanzt das seltsame Gespann durch den Heuschober, wie ein wildes Knäuel an Wollballen. Kurze Zeit beobachtet Janna das Treiben, leicht spöttelnd die Augenbrauen hochziehend, sich dann jedoch doch dazu nieder lassend, dem armen, herumhüpfenden Ding zu helfen. Das Kleid aus weichem, schimmerndem grünen Stoff passt wie angegossen und beweist nebst Schönheit auch noch praktische Veranlagungen, wie Janna mit einem Blick auf die vielen Taschen feststellt. Gleichzeitig betont die Farbe Siras Augen und macht aus dem jungen, wilden Mädchen plötzlich eine junge, heranwachsende Dame… wenn auch eine sehr aufmüpfige, sture und hin und wieder uneinsichtige junge Dame.
„Jetzt halt mal still, ich helfe dir ja schon“, wirft Janna schmunzelnd ein, um das Mädchen endlich dazu zu bringen, still zu stehen und zwar auf BEIDEN Füssen, doch irgendwie scheinen Sira Käfer unter die Sohlen gekrochen zu sein, denn auch während Janna dabei ist die Häkchen zu schliessen, geht das Kleid immer wieder auf und ab.
Plötzlich hält Janna inne und ihre Augenbrauen ziehen nachdenklich zusammen, nur um im nächsten Moment mit bestürzender Geschwindigkeit in die Höhe zu huschen. „Aber…“, kommt es erstickt aus ihrem Mund und als könne sie nicht glauben, was sie sieht, kneift sie die Augen ein-, zweimal zusammen, doch der grosse, schwarze Drache auf dem Rücken des Mädchens verschwindet noch nicht einmal dadurch. Seine eingezeichneten geschwungenen Linien ziehen sich weiterhin über die gebräunte Haut, und ergeben insgesamt das wunderschöne Abbild eines Janna sehr gut bekannten Drachen.
„Was ist denn?“, kommt es ungeduldig aus Siras Richtung, die versucht irgendwie über ihre Schulter blicken zu können, doch es braucht einen Moment bevor bei Janna die volle Tatsache, dessen was sie hier sieht, wie eine träge Münze in ihren Verstand schlingert. Ein Schatten huscht über ihre Augen und ein wütendes Glimmen erhellt das Braun, wobei sie von Sira ablässt, die sich auch sofort mit fragendem, augenscheinlich leicht verwirrtem Blick zu ihr umwendet. Janna dagegen mustert das Mädchen eindringlich, inspiziert sie von den Haarspitzen bis zu den Zehen und ihre Miene verfinstert sich nur noch mehr, bevor sie mit vor Zorn bebender Stimme fragt: „Was für Spielchen werden hier eigentlich gespielt?“

Stille! Man hätte eine Nadel zu Boden fallen hören, doch nun wird sie mehr von Dels völlig verdattertem: „Wie bitte?“, unterbrochen, was Janna nur ein entrüstetes Schnauben entlockt und innerlich spürt sie wie Erbostheit in ihr aufkocht über die Lügen, die man ihr erzählt hat. Wenn sie etwas nicht leiden kann, dann ist es Unehrlichkeit und diese Beiden hier haben sie wohl an der Nase herumführen wollen. Ihre Hände haben sich zu Fäusten geballt und Sira tritt ob der ungewohnten, zornigen Miene der Schankmaid schnell einen Schritt zurück und Wind sieht mit seinen grossen Hundeaugen ebenfalls scheinbar verwirrt von einem Zweibeiner zum Nächsten, nicht wissend, warum die Stimmung hier plötzlich so schnell von Ausgelassenheit in Angespanntheit umgeschlagen hat.
„Sie heisst nicht Sira!“, bringt Janna mit einiger Anstrengung hervor und bedenkt dabei Del mit einem Blick, der deutlich sagt, dass sie nun auch nicht mehr seinem Namen traut. „Ihr Name ist Lorne und sie ist Kijadas’s und Mírdan’s Tochter. Warum habt ihr mich belogen?! Was habt ihr vor?!“, ihre Stimme hallt laut und deutlich in dem Heuschober wieder, obwohl sie nur leise gesprochen hat, doch scharf ist das Misstrauen daraus zu hören und als sie weiter spricht, richtet sich ihr glühender Blick auf Del: „Und was habt gerade ihr mit ihr in Talyra zu suchen? Was habt ihr mit ihrem Vater gemacht?!“
Als sie nun Sira, nein, Lorne erneut betrachtet, steigt ein anderes Bild vor ihrem inneren Auge auf. Eine mittelgrosse, drahtig gebaute Gestalt mit schimmernder, bronzen farbener Haut und wallendem, jedoch meist zu einem Zopf geflochtenem, langem, rabenschwarzem Haar und als Zeichen des alten elbischen Blutes, feine Spitzen an den Ohren. Das Mädchen hier vor ihr, ist also noch nicht einmal ein Mensch, sondern mehr oder weniger etwas in Richtung Halbelbe, wenn auch weniger Elb als Mensch.
Kijada! Die Anführerin der Wächterinnen und Tochter Anataras, damaliges Oberhaupt der kriegerischen Amazonen. Janna kann sich gut an Kijada erinnern und noch viel besser an Anatara, denn sie war es gewesen, die den Entscheid von Jannas Mutter Aethelaya, nur mit griesgrämiger Miene akzeptiert hatte.
„Was hat sie hier zu suchen?“, wiederholt Janna noch einmal und weiss nicht, ob sie besser gleich ihre Sachen packen und verschwinden oder sich besser noch anhören soll, was die Beiden zu erzählen haben.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 21. Aug. 2005, 21:38 Uhr
Dank des freundliches Händler schafft es das seltsame Dreiergespann am ersten Tag weiter zu kommen, als Del dafür veranschlagt hat. Er hat zwar keinen wirklich straffen Tagesablauf geplant, aber zügig voranzukommen ist dennoch nie verkehrt. Zu ihrem Vorteil hatte der Händler nicht einmal etwas für den Transport verlangt, sondern sich damit begnügt, dass er für einen Teil seines Weges etwas Unterhaltung hat. So hatten Janna und Del ihm einfach von allen möglichen Dingen erzählt, die ihnen gerade in den Sinn gekommen sind, während Sira fleißig in die Wolken geschaut hatte. Das Mädchen bekommt während der dieser Zeit auch noch den Hinweis, dass sie sparsam mit dem umgehen müssen, was sie auf dem Rücken tragen. Einiges an Geld trägt Del zwar noch bei sich, aber auch dies würde irgendwann zu Neige gehen und das sollte nach Möglichkeit nicht in den ersten drei Tagen sein. Sira zeigt sich erstaunlich schnell einsichtig, auch wenn Del bezweifelt, dass es bei dieser einen Ermahnung bleiben würde. Als Händler und Reisegruppe sich voneinander trennen ist der Tag schon ein gutes Stück vorangeschritten, jedoch hat sich das Wetter um keinen Deut verbessert, so dass die drei eher mit zweifelnden und abschätzenden Blicken gen Himmel weitermarschieren. Aller anfänglicher Übermut ist mittlerweile gewichen. Gespräche kommen nur hin und wieder auf und dauern meist auch nicht lange. Immerhin braucht man noch genügend Stoff um sich weitere Tage um die Ohren zu schlagen und da sollte man sich nicht schon am Beginn einer Reise totreden. Mit einem belustigten Blick nimmt Del zur Kenntnis, dass auch Sira längst nicht mehr so fröhlich durch die Gegend hüpft, sondern nur noch brav einen Fuß vor den anderen setzt. Verwundert bemerkt er, dass sowohl das Mädchen als auch Janna wohl mit den Temperaturen nicht allzu viel anfangen können, während ihm selber die Abkühlung nach all den heißen Tagen ganz recht gelegen kommt. So brauchen sie sich wenigstens nicht vor der Sonne verstecken und kommen voran ohne sich ständig den Schweiß abzuwischen oder sich gar halb nackt in der Sonne braten zu lassen. Ein plötzlicher Schrei seitens Sira lässt Del herumrucken. Suchend gleitet sein Blick über die nähere Umgebung, doch nirgends ist etwas zu sehen, was ansatzweise erklären würde, wieso Sira so geschrieen hat. „Was sollte...“ Weiter kommt er nicht, denn plötzlich fühlt er, wie jemand an seinem Gepäck herumhantiert. Mit gefährlich zusammengezogenen Brauen dreht er sich zu Sira um und blickt sie tadelnd an. „Kleines Mädchen, erstens schreit man nicht einfach so ohne Grund und zweitens habe ich mich wohl klar ausgedrückt, was das Kleid angeht!“ Schmollend verzieht sich das hübsche Gesicht um gleich darauf zu einer bösen Grimasse zu werden, die schon ahnen lässt, das gleich ein trotziger Ausbruch folgen wird. >“Du hast es versprochen.“<, kommt es heftig über ihre Lippen. Del weiß, dass sie recht hat, genaugenommen tut es ihm auch leid, aber es würde nichts nützen. Würde er ihr jetzt das Kleid aushändigen, dann wäre der erste Anreiz dieser Reise weg und das könnte nerviges Genöle bedeuten. „Nein!“ Keine Widersprüche duldet, umfasst er den Beutel fester und erstickt damit jeden weiteren Ausbruch. Doch das Unverständnis brodelt weiterhin unter der blassen Stirn, bis Janna helfend eingreift und damit verhindert, dass noch jemand zu Schaden kommt.

Schweigend setzen sie ihren Weg vor, wobei wohl sowohl Del als auch Sira darüber nachdenken, wie jeder seinen Standpunkt am besten verteidigen könnte. Ganz allmählich scheint sich auch das spärliche Sonnenlicht, passend zur angespannten Stimmung, zurückzuziehen und Nebel überzieht das Land, aber wenigstens regnet es nicht. Allerdings macht es keinen allzu großen Unterschied, denn auch der Nebel durchnässt ihre Kleidung, nur erheblich langsamer. Jetzt aber ein Lager aufzuschlagen erscheint keinem eine gute Idee zu sein, so dass sie einfach weitergehen in der Hoffnung, dass sie irgendwo eine geeignete Stelle finden. Glücklicherweise zeigt sich bald darauf eine kleine Ansammlung von Häusern, die in allen die Hoffnung weckt, dass sie einen überdachten, warmen Schlafplatz haben könnten. Zügig bringen sie das letzte Stück Weg hinter sich und halten dann in unmittelbarer Nähe des Tümpels um sich umzusehen. Wirklich einladend sieht kein Gebäude aus. Der Nebel lässt alles seltsam düster erscheinen und Del hat das Gefühl, dass man sie hier möglicherweise nicht ohne weiteres beherbergen würde. Stimmen lassen sie herumdrehen, als auch schon einer der Besitzer eines der Gutshäuser mitsamt Familie auf sie zukommt. Sein anfängliches Misstrauen legt sich schnell, als sie ihre Lage erklären und sie erzählen von woher sie kommen. Fürsorglich nimmt sich die Frau des Bauern den unerwarteten Gästen an und zaubert aus dem Wenigen was sie haben ein wenn auch nicht reichhaltiges, so aber magenfüllendes, warmes Essen. Dankbar schaufeln alle drei was sie vorgesetzt bekommen in sich hinein. Nebenbei tun Del und Janna ihr bestens um die neugierigen Fragen der Bauernleute zu beantworten. Janna selber wird dabei besonders von der Frau, Matha mit Namen, begluckt. Gut, bei genauerem Betrachten sieht Janna selbst für Del etwas blass aus, aber den Aufruhr den Matha veranstaltet kann er so recht nicht verstehen und so muss er sich auch zusammenreißen, als Janna Matha nicht gerade liebenswürdig darauf hinweist, dass es ihr gut geht. Ein Grinsen mühsam unterdrücken, versucht Del sich der unangenehmen Situation zu entziehen und kündigt dann an, dass sie besser schlafen gehen sollten, da der Weg noch weit ist. „Habt Dank für das Essen, Matha. Ihr seid eine ausgezeichnete Köchin.“ Geschmeichelt von diesen Worten gibt es die allgemeinen Gute Nacht- Wünsche und man trennt sich. Während die Bauern in ihrem Haus bleiben, schlüpfen Sira, Janna und Del durch die dunkle Nacht über den Hof und verkriechen sich dann im Heu.

Es muss schon lange hier oben liegen, denn sein Duft hat nicht mehr die Frische inne, die es direkt nach dem Einlagern besitzt, aber es riecht dennoch aromatisch nach Wiesenkräutern. Mittlerweile doch recht müde, legt Del sein Gepäck an der erstbesten Stelle ab und kramt seinen weißen Mantel hervor, der ihm für die Nacht als Unterlage dienen würde, doch kaum, dass er damit fertig ist, steht bereits Sira wieder an seiner Seite und verlangt abermals nach ihrem Kleid. Um die Nachtruhe nicht unnötig herauszuzögern, stimmt Del ein und überreicht Sira den Beutel, in welchem sich das Kleid befindet. Aber vorher gibt es noch eine Standpauke, die dem Mädchen klarmachen soll, dass er keine weiteren Ausbrüche dieser Art wünscht. Brav lässt sie dies über sich ergehen, um dann das heiß ersehnte Kleid in Empfang zu nehmen. Noch bevor der erste Zipfel des moosgrünen Stoffes zu sehen ist, dreht sich Del mit dem Rücken zu Sira und sucht sich irgendetwas interessantes im Raum, womit er sich solange ablenken kann. Doch die Geräusche die an sein Ohr dringen, sorgen für genug Ablenkung und amüsiert malt sich Del die dazugehörigen Bilder aus. Ein belustigtes Schnauben folgt dem anderen, während sich Gequieke mit dem Wuffen eines Hundes und leisem Gelache von Janna vermischt. Aus den Augenwinkeln betrachtet er wie Janna ihre und die Kleidung von Sira sortiert und dabei wird ihm seine eigene, klebrige Wäsche bewusst. Prüfend blickt er an sich hinunter und schätzt dann ab, ob er ohne Hemd frieren würde. Nach einem Schulterzucken zieht er es sich kurzerhand aus und schmeißt es weniger sorgsam neben sich, um dann weiter den erheiternden Gespräch zwischen seinen weiblichen Begleiterinnen zu lauschen. Ohne jegliche Vorwarnung wird es dann aber immer leiser und kurz glaubt Del, dass irgendetwas ist. Gerade will er sich umdrehen, als Jannas Stimme mit einem gefährlichen Unterton durch den Heuschober hallt. >„Was für Spielchen werden hier eigentlich gespielt?“ < Ohne darüber nachzudenken, ob Sira etwas anhat oder nicht, dreht sich Del hastig um und blickt auf eine sichtlich wütende Janna. Er hat keine Ahnung, was so plötzlich einen Stimmungsumschwung bei ihr verursacht haben kann, aber es scheint sehr ernst. „Wie bitte?“, kommt es etwas verwirrt über seine Lippen. Jannas Kopf ruckt zu ihm herum und ihre Augen sprühen Funken, dass man Angst haben muss, dass Heu könnte Feuer fangen. „Janna, was..?“ >„Sie heißt nicht Sira! Ihr Name ist Lorne und sie ist Kijadas’s und Mírdan’s Tochter. Warum habt ihr mich belogen?! Was habt ihr vor?! Und was habt gerade ihr mit ihr in Talyra zu suchen? Was habt ihr mit ihrem Vater gemacht?!“<  Ohne sich auch nur einmal unterbrechen zu lassen, redet sich Janna vollkommen in Rage und schreit Del zum Ende hin fast an. Ein leises Grollen aus Winds Richtung macht klar, dass der Wolfshund nicht so ganz mit der Situation einverstanden ist und auch Del hat keinen blassen Schimmer, was hier vor sich geht. Ganz langsam, ohne Janna unnötig zu reizen, erhebt er sich und geht die paar Schritte zu Sira Lorne? hinüber, um sich dann vor sie zu stellen. „Ich hab keine Ahnung was das soll, aber...“  >„Was hat sie hier zu suchen?“<

Verdutzt hält Del inne, sieht zu der ängstlich dreinblickenden Sira und wieder zurück zu Janna, die aussieht, als würde sie gleich auf wie eine wildgewordene Furie losspringen. „Halt den Mund, halt einfach mal einen Moment deinen Mund!“ Auch seine Stimme ist jetzt deutlich lauter und so langsam steigt in ihm Wut auf. Er hat keinen blassen Schimmer was hier vor sich geht, aber das Janna Sira kennt, will im so gar nicht passen. Da hat er sich alle erdenkliche Mühe gegeben um Sira vor ihren Feinden zu schützen und da reisen sie ausgerechnet mit jener Person, die das Mädchen kennt und die ihr alles andere als wohlgesonnen ist. „Dich hat hier keiner belogen, verstehst du das? Ich habe Sira... Lorne... wie auch immer sie heißt, gefunden. Sie hat ihr Gedächtnis verloren. Beruhige dich verdammt nochmal, es sei denn du möchtest draußen übernachten!“ Die Fäuste noch immer geballt, bleibt Janna angriffslustig ihm gegenüber stehen. Del hat keine Angst, dass ihm Janna irgendwie gefährlich werden könnte. Auch Sira wird wohl nicht allzu viel passieren, da Wind mittlerweile richtig knurrt und seine Herrin wohl verteidigen würde. Viel eher macht sich Del Sorgen um Janna. Sie könnte so aufgebracht irgendeine Dummheit begehen, dessen Folgen einen von ihnen später leid tun könnten. „Woher kennst du Sira? Und ihre Eltern? Und was soll das heißen, was wir mit ihrem Vater gemacht haben?“ Die Erinnerung, dass Mírdan tot sein soll, kriecht durch seine Gedanken. „Glaubst du etwa, dass ich ihn getötet habe?“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 21. Aug. 2005, 22:53 Uhr
Die eben noch ausgelassene Stimmung schlägt mit einem Mal vollkommen unerwartet um. Im einen Augenblick ist Janna noch dabei Sira zu helfen, im nächsten lässt sie offenbar ziemlich verblüfft von dem Mädchen ab und tritt ein paar Schritte zurück. Eisige Stille. „Was ist denn?“, murmelt Sira, erhält aber zunächst keine Antwort. Als Janna dann doch zu sprechen beginnt, erstarrt das Gesicht des Mädchens jedoch zu einer erschrocknen Maske. »Was für Spielchen werden hier eigentlich gespielt? … Sie heißt nicht Sira! Ihr Name ist Lorne …« Da, da ist er wieder, dieser Name, den sie lieber wieder vollständig vergessen würde. Milos ernstes Gesicht taucht in Siras Erinnerung auf, als der Junge ihr erklärt, dass sie Lorne heißen würde und einen Vater habe, der tot sei. Nein, diese Lorne, die keinen Vater mehr hat, die möchte Sira nicht sein. Besorgt und ängstlich schaut sie zwischen Del und Janna hin und her, die sich mittlerweile ziemlich heftig anschreien. Das heißt, zunächst ist es vor allem die Schankmaid, welche sich ausgesprochen temperamentvoll in Rage redet. Der Halbelb reagiert anfangs noch so gelassen und ruhig, wie man es in dieser Situation eben sein kann, gegen Ende wird jedoch auch der Tonfall seiner Stimme zunehmend lauter und lauter. Sira steht indes wie angewurzelt da, scheinbar zu einer Salzsäule erstarrt. Wind, von der neuen Lage der Dinge alles andere als angetan, ist offenbar zu der Ansicht gekommen, dass seine Herrin seines Schutzes bedarf und baut sich wenig freundlich knurrend vor ihr auf, wobei er vor allem Janna nicht aus den Augen lässt.

Die Anspannung die zwischen den drei Reisenden herrscht ist geradezu körperlich spürbar. Eine Gänsehaut überzieht Siras Rücken und sie verspürt ein eigenartiges Prickeln auf den Armen. »Woher kennst du Sira? Und ihre Eltern? Und was soll das heißen, was wir mit ihrem Vater gemacht haben? Die Erinnerung, dass Mírdan tot sein soll, kriecht durch seine Gedanken. Glaubst du etwa, dass ich ihn getötet habe?« Dels Worte hallen durch den Raum und sorgen dafür, dass die Starre mit einem Mal von Sira abfällt, es ist, als hätten die Worte irgendetwas in dem Mädchen gelöst, dass nun, einem Schloss gleich, aufspringt. „Mein Vater ist nicht tot“, brüllt sie so laut sie kann, Tränen der Wutaber auch der Verzweiflung schießen rinnen ihr über die Wangen. „Rashid lügt, Milo lügt … alle die sagen das er tot ist lügen! Alle!!!“ Wie kurze, knappe Peitschenschläge tönen ihre Worte durch die neuerlich einsetzende Stille. Nur sehr langsam beginnt sie sich wieder zu beruhigen und die Lautstärke ihrer Stimme wieder ein wenig abzusenken. „Madam Pileh hat mir erzählt, dass sie meinen Vater gekannt hat und sie hat nichts davon gesagt, dass er tot ist. Nichts! Also geht es ihm gut.“ Sie sieht del verzweifelt an. „Es geht ihm gut …“ Allmählich versiegen die Tränen in ihren Augen wieder. Ohne nachzudenken hat sie eine Hand auf Winds Rücken gelegt und hält sich an ihm fest. Ihr Blick wandert zu Janna, die nun fassungslos zwischen dem Mädchen und seinem Hund sowie dem Halbelben hin und her schaut. „Was Del sagt stimmt“, erklärt sie an die Schankmaid gewandt, mittlerweile wieder in angemessener Lautstärke. „Er hat mich gefunden, im Winter, in der Sithechnacht“, fährt sie fort. „Ich lag ganz allein irgendwo draußen im Larisgrün. Er hat mich mitgenommen und sich um mich gekümmert.“ Sie sieht Janna gerade heraus an und wartet scheinbar auf eine Reaktion, vielleicht ein paar Worte, doch als diese ausbleiben, spricht sie schließlich weiter.

„Ich kann mich nicht daran erinnern, was war, bevor Del mich gefunden hat“, versucht sie der Schankmaid klar zu machen. „Wir waren in Talyra, weil wir dachten, dass mir dort jemand helfen könnte, aber wir haben nicht viel herausgefunden.“ Sira unterbricht sich einen kurzen Moment. Aber immer wieder hat man uns von Mírdan Thaín erzählt. Und …“ - Es fällt ihr schwer die nächsten Worte auszusprechen. – „ich habe einen Jungen getroffen. Milo. Er hat auch gesagt, dass ich Lorne heiße, aber ich erinnere mich nicht. Nicht an Milo und nicht daran, wie ich wirklich heiße.“ Verlegen blickt sie Del von der Seite her an. Sie hat ihm nie von ihrer Begegnung erzählt und auch mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt, was der schlaksige Junge ihr und Euron damals auf dem Inarifest berichtet hat. Unsicher, wie der Halbelb wohl auf ihr Geständnis reagieren mag, wartet sie abermals ab. Als abermals fassungsloses Schwiegen die einzige eintretende Reaktion zu sein scheint, murmelt sie leise, da sie die Stille nicht ertragen kann: „Kijada? Ist das meine Mutter? Woher kennst du sie?“ Fragend blickt das Mädchen zu Janna hinüber.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 22. Aug. 2005, 00:16 Uhr
Als ob sie Lorne gleich an den Hals springen würde, bauen sich sowohl der Halbelb – halbnackt, wie Janna verwirrt registriert -, als auch Wind mit finsteren Mienen – und bei dem Wolfshund mit hochgezogenen Lefzen – vor dem Mädchen beschützend auf und instinktiv hebt Janna ihre Fäuste, um sich notfalls gegen den grossen Mann verteidigen zu können, der sie nun anblafft, sie solle den Mund halten. Ein wütendes Fauchen kommt über ihre Lippen und ihre blassen Wangen beginnen vor Zorn über Del zu glühen. Ist das eine Falle?! „Dich hat hier keiner belogen, verstehst du das? Ich habe Sira... Lorne... wie auch immer sie heißt, gefunden. Sie hat ihr Gedächtnis verloren. Beruhige dich verdammt nochmal, es sei denn du möchtest draußen übernachten!“
Ihr Gedächtnis verloren? Gefunden? Draussen übernachten? „Wag es noch nicht einmal daran zu denken mich anzufassen, oder ich breche dir jeden Knochen einzeln“, knurrt sie mit Wind um die Wette, der in leichter Duckstellung vor Lorne steht und jeden Moment dazu bereit scheint, ihr an die Kehle zu springen. „Woher kennst du Sira? Und ihre Eltern? Und was soll das heißen, was wir mit ihrem Vater gemacht haben? Glaubst du etwa, dass ich ihn getötet habe?“
Ihre Miene wird noch finsterer und langsam tritt sie einen Schritt zurück, mit einer Hand nach dem Dolch auf ihrem Rücken greifend, um sich notfalls verteidigen zu können, denn allein durch Kraft wird sie gegen Del wohl kaum ankommen, zumindest nicht nach vier Jahren ohne Training, abgesehen von den gelegentlichen Schiessübungen mit dem Bogen im Wald.
Aus ihren Augen sprühen Blitze, doch als sie auf Lorne treffen, werden sie sogleich ein wenig milder, denn dieses Mädchen gehörte dem gleichen Stamm an, wie sie es auch einst getan hat… was Del scheinbar nicht weiss und wie sie einen Augenblick später verblüfft feststellt, Lorne selbst ebenso wenig.
Janna kann nicht verhindern, dass ihr der Kiefer auf die Brust sinkt und sie das schwarzhaarige Mädchen anstarrt, wie es sich mit einer Hand auf ihrem hundischen Beschützer abstützt und gleichzeitig mit Tränen in den Augen dagegen protestiert Lorne zu heissen und einen toten Vater namens Mìrdan zu haben. „Rashid lügt, Milo lügt … alle die sagen das er tot ist lügen! Alle!!!“
RASHID?! Für einen Moment setzt ihr Verstand ungläubig aus und sie hofft aufzuwachen aus diesem wahnsinnigen Possenspiel und fest zu stellen, dass es nur ein Traum ist. Doch auch nach weiteren Herzschlägen, steht da noch immer eine verzweifelte, schreiende Lorne, ein knurrender und jaulender Wind und ein wild und böse dreinblickender Del vor ihr, zu dem sie partout Abstand hält, noch immer eine Hand auf dem Rücken, die Finger fest um den Griff des Dolches geschlungen.
Janna kann spüren wie in ihr ein Feuer zu lodern beginnt, gefährlich nahe an einem Ausbruch und ihr Blut kocht in ihren Adern. Sie ist nur kurz davor Del einfach an die Kehle zu springen und dem Mädchen ein paar kräftige Ohrfeigen zu verpassen, damit sie wieder zur Besinnung kommt.

Lorne jedoch schafft es scheinbar unter grösster Anstrengung ihre Lautstärke ein wenig zu reduzieren und fährt ohne Punkt und Komma fort, Janna zu erklären, dass alles was Del gesagt hat die Wahrheit ist, auch wenn die Schankmaid nicht dazu fähig ist, es sofort und ohne kräftige Beweise zu glauben. Als sie jedoch Lornes Blick sieht, wie sie schuldbewusst zu Del aufsieht, der noch immer hoch aufgerichtet vor ihr steht und sie so vor Janna schützt, wird der Amazone bewusst, dass dieses Mädchen, das den ganzen Stamm der kriegerischen Frauen dereinst in Aufregung und Streit versetzt hat, wirklich nichts mehr davon weiss. Das unschuldige, blasse Gesicht blickt zu ihr auf, eine widerspenstige Strähne umspielt die Wange, und fragt beinahe scheu und mit bebenden Lippen: „Kijada? Ist das meine Mutter? Woher kennst du sie?“
Heftig schnappt Janna nach Luft und muss sich plötzlich an dem tief hängenden, aus schwerem Eibenholz bestehenden Balken abstützen, um zu verhindern, dass ihr die Beine nachgeben. Doch im nächsten Moment, sacken sie unter ihr weg, als bestünden sie aus weicher Teigmasse und mit einem dumpfen Aufprall schlägt Janna auf den Knien auf. Ein stechender Schmerz fährt durch ihre Hüfte, schwarze Flecken tanzen aufmüpfig vor ihren Augen umher und unbändige Übelkeit steigt in ihr auf, auf dass sie sich würgend und spuckend nach vorne beugt und ihr Abendessen kurzerhand wieder der Freiheit übergibt.
Heftig atmend presst sie die Hände vor ihren Bauch und ein leises Wimmern dringt aus ihren blutleeren, zusammengepressten Lippen. In ihrem Kopf hallt ein dumpfes, schmerzliches Pochen, das ihr jeglichen klaren Gedanken verbietet und ihr Körper fühlt sich plötzlich so bleiern und schwer an, als hätte man Steine daran gebunden. Trotz allem nimmt sie wahr, dass sich sowohl Lorne, als auch Del noch stets im gleichen Raum befinden und sie nach und nach begreift, wie jämmerlich sie dort am Boden kniet, vor einer grossen, graugrünen Lachen und sich wohl gerade zum Gespött der Leute gemacht.
Flüchtig wirft sie Del einen Seitenblick zu, gleichzeitig den säuerlichen und grässlichen Geschmack hinunter schluckend, der von den Überresten ihres Essens übrig geblieben ist. Als sie jedoch bemerkt, dass der Halbelb sich ihr mit misstrauischem Blick zwei, drei Schritte genähert hat, fliegt ihre Hand ruckartig nach vorne und angestrengt presst sie ein: „Bleib mir bloss vom Leib!“, zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, nicht bemerkend, dass durch ihre Position nun der Blick auf den Dolch freigeworden ist, der in einer Scheide an einem Gurt auf ihrem Rücken hängt.
Zitternd wischt sie sich mit dem Hemdsärmel über den Mund, und streicht sich mit einer Hand schnell einige Strähnen aus dem erhitzten Gesicht, sich auf ihren Hosenboden setzend und hoffend, das der Schwindel, der es ihr gerade unmöglich macht, sich erneut zu erheben, schnell wieder verschwindet. Dabei sieht sie Lorne aus ungläubigen Augen an, Del aus den Augenwinkeln im Auge behaltend, und kann einfach nicht fassen, dass dieses Mädchen wirklich ihre ganze Vergangenheit vergessen haben will.

Der Heustober ächzt und seufzt unter dem rauen Wind, der über das strohbedeckte Dach streift und nur durch eine winzige Dachspalte fällt ein wenig fahles Mondlicht, das jedoch kaum ausreicht eine Ecke des Ganzen zu erleuchten und so stehen und sitzen sich Del, Lorne und Janna, sowie Wind im Fastdunklen gegenüber und keiner der drei scheint gewillt, auch nur ein wenig die angespannte Haltung aufzugeben, die die Luft zwischen ihnen beinahe zum knistern bringt.
Del hat einen Arm ausgestreckt, an dem sich Lorne festkrallt und mit grossen, im Schatten jadegrün schimmernden Augen auf Janna hinabblickt, die sich gerade mit grösster Willensanstrengung dazu hinreissen lässt, ein wenig zurück zu rutschen, bis sie mit dem Rücken an eine Querstütze des Hauses anlehnen kann. Ihr ganzer Leib bebt und fest schlingt sie die Arme um ihre Knie, leer schluckend und erst nach einigen Augenblicken, die in völligem Schweigen vergehen, nickt sie schliesslich vage und kaum erkenntlich im Dunkel und antwortet mit kratziger Stimme: „Ja, ich kannte deine Mutter und ich kannte auch deine Grossmutter und ich habe von deinem Vater gehört. Kijada, so heisst deine Mutter. Und Anatara ist der Name deiner Grossmutter. Ich kannte sie beide, aber…“ Ihr trüber Blick huscht zu Del und gerade jetzt wird ihr die Tatsache, das sein Oberkörper entblösst ist wirklich bewusst und ein Schatten legt sich auf ihre Züge: „Del, du weißt wirklich nicht, wen du da bei dir hast oder? Lüg mich nicht an, denn ich bin momentan dazu fähig und werde dich grün und blau schlagen, wenn ich glaube du sprichst nicht die Wahrheit.“ Es ist deutlich zu sehen, dass der Halbelb die Drohung nicht ernst nimmt, doch zumindest lässt er sich zu einer ruhigen Antwort nieder: „Ich habe bis jetzt immer die Wahrheit gesagt.“
Ein schwaches Kopfschütteln ist Jannas erste Reaktion, bevor sie, noch immer mit Ungläubigkeit, auf Wind blickt und schliesslich zu Lorne aufsieht: „Ich weiss nicht ob dein Vater tot ist, aber wenn, dann hätte jemand anders auf dich Acht geben sollen, denn nie hätte deine Mutter gewollt, dass du ohne Schutz durch die Immerlande läufst. Kijada, deine Mutter ist eine Amazone und war die Führerin einer Wächterinnengruppe, der meine Mutter angehörte. Deine Grossmutter Lorne… war zumindest damals die Führerin des ganzen Stammes. Es hat einen riesigen Aufstand um dich gegeben, weil dein Vater darauf bestand, dir als Zeichen deiner Herkunft den Drachen seiner Familie auf den Rücken tätowieren zu lassen und deine Mutter hat das zugelassen. Doch die alte Schamanin, ich habe ihren Namen vergessen, die damals als Älteste unseres Stammes galt, prophezeite, dass die Tätowierung für den Stamm und dich Unglück bringen würde und schliesslich hat man beschlossen, dich deinem Vater zu geben. Ich weiss noch genau, die Klage- und Protestrufe von den Frauen, das hin und her, was nun mit dir geschehen soll. Schliesslich gab man dich deinem Vater, doch weiter weiss ich auch nicht, denn…“ Plötzlich hält sie inne, als sie bemerkt, dass sie von Lornes Geschichte beinahe auf ihre eigene abgeschweift wäre und der Wunsch irgendwas zu zertrümmern wird so drastisch, dass sie eine Faust hart auf den jammernden Bretterboden donnern lässt, in ihrem Stolz durchaus verletzt. Ohne auch nur einen weiteren Blick an die Beiden zu verschwenden, rappelte sie sich auf ihre schmerzenden Knie auf und rutscht nach vorne, bis zu den Überbleibseln ihres Abendessens. Kurzerhand nimmt sie ihren immer noch feuchten Umhang und beginnt damit die Sauerei aufzuwischen, denn wenn sie mit etwas Erfahrung hat, dann mit auf dem Boden liegendem Erbrochenem von Betrunkenen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 22. Aug. 2005, 20:55 Uhr
Vollkommen auf Janna konzentriert, die ihn soeben anfährt, dass er es ja nicht wagen sollte sie zu berühren, ignoriert Del vollkommen was Sira an seiner Seite tut. Nur nebenbei bekommt er mit, das sie wohl ihren ersten Schock überwunden hat und sich zögernd einen Schritt nach vorne begibt, so dass Del nun doch zu ihr sehen muss. Und sei es nur um abzuschätzen, wer von den beiden Frauen als erstes etwas dummes tut. Sira in ihrem kindlichen Elan könnte versuchen die Erwachsenen zu beruhigen, was angesichts gehobener Fäuste und wildem Geknurre keine allzu gute Idee ist. >„Mein Vater ist nicht tot. Rashid lügt, Milo lügt … alle die sagen das er tot ist lügen! Alle!!!“< Die dünne Stimme geht fast in ein hysterisches, verzweifeltes Schreien über und tut unangenehm in den Ohren weh. Unsicher, ob Sira sich gleich einfach auf den nächstbesten stürzt um ihn mit ihren Fäusten zu bearbeiten, behält er das Mädchen in den Augen, während sie Janna, mit all ihrer Überzeugung die sie gegenwärtig aufbringen kann, erklärt, dass er recht hat. Natürlich hab ich das. Wissen die Götter was Janna für Probleme hat! Am liebsten hätte er die Worte laut ausgesprochen, doch Sira hat noch immer nicht fertig gesprochen und schildert eine Kurzfassung des vergangenen Winters. Ganz nebenbei bemerkt Del, dass Sira sich schutzsuchend an Wind klammert. Bei den Göttern, was für ein Irrsinn ist das hier? Er hat keine Ahnung, warum Sira ein Stück vor ihm abrückt und scheinbar nur noch Wind als ihren Beschützer sieht, als sie recht leise und kaum verständlich wieder diesen Milo und einen Euron erwähnt. Fassungslos starrt er das Mädchen an und glaubt sich verhört zu haben. Seit mehreren Siebentagen, nein eigentlich seit einem halben Zwölfmond versuchen sie nun schon alles erdenkliche an Informationen herauszubekommen und dann muss er jetzt, während eine wildgewordene, halb nasse Furie vor ihm steht, feststellen, dass ausgerechnet Sira ihm etwas verschwiegen hat? Ganz langsam schließt sich seine Faust, um nicht die Hand gegen Sira zu erheben. Er sieht sie noch immer als seine Ziehtochter und genau dieser Punkt macht es ihm schwer, sie nicht hier auf der Stelle für diese Unverschämtheit eine Tracht Prügel zukommen zu lassen. Schweigend blicken sie sich an. Sira sichtlich verlegen und erheblich unsicher. Del einfach nur maßlos wütend. Wütend auf sich, aber auch auf das blasse Mädchen vor sich, welches ihn anscheinend nur ausgenutzt hat, damit sie nach Immerfrost kommt. Um der unangenehmen Situation zu entkommen, sieht Sira hastig weg und versucht es mit ein paar Fragen in Richtung Janna.

So als würde er Sira Lorne? Ist das dein wirklicher Name? zum ersten Mal sehen, versucht er sich einen Einblick in den Charakter des Mädchen zu verschaffen. Schwarze Locken umrahmen das blasse, Gesicht, dessen Augen von den Tränen leicht verquollen aussehen. Das Grün ihrer Augen leuchtet aber selbst im Dunkeln ungemindert und steht in keiner Konkurrenz zu der Farbe des Kleides. Warum hast du das getan? Verdammt. Hab ich es verdient, dass du mich anlügst? Stark gekränkt, verspürt Del plötzlich den Wunsch seine Sachen zu packen und einfach abzuhauen. Oder zumindest nach draußen zu gehen und sich vom Regen abkühlen zu lassen. Es will ihm einfach nicht in den Kopf, warum Sira ihn belügen sollte, wo er doch in den letzten Monden alles nur erdenkliche für sie getan hat. >„Kijada? Ist das meine Mutter? Woher kennst du sie?“< Die Antwort die Sira darauf erhält, lässt Del angeekelt das Gesicht verziehen. Es ist nicht unbedingt das Geräusch, sondern viel eher der Geruch, der ihn zu Janna blicken lässt. Auf den Knien hockt sie vor ihrem Erbrochenen und macht noch immer nicht den Eindruck, als habe sie endlich genug von diesem ganzen Theater. Nein, eher scheint es, als wolle sie das Ende möglichst blutig, denn als er sich nun doch etwas besorgt nähert, entdeckt er den Dolch auf ihren Rücken. Sowie kurz darauf ein Augenpaar, dass ihn sofort auf der Stelle durchbohren würde, wenn es denn könnte, was ihre Worte ein wenig harmloser ausdrücken. Meinetwegen verreck dort, wenn es dir lieber ist, antwortet er ihr heftig in Gedanken, kann sich aber gerade noch beherrschen es laut zu sagen. Sie hätte ihm dafür wohl gleich den Dolch in die nächstbeste Stelle gerammt. Langsam setzt sie sich auf den Boden, um dann Sira Rede und Antwort zu stehen. Misstrauisch, aber auch ein wenig überfordert von dieser Situation hört er zu, was Janna nun zu dem ganzen Theater beizutragen hat. Sira scheint sich ihn wohl nun doch wieder als Beschützer auserwählt zu haben und nähert sich vorsichtig, um sich gleich darauf an seinen Arm zu klammern. Vielleicht doch keine Kinder, denkt er seufzend, als Jannas Stimme in der Stille des Heuschobers erklingt. Die ersten Worte dienen der allgemeinen Erklärung. Ein wenig hat sich die erhitzte Stimmung bis dahin abgekühlt, zu mal Janna jetzt nicht mehr ohne weiteres aufspringen kann, doch als Del ihre Frage hört und die Aufforderung sie nicht anzulügen gleich dazu, fängt sein Inneres wieder an zu brodeln. Welchen Grund hätte ich dich anzulügen? Sag mir das! Ich kenne dich nicht einmal! Stumm sieht er sie an, ehe er sich doch zu einer gefassteren Antwort durchringt. „Ich habe bis jetzt immer die Wahrheit gesagt.“ Janna scheint diese Reaktion erwartet zu haben und fährt dann fort, so als wäre die gar nicht unterbrochen worden. Die Geschichte die sie dann erzählt, lässt Del mehrmals ungläubig blinzeln. Nur mit Mühe gelingt es ihm, dass aufsteigende Lachen über diese unmögliche Situation zu unterdrücken. Amazonen! Die Götter stehen mir bei. Soris, was bei allen neun Höllen hab ich getan, dass ich das verdiene? Ich darf mich nicht nur mit einem störrischen Kind und einer halb Verrückten herumplagen, nein nun erfahre ich auch noch, dass es Abkömmlinge irgendwelcher wildgewordener Frauen sind. In einer Geste der Hilflosigkeit schlägt er die Hände vor dem Kopf zusammen, um sich dann einige Schritte von den beiden zu entfernen. Ein dumpfes Poltern zeugt davon, dass Janna kurzzeitig einen Weg gefunden hat, um ihren aufgestauten Gefühlen platz zu machen.
Warum muss ausgerechnet ich das Kind einer Amazone und drachenvernarrten Vaters finden? Unfähig irgendetwas anderes zu tun, tritt er kräftig in die Luft, erwischt aber nur Stroh welches raschelnd durch die Luft fliegt und Staub aufwirbelt. Hustend und verärgert über alles, lässt er sich an Ort und Stelle nieder. Schweigend starrt er in das graue Halbdunkel vor sich. Sira steht noch immer am selben Fleck, während Janna wenig würdevoll ihren ehemaligen Mageninhalt entfernt. Ein säuerliches Grinsen liegt in seinem Gesicht, das es ein absolut unmögliches Bild bietet, wie eine eben noch wild fauchende Frau oder auch Amazone nun eifrig wie ein Waschweib über den Boden schrubbt.

Lange Zeit sagt keiner etwas. Jedes falsche Wort könnte die Situation sofort wieder zum überkochen bringen und jeder braucht eine Weile um das eben gehörte zu verdauen und abzuwägen, was dies im weiteren Verlauf für sie bedeuten wird. Einfach so tun, als wenn nichts gewesen wäre, ist undenkbar. Allerdings will Del auch nichts einfallen, was in diesem Moment überhaupt denkbar wäre. Er ist nicht gewillt mit Sira oder Janna zu sprechen, doch es würde sich nicht vermeiden lassen. Eigentlich hatte er bei Sichtung des Hauses nur an einen trockenen Schlafplatz gedacht. Vielleicht hätten sie noch eine Weile erzählt und wären dann alle friedlich eingeschlafen, aber so wie die Dinge jetzt stehen, würde die Nacht sehr unruhig werden. Jeder ständig mit dem Gedanken das einer auf den anderen losgehen könnte im Hinterkopf. „Verdammte Scheiße!“, brüllt er plötzlich in die Stille, erhebt sich und stampft wütend nach draußen. Die Stille, das trockene Heu, der Geruch des Erbrochenen, das alles erscheint ihm zusammen mit Janna und Sira alles andere als erträglich und vielleicht würde ihn der ständig niederprasselnde Regen abkühlen. Sollten die beiden sich doch die Köpfe einschlagen, irgendwelche Bräuche würde es schon geben, die das unter Amazonen fair regeln. Im Moment scheint ihm jedenfalls jede Sorge um Sira fremd und er will einfach nur noch einen klaren Kopf bekommen. Talyra ist nur einen Tag entfernt, Immerfrost jede Menge mehr; daher sollte gut entschieden sein, ob er mit den beiden weiterreist- sofern überhaupt noch bedarf dazu besteht.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 23. Aug. 2005, 16:39 Uhr
Hilflos, so hilflos wie auch Janna und Del, lässt Sira – Lorne – sich an Ort und stelle zu Boden plumpsen. Wind tut es ihr gleich und dankbar lehnt sie sich an seinen Rücken, kuschelt sich an das weiche, vertraut riechende Fell des Hundes. Mittlerweile hat es zu regnen begonnen und sie kann die Tropfen rhythmisch auf das Scheunendach klopfen hören. Tock, tock, tock … Tock, tock, tock. Dels plötzlicher Ausruf lässt das Mädchen erschrocken zusammenzucken. Besorgt, aber unfähig irgendetwas zu sagen oder sich auch nur zu rühren, sieht sie dem Halbelben nach, während dieser wütend aus der Scheune hinaus in den Regen stampft. Das Tor fällt krachend hinter ihm zu, dann ist sie mit Janna allein. Aber auch die Schankmaid ist offenbar nicht gewillt mit dem Mädchen zu sprechen und müht sich stattdessen weiter ab, ihr Erbrochenes zu beseitigen. Der beißende, säuerliche Geruch erfüllt mittlerweile die ganze Hütte, doch nach und nach beginnt Sira – Sira, ich heiße Sira, verdammt! – sich daran zu gewöhnen und irgendwann nimmt sie den Geruch gar nicht mehr wahr. Sie betrachtet Janna nachdenklich. Sie ist also eine Amazone und meine Mutter auch. Dann bin ich also auch eine Amazone, oder?, überlegt sie und findet diesen Gedanken reichlich komisch. Wilde, haarsträubende Räuberpistolen, die man sich an allen Ecken und Enden der Immerlande über die geheimnisvollen, kriegerischen Frauen erzählt, fallen ihr ein. Das Mädchen blickt an sich herab. Nein, eigentlich kommt sie sich ganz und gar nicht wie eine Amazone vor und sie hat auch nicht unbedingt das Gefühl, dass sie gerne eine sein möchte. Außerdem, wenn Janna Recht hat, dann haben sie mich ja fortgeschickt, sie wollen mich gar nicht. Der Gedanke hat nichts tröstliches, aber auch nichts bedrückendes an sich. Er fast für Sira lediglich eine Tatsache zusammen: Ich will keine Amazone sein.

Ihr Blick wandert zurück zu Janna. Aber sie ist eine Amazone, oder? Und sie will in den Dunkelwald, wo die Amazonen leben … Jetzt erst wird sich das Mädchen der Bedeutung von Jannas Reiseziel bewusst. Eine dumpfe, vage Erinnerung flackert in ihr auf. Baile Craobh. Ein Name, ein Ort? Sira weiß es nicht, erinnert sich nicht und trotzdem haben die beiden Worte etwas sehr vertraut Klingendes an sich. Allerdings zögert sie zunächst, die Worte laut auszusprechen und Janna direkt danach zu fragen. Schließlich fast sie sich aber doch ein Herz. Sie räuspert sich vorsichtig, um die Aufmerksamkeit der Amazone auf sich zu lenken. Auch Wind spitzt sogleich die Ohren und beobachtet genau jede von Jannas Reaktion. „Baile Craobh, weißt du, was das bedeutet?“, fragt Sira leise. Die Amazone hebt den Kopf, natürlich weiß sie, was die Worte zu bedeuten haben. „Baumstadt!“, faucht sie das Mädchen unfreundlich an, um es anschließend völlig zu ignorieren. Sira sieht sie schockiert an und zieht sich dann verletzt zurück. Baumstadt, woher soll ich das den wissen?, denkt sie pikiert und Wind knurrt leise. Natürlich, wenn sie sich erinnern könnte, wäre das vielleicht etwas anderes, aber so? Sie erinnert sich nicht, das ist es ja eben. Irgendwie gelingt es dem Mädchen doch noch einmal zu lächeln. „Es scheint dir nicht gut zu gehen“, murmelt sie verlegen und deutet auf den dunklen, feuchten Fleck zu Jannas Füßen. „Vielleicht ist es besser, wenn du dich ausruhst und mir morgen mehr erzählst?“ Bittend sieht sie die Amazone an, doch die ignoriert sie auch weiterhin. Stumm, enttäuscht und ziemlich gekränkt wendet sich Sira ab. Das Mädchen ist selbst viel zu müde, um sich nun noch länger zu unterhalten, geschweige den die Augen auf zu halten, obgleich sie andererseits innerlich viel zu aufgekratzt ist, um zur Ruhe kommen zu können. Unschlüssig schaut sie noch kurz zwischen der Amazone, dem geschlossenen Scheunentor und Wind hin und her. Als es weiterhin still bleibt, wendet sie sich ab, schlüpft verlegen wieder in ihre alte Hose und das abgetragene Hemd und legt sich anschließend, dicht an Wind geschmiegt, schlafen.

Es dauert nur etwas, dann ist das Mädchen trotz aller Aufregung eingeschlafen. Allerdings ist ihr Schlaf unruhig und von schlechten Träumen erfüllt, weshalb Sira schon bald wieder erwacht. Verwirrt und zunächst reichlich orientierungslos sieht sie sich um. Angst steigt in ihr auf und ein Anflug von Panik nimmt ihr für einen Augenblick die Luft zum Atmen. Schon im nächsten Moment fällt ihr jedoch zum Glück wieder ein, wo sie sich befindet und sie entspannt sich merklich. Allmählich gewöhnen sich ihre Augen an die Dunkelheit und sie kann zumindest vage Schemen erkennen. Janna liegt offenbar in der Nähe, ob sie schläft oder wach ist, kann Sira aber nicht sagen. Von Del fehlt noch immer jede Spur. Ist er etwa noch immer draußen?, überlegt das Mädchen und legt die Stirn in Falten. Tock, TOCK, tock … Tock, TOCK, tock. Der Regen scheint zugenommen zu haben und immer wieder rütteln vereinzelte Windböen am Tor der Scheune. Ob ich lieber mal nachsehen sollte?, grübelt das Mädchen und dreht sich unschlüssig hin und her. Ernstliche Sorge und Angst machen sich in ihr breit. Was ist, wenn er mir so böse ist, dass ich ihm die Sache mit Milo verschwiegen habe, dass er einfach ohne mich verschwindet? Der Gedanke lässt sie wie von der Tarantel gestochen aufspringen. Alles nur bitte das nicht …! Überstürzt stolpert in Richtung Scheunentor und läuft blindlings in den strömenden Regen hinaus. Dicke Tropfen schlagen ihr sogleich vom Wind getragen ins Gesicht und lassen Sira zunächst hilflos blinzeln, da sie für einen Moment nicht einmal ihre eigene Hand vor Augen sehen kann.

Als sie endlich wieder halbwegs etwas erkennen kann, schaut sie sich um, wobei sie sich mehrmals um die eigene Achse dreht. Dunkle Wolken verdecken den Mond zumeist, weshalb es relativ dunkel ist und das Mädchen kaum weiter als ein paar Schritte sehen kann. Den Halbelben kann die Kleine daher erst einmal nirgendwo ausmachen. Zögerlich einen Fuß vor den anderen setzend entfernt sie sich stückweise von der Scheune. „Del? DEL?“, ruft sie immer wieder. Erst leise, dann lauter, wobei ihre Stimme aufgrund zunehmender Panik mit jedem weiteren Ruf eine Nuance spitzer wird. „DEE – HEEE –LLL?“ Erschrocken wirbelt sie herum, als sich mit einem Mal eine Hand unvermutet auf ihre Schulter legt, sie packt und grob herumdreht. Erst will sie aufschreien, doch als gleich darauf eine ziemlich vertraute Stimme erklärt, sie im Namen aller Götter endlich den Mund halten und nicht das ganze verschlafene Dörfchen zusammenbrüllen, atmet sie erleichtert auf. „Del“, flüstert sie. „Ein Glück, du bist noch da.“ Und noch bevor der Halbelb es verhindern kann, hängt bereits ein triefendes, tropfendes Bündel Sira an seinem Hals, klammert sich daran fest und lässt erst wieder von ihm ab, als er dezent darauf hinweist, dass er gerne noch etwas länger am Leben zu bleiben würde anstatt hier und jetzt an Ort und Stelle wenig ruhmreich zu ersticken. Brav lockert das Mädchen die Umarmung etwas, lässt den Halbelben aber noch immer nicht völlig los. Atemlos sprudeln die Worte nur so aus ihr heraus. „Bist du sehr böse auf mich?“, fragt sie ängstlich. „Das mit Milo tut mir leid, ich hätte es dir eher erzählen sollen … aber ich erinnere mich doch gar nicht daran, dass ich Lorne heiße und ... Ich möchte weiter Sira bleiben, wirklich.“ Einen Moment lang schweigt sie und sieht Del einfach nur an. „Bitte sei mir nicht mehr böse“, bettelt sie leise. Dicke Tränen kullern ihr die Wangen hinunter und vermischen sich mit dem fallenden Regen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 24. Aug. 2005, 17:28 Uhr
Wie unendliche viele Finger die auf nackten Haut herumtippen, prasselt der Regen auf ihn herunter und nach nur wenigen Schritten kann er keine einzelnen Tropfen mehr auf seiner Haut ausmachen. Viel mehr scheint es, als wate er am Boden eines Sees entlang. Weit gucken kann er nicht. Sowohl die Dunkelheit als auch der Regen raubt ihm jegliche Sicht. Schemen sind schwach im näheren Umkreis auszumachen. Büsche, Bäume und die wagen Formen der Gebäude. Beinah orientierungslos läuft Del in eine beliebige Richtung und hofft, dass es nicht der dreckige Tümpel sein wird, der sich irgendwann vor ihm auftut. Aber selbst wenn er plötzlich durch abgestandenes, fauliges Wasser warten würde, erscheint ihm diese nächtliche Heimtücke doch weitaus angenehmer, als das soeben erlebte Chaos. Einfach nur schlafen war sein Gedanke gewesen. Der verlockende Genuss von Wärme und Trockenheit hatte ihn glauben lassen, dass der erste Tag gut überstanden worden ist und nun stiefelt er bei strömenden Regen in tiefschwarzer Nacht über aufgeweichten, schlammigen Boden und mag nicht einmal daran denken, dass er wieder zurück zu Sira und Janna muss. Wobei ihm das Muss eigentlich gerade sehr zweifelhaft vorkommt. Er hatte Sira gegenüber Versprechungen gemacht, doch das war zu einem Zeitpunkt gewesen, an dem er darauf vertraut hatte, dass sie ihm nicht verheimlichen würde. Nun ist alles anders und das könnte für ihn bedeuten, dass er auch einfach seine Pläne ändert. Die Reise ist ihm sehr gelegen gekommen, doch bislang hatten seine Reisen meist allein stattgefunden und in diesem Moment wird ihm auch klar warum. Da gibt es keine Überraschungen oder übergeschnappten Reisegefährten. Man ist einfach allein mit sich und der Natur. Hin und wieder sieht man andere Reisende, aber ansonsten hat man niemanden gegenüber irgendwelche Verpflichtungen und kann sich sicher sein, dass man nicht aufgrund eines Streites, durch Regen rennt.
Sich den Regen aus den Augen zu wischen gibt Del irgendwann ganz auf. Es hat keinen Sinn, denn das Wasser läuft schneller über sein Gesicht als er mit dem Wischen nachkommt. Zeitweise läuft er sogar völlig blind. Annäherungsweise hat er noch im Kopf wie die Häuser, Ställe und Zäune aufgebaut worden sind, so dass er bis auf einmal mit nichts kollidiert oder plötzlich gegen eine Wand läuft, die sich hinter dem Vorhang aus Regen zeigt.

Wie lange er auch durch die Nacht rennt, der Himmel bleibt grauschwarz, der Mond zeigt sich nur spärlich am Rande einiger Wolken und der Regen scheint eher zu zunehmen, als das er abebbt. Doch das kühle Nass hat dazu beigetragen, dass sich sein Inneres wieder beruhigt hat. Der Streit erscheint ihm zwar noch immer so unsinnig wie zuvor, doch lässt ihn der Gedanke an Janna oder Sira nicht mehr sofort explodieren. Vollkommen durchnässt sucht Del sich langsam wieder einen Weg zurück durch die Dunkelheit. Mehrmals rutscht er fast auf dem glitschigen Boden aus, kann sich aber jedes Mal im letzten Moment fangen. Glücklicherweise kann niemand sehen wie er dabei wenig geschickt mit den Armen rudernd um Gleichgewicht kämpft, denn das hätte seinen Zorn wohl wieder von neuem entfacht. Das erste Haus dass sich aus dem Regen vor ihm pellt, ist nicht das Gebäude dessen Besitzer sie eingeladen haben und so stampft Del missmutig weiter. Beinahe wäre er doch im Tümpel gelandet, doch das verdächtige dumpfe Rascheln von Gras warnt ihm im letzten Moment. Er verspürt keinen Drang sich jetzt schon zu Janna oder Sira zu begeben. Würde er noch länger hier draußen bleiben, dann wäre die Chance, dass sie beiden schlafen größer und so setzt er sich einfach nahe des Heuschuppens auf ein Holzfass. Durch das Dach, unter welchem sich das Fass befindet und das allerhand Gerätshaften beherbergt,  ist er nun größtenteils vor dem Regen geschützt, doch dadurch spürt Del wie nun die Kälte in ihm entlang kriecht. Vorher hatte ihn die ständige Berührung es Regens davon abgelenkt, aber nun lässt sich nicht mehr leugnen, dass ihm kalt ist. Trotzdem bleibt er still auf dem Fass sitzen und starrt, die Ellbogen auf die Knie gestützt, in die düstere Nacht hinaus. Ganz langsam und so das man es kaum mitbekommt wird der Regen weniger, hört aber nicht vollständig auf. Überall dort wo sich seine Schuhe in den weichen Boden gepresst haben, sind seine Fußabdrücke voll Wasser gelaufen und bilden zusammen mit den anderen kleinen Pfützen eine regelrechte Seenlandschaft. Hin und wieder folgt Del den Ringen, welche die Tropfen auf die Pfützen zaubern, mit seinen Blicken, doch ist dieses Spiel nur wenig interessant. Aber noch weniger interessant ist das Grau, dass ihn ringsherum umgibt. Selbst das helle Strohdach über seinem Kopf wirkt dunkel und trist. Noch immer hat sich seine Müdigkeit nicht zurückgemeldet. Einzig die Kälte und der Regen leisten ihm hier draußen Gesellschaft. Leichter Wind kommt auf und augenblicklich beginnt auch der Regen wieder stärker auf die Erde niederzuprasseln. Doch der Wind würde die dichten Wolken vertreiben, zumindest hofft Del dies, denn sollte die Reise morgen fortgesetzt werden, wäre Regen höchst unpraktisch. Je mehr er darüber nachdenkt, umso logischer erscheint es ihm, dass Vorhaben abzubrechen. Janna würde schon irgendwie jemanden anderes finden, der sie dorthin bringt, wohin sie will. Nach der Offenbarung, was sie und auch Sira ist, vermutet Del ganz stark, dass es die Amazonenstadt sein wird, von der angeblich nur die Amazonen wissen wo sie zu finden sein soll. Außer vielleicht Sira., denkt er säuerlich und wie auf ein Stichwort hin, öffnet sich das Scheunentor quietschend und eine zierliche, kleine Gestalt rennt blindlings in den Regen. Für Janna viel zu klein und somit kann es sich nur um Sira handeln. Sira habe ich dich genannt. Meine Wintertochter. Aber das bist du nicht, du gehörst zu jemanden und der wird dich wohl Lorne genannt haben. Ein bisher nie da gewesenes Gefühl von Trauer umfasst sein Herz und lässt es sich schmerzhaft zusammen ziehen. Niemand hatte er bisher soviel seiner Zeit geschenkt und niemand hatte es bisher geschafft, sich derart in sein Herz zu schleichen. Der Gedanke das Sira oder Lorne nicht zu ihm gehört ist immer ein Teil von ihm, doch er hat sich viel zu sehr an sie gewöhnt, um dass Gefühl von Verlust einfach ignorieren zu können. Selbst zu den Schatten geworden, die sich hier zwischen Fässern und Strohbündeln eingenistet haben, kann Sira ihn nicht entdecken. Ihre Stimme hallt seltsam verzerrt durch den Regen, doch gibt Del kein Zeichen von sich und blickt stumm zu der schemenhaften Gestalt, die dort durch den Regen taumelt und seinen Namen ruft.

Bevor sie mit ihrem Geschrei aber noch die ganzen schlafenden Bauern weckt, steht Del doch auf und geht ohne große Vorankündigung auf sie zu. Sira hat den Rücken zu ihm gedreht und kann ihn daher nicht sehen. Auch hören fällt aufgrund des Regens sehr schwer und so zuckt sie spürbar zusammen, als er sie etwas grob an der Schulter anfasst. Am liebsten hätte er sie noch länger herumschreien lassen, doch gleichzeitig ist ihm bewusst, dass er ihr nicht grundlos Angst machen sollte. Denn Janna würde sie gewiss nicht über den Weg trauen und noch einmal allein zurückgelassen zu werden, könnte sie für immer aus der Bahn werfen.
„Bei den Göttern halt den Mund, du weckst die Leute. Außerdem bin ich noch da.“ Er ist nicht dazu gewillt sich jetzt schon versöhnlich zu geben, immerhin ist er belogen worden.
>„Ein Glück, du bist noch da.“< Wo sollte ich denn sein? Glaubst du etwa, dass ich bei diesem Mistwetter einfach drauf losrenne? Noch dazu halbnackt und ohne Gepäck? Stumm versucht er ihr Gesicht zwischen all den Regentropfen und dunklen Schleiern auszumachen. Doch bevor er auch nur ansatzweise die großen Augen in ihrem Gesicht vollständig erkennt, klebt mit einem Mal etwas wie ein nasser Sack an ihn und zieht ihn im ersten Moment beinah in den Schlamm zu seinen Füßen. Ein überraschtes Keuchen kommt aus seinem Mund, als er mit Sira um den Hals um sein Gleichgewicht kämpft und sie dann kurzerhand ein Stück höher schiebt, damit sie ihn nicht auch noch das letzte bisschen Luft aus den Lungen drängt. „Mädchen, es ist ja schön, dass du dich freust, aber lass mir wenigstens ein Luft zum atmen. Würde sich nicht so gut in den Geschichten machen, wenn man sich erzählt, dass mich ein Fliegengewicht niedergestreckt hat.“ Zaghaft lockert sie ihre Umarmung, versucht aber nicht ihn loszulassen. >„Bist du sehr böse auf mich? Das mit Milo tut mir leid, ich hätte es dir eher erzählen sollen … aber ich erinnere mich doch gar nicht daran, dass ich Lorne heiße und ... Ich möchte weiter Sira bleiben, wirklich. Bitte sei mir nicht mehr böse“< Ihre Stimme erklingt direkt neben seinem Ohr und jeder Zorn gegen Sira ist vergessen. Wie sollte er ihr auch böse sein? Ja er weiß zu wem sie gehört, aber trotzdem ist sie allein. Sie hat niemanden. Außer ihn, wenn er sich nicht anders entscheiden sollte. Bei ihren letzten Worten hebt sie ihren Kopf ein Stück und blickt ihn nun direkt an. „Schon gut, Kleines. Aber lüg mich nie wieder an, verstanden?“ Ihr gesamter Körper wackelt, als sie heftig mit dem Kopf nickt und sich dann dankbar an ihn kuschelt. Mit einem „Hmpf“ schiebt er Sira noch ein Stück höher, so dass er sie bequem tragen kann und kehrt dann mit ihr auf den Armen zurück in die Scheune.

Abgesehen von dem Prasseln des Regens und seinen Schritten ist nichts zu hören. Man könnte meinen, dass niemand weiter im Heu liegt und doch spürt Del Jannas Präsenz fast überdeutlich. Er fühlt sich wie eine Reh, dass genau weiß, dass irgendwo im Dunkeln der Wolf auf einen Fehler wartet, um dann zum Töten aus seinem Versteck kriechen zu können. Ein Rascheln lässt Del kurz innehalten. Es ist nicht die zufällige Bewegung von jemanden der schläft. Janna ist noch wach. Die Augen zusammengekniffen versucht er vergebens in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Erst als sich Janna plötzlich erhebt, kann er sie anhand der Schattenbewegungen erkennen. Wortlos steht sie auf, greift etwas das sich wage nach Stoff anhört und tappt dann wortlos an ihm vorbei, ebenfalls nach draußen. Über die Schulter hinweg wirft er ihr einen verwunderten Blick nach. Erst als ein schwacher Geruch seine Nase streift, weiß Del was Janna draußen vorhat. Der Gedanke, dass sie die ganze Zeit darauf gewartet hat, dass er wieder zurückkommt, hinterlässt eine gewisse Genugtuung. „Los zieh dir was trockenes an und dann leg dich schlafen.“ Aufgrund der Dunkelheit braucht sich keiner Sorgen darüber zu machen, dass jemand zuviel vom anderen sieht und so wechselt auch Del rasch die Hosen und zieht nun auch wieder Hemden über, damit er nicht noch länger unnötig frieren braucht.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 27. Aug. 2005, 14:52 Uhr
Zornig bleibt sie alleine in der Dunkelheit zurück und starrt dem Umriss von Lorne hinterher, die gerade auf leisen Sohlen verschwindet, Wind im Schlepptau. Dem Adunrer Wolfshund wirft Janna einen besonders bösen Blick zu, doch das ist nicht das Schlimmste. Viel schrecklicher ist es, wenn ihre Gedanken es auch nur wagen, sich in die Richtung eines gewissen Halbelben zu wenden, der sie gerade noch säuerlich grinsend dabei beobachtet hat, wie sie die Überreste ihres Essens vom Boden geklaubt hat. Dann beginnt das Blut in ihren Adern zu kochen und der Wunsch etwas zu zertrümmern steigt in ihr auf,
Sie hat zwar eingesehen, dass es nicht richtig gewesen ist, ihm Verlogen- sowie Hinterhältigkeit und Lügen vor zu werfen – was ihren Stolz gehörig gekränkt hat – doch wie er und Wind sich vor Lorne aufgebaut haben, als würde Janna es wirklich wagen dem Mädchen etwas anzutun, treibt sie zur Weissglut. Niemals ist ihr in den Sinn gekommen Lorne auch nur eine Ohrfeige für das fiese Spiel zu verpassen, dass die beiden ihr vorgemacht haben – wenn auch nicht bewusst -, mehr war sie damit beschäftigt sich vor ihrem nun plötzlich hinterlistig erscheinenden Weggefährten in Sicherheit zu bringen.
Und jetzt ist alles nur ein Missverständnis gewesen, entstanden durch Lornes Verlust ihrer Erinnerungen. Janna’s gedemütigtes Ego zeigt jedoch nicht einen Funken von Schuldbewusstsein und trotz des säuerlichen, ekelhaften Gesuchs, der von ihrem Umhang ausgeht, verharrt sie still an ihrem Platz und starrt mit finsterer Miene auf den Eingang. Nichts würde sie gerade jetzt dazu bewegen können hinaus zu laufen, wo die Beiden sich wohl gerade untereinander aussprechen.
Baumstadt, Lorne, Anatara… Ihre Mutter. <<Vater>>.
Das Bild ihres Vaters im Kopf schmerzt, denn auch noch heute bezeichnet sie die Zeit mit ihm, währende ihren Reisen, als die Schönste und einige Erinnerungen, die sie aus irgendeiner dunklen Ecke des Heuschobers überfallen, bringen sie gar zu einem wehmütigen Schmunzeln. <<Was du wohl sagen würdest, wenn du wüsstest was ich vorhabe? Wärst du damit einverstanden? Nein, eher nicht, was? Ich glaube aber, es ist das Beste. Ich meine, was soll dieses Kind ohne oder gleich mit zwei Vätern und einer Mutter wie mir?>> Als käm sicherlich gleich eine Antwort, lauscht sie eine Weile still dem rhythmischen Trippeln des Regens, bevor sie unwillentlich an Callios und Rashid denken muss und es jagt ihr einen schmerzlichen Stich durch ihr Herz. Beide sind ein Fehler gewesen, vom Regen in die Traue und der eine vom Vorangegangenen ausgelöst. Doch das sie selbst eigentlich daran Schuld ist, hat sie nach einem schweren inneren Kampf mit ihrem Stolz akzeptiert. <<Aber dich soll das nicht belangen, du wirst wohlbehütet aufwachsen als Tochter der Amazonen.>>
Wann sie zu dem instinktiven Wissen gelangt ist, dass es eine Tochter wird, weiss Janna nicht mehr sicher, doch irgendwann ist die scheinbare Tatsache zu ihr durchgedrungen und hat sich unlöschbar in ihrem Kopf verankert.

Vorsichtig legt sie die flache Hand auf ihren Bauch, wo bisher noch nichts zu erkennen ist, und versucht für einige Zeit den prasselnden Regen, den Duft nach feuchtem Heu und Überresten ihres Essens, sowie das Gefühl einen Fehler nach dem Anderen begangen zu haben, auszusperren und sich nur auf das aufkeimende Leben unter ihrer Haut zu konzentrieren. Noch regt es sich nicht, wird sich auch für die nächsten drei Monde ganz sicher noch nicht bemerkbar machen. Janna erinnert sich an die Worte der Heilerin und ihre rehbraunen Augen huschen wieder zum schemenhaften Umriss des Eingangs, der in der pechschwarzen Dunkelheit kaum zu erkennen ist.
Die Beiden werden wahrscheinlich schon bald wieder einkehren, wenn der Halbelb sich nicht verkrochen hat und keiner von Beiden sich den Tod holen möchte, dort draussen. Ein grimmiges Lächeln huscht über ihre bleichen Züge und langsam lässt sie sich auf das weiche Lager zurück gleiten und kuschelt sich ein wenig darin ein, beinahe fröstelnd, trotz der hitzigen Auseinandersetzung gerade eben. Hin und wieder taucht die Frage in ihrem schläfrigen Bewusstsein auf, ob sie die Reise nicht besser alleine fortsetzen soll, da das Vertrauen innerhalb der Gruppe – sogar für einen Blinden mühelos zu erkennen – erst einmal in Scherben liegt und wohl mehr als nur Zeit und Kleber braucht um wieder zusammen zu wachsen. <<Eine Aussprache wäre wohl das Beste.>>, überlegt Janna und verwirft den Gedanken im gleichen Moment auch schon wieder, denn sie wird ganz bestimmt nicht den Anfang machen und auf Del oder Lorne zugehen, so wenig Sturheit nennt sie sehr wohl noch ihr Eigen.
Plötzlich erklingen gedämpfte Schritte, unter denen das alte Holz geräuschvoll aufstöhnt. <<Familiendrama erster Teil gut ausgegangen. Wunderbar, dann darf ich mich ja endlich meines leidigen Anhängsels entledigen.>>, denkt Janna bitter. Da ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann sie nun auch genau mitverfolgen wie zuerst eine deutlich kleinere und schmächtigere Gestalt eintritt, gefolgt von einem Hünen mit breiten Schultern, der jedoch unter dem Türrahmen inne hält. Eine angespannte Stille breitet sich aus, lediglich durchbrochen von dem leisen Aufprall von Winds Pfoten auf dem staubigen Boden.
Noch immer einen fahlen Geschmack im Mund, erhebt Janna sich ohne ein Wort zu sagen und läuft mit dem stinkenden Mantel an Del vorbei, den grösstmöglichen Abstand haltend, den sie kriegen kann. <<Geh mir bloss aus dem Weg!>>, faucht sie ihn in Gedanken an, verkneift sich dann schlussendlich jedoch trotzdem jeglichen Kommentar.
Es giesst noch stets aus vollen Eimern und allein daran zu denken, freiwillig dort hinaus zu spazieren, lässt sie an ihrem Verstand zweifeln. Einige Momente später steht sie jedoch wirklich wie ein begossener Pudel da draussen und sucht mit den Augen nach einem Ort, wo sie den Umhang bis zum nächsten Morgen aufhängen kann, damit er vom Regen gesäubert wird. <<Bitte ihr Götter, lasst morgen sie Sonne scheinen, sonst…>>
Ein leises Mauzen, so scheu und kläglich, das einem die Ohren weinen, unterbricht ihre Wunschäusserung und verwirrt sieht sie sich um. Grau, überall nur tristloses, fremdes Grau, als hätte die Welt verlernt zu lächeln. Und in dem ganzen Grau taucht plötzlich schemenhaft ein Pünktchen Weiss auf, das aussieht wie ein kleines Schneebällchen und hin und her schwingt, wie ein nasser Sack. Erneut erklingt das hilfesuchende Wimmern und völlig verblüfft erkennt Janna, dass dieses schwankende Elend eine Katze ist, deren ehemals wohl schlohweisses Fell ihr, vom Schlamm braun gefleckt und nass am ausgemergelten Körper klebt. „Na hallo, was machst du denn hier draussen?“
Sich fragend woher das schmutzige Bündel von Katze plötzlich aufgetaucht ist, sieht Janna sich um und geht anschliessend in die Hocke, wo das Tier den schmalen Kopf mit den unergründlich grünen Augen an ihrem Bein reibt und anschliessend versucht unter ihr Schutz vor den Wassermassen zu suchen. Erst als sie das braungesprenkelte Fellbündel vorsichtig mit einer Hand hochhebt, fällt Janna die zerfranste Spitze des Katzenschwanzes auf, sowie einige Stellen, an denen ganze Bündel an Fell fehlen.
„Hast dich wohl mit einem zu grossen Gegner um das schützende Dach gestritten, wie? Na, erstmal kommst du mit mir… hier draussen würde ich noch nicht einmal Del oder Lorne stehen lassen und das will was heissen.“ Behutsam drückt sie die zitternde, abgemagerte Katze an sich und hängt ihren Umhang schliesslich an einen vorstehenden Balken, der vereinsamt aus der gemauerten Wand in den Regen hinaus ragt. Sie kann nur hoffen, dass der Regen sogar Diebe davon abhält, sich durch die Gegend zu schleichen.

Langsam kehrt sie wieder zurück zu ihrem Lager, den Kopf schüttelnd, um wenigstens kein tropfendes Haar zu haben und die Katze in der Armbeuge an sich haltend. Ausgewachsen scheint sie, jedoch so dünn wie ein Weidenzweig. Zwar weiss Janna nicht, ob Wind der Katze etwas tun wird, doch der Arduner Wolfshund ist schliesslich noch jung, vielleicht spielt er lieber mit ihr. <<Und sonst find ich für dich schon ein Plätzchen, bist ja schliesslich gerade die…>> Und wie sie kurz darauf mit einem leisen „Oh“ feststellt:[/I]<<Entschuldige bitte: Der Einzige, der nicht sauer auf mich ist.[/I]>>
Sie ist kaum eingetreten, als Wind schon ein leises: „Wuff“, von sich gibt und mit hochgereckter Nase um ihre Beine herumstreunt. Jedoch macht er keine Anstalten hochzuspringen und nach dem Kater zu schnappen, noch scheint das Fellbündel in ihren Armen sich aufzuregen über den riesigen Hund unter sich. Flüchtig lässt Janna ihren Blick schweifen, kann jedoch nicht erkennen, wo sich Del und Lorne aufhalten. Der warme, grosse Körper des Hundes drückt ihr beinahe die Beine weg und der Schankmaid ist es beim besten Willen nicht mehr möglich, ihm böse zu sein, besonders nicht nachdem er sie vorsichtig mit der Nase anstubbsd, als wolle er sie bitten, ihm den neuen Gast doch auch einmal zu zeigen.
Ein sanftes Lächeln umspielt in der Dunkelheit ihre Lippen und mit unsicheren Schritten und mit einer Hand nach dem tiefhängenden Balken tastend, bahnt sie sich zielsicher einen Weg durch die Finsternis, ohne dabei einmal zu stolpern. Irgendwo erklingt ein Rascheln und ein leises geflüstertes: „Wind“, woraufhin der Ardunder Wolfshund sich abwendet, nicht jedoch ohne ein leises, vorwurfsvolles Fiepen von sich zu geben.
Behutsam lässt sich Janna in das Heu sinken, legt die Katze nieder, die sich darauf hin dreimal im Kreise dreht, mit tapsigen kleinen Schritten und sich schliesslich einrollt. Die Schankmaid dagegen entledigt sich flink ihrer nassen Kleidung und schlüpft in ein trockenes und besonders sehr warmes Nachtgewand, was zusammen mit einer Decke wohl würde reichen müssen. Die tropfenden Sachen hängt sie ebenfalls über den Balken und sagt in dieser ganzen Zeit kein einziges Wort, zu niemandem. Stattdessen legt sie sich einfach hin, zieht ein Stück der Decke über die leise atmende Katze und überlegt sich auch kein Stückweit mehr, was morgen kommen wird. Entweder sie läuft alleine weiter, oder aber sie alle setzen die Reise gemeinsam fort, was ihr momentan als widersinnig erscheint. Den Dolch hat sie sorgfältig in ihrem Beutel verstaut und hofft innerlich, morgen als erste aufzuwachsen, um der Übelkeit freien lauf lassen zu können, bevor es jemand anders bemerkt. Wenn sie denn kommt, denn in letzter Zeit ist es stets seltener geworden und es wird Janna plötzlich deutlich bewusst, dass der erste Monat schon beinahe vorbei ist.
Es Del zu sagen, kommt ihr dabei aber überhaupt nicht in den Sinn, doch einfach einzuschlafen will ihr erstmal auch nicht gelingen und als ihr endlich die Augen zufallen, hat Faerys Antlitz die Hälfte ihrer Reise bereits hinter sich.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 28. Aug. 2005, 18:07 Uhr
Nachdem zumindest die Sache mit Del geklärt ist und Sira ein paar trockene Kleider angelegt hat, gelingt es ihr endlich einzuschlafen. So vergehen die letzten Stunden der Nacht für das Mädchen ziemlich ruhig, enden jedoch leider viel zu früh. Der erste Hahnenschrei lässt Sira bereits wieder hochschrecken und sich verwirrt die Augen reiben. Sie gähnt leise und sieht sich um. Wind liegt dicht an sie gekuschelt da und spendet ihr wohlige Wärme. Del schläft noch, von Janna ist jedoch weit und breit keine Spur zu erkennen. Ihre Sachen liegen noch da, sie hat sich also zumindest nicht mitten in der Nacht klamm heimlich davon gemacht. Das Mädchen atmet erleichtert auf. Der vergangene Streit steckt ihr immer noch in den Knochen, obwohl draußen vor der Scheune die Sonne langsam hervor gekrochen kommt (Dies kann Sira durch das leicht geöffnete Scheunentor gut beobachten.). Dennoch bleibt ihre Stimmung nach wie vor irgendwie gedrückt. Da Del sich noch nicht rührt, beschließt sie vorerst liegen zu bleiben und zu warten. Als der Halbelb endlich ebenfalls erwacht begrüßt sie ihn leise. „Guten Morgen.“ Sie lächelt scheu und etwas verlegen. Nach den Streitigkeiten der letzten Nacht ist sie noch etwas unsicher, was sie tun oder sagen soll, da Del ihr aber offenbar wirklich nicht mehr böse zu sein scheint, wird sie rasch wieder munterer.

Die beiden stehen auf und machen sich bereit für den Tag. Janna bleibt vorerst verschwunden. Wo sie wohl sein mag?, überlegt Sira. Im Stroh von Jannas Nachtlager entdeckt Sira mit einem Mal die abgemagerte Katze, die sich dort friedlich zusammengerollt hat. Bereitwillig lässt sich das Tier kraulen. Doch als die Amazone sich endlich wieder in der Scheune blicken lässt, zieht sich das Mädchen hastig zurück, als es dem Blick der jungen Frau begegnet. Die Schankmaid geht zu ihrem Schlafplatz hinüber und würdigt weder Del noch Sira eines weiteren Blickes. Stattdessen gibt sie sich recht zugeknöpft und wortkarg, was die nur langsam steigende Stimmung des Mädchens sofort wieder sinken lässt. Schweigend sucht Janna ihre Sachen zusammen, schweigend nimmt sie mit Del und Sira - Lorne - das einfache Frühstück zu sich, schweigend verlässt sie schlussendlich mit ihnen die Hütte. Die drei Wanderer verabschieden sich höflich von ihren Gastgebern, die es ihnen freundlicherweise erlaubt haben in der Scheune zu übernachten, dann gehen sie in Richtung Straße davon. Die Stimmung ist nach wie vor edrückt. Mehrmals versucht Sira die Schankmaid anzusprechen, wird jedoch immer wieder von einem finsteren Blick rasch zum Verstummen gebracht.      

Auf dem Frostweg angelangt, bleiben die drei stehen und sehen sich betreten an. Die Anspannung, die zwischen ihnen in der Luft hängt, lässt sich fast schon greifen. Sira tritt einen Schritt hinter Del zurück und krault Wind mechanisch hinter den Ohren, wobei sie es vermeidet, Janna anzusehen. Das Mädchen fühlt sich reichlich unbehaglich in seiner Haut und weiß nicht genau, wie es mit der merkwürdigen Situation umgehen soll.
Die drei Wanderer sind gerade einmal einen Tag lang mit einander gereist. Sicherlich hatten sie damit gerechnet, dass es vielleicht hin und wieder zu kleineren Spannungen kommen würde, aber bereits nach einem Reisetag? Sira scharrt verlegen mit einem Fuß und streicht sich ein paar wirre Haarsträhnen aus dem Gesicht. Nun sieht sie doch wieder zwischen Janna und Del hin und her und wartet darauf, wer von den beiden als erstes das Wort ergreifen wird. Sie müssen miteinander reden, darum kommen sie nicht herum. Schließlich muss geklärt werden, ob sie den weiteren Weg gemeinsam oder getrennt fortsetzen wollen. Und wohin werden wir gehen?, fragt Sira sich. Die Frage schwirrt ihr schon seit Jannas Worten im Kopf herum. Del und sie sind aufgebrochen, um nach Immerfrost zu reisen, weil die Familie Thaín oben in Dunkelschein ein Anwesen haben muss. Aber wenn die Amazone recht hat, dann lebt Siras – Lornes – Mutter in Dunkelwald, da sie ebenso wie die Schankmaid dem Volk der Amazonen angehört. Was also werden wir tun?

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 29. Aug. 2005, 22:15 Uhr
Auch wenn er eigentlich noch auf Jannas Rückkehr warten will, so überfällt ihn die Müdigkeit, kaum dass er sich hingelegt hat, so plötzlich, dass er es nur noch im Halbschlaf mitbekommt. Wie durch Watte hindurch hört Del noch die Geräusche des Regens, leise Schritte und einige Worte, doch der Sinn dessen was sie bedeuten, entzieht sich vollkommen seinem Bewusstsein. Er versucht noch einmal klar zu denken, doch sein Versuch scheitert kläglich und sein Körper verlangt nun endgültig nach der Erholung die ihm zusteht.
Trotz aller Vorfälle schafft Del es nicht ein einziges Mal aufzuwachen und schläft friedlich, in einigem Abstand zu Sira, aber dichter zu ihr als zu Janna, irgendwo mitten im Heu, bis sich die schwachen Sonnenstrahlen langsam durch seine Augenlider kämpfen und ihm so den neuen Tag ankündigen. Überhaupt noch nicht in der Lage sich irgendwie zu erheben, geschweige denn die Augen zu öffnen, dreht sich Del in eine bequemere Position und versucht dabei sämtliches Gepieke des verfluchten Heus zu ignorieren. Leise knurrend schrubbt er mit einem Fuß über sein anderes Bein, doch da juckt und zwickt es an anderen Stellen, so das er irgendwann genervt aufgibt und blinzelnd die Augen öffnet. In der Scheune herrscht vollkommene Ruhe, nur leises atmen in seinem Rücken zeugt von der Anwesenheit weiterer Personen oder Tiere. Von draußen jedoch dringt das Gegacker der Hühner, ebenso wie die Arbeit der Bauern an sein Ohr. Da unter mischt  sich hin und wieder das Schnauben eines Pferdes oder irgendwelche anderen Geräusche von Tieren. Trotz all der unterschiedlichen Lärmquellen fühlt sich Del sehr wohl und könnte, das Heu in seinen Gedanken ausgeschlossen, hier noch um einiges länger liegen bleiben. Es ist zwar kein purer Luxus, aber es reicht um ihn sogar schwach lächeln zu lassen, denn dieses unbestimmte Gefühl der Ungebundenheit hatte er schon lange nicht mehr gefühlt. Nicht seit er im Winter das halbverfrorene Mädchen gefunden hat. Bei diesem Gedanken angelangt, dreht sich Del über den Rücken ein Stück zur anderen Seite und sieht geradewegs in Siras grüne Augen, welche ihn mit ein wenig Scheu mustern. >„Guten Morgen.“< Ihre Begrüßung ist leise und ihr Gesicht verrät deutlich, dass sie sich noch sehr gut an gestern erinnern kann. Del ebenso. Doch jetzt, nachdem er so gut geschlafen hat und eigentlich auch guter Dinge ist, möchte er gar nicht daran erinnert werden. Trotzdem drängen sich ihmdie Einzelheiten des gestrigen Abends unweigerlich. Mit einem Laut des Unmuts setzt sich Del auf und versucht die Müdigkeit aus seinem Gesicht zu vertreiben. Mehrmals reibt er sich mit den Händen über die Augen und die Bartstoppeln, doch seine Sinne wollen ihm einfach noch nicht ihren Dienst erweisen und so bleibt Del eine Weile einfach nur leicht benommen auf seinem Hintern sitzen.

Sira scheint jedoch schon wieder voller Tatendrang und zwingt Del schon nach kurzer Zeit wirklich aufzustehen. Nicht gerade erfreut darüber, dass ihn ein kleines Mädchen aus dem Bett scheucht, erhebt sich Del nur mürrisch, was Sira jedoch nicht im geringsten stört. Das Janna nicht anwesend ist, ist Del bereits aufgefallen. Nicht, dass er sich sonderlich Sorgen um sie macht, vielleicht hatte sie ja etwas gefunden, an dem sie ihr Misstrauen und ihren sehr überraschenden Ausbruch ausleben kann und hat sich deswegen zurückgezogen. Wie auch immer, für den Moment ist Del jedenfalls froh, dass er sie nicht gleich zu Gesicht bekommt. Das ihre Habe noch im Heu liegt bedeutet, dass sie sich aber noch nicht von der Gruppe getrennt hat und das wiederum bedeutet, dass sie irgendwann miteinander über diesen Vorfall und die Weiterreise reden müssten. Soris, ich hab wirklich nichts gegen Frauen, aber warum ausgerechnet so eine? Etwas anschmiegsamer und nicht ganz so bissig wäre doch auch gegangen oder nicht? Mit einem theatralischen Seufzen widmet sich Del wieder dem Gepäck und versucht möglichst viel von dem Heu auch in der Scheune zu lassen. Nicht, dass der Bauer ihn noch des Diebstahls bezichtigt, weil die Hälfte von dem getrockneten Gras zwischen ihrer Kleidung oder in ihren Beuteln steckt. Sira scheint währenddessen etwas im Stroh bei Jannas Sachen zu finden, was ihr einen leisen verzückten Ausruf entlockt. Nach näherem Hinsehen entpuppt sich dies als ein weiter Flohbeutel, der erstaunlicherweise vom größeren in Ruhe gelassen wird. Ein Hund ist ja noch in Ordnung, aber wehe, wenn einer eine Katze mitschleppen will! Vielleicht sollte ich schon mal das Geld für den Bauern abzählen. Schritte vom geöffneten Eingang her, zeugen von der Ankunft einer weiteren Person und es ist nicht befürchteter Bauer, sondern Janna. Noch immer mit wütend glimmenden Funken in den Augen rauscht sie wortlos an Sira und Del vorbei und packt ebenfalls ihr Gepäck zusammen. Siras überschwängliche Laune hat sich sofort wieder verabschiedet. Del versucht zumindest so zu tun, als sei ihm der Vorfall von gestern im Moment herzlich egal, doch als Janna nur halbherzig und mit einigen schwer verständlichen, gebrubbelten Worten auf seine Fragen antwortet, muss er sich ernsthaft zusammenreißen um sie nicht wieder sofort anzufahren. Wie kann man nur so stur sein. Stumm wünscht ihr Del sämtliche Krankheiten die ihm gerade einfallen an den Hals, doch als ihm bewusst wird, dass er sich damit nur selber schadet, sollte die Reise gemeinsam fortgesetzt werden, bittet er etwas kleinlaut bei den Göttern um Verzeihung. Diese Frau krank und sich als verantwortlichen Pfleger wäre das Letzte was er will. Nach einigen giftigen Blicken und eher kargen Wortwechseln, schaffen es die drei sich aber soweit zu verständigen, dass sie gemeinsam frühstücken und dann noch geschlossen das Gehöft verlassen. Immerhin möchte niemand von ihnen den Bauern ein schlechtes Gewissen machen, da sie ihnen Schutz vor dem Regen geboten haben.
„Habt Dank für die Unterkunft und gutes Gelingen bei der Ernte.“ Sira winkt zum Abschied, ebenso wie das ältere Bauernpaar und dann trennen sich auch schon ihre Wege. Jetzt da sie klare Sicht und schönes Wetter erhaben erscheint die Strecke bis zum Frostweg nicht allzu lang, doch gestern bei Regen und einbrechender Dunkelheit hätte Del schwören können, dass es sich annähernd um einen Tausendschritt gehandelt hat.

Als der schmale Trampelweg vom Dörfchen zum breiten, befestigten Frostweg wird, bleiben alle drei wie auf ein unsichtbares Signal hin stehen. Der Zeitpunkt sich zu entscheiden ist gekommen und keiner von ihnen verspürt den Drang den Anfang zu machen. Das Sira nichts sagen wird ist Del klar. Auch wenn sie der Grund der Reise ist, so hat sie sich bisher immer nach ihm zu richten. Was sie tun würde, wenn er sich spontan für eine Rückkehr entscheiden würde, möchte er sich lieber nicht ausmalen. Natürlich spukt ihm der Gedanke im Kopf, ihr zumindest einen Schreck als kleine Rache einzujagen, aber in Jannas Anwesenheit möchte er vorerst bei der gegenwärtigen Anspannung darauf verzichten. „Janna?“ Der Blick der Amazone ist stur auf alles gerichtet, nur nicht auf Del oder Sira. Im ersten Augenblick scheint es auch so, als wolle sie so tun, als wenn sie ihn überhört hätte, doch dann dreht sich ihr Kopf doch langsam zu ihm. Ein wenig genervt von diesem Getue, spannt sich seine Hand ein wenig zur Hand, doch er wartet kommentarlos, bis er sicher ist, dass Janna ihm auch zuhören wird und ihn nicht nur anguckt. „Mag sein, dass dir nicht gefällt, wer Sira oder Lorne ist, aber es zwingt dich niemand mit uns zu reisen. Versuch dein Glück allein, aber lass uns wenigstens an deiner Entscheidung teil haben. Wie ich mittlerweile weiß bist du eine Amazone und oh ja ganz bestimmt kannst du dich auch alleine durchkämpfen, aber bekanntlich reist es sich in der Gruppe angenehmer und nach all der Zeit im Pfirsich, zumindest wenn man Dancy glauben darf, solltest du dir deine Entscheidung gut überlegen und vielleicht akzeptieren, das ich mit jemanden reise auf den ihr Amazonen nicht gut zu sprechen seid. Davon abgesehen, dass sie wohl selber eine ist. Irgendwie.“ Bei den letzten Worten wirft Del einen Blick auf das kleine, blasse Mädchen an seiner Seite, dass so gar nicht nach einer kämpferischen Frau aussieht und kann sich mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Wind hat sich unterdessen irgendwo in ein Gebüsch verkrochen und beschnüffelt eifrig Blätter und Boden, da ihn die Diskussion der drei Gefährten nicht im geringsten interessiert. „Also? Kannst du deinen Stolz und deinen Dolch im Zaum halten oder werden sich hier unsere Wege trennen?“ Sein Gesicht lässt nicht unbedingt erahnen, welche Antwort Del sich erhofft, denn auch wenn er Janna schon eine beachtliche Zeit kennt, so würde ihr Verlust ihn nicht weiter treffen. Doch würde er es auch nicht ablehnen, wenn sie sich entscheiden sollte, weiterhin mit ihnen zu reisen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 30. Aug. 2005, 18:41 Uhr
Der Morgen kommt und das viel zu schnell. Ehe sich Janna versieht murrt jemand neben ihr schon hungrig auf und lächelnd betrachtet sie die Katze für einen Moment noch völlig verschlafen, bevor sie sich dazu aufrafft, aus ihrem Beutel etwas getrocknetes Fleisch hervorzukramen, um die Katze damit häppchenweise zu füttern und ihr dabei immer wieder über das völlig zersauste, eigentlich weisse Fell zu streichen. Trotz der abgerissenen Schwanzspitze und fehlenden Fellbüscheln scheint das schmutzige Bündel putzmunter und verschlingt schnurrend ein Stück des Fleisches nach dem Anderen. Vorsichtig erhebt sich die Schankmaid schliesslich aus dem kratzenden und beissenden Heut und schlägt die Decke zurück. Weder Del noch Lorne sind bereits wach, was Janna nicht unbedingt einen Freudenschrei entlockt, sie jedoch erleichtert aufatmen lässt. Ein wenig wackelig auf den Füssen, erhebt sie sich und beginnt erst einmal jeden Halm den sie findet von ihrem Nachtgewand und aus ihrem Haar zu klauben. Die Sonne scheint noch nicht aufgegangen zu sein, doch zumindest ist nicht mehr das ständige Prasseln von Regen zu hören.
In ihrer eigentlich doch recht guten Stimmung getrübt, da sie sich an den letzten Abend erinnert, schlüpft sie schnell in frische Kleidung und spaziert dann hinaus zum Brunnen, um sich einer schnellen Katzenwäsche zu entziehen, die ebenso schnell wie kalt ist. Ein stilles Dankesgebet an alle Götter sprechend, nimmt sie auch noch ihren völlig saubergeregneten Umhang von dem Querbalken und betrachtet zufrieden die Stellen, die zuvor von ihrem eigenen Essen überzogen gewesen waren. Heute dagegen scheint sich ihr Magen einmal nicht melden zu wollen, was ihr nur Recht ist, schliesslich hat sie andere Probleme, darin inbegriffen einen grossen Halbelben und eine kleine Amazone. Der Himmel ist wolkenfrei und es verspricht ein schöner Tag mit Sonnenschein zu werden, was ihr trotz aller widriger Umstände ein Schmunzeln entlockt.
Ein lauer Wind regt sich, wirbelt jedoch keinen Staub auf, denn der Boden ist noch immer so nass und schlammig, wie auch schon in der Nacht. Für einige Augenblicke geniesst Janna die Stille des Morgens, bevor sie leise seufzt und in den Heuschober zurück kehrt... wo leider auch Del und Sira bereits wach geworden sind, wie sie mit einem Grummeln feststellt. <<Augen zu und durch!>>, ermahnt sie sich selbst und zwingt sich ihre Augen starr auf den Boden und ihren Beutel gerichtet zu haben und den Halbelben wie auch Lorne mit finsterer Miene zu ignorieren. Aus den Augenwinkeln kann sie wahrnehmen, wie beide sie mustern, doch momentan ist ihr das reichlich egal, denn sie ist sich sicher, das, wenn sie den Blick hebt und in eines der beiden Gesichter blickt, ihre gerade erst erloschene Wut augenblicklich wieder empor schiesst. Nicht umsonst sagt man, Schwangere hätten die Laune eines im Winterschlaf gestörten Bären. So geht das Frühstück reichlich schnell zu Ende, ohne das auch nur ein Wort gewechselt wird und erst als sie sich von dem netten Bauerspaar verabschieden, zwingt auch Janna sich zu einem lächeln und einem dankbaren Gruss. Ihre beiden Weggefährten noch immer ignorierend, achtet sie darauf die Katze, die sie beim Aufbruch auf die Decke in ihren Beutel gelegt hat – wo sich das, vom Essen scheinbar bereits wieder, völlig entkräftete Ding sofort zusammengerollt hat – nicht zu sehr hin und her zu schaukeln. Weit jedoch kommen sie nicht, denn spätestens, als der Weg wieder breiter und fester wird, bleiben sie alle, wie auf ein inneres Zeichen hin, stehen und Janna hält den Blick stoisch auf ein paar raschelnde Gestrüppe in der Nähe gerichtet, noch nicht einmal aufsehend, als Del sie zum ersten Mal anspricht. Sie empfindet nicht die geringste Lust auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln, ganz zu schweigen ihm zuzuhören. Ebenfalls will sie gar nicht darüber reden, ob sie sich trennen sollen, warum kann er nicht einfach weiterlaufen. <<Männer!>>, kommt es ihr nur in den Sinn, als sie schliesslich griesgrämig zu dem Hünen aufblickt und ihm so zu verstehen gibt, dass sie sehr wohl zuhört, naja, zumindest sieht es jetzt so aus.

Sie muss sich zusammen reissen, damit sie Del nicht sofort wie eine wütende Katze anspringt und ihm die Augen auskratzt, als er sie eine Amazone nennt, doch stattdessen vergräbt sie ihre Nägel im Stoff ihres Umhangs, den sie trotz des warmen Wetters trägt und zieht scharf die Luft ein, ihn von unten herauf wütend anfunkelnd. Doch als seine Worte schliesslich auf Lorne zu sprechen kommen, streiten sich Jannas Augenbrauen doch, ob sie nun Ärger oder Verwirrung ausdrücken sollen. Erst langsam, unglaublich langsam dämmert es ihr, was der Halbelb meint und würde ihm am liebsten spöttisch ins Gesicht lachen, doch das würde wohl das endgültige Ende ihrer Reise bedeuten und so huscht lediglich ein flüchtiger, gemeiner Hohn über ihre Züge, bevor sie den Blick auf das Mädchen richtet. Lorne, Sira, wie auch immer, steht neben Wind, der seine durchdringenden Augen wiederum auf Jannas Beutel gerichtet hat, in der die Katze auf der Decke zu schlummern scheint.
Grüne, wachsame Augen sehen der Schankmaid entgegen und schliesslich schüttelt sie sachte den Kopf, eine finstere, jedoch ebenso resignierende Miene ziehend. Nach dieser Nacht und dem gestrigen Abend, der aufgrund eines Missverständnisses zur Hölle wurde, vermag sie noch nicht einmal mehr eine Maus in ihre Ecke zu verweisen und so stützt sie lediglich die Hände in die Hüfte und meint mit leicht zitternder Stimme: „Ich bin keine Amazone mehr, merkt euch das und nenn mich nie wieder so. Ob es mir nicht gefällt, dass ich mit der Enkelin jener Frau reise, zu der ich unterwegs bin? Ich kann nur eines sagen. Kjlara hat sie lediglich von sich gegeben, um sie ihrem Vater zu überlassen. Das muss für mich heissen, ihr Vater ist jetzt tot und wenn ich mich mit solchen Nachrichten bei ihr blicken lasse, dann schätze ich das du Del, bald ein grösseres Problem, als mich am Hals haben wirst. Glaubst du etwa ihre Mutter wird sie nicht suchen? Sie hat das Kind abgöttisch geliebt, tut es wahrscheinlich immer noch! Könnt ihr euch jetzt vorstellen was sie mit Mírdans Verwandten in machen würden, weil diese sich nicht um das Kind gekümmert, sondern es einfach frisch und fröhlich durch die Weltgeschichte haben spazieren lassen? Und was sie mit mir anstellen, wenn ich Lorne jetzt nicht mit mir zurück zu ihrer Mutter nehmen, sondern ihr erzähle: Ja, dein Kind habe ich übrigens auch noch getroffen, in Begleitung eines Fremden, von dem ich nicht weiss, was er mit ihr vorhat. Sie sind auf den Weg in den Norden. Na was glaubst du? Meinen Kopf kann ich danach im Gestrüpp suchen!“
Das ihre Stimme nach und nach lauter geworden ist und angefangen hat zu zittern, samt ihren Lippen, das hat sie nicht bemerkt, doch als sie sich nun darüber bewusst wird, möchte sie sich am liebsten selbst gegen die Stirne schlagen. Natürlich weiss Del nicht, was ihm erwartet wenn er mit Lorne durch die Immerlande zieht, er wusste ja noch nicht einmal, mit WEM er da durch die Immerlande ziehen wollte.
Ihr Blick richtet sich eindringlich auf Lorne, die nun völlig verlassen alleine neben Del steht, ein zierliches Alabasterpüppchen mit rabenschwarzem Haar neben dem Hünen von Halbelben und Janna überkommt das Gefühl, sie in den Arm nehmen zu wollen.
Die kleine Katze lässt ein leises Mauzen hören, als Janna den Beutel ein wenig höher schultert und schliesslich nach Norden weist, Del dabei nicht zu einer Antwort kommen lassend: „Na gut“, murmelt sie so matt, als wäre sie bereits wieder den ganzen Tag gelaufen und sie fühlt innerlich die Sehnsucht nach Stille und Ruhe. „Na gut“, wiederholt sie noch einmal und fügt schliesslich voller Ernst hinzu: „Wir reisen gemeinsam weiter und ich lasse euch ziehen, wohin ihr wollt. Ich werde Kjlara nichts darüber erzählen, wo sich ihre Tochter befindet und in wessen Gesellschaft. Ich werde für einmal meinen vorlauten Mund halten, aber!“, scharf betonte sie das letzte Wort und blickte abwechselnd zwischen Del und Lorne hin und her.
„Solltet ihr Mírdan nicht finden, dann bringst du Lorne zu ihrer Mutter Del. Nicht um sie zu verlieren“, spricht sie hastig weiter, als sie einen seltsamen Ausdruck in dem sonnengebräunten Gesicht ihres Gegenübers wahrnimmt: „Sondern nur um zu verhindern, dass sie auf Umwegen herausfindet, wo ihre Tochter ist, und dich dann unter weniger sanften Massnahmen zur Rede stellt. Und sie wird nicht glauben, dass Lorne einfach ihr Gedächtnis verloren hat, wobei...“
Plötzlich erhellt sich Jannas Miene ein wenig und Hoffnung funkelt in ihren rehbraunen Augen auf, mit denen sie das schlanke Mädchen, die junge Frau nun bedenkt: „Du hast mich gestern nach Baile Craobh gefragt.“ Die Schankmaid kann erkennen, wie Lornes smaragdgrünen Augen eine Spur grösser werden und nickt langsam: „Ja, dann erinnerst du dich vielleicht mit der Zeit.“
<<Jetzt lenk nicht ab, Del wartet immer noch!>> Da sich Janna trotz übergrossem Stolz sehr wohl bewusst ist, dass sie gestern überreagiert hat, <<Ich bin schwanger, was erwarten sie!>>, bringt sie schliesslich sogar ein vorsichtiges Lächeln zu Stande und hält Del ihre schlanke Hand hin: „Abgemacht?“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 31. Aug. 2005, 15:43 Uhr
Nach Jannas ganzen wortkargen Benehmens seit gestern Abend hätte er nicht damit gerechnet, dass sie jetzt in einen Redeschwall verfällt und doch steht sie, die Hände in die Hüften gestemmt und mit leicht herausforderndem Blick, vor ihm und erklärt ihm die momentane Lage. Ganz so als wolle eine Mutter einem ungezogenen Kind eine Strafpredigt halten. Auf ihre geknurrte ‚Bitte’ sie nicht noch einmal Amazone zu nennen, nickt Del lediglich kurz und hört sich dann geduldig an, was sie sonst noch zu sagen hat. Beinah hätte er die schwache Drohung überhört, doch glaubt er in Jannas Stimme eine gewisse Genugtuung herauszuhören, als sie ihm erklärt, dass er eindeutig in der schlechteren Position ist und sie sich um sich selbst weniger Sorgen machen braucht. Seine Brauen ziehen sich bedrohlich zusammen, doch schweigt Del dazu. Vielleicht würde ihm das irgendwann einige Probleme einbringen, dass er mit Sira durch die Lande zieht, aber darüber könnte er sich dann Sorgen machen, wenn es soweit ist. Sofern es überhaupt dazu kommen würde, denn mittlerweile hat sich ja heraus gestellt, dass sie noch einmal über ihren Zielort nachdenken müssen. >Glaubst du etwa ihre Mutter wird sie nicht suchen?< Bis jetzt hat sie es auch nicht getan, also wird sie es bis jetzt wohl kaum erfahren haben, lautet die lautlose Antwort darauf. Aber angesichts einer schon wieder leicht aufbrausenden Janna, will sich Del nicht zu sehr in seine Gedanken verstricken. Es gibt viele wenn’s und aber, doch vorerst geht es hier im Sira und nur weil irgendwo im Dunkelwald ein wildgewordenes Frauenzimmer sitzt, wird er jetzt nicht auf der Stelle seine Hose nass machen und sich in einem dunklen Loch verkriechen, da sie spontan genau hier vorbeikommen wird. Als er Janna wieder bewusster wahrnimmt und das auch nur weil sie zu sprechen aufgehört hat, sieht sie längst nicht mehr zu ihm, sondern konzentriert sich auf Sira. Was auch immer Janna gesagt hat, ist nicht vollständig bis zu seinem Bewusstsein vorgedrungen, aber letztlich würde es sich ohnehin nur im irgendwelche Androhungen oder Sira handeln.

>„Wir reisen gemeinsam weiter und ich lasse euch ziehen, wohin ihr wollt. Ich werde Kijara nichts darüber erzählen, wo sich ihre Tochter befindet und in wessen Gesellschaft. Ich werde für einmal meinen vorlauten Mund halten, aber!“< Beinahe hätte er erleichtert aufgeatmet, doch das Aber stimmt ihn misstrauisch. Konnte diese Frau es denn nicht einmal bei etwas belassen und musste immer was neues finden? Ein leiser Seufzer dringt aus seinem Mund. Gleichzeitig wandert eine seiner Augenbrauen nach oben und fragend sieht er zu Janna, die auch sogleich ihre Bedingung vorträgt. >„Solltet ihr Mírdan in Dunkelschein nicht finden, dann bringst du Lorne zu ihrer Mutter Del.“< Es gelingt Del nur mit Mühe das Lachen, dass in seiner Kehle empor kriecht zu unterdrücken. Eben noch hat Janna ihm wage angedeutet, was eine Begegnung mit besagter Mutter für ihn zu bedeuten hätte und dann sollte er sich auch noch freiwillig zu dieser Person begeben? Er will gerade den Mund öffnen, um eine entsprechende Bemerkung zu machen, doch Janna lässt ihm noch immer keine Chance und redet einfach drauf weiter. >“Nicht um sie zu verlieren, sondern nur um zu verhindern, dass sie auf Umwegen herausfindet, wo ihre Tochter ist, und dich dann unter weniger sanften Massnahmen zur Rede stellt. Und sie wird nicht glauben, dass Lorne einfach ihr Gedächtnis verloren hat, wobei...“< Mädel, weißt du überhaupt was du da von mir verlangst? Als ob es einen Unterschied macht, wenn ich Sira freiwillig zu ihrer Mutter bringe. Ich glaube du solltest die Geschichten über diese Verrückten am besten kennen. Da wird es keinen großen Unterschied machen, ob wir sie finden oder sie uns... Schwach schüttelt Del mit dem Kopf. Die Bedingung die Janna an ihn gestellt hat, ist reinste Selbstzerstörung, aber würde er nicht einwilligen, dann würden sie hier nie wegkommen. >„Abgemacht?“< „Hmpf.“ Mit einem leisen Knurrlaut umschließt er Jannas schmale Hand und lässt sie fast in seiner eigenen verschwinden. „Meinetwegen.“ Er weiß das seine Antwort alles andere als überzeugend klingt, doch er hält nicht viel davon sich um Probleme zu kümmern, die vielleicht niemals eintreffen. Alles zu seiner Zeit.
„Wenn wir das nun also geklärt hätten, könnten wir denn so langsam?“ Mit einem angedeuteten Kopfnicken zeigt er auf einige Kinder, die ihnen vom Bauerngehöft gefolgt sind und sie die ganze Zeit über beobachtet haben.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 02. Sept. 2005, 16:26 Uhr
Schweigend steht Sira da und lässt die beiden Erwachsenen reden, da Del diese Reise vor allem ihretwegen unternimmt, ist er es, der die Entscheidungen letztlich für sie beide trifft. Es liegt nicht an ihr zu entscheiden, ob sie mit ihm nach Immerfrost reist, um dort nach der Familie ihres Vaters zu forschen oder ob sie mit Janna zum Dunkelwald aufbrechen, nach Baile Craobh, zu jener Stadt in der sie augenscheinlich geboren wurde und lange lebte, bevor ihre Mutter Kijada sie zu ihrem Vater brachte. Also hört Sira einfach nur zu. Jannas Redeschwall ist überwältigend und der Mund des Mädchens klappt unmerklich ein wenig auf. Das stürmische Temperament der jungen Frau hat sie ja bereits kennen lernen können, doch auch diese neuerliche Kostprobe hat es in sich. »Solltet ihr Mírdan in Immerfrost nicht finden, dann bringst du Lorne zu ihrer Mutter Del.« Ohne es zu ahnen, kommen Sira bei diesen Worten ähnliche Gedanken wie dem Halbelben, da sie sich daran erinnert, was Milo auf dem Inarifest zu ihr gesagt hat. »… du hast wohl schon eine Weile in Talyra gewohnt, bevor ich kam. Und dein Vater, du hast gesagt, er sei tot. Aber eine Mutter hast du noch, aber du wolltest nicht über sie reden, warum, weiß ich nicht.« Ich weiß es auch nicht, denkt sie bei sich. Aber bestimmt hatte ich einen guten Grund. Und ich glaube nicht, was Janna sagt. Wie wichtig kann ich meiner Mutter schon sein? Warum sollte sie mich jemals suchen? Sie hat mich ja bis jetzt auch nicht gesucht! Sie lacht leise, ein bisschen bitter. Von wegen abgöttisch geliebt. Die Worte liegen Sira bereits auf der Zunge und warten nur darauf ausgesprochen zu werden, aber das Mädchen schweigt, was würde das schon nützen? Ich will nicht weiter darüber nachdenken und ich will nichts mehr darüber hören. Jannas Worte reißen sie aus ihren Gedanken. »Du hast mich gestern nach Baile Craobh gefragt. Ja, dann erinnerst du dich vielleicht mit der Zeit.« Für einen Moment weiten sich Siras Augen und sehen die Schankmaid überrascht an, dann wendet sich das Mädchen hastig ab, während Del und Janna ihre Vereinbarung noch mit einem Handschlag besiegeln.

Ja, vielleicht hat sie Recht und ich erinnere mich irgendwann, aber ich bin einfach keine Amazone. Also gehe ich auch nicht zu ihnen und wenn Del oder Janna mich doch dorthin abschieben wollen, dann laufe ich eben weg, trifft Sira ihre Entscheidung und kickt einen kleinen Kieselstein beiseite. „Ja, lasst uns endlich gehen“, antwortet sie im nächsten Moment statt Janna auf Dels Frage und setzt sich langsam in Bewegung. „Ach, und Janna, nenn mich bitte wieder Sira … Ja?“ Sie verstummt kurz, die Worte klingen irgendwie eigenartig, sie sollen sich nicht gemein anhören, könnten aber dennoch falsch gedeutet werden. Erklärend fügt das Mädchen daher hinzu: „Lorne … Ich erinnere mich nicht an diesen Namen … es ist ein komisches Gefühl so genannt zu werden, wenn man sich nicht erinnert. Es gefällt mir nicht.“ Während sie dies gesprochen hat, ist Sira einfach weitergegangen, ohne sich nach Del oder Janna umzusehen. Sie kann die Schritte der beiden hören und weiß, dass sie ihr folgen und das genügt ihr vorerst. Mehr und mehr geht eine eigenartige Veränderung mit dem Mädchen vor sich. Es ist stiller und schweigsamer als sonst, lacht kaum und wirkt stattdessen ernst und nachdenklich. All die vielen Dinge, die gesagt oder auch nicht gesagt wurden, haben Sira doch tiefer getroffen, als es den Anschein hat. An der Oberfläche ist ihr nur anzumerken, was offensichtlich ist; was in ihr vor sich geht, weiß jedoch nur sie allein. Ganz in ihre Gedanken verloren, trabt sie vor ihren beiden Reisegefährten her, sehr zum Missfallen Winds, dem es wenig gefällt, dass seine kleine Herrin so vollkommen mit anderen Dingen beschäftigt ist, dass sie nicht mit ihm spielen mag. Missmutig trottet der Hund neben ihr her und versucht ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Als ihm dies jedoch auch nach einer ganzen Weile nicht gelingen mag, wendet er sich ab und jagt irgendwelchen Schmetterlingen und sonstigen Faltern nach, die sich auf den Wildblumen am Wegesrand tummeln.

Wie Tags zuvor setzen die drei Wanderer ihren Weg fort, wobei spürbar ist, dass ihnen die zurückliegenden Ereignisse doch noch sehr zu schaffen machen. Doch zumindest haben sich Janna und Del zumindest erst einmal über den weiteren Reiseverlauf geeinigt. Die Schankmaid begleitet den Halbelben und das Mädchen auch weiterhin, bis sich ihre Wege am Rhain vermutlich trennen werden, da Janna dort gen Dunkelwald abbiegen wird, während Del und Sira dem Frostweg wohl noch ein gutes Stück weiter folgen werden. Bis es soweit ist, dürften jedoch noch ein paar Tage vergehen, immerhin ist der Frostweg lang und die gemeinsame Reisezeit dementsprechend ebenso. Das Wetter ist verhältnismäßig gut, offenbar hat es in der Nacht genug geregnet, sodass es nun trocken bleibt. Immer wieder verhängen Wolken den Himmel und die Sonne kommt nur von Zeit zu Zeit einmal durch. Es weht lediglich ein leichter Wind und so ist es nicht sonderlich kalt und angenehm zu wandern. Vor allem Bauern und Feldarbeiter begegnen ihnen mit ihren Karren und Gespannen, aber auch andere Reisende, vor allem Händler, die aus dem Norden kommen und auf dem Weg nach Talyra sind. Diesmal haben Janna, Del, Sira und Wind allerdings nicht das Glück von einem freundlichen Bauern oder Händler auf seinem Wagen ein Stück der Strecke mitgenommen zu werden und müssen sich somit vorerst mit Schusters Rappen zufrieden geben, während sie dem Frostweg Richtung Verd am See folgen. Noch zwei oder drei Tagesmärsche, dann dürften sie an der Abzweigung vorüberkommen, die sie zu dieser Stadt führen würde. Davon hat Sira jedoch keine Ahnung. Del hat ihr die Karte zwar gezeigt, die er organisiert hat, doch viel anfangen konnte das Mädchen damit nicht. Interessiert hat sie Sira auch nicht wirklich. Das Mädchen macht sich keine großen Gedanken wegen der zurückzulegenden Entfernungen. Und wo Verd am See liegt, interessiert die Kleine ebenso wenig, da sie die Abzweigung, die dorthin führt, gewiss nicht nehmen werden, sondern dem Frostweg, der weiter nördlichwestlich an der Stadt vorüberführt, nicht verlassen werden.

Die Stunden verstreichen ungezählt. Erst gegen Mittag wird eine kleine Rast eingelegt, die vor allem Sira sehr dankbar annimmt. Der Schlafmangel der letzten zwei Nächte macht sich nun doch verstärkt bei ihr bemerkbar, so dass das Mädchen aus deshalb eher lustlos und still zwischen, neben oder hinter Janna und Del hertrottet, weil es immer müder wird. Anstatt etwas zu essen, nutzt Sira daher die kurze Rast, um ein wenig zu schlafen. Lange hat sie jedoch nichts davon, weil sowohl der Halbelb als auch die Schandkmaid schon bald wieder zum Aufbruch drängen. Nur widerwillig folgt ihnen das Mädchen, doch hat es kaum eine andere Wahl.
Während Sira jedoch eher mürrisch aufsteht, ihre sieben Sachen zusammensucht und dann wieder tapfer einen Fuß vor den anderen setzt, ist Wind hell auf begeistert, wieder weiterzulaufen. Dem grauen, zottigen Hund bekommt die Wanderung ausgezeichnet, bietet die Straße seinem ausgeprägten Bewegungsdrang doch viel mehr Freiraum als die Straßen und Gassen Talyras. Zudem hat der große Hund scheinbar einen Narren an der jungen Katze gefressen, die Janna mit sich führt und wie ihren Augapfel hütet. Neugierig heftet sich der Hund an die Fersen der Schankmaid, denn seine Herrin scheint sich derzeit ja ohnehin nicht sonderlich für ihn zu interessieren. Argwohn oder Feindschaft lässt er gegenüber dem Katzentier dabei nicht erkennen, eher Begeisterung und Spielfreude, womit er jedoch auf nicht sonderlich viel Gegenliebe stößt. Vielmehr versucht die Katze ihn immer wieder fauchend mit gesträubtem Nackenhaar und ausgefahrenen Krallen zu verscheuchen, sofern er ihr zu nahe kommt. In solchen Momenten zieht der junge Hund sich zwar immer wieder beleidigt zurück, doch hält dieser Zustand nie sehr lange an, sodass er schon recht bald wieder an Jannas Seite zurückkehrt, um einen erneuten Annäherungsversuch zu starten. So verbringen die beiden Tiere den Nachmittag in beständiger Kabbelei, was zumindest gelegentlich für den einen oder anderen Lacher sorgt, während auch der zweite Reisetag allmählich zur Neige geht und der Abend immer näher rückt.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 04. Sept. 2005, 11:47 Uhr
Ohen sich um die Erwachsenen, Wind oder irgendetwas anderes zu kümmern rennt Sira beständig den ganzen Tag immer abseits von den anderen und lässt sich weder ein Wort noch ein Lächeln entlocken. Was auch immer in ihrem Kopf herumspukt muss sie dermaßen beschäftigen, dass alles andere unwichtig wird. Selbst wenn sie mal über einen Stein oder Stock stolpert, widmet Sira dem Geschehen nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig wäre und läuft marionettenartig weiter. Für die Rast zur Mittagszeit nimmt sich Del vor, dass er Sira auf ihr Verhalten anspricht, doch kaum dass sie sich für eine Pause entschieden haben, hat sich Sira schon zu einer Kugel zusammengerollt und schläft sofort ein. Leise unterhalten sich Del und Janna über das Mädchen, doch recht einig werden sie sich nicht. Die angespannte Situation ist zwar noch nicht vollständig gewichen, aber mit jedem weiteren Schritt den sie hinter sich bringen, hat keiner der beiden mehr Lust sich auf irgendwelche dummen Streits zu berufen und diese albernen Spielchen fortzuführen. Dafür ist die Reise zu anstrengend, um sich auch noch ständig daran zu erinnern, dass man dem anderen grollt. Ihre GEspräche sind zwar eher oberflächlicher Art, doch sie reden miteinander und während ihres Marsches ist es neben Wald und gelegentlichen Händlern oder Bauern die einzige Abwechslung, die sie vom beständigen Fuß vor Fuß setzen ablenken. Wo vorher in der Nähe Talyras noch Felder und die Gehöfte von Bauern zu finden waren, hat sich der Wald jetzt bis auf wenige Schritt an den breiten Frostweg herangewagt und bildet so eine Schneise, die es einem erlaubt nur noch nach vorne, nach hinten und nach oben zu gucken. An das Zurückblicken denkt keiner, da sie für die Reise zu lange Vorbereitungen getroffen und jeder seiner Gründe zur Weiterreise hat. Nach vorne und die Unendlichkeit des Weges zu sehen fällt oft schwer, da absolut kein Ende in Sicht ist und alles gleich aussieht, so dass es nur wenig Antrieb gibt um diese oder jene Stelle zu erreichen. Und für den Fall dass jemand von ihnen nach oben sieht, so sind dort nur Wolken zu sehen, welche die Sonne fast den ganzen Tag wegsperren, aber wenigstens so gnädig sind und ihnen nicht wieder Regen bescheren.
Den ganzen Tag über besteht ihre Marschordnung aus Sira die stur weiter einige Schritte vorraus läuft, Del und Janna sie nebeneinander hergehen und Wind der anfangs noch bei Sira sein Glück versucht, aber dann auch mehr zu den Erwachsenen zurückfällt und sich dann auf deren Höhe um alles mögliche am Waldrand kümmert oder auch mal im Gestrüpp am Waldrand verkriecht, um dann wenig später wie ein Irrer wieder an ihnen vorbeizupreschen. Del unterhält sich zwar nicht die ganze Zeit mit Janna, doch wenn sie es tun, dann sprechen sie meist nur sehr leise. Auf seine Fragen, wie lange genau das Katzenvieh mit ihnen reisen soll, reagiert Janna generell abweisend und behauptet jedes Mal wieder, dass es ihre Entscheidung sei und dass sie sich schon um das Tier kümmert. Irgendwann im Laufe des Tages gibt es Del dann auf, weiter nach dem Kater zu fragen. Als er Janna aber kurz noch auf den Namen des Tieres anspricht und sie nur verwundert die Augenbrauen hebt, erklärt er ihr im väterlich mahnenden Ton, dass man Tieren schon einen Namen geben müsste. Janna nimmt diesen Vorwurf leise grummelnd zur Kenntnis und erklärt dann, dass sie sich erst noch einen überlegen muss und das braucht halt seine Zeit. Mit einem verhaltenen Grinsen gibt Del Janna zu verstehen, dass er ihre Ausrede durchschaut hat und hält dann schnell einige Schritte Abstand, damit sie nicht wieder Grund zum explodieren hat.

So vergeht der Tag mit kleinen harmlosen Streitereien(nicht nur zwischen den Erwachsenen), kurzen Pausen zum Rasten, Grübeleien bezüglich dem Verhalten der anderen Gruppenmitgliedern und gelegentlichen Suchen nach Wind, der sich hin und wieder zu weit ins Larisgrün wagt. Mit Fortschreiten des Tages zieht sich der Himmel immer mehr zu, doch die Götter bleiben ihnen gnädig und lassen es auch weiterhin nicht regnen. Normalerweise hat Del nichts gegen Regen, doch da diese Nacht wohl unter freiem Himmel stattfinden wird, verzichtet er lieber darauf und schickt auch mehr als einmal ein stummes Gebet zu den Göttern, damit sie es irgendwo anders regnen lassen. Glücklicherweise hält sich das Wetter. Nur ein leichter Wind kommt auf, der aber das raunende Versprechen mit sich bringt, dass er die dicken Wolken fortträgt. Wäre eine Sonne zwischen den Wolken und Bäumen zu sehen, dann würde sie vermutlich schon ein ganzes Stück gesunken sein, als Del beschließt dass es Zeit wird, sich einen Schlafplatz für die Nacht zu suchen. Direkt am Weg zu rasten ist für kleinere Pausen zwar ganz ertäglich, aber während der Nacht zieht er es dann doch vor, wenn sie geschützt und auch leicht versteckt schlafen würden. Ohne jemanden Bescheid zu geben hält er deswegen einfach an und versucht im trüben Dickicht des Larisgrüns passende Stellen auszumachen. Ds Licht ist jedoch so schlecht, dass es absolut unmöglich ist, von hier aus etwas zu erkennen. Weder Sira noch Janna scheinen sein Zurückbleiben zu bemerken. Da es hier aber auch keine Trampelpfade gibt, die darauf weisen, dass hier vielleicht schon andere Wanderer gerastet haben, schließt Del wieder auf.
"Wir sollten sehen, dass wir einen geeigneten Platz für die Nacht finden." Nach langer Zeit des Schweigens zuckt Janna erschrocken ein wenig zusammen und sieht Del anfangs leicht verwirrt an. Das amüsierte Schnauber über ihren leicht verwirrten Ausdruck, lässt sie die Aussage aber schnell bekräftigen. "Sira." Keine Reaktion und das Mädchen läuft einfach weiter. "SIRA!" Noch immer absolut nichts was darauf hindeuten würde, dass sie Del verstanden hat. Mit einem Pfeifen holt Del Wind zu sich heran, zeigt auf Sira und erklärt dem Wolfshund, dass er seine Herrin herbringen soll. Was auch immer der Hund versteht, er tut zumindest etwas und rennt sogar zu Sira, die dann auch endlich aus ihrer Trance bricht. "Wir wollen rasten und suchen uns einen Platz oder Lichtung im Wald. Komm." Das Mädchen blickt regungslos zu den Erwachsenen, doch als diese langsam zwischen Bäumen und Büschen verschwinden, beeilt sie sich, um hinterher zu kommen. Scheinbar ziellos irren sie eine Weile umher, bleiben an Ästen und Sträuchern hängen, bis sie zu einer kleineren Lichtung gelangen, die genug Platz für sie bieten würde und sogar eine Himbeersträucher beherbergt. Zum ersten Mal an diesem Tag zeigt sich auf Siras Gesicht etwas wie Freude, denn die süßen Früchte lassen so manches Herz höher schlagen. Am liebsten hätte Del ihr gesagt, dass sie zuerst Feuerholz besorgen soll und dann welche Essen darf, aber angesichts ihres Zustandes, lässt er sie erst naschen und erteilt ihr dann den Auftrag. "Sira, nimmt Wind mit und geh bitte Feuerholz holen ja? Aber nicht zu weit weggehen. Du bleibst soweit in der Nähe, dass du uns hören oder sehen kannst, klar?" Verstehend nickt das Mädchen und erfüllt dann ihre Pflicht. Zusammen mit Janna berät sich Del kurz, wie sie ihr kleines Lager aufbauen. Angrund der tief hängenden Äste einer Kiefer wird bestimmt, dass die Zelte dort aufgebaut werden, um so zusätzlichen Schutz vor möglichen Regen zu haben. Zudem würde man so vermeiden, dass ihr Feuer den Baum entzünden würde.
"Ich hoffe du weißt wie man ein Zelt aufbaut." Janna reagiert nur mit einem Schnauben und widmet sich dann mit ganzer Aufmerksamkeit ihrem Zelt. Als Sira zurückkehrt sind beide Zeltplanen über Äste gehängt und mit Steinen am Boden befestigt worden. Rasch wird das Feuerholz aufgestapelt. Da ihnen trockenes Laub aufgrund des Regens fehlt, dauert es eine Weile bis Del das Feuer in Gang gebracht hat, doch ganz langsam zeigen sich die ersten Funken. Natürlich geht das erste Feuer schneller aus, als allen lieb ist, so dass ein weiterer Versuch zum entzünden gestartet wird. Irgendwann ist das Feuer stark genug um gegen die feuchten Holzscheite anzukommen und erhellt einen Teil des dunklen Waldes.

Sie sitzen auf Gepäck, Decken und Ästen um sich dann gemeinsam an Brot, Trockenfleisch und Himbeeren genüßlich zu tun. Wie immer fällt auch diese Mahlzeit recht karg aus, doch es reicht um ihre Mägen zu füllen. Schweigend wird wann immer jemand danach gefragt der Weinschlauch weitergereicht. Da Sira mitreist hatte Del seinen stark verdünnen lassen, denn ein betrunkenes Mädchen wäre das Letzte was er gebrauchen könnte. "Also," bricht er dann schließlich das abendliche Schweigen, "Willst du uns verraten, was mit dir los ist oder schweigst du uns weiterhin an, hm?" In seiner Stimme schwingt ein leichter Vorwurf mit, da er Sira schon einmal erklärt hat, dass sie sich ihm ruhig anvertrauen kann. Aber genauso kann man die Sorge in seinen Augen sehen. Kurz kommt ihm der Verdacht, dass Sira wegen Janna nichts sagen wird, aber da ihre Reise noch eine ganze Weile dauern wird und sie sich nicht immer gegenseitig ausgrenzen können, sollte sich das Mädchen einfach einen Ruck geben.  

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 04. Sept. 2005, 15:58 Uhr
Nachdenklich schaut Sira in die Flammen und weicht somit Dels Blick aus. „Es ist nichts“, murmelt sie. „Ich habe nur ein wenig nachgedacht.“ Der Blick des Halbelben, der deutlich sagt ›Nachgedacht? Einen ganzen Tag lang?‹, entgeht ihr glücklicherweise. Sie nimmt sich noch ein paar Himbeeren und steckt sie sich in den Mund. Die wilden Früchte schmecken süß, nach Sonne und Wald und lassen das Mädchen mit einem Mal sehnsüchtig an allerlei Naschwerk denken. Hastig steckt sie sich gleich noch zwei weitere Beeren in den Mund. „Wenn wir meinen Vater nicht finden“, erklärt sie schließlich und sieht auf, die Flammen des Feuers lassen Schatten über ihr Gesicht tanzen und Funken in ihren Augen aufblitzen, „dann muss ich doch nicht wirklich zu den Amazonen, oder?“ Fragend sieht sie Del an und vermeidet den direkten Blickkontakt mit Janna. Noch immer ist sie sich nicht ganz sicher, wie sie sich gegenüber der Amazone, die nicht als Amazone bezeichnet werden mag, verhalten soll. Eigentlich müsste sie mich doch verstehen, sagt Sira sich. Sie will auch nicht, dass man sie Amazone nennt und sie ist fort gegangen und hat in Talyra gelebt. Das Mädchen bedenkt die junge Frau, die bis vor kurzem noch im Pfirsich als Schankmaid gearbeitet hat, mit einem verstohlenen Seitenblick. Ein winziges „Aber“ huscht bereits durch ihren Kopf. Sie benimmt sich auch gar nicht wie eine Amazonen … – Einmal mehr kommen Sira die wildesten Geschichten in Erinnerung. – … na ja, bis gestern zumindest. Und jetzt will sie offenbar zu ihnen zurück, warum wohl? Die Frage kommt ihr ganz plötzlich in den Sinn, doch stellt sie sie lieber nicht laut.

Nur zu gerne würde Sira so manches fragen, doch, ganz im Gegensatz zu ihrem üblichen offenen und neugierigen Gebaren traut sie sich im Augenblick einfach nicht Janna anzusprechen. Dabei gäbe es gewiss einiges, was ihr die junge Frau erzählen könnte, z.B. über ihre Mutter und wie es bei den Amazonen nun wirklich ist, wie sie leben und so weiter. Stattdessen starrt das Mädchen nur wieder stumm in die Flammen und lauscht dem Prasseln des Feuers. Wind gesellt sich zu ihr und genießt es sichtlich, sich von ihr ausgiebig kraulen zu lassen. Man spürt, dass es dem jungen Wolfshund gefällt, nun wieder ihre Aufmerksamkeit zu haben. Sira lässt sich noch mal den Weinschlauch reichen und trinkt ein wenig. Obwohl Del den Wein stark verdünnt hat, merkt sie mittlerweile doch, wie er seine Wirkung tut; das Getränk wärmt nicht nur von innen heraus, sondern lässt sie auch ziemlich schläfrig werden, was durch den noch immer nicht ganz ausgeglichenen Schlafmangel der letzten Nächte auch noch stärker bedingt wird. Trotzdem versucht sich das Mädchen so gut es eben geht wach zu halten. Schließlich fällt ihr Blick auf die kleine Katze, die Janna mit sich genommen hat. Und endlich zeigt sich auf ihrem bis dahin eher ernsten und nachdenklichen Gesicht doch wieder ein Lächeln. „Hast du mittlerweile einen Namen für sie?“, erkundigt sie sich neugierig. „Sie ist wirklich süß.“ Vorsichtig streckt sie ihre Hand aus, um das Tier zu streicheln, hält aber inne, bevor sie das weiche Katzenfell berühren kann. „Darf ich?“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 12. Sept. 2005, 23:39 Uhr
Del willigt ein, nachdem er sich wahrscheinlich mehrere Zähne an seinem Stolz ausgebissen hat, um sich überhaupt dazu zu bringen, die Hand zu heben. Sein Gesicht ist voller Grimm und die Halbherzigkeit, mit der er ihr zustimmt, macht es ihr schwer, das Lächeln auf ihren Lippen aufrecht zu halten. <<Du hast keine Ahnung, auf was du dich da eingelassen hast, also tu besser, wie ich dir sage, sonst landest du an einem Ort, der für einen Mann schlimmer als die Hölle ist.>> Flüchtig wirft sie einen milden Blick in Richtung des Mädchens, das ihnen beiden den Rücken zugekehrt hat und ziemlich verloren aussieht. Irgendwo beginnen lästige Schuldgefühle an Jannas Bewusstsein zu kratzen, schliesslich ist sie überhaupt daran schuld, dass dieser ganze Streit ausgebrochen ist   „Wenn wir das nun also geklärt hätten, könnten wir denn so langsam?“, fragt er schliesslich und nickt zu einer Schar von Kindern, die sie neugierig verfolgen und scheinbar gespannt sind, was ihnen die fremden Wanderer noch zu bieten haben. Seufzens zuckt Janna mit den Schultern, winkt den Kindern zu, die sofort in wildes Gekicher ausbrechen und ebenfalls zurückwinken, nur um sogleich nach allen Seiten zu verschwinden, als ein Bauer mit Besen auf das Grüppchen zustampft. Er scheint überhaupt nicht glücklich darüber zu sein, dass eine dahergelaufene Bande die Zeit der Kinder zu sehr in Anspruch nimmt und wirft den Dreien auch nur einen finsteren Blick zu, bevor er noch einmal sorgfältig nach einem besonderen Frechdachs schielt und zufrieden nickend, wieder auf seinen Hof zurück kehrt.
Als er schliesslich hinter der nächsten Hausmauer verschwunden ist, kommt auch der Erste schon wieder aus dem Gestrüpp gekrochen, über und über mit Erde bedeckt und von einem Ohr zum anderen schelmisch grinsend.
„Ach, und Janna, nenn mich bitte wieder Sira … Ja?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtet Janna Lorne, Sira, wie auch immer und schüttelt resignierend den Kopf, sich vorkommend wie in dem dümmsten Possenspiel, das die Immerlande je heimgesucht hat. Doch sie möchte nicht widersprechen, nicht jetzt wo sich gerade angebliche Ruhe über den Streit und die Aufregung gelegt hat, die noch stets untergründig zwischen ihnen schwillt und so belässt sie es bei einem Seufzen. "Wie du meinst Sira." Das Mädchen jedoch trottet bereits voraus und scheint völlig in ihrer eigenen Gedankenwelt versunken zu sein, was Janna sogar irgendwie, unter Aufbringung all ihres Verständnisses begreift. Trotzdem würde Sira immer Lorne bleiben, egal wie viele Male sie sich noch den Kopf anstösst und dieser Wahrheit muss sich das Mädchen schnellstens bewusst werden, sonst wird es nur umso schmerzhafter für sie, wenn sie sich jemals wieder erinnert.
So setzen die Drei ihren Weg fort, über den gestampften Erdenweg in Richtung Norden. Das Schweigen legt sich über sie, wie ein kalter, beklemmender Schleier und Janna stiert die Bäume so durchdringend an, als gäbe es ausser dem Wald um sie, der sich turmhoch zu beiden Seiten in den bewölkten Himmel erhebt, nichts mehr auf dem Pfad. Ws liegt denn schon vor ihr ausser dem Wiedersehen mit einer Mutter, die wahrscheinlich lediglich ungehalten und erbost über die Rückkehr reagieren wird, sowie einem ganzen Stamm von Frauen, dem sie vor Jahren den Rücken gekehrt hat, um in der freien Welt leben zu können... bei ihrem Vater. <<Vielleicht sollte ich diese Schnapsidee noch einmal überdenken, zurückkehren, mich ins Bett legen und Dancy dazu bringen Rashid und Callios aus der Stadt zu jagen, dann wären alle meine Probleme gelöst.>> So einfach wie sie sich das jedoch vorstellt, ist die Realität nun wahrlich nicht und mit einem selbstironischen Grinsen betrachtet sie für einen Moment Wind, der sich von seiner Herrin abgewandt hat und nun die kniehohen Rauchfarnen nach Mäusen und Ratten durchwühlt, das Fell voller Kletten und Erde. "Ja, du hast es gut, suhlst dich im Schlamm, hast jemanden der dich füttert und brauchst dich nicht darum zu sorgen, wie du jemandem erklären musst, warum du wütend, sauer oder sonst was bist. Dich lässt man einfach in Ruhe, warum kann das mir nicht passieren?" Dell wirft ihr einen fragenden Seitenblick zu und sie stellt mit Verärgerung fest, dass ihre Gedanken nicht in ihren Kopf geblieben sind. Unwirsch schüttelt sie den Kopf und blickt nur noch finster drein, als müsse sie sogar die Raben über ihren Köpfen von ihrer schlechten Laune überzeugen.
Auch die Bauern, Mägde, Wandersmänner, Robenträger zu Rosse und Bettler, die ihren Weg kreuzen, bekommen die düstere Stimmung innerhalb der Gruppe mit und schlagen einen grossen Bogen darum, als wären sie allesamt von einer Seuche heimgesucht und die Pest prangte gross in ihren Gesichtern.
Die Zeit vergeht so langsam, dass Janna oftmals glaubt, die Zeit würde stillstehen und die Sonne würde sich extra langsam bewegen. Hin und wieder wechselt sie einige flüchtige Worte mit dem starrsinnigen und unkooperativen Halbelben neben sich, den sie ansonsten grösstenteils ignoriert, oder es zumindest versucht, was bei einem guten zwei Schritt hohen Wesen leider, zu ihrem äussersten Missfallen schlecht möglich ist.
Die Katze in ihrem Beutel ist aufgewacht... und zeigt plötzlich eine ausgereifte Abneigung gegenüber einer stupenden Hundenase, obwohl sie im Größenverhältnis nun wirklich nicht in der Lage ist, irgendwelche Ansprüche zu stellen. Immer wieder faucht sie kratzbürstig auf, wenn Wind es einmal wagt neben Janna her zu laufen und der Welpe ist scheinbar von der plötzlichen Widerspenstigkeit des Katers so verblüfft, dass er lieber, mit argwöhnischem Seitenblick, Abstand hält und versucht die Lage neu einzuschätzen. Doch in der jugendlichen Naivität, sie selbst einem Tier zu Grunde liegt, versucht er es immer wieder aufs Neue und fängt sich hie und da sogar ein paar Kratzer ein, die ihn dann voller Empörung aufjaulen lassen. Janna betrachtet ihn und den Kater jeweils abwechslungsweise mit leichter Verwunderung und muss doch plötzlich grinsen, als ihr der allseits bekannte Spruch einfällt: "Was sich liebt, das neckt sich." Das dieser jedoch auf die beiden Tiere zutreffen könnte, glaubt sie weniger, besonders nicht nachdem der Kater beinahe lauthals zischend aus dem Beutel springt und Wind sich so schnell hinter der nächsten, grösseren Wurzel vergräbt, dass man meinen könnte, ein Höllenhund stünde vor ihm – aber wahrscheinlich hätte er vor dem weniger Angst als vor dem kleinen, unschuldigen Katerchen in ihrem Beutel.

Shenras Antlitz wandert über das Firmament und mit jedem Schritt, dem Janna dem Ende ihrer Zusammenreise mit Lo... Sira und Dell näher kommt, desto besser wird ihre Laune und sie lässt sich gar dazu herab, nicht mehr nur noch knurrende Antworten zu geben, wenn ihr Begleiter versucht einige Worte mit ihr zu wechseln.
Als er sie jedoch auf den Namen des Tieres anspricht und sie nur in fragender Überraschung die Brauen hebt, erklärt er ihr grinsend, dass auch Katzen Namen haben müssten. Sie grummelt leise irgendwas "später" und läuft dann einige Schritte voraus, um die patzige Antwort, die ihr auf der Zunge liegt heroisch hinunter zu schlucken. Für einen neuen Streit hat sie keine Lust, doch sein närrisches Grinsen gibt ihr dann doch beinahe den Rest und ihr kommt der Gedanke, ihm das Gesicht mit ihrer Faust so zu wandeln, dass es ihn auch nur schmerzt seine Mundwinkel zu heben. <<Pff... Männer. Alles Idioten, egoistische, selbstsüchtige, halsstarrige, besserwisserische, arrogante Monster, die nichts besseres zu tun haben, als einer Frau auf den Geist zu gehen. Man sollte ihnen allesamt Steine an den Fuss binden und sie im Ildorel versenken>>. Allein der Gedanke nimmt ein wenig der Wut aus ihrem Inneren und die nächste Zeit ist sie damit beschäftigt, sich die schönsten Methoden auszudenken, wie man Männer vom Antlitz Rohas entfernen könnte... und zwar alle.
Sie zuckt erschrocken zusammen, als Del sie plötzlich auf einen Lagerplatz anspricht und braucht einige Momente um den Zusammenhang seiner Worte zu begreifen, bevor sie nur müde nickt und nach Lorne Ausschau hält, die sich von den Erwachsenen abgesetzt hat und ein ganzes Stück voraus läuft. Augenscheinlich ist das schwarzhaarige Mädchen dermassen in Gedanken versunken, das es ihr nicht einmal im Entferntesten einfällt auf die Rufe des Halbelben zu reagieren, die sogar einem Zwergenbass alle Ehre gemacht hätte und erst als Wind dazu beauftragt wird, seine kalte, feuchte Nase gegen ihre Hand zu stupsen und sie auf zwei wartende, lästige Erwachsene aufmerksam zu machen, fährt sie herum und scheint doch leicht verblüfft, dass ihre Gefährten einfach angehalten haben.
Einen Platz zum Lagern zu finden, ist dann doch nicht so eine langwierige Sache, wie sie hätte sein können und mit Erleichterung betrachtet Janna kurze Zeit später die gemütliche Lichtung, die für ihr Lager perfekt scheint. Sie packen ihre Zelte aus und beginnen diese aufzubauen und sie hat gerade einen Holzpflock in der Hand, um die Plane zu befestigen, da fragt Del sie grinsend, ob sie denn fähig wäre ein Zelt überhaupt aufzubauen. Für einen Moment hält sie inne, schnaubt dann wie ein wütender Stier und kaum das Del ihr den Rücken zugewandt hat, knallt der Pflock schmerzhaft gegen seinen Hinterkopf, wobei sie ihm entgegenknurrt: "Wenn du diese Reise überleben willst, dann halt deine Zunge im Zaum, oder ich servier sie dir zum Abendessen."
Die Drohung in ihren Worten ist wahrlich nicht zu überhören und ohne auf eine Antwort zu warten, setzt sie ihre Arbeit fort und widmet sich inbrünstig ihrem Zelt, das auch nach kurzer Zeit genauso steht, wie es stehen soll.
Del schafft es sogar ein Feuer zu entzünden, erntet dafür von Janna jedoch keine Dankbarkeit sondern nur ein: "Na endlich", bevor sie sich auch schon niederlässt, die Katze auf ihrem Schoss und eine Decke um ihre Schultern geschwungen. Sie friert trotz der Wärme der Flammen am ganzen Leib, die Feuchtigkeit der Luft tut da sein Übriges und nur mit aller Kraft kann sie sich davon abhalten, mit den Zähnen zu klappern.
Del ist es schliesslich auch, der Lorne auf ihre Schweigsamkeit und Distanz anspricht, was sogar Janna dann einen fragenden Blick entlockt, denn das Mädchen war wirklich äusserst still gewesen für ihre ansonsten so fröhliche Natur. Die Schankmaid mag vielleicht auf den Halbelben sauer zu sein, oder ihn gar zu hassen, aber damit hat Lorne nichts zu tun und so betrachtet Janna das Mädchen mit einem sanften Lächeln, als diese holprig versucht zu erklären, was mit ihr los ist. Zuerst bekommen sie nichts als Schweigen und einsilbige Antworten und Janna gibt die Hoffnung schon beinahe auf, jemals zu erfahren, was nun an der Hand ist, als sich Lorne anscheinend doch noch dazu durchringt, die Erwachsenen nicht in Unwissenheit zurück zu lassen. „Wenn wir meinen Vater nicht finden“,, beginnt sie zaghaft und mit einem so ernsten und gleichzeitig verträumten Blick, dass es der Schankmaid schwer fällt, den Worten ohne einem amüsierten Lächeln zu folgen: „dann muss ich doch nicht wirklich zu den Amazonen, oder?“
Es ist zu deutlich, wie Lorne versucht ihrem Blick auszuweichen und Janna ist nahe daran einfach kopfschüttelnd aufzustehen, das Handtuch zu werfen und sich zu verziehen. Ist dieses Mädchen wirklich so dumm, ist wirklich so naiv und dumm zu glauben, dass sie ihrer Vergangenheit einfach so entkommt? Janna will gerade zu einer Antwort ansetzen, als Lorne aus dem Nichts heraus das Thema wechselt und auf die unschuldig schnurrende Katze in ihrem Schoss zu sprechen kommt, die sich so spät wohl nicht mehr dazu herablassen möchte, sich mit irgendwelchen unzivilisierten Hunden abzugeben. "Wie?", fragt Janna verwirrt und völlig aus dem Konzept gerissen und fragt gleich hinterher: "Namen? Wie meinst du?"

„Oh, das meinst du“, entfährt es ihr schliesslich und sie muss über ihre eigene lange Leitung lachen, gleichzeitig erfreut das Lächeln betrachtend, dass sich scheu auf dem hübschen Gesichts Siras ausgebreitet hat. Mit dem Kopf leicht nickend, klopft Janna mit einer Hand neben sich auf den Boden, zwischen sich und Del: „Komm, dann gebe ich sie dir, falls Wind das zulässt.“ Der Hund ist jedoch gerade damit beschäftig aus einem redlichen Ast Kleinholz zu machen und achtet nur am Rande auf die kleine Gruppe am Feuer. Erst zögert Sira, rappelt sich dann jedoch schnell auf und kuschelt sich zwischen die Schankmaid und den Halbelben. Vorsichtig legt ihr Janna eine Decke um die Schultern, die von Del noch zurecht gezupft wird und legt dem Mädchen den doch über beide ausgefransten Ohrspitzen hinaus verschmusten Kater in den Schoss, gleichzeitig mit leicht rot angehauchten Wangen murmelnd: „Nein. Mir ist noch immer kein Name eingefallen. Ich hatte noch nie ein Tier. Natürlich gibt es da im Pfirsich…“, kurz muss sie innehalten, um genug Luft zu holen, damit ihre Stimme nicht einfach versagt: „Das eine oder andere Haustier, doch die meisten Mäuse und Katzen wurden von Dancy mit Bravour aus der Schankstube verjagt und sind nie mehr wiedergekommen.“ Ein flüchtiges Schmunzeln huscht über ihre Züge, bevor sie eine Hand hebt und Lorne durch die schwarzen Locken streicht, gleichzeitig auf ihrer Unterlippe herumnagend. Sie würde sich gerne entschuldigen, zumindest teilweise, wenn es sein müsste sogar bei Del, doch kein Ton kommt aus ihrem Mund und stumm beisst sie in ein weitere Stück Brot, dass ihr noch geblieben ist. Eine kurze Zeit herrscht Schweigen, dann flüstert Janna schliesslich leise: „Nein, musst du nicht.“
Sowohl Sira als auch Del scheinen einen Augenblick verwirrt, bevor Begreifen sie ereilt und ihre Mienen die verschiedensten Gefühle durchlaufen. Janna jedoch hält den Blick zu Boden gesenkt, die Finger ineinander verschlungen, um das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken und mit so fester und tonloser Stimme wie möglich fährt sie weiter: „Du musst nicht zurück, wenn du nicht willst. Du bist kein Kind mehr, also kannst du selbst über deine Wege entscheiden, so wie ich es damals auch konnte. Vielleicht solltest du dir vorerst auch nicht zu viele Gedanken darüber machen und erst einmal deinen Vater suchen. Ich weiss zwar keinen Grund, warum Mirdàn sich hätte weggeben sollen, doch du bist wohl die Einzige, die es herausfinden kann. Ich kann dir nur Glück wünschen.“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 14. Sept. 2005, 13:03 Uhr
Glücklich streicht Sira der jungen Katze über das weiche Fell, bis das Katzentier laut und zufrieden zu schnurren beginnt, dass es eine wahre Freude ist. Der Katze immer wieder vom Kopf, über den Rücken bis hin zur Schwanzspitze zu streichen und sie bald auch am dargebotenen Bäuchlein zu kraulen, hat etwas beruhigendes an sich. Und da Wind vorerst beschäftigt zu sein scheint, widmet sich das Mädchen dieser Aufgabe voll und ganz. Sie kichert leise, als Janna erklärt, dass Dancy normalerweise dafür sorgt, dass der Pfirsich weitestgehend Katzen und Mäuse frei bleibt und blickt erst wieder auf, als die Schankmaid meint, dass sie nicht zu den Amazonen zurück müsse, wenn sie nicht wolle, da sie schließlich kein kleines Kind mehr sei. »… Du bist kein Kind mehr, also kannst du selbst über deine Wege entscheiden, so wie ich es damals auch konnte. Vielleicht solltest du dir vorerst auch nicht zu viele Gedanken darüber machen und erst einmal deinen Vater suchen …« Sira nickt langsam. Was Janna sagt hört sich vernünftig an, wer weiß, was noch alles passieren wird, immerhin sind sie gerade mal ein paar Tage aus Talyra fort und es ist bereits mehr geschehen, als sie gedacht hätte. Also widmet sie sich weiterhin der Katze und vergisst all ihre Trüben Gedanken und Sorgen fürs erste. So vergeht noch eine ganze Weile, bis Wind schließlich beschließt, dass es an der Zeit ist, dass auch er mal wieder sein recht einfordert und sich eifersüchtig zwischen Del und Sira drängt, sodass das Mädchen die junge Katze rasch an Janna zurückreicht, da diese bereits dabei ist, wieder ihre Krallen auszufahren, um dem zottigen, grauen Hund einen gehörigen Hieb über die vorwitzige Schnauze zu verpassen. Jaulend zieht der Wolfshund seinen Kopf zurück und verschwindet mit zusammengekniffenem Schwanz. Sira grinst halb schadenfroh, halb mitleidig und erhebt sich ebenfalls, um ihm zu folgen und ihn ein wenig zu trösten. „Tja, Wind“, murmelt das Mädchen und lacht, „Hund und Katzen, dass ist nicht einfach was?“ Sie kichert leise. „Na, mach dir nichts draus, sie wird sich schon noch an dich gewöhnen.“

Dann schließlich ist es an der Zeit schlafen zu gehen und Del macht dies auch mit ziemlich viel Nachdruck deutlich. Dessen hätte es allerdings an diesem Abend gar nicht wirklich bedurft, denn Sira ist so müde, dass sie bereitwillig unter eine der gespannten Zeltplanen schlüpft und es sich dort gemütlich macht. Wind muss jedoch zu seinem großen Missfallen feststellen, dass direkt im Zelt für ihn kein Plätzen vorgesehen ist und er sich mit einem halbwegs geschützten Platz am Eingang zufrieden geben muss, was sein dank der Katze recht angekratztes Ego noch ein wenig mehr in Mitleidenschaft zieht. Schmollend rollt er sich zusammen und tut so, als würde er alles und jeden ignorieren, obwohl er in Wahrheit die Ohren spitzt und auf alle Geräusche in seiner Umgebung sorgsam achtet. Ganz anders Sira, egal wo, ob unter freiem Himmel, in einem Heuschober oder in Dancys weichen Betten, die Kleine kann überall tief und fest schlafen wie ein Stein. Und wie ein Stein schläft sie in dieser Nacht nahezu im wahrsten Sinne des Wortes, weder der Wind, noch das Rascheln der Bäume oder die vereinzelten Rufe diverser Nachtvögel vermögen sie irgendwie zu wecken und auch Träume, sowohl gute, als auch weniger gute, bleiben ihrem Schlaf fern. So bekommt das Mädchen also nicht mit, wie lebendig die Nacht im Larisgrün sein kann. Immer wieder raschelt und knistert es im Unterholz leise, was sowohl Winds Ohren, als auch die der Katze immer wieder nervös aufzucken lässt.

Am nächsten Morgen geht es für die drei Wanderer und ihre zwei vierbeinigen Begleiter bereits in aller Frühe weiter. Zuvor gilt es jedoch die zelte wieder abzubauen und zu verstauen, das Gepäck neu zu verschnüren und die Feuerstelle sorgsam zu beseitigen, sodass die meisten Spuren ihres nächtlichen Lagerplatzes bald wieder verschwunden sind. Als endlich alle soweit sind, schultern sie ihr Gepäck und machen sich auf den Weg zurück zur Straße, wobei sie sich einmal mehr durchs Unterholz kämpfen müssen. Wind ist wie immer gute Dinge und froh darüber, dass es weitergeht, der Rest der Gruppe teilt seine Begeisterung weniger, sieht aber die Notwendigkeit des Aufbruchs ein. Vor ihnen liegt ein weiter Weg und selbst wenn sie zügig vorankommen würden, würden sie gewiss sehr lange unterwegs sein, großartige, selbstverschuldete Verzögerungen wollen sich daher weder Janna noch Del erlauben. Sira hat es nicht ganz so eilig wie die beiden Erwachsenen, die vermutlich schon den Tag herbei sehnen, an dem sich ihre Wege wieder trennen, doch das Mädchen hat schließlich in dieser Hinsicht nicht viel mitzureden und hält sich daher lieber gänzlich aus Diskussionen über Aufbruchszeiten, Wegstrecken und ähnliches heraus und plappert stattdessen einfach munter so vor sich hin.

Die Laune des dunkelhaarigen Mädchens hat sich mittlerweile wieder deutlich gebessert und so übernimmt sie es die meiste Zeit über, Del und Janna zu unterhalten, indem sie kleine Geschichten erzählt, die sie entweder einfach so erfindet oder die sie aus dem Gedächtnis nacherzählt, denn an solche Dinge kann sie sich sonderbarer Weise sehr genau erinnern. Auch ein paar Lieder gibt Sira sehr zum Bedauern ihrer Zuhörer zum Besten. Ihre Stimme ist zwar schön und kräftig und würde gewiss eine brauchbare Singstimme abgeben, doch ist sie gesanglich leider völlig ungeschult, sodass die Kleine bestenfalls jede zweite Note trifft, wenn ihr Soris, die Glücksmaid gerade gnädig ist. Langsam verstreicht der Vormittag und die Mittagszeit rückt mehr und mehr näher. Etwa um dieser Zeit rum hat das Mädchen die Gunst der Archonin wohl fürs erste genug strapaziert und verstummt nach und nach Natürlich nicht freiwillig, sondern schlicht und einfach, weil sie so heiser ist, dass ihr die Stimme einfach im Hals stecken bleibt, wann immer sie auch nur versucht, einen Ton von sich zu geben. Dass nicht jeder über diesen Zustand sooo sehr traurig ist, wie sie selber, zeigt ihr ein Seitenblick auf Del. Der Halbelb kann ein leichtes Grinsen nicht völlig verbergen und sein Blick, der zu sagen scheint „Endlich Stille.“ Spricht Bände. Wütend funkelt Sira ihn an, denn zu mehr als dieser gar fürchterlichen Geste ist sie im Augenblick bedauerlicherweise nicht im Stande.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 15. Sept. 2005, 08:37 Uhr
Asha trottet mit seinem typischen, schaukelnden Gang die ausgetretene Handelsstraße entlang, die Talyra mit den nördlichen Gebieten der Immerlande verbindet. Rashid fühlt sich wohl auf seinem Wüstenschiff, dass ihn schnell und zuverlässig trägt, während er seinen Blick über die umliegenden Felder schweifen lässt, auf denen die Frucht reif für die Ernte steht. Überall gehen Bauern ihrem Tagwerk nach, das sie nur kurz unterbrechen, um den seltsamen Reisenden in seinen weiten, dunklen Gewändern zu mustern. Seine Waffe, der breite Säbel, die er samt seinem Helm und Schild offen trägt, wirken kriegerisch, und genau das beabsichtigt Rashid auch, denn Abschreckung hat schon oft dazu beigetragen, es gar nicht erst zu einem Kampf kommen zu lassen. Der erfahrene Karawanenwächter ist sicher der letzte, der einem guten Klingengang aus dem Weg gehen würde, aber man muss Diebespack und Straßenräuber ja nicht auch noch einladen, ihr Glück bei ihm herauszufordern.

Das Wetter zeigt sich zumindest nicht von seiner schlechtesten Seite, und der zinngraue Himmel über ihm behält seine feuchte Fracht fürs Erste bei sich. Die Landschaft verändert sich, und die Felder weichen einem dichter werdenden Wald, in dessen grünem Laub vereinzelt bereits die Farbkleckse des Herbstes aufleuchten. Der ganze Sommer hatte dieses Jahr im Grunde schon viel von einem Herbst, zumindest für Rashids Geschmack, der die sengende Sonne seiner Heimat gewohnt ist. Je weiter er sich von Talyra entfernt, desto seltener trifft er auf andere Reisende oder fahrende Händler, bei denen er frühzeitig seine Vorräte ergänzt. Wildes Feilschen gehört dazu, was ganz seinem südländischen Temperament entspricht, und mitunter sitzt er bereits schon wieder halb im Sattel, wenn ihn der Händler am Arm zurück hält, um ihm ein Angebot zu machen, das er seiner Meinung nach gar nicht ablehnen kann...immerhin habe der Händler 7 Kinder und eine Frau zu versorgen! Wenigstens weißt Du, wie viele es sind!, denkt er ein wenig amüsiert und Aingeal kommt ihm in den Sinn, wie sie für beide überraschend feststellen mussten, dass sie seine Tochter ist. Sie und er hatten sich hin und wieder in Talyra getroffen, doch es war nicht leicht, der jungen Frau näher zu kommen. Ihre abneigende Haltung gegenüber Männern im allgemeinen, war auch nicht gerade eine Hilfe, aber Rashid hatte sich vorgenommen, sein Möglichstes zu versuchen, wann immer er in Talyra weilte. Fürs Erste war sie bei Madam Pileh in guten Händen und würde ein Handwerk aus kundiger Hand erlernen. Den Rest würde die Zukunft bringen müssen.

Seinen ersten Reisetag beendet Rashid auf einer Lichtung am Wegesrand. Vor ein paar Stunden hatte er ein Gehöft erreicht, und sich nach einem Mann und einem Mädchen erkundigt, die zusammen mit einem zotteligen Hund Richtung Norden reisen. Mit der Antwort, dass sie die Nacht in der Scheune verbracht haben, hatte er ja noch halbwegs gerechnet. Das es aber ein Trio war, und die Beschreibung der dritten Person auf Janna passt, hatte ihn jedoch mehr als überrascht. Nun sitzt er brütend an seinem Lagerfeuer, seinen Rücken an Asha gelehnt, der sich mit stoischer Ruhe und wiederkäuend niedergelassen hat. Bei seinem Reisetempo würde Rashid die Gruppe morgen früh eingeholt haben. Nur was, wenn tatsächlich Janna bei ihnen ist? Warum sollte sie ausgerechnet mit Del und Sira reisen? Und warum nach Norden? Wie würde sie reagieren, nachdem sie ihm die ganzen Siebentage im Pfirsich aus dem Weg gegangen war? Rashid entscheidet, dass das einfach zu viele Fragen auf einmal sind, und er die Antworten darauf vermutlich schneller haben wird, als ihm lieb ist. Und er sollte Recht behalten.

Shenrah ist noch auf ihrem Weg zum Zenit, als er das erste Mal eine kleine Gruppe Reisender vor sich ausmachen kann. Viel zu weit entfernt noch, um etwas genaues zu sagen, doch es sind drei Personen und ein Hund. Wie viele Möglichkeiten gibt es wohl, dass noch ein Mann mit zwei Frauen und einem Hund nach Norden zieht?!, fragt er sich mit einem Hauch Selbstironie. Immer wieder verschwindet die Gruppe, die er verfolgt, hinter einer Wegkehre oder in einer Senke zwischen zwei Kuppen, doch jedes Mal, wenn sie wieder auftauchen, ist er ihnen ein Stück näher gekommen. Irgendwann ist er so nahe, dass er sie erkennen kann. Dels abgetragen Lederkleidung, Siras vorwitzigen Hund Wind nebst seiner Herrin und Jannas hellbraunem Wuschelkopf. Ihre Wohl geformte Kehrseite würde er eh unter unzähligen erkennen! Rashid unterdrückt den Impuls, Ashas leichten Trab zu verlangsamen, um mehr Zeit zu gewinnen. Einer Sache aus dem Weg zu gehen, war noch nie seine Art, und so ist er bald bis auf wenige Schritt heran, als sie ihn bemerken und stehen bleiben. Die Verwunderung ihn hier so plötzlich mitten auf der Straße zu sehen, steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Schmunzelnd wandert sein Blick von Del zu Sira., ''Na seht mal an, was mir der Wind'', er blickt weiter zu Janna, ''vor die Füße geweht hat!'' Als der Hund seinen Namen hört, obwohl er mit Wind in diesem Falle gar nicht gemeint gewesen war, hüpft er aufgeregt bellend um Asha herum, der ihn mit einem tiefen Blöcken begrüßt.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 15. Sept. 2005, 15:36 Uhr
Der Abend vergeht in Stille, Sira hat sich wieder beruhigt und auch Del scheint nicht auf weitere Streitereien aus zu sein, wofür Janna äusserst dankbar ist. Sie mümmelt sich in ihre Decke unter ihrem Zelt ein und lauscht dem melodischen Trippeln des Regelns, der eine angenehmes Abendlied spielt, bis er erst gegen Mitternacht schliesslich verstummt. Die Nacht ist kalt und einige Male wacht sie auf und kann leise Flüche über ihre Weichheit und die Kälte nicht unterdrücken. Der Morgen erwartet sie mit Frühreif und kühlen Temperaturen, die ihr die Zähne klappern lassen, doch sobald Del das Feuer wieder angefacht hat, bekommt er von ihr sogar ein äusserst dankbares Lächeln geschenkt.
Sie laufen seit früh morgens und sofort ist Sira mit Feuer und Eifer dabei ihnen wilde Geschichten, die sie irgendwoher an den Haaren herbeigezogen hat, zu erzählen. Prinz Albert und der grosse, grüne, sehr grosse, schwarzäugige, sehr, sehr grosse, böse Drache kommen dabei mindestens dreimal vor, bis Janna schliesslich grinsend fragt, ob der junge Prinz denn nicht Besseres zu tun hätte, als ständig unvorsichtigen Jungfrauen in höchster Not hinterher zu rennen. Das Mädchen schweigt für göttliche fünf Sekunden schmollend, bevor sie schliesslich aus lauter Kehle zu singen beginnt und dabei heroisch sogar jeden zweiten Ton trifft... wenn sie sich Mühe gibt. Doch auch eine junge Stimme kann überstrapaziert werden und nach einiger Zeit, sogar Wind hat Abstand zu seiner Herrin gehalten und die Katze nur immer wieder leise gewimmert - So ein Katzenjammer ist ja nicht anzuhören -, ist von Siras Stimme nicht mehr als ein Krächzen übrig, was sowohl Janna, als auch Del ein gewinnendes Lächeln entlockt und sie tauschen grinsend einen Blick, der Bände spricht. Die Sonne ist gerade dabei, sich einen Weg zum Zenit zu bahnen und die grüngoldene Blätterkrone des umliegenden Waldes zu erleuchten, als hinter ihnen dumpfe Schritte laut werden. Beinahe zeitgleich werfen sie alle einen Blick über die Schulter und Janna erstarrt noch im selben Augenblick, in dem auch ihr Atem einfach stehen bleibt. Fast wäre sie gestolpert, so sehr fährt ein schmerzliches Aufstöhnen durch ihren Körper und ein verzweifeltes, leise gewispertes: „Nein!“, kommt aus ihrem Mund, bevor sie es verhindern kann. Das Sonnenlicht im Rücken, trottet ihnen ein Untier entgegen, das dem Stallburschen des Pfirsichs vor nicht allzu langer Zeit noch alle erdenklichen Nerven gekostet hat und auf seinem schaukelnden Rücken sitzt hoch erhoben eine Gestalt, die Janna im letzten Mond mehrere Male zum Teufel gewünscht hat. Im ersten Moment glaubt sie, hofft sie es wäre eine Fata Morgana, eine Illusion, hervorgerufen durch ihre Hormone, doch dann würden Sira und Del ihn wohl kaum auch bemerken.
Sie starrt zu ihm hinauf, hört seine Worte nicht und ihre Fingernägel vergraben sich in dem Stoff ihres Umhangs, den sie wie ein schützendes Schild um sich geschlungen hält. Fassungslos betrachtet sie Rashid, sieht in seine vermaledeiten, blauen Augen, die anstandshalber wohl auch einen Funken an Überraschung zeigen. Ihr Herz macht einen Sprung bis zu ihrem Hals und sinkt ihr dann in die Magengegend, wo es als schwerer, eiskalter Klotz liegen bleibt.
Sie hat vieles erwartet, auf jede Menge an Situationen ist sie vorbereitet gewesen, es hätte sie noch nicht einmal gewundert, wenn Shenra persönlich von seinem hohen Thron hinab gestiegen wäre, um ihnen mal eben einen guten Morgen zu wünschen, doch Rashid hier einfach so auf freier Strasse zu begegnen, lässt sie nach Atem schnappen.
„Du!“, zischt sie nach einem weiteren Moment, in dem sie ihre völlig entgleisten Züge wieder einfängt und Zorn ist deutlich daraus zu hören. „Du! Was tust du hier?!“, faucht sie ihm entgegen und ihre leicht blasse Haut spannt sich über ihre angespannten und leicht zitternden Kieferknochen.
Wind tollt freudig um Ashas Beine, jauchzt und winselt, als ob Rashid ihn gerufen hätte und der Hund scheint keineswegs die knisternde Spannung wahrzunehmen, die man zwischen der Schankmaid und dem Wüstenkrieger so deutlich spüren kann, als wäre sie mit den Händen greifbar. Blitze zucken aus Jannas Augen und prallen an dem Herren ab, als wären es nur federweiche Geschosse und ihre Lippen beginnen zu beben.
Das Blut kocht in ihren Adern und alle möglichen Flüche fallen ihr ein, die sie ihm an den Kopf werfen könnte. Verbissen versucht sie ihr Temperament im Zaum zu halten, beisst sich selbst auf die Lippe, bis sie Blut schmeckt und der süsse, metallische Geschmack lässt schliesslich auch die letzte Hemmschwelle noch brechen, als bestünde sie nur aus weichem, feinen Ildorelsand. Er ist schuld an dem, das sie überhaupt hier ist, er ist schuld an ihrer Lage und, Götterverdammt, er grinst so närrisch, dass sie ihn am liebsten mit einem Vorschlaghammer verprügeln würde.
Es hilft nichts mehr den Mund geschlossen zu halten, die Lippen aufeinander zu pressen und an einfaches, leckeres, braunes, ungefährliches, neutrales, normales Brot zu denken, all die Wut brandet wie eine tosende Welle über ihr zusammen. Mit gestreckten Schultern tritt sie neben Sira, flüstert dem Mädchen leise etwas zu, woraufhin diese sie nur verwundert anblickt, ob des gefährlichen Blickes dann jedoch nur nickt und sich die Hände auf die Ohren drückt. Janna legt ihre Hände noch darüber und im selben Moment beginnen ihre Augen zornig zu funkeln und laut knurrt sie Rashid von unten entgegen: „Ich weiss nicht was du hier zu suchen hast, ich will es überhaupt nicht wissen, du etwas von einem elenden Gauner, aber ich sag dir jetzt ganz deutlich: Verschwinde du Mistkerl, arroganter Kerl von einem Wüstenmann, geh mir aus den Augen und hau ab, bevor ich dich aus dem Sattel hole und dir deinen Säbel um deinen parfümierten Kopf schlage du Bastard, du Monster, du hinterhältiger Weiberheld!“

Er thront über ihr wie ein Drachenkönig und sie kommt mit dem Kopf noch nicht einmal auf die Höhe seiner Sitzfläche, doch es interessiert sie herzlich wenig, wie lächerlich ihr Getue wirken mag. Jedes einzelne Wort ist so bitterernst, das es die Luft wie eine Klinge durchschneidet und gar Asha scharrt empört mit seinen „Hufen“, als fasse er die Beleidigung persönlich auf, doch Janna ist noch nicht einmal am Anfang ihrer Tirade angelangt und mit einem Schnauben schiebt sie Sira in Richtung Del und deutet ihm an, das Mädchen weiter am Zuhören zu hindern. Dann wendet sie sich erneut dem überkandierten Früchtchenheld zu und spukt Gift und Galle, als sie weiterfährt: „Was auch immer du hier zu suchen hast, dreh um und geh einen anderen Weg, denn dieser ist verflucht nochmals nicht gross genug für uns dre... beide und wehe du wagst es auch nur einen Fuss von deinem Streitross zu setzen, dann kann dich Del auf dem Sattel festgebunden wieder zurück nach Talyra schicken du räudiger Köter!!“ Sie hört erst auf zu reden, noch schreit sie nicht, als ihr Kopf bereits hochrot angelaufen ist und sie nach Luft schnappen muss. Wind hat sich derweil hinter die nächste, grösste Wurzel verkrochen und linst aus seinen treuen Bernsteinaugen vorsichtig dahinter hervor, als würde ihm einer dieser Zweibeiner sicherlich jeden Moment an die Kehle springen. Es passt ihm überhaupt nicht, dass die Stimmung so plötzlich umgeschlagen hat und leise fiept er um Aufmerksamkeit, doch niemand beachtet ihn. Selbst die Vögel scheinen aufgehört zu haben mit Singen, als wüssten sie, das jedes zirpen Janna erneutes Geschrei hervorbringen würde.
Janna wirft Rashid noch stets ihre Faust entgegen, bis sie durch all ihre Wut hindurch mit einem Male wieder diese vermaledeite Übelkeit verspürt und sogleich abrupt in ihrem Wortschwall innehält, dem Hörr Ich-bin-der-Schönste-der-Klügste-und-der-Beste den Rücken zudreht und dann beginnt los zu laufen, Del einen Wink gebend, das er Siras Ohren jetzt wieder freigeben kann, noch leise murmelnd „Schäbige Küchenschabe! Widerliche Made, elendige Kröte! Ahh... ich hasse dich!“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 16. Sept. 2005, 16:46 Uhr
Trotz des Pflockes den er von Janna gegen den Kopf geworfen bekommen hat, aber glücklicherweise nicht ins Herz gestochen, verläuft der Abend am kleinen Lagerfeuer recht friedlich. Die Stimmung ist zwar alles andere als wirklich fröhlich oder gar angenehm, aber niemand schreit oder streitet sinnlos herum. Natürlich ist Janna noch immer der Stolz in Person und lässt sich kaum ein Wort entlocken. Jedes Mal wenn Del zu ihr hinübersieht und an den Pflock denkt, muss er seltsamerweise grinsen. Der pochende Schmerz ist zwar alles andere als angenehm, aber Janna zu reizen bringt seinen Spaß mit sich. Nicht zuletzt wegen der amüsanten Mimiken, welche die Amazone, die nicht so genannt werden möchte, hin und wieder hervorbringt, um ihren Unmut kundzutun. Sira scheint zunächst überhaupt nicht gewillt auf seine Fragen zu antworten oder überhaupt ein Wort zu sagen, aber langsam kommt doch eins nach dem anderen über ihre Lippen. Nur zaghaft, aber immerhin redet sie wieder mit ihnen. Das sie angeblich über etwas nachgedacht hat, erscheint Del angesichts der Ereignisse zwar durchaus verständlich, aber dass es den ganzen Tag in Anspruch nimmt, lässt ihn eher daran zweifeln. Viel eher hat es den Eindruck, als dass Sira sich abgrenzen möchte. Und das, obwohl sie der Hauptgrund dieser Reise ist. >„Wenn wir meinen Vater nicht finden, dann muss ich doch nicht wirklich zu den Amazonen, oder?“< „Ahm“, kommt es Del nur über die Lippen, denn er hat keine Ahnung was er darauf antworten soll. Er weiß zwar, was Sira jetzt von ihm erwartet, aber kann er ihr diese Erwartung auch erfüllen? Ein einzelnes Wort hätte genügt und das Mädchen hätte vermutlich gelächelt, doch Del widerstrebt es ein Versprechen zu geben, was er wohlmöglich nicht halten kann. Er wirft einen vorsichtigen Blick zu Janna, die so gar nicht von dieser Frage angetan scheint. Ihr Gesicht hat einen mehr als missbilligenden Ausdruck. Insgeheim wartet Del schon auf einen nächsten Ausbruch und anklagende Worte seitens Janna. Sie kommt aber glücklicherweise nicht dazu, denn Sira scheint plötzlich wieder Interesse für die Katze bekommen zu haben. Der Feuerschein wirft seltsame Muster auf ihr Gesicht, während die grünen Augen des Mädchen hoffnungsvoll in Jannas Richtung blicken. Still lächelt Del in sich hinein, denn im Augenblick würde wohl niemand vermuten, dass sie sich am Abend noch gegenseitig angegiftet haben. Eigentlich freut es ihn zu sehen, dass sie alle drei auch normal miteinander umgehen könnten und sich zurecht finden, aber eine flüsternde Stimme erklärt ihm immer wieder, dass der Vulkan nur seine Decke verschlossen hat und dafür unter der Decke weiterbrodelt. „Hmpf,“ macht Del und winkt schnell ab, als er fragende Blicke von Sira und Janna erntet. „Nichts.“ Auf Jannas Klopfen hin, huscht Sira zu ihnen hinüber und drängt sich zwischen ihnen. Er selbst empfindet es als nicht allzu kalt, doch Siras zittern spürt er sogar durch seine Kleidung.

Sein Blick ist auf das Feuer gerichtet, während seine Gedanken ihre ganz eigenen Wege gehen. Den ganzen Tag über hat er sie zwar auch schon schweifen lassen, doch erst hier am Lagerplatz kann er es sich erlauben, nicht darüber nachzudenken, wohin sein nächster Schritt ihn führt. Was Janna und Sira machen interessiert ihn für den Augenblick nicht. Er genießt einfach die Stille des Waldes, das Knacken der Holzstücke und die Laute der nachtaktiven Tiere. So wie sie im Moment dasitzen hätte man sie wohl für eine kleine glückliche Familie halten können. Von diesem Zustand sind jedoch alle drei tausendschrittweit entfernt. Als Dels Blick sich wieder etwas klärt und er die Flammenzungen nicht mehr verschwommen wahrnimmt, sieht er aus den Augenwinkeln wie Janna die Hand in Richtung Sira hebt. Automatisch spannt er sich an, wirkt jedoch sofort sichtlich überrascht, als Janna Sira durch die Haare streicht. >„Nein, musst du nicht.“< Beinah hätte er gefragt, worüber die beiden eben geredet haben, dass Janna eine solche Zusage macht. Siras Gesicht zeigt allerdings die gleiche Verständnislosigkeit, bis es ihnen beiden dämmert was Janna gemeint haben kann. Die Gedankengänge einer Frau zu verstehen scheint einem Wunder zu gleichen. Den Blick zu Boden gerichtet, redet Janna weiter und erklärt Sira, dass sie nicht zurück muss und dass sie selbst entscheiden kann, was zu tun ist. Auf einmal? Del weiß nicht ganz, was er von dem plötzlichen Sinneswandels Jannas halten soll, aber er rechnet es ihr zu Gute, dass sie scheinbar ihre Meinung geändert hat. Vielleicht würde der Rest der Reise doch ganz angenehm werden. Viel Zeit verbringen sie nicht mehr am Lagerfeuer. Del war vorhin schon aufgefallen, dass Sira recht müde wirkte und so erklärt er den Abend irgendwann als beendet und gibt beinah im Befehlston zu verstehen, dass nun Nachtruhe sei. Seitens Janna gibt dies wieder einige böse Blicke, aber sie ist ebenfalls müde und folgt dieser Anweisung schließlich stillschweigend. Anfangs hatte Del gedacht, dass Sira und Janna sich ein Zelt teilen würden, doch aufgrund gestriger Ereignisse bekommt Sira einen Platz an seiner Seite. Recht schnell ist das Mädchen eingeschlafen und nachdem von Janna auch kein unruhiges Gewühle mehr folgt, widmet auch Del sich seiner Nachtruhe.

Der nächste Tag kommt viel zu früh. Aufgeweckt wird Del von Wind, der überraschend aufspringt und ein wildes Tier verfolgt, welches er wohl irgendwo im Gestrüpp gesehen hat. Murrend erhebt er sich und so langsam erheben sich auch Sira und Janna. Das Zusammenpacken geht rasch vonstatten, so dass sie gleich nach dem Frühstück aufbrechen und ihren Weg fortsetzen. Gleich zu Anfang ihres heutigen Marsches gibt es eine kurze Besprechung, was für den heutigen Tag vorgesehen ist, da aber keine allzu genauen Angaben gemacht werden können, beendet man den Vorsatz den Tag zu planen mit einem Schulterzucken. Dank Siras Gesangskünsten kommt ihnen während des Vormittags kein einziges Tier zu nahe und auch die entgegenkommenden Reisenden machen einen weiten Bogen um sie, woraufhin Del ihnen immer wieder mit verständnisvollen Blicken begegnet. Am liebsten hätte er ebenfalls ihre Richtung eingeschlagen. Stattdessen darf er sich jedoch weiter mit Siras falschen Tönen herumschlagen und erträgt es tapfer, auch wenn seine Ohren schon nach kurzer Zeit leicht schmerzen. Die Geschichten waren ihm persönlich weitaus angenehmer und Janna ebenfalls, wie ihm mit einem genervten Blick in seine Richtung klar wird, doch keiner von ihnen beiden verliert ein Wort darüber. Als irgendwann wieder Stille herrscht ist Del so daran gewöhnt Siras schiefe Stimme zu hören, dass er anfangs gar nicht bemerkt, wie ruhig es sein kann, wenn niemand etwas sagt. Er schickt ein Dankesgebet an die Götter, erntet aber einen bitterbösen Blick von Sira, weil ihm das Grinsen über diesen erfreulichen Umstand einfach nicht aus dem Gesicht weichen will. Und wenn schon, wer auf dieser Reise ist denn nicht sauer auf mich. Endlich wieder etwas hören zu können, erscheint ihm wesentlich besser als ein kleines schmollendes Mädchen. Lange bleibt es aber leider nicht bei vollkommener Zufriedenheit. Seltsame Geräusche in ihrem Rücken lassen die drei sich umdrehen. Was sie erblicken, lässt sie mehrmals blinzeln. Del kommt dieses seltsame Tier mit seinem Reiter irgendwie bekannt vor, auch wenn er sich augenblicklich wieder einmal fragt, was für eine hässliche Kreatur das eigentlich ist. Im Gegensatz zu ihm, scheint Janna sofort zu wissen, wer oder was dort auf sie zukommt. Ihr gestöhntes >“Nein.“< lässt nichts Gutes erahnen. Als Del dann aber Rashid erkennt, schleicht sich ein erfreutes Lächeln auf sein Gesicht. Endlich jemand, der ihn nicht wie wild anspringen und umbringen würde. Für einen Moment kommen ihm zwar auch daran Zweifel, aber bislang hatte er sich mit dem Wüstenkrieger recht gut verstanden, selbst bei ihren manchmal hitzigen Spieleabenden. >''Na seht mal an, was mir der Wind die Füße geweht hat!'' < Er will Rashid gerade begrüßen als Janna völlig unerwartet loszischt und wieder einmal eine ihrer Schimpftiraden zum besten gibt.

Man kann Janna ansehen, dass sie zumindest gewillt ist sich zusammen zu reißen, aber so sehr sie es auch versucht, sie schafft es nicht. Del ist darüber nicht im geringsten verwundert, ist aber heilfroh darüber, dass er dieses Mal nicht der Grund ist und sich Rashid stattdessen darauf freuen kann, dass Janna ihm gleich an die Kehle springt. Mit hochgezogener Augenbraue verfolgt er das laute Spektakel, dass momentan noch recht einseitig ist. Rashid scheint ebenso wenig wie Sira oder Del zu wissen, was Janna derart in Rage bringt, aber jeder Versuch seitens des Südländers Janna nach dem Grund zu fragen, wird schon im Keim erstickt. Obwohl Rashid auf seinem Tier sitzt, wirkt er irgendwie unterlegen und kann sich vermutlich glücklich schätzen, dass das Gesicht seines Tieres zwischen ihm und Janna ist. Ohne Pause fuchtelt, schreit, zetert und beschimpft Janna den Wüstenkrieger. Als ihr Kopf eine gefährlich rote Färbung annimmt, will Del schon einschreitet. Dazu kommt er jedoch nicht. Dafür aber die Anweisung Sira die Ohren zuzuhalten, was er irgendwie automatisch, wenn auch nur halbherzig tut. >„Was auch immer du hier zu suchen hast, dreh um und geh einen anderen Weg, denn dieser ist verflucht nochmals nicht gross genug für uns dre... beide und wehe du wagst es auch nur einen Fuss von deinem Streitross zu setzen.< Del ist gerade dabei darüber nachzudenken, was Janna eigentlich sagen wollte als er seinen Namen hört und ruckartig von Janna zu Rashid sieht. Bitte was kann ich? Als er Rashids Blick auffängt zuckt er nur götterergeben mit den Schultern und erwidert ihn etwas ratlos. Del verspürt nur wenig Lust sich schon wieder mit Janna in die Haare zu kriegen und dieses Mal scheint es weitaus ernster zu sein. Eigentlich hat Del vermutet, dass Janna und Rashid sich nur beiläufig kennen, doch das würde nicht dieses Theater rechtfertigen. Ich glaube wir beide sollten uns einfach aus dem Staub machen. Spricht Del wortlos an Sira gerichtet, während er sie ansieht. Da Janna so abrupt verstummt, nimmt er ihr seine Hände wieder von den Ohren, was Janna kurz darauf auch nochmals bestätigt. Allerdings während sie an ihnen vorbeirast und geradewegs auf das Gebüsch zuhält. Zum wer weiß wievielten Male innerhalb kürzester Zeit verwundert, sieht Del vollkommen verständnislos hinter Janna hinterher. Eine Reihe von netten Tierumschreibungen werden noch in Richtung Rashid geschleudert, als ein geräuschvolles Würgen davon zeugt, was Janna am Waldrand sucht. „Ah“, kommt es über Dels Lippen und ein breites, sehr amüsiertes Lächeln zeigt sich auf seinem Gesicht. „Scheint bei ihr normal zu sein“, gibt er Rashid erheitert zu verstehen. „Hat sie vor zwei Tagen bei mir auch getan. Zuerst gibt es völlig grundlos Geschrei und dann so was.“ Kopfschüttelnd sieht er zu dem Fleck, der von Jannas Kleidung zwischen all dem Grün auszumachen ist und geht dann zu Rashid hinüber. „Du glaubst gar nicht wie gut es tut, dich zu sehen.“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 20. Sept. 2005, 10:18 Uhr
>>Schäbige Küchenschabe! Widerliche Made, elendige Kröte! Ahh... ich hasse dich!<< Jannas letzter Satz hängt noch in der Luft, als sie sich würgend in die Büsche schlägt und einen zweifellos sprachlosen aber auch sehr aufgebrachten Wüstenkrieger zurück lässt. Oh, Rashid hatte schon die verschiedensten Wirkungen auf Frauen gehabt, aber dass sie ihn mit Schimpf und Schande überziehen und sich am Ende gar wegen seines Anblicks übergeben, das war eindeutig zu viel. Zorn umwölkt seine Stirn wie ein drohendes Gewitter, doch da Janna ihren Mageninhalt unfreiwillig entleert, muss er sich vorerst mit Blitzen aus seinen blauen Augen begnügen, deren Farbe nun so dunkel ist, wie das Meer nach einem schweren Sturm. Jede heimliche Freude, die hübsche Schankmaid zufällig in Dels und Siras Gesellschaft angetroffen zu haben, war verpufft. ''Was fällt diesem vorlauten Frauenzimmer ein...'' >>Du glaubst gar nicht wie gut es tut, dich zu sehen.<< Del ist zu seinem Reittier heran getreten und und sieht ehrlich erleichtert aus, nicht mehr allein mit einer Bande von übergeschnappten Frauen zu sein. ''Bis eben habe ich das auch noch gedacht, als ich Euch schon in der Ferne erblickt habe.'', murrt Rashid, während er Asha mit einem Zungenschnalzen das Zeichen gibt, sich nierderzulassen. Wie immer beugt das Dromedar dafür als erstes seine Vorderläufe, so dass Del sich ernsthaft fragt, wie man es schaffen soll, bei dieser Schieflage nicht aus dem Sattel zu purzeln, aber der erfahrene Karawanenwächter sitzt so sicher auf dem Tier, als wäre er in einem behaglichen Ohrensessel.

Als er abgestiegen ist, reichen sich die beiden Männer kräftig die Hände und vor Sira verbeugt sich Rashid lächelnd elegant. ''Wenigstens eine Wüstenblume, die mich nicht gleich mit Beleidigungen überzieht, die den schlimmsten Kerkermeister in Loan Arc die Schamesröte ins Gesicht treiben würde!'' Die Wut ist noch keine Spur aus seinem Blick gewichen, doch bemüht er sich, sie im Zaum zu halten, denn sonst würde er wohl augenblicklich hinter dieser durchgedrehten Amazone herstampfen und sie schütteln, bis sie wieder zur Vernunft gekommen wäre. Immerhin hat sie mich sitzen lassen und ignoriert! Welchen Grund kann sie also haben, bei meinem Anblick derart in Rage zu kommen?! Asha nimmt das ganze Spektakel gelassen und mustert wiederkäuend die Szenerie, als wolle er sagen: >>Menschen!<< Bloss das Kopfschütteln fehlt noch dabei. Rashids Augen fixieren den Bereich, in dem das Rascheln von Sträuchern Jannas genauen Standpunkt verrät. ''Ihr seid schnell voran gekommen. Ich hätte gedacht, Euch bereits gestern Abend einholen zu können.'' Dann wendet er sich direkt an Del und Sira. ''Ich habe noch etwas interessantes herausgefunden, dass vielleicht Eure Reiseziele ändern wird, aber jetzt entschuldigt mich zu Erst einmal kurz. Ich habe da noch etwas zu klären!''

Im Gebüsch war es ruhig geworden, und mit energischen Schritten stapft Rashid auf Jannas Position zu. Er findet sich noch immer auf ihre Knie gestützt und schwer atmend und für einen flüchtigen Augenblick überwiegt die Sorge um sie die Wut, die sich in ihm aufgestaut hat, doch dann bricht es heißblütig aus ihm hervor, wie ein Vulkan kurz vor der Explosion: ''So mein Fräulein. Ich lasse mir ja sicher vieles sagen, aber das, was Du Dir da gerade geleistet hast, sicher nicht! Du hast Dich mit mir vergnügt und mich dann sitzen lassen, ohne mich auch nur noch eines Blickes zu würdigen und am Ende machst Du Dich aus dem Staub...schleichst Dich feige davon wie ein Dieb in der Nacht!'' Janna richtet sich auf und wischt sich mit ihrem Hemdsärmel über den Mund. Ihr Gesicht ist immer noch blass, doch Zorn funkelt so hell in ihren Augen, als wäre all ihr Elend allein Rashids Schuld. >>Du wagst es..<<, setzt sie aufbrausend zur Gegenwehr an, doch mit einer entschlossen Geste schneidet ihr Rashid das Wort ab. ''Ich wage mich noch ganz andere Sachen, und wenn Du nicht Du wärst, und ich Dich im Grunde gut leiden könnte, würdest Du mir Deine Worte unter meiner Klinge büßen!'' Er richtet sich zu seiner vollen Größe auf und überragt die durchtrainierte Amazone um fast einen vollen Kopf, obwohl sie für eine Frau schon recht groß ist, allerdings könnte sie sich hinter seinem breiten Rücken problemlos zweimal verstecken. Mit dem Daumen zeigt er auf seine Brust. ''Ich haben mir diesmal nicht das Geringste vorzuwerfen, und wenn diese Straße nicht groß genug für Dich, Dein Ego und mich ist, dann solltest Du es mit Fliegen versuchen, aufgeblasen dafür bist Du genug!'' Natürlich trägt das Wortgefecht nicht dazu bei, dass sich Jannas Gemüt beruhigt und sie reckt Rashid trotzig ihr Kinn entgegen, doch es geht dem südländischen Hünen gehörig gegen den Strich, sich grundlos so behandeln zu lassen...Liebschaft hin oder her!

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 20. Sept. 2005, 17:42 Uhr
„ICH mich mit DIR! Sicher, natürlich, ich war es auch die dich trotz des Weines im Gesicht noch immer davon abgehalten hat, endlich zu verschwinden, um das Elend nicht noch grösser werden zu lassen! Noch etwas und jetzt hör mich verdammt gut zu, du Monster: Feige wie ein Dieb in der Nacht?! Wäre ich feige gewesen, dann würdest du keinen Schritt mehr in Talyra machen können. Dann hätte ich Dancy gebeten dich auf der Stelle vor die Stadttore schmeissen zu lassen und hätte nicht meine ganze Existenz dort aufgegeben, um dir und mir das Leben so wenig wie möglich zur Hölle zu machen und dann hätte ich das verfluchte Balg in mir nach der Geburt irgendeinem vorbeiziehenden Gauklertrupp mitgegeben und würde nicht dafür sorgen, das es in Sicherheit vor einem grössenwahnsinnigen Vater und einer völlig unfähigen Mutter kommt! Und nun gib mir deine verfluchte Klinge zu spüren, wenn du es noch wagst, du Aas! Aber sei nicht verwundert, wenn du danach nie mehr eine Frau mit deiner ach so herrlichen Männlichkeit beglücken kannst!“, wirft sie ihm nach einigen Momenten des Lufteinziehens halb knurrend, halb schreiend entgegen und spürt innerlich wie jeglicher Wall der Selbstbeherrschung bricht. Das Blut saust wie elektrisiert durch ihre Adern, ihre Augen sprühen zornige Funken und ihre Finger zittern vor Verlangen, sich zu einer Faust zu ballen und ihm sein hübsches Gesicht zu zertrümmern. Verdienen würde er es allemal und Sira und Del sind längst vergessen und nur ein Funken an Verstand hält sie vor dem eigentlich völlig Unvermeidlichen zurück. Einatmen, ausatmen, Brot, Brot, Brot, Brot, einatmen, ausatmen... Brot, Brot, Brot...
Ein Herzschlag vergeht, der Wind säuselt leise und hoffnungsvoll, ein weiterer Moment zieht ins Land und das Zwitschern aufgebrachter Vögel kehrt zurück und sogar ein dritter verstreicht ohne das irgendwo ein Messer zwischen irgendwelchen Rippen landet.
Scharf zieht Janna die Luft ein, schmeckt noch immer den fahlen, ekelhaften Geschmack des Erbrochenen auf ihrer Zunge, lässt dabei jedoch nicht ab Rashid hassvoll anzustarren.
Nur untergründig ist in seinen Zügen noch der grosse Zorn zu erkennen, Oberhand gewonnen hat aus dem Nichts heraus die Verblüffung und irgendwie scheint es, als würde er ihre Worte noch stets zu zusammenhängenden Sätzen verarbeiten, die er dann auch verstehen kann.
Doch sie wartet nicht darauf, dass sein männliches Hirn irgendwann doch noch kapiert, wie schwer das Gesagte trägt und schnaubt nur einmal laut, um sich dann dem Weg zuzuwenden.
<<Bloss weg hier>>
Doch sie ist noch keine vier Schritte gegangen, als eine leicht hämische und vor Wut vibrierende Stimme erschallt, die ihr das Blut in den Kopf treibt: ''Auf beglückende Männlichkeiten scheinst Du ja besonders scharf zu sein, wenn Du Dir Deine Zeit gleich mit zwei Männern vertreiben musst.'' Der Satz trifft schmerzhaft jeden Fingerbreit ihres Herzens und raubt ihr für einige Sekunden die Luft, legt sich wie ein dumpfer Schleier über ihren Zorn, ihren Hass und dafür birst Verbitterung aus ihrem Mund hervor, als sie sich ruckartig umwendet und den kurzen Weg wieder zu dem südländischen Hünen zurück legt: „ZWEI Männer in ACHT Jahren und dann muss ich an jemanden wie dich gelangen!“ Noch bevor das letzte Wort über ihre Lippen gewispert worden ist, fliegt ihre Faust durch die Luft und wird von Rashid wie eine lästige Fliege abgefangen, der auch nichts Besseres und Sinnvolleres zu tun hat, als die Glut in ihr erneut zum Aufflammen zu bringen: ''Und wo gehobelt wird, fallen nun mal Späne!''

Ihre Knöchel knacken bedenklich, als sie gegen das Kinn des Südländers prallen und sein Kopf zurück fliegt. Ihre Finger pochen, sie kann regelrecht fühlen, wie sie anschwellen, doch die gerade eben noch mit Mühe erhaltene Selbstbeherrschung ist dahin und noch bevor Rashid seine Warnung zu Ende sprechen kann, trifft ihn bereits ihr nächster Schlag, beinahe am gleichen Punkt. Die Wucht geht durch ihren ganzen Arm, lässt sie für einige Sekunden glauben, sich selbst alleine durch den Aufprall die Schulter ausgerenkt zu haben und das Zittern reicht bis zu ihren Zehen, bringt jedoch trotzdem die gewünschte Wirkung. Der Hüne weicht einige Schritte zurück und lässt ihre Rechte los, die sie nun ebenfalls leicht anhebt. In ihrem Inneren kocht und brodelt es, ein Vulkan voll von Zorn, Hass und verletztem Selbst spuckt Gift und Galle und treibt sie dazu, allen Spott aus diesem Mann heraus zu prügeln. Jegliche Übelkeit die in ihr aufsteigt, alle Schmerzen, die stechend von ihrem geprellten Ellbogen ausgehen, sowie der Schwindel, der sich lästig bemerkbar machen will, werden erbarmungslos in den Hintergrund gedrängt und einige wenige, wundervoll stille Augenblicken stehen sich die ehemaligen Liebschaften einfach gegenüber. Ein dünner Blutfaden zieht sich von Rashids Lippe bis zu seinem Kinn und glänzt in einem verführerischen Rot, das gleiche Rot, das sein Hemd am Inaritag durch ihren Wein angenommen hatte, doch auch der Gedanke an diesen amüsanten Moment beruhigt sie keineswegs.
Die Spannung zwischen ihnen knistert dermassen, dass sie nahezu greifbar wird und Blitze in alle Richtungen sendet. Vorsichtig und mit einer qualvollen Gemächlichkeit tritt Janna einen Schritt vor, sieht das gleichmässige Heben seines Brustkorbs, blickt fasziniert auf die spielenden Lichtflecken, die seine angespannten Muskeln auf seiner goldbraunen Haut erzeugen. Sie hat keine Möglichkeit einen Kampf gegen diesen verfluchten Mann zu gewinnen. Sein Kettenhemd glänzt wie aschgrauer Drachenstahl, die Bein- und Armschienen bieten keine Angriffsfläche und sein Helm schützt seinen Kopf bi zu seinen Wangen. Dafür behindert ihr Rock jegliche schnell geführten Schritte, ebenso wie ihr Umhang und nur ein Narr würde sich in solch einen Kampf stürzen.
<<Ich bin ein Narr, seit ich mich mit ihm eingelassen habe!, erinnert sie sich selbst mit böser Eigenironie und flüstert eiskalt: „Dann lassen wir die Späne mal fliegen.“ Ihr Beutel mit der Katze sinkt zu Boden und sie schnellt vor.
Er weicht nach hinten zurück und ihre Faust saust nur haarscharf an seiner Nasenspitze vorbei, wobei seine Linke in die Höhe fährt und nach ihrem Handgelenk greift und es auch zu fassen kriegt, doch Janna läst sich kurzerhand vom Schwung des Schlages mitreissen, dreht sich in einer, trotz Übelkeit und hinderlicher Kleidung, fast schon anmutig wirkenden Drehung halb um sich selbst und ihr Ellbogen knallt mit voller Härte gegen Rashids Helm.
Ihre Knochen knirschen schmerzvoll und voller Empörung auf und ein stechender Schmerz fährt ihr durch Mark und Bein, der sie ihre Zähne zusammen beissen lässt, um nicht leise aufzujaulen wie Wind, der sich nun hinter Sira versteckt hält. Neben ihm sitzt zusammen gekauert und mit gesträubtem, wieder schlohweissen Fell der Kater und drückt sich mit lautem Fauchen an den zitternden Hund neben sich. Doch Janna hört nur das Zischen ihrer eigenen Wut und der Wunsch, diesen Mann für all das Elend büssen zu lassen, dass er ihr angetan hat, steigt ins Unermessliche.
Im nächsten Augenblick stösst er sie unvorhergesehen mit aller Kraft von sich, anstatt ebenfalls zum Schlag auszuholen, und mit den Armen rudernd und sich gleichzeitig mit einem unterdrücken Aufschrei in die Lippe beissend, versucht sie noch den Rest ihres Gleichgewichts in Ehren zu halten. Davon scheint es aber leider nicht viel zu halten und entschwindet kaum einen Wimpernschlag später.
Ein schmerzliches Stöhnen kommt über ihre blutenden Lippen, als sie mit ihrem Allerwertesten hart auf dem unebenen und steinigen Boden aufschlägt und sich spitze, kleine Steine durch den Stoff ihres Kleides in ihre Haut bohren. Bunte Kreisel schwirren vor ihren Augen und vermischen sich mit den schwarzen Flecken, die aufmüpfig anfangen ihr die Sicht zu verschleiern, doch all das hält sie nicht davon ab, sich ohne jegliches Zögern auf die Seite zu rollen und hart nach Rashids kräftigen Beinen zu treten. „Nicht mit mir du Bastard!“

Er geht, wie sie gerade zuvor, ebenfalls in die Knie und als ihre Ferse auf ihn zufliegt, lässt er sich vollends zurück fallen, um nicht die Nase zertrümmert zu bekommen. Gleichzeitig rappelt sich Janna fluchend und wutschnaubend wieder auf, kommt jedoch lediglich bis auf die Knie, als eine Faust sie an der Schulter trifft und in den Staub zurückwirft. Röchelnd schnappt sie nach Luft, da sich der Bund ihres Mantels sich in ihren Hals quetscht, und tritt gleichzeitig mit beiden Beinen nach Rashid, trifft jedoch nur Luft und sieht sich für eine verzweifelte Sekunde um.
In diesem Augenblick, in dem sie sich schon wieder halb aufgerichtet hat, schlingen sich kräftige Arme von hinten um ihren Oberkörper und ein kalter Schauer, auf seltsame Art und Weise auch angenehm, jagt ihren Rücken hinab. Einige Momente lang ringt sie und im nächsten knallt ihr Hinterkopf mit einem schmerzhaften Geräusch gegen seine Nase, was ihr ein flüchtiges, triumphierendes und ebenso hämisches Lächeln auf die Lippen zaubert. <<Filetieren werde ich dich, dir alle Knochen in deinem Leib dreimal brechen, dich den Haien verfüttern.... oder dich am besten meiner Mutter übergeben!>> Jede Faser ihres Körpers ist angespannt, doch trotz des Schlages, der eindeutig wunderbar gesessen hat, scheint Rashid sich nicht dazu überreden lassen zu wollen, sie los zu lassen und zähneknirschend versucht sie mit aller Kraft sich herauszuwinden aus dem starken Griff seiner Arme, in denen sie vor allzu langer Zeit noch solch schönes Stunden verbracht hat. Sie kann den Duft nach Wüste und Sonne riechen, das von seinem Haar aus geht und ihr Innerstes zieht sich zusammen wie eine Ziehharmonika.
„Lass... los... Mistkerl!“, keucht sie voller Anstrengung und fletscht die Zähne. Beruhigenderweise geht auch sein Atem stossweise und er scheint alle Mühe zu haben, sie an Ort und Stelle zu behalten, da erschallt ein lautes und herrisches: „HALT!“, und sowohl Janna, als auch der Schönling hinter ihr, halten in ihrem widersinnigen Tun inne und blicken mit geröteten, zornigen Gesichtern zu dem Rufer, der es gewagt hat, ihren Streit so rapide zu unterbrechen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 22. Sept. 2005, 15:09 Uhr
Als Rashid sich auf Asha nähert und Sira ihn bemerkt, hebt sie die Hand und grüßt ihn wild winkend. Sie will ihm schon freudig entgegen eilen, als Janna ihr zuvorkommt. Dann geht alles unglaublich schnell. Bevor das junge Mädchen, weiß, wie ihm geschieht, findet es sich mitten in einem reichlich konfusen und unverständlichen Spektakel wieder, denn wie eine Furie geht Janna auf den Südländer los. Bevor sie sich noch recht versieht, hält sie sich auch schon die Ohren zu, Jannas Hände legen sich noch zusätzlich über die ihren und so bekommt Sira nur noch mit, dass etwas geredet wird, nicht aber was.
Die Schankmaid redet sich derweil immer mehr in rage und auch Rashids Gesicht kann man ansehen, dass er immer mehr zu schäumen beginnt und offenbar gerade keine Nettigkeiten ausgetauscht werden. Wie ein einfaches Möbelstück oder sonst irgendwas, wird Sira schließlich an Del weitergereicht, der ihr ebenfalls weiterhin die Ohren zuhält, bis Janna ihm durch ein Zeichen zu verstehen gibt, dass er seine Hände nun endlich wieder herunternehmen kann.

Dankbar reibt sich das Mädchen die warmen, eingedrückten Ohrmuscheln und blickt Janna verständnislos hinterher, wie sie sich mit einem Mal in die Büsche schlägt. »Ah. Scheint bei ihr normal zu sein. Hat sie vor zwei Tagen bei mir auch getan. Zuerst gibt es völlig grundlos Geschrei und dann so was«, kommentiert Del die Lage gerade an Rashid gewandt und hilft damit nicht wirklich, die Verwirrung des Mädchens zu beseitigen. Auch der Südländer ist offenbar nicht in der Stimmung um irgendwas zu erklären und steuert stattdessen zielstrebig auf die Position zu, an der er Janna ermutet.

Gleich darauf ist abermals arges Geschrei zu hören, sodass Sira die Ohren bereits freiwillig wieder mit ihren Händen bedeckt, während sie Del hintzerher trabt, der sich nun ebenfalls anschickt, den beiden Zankhähnen zu folgen. Keinen Augenblick zu spät, wie das Mädchen gleich darauf feststellt. In schönster Manier einer Straßenkeilerei ineinander verhackt, stehen Rashid und Janna vor ihnen und untermauern ihre wortreiche Auseinandersetzung mit etlichen Handgreiflichkeiten. Reichlich entsetzt sieht Sira an, was sich da direkt vor ihren Augen abspielt. Del scheint ebenso wie sie der Meinung zu sein, dass das ganze Schauspiel nun doch etwas zu weit geht und versucht den beiden Streithähnen Einhalt zu gebieten. »HALT!«, brüllt er, so laut er nur kann. Dankbar sieht ihn das Mädchen an und schaut dann wieder zu der Schankmaid und dem Südländer hinüber. Offenbar hat das Eingreifen des Halbelben Wirkung gezeigt, denn zumindest vorerst halten die beiden tatsächlich in ihrem Tun inne.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 22. Sept. 2005, 18:37 Uhr
Als Rashid seinem seltsamen Reittier zu verstehen gibt, dass er absteigen möchte, tritt Del vorsichtshalber einen Schritt zurück. Mag sein, dass der Südländer mit dem Tier prächtig auskommt, aber ganz geheuer ist es Del nicht. Zumal ihn die großen dunklen Augen ständig zu mustern scheinen. Ich hoffe die Götter wissen, was sie alles auf Roha losgelassen haben. Skeptisch und kritisch betrachtet Del das wacklige Gespann. Aber weder Asha noch Rashid geben sich durch irgendwelche Zwischenfälle die Blöße sich zum Gespött zu machen und kurz darauf reichen sich die beiden Männer die Hände. Das Rashid mehr Augen für das andere Geschlecht hat ist Del durchaus bewusst, aber dass er es nach den ersten wüsten Beschimpfungen nicht lange aushält und schon gleich der nächsten weiblichen Person schöne Worte zuwirft, entlockt Del ein genervtes Augenrollen. >''Wenigstens eine Wüstenblume, die mich nicht gleich mit Beleidigungen überzieht, die den schlimmsten Kerkermeister in Loan Arc die Schamesröte ins Gesicht treiben würde!''< Der Gesichtsausdruck Rashids steht im völligen Gegensatz zu der Stimme mit dem die Worte gesprochen werden. Hätte man ihn nur gehört, so hätte man vermuten können, dass er bester Dinge ist, doch ein Blick in sein Gesicht verrät, dass das nächste bodennahe Gewitter naht. Noch immer vor Sira halb verbeugt, die leicht verlegen aber auch erfreut zu Rashid sieht, ertönt jenseits von Rashid Geraschel im Gebüsch. Alle drei, Wind und Asha ziehen es vor das weitere Geschehen möglichst zu ignorieren, blicken zu der Stelle wo Janna ihre Position kenntlich macht. Del ahnt schlimmes, aber bevor er eine Chance ergreifen kann, spricht auch schon Rashid und stürmt wenig später mit festem Schritt zum Waldrand. Wortlos blickt er dem hochgewachsenen Südländer hinterher und kann nur mit dem Kopfschütteln. Auf einen ratlosen Blick von Sira hin, zuckt er nur mit der Schulter und hofft, dass es schnell geht. >''Ich habe noch etwas interessantes herausgefunden, dass vielleicht Eure Reiseziele ändern wird...“< Und was genau soll das sein? Mit einem fragenden Blick, der aber nicht an Sira gerichtet ist, sieht Del zu dem Mädchen. Wenn Rashid ihnen erzählen will, dass sie von den Amazonen abstammt und sie gar nicht erst woanders ihr Glück versuchen brauchen, dass ist er bereits zu spät. Irgendwie hat Del jedoch das Gefühl, dass es das nicht sein wird. Woher sollte Rashid dies auch wissen? Andererseits wusste der Karawanenwächter bislang auch so einiges, was man nicht unbedingt zufällig herausbekommt. Wir werden sehen. Bei dieser Reise sollte mich eigentlich nichts mehr überraschen... und das wo sie erst begonnen hat. Ein leises frustriertes Seufzen kommt über seine Lippen.  Es vergehen einige leise Momente in der nur der Gesang der Vögel und das Rauschen der Blätter zu hören ist. Dann ertönt jedoch Rashids Stimme und für endlos lange Augenblicke erfüllt aufgebrachtes Geschrei einen Teil des Frostweges.

Während Sira götterergeben ihre Hände wieder über die Ohren legt und gelegentlich unsichere Blicke Richtung Del wirft, lässt dieser sein Gepäck an Ort und Stelle fallen. Was auch immer Janna und Rashid auszutragen haben, scheint länger zu dauern. Er wäre zwar dafür, dass es ein wenig leiser geschieht, aber diesen Vorschlag zu unterbreiten würde wohl wenig fruchten. Die Worte aus dem Wald dringen laut und deutlich an sein Ohr und so ist Del innerhalb kürzester Zeit bestens über das Verhältnis zwischen Schankmaid und Karawanenwächter informiert. Wirklich wundern tut es ihn nicht, allerdings hält er die Reaktionen für ein wenig überspitzt. In diesem Moment ist er mehr als froh, dass er sich bislang um derartige Szenen keine Gedanken machen muss. Auch wenn das Spiel und das Wortgefecht recht amüsant sind, horcht Del trotzdem auf, als Rashid seine Klinge erwähnt. Janna als AmazoneEhemalige Amazone oder was auch immer... kann sich mit Bestimmtheit verteidigen, aber hier jetzt einen Kampf mit Waffen zu provozieren, scheint für Del vollkommen irreal. Besonders dann, wenn man den Grund kennt. >“...und dann hätte ich das verfluchte Balg in mir nach der Geburt...“<
Eben noch damit beschäftigt, sich die Sinnlosigkeit dieses Tuns immer wieder aufzuzählen halt Del inne und blickt irritiert zum Waldrand, wo nur vereinzelte Schemen und Bewegungen von den beiden Streithähnen zeugen. „Ein Kind?“ fragt er kaum hörbar nach. „Wer hier wohl wem etwas verheimlicht.“ Plötzlich auch gar nicht mehr so guter Dinge, ballt sich seine Hand zur Faust. Und wann hatte sie vor mir DAS zu sagen? Ich muss wahrhaftig etwas schlimmes getan haben, um das hier alles zu verdienen. Verdammte scheiße... Wütend starrt er ins trübe Grün und hört von der Strasse aus weiter zu, was sich die beiden an die Köpfe werfen. Bei einem Wortgefecht bleibt es jedoch nicht und schon wenig später hört man Geraschel, leise Keuchgeräusche und schweres Atmen, gefolgt von wenig angenehmen knirschenden Lauten. Als er näher an die Streithähne herangetreten war, war Sira im gefolgt und sieht nun an ihm vorbei an den sich keilenden Erwachsenen. „Verflucht sollt ihr alle sein...“ Keiner der beiden macht den Anschein, als würden sie ihre Streitigkeiten gleich beilegen, dafür sieht es eher so aus, als würde hier einer den Tod finden, wenn ihnen niemand Einhalt gebietet. „Ich glaube es reicht.“ Keine Reaktion. Zumindest nicht auf seine Worte, denn Jannas Kopf ruckt zurück und prallt schmerzhaft gegen Rashids Nase. „HALT!“ Jetzt hat er ihre volle Aufmerksamkeit. In ihrer wenig romantischen Umarmung blicken beide etwas verständnislos zu Del. Das Gesicht vor ungläubiger Wut verzerrt und mit genervten Blick blickt er erst zu Janna und dann zu Rashid. „Geht es euch eigentlich noch gut? Habt ihr nichts besseres zu tun, als euch mitten im Nirgendwo gegenseitig umzubringen?“ Kurzes Schweigen herrscht aber keine Antwort folgt. „Bei den Göttern, die Frau ist schwanger. Lass sie los Rashid!“ Entschlossen tritt Del zu den beiden, packt die Arme des Südländers und zerrt sie von Janna weg. Diese scheint aber noch nicht gewillt den Streit beizulegen, kommt allerdings nicht dazu, sich erneut auf Rashid zu stürzen, da Del sie grob am Arm packt und kurz einmal durchrüttelt. „Versuch es gar nicht erst“, knurrt er und deutet mit einem Blick zum Weg. „Los. Und zwar sofort.“ Ruckartig löst sich Janna von seiner Umklammerung und marschiert wie der personifizierte Stolz zum Frostweg. „Hab ich gesagt ich freu mich dich zu sehen? Ich glaub, ich hab’s mir überlegt“, erklärt er an Rashid gewandt und gibt ihm dann ebenfalls zu verstehen zum Weg zurückzugehen. Da Janna ihr Gepäck vergessen hat, schnappt sich dieses. Die Katze ist nicht an ihrem Platz, sondern hat sich irgendwo im Gebüsch verkrochen. „Komm raus Vieh oder du bleibst hier!“ Ohne darauf zu warten, ob die Katze seiner Anweisung folgt, geht Del Rashid und Janna hinterher. „Ich hoffe ihr seid in der Lage euch normal zu benehmen. Bei den Göttern, ihr benehmt euch wie Kinder!“ Die Funken sprühen nur so durch die Luft. Es ist deutlich zu spüren, das eine falsche Bewegung erneut Streit auslöst, doch Del tritt mit einem entschlossenen Schritt zwischen die beiden ungleichen Gegner. Damit läuft er zwar Gefahr, dass er selbst einen Fausthieb abbekommt, aber er geht einfach davon aus, dass die anderen sich zusammenreißen können. Wehe euch wenn nicht... „Also? Hat irgendwer was zu sagen?“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 27. Sept. 2005, 07:34 Uhr
Rashid hat noch nie eine Frau gesehen, die so stolz aussehen kann, nachdem sie sich gerade übergeben musste, doch ihre Art ihn zu reizen, treibt ihn schier zur Weißglut. Ein Wort gibt das andere, und noch bevor er es sich versieht, schießt Jannas zierliche aber knochenharte Faust nach vorn und lässt einen stechenden Schmerz in seiner Lippe explodieren. Der metallische Geschmack von Blut in seinem Mund liegt ihm bitter auf der Zunge und von da an geht alles ganz schnell. Zu seinem Glück ist der Wüstenkrieger gepanzert, denn die Amazone, auch wenn sie so nicht mehr genannt werden will, zeigt sehr deutlich die Wurzeln ihrer Herkunft und deckt ihn mit einer ordentlichen Salve von Schlägen ein, bis es Rashid zu bunt wird, und er ihr einen derben Stoß versetzt, der sie nach hinten straucheln und und hart auf dem Hintern landen lässt. Es widerstrebt ihm, eine Frau zu verletzen, noch dazu eine schwangere, die wo möglich sein Fleisch und Blut unter dem Herzen trägt, doch Janna scheint deutlich weniger Skrupel mit dem potenziellen Vater des ungeborenen Kindes zu haben. Unter wilden Flüchen entwickelt sich eine Rauferei, bei der Rashid sich darum bemüht, die Furie unter Kontrolle zu bringen, der offenbar gleich 8 Arme und vier Beine gewachsen sind, mit denen sie nach ihm schlägt und tritt.

Mit der gleichen Heftigkeit, mit der sie sich in der Inari-Nacht am Strand des Ildorel geliebt haben, rollen sie nun durch Straßengraben und balgen sich, bis ein lautes >>HALT!<< durch die Luft peitscht, und ihnen Einhalt gebietet. Wutentbrannt stapft Del heran und seine Standpauke wäscht den beiden Streithähnen ordentlich den Kopf. Etwas in seiner Stimme macht deutlich, dass er keine Widerrede duldet, als er sie zurück auf die Straße schickt und sich Jannas Gepäck schnappt, dass verstreut im Straßengraben liegt. Zurück auf dem Weg funkeln sich die wilde Amazone und der hitzige Wüstenkrieger mit aufgewühlten Gemütern an, und Del stellt sich mutig als Prellbock zwischen sie. Rashid sieht ziemlich derangiert aus, mit seiner beschmutzten Kleidung und dem dünnen Faden Blut, der ihm am Mundwinkel herab rinnt. >>Also? Hat irgendwer was zu sagen?<<, faucht Del ihnen beinahe entgegen, und da sich Janna beharrlich in Schweigen hüllt ergreift Rashid das Wort. ''Sieh hat angef...'' Mit einer schneidenden Geste unterbricht der Halbelf ihn. >>Davon will ich nichts hören!<< Rashid presst seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Davon will ich nichts hören!, äfft er gedanklich Dels Kommentar nach, doch dann atmet Rashid einmal tief ein und aus. ''Es tut mit Leid, Janna.'', presst er mit knirschenden Zähnen heraus, und man sieht ihm deutlich an, wie schwer ihm diese Entschuldigung fällt, wo er nach seiner Meinung jedes Recht hat, um wütend zu sein. Wahrscheinlich reicht schon ein Funke, um ihn wieder explodieren zu lassen und unter seiner mühsam beherrschten Maske brodelt es wie in einem Vulkan.

>>Mir nicht<<, faucht Janna kategorisch zurück. ''Fein, mach doch was Du willst. Ich werde auf dieser Straße reiten, ob es Dir nun passt oder nicht!'' Rashid unterstreicht seine Meinung gestenreich und klopft sich den Dreck von seiner Kleidung, spuckt eine Ladung Blut aus und sieht Janna an. ''Du hast einen verdammt guten rechten Hacken.'', bemerkt er anerkennend und rückt sich mit einer Hand den Kiefer gerade. Ein verschmitztes Lächeln schleicht sich auf seine Lippen. Janna war über ihn hergefallen wie eine Raubkatze und womöglich unterscheidet sie genau das von anderen Frauen, die immer eine zu leichte Beute für ihn waren. ''Denkst Du, wir können ein Stück Weg zusammen reisen, ohne uns an die Gurgel zu gehen?'' Jannas Antwort besteht aus einem abfälligen Schnauben, dann nimmt sie ihr Gepäck auf und marschiert an Sira vorbei, die dem Ganzen mit offenen Mund gefolgt ist. ''Eine klasse Frau, findest Du nicht?!'', fragt Rashid grinsend an Del gewandt, dessen Blick Rashid eindeutig als völlig Verrückten kennzeichnet. Seine Stimme ist zu leise, als dass Janna ihn hätte hören können, und so genießt er noch einen Moment den Anblick ihres festen Pos, den sie sich gedankenverloren reibt, um wieder ein wenig Gefühl in ihm zu bekommen, nachdem sie so unsanft auf ihm gelandet ist. Auch ein schöner Rücken kann entzücken!, denkt Rashid und schmunzelt in sich hinein.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 28. Sept. 2005, 13:54 Uhr
Bevor auch nur einer von den Streithähnen zu Wort kommt, lässt Del eine Tirade an Belehrungen über sie ergehen und erreicht damit soviel, als würde er einen Elefanten mit einer Nadel erstechen wollen. Schliesslich zerrt er sie auseinander und sofort fährt Janna ihre Krallen aus, um den Möchtegernkrieger erneut in die Finger zu kriegen. Del jedoch scheint für solche Mätzchen keine Zeit mehr zu haben und schon gar keine Nerven mehr, so dass sein Griff um ihren Arm hart und ohne Rücksicht ausfällt und sie zischend die Luft einziehen lässt. Seine Miene ist vor Wut verzerrt und mit kalter Stimme weist er sie an, OHNE Dummheiten jetzt gefälligst auf den Weg zurück zu kehren und bloss keine neuen Strassenraufereien anzuzetteln. Sie knurrt irgendwas Unverständliches und wendet sich ab, die Schultern gestreckt und das Kinn stolz in die Höhe gereckt, was mit ihrem zersaustem Haar und ihren geröteten Wangen äusserst amüsant aussieht.
Sira steht noch immer an Ort und Stelle, scheint von Null und Nichts irgendeinen blassen Schimmer zu haben und auch Janna sieht sich momentan nicht dazu berufen, die heillose Verwirrung des Kindes mit einigen, wenigen Sätzen aufzulösen, sondern verschränkt demonstrativ die Arme und funkelt Del unter einem Gewirr an braunen Strähnen zornig an. Lebensmüde schiebt er sich zwischen sie und Rashid, als könne er dadurch verhindern, das der Reise weitere Fäuste fliegen würden, und meint mir einem genervten Knurren: „Also? Hat irgendwer was zu sagen?“ Janna badet sich in beharrlichem Schweigen und presst die Lippen zusammen, nur um völlig empört den Mund aufzureissen, als Rashid schon wie ein Kleinkind damit anfangen möchte, ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben. Del unterbindet diese, sicherlich erneut in Geschrei und Gebrüll ausartende Unterhaltung, jedoch im Keim und seine Stimme, wie auch sein Grad der Gereiztheit, lässt keine Widerrede zu. Bockiger Bock! Mistkerl! Widerliche Zicke! Kindlicher Volltrottel... Mann! Die Gedanken sind zwar Balsam für ihre Seele, beruhigen ihr Gemüt jedoch keineswegs und als Rashid mit zusammengebissenen Zähnen eine Entschuldigung hervorpresst, wirft sie ihm fauchend, wie eine aufgebrachte Katze, ein: „Mir nicht!“, entgegen und reisst Del gleichzeitig ihr Gepäck und ihren Umhang aus den Fingern: „Gib das her.“ Für höfliches Bitten hat sie keine Zeit, ist zu sehr damit beschäftigt nach Luft zu schnappen und den kochenden Zorn zu einem richtigen Gefühlsausbruch an verletztem Stolz, gebrochenem Herzen und kochendem Blut heranwachsen zu lassen. Nie mehr, nie mehr entscheide ich mich zum Wohle eines Mannes! Ich kehre um, basta, sollen sie sich doch alleine damit abmühen, mit diesem schwarzhaarigen Wüstenschädel klar zu kommen!

Sie bekommt kaum mit, dass Rashid ihr ein Kompliment macht. Es ist ihr auch völlig egal und ihre abweisende Miene verspricht keine Besserung in nächster Zeit. ''Denkst Du, wir können ein Stück Weg zusammen reisen, ohne uns an die Gurgel zu gehen?'' Nein!, schreit alles in ihr auf, doch heldenhaft verbeisst sie sich diesen kurzen und wahrscheinlich ebenso unnützen Kommentar, gibt dafür nur ein aufgebrachtes Schnauben von sich und läuft los, die Katze auf dem Weg noch auffischend, die schliesslich doch noch aus den Gebüschen am Waldrand gekrochen ist.
Völlig in Rage, bemerkt sie erst jetzt, dass ihr werter Hintern bei jedem Schritt schmerzt und verflucht Rashid in Gedanken gleich nochmals. Im selben Augenblick jedoch beginnt nagende Sorge sich in ihr auszubreiten und flüchtig, nachdem sie den Umhang wieder um ihre Schultern geschlungen hat, legt sie eine Hand vorsichtig auf ihren noch flachen Bauch und atmet ein paar mal behutsam tief aus und ein. Doch es scheint alles in Ordnung, keine noch so kleinen Schmerzen zeugen von irgendeiner Gefahr für das Kind, auch wenn Janna nicht weiss, was der sicher nicht sanfte Schlag, durch ihren Körper, für das Ungeborene für Folgen haben kann. Bei allen Göttern, Janna!, schalt sie sich selbst und schluckt einmal leer, denn obwohl es ihr nicht gefällt, dass die Erkenntnis in ihr aufkeimt, dass nicht Rashid daran Schuld wäre, wenn ihrem Kind jetzt etwas passiert ist. Zu gerne möchte sie bitter auflachen, beisst sich jedoch selbst auf die Zunge und schüttelt energisch den Kopf, sich dafür einen verwunderten Blick von Sira einfangend, die zu ihr aufgeholt hat.
So fest es geht reisst sich Janna zusammen und schenkt dem Mädchen ein erzwungenes Lächeln, dem die Missstimmung jedoch deutlich anzumerken ist und wünscht sich selbst zum Henker. Sie kann nichts dafür, dass hier gerade mein schlimmster Alptraum in Person aufgetaucht ist. Herrje, sie hat ihre eigenen Probleme!
Die Katze in ihren Armen windet sich hin und her, blickt auf giftig grünen Augen zu ihr auf, als würde sie Janna die ganze Schuld für diese Misere anhängen wollen, was es der Schankmaid nicht einfacher macht, ihr kochendes Blut zu beruhigen.
Sie wagt es nicht auch nur einen Blick auf Del oder Rashid zu werfen, die hübsch in einer Linie neben ihr herlaufen, als hätte der Halbelb wirklich Angst, der Wüstenkrieger und die Schankmaid würden sich irgendwann gegenseitig die Kehle aufreissen.

Es herrscht Stille. Ganz angenehm zu dem was Janna und Del zuvor von Sira ertragen mussten, doch irgendwie wünscht sie sich jetzt lieber sofort das falsche Gekreische des Mädchens wieder, als diese bedrückende Spannung, die Funken sprühend noch immer über dem kleinen, verschlossenen Grüppchen liegt. Shenra wandert am Zenit vorbei und ist schon wieder im Begriff zu sinken, als plötzlich jemand an Jannas Ärmel zupft und Sira aus ihrem grossen, jadegrünen unschuldigen und doch mit einem gewissen neugierigen Funkeln zu ihr aufblickt. Die ganze Zeit vorher hat sich das Mädchen mit ihrem Hund und der Katze beschäftigt, die sich schon kurz nach dem erneuten Aufbruch dem Kampf um Siras Nähe gewidmet haben und wieder immer zog Wind den Kürzeren. Asha gab dazu nur ein abfälliges Prusten von sich und trottete wie ein kleines, wohlerzogenes Lämmchen hinter seinem Herrn her, der sich wohl erstmal auch damit abgefunden hat, dass Janna ihn nicht zu interessieren hat.
„Bist du wirklich schwanger?“, kommt es plötzlich beinahe zaghaft von ein wenig weiter unten und mit verwundertem Blick betrachtet Janna Sira für einen Augenblick, gleichzeitig redlichen Respekt für den Mut der kleinen Dame aufbringend, sie in ihrer momentanen Fassung anzusprechen. Auch wenn sie nicht hinsieht, kann sie fast körperlich spüren, wie sich die Aufmerksamkeit der ganzen Gruppe auf sie richtet, auch solche, die ihr nicht behagt und nickt deswegen nur.
Na los, sie ist nicht schuld, denk dran!, mahnt Janna sich schliesslich selbst und bringt sogar ein einigermassen akzeptables Lächeln zu Stande, als sie antwortet: „Ja, ich bin wirklich schwanger.“ Ein breites Lächeln taucht auf dem hübschen Gesicht von Sira auf und lässt ihre Augen strahlen: „Und weisst du auch schon was es wird und wann es kommt? Und wie soll es heissen? Meinst du es wird hübsch?“ Der Wortschwall raubt Janna erstmal den Atem, bevor sie ein amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken kann und leicht fassungslos, wie ein so junger Mensch, so viel Neugierde an den Tag legen kann, den Kopf schüttelt. Vor Del und Rashid jedoch möchte sie keine Antworten geben und so fasst sie Sira an der Schulter und wirft Del einen kühlen Blick zu, als er sie fragend ansieht: „Ja, ich bin schwanger, da ist alles was ihr Männer wissen müsst“, gibt sie Antwort auf die ungestellte Frage.
Erst als mehre Schritt Abstand zwischen ihnen herrschen, Wind winselnd irgendwo dazwischen damit beschäftigt sich vor einer Furie von Kater in Sicherheit zu bringen, bestätigt Janna noch einmal mit leise gehaltener Stimme: „Ja ich bin schwanger und ich denke es wird ein Mädchen und da ich nun im zweiten Mond bin, wird es wohl Silberweiss oder Eisfrost werden, bevor es geboren wird. Und wenn es den gleichen Dickschädel hat wie sein Vater, dann wohl noch länger“, fügt sie leise hinzu und kommt nicht umhin Rashids breiten Rücken für einen Moment lang gedankenverloren anzublicken, bevor Sira auch schon wieder eine neue Frage auf der Zunge hat: „Also ist Rashid der Vater?“ Es gibt einen kurzen Moment der Stille und Janna fehlt ganz eindeutig die Luft zum atmen, denn ihr Gesicht wird so rot, wie die prächtigsten Tomaten im Sommer, bevor sie schliesslich mit beiden Händen schnell abwehrt und versucht ihre zitternde Zunge im Zaum zu halten: „Nein... also... doch, ja... ich.. ja, schon... irgendwie... glaub ich... es gibt nur... nunja, also... ich weiss nicht... hm... aehm... weisst du, das Problem ist... ich... also... Ich und Rashid... und Callios... Also der zweite...“ Götter im Himmel steht mir bei!, schiesst es ihr entsetzt durch den Kopf und resignierend lässt Janna die Schultern hängen und murmelt nur kleinlaut: „Ich hoffe wenigstens das Rashid der Vater, sonst habe ich nur noch mehr Ärger.“

Doch weitere Antworten erhält Sira nicht, denn für den Rest der Zeit hüllt sich Janna in konsequentes Schweigen, das auch über die drei folgenden Tage über anhält und die Worte, die sie mit Del und Sira wechselt, sind an einer Hand abzuzählen. Rashid ignoriert sie grosszügig und hält soviel Abstand zu ihm wie möglich und jeder Versuch von dem Hünen, ihr irgendwie näher zu kommen, oder ein Wort an sie richten zu können, wird von ihr im Keim zerschlagen. Die Abende verbringen sie am Feuer, denn auch diese Nächte ist noch kein weiterer Gasthof oder Stall in Sicht und die einzigen, die irgendwie noch ein wenig Aufruhr bringen, sind das Dreiergespann an Tieren. Hundejäger, wie Janna ihn schliesslich mit einem Seufzen genannt hat, macht sich immer wieder einen Spass daraus, sich zuerst schnurrend und miauend dem armen Welpe zu nähern, nur um ihm dann mit den Krallen eins auswischen zu können, derweil Asha das ganze gelangweilt betrachtet. Auch unterwegs führen die lieben tierischen Weggefährten ihr Spiel fort und imitieren dabei herrlich exakt ihre Herrschen. Asha stolz und gleichzeitig überlegen, blickt auf den Kater, die fauchend ihr Revier verteidigt und den armen Hund beinahe in den Wahnsinn treibt, der wiederum naiv und kindlich einfach nicht davon ablassen kann, allemal wieder einen neuen Annäherungsversuch zu machen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 06. Okt. 2005, 08:05 Uhr
Die nächsten Reisetage verlaufen in trügerischer Ruhe, auch wenn es zu keinen weiteren Streitigkeiten kommt. Weder zwischen Del und Janna, Rashid und Janna, Lorne und Janna oder gar Del und Lorne. Irgendwie scheint Janna Streit anzuziehen, wie eine Kerze die Motte!, grübelt der Wüstenkrieger eines Abends am Feuer und betrachtet dabei versonnen die Glut, in der trockene Äste knacken und Tannenzapfen ihren aromatischen Duft verströmen. Rashid ist kein Meisterjäger, aber seine Bogenfertigkeit hat problemlos dafür ausgereicht, um einen Hasen zu erlegen, den Wind aufgescheucht hatte, und so bruzelt das gehäutete Tier nun an einem stabilen Stock in der Nähe der Flammen vor sich hin. Nach dem täglichen Einerlei des Reiseproviants, ist der Braten eine willkommene Abwechslung, aber ob Janna zu erst ihren Stolz herunter schlucken kann, etwas zu essen, das Rashid erlegt hat, wird sich noch zeigen müssen. Sie hatte kein Wort an ihn gerichtet und war jedem Friedensangebot ausgewichen, das Rashid vage angedeutet hatte. Er war am Ende zu der Überzeugung gekommen, dass Callios zwar vielleicht die älteren ''Rechte'' hat, aber im Krieg und der Liebe ist alles erlaubt. Also würde er sich weiter um Janna bemühen, zumindest so lange sie ihn reizt. Noch keine Frau hatte ihn bisher so lange gefesselt, und schon für sich selbst möchte er ergründen, wie diese freche Schankmaid das mit ihm anstellt. Der Gedanke Vater zu werden, hat nichts Bedrohliches oder Besorgniserregendes für ihn. Zum einen würde sich erst nach der Geburt zeigen, ob eher Callios oder Rashid der Vater ist und zum anderen würde sich schon ein Weg finden, das Kind zu versorgen. Geld sollte dabei kein Problem darstellen, eher schon die Halsstarrigkeit der Mutter!

Bei der hochgepeitscheten Stimmung waren sie bisher nicht auf den Punkt zu sprechen gekommen, warum Rashid eigentlich hinter ihnen her gereist ist. ''Zum einen deswegen.'', er zieht eine Hand voll kleiner, schwarzbrauner Bohnen aus seiner Hosentasche, und hält sie Del als Antwort entgegen, der ihn nur noch verwirrter ansieht. ''Ich habe einen Handel mit einem Kaufmann aus dem Süden abgeschlossen, der mir eine gute Lieferung dieser Coféabohnen zugesagt hat, und ich hoffe, in Talyra sowas wie einen Zwischenhandel aufbauen zu können. Ich habe das Gefühl, dass sich mit diesen Bohnen bald eine Menge Geld verdienen lässt. Mal sehen, ob sich auf einer Reise nicht weitere Abnehmer finden lassen, die den Coféa später über mich beziehen. Wenn Du Lust hast, kannst Du gern mit mir investieren.'', bietet Rashid Del mit einem freundlichen Lächeln an. Skeptisch beäugt der Halbelb die braunen Dinger auf der Handfläche des Kriegers und fragt sich wohl, wie sich damit viel Geld verdienen lassen soll. ''Zum anderen hat die Tatsache, dass mir eingefallen ist, dass das letzte Domizil der Familie Thain in Yashior war, quasi die Richtung vorgegeben, in die ich reise. Ich dachte mir, das interessiert Euch vielleicht.'' Er grinst Sira an, die gerade Wind davon abhalten will, seine Nase wieder in die Reichweite von Hundejäger zu bringen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 06. Okt. 2005, 17:08 Uhr
Das er von niemanden eine vernünftige Antwort erhält ist ihm durchaus klar, doch als Rashid doch noch zu sprechen beginnt, muss Del sich zusammenreißen. In Kleinkindmanier will der Wüstenkrieger Janna gerade die Schuld zuschieben, doch lässt Del es gar nicht erst soweit kommen. „Davon will ich nichts hören!“ Rashid sieht alles andere so aus, als wolle er dem Folge leisten, schweigt aber nach der rüden Unterbrechung brav. Janna, die wohl nur zu gerne entsprechend auf Rashids Worte reagiert hätte, bedenkt ihn mit giftigen Blicken, die Del innerlich aber nur schwach lächeln lassen. Langsam hab ich wirklich genug von dir und deinen Stimmungsschwankungen... Nur wenig später folgt eine schwache Entschuldigung von Rashid in Richtung Janna, die davon jedoch nichts hören will. Ich glaube langsam, dass ich mit Sira wohl besser alleine weiterreisen sollte. Die benimmt sich vernünftiger als ihr beide zusammen! Wütend ballt Del die Hand zu Faust, schweigt ansonsten aber weiterhin, während Rashid und Janna sich immer noch wie zänkische Waschweiber gegenüber stehen. >“Mir nicht!“<, hört Del noch an seiner Seite zwischen, als ihm auch schon schmerzhaft das Gepäck entrissen wird. „Bitte gern geschehen.“ Mit zornigem Funkeln und stark gereizt, weil er sich mit zwei halsstarrigen erwachsenen Kindern herumärgern muss, sieht er Janna hinterher und wendet überrascht den Kopf, als Rashid ihn anspricht. „Du hast sie doch nicht mehr alle beisammen. Bei den Göttern, die Frau wollte dich gerade windelweich schlagen und du hast nichts besseres zu tun, als ihr Komplimente zu machen. Deine Nerven möchte ich haben.“ Der Wüstenkrieger grinst breit und sieht Janna leicht verträumt hinterher. An was er gerade denkt, möchte Del lieber gar nicht wissen. Sein Blick hat sich jedenfalls triumphierend auf Jannas schmerzendes Hinterteil geheftet.

Da Janna ohne sich noch einmal umzusehen einfach losläuft und auch keine Anstalten macht, noch einmal wegen der anderen anzuhalten, ist Sira die erste, welche sich der Amazone anschließt und ihr langsam folgt. Del befürchtet schon einen weiteren Ausbruch, doch scheint Janna sich wenigstens äußerlich unter Kontrolle gebracht zu haben, so dass Sira an ihrer Seite bleiben kann, ohne Gefahr zu laufen, auch gleich durch das Gebüsch gezerrt zu werden. Kopfschüttelnd und mit einem resignierten Seufzen  gibt Del Rashid ein Zeichen, damit er sein Tier holt und dann setzen sich auch die beiden Männer in Bewegung, um den Frauen zu folgen. Anfangs halten sie noch einen Ruhe gewährenden Abstand, doch bald schließen sie ganz auf, so dass die Gruppe irgendwann in einer Reihe nebeneinander hergeht, ohne groß auf seinen Nachbar zu achten. Del hat sich dabei wieder zwischen Janna und Rashid geschoben. Alle hüllen sich in Schweigen und nicht mal ein Räuspern oder Husten entringt sich den Kehlen der verstimmten Reisegruppe. Sira durchbringt irgendwann die Stille und erreicht so, dass sich bei Del kurz ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht zeigt. Jannas Unbehagen ist aufgrund der Fragen deutlich zu spüren, aber wenigstens beherrscht sich Rashid. Warum Janna ausgerechnet ihm selbst einem derart kühlen Blick zuteil werden lässt, ist Del zwar nicht ganz klar, aber solange es keine Toten gibt, ist es ihm auch recht. Ich reise mit einem Kind ohne Vergangenheit, einer verrückten launischen Schwangeren und einem scheinbar vollkommen durchgeknalltem Wüstenkrieger. Wer kann sich eine bessere Gesellschaft vorstellen? Da Janna zumindest Sira noch genaueres über ihren Zustand zu sagen, fallen die beiden Frauen ein Stück zurück, während die Männer nun die Vorhut bilden und sich vielsagende Blicke zuwerfen. Frauen, ihre Probleme und ihr Drang ständig zu tuscheln.

Da glücklicherweise kein weiterer Mann zu ihrer Reisegesellschaft dazugehören will, bleiben sie allesamt vor weiteren Ausbrüchen seitens Janna verschont. Zwar bleibt die ehemalige Schankmaid und Amazone weiterhin so stachelig wie ein Kaktus, aber Rangeleien oder ernsthafte Prügeleien bleiben aus. Die gelegentlichen bissigen Kommentare gehören mittlerweile zu den normalen Umgangsformen, so dass man fast schon behaupten könnte, dass die Reise langsam Spaß zu machen beginnt. Die kalten Nächte sind zwar alles andere als angenehm, dafür gibt es dann aber tagsüber kein Regen oder Stürme, so dass es ihnen möglich ist, rasch voranzukommen. Während Del und Rashid sich Abends mit gelegentlichen Spielen die Zeit vertreiben, hocken sich Janna und Sira immer häufiger zusammen um leise miteinander zu tuscheln. An sich stört es Del nicht, denn seit er Sira gefunden hat, hatte das Mädchen nie wirklich Möglichkeit sich mit einer vertrauten Person zu bereden. Dass es aber ausgerechnet Janna sein muss, lässt ihn doch hin und wieder besorgt die Stirn runzeln. Letztlich geht er aber einfach davon, dass Janna ihr keine Flöhe ins Ohr setzen wird und widmet sich ganz ihrer kleinen Männerrunde. Die Sache mit den Zelten hatte auch noch einmal fast einen Streit hervorgerufen, doch irgendwann nach langem diskutieren hatte man sich vorerst darauf geeinigt, dass die Männer jeweils ein eigenes Zelt bekommen, während sich Janna und Sira mittlerweile zusammen eins teilen müssen. Es hat Del einiges an Überwindung gekostet das Mädchen zu Janna zu schicken, aber so hat er immerhin gewährleistet, dass Rashid nicht in der Nacht über Janna herfallen könnte. Zumindest hofft er, dass Rashid sich in Siras Gegenwart benehmen würde. Es ist der vierte Abend nach dem Streit, als sie mal wieder an einem Lagerfeuer ihr Abendmahl zu sich nehmen. Kein Gasthaus war in Sicht gewesen, doch jeder hat sich an die Nächte im Freien gewöhnt und genießt es sogar auf seine ganz eigene Art und Weise. Vom Feuerschein erhellt sitzen die vier Reisenden auf Holzstücken oder Decken und warten sehnsüchtig darauf, dass Rashids Hase endlich gar wird. Genau wie Rashid, fragt auch Del sich, ob Janna sich dazu durchringen könnte, etwas von ihm zu essen. Eigentlich glaubt Del nicht wirklich daran, aber Hunger hatte schon so manche Wunder bewirkt.

Nachdem sie anfangs über Belanglosigkeiten geredet haben, kommen sie darauf zurück, warum Rashid ihnen überhaupt gefolgt ist. Die Bohnen die ihm entgegengehalten werden, sagen Del absolut gar nichts und mit hochgezogenen Brauen sieht er skeptisch zu dem Südländer. „Bohnen?“ Ein schwaches Lächeln huscht über Rashids Gesicht. >''Ich habe einen Handel mit einem Kaufmann aus dem Süden abgeschlossen, der mir eine gute Lieferung dieser Coféabohnen zugesagt hat, und ich hoffe, in Talyra sowas wie einen Zwischenhandel aufbauen zu können. Ich habe das Gefühl, dass sich mit diesen Bohnen bald eine Menge Geld verdienen lässt. Mal sehen, ob sich auf einer Reise nicht weitere Abnehmer finden lassen, die den Coféa später über mich beziehen. Wenn Du Lust hast, kannst Du gern mit mir investieren.''< „Und verrätst du mir auch, wozu diese komischen Coféabohnen gut sein sollen? Über dein Angebot denk ich bei Zeiten nach. Ich plane nicht gerne zu weit voraus. Das gibt nur Ärger und unnötige Verpflichtungen.“ Rashid nickt verstehend, während Del sich anschickt, um eine diese Bohnen zu ergattern, damit er sie genauer ansehen kann. Der Geruch wirkt auf Del alles andere als angenehm, aber anscheinend weiß Rashid, was man damit anstellen kann. >''Zum anderen hat die Tatsache, dass mir eingefallen ist, dass das letzte Domizil der Familie Thain in Yashior war, quasi die Richtung vorgegeben, in die ich reise. Ich dachte mir, das interessiert Euch vielleicht.< Seine Hand verharrt genau über der von Rashid in der Luft, als er verblüfft nach oben sieht. Der Südländer sieht ihn jedoch nicht an, sondern blickt zu Sira. Del folgt dem Blick kurz, sieht wieder zurück zu Rashid und dann zu den Bohnen. „In Yâshior?“, echot er ein wenig dümmlich, als er begreift, dass dies eigentlich nicht auf ihrem Weg liegt und auch in ganz anderer Richtung liegt. Langsam zieht er seine Hand zurück, während seine Stirn Falten schlägt und er ins Grübeln fällt. Yâshior? Liegt das nicht irgendwo im Dunkelwald? Verflucht, ist das nicht diese komische Stadt genau im Norden. Ganz toll... Warum auch nicht. Ein unangenehmer Schauer rinnt über Dels Rückrat als er sich bewusst wird, was genau das bedeutet. Den Dunkelwald zu durchqueren würde nicht mal annäherungsweise einem Spaziergang gleichen. Gleichzeitig würde das heißen, dass er Janna wahrscheinlich noch länger ertagen müsste und ihm doch irgendwo die Amazonen oder besser gesagt Siras Mutter über den Weg laufen könnte. Ein gar nicht amüsiertes Schnauben kommt über seine Lippen. Er kann spüren, wie sich Siras grüne Augen auf ihn heften. Er braucht nicht aufzusehen, um sich des hundeähnlichen Blickes bewusst zu werden. Sie vertraut Rashid, denn laut ihm lebt ihr Vater und das hieße, dass sie jetzt nach Yâshior möchte. Schließlich hat Rashid ja recht. Knurrend sieht Del auf und blickt sofort in moosgrüne große Augen. „Hmpf. Lass das!“ Er wendet seinen Kopf zu Rashid, der soeben einen kritischen Blick auf den Braten wirft und wohl entschieden hat, dass der Hase endlich fertig ist. „Ich sollte dir wohl dankbar sein, dass wir uns den Weg nach Immerfrost jetzt ersparen, wenn deine Information denn stimmt. Aber ob der Dunkelwald unbedingt besser ist...“ Ohne den Satz zu beenden zuckt Del mit den Schultern. „Dann eben Yâshior.“
Göttergeben nimmt Del Siras erfreutes Aufjauchzen zur Kenntnis und dann endlich gönnen sich alle ihr essen, um nur wenig später in die Zelte zu kriechen. Draußen kauen Hundefänger und Wind noch eine ganze Weile an den Knochen, bis auch sie Ruhe geben und das Rauschen der Blätter alle in den Schlaf wiegt.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 07. Okt. 2005, 23:35 Uhr
Wind und Hundejäger sind sich nach wie vor Spinnefeind oder zumindest tut Hundejäger so, während Wind einfach nicht davon abzubringen ist, immer wieder neue einmal mehr, einmal weniger schmerzhafte Annäherungsversuche zu unternehmen.
Von eben solch einem Unterfangen versucht Sira ihn auch gerade abzuhalten, als Rashid erklärt, dass ihm eingefallen sei, dass das letzte Domizil der Familie Thain in Yâshior  war. Gut amüsiert sieht er das Mädchen, das gerade mit dem grauen Hund beschäftigt ist, an. Augenblicklich hat der Südländer damit ihre volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen und mit angehaltenem Atem wartet Sira auf Dels Reaktion, den Blick ihrer moosgrünen Augen fest auf ihn geheftet. »Hmpf. Lass das!«, brummt der Halbelb, als er Siras Blick begegnet, doch das Mädchen blinzelt lediglich und starrt ihn anschließend genauso gebannt an wie schon zuvor. Ihre Gedanken überschlagen sich und sie juchzt erfreut auf, als Del schließlich mit einem lakonischen Schulterzucken dem neuen Reiseziel zustimmt. Während des folgenden Essens nimmt das Mädchen Rashid vollkommen in Beschlag und fragt ihn nach allem aus, was er über Yâshior zu berichten weiß. Sira ist dermaßen Feuer und Flamme, dass Del sie mehrmals daran erinnern muss, dass sie ihr Stück vom Hasen nicht ganz vergessen und endlich essen solle.
So rückt die Schlafenszeit immer näher und irgendwann begibt sich die ganze Reisegesellschaft zur Ruhe. Sira versucht Janna zwar noch ein paar Informationen über den Dunkelwald abzuluchsen, aber die Pfirsichmaid blockt bestimmt ab, immerhin sei es schon sehr spät. Am nächsten Tag wäre immer noch genug Zeit zum Reden, nun aber sei es besser, erst einmal etwas zu schlafen. Enttäuscht, aber einsichtig schließt Sira die Augen, kuschelt sich in ihren Mantel und die wärmenden Felle und ist bald darauf tief und fest eingeschlafen.    

Am nächsten Morgen geht es wie immer recht zeitig los. Janna hält sich wie üblich etwas abseits von Del und Rashid und Sira gesellt sich recht rasch zu ihr, nachdem sie einige
Zeit zwischen den beiden Männern, Janna, Wind und Hundejäger hin du her gependelt ist. Um Asha macht das Mädchen allerdings die meiste Zeit über einen großen Bogen. Das sonderbare, exotische Tier mit seinem Hocker, dem launischen Wesen und dem eigentümlichen Gang ist ihr nicht ganz geheuer. Es sieht aus, als wenn Asha auf einem schwankenden Schiff umherläuft, denkt sie und runzelt leicht die Stirn. Auf und ab, auf und ab. Eine Weile beobachtet sie Rashids Reittier noch, doch schon bald lässt das Interesse wieder nach.
Stattdessen wendet sich Sira Janna zu. Noch immer brennen ihr unzählige Fragen auf der Zunge und die meisten davon kann nur die Amazone zufrieden stellend erklären, immerhin weiß niemand soviel wie sie über den Dunkelwald und die geheimnisvolle Baumstadt der Amazonen und da die Reise nun offenbar geradewegs dorthin führt, erwacht Siras Interesse doch immer mehr. Gleichzeitig beschleicht das Mädchen aber auch ein ungutes Gefühl. Immerhin würden sie womöglich sehr dicht an der Baumstadt vorüberkommen und wer weiß schon, ob sie nicht vielleicht irgendwelchen Amazonen in die Quere kommen, die sie einfach so mit sich nehmen. Oder vielleicht bringt Janna mich ja auch selber dorthin. Eigentlich traut Sira der Pfirsichmaid so etwas gemeines nicht zu, auch wenn ihr immer mal wieder Zweifel kommen, wenn sie an den Streit mit Rashid zurückdenkt.

Die nächsten Tage vergehen wie alle anderen auch mit dem feinen Unterschied vielleicht, dass Janna noch etwa launischer ist, weil sie die Gesellschaft von Rashid und Del nun wohl doch noch etwas länger als geplant wird ertragen müssen. Del plagen derweil andere Sorgen. In all dem Trubel hätten er und Sira beinahe den Brief vergessen, den sie eigentlich für Kilara in Immerfrost hatten abliefern sollen. Daraus wird nun vorerst wohl nichts werden und es bleibt zu überlegen, was mit dem Schriftstück geschehen soll. Eventuell würde sich ja vielleicht in einem Gasthaushaus oder spätestens in Qyêpla ein Bote auftreiben lassen, der das Schreiben gegen eine geringe Aufwandsentschädigung doch noch zu seinem Bestimmungsort bringt. Andernfalls ließe sich in Qyêpla gewiss auch jemand mit Botenvögeln auftreiben. Jedenfalls scheint es erst einmal nicht weiter zu lohnen, sich länger über den Brief den Kopf zu zerbrechen und so ist das Dokument auch schon bald wieder vergessen. Fürs erste zumindest.
Dann erreichen die Gruppe langsam die ersten Gerüchte. Eine Katastrophe unglaublichen Ausmaßes solle in Talyra gewütet haben. Von einer schrecklichen Feuersbrunst ist die Rede und immer wieder wird gemunkelt Dämonen und allerlei Höllenkreaturen wie Ogres und Schattenhunde hätten die Stadt in Angst und Schrecken versetzt. So mancher Bericht ist derart Haar sträubend, dass die vier Wanderer so manches Mal kaum glauben können, was ihnen so alles zu Gehör kommt. Die Gespräche drehen sich lange Zeit kaum noch um etwas anderes und jeder macht sich so seine eigenen Gedanken darüber, was nun eigentlich passiert ist.
Sira beispielsweise plagt, ebenso wie Janna wohl auch, die Sorge um Dancy und ihre Pfirsiche. Auch an Euron Zaubererschreck, den netten Kobold dem der Kupferkessel am Marktplatz gehört und um Milo muss sie denken. Sogar um Madam Pileh, die freundliche Schneiderin, die ihren Vater als junges Mädchen angeblich gut gekannt hat, sorgt sich das Mädchen und es ist deutlich,  dass auch ihre Begleiter alle jemanden in der Stadt kennen, um den ihre Gedanken im Augenblick kreisen.

Wieder verstreichen ein paar Tage. Es schließlich sind rund sieben Siebentage vergangen als Janna und Hundejäger, Del, Rashid und Asha sowie Sira und Wind endlich den Rhaîn erreichen. Ursprünglich hatten sich hier ihre und Jannas Wege trennen sollen und der Halbelb und das dunkelhaarige Mädchen wären alleine weiter nach Immerfrost gereist, während sich die Amazone auf der Straße nach Qyêpla Richtung Dunkelwand gewandt hätte. Doch stattdessen schlägt die ganze Gruppe nun gemeinsam den Weg, der mehr oder weniger direkt am Rhaîn entlangführt, ein.
Im Gegensatz zum Frostweg ist die Straße nach Qyêpla in deutlich schlechterem Zustand und es ist spürbar, dass sie nun in wirklich recht einsame und wenig besiedelte Gegend begeben. Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich dass Qyêpla eine der wenigen Städte vielleicht sogar die einzige Stadt in Dunkelwald ist, die mit den übrigen Umlanden regen Handel betreibt. Und Del und Rashid schätzen, dass noch etwa drei bis vier Tage Fußmarsch vor ihnen liegen, bis sie die Handelsstadt erreichen. Immer vorausgesetzt natürlich das sie gut vorankommen, solange ihnen die Götter und das Wetter weiter so hold sind.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 09. Okt. 2005, 07:04 Uhr
Sie isst den Hasen nicht, sondern nagt mit falschem Stolz an Brot und getrockneten Pilzen herum, dabei keinen Blick in Richtung der Essenden werfend, die sich das saftige, herrlich duftende Fleisch schmecken lassen. Ihre Miene ist so finster, wie die Nacht, die über sie hereinbricht und aus den Blitzen, die aus ihren Augen sprühen und Rashid eindecken, ist deutlich der Missmut darüber zu lesen, das sie noch länger mit ihm zu tun hat. Del schweigt sie an, den Wüstenkrieger ignoriert sie und weist ihn ab, als hätte er die Pest. Nur Sira vermag sich ihr auf mehr als zwei Schritt zu nähern, ohne direkt angeblafft zu werden und während den folgenden Tagen ist es stets das Mädchen, dass es hin und wieder schafft, ein Lächeln auf Jannas Gesicht zu malen. Besonders wenn sie ohne Atem zu holen zwanzig Fragen herunterrattert, die Janna selbst Übelkeit bereiten, jedoch widerstandslos von ihr beantwortet werden. Wie gross, wie alt, wie schön, wie hoch ist der Dunkelwald, sind nur ein paar wenige der Fragen, die Sira auf Janna abschiesst, wie Erbsen aus einem Blasrohr und mehrmals muss die Schankmaid das Mädchen davon abhalten, ihr die Ohren rauchig zu plappern, wie ein Papagei. In den Nächten teilt sie mit Sira das Lager, derweil sich Rashid und Del ein Zelt teilen, nachdem sie nachdrücklich darauf hingewiesen hat, was für Konsequenzen es haben würde, wenn sie mit Rashid unter dem gleichen Dach würde übernachten müssen. Sicherlich, ein Wanderer weniger und dafür ein Reittier mehr, aber sie glaubte nicht, dass es zu ihren Gunsten sein würde.
Trotzdem fällt ihr Dels Misstrauen auch auf und das, nebst Rashids Entscheid, mit ihnen zu reisen, macht sie noch unerträglicher in ihren täglichen Launen als auch schon. Die Übelkeit ist zum grössten Teil verschwunden, nur wenn der Wüstenkrieger, sie wieder einmal versucht zu necken und sie sich davon abhalten muss, ihn im Schlaf zu erwürgen, steigt bittere Übelkeit in ihr hoch und sie macht Bekanntschaft mit dem nächsten Gebüsch.
So vergehen die Tage, bis zu jenem Morgen, als sie dem ersten Wanderer begegnen, der ihnen mit Händen und Füssen von dem schrecklichen Chaos in Talyra erzählt, wo ein Dämon mit Feuer und Verderben gewütet haben soll und es sei die Hälfte der Stadt in die Luft geflogen, viele gestorben und der Dämon hätte schliesslich nur von mehreren Priesterin und Priesterinnen zusammen besiegt werden können. Jannas Herz setzt aus, als sie diese Dinge hört und zuerst klammert sich ihre ganze Hoffnung daran, dass es nur Gerüchte sind, nichts von Hand und Fuss, doch je mehr Wesen ihnen begegnen, die ihnen das gleiche erzählen, desto schmerzlicher wird die Tatsache, das nichts davon gelogen ist.
Zuerst möchte sie einfach umdrehen, ist nicht gewillt auch nur einen Schritt weiter in die Richtung zu machen, in die sie unterwegs war. Dancy, Arya, Beth und Dorna, alle spuken in ihrem Kopf herum und die Angst, es könnte ihnen etwas passiert sein, schnürrt ihr die Kehle zu und lässt sie eines Abends gar in Tränen ausbrechen, derweil sie wieder einmal am Feuer sitzen. Kurz entschlossen packt sie ihre sieben Sachen, nicht auf Del und Rashid hörend, die ihr klar machen wollen, dass die Reise zurück jetzt völlig unnütz wäre und sie nicht alleine reisen sollte, während der Schwangerschaft, doch weder der Halbelb noch der Hüne sind es schlussendlich, die sie überzeugen. Bereits ist sie auf dem Weg zurück, als Jemand sich an ihren Arm klammert und sie aus grossen, bittenden, dunkelgrünen Augen ansieht, in denen Tränen schwimmen. Sira redet auf sie ein, bittet, fleht, argumentiert wie eine Wilde, und redet ihr den Kopf schmerzend und doch ist es schliesslich die Angst des Mädchens, die Janna davon abhält ohne zu überlegen nach Talyra zurück zu kehren. Doch seit diesem Moment ist sie noch stummer, isst nur noch selten und wenn, dann wenig, weil die Sorge ihren Magen zusammendrückt und an ihrem Verstand nagt, wie eine lästige Maus am Käse.

Die Tage vergehen, Schritt für Schritt entfernt sie sich von ihrer ehemaligen Heimat und sogar Sira fällt es schwer der Schankmaid mehr als zwei Worte zu entlocken, die nicht klingen, als wären sie in weite Ferne gerichtet. Jannas Gedanken kreisen um Dancy, um Callios, um das Kind, um Rashid und um ihre Mutter, aber auch um Sira, wie sie oftmals mit Verwunderung feststellt. Düstere Schatten haben sich über ihre rehbraunen Augen gelegt und sie verdunkeln sich noch ein Stück, wenn sie daran denken muss, wie sie wohl durch den Dunkelwald kommen wollen, ohne das die Amazonen Rashid, Del und besonders Sira zur Kenntnis nehmen und je länger je mehr ertappt Janna sich selbst dabei, wie sie versucht eine Lösung für das Problem zu finden, was ihr eigentlich überhaupt nicht passt, da sie ihrer Meinung nach, selbst genug Lösungen für sich selbst finden muss. Sie ist sich nicht sicher, doch irgendwas sagt ihr, dass Rashid den Kampf um das Kind nicht einfach so aufgeben wird und diese Tatsache allein lässt sie noch bissiger und zickiger werden ihm gegenüber und schon ein Wort von ihm genügt, um sie innerlich explodieren zu lassen. Hundefänger hat sich derweil hübsch eingelebt, schleicht um ihre Füsse und wärmt ihre und Siras Zehen in der Nacht, ebenso wie Wind oft als weiches, warmes Kissen dient. Asha hingehen lässt sich zu keiner Gemütsregung hinreissen und betrachtete die Reise so gelangweilt, wie ein solches Wüstenschiff nur gucken kann, wobei sch weder Sira noch Del es wagen, ihm zu nahe zu kommen und Janna es aus Prinzip ablehnt etwas zu berühren, das Rashid gehört oder etwas, dass er gejagt hat. Nach den Schreckensbotschaften aus Talyra ist ihr der Appetit jedoch auch vergangen und hin und wieder zieht sie sich einfach so in ihr Zelt zurück, mit der Ausrede, sie hätte keinen Hunger. Geschützt vor den Blicken jedoch rinnen Tränen über ihre Wangen und fest krümmt sie sich zusammen, wie ein kleines Kind, eine Hand auf ihrem Bauch und leise innig Gebete leiernd, das Dancy und die Pfirsiche alle überlebt haben.
Ihr Schlaf ist schlecht, besonders da sie beinahe alle restlichen Nächte unter freiem Himmel verbringen müssen und ihr Rücken danach oft schmerzt. Doch, um diese Schwäche zu verdrängen, beisst sie ganz einfach die Zähne zusammen und lässt sich davon nichts anmerken, auch wenn sie sich bei ihrer Ankunft am Rhaîn müde, kraftlos und ausgezerrt fühlt. Sie hat gewusst, dass die Reise anstrengend werden würde, besonders für sie als Schwangere und für Sira als junges Mädchen, aber diese Anstrengung übersteigt dann hin und wieder doch ihre Möglichkeiten und mehr als einmal setzt Del eine Rast ein, entgegen all ihrer Widerworte und lässt sie ruhen. Im Stillen ist sie ihm sehr dankbar und als sie gar einmal einen Moment unter sich sind, verlassen wenige Worte ihren Mund, die ehrlich freundlich an ihn gerichtet sind, wenn er es auch mit Verblüffung und Skepsis entgegen nimmt.

Nun reisen sie alle dem Rhaîn entlang, ein dunkler Strom, an dem sie sich hin und wieder erfrischen können und an dessen Ufer dunkel und verschwommen der Waldrand aufragt, wie eine dichte, grünschwarze Mauer. Der Weg wird noch unebener und obwohl es stetig mühsamer wird, behält Janna ihre Mühen und Nöten für sich, derweil sie der letzten Stadt vor dem grossen, düsteren Wald immer näher kommen. In ihren Erinnerungen taucht ein Bild auf, grob und verzerrt und trotzdem zeigt sich ein Lächeln auf ihren Lippen, als ihnen deutlich mehr Händler und Wanderer entgegen kommen, die von der Stadt ganz in der Nähe zeugen. Bilder aus ihrer Kindheit, Erinnerungen an ihre Mutter und ihren Vater überschwemmen sie und alleine der Duft des kühlen Windes, der frischen Nadeln und dem seltsamen, herben Geschmack der Bäume lässt sie vor Freude taumeln. Talyra ist ihr zu Hause, war ihr zu Hause – Oftmals schüttelt sie zweifelnd den Kopf und verdrängt jeglichen Gedanken daran – IST es immer noch, doch hier, in diesem Teil der Immerlande hat ihre eigene Geschichte angefangen, noch ganz unschuldig und zart. Damals hatte sie noch nicht gedacht, dass sie bald entweder von einem sensiblen Fremden, oder aber einem störrischen Hünen schwanger sein würde und in ihren Zukunftsplänen hatte sich auch kein Kind und kein Del und keine Sira befunden und schon gar keine Rückkehr zu ihrer Mutter. Doch das Schicksal lässt sich nicht ins Spiel pfuschen und so verschwindet der Alptraum nicht einfach eines Morgens, sondern empfängt sie stets von neuem in seiner vollsten Blüte. Ich sollte voraus reisen, oder warten, bis sie weg sind, aber was wird dann aus Sira, Lorne, wie sollen wir durch den Dunkelwald kommen, ohne auf eine Amazone zu treffen. Ich werde schweigen, aber es besteht immer die geringe Gefahr, das jemand von Lo.. Siras Herkunft erfährt und wenn Kijada es mitbekommt… Herrje, Götter, tut mir dieses Schicksal nicht an. Sie will gar nicht wissen, wie man mit ihr verfährt, wenn das herauskommt und ist daher froh, dass sich ihre Wege immer noch spätestens im Dunkelwald trennen, besonders weil sie dann auch endlich Rashid los wird, den sie immer noch verbissen versucht zu ignorieren. Der fünfte Mond ihrer Schwangerschaft beginnt und bereitet ihr Kopf- und Gliederschmerzen, sowie Krämpfen in den Beinen. Ihre Brüste schwellen an – beunruhigend stark, wie sie feststellt - und ihr wird klar, dass sie sich spätesten in Qyêpla ein anderes Kleid, oder besser gleich ein Hemd besorgen muss, damit die Nähte nicht reissen und sie nicht ohne gar nichts dasteht.
Sie bemerkt sehr wohl, dass auch Rashid die kleinen Veränderungen an ihr nicht entgangen sind und mehr als einmal bedenkt sie ihn mit geringschätziger Verachtung, wenn sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht schleicht, auf das seine Augen wir Saphire funkeln. Lüsterner Mistkerl, ist alles, was sie jedoch zu Stande bringt. Überhaupt sind ihr in letzter Zeit die Fluchworte für ihn ausgegangen und das ist es wohl, worüber sie sich am Meisten ärgert.

Es ist der vierte Tag, den sie dem Rhaîn entlang wandern, Janna ganz links und Rashid mit seinem seltsamen Tier ganz rechts, dazwischen Del und Sira. Das Mädchen scheint gut geschlafen zu haben und läuft gut gelaunt einige Schritte voraus, derweil sich Dels Miene immer mehr verfinstert, je weniger Schritt noch zwischen ihnen und der Stadt liegt. Janna vermag seine Sorgen, trotz ihres Starrsinns, ihres Egoismus und ihres Stolzes zu verstehen und tritt schliesslich an seine Seite und meint mit einem flüchtigen Lächeln, das hoffnungsvoll aussehen soll: „Denk nicht daran was noch kommt. Wahrscheinlich wird nichts geschehen. Bald bist du mich los und ich selbst werde den Mund halten. Der Dunkelwald selbst ist nicht so schrecklich zu durchqueren, wie er scheint und dann seid ihr in Yashior und wahrscheinlich wartet dort bereits ein dankbarer Mírdan auf euch, obwohl“, ihr Stimme wird leiser und ihr Blick haftet für einen Moment auf Siras schwarzem, glänzenden Lockenkopf, bevor sie kaum hörbar flüstert: „Obwohl ich nicht weiss, ob dir das gefällt.“ Sie hat in den letzten Siebentagen gesehen, wie sehr Del das Mädchen mag, obwohl er jetzt mehr über ihre Vergangenheit weiss, als das es ihm lieb scheint, doch Janna kann sich zumindest geringfügig vorstellen, was es für ihn bedeuten würde, Sira jetzt wieder zu verlieren. Genau wie ich nun plötzlich Angst empfinde bei dem Gedanken dich wegzugeben., spricht sie in Gedanken lautlos mit ihrem Kind und ihre Finger legen sich sanft auf ihren noch flachen Leib, dort wo unter ihrer Haut das Ungeborene heranwächst. Aus einer plötzlichen Eingebung heraus eilt sie ein Stück voraus, einen fauchenden Kater im Schlepptau und beginnt trotz aller Müdigkeit lachend mit Sira fangen zu spielen, als ob sie weder schwanger wäre noch bereits ihre dreissig Lenzen zählen würde und hindert Del so daran, ihr eine Antwort geben zu können.
Es ist schliesslich Abend, als sich endlich ein dunkles, hoch aufragendes Gebilde vor ihnen aus dem nächtlichen Dunkel auftaucht und alle erleichtert aufatmen lässt. Sowohl Sira als auch Janna sind nach ihrem Spiel müde und die Schankmaid fühlt sich, als müsste sie jeden Knochen in ihrem Körper neu sortieren, doch seit sie aufgebrochen ist auf diese Reise, hat sie nicht mehr so viel gelacht, besonders als schliesslich auch noch Wind eingestiegen war und versucht hat ihre fliegenden Rockzipfel zwischen seine Zähne zu bekommen.
Nun braut sich über ihnen ein herrliches Unwetter zusammen, dass allen deutlich macht, wie glücklich sie sich schätzen können, jetzt gerade auf die Stadt zu treffen und noch einmal beschleunigt die Gruppe ihre Schritte, um noch vor Regenbruch ins Trockene gelangen zu können, denn die Luft knistert bereits vor Spannung.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 11. Okt. 2005, 09:56 Uhr
Die Neuigkeiten, die Rashid über Siras, oder vielleicht eher Lornes, Familie zu berichten weiß, rufen unterschiedliche Reaktionen hervor, die von freudiger Überraschung über kaum verholene Skepsis bis zu genervtem Ausatmen gehen, weil das bedeutet, dass sich ihre und Jannas Wege nicht so bald trennen werden. Wie zu erwarten, löchert Sira sowohl Rashid als auch Janna im Folgenden mit allen möglichen Fragen über die verschiedenen Stationen ihrer neuen Reiseroute. Dabei erweist sich Janna erstaunlich geduldig, wo sich doch ihre schwankende Laune zufälliger Weise immer zu verfinstern scheint, wenn Rashid das Wort an sie richtet. Zumindest erhält er immer noch eine Antwort, auch wenn sie meistens mit >>Du Mistkerl<< beginnt oder endet. ''Wenigstens bittet sie nicht Dich oder Sira, mir etwas auszurichten, obwohl wir alle um das selbe Lagerfeuer sitzen!'', erklärt der Wüstenkrieger Del in einer ruhigen Minute schmunzelnd, als Janna einmal nicht hin zuhören scheint, doch der heftige Ruck, mit dem sie ihm den Kopf zudreht, gepaart mit einem vernichtenden Blick, den sie ihm zornsprühend zuwirft, belehrt ihn eines besseren. ''Ups!'' Rashids Grinsen ist breiter als die Stadttore Talyras, und nur Dels >>Hährm.<< verhindert, dass Janna ein Stück ihres getrockneten Brotes nach Rashid wirft.

Del ist nicht sehr angetan von dem Gedanken, direkt durch den Dunkelwald reisen zu müssen, doch Janna bemüht sich, seine Sorgen zu zerstreuen. Die Tage vergehen, und sie kommen gut voran, zumal Asha als Lasttier missbraucht wird und ihr aller Gepäck klaglos schleppt. Nein, das ist nicht ganz richtig. Alles Gepäck, bis auf das von Janna, die Stein und Bein schwört, dass es ihr nichts ausmacht >>...das bisschen Hab und Gut zu tragen, das ich besitze!<<. Inzwischen lassen sich die ersten sichtbaren Zeichen ihrer Schwangerschaft nicht mehr übersehen, zumindest nicht, wenn man sie schon vorher kannte. Auf ihren Wangen liegt eine Spur mehr Rot und ihre Lippen wirken voller. Ihre Brüste ebenso, wie Rashid sehr zu seinem, aber offensichtlich weniger zu Jannas, Vergnügen bemerkt, doch am Meisten faszinieren ihn ihre Augen, deren dunkle Pupillen eine Spur weiter geöffnet sind als sonst. Del und Sira ertragen das Geplänkel des Paares, das kein Paar ist, mit stoischer Ruhe, die schon fast Asha Konkurrenz machen könnte. Die Neuigkeiten aus Talyra, die ihnen zu Ohren kommen, setzen ihnen allen zu. Janna und Rashid aber am Meisten, da sie Menschen dort haben, an denen ihr Herz hängt. Der Wüstenkrieger teilt ihre Sorge um Dancy und die Pfirsiche, insbesondere natürlich Dorna und Beth, aber am das meiste Kopfzerbrechen bereitet ihm Aingeals ungewisses Schicksal. Janna jedoch alleine nach Talyra zurückreisen zu lassen, kommt für Rashid nicht in Frage, deshalb hält er sich schon fast auffallend zurück, als Sira alles daran setzt, ihr dieses Vorhaben auszureden. ''Wir können in der nächsten Stadt Botenraben aussenden, um etwas zu erfahren und uns die Antworten dann zur nächsten Stadt auf unserer Route schicken lassen.'', schlägt Rashid halblaut vor. Diese Idee setzen sie schließlich auch um, und so sehen sie ihrem Reiseziel für die heutige Nacht mit doppelt so hohen Erwartungen entgegen, wie sonst. Quyêpla.

Sie erreichen die Stadt am Abend. Der Strom der Reisenden und Händler hat sich im Laufe des Tages immer mehr verdichtet, bis er nahe der Stadttore fast zu einem Gedränge ausartet. Die leuchtend roten Umhänge der allgegenwärtigen Stadtwachen stechen aus der Menge hervor, während sie schon vor dem Einlass in die Stadt selbst, mit strengen Augen die Ankömmlinge mustern. Rashid war schon oft auf seinen Handelsreisen hier, und so ist es für ihn nichts ungewöhnliches, seine Bewaffnung am Tor abgeben zu müssen. Niemand innerhalb der Stadtmauern trägt Waffen. Niemand außer den Wachen! Das trägt erheblich dazu bei, dass es kaum zu ernsthaften Auseinandersetzungen kommt, obwohl Quyêpla, ein Schmelztiegel der verschiedensten Völker und Kulturen, das Zentrum des Handels des Dunkelwalds ist. Janna ist als ehemalige Amazone ebenfalls mit diesem Prozedere vertraut, und auch Del, der seinen Dolch eher als als nützliches Messer einsetzt, gibt diesen bereitwillig ab. Quyêpla empfängt sie mit der schwülen Atmosphäre einer pulsierenden Stadt, die nie zu schlafen scheint. An jeder freien Ecke steht der Handkarren eines Händlers oder drängen sich Bauchläden tragende Menschen durch die zahllosen Besucher. Trotz allem haben es Taschendiebe schwer, denn die speziell geschulten Gardisten sind immer zu gegen. ''Dort entlang.'', weist Rashid ihnen den Weg, ''Ich kenne eine bezahlbare Taverne in der Nähe des Karawanenhofes. Dort ist auch der Rabenschlag, wo wir nachhören können, ob eine Nachricht aus Talyra für uns angekommen ist.'' Rashid fängt einen Blick von Janna auf, der einmal nicht völlige Abneigung in sich trägt, sondern ein wenig verkniffene Dankbarkeit, dass Rashid eine Möglichkeit gefunden hat, sich nach Dancys Befinden zu erkundigen.

Sie folgen dem verwirrenden Geflecht der Gassen und Straßen, die der Wüstenkrieger gut zu kennen scheint, und Del ist insgeheim froh darüber, dass Rashid sich ihrer Reisegesellschaft angeschlossen hat. Auch wenn die hanebüchenen Geschichten des Karawanenwächters über seine Erlebnisse oft kaum zu glauben sind, sind seine Kenntnisse über die verschiedensten Winkel der Immerlande wohl nicht von der Hand zu weisen. Die Gebäude Quyêplas folgen keinem festen Baustil und sind ein buntes Sammelsurium aller möglichen Richtungen und spiegeln damit die Mannigfaltigkeit ihrer Bewohner wieder. Minarette und Kuppeldächer schmiegen sich nahtlos zwischen schindelgedeckte Spitzdächer, Rundbögenfenster wechslen sich mit rechteckigen Öffnungen ab und gekalkten und verputzten Wände stehen die groben Quader behauener Steine gegenüber. Eins haben jedoch alle Häuser gemeinsam. Fast über jeder Tür baumelt ein bemaltes Holzschild, das vom Beruf oder Handwerk der Bewohner berichtet. In breiten Auslagen sind die unterschiedlichsten nützlichen und weniger nützlichen Dinge zu bewundern, und Sira hat kaum genug Auge und Ohren, um alle Eindrücke in sich aufzunehmen. Als sie zu später Stunde die Karawanserei erreichen, stehen sie am Rande eines großen Platzes, den zahlreiche Gasthäuser und Tavernen säumen. Rashid führt sie auf ein Gebäude zu, das ein wenig heruntergekommen wirkt. Der argwöhnische Blick seiner Begleiter amüsiert ihn sichtlich, und er hebt beruhigend die Hände. ''Vertraut mir!'' Janna schnaubt verächtlich. >>Sicher doch!<<

Das Schild über dem gedrungenen Gebäude mit dem langen, flachen Stalltrakt, verrät ihnen den viel sagenden Namen: Zur letzten Einkehr. Und auf den ersten Blick wirken die abgewetzten Tische und Bänke auch so, bis man bemerkt, dass das nur von den unermüdlichen Putzlappen herrührt, die von einer Schar Bedienungen geschwungen werden, die eifrig zwischen den Gästen schwirren und zügig jeder Bestellung nachkommen. Rashid steuert zielsicher auf den Tresen zu, hinter dem ein korpulenter, älterer Mann mit schütterem, leicht fettige Haar einen Krug Met nach dem anderen zapft. ''Gibt es noch einen kleinen Schlafsaal für 4 müde Wanderer, einen Hund, eine Katze und einen Platz im Stall für ein störrisches Dromedar?'', spricht der Wüstenkrieger den Wirt an, wobei er sich mit verschränkte Armen auf die Theke stützt. Seine dunkle, markante Stimme lässt den Wirt beim Zapfen über die Schulter sehen. Auf seinem Gesicht erscheint ein erfreutes Lächeln. >>Rashid! Du warst eine kleine Ewigkeit nicht hier!<< Er wischt sich seine Hände an der schmierigen Schürze ab, die das Einzige in der ganzen Herberge ist, was nicht peinlich sauber ist, und schüttelt dem Wüstenkrieger kräftig die Hand. >>Sind das Deine Frenude?<< Rashid blickt in die Runde, bis sein Blick an Janna hängen bleibt. ''Ja, sie gehören alle zu mir.'', erklärt er schmunzelnd. >>Dann sollt ihr meinen besten Saal bekommen. Er ist zwar für 6 Leute, aber ich mache Euch einen guten Preis.<< Die Zahl, die Tokshu, der Wirt, als erstes nennt, lässt Rashid lachend auf die Theke klopfen. ''Ich wollte Dir nicht deine Taverne abkaufen sondern nur hier übernachten!'' Es folgt ein wildes feilschen, bis sich beide Seiten sicher sind, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Der Rabenschalg hat leider schon geschlossen, wie sie weiter erfahren, und so verschieben sie den Besuch dort auf morgen. ''Lasst uns etwas vernünftiges Essen! Die Reispfannen hier kann ich Euch nur Wärmstens empfehlen!''

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 13. Okt. 2005, 17:10 Uhr
Auch wenn Del sich während ihrer Märsche nie recht entscheiden konnte, ob ihn Rashids Anwesenheit nun freuen oder eher ärgern soll, kommt es ihnen nun zu Gute, dass der Südländer mit ihnen reist. Mehrfach hatte er versichert, dass er sich überall in den Immerlanden auskennt und nun kann er es unter Beweis stellen. Als würde er in der Stadt wohnen, betritt er die Tordurchgänge und gibt seine Waffen ganz beiläufig ab, so als sei es das normalste der Welt. Da Rashid keine Fragen stellt und Janna ebenfalls mit diesem Ritual vertraut scheint, lässt auch Del diese Prozedur kommentarlos über sich ergehen und kramt nach seinem Taschenmesser. Den Zetteln den er zum abholen wieder abgeben muss, verstaut er in seiner Hosentasche gleich neben dem Brief von Kilara. Als ihm das abgegriffene Papier in die Hände fällt, kommt ihm der Gedanke, dass er sich ja hier vielleicht einfach einen Boten suchen könnte, der den Brief dann weiterleitet. Andererseits weiß er nicht, wie Kilara reagieren würde, wenn er ihr irgendwann ,Wenn du überhaupt lebend aus dieser grünen Hölle herauskommst., erklären müsste, dass er ihre wichtigen Informationen jemanden anderes anvertraut hat. Er selbst kann nicht lesen und hat somit nicht die blasseste Ahnung, was dort geschrieben steht. Schulterzuckend steckt er den Brief wieder ein. Vielleicht würde sich später eine Lösung finden. Jetzt gilt es sowieso erst einmal eine Unterkunft zu finden.

Der Lärm der Stadt ist nach all den Tagen in der Wildnis mit nur seltenen Passanten eine wahre Qual. Am liebsten würde Del sich sofort wieder in den Wald flüchten. Dicht gedrängt steht an wirklich jeder Ecke ein Händler und bietet seine Waren an. So gut wie jedes Haus verrät den Standpunkt weiterer Geschäfte und Händler. Überhaupt scheint sich in dieser Stadt alles um Handel zu drehen. Während Sira sich ausgiebig alles und jeden anguckt, staunend immer wieder den Mund aufreißt und auch gelegentlich versucht sich hier und dort umzusehen, ist Del mühsam damit beherrscht sich ungefähr ihren Weg zu merken, für den Fall dass sie Rashid oder Janna verlieren sollten. Gleichzeitig achtet er aber auch darauf, dass ihnen niemand zu nahe kommt und sich an ihrem wenigen Habe zu schaffen macht. Seine Größe ist ihm hierbei sehr hilfreich und viele der Bürger Quyêplas machen ihm, Rashid und Asha bereitwillig Platz. >''Ich kenne eine bezahlbare Taverne in der Nähe des Karawanenhofes. Dort ist auch der Rabenschlag, wo wir nachhören können, ob eine Nachricht aus Talyra für uns angekommen ist.''< Erleichtert atmet Del hörbar aus, auch wenn das im allgemeinen Lärm der Stadt untergeht. Auch wenn nichts wirklich prunkvoll wirkt und man eher meinen könnte, die Stadt halte sich gerade so über Wasser, sagen einem die zugerufenen Preise doch etwas ganz anderes. Del hat keine Ahnung woher die ganzen Leute soviel Geld haben, um diese Preise auf Dauer bezahlen zu können, aber scheinbar haben sie eine Quelle die nie versiegt. Zielstrebig fühlt Rashid zu einer Taverne, die Del mit einem einzigen Blick klar macht, warum sie bezahlbar ist. Wehe die haben da Flöhe in ihren Betten! Wenn Del eins nicht ausstehen kann, dann sind es diese kleinen Biester. Jannas patzige Antwort auf Rashids >“Vertraut mir!“< kann Del nur beipflichten, aber er sagt kein Wort. Er ist viel zu müde und die Aussicht auf ein Bett wird mit jeder Sekunde verlockender, als dass er es hier jetzt wieder zu Diskussionen kommen lassen will. Da Rashid sie hierher geführt hat, ist es auch an ihm ein Zimmer zu besorgen. Del bleibt mit den beiden Frauen halb in der Tür stehen, damit sie so einen Blick auf Asha werfen können. Immerhin trägt sie fast das gesamte Habe der Gruppe und keiner würde es gutheißen, wenn das Tier verloren geht. Auch wenn Del insgeheim eigentlich froh wäre nich ständig von diesem blökenden schaukelnden Ding beobachtet zu werden. „Hmpf, was dauert das denn so lange!“ Ungeduldig wechselt er von einem Fuß auf den anderen und wartet sehnsüchtig auf Rashid, während draußen der erste schwache Nieselregen zu Boden fällt. Über die Menge der Tavernenbesucher hinweg kann er erkennen, dass der Wüstenkrieger schwer beschäftigt scheint. Aber wie es scheint, kennt man sich auch hier und so bekommen sie schließlich doch noch ein Zimmer. Sämtliches Gepäck wird von Asha runtergenommen, damit ein Bursche des exotische Tier anschließend in den Stall bringen kann. Janna und Sira voraus, drängen sich Rashid und Del durch den Schankraum und bringen das Gepäck zu ihrem Zimmer. >''Lasst uns etwas vernünftiges Essen! Die Reispfannen hier kann ich Euch nur Wärmstens empfehlen!''<, ist Rashids Vorschlag, während das Gepäck auf dem Boden verteilt wird und Sira schon eifrig erkundet, welches Bett sie in Beschlag nehmen möchte. Hundejäger und Wind folgen diesem Beispiel und toben ebenfalls durch sämtliche sechs Betten. „Gute Idee. Sira, Janna, kommt wir gehen runter.“ Janna spielt anfangs wieder einmal die Sture, da sie ja mit Rashid an einem Tisch sitzen müsste, doch dieses Mal ist das Essen nicht von dem Wüstenkrieger erlegt und zubereitet worden, so dass sie doch einwilligt. Als sie die Treppe wieder hinab steigen, erklärt Sira ausführlich wie viel sie zu verdrücken gedenkt und erreicht mehr als ein amüsiertes Grinsen auf den Gesichtern ihrer Begleiter. Die Tiere haben sie oben gelassen. Ihnen würden sie später etwas bringen und in all dem Gedränge und Gewühl wollen sie lieber keine Bisse oder Kratzer bei Passanten riskieren. „Hier bring das nach oben, aber pass auf, dass du nichts verschüttest.“, erklärt Del Sira, als sie später mit Essen fertig sind und die Reste zusammengesammelt haben. Sofort ist das Mädchen aufgesprungen. Als sie zurückkehrt sind die Erwachsenen gerade in ein Gespräch über den morgigen Tag vertieft. Gemeinsam wird geplant in früh den Rabenschlag aufzusuchen. Anschließend würden jedem einige Stunden Einkauf vergönnt sein, so dass jeder ein wenig Zeit für sich bekommt und man eventuell etwas entspannter den nächsten Reiseabschnitt antritt. Danach soll anhand von einer Karte ein möglichst ungefährlicher Weg durch den Dunkelwald gefunden werden, was hauptsächlich Janna zufallen wird.

Jeder schläft in dieser Nacht so gut wie schon lange nicht mehr. Selbst in den frühen Morgenstunden, als die Taverne unter ihnen langsam erwacht und in ihre regelmäßige Betriebsamkeit verfällt, öffnet niemand von ihnen ein Auge. Nur Hundejäger und Wind linsen hin und wieder in den Raum, wenn sie jemand ihrer Begleiter im Schlaf bewegt. Nach und nach kriecht aber im anschwellenden Lärm der erwachenden Stadt jeder aus seinem Bett und gibt sich eher murrend einer Katzenwäsche hin. Nach den Tagen in der Wildnis will niemand zu schnell dem Luxus entfliehen, aber ihr Tag ist ziemlich genau durchgeplant und keiner von ihnen will sich den Unmut der anderen auf sich ziehen, weil auf ihn gewartet werden muss. Der Besuch beim Rabenschlag wird recht schnell hinter sich gebracht. Wie erhofft gab es für Janna und Rashid Briefe aus Talyra. In jedem wird versichert, dass trotz der erschreckenden Nachrichten es zumindest den Briefeschreibern und den nächsten Bekannten und Angehörigen gut geht. Sowohl Sira als auch Del haben an niemanden geschrieben. Del einfach aus dem Grund, da er sich niemand in Talyra verbunden fühlt und er sich mit dem begnügt was Janna ihm aus dem Brief preis gibt. Sira hätte wohl gerne einen Brief geschrieben oder bekommen, aber irgendwie ist es nicht dazu gekommen. Ihre Familie liegt vor ihr und die Personen die ihr in Talyra bekannt sind, hatte sie klammheimlich verlassen, so dass sie dann doch verzichtet hatte. Somit ist auch die Auskunft von Dancy über den Zustand des Pfirsiches und sämtlicher Angestellten alles, was sie wirklich interessiert. Trotzdem hält es sie nicht davon ab, sie auch über den Inhalt von Rashids Brief zu informieren. Nachdem noch Antworten verfasst werden, steht ihnen nun der Einkauf bevor. Sira scheint anfangs unsicher mit wem sie gehen soll, da die Erwachsenen allesamt vorhaben ihre eigenen Wege zu gehen, aber letztlich trottet sie dann doch mit Del davon. Da sie Zeit haben und Sira sich während der Reise nie ernsthaft daneben benommen hat, lässt ihr Del die Wahl wohin sie gehen und erlaubt ihr sogar irgendwelchen Schund zu kaufen, den sie nicht brauchen, der aber recht günstig zu erstehen ist. Zwischendurch werden die Wintersachen verkauft, die sie nun ja nicht mehr brauchen. Für das Geld wird weiterer Proviant gekauft und natürlich auch nützliche Dinge wie Seile, Verbandmaterial, Kräuter und ähnliches. Auf alle Fälle sind es nur leichte Sachen, die sich zu ihrem Habe gesellen. Sie haben zwar Asha, aber niemand von ihnen weiß, wie sich das Tier im unwegsamen Gelände des Dunkelwaldes anstellen wird.

Es ist später Nachmittag als sie sich alle wieder in der Taverne einfinden. Da der Schankraum überfüllt ist, haben sie sich auf ihr Zimmer zurückgezogen. Für die Reise nach Immerfrost hatte Del zwar eine Karte gehabt, aber da der Dunkelwald nicht auf ihrem Reiseplan stand, kann er nur den Kopf schütteln, als Rashid ihn auffordert, dass er sie zücken soll, damit sie die weitere Reise planen können. Mit einem triumphierenden Blick und deutlicher Überlegenheit in ihren Augen, holt Janna eine Karte hervor. Auf ihrem Rundgang hatte sie sich eine anfertigen lassen und das auch noch zu einem erstaunlich günstigen Preis. Auf die typisch männlichen Blicke, die Del und Rashid austauschen, gibt es wieder ein wütendes Schnauben. „Nein, halt warte!“, ruft Del eilig als Janna sich anschickt, die Karte wieder einzustecken und beiläufig erwähnt, dass sie sich dann auch verbrennen könnte, wenn niemand sie braucht. „Schon gut Janna. Ich bin dir dankbar dafür, gut?“ Ein „Pha“, ist alles als Antwort. Dann beginnt eine scheinbar fruchtlose Diskussion bei der Janna meist den Ton angibt, die Männer aber keineswegs gleich jeden ihrer Vorschläge annehmen. Sira schaut derweil nur unbekümmert zu und tollt, wenn es ihr allzu langweilig wird, mit den Tieren herum. Zwischendurch lässt sich die Gruppe Essen auf ihr Zimmer bringen. Bis zum Abend dauert es, bis sie sich geeinigt haben, wie man vorgehen wird. Das Schlimmste daran ist, dass sie keinen genauen Plan haben. Laut Janna würden sie jeweils vor Ort abschätzen müssen, welcher Weg der Beste sei. Diese Reise wird mir wohl am längsten in Erinnerung bleiben. Viele seiner Reisen hat er bereits vergessen, aber das es auch mit dieser geschehen wird, dass glaubt Del nicht. Dafür würden Jannas Wutausbrüche, Rashids haarsträubende Erzählungen, Asha, das Gebalge von Hundejäger und Wind, sowie Sira mit neuen Entdeckungen in ihrer Vergangenheit schon sorgen. Da sie am nächsten Morgen wieder früh die Stadt verlassen wollen, beschließt die kleine Gruppe, dass sie sich heute Abend den Luxus eines Bades gönnen. Gemeinsam macht man sich zum nahegelegenen Badehaus auf.

Janna und Sira werden von zwei dicken Damen gleich an das andere Ende des Hauses geführt, während ein älterer Mann Rashid und Del den Weg zu ihren Becken weist. Gut eine Stunde verbringen sie in heißem Wasser und wohltuenden Duftölen. Was auch immer die Frauen besprechen, Del und Rashid ziehen über sämtliche Macken von Janna her, diskutieren über Strategien bei diversen Spielen und reden auch sonst über alles, was ihnen gerade so in den Sinn kommt.
Sichtlich erfrischt und gut gelaunt verlassen alle das Badehaus, gönnen sich ein recht ausgiebiges Mahl in der Taverne und legen sich danach auch schon gleich zu Bett. Am nächsten Tag gibt es erstaunlicherweise kein Gequängel und nach einem kurzen Frühstück, wird das Gepäck aus dem Zimmer geschafft, die Schlüssel abgegeben, Asha geholt und dann ist man auch schon wieder halb aus Quyêpla, der Stadt der Händler, hinaus.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 21. Okt. 2005, 14:39 Uhr
Qyêpla zeigt sich ihnen in seiner abendlichen Schönheit, wie ein Weib, dass ihre Schleier gelüftet hat. Die Stadt ist alt, ein brodelnder Kessel inmitten einer einzigartigen Flora und Faune und alleine das Gedränge an den grossen Toren, wo Kaufleute, Händler, Wanderer, Abenteurer und geldgierigen Dirnen sich als grosse, neugierige Schlange ins Inneren drängen, verspricht Aufregung und die Aussicht auf einen unvergesslichen Aufenthalt. Ihre Waffen müssen sie zu Beginn abgeben, was zumindest bei Janna ein oder auch zwei peinliche Momente auslöst, als ihr erstens der Bogen einfällt und im nächsten Moment ein Rotmantel sie fragt, was Hundefänger genau für ein Tier sei und dies mit einem argwöhnischen Blick, als befinde sich unter dem weissen, samtweichen, hin und wieder abgerissenen Fell ein Monster… Wo er bestimmt auch zum Teil Recht hat, doch Janna lügt lieber für ihren Kater, als ihn schlussendlich noch als gemeingefährlich und stadtuntauglich abstufen lassen zu müssen. Nachdem sie sich auch noch ihres Dolches entledigt hat und nur noch das Blasrohr wohl versteckt im unteren Teil ihres Beutels liegt, werden sie endlich durchgelassen, wobei Sira überhaupt keiner Kontrolle unterzogen wird, sondern ob ihres unschuldigen, herzerweichenden müden Blickes für ungefährlich abgestuft wird. Zumindest nachdem einer der Wachmänner sie flüchtig genauer unter Augenschein genommen hat, dies wiederum unter dem wachsamen Blick Dels, was dem Mann anscheinend gar nicht behagen scheint und er sie vielleicht deswegen schneller passieren lässt.
Nachdem dann auch der Halbelb genügend bestaunt wurde  und sich wie Rashid erstmal einiger verführerischer Blicke seitens leicht bekleideter Fraulichkeiten erwehrt hat, finden sie sich dann doch noch innerhalb der hoch aufragenden Stadtmauern wieder und was sie erwartet ist nicht weniger, als ein Bienennest von ebenso rauer, wie sanfter Schönheit. So viele verschiedene Kulturen sind an jeder neuer Strassenecke zu entdecken, von grummeligen und sich heisser feilschenden Zwergen, über helle hervorstechende, verschwörerisch tuschelnde Laiginer bis hin zu azurianischen Salzhändlern mit ihrer seltsam anmutenden, pechschwarzen Haut, findet sich alles was das Herz begehrt und Janna fühlt sich seltsam losgelöst von all den Problemen, die ihr die Reise bis hierhin beschert hat. Sie kennt Qyêpla noch von früher, doch die Stadt hat sich – was für ein Wunder – stark verändert und ist nun noch beeindruckender, noch grösser, noch voller und einladender als zuvor. Die verschiedensten Häuser ragen einmal mehr, einmal weniger hoch in den nächtlichen Himmel, überraschen mit ihrer verschiedenen, jedoch stets faszinierenden Baukunst und zeugen von all den verschiedenen Entwicklungen und Bewohnern, die diese Stadt schon hinter sich hat.

Wind hält sich, leise jaulend, dicht gedrängt an ihrer Seite, Hundefänger unterlässt netterweise dieses eine Mal unnötiges Gefauche und aufmüpfige Getue und Asha ist nützlich, um der kleinen Gruppe einen Weg zwischen all den Schaulustigen und neugierigen Besuchern hindurch zu bahnen, denn die meisten Leute, die dem riesigen Tier gewahr werden, weichen gleich freiwillig aus, bevor sie unter dessen breite Füsse… Pfoten… Quadratlatschen geraten. Sira hüpft von einem Stand zum nächsten, sieht dieses und jenes, will das und das, möchte hierin und dorthin und raubt sowohl Del als auch Janna mit ihren unermüdlichen Fragen über die Stadt beinahe noch den letzten Nerv, den die Beiden noch übrig haben. Rashid hingegen bemerkt irgendwann, dass er einen guten Gasthof ganz in der Nähe wisse und als er den Rabenschlag erwähnt kann sich das Herz der Schankmaid nicht entscheiden, vor Angst über alles Denkbare, dass geschehen sein kann, in ihren Magen zu purzeln, oder aber vor Freude über die Möglichkeit, sich zu erkundigen, irgendwo in ihrer Kehle schlagen soll. Sie entscheidet sich erstmal dazu Ruhe zu bewahren und bringt es irgendwie – nur die Götter wissen woher – ein flüchtiges, dankbares Lächeln zu Stande, dass zum ersten Mal, seit ihrem Zusammentreffen, wirklich für Rashid bestimmt ist. Janna! Kaum, dass sie sich wirklich klar darüber ist, was sie gerade im Begriff war zu tun, hat sie ihren Blick auch schon abgewandt und beobachtet nun mit vollkommenem Interesse einen dicken Alten, der mit säuselnder Stimme auf eine junge, hübsche Dame einredet und dabei aussieht, als würde er gleich Honig um sein Maul schmieren wollen. Na wunderbar, wahrscheinlich bildet er sich nun etwas darauf ein. Ich sollte mich nicht von einer solchen Nichtigkeit beirren lassen. Den Rabenschlag hätte ich früher oder später… na gut, eher später, aber ich hätte ihn auch selbst gefunden. Hmpf… Sturer Wüstenkrieger. Wirkliche Schimpfnamen für Rashid sind ihr ausgegangen und so hat sie alle ihre Verachtung, ihre Wut und ihren Hass in Wüstenkrieger gelegt und ist davon überzeugt von jetzt an jedes Mal Schreikrämpfe zu bekommen, wenn sie irgendwo einem solchen Wüstenkrieger begegnet und mag er noch so ein nettes und liebes und scheues Dingelchen sein.

Rashid führt sie zielsicher durch all die verwinkelten Gassen und Strassen, die sich wie ein einziges, grosse Netz durch die ganze Stadt ziehen und so manche unmögliche und unauffindbare Gasse bieten, die durch die Schatten und die Dunkelheit nun lieber von jedem gemieden werden. Doch je dunkler es wird und je weiter der silberne Schein des Mondes über die krummen Dächer kriecht und alles unter einem blaugrauen Tuch bedeckt, desto belebter werden die Strassen, die von unzähligen Fackeln erhellt werden. Schliesslich erreichen sie einen halbrunden Platz, der von den verschiedenartigsten Tavernen, Gasthäusern und Schenken umgeben ist, mit den einfallsreichen und oftmals auch witzigen Namen wie: „Zum erbosten Stier“, „Zum lachenden Wanderer“ oder „Zur störrischen Amazone“, bei dem sie dann sowohl von Rashid, als auch von Del einen amüsierten Blick einfängt und sich erstmal schmollend Sira zuwendet, die immer noch damit beschäftigt ist, ihre Augen nie zu lange an einem Ort verweilen zu lassen und so vieles wie möglich mit zu kriegen. Schliesslich erhebt sich vor ihnen ein, irgendwie abgemagert wirkendes Haus, mit staubigen Fenstern, bröckelnder Fassade, die an einigen Stellen von graugrünen Flechten in Besitz genommen wird, sowie einer dunklen, halbrunden Eingangstüre, die alles andere als verlockend aussieht. Aus dem Inneren jedoch erklingt schallendes Gelächter, das erfreute Kreischen einer Frau, sowie Gesang und was das Ganze, trotz allem Aussehen noch schlimmer macht, ist der verlockende Geruch nach Essen, der ihnen in die Nase weht. Trotzdem werfen sowohl Janna, als auch Del Rashid einen skeptischen Blick zu, der Bände spricht, doch der Wüstenkrieger hebt nur abwehrend die Hände und faselt etwas von Vertrauen. „Aber sicher doch“, bringt Janna verächtlich schnaufend hervor und beäugt das ganze Gebilde vor sich noch einmal misstrauisch, bevor sie den anderen Drei ins Innere folgt. Natürlich kann er sich nichts anderes, als solch eine Kaschemme aussuchen, ganz passend zu seinem Charakter. Angenehme Wärme empfängt sie, ebenso wie der dicke, fette Geruch nach gebratenem Fleisch, scharfen Gewürzen, süssem, heissem Met, Schweiss und Rauch. Die Luft ist stickig, kaum zu atmen, aber Janna würde den Teufel tun und gerade jetzt kalte, unangenehme Abendluft durch die Fenster hereinlassen, dafür ist das Gefühl der angenehmen Träge, die sich in ihr breitmacht, zu schön.

Schankmädchen huschen wie aufgezogene Brummkreisel mit fliegenden Röcken zwischen Stühlen, Bänken, Tischen und Gästen hindurch, die meisten auf einer Hand ein Tablett balancierend, oder aber drei Krüge auf einmal tragend und noch immer lächelnd. Es tut gut diese Atmosphäre zu spüren, dieses Bild zu erleben und beinahe fühlt sich Janna ein wenig an den Pfirsich erinnert, auch wenn da mit Sicherheit niemals so viele Frauen sitzen wie hier, manche davon sogar mit ihren Kindern. Vorsichtig bahnt sich Janna einen Weg durch all die Leute, darauf aufpassend, dass keiner der Männer einen gebrochenen Finger riskiert, aus einer unachtsamen Handbewegung heraus, doch alle Gäste scheinen zutiefst mit ihren Geschichten, ihren Gesängen und ihrem Gelächter beschäftigt, als das die neuen Besucher auch nur ein Stück genauer unter die Lupe genommen werden. Del und Sira bleiben halb in der Türe zurück, um auf Asha aufzupassen, auch wenn sich Janna absolut sicher ist, dass dieses störrische Tier nicht freiwillig von ihrer Seite verschwinden würde. Als sie schliesslich den Tresen erreicht, begrüsst der Wirt Rashid gerade mit einem Ohr-zu-Ohr-Grinsen  und einigen herzlichen Worten, die ihre Miene nur noch finsterer werden lassen. Na wunderbar. Was habe ich euch getan ihr Götter, dass ich nun auch noch seine Freunde kennen lernen muss?, wirft sie gedanklich in die Luft und sieht sich hoffnungsvoll nach einem freien Stuhl um, damit sie ihren müden, schmerzenden Füsse und Waden, sowie ihrem pochenden Rücken ein wenig Ruhe gönnen kann, doch als hinter ihr plötzlich lauter werdende Stimmen erklingen wendet sie sich doch wieder, alarmiert, zu dem Wirt und Rashid um, erwartend, dass sich die beiden Freunde nun plötzlich in den Haaren liegen. Eine ihrer Augenbrauen wandert langsam zornig in die Höhe, als sie feststellen muss, dass die Beiden nur gerade munter und immer enthusiastischer dabei sind über den Zimmerpreis zu feilschen, das überdies auch nur ein Einzelnes ist. Diese dumme Tatsache verpasst ihrem gerade wieder ein wenig angestiegenen Gemüt einen deftigen Dämpfer und mit mürrischer Miene beobachtet sie Rashid, wie er schliesslich zufrieden einen Betrag über die blank polierte Thekenfläche schiebt und der Wirt das Geld ebenso glücklich lächelnd annimmt, der ihnen dann noch mitteilt, dass der Rabenschlag bereits geschlossen hat. Das Gebirge auf Jannas Schulter wächst noch um ein gutes Stück und betrübt wendet sie den Blick ab um die verräterisch glitzernden Tränen ohne viel Aufsehen aus ihren Augenwinkeln zu wischen. Die Sorge um Dancy und die Pfirsiche ist beinahe unerträglich und wächst mit jedem Herzschlag, indem sie nichts von deren Schicksal weiss. Na, sie wird sich schon gehaltne haben, ich glaube kaum das ein Dämon es schafft Dancy unter zu kriegen, würden ja noch nicht einmal die Götter. Ja, ganz sicher, es mu… Reispfanne? Die Augen abschätzig verdrehend wendet sie sich, völlig aus ihren Gedanken gerissen, ab und sucht schon einmal den Weg zur Treppe, gleichzeitig den Kopf schüttelnd über die seltsame Denkweise dieser ach so reichen Wüstenkrieger. Sicher, Reispfanne in Qyêpla. Sind wie reich, oder hast du voriges Geld, das du schnellstmöglich loswerden möchtest?

Das Zimmer ist kein Luxus, doch die Betten sind weich und alleine das Sitzen, lässt Jannas wertes Hinterteil erleichtert aufstöhnen und am liebsten würde sie sich jetzt einfach hinlegen und in tiefen, erlösenden Schlaf versinken, doch das ihr Magenknurren vernehmlich durch das ganze Gasthaus zu vernehmen sein muss, lässt sie sich doch noch dazu bringen, ebenfalls etwas zu essen, insbesondere auch, weil es nun nicht mehr von Rashid stammt und sie sich nicht mehr um ihren Stolz fürchten muss, wenn sie etwas isst. Hundefänger und Wind haben sich derweil wieder einmal darauf geeinigt, erstmal Frieden zu halten und es scheint, als wären sie die besten Freunde und hätten nie etwas anderes getan, als gemeinsam auf ihre Herrchen und Frauchen aufzupassen und jeden, der sich ihnen auf mehr, als einen Fuss näher, kräftig in die Zehen zu beissen. Damit eben dies nicht geschieht und sie vielleicht dann doch noch ein anderes Gasthaus finden müssten, bleiben die Beiden in Zimmer eingeschlossen und nur die „normalen“ Menschen steigen noch einmal die Treppe in den Gastraum hinab, um sich etwas zu Essen zu holen. Sira prahlt von ihrem grossen Hunger und Del grinst amüsiert, was sogar Janna zum lächeln anregt, doch nur ein Blick zu einem grossen, dunkelhaarigen, unverschämt schmunzelnden Kerl, bringt sie wieder zu Verstand und als sie endlich alle am Tisch sitzen ist sowieso alles erstmal vergessen und es geht nur noch darum, wer seinen Teller nun am schnellsten leer geputzt hat. Doch es bleibt, wunderlicherweise, doch einiges an Essen übrig, das Sira dann Wind und Hundefänger nach oben bringen darf, was sie auch sofort und mit einem freudigen Quietschen tut, dabei hie und da ein paar Sausenspitzer auf dem Boden der Schenke verteilend, als sie, das Tablett so vorsichtig wie möglich balancierend, die Treppe hinauf läuft. Gesättigt lehnt sich Janna zurück und legt ihre Hände auf ihren Leib, der sich unter dem braunen Stoff des Kleides nun bereits deutlich zeigt und sicherlich nur noch durch weit fallende Hemden Umhänge zu verbergen ist. Doch unter ihrer Haut herrscht Stille, noch kein zärtlicher Knuff, kein vorsichtiger Fusstritt, keine neugierige Faust hat dagegen geschlagen und doch ist sich Janna sicher, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann. Mal sehen wie sehr du dich bemerkbar machen wirst, bei solch möglichen Vätern.
Noch einige Zeit diskutieren sie einmal leiser, einmal lauter über ihr weiteres Vorgehen in den nächsten Tagen und wie Janna es bereits befürchtet hat, bleibt die Zurechtfindung im Dunkelwald an ihr hängen, als ob sie die letzten zehn Jahre nichts Besseres zu tun gehabt hat, als durch dichtes Unterholz zu hüpfen und die schnellsten und ungefährlichsten Wege auszukundschaften. Doch sie behält eiserne Ruhe, schon alleine deswegen, weil sie höchstens bis zu der nächsten Abzweigung nach Baile Crôhb noch mit ihnen Reisen wird und die beiden Männer danach alleine weiter sehen können, wie sie wieder hinausfinden. Sollen sie sich ruhig in Sicherheit wiegen.

Ihr Schlaf ist tief und traumlos, vergleichbar mit dem eines Steines und noch nicht einmal das nervtötenden Hahnkrähen am Morgen früh, dass irgendein todesmutiger, stolzer Prachtkerl von sich gibt, schafft es zu ihr durchzudringen und erst als sich Winds feuchte Nase gegen ihre Wange drückt und gleich darauf von Sira einige geflüsterten, tadelnden Worte erklingen, öffnet Janna schlaftrunken ihre Augen, blinzelt ein paar mal durch die Gegend und dreht sich dann einfach auf die andere Seite, sich gar nicht um die amüsierten Blicke der anderen kümmernd. Ihr ist übel und ein bitterer Geschmack hat sich in ihrem Mund breitgemacht und ihr Magen fühlt sich an, als würde er sich gleichzeitig auseinander- und zusammenziehen, wie eine Ziehharmonika. Erst als Rashid und Del sich bereits dazu bequemt haben, das Zimmer zu verlassen, rappelt sie sich dann doch widerwillig von ihrem Bett auf, wie eine alte Frau, und beantwortet Siras vorsichtige Frage nach ihrem Befinden, mit einem gequälten Lächeln und einer abwehrenden Handbewegung, sowie einem gepressten: „Geht schon.“ Die Wäsche mit dem – den Göttern sei Dank wenigstens frischem -  kalten Wasser aus der Schüssel ist eine Tortur und als sie endlich wieder zitternd und bibbernd in ihre Kleidung schlüpfen kann, betet sie innerlich, dass diese Kälteanfälligkeit wirklich nur auf die Schwangerschaft zurück zu schieben sei. Das Frühstück bleibt kurz und kaum zu benennen, denn die Aussicht auf den Rabenschlag und mögliche Nachrichten, die dort auf sie warten können, nehmen allen den grossen Hunger. Ihre Beine sind nur noch Haferschleim, als der Verwalter des Geschäfts auf ihre Anfrage hin nickt und sie um einen Moment Geduld bittet, bis er die Briefe gefunden hat. Ohne es zu bemerken vergräbt Janna ihre Finger in dem Nächstbesten was sie findet – Dels Hemd – und presst die Lippen vor Anspannung und Angst zusammen. Was wenn Dancy etwas geschehen ist? Was, wenn es dem Pfirsich nicht gut geht? Wie geht es Arya, Beth, Dorna, Elia und Thea, dem Stallburschen, der Köchin? Sie wird völlig aus ihren Gedanken gerissen, als der Kerl endlich, nach unendlich lang erscheinender Zeit, wieder zurückkehrt und sowohl ihr, als auch Rashid einen Brief in die Hand drückt. Janna schnappt vernehmlich nach Luft und ein so strahlendes, erfreutes Lächeln, voll von Hoffnung und Glück huscht über ihre Züge, obwohl sie den Umschlag noch nicht einmal geöffnet hat. Doch die leicht geschwungene Schrift auf dem gelblichen Papier genügt vollkommen, denn sie gehört ganz eindeutig zu Dancy. Der Inhalt erleichtert sie dann gleich noch ein Stück, denn allen Pfirsichen scheint es gut zu gehen und auch das Bordell hat den Angriff des grausamen Dämons überstanden, wobei trotzdem viele Talyrer den Tod gefunden haben, von ganz jung bis ganz alt und einige Namen sind in dem Brief aufgelistet, die es unter Jannas Liedern brennen lassen. Sira hüpft aufgeregt um sie herum, fragt und fragt und fragt, bis die Schankmaid sich schliesslich gezwungen sieht, alles laut vorzulesen, damit sich der kleine Wirbelwind auch wieder beruhigen kann.

Ihre Freude ist noch immer nicht abgeflaut, als sie alle auf den überfüllten, pulsierenden Marktplatz treten, um sich dort erst einmal zu trennen, so dass jeder seinen eigenen Weg gehen kann. Janna ist dies ganz Recht und sie würdigt Rashid keines Blickes, als sie zu dem Vorschlag kurz angebunden nickt und den dreien dann den Rücken zuwendet, um sich beim nächsten Stoffhändler umzusehen, den sie bereits bei ihrer Ankunft entdeckt hat. Sira verschwindet mit Del in der Menge und der Wüstenkrieger nimmt sich die entgegengesetzte Richtung vor. Ein ganzes Hemd kann sie sich nicht leisten, jedoch sehr wohl genug Stoff um ihr Kleid an den Nähten zu erweitern und nachdem sie eine kurze Zeit mit dem Händler um den Preis gefälscht hat – leider muss sie Rashid hierfür danken, denn ansonsten hätte sie das Angebot einfach gezahlt – rückt sie zufrieden mit sich selbst das Geld heraus und verhandelt dann noch eine kurze Zeit darüber, für wie teuer sie ihre Schuhe verkaufen könnte, bevor sie sich auf die Suche nach einem Hersteller für Karten macht. Ihre Ortskenntnisse mögen für die Ansichten Fremder gut sein, doch weiss sie leider selbst, dass sie sich zu der heutigen Zeit hoffnungslos im Dunkelwald verlaufen würde. Die Karte bekommt sie, sogar zu einem, sogar für sie überraschend niedrigen Preis und kehrt dann bereits wieder in den Gasthof ein. Dort wird sie erstmal überschwänglich von Wind und Hundefänger begrüsst, als wäre sie keine Stunde, sondern eine ganzen Woche fortgeblieben und hätte die beiden Tiere einfach hier vergessen. Mit einem leisen Seufzen sorgt sie für etwas zu Essen und zu trinken für die Beiden, was sie sich auch ohne nennenswerte Streitereien teilen. Janna wirft sich einfach das grüne Hemd über, um sich mit Nadel und Faden daran zu machen, ihr Kleid um ein gutes Stück zu erweitern, damit es ihr danach von der Brust an locker hinab fällt und so jegliche Kurven erst einmal vertuscht. Noch einmal alle Nähte kontrollierend, schlingt sie gerade locker ein Band unterhalb ihrer Brust um ihren Leib, als schliesslich auch Sira, Del und Rashid wieder zurückkehren. Sogleich werden zuerst alle Einkäufe bestaunt, wobei besonders Sira von diesem und jenem erzählt, ohne dabei auch nur ein einziges Mal wirklich Luft zu holen und Janna fast schon Angst hat, dass das Mädchen jeden Moment erstickt.  

Als die Karte erwähnt wird und Del, sowie Rashid sich nur fragend ansehen, zieht Janna mit einem leicht überlegenen Grinsen ihre Karte hervor, doch als sie dafür statt Dank nur abfällige Blicke nach Männerart erfährt, lässt sie das Stück Pergament zornig schnaubend einfach wieder in ihrem Beutel sinken und erst Dels langes, gutes Zureden bringt sie wieder soweit auf den Boden, dass sie sich dazu herablässt, den Männern dieses Geschenk wieder zu offerieren. Die, hin und wieder durchaus heftige, Diskussion, die danach ihren Anfang nimmt, lässt sich kaum als angenehm bezeichnen und jedes Mal wenn die beiden Hünen wieder einmal einstimmig einen ihrer klugen Vorschläge ablehnen, ist es an Janna die sturen Männer wütend anzufunkeln und ihnen deutlich zu machen, wer hier eigentlich Ahnung vom Dunkelwald hat und wer so klug war sich eine Karte anzufertigen, anstatt einfach blindlings in unbekanntes Gebiet hineinzurennen und sich dann zu fragen, wo man ist. Doch nachdem sie dieses Argument zum sechsten Mal einsetzt, fahren die Beiden sie einstimmig an, solche Kindereien jetzt doch bitte endlich sein zu lassen und danach fängt die Besprechung doch langsam an, Früchte zu tragen, auch wenn sie noch immer nicht so weit kommen, wie sie es gerne hätten. „Wir müssen vor Ort jeweils entscheiden, wie wir weiter vorgehen möchten. Der Dunkelwald ist unberechenbar, genau wie seine Bewohner“, spricht sie schliesslich mit genervtem Unterton und obwohl es den beiden Männern nicht zu gefallen scheint, stimmen sie schliesslich zu. Sira derweil tobt ein wenig herum, hängt mal zwischen ihnen, wirft hie und da etwas in ihr Gespräch hinein und wendet sich dann wieder einem kläffenden Wind und einem fauchenden Kater zu, die ihre beinahe die Hosen von den Beinen wegkratzen, -beissen oder –zerren. Das Essen wird nur flüchtig eingenommen, doch ist es wieder genauso gut, wie bereits am Abend zuvor und Dels Vorschlag, danach doch das Badehaus aufzusuchen findet angenehme Zustimmung und keiner möchte sich so eine Möglichkeit entgegen lassen.
Das Badehaus ist angenehm hell eingerichtet und zum Glück in Männer und Frauen unterteilt, was Janna dazu bringt, Rashid ein leicht hämisches Grinsen zuzuwerfen.
Auch das Wasser ist von wunderbarer Wärme und genüsslich lässt sich Janna bis zur Nasenspitze hinein sinken, beide Hände auf ihren geschwollenen Leib gelegt, derweil Sira frisch und fröhlich durch die Gegend planscht, taucht, schwimmt und dabei mehr Wasser hinaus, als hinein befördert. Die wohlige Hitze entspannt ihre verkrampften Muskeln, lockert die Schmerzen in ihrem Rücken und ihrer Hüfte und sinnenfreudig schliesst sie die Augen, um sich gegen den Rand es Becken zu lehnen und einfach dieses Luxus in vollen Zügen zu geniessen, bevor sie morgen wieder in das unwegige Gelände aufbrechen würden.

Plötzlich jedoch schreckt sie auf, blickt verdattert auf die Schwellung ihres Bauches hinab und beginnt im nächsten Moment über das ganze Gesicht zu strahlen, wie Shenra persönlich.
„Soso, jetzt schon“, murmelt sie leise und lässt ihre Finger unter Wasser zärtlich über ihre Haut gleiten. „Sira, komm mal.“ Das Mädchen, gerade eine Wasserfontäne über den Rand des Beckens hinausprustend, kommt neugierig näher und blickt leicht verwundert, als Janna vorsichtig ihre Hand nimmt und sie dorthin legt, wo das Kind gerade dabei ist, kräftige Fusstritte zu verteilen. Die süsse, kindliche Verzückung, die sich wie ein Leuchtfeuer auf Siras Miene ausbreitet, lässt die Schankmaid leise auflachen und sie bringt das Mädchen nicht mehr von sich weg, bis es Zeit wird, wieder aus dem erfrischenden Bad zu krabbeln und zum Gasthof zurück zu kehren. Gemeinsam wird beschlossen, dass dies erstmal ein Geheimnis unter Frauen bleiben soll und so wird auch keine Antwort auf die fragenden Blicke der Männer gegeben, als sie entdecken wie vergnügt ihre Weggefährtinnen zurückkehren.
Auch das Abendmahl fällt klein aus und bald schon krauchen alle müde und durchweicht bis in die Knochen unter die weichen Decken und schlafen bis zum nächsten frühen Morgen, ohne jegliche Zwischenfälle durch. Als Janna sich aus ihrem Bett erhebt, sind Rashid und Del bereits dabei, die Sachen wieder sauber zu verstauen, Wind und Hundefänger aus dem Weg zu jagen, sich gegenseitig hin und wieder mürrisch und aus müden Augen anzublicken und jegliches Gespräch mit einem Murren im Keim zu ersticken. Nicht gut geschlafen, oder was für ein Floh hat euch denn gebissen? Sira hält sich schweigend zurück, hilft Janna dabei Wind und Hundefänger ein wenig zu beruhigen, die wie Wollknäuel durch die Gegend hasten und sich dabei zwischen diesen und jenen Beinen verfangen und überall Chaos stiften, wo sie gerade Gelegenheit dazu finden. Fest schlingt Janna ihren Umhang um ihre Schultern, über dem neuen Kleid noch das grüne Hemd angezogen, da sie trotz des milden Klimas noch immer fröstelt. Das Gepäck wird diesmal ausnahmslos auf Asha verstaut, sogar die Schankmaid lässt ihre zwei Beutel darauf festbinden, ohne dabei jedoch irgendwie einen Blick oder ein Wort des Dankes an Rashid zu richten und dann sind sie auch schon auf dem Weg aus der Stadt hinaus, die gerade unter den ersten Sonnenstrahlen des Morgens zu erwachen beginnt und mit funkelnden Kuppeldächern und ihrem glitzernden Reichtum sicherlich noch jede Menge neugieriger Besucher anlocken wird.

Der Weg hinter den Stadttoren Qyêplas beginnt sogleich holprig und uneben, besteht nur noch aus gestampfter Erde, die sich bei Regen wohl in einen durchaus anschaulichen Sumpf verwandeln kann. In nicht weiter Entfernung rauscht noch stets der Rhaîn mit seinen dunklen, wogenden Fluten und ihm werden sie auch bis zum Tal des Vergessens folgen, bis zu dem Punkt, wo es schliesslich den endgültigen Abschied geben würde. Ihr Aufenthalt in der Stadt ist nur kurz gewesen, doch jeder von ihnen scheint die plötzliche Umstellung deutlich zu spüren und es braucht einige Tage, bevor sie wieder ihren normalen Wanderrythmus inne haben, ohne ständig Pausen machen zu müssen, wegen schmerzen Füssen, müden Beinen oder verkrampften Muskeln. Die Bäume erheben sich wie eine dunkle, gewaltige Mauer zu beiden Seiten und des Nachts dringt so manches, seltsames Geräusch an ihr Ohr, dass sogar Janna verdutzt oder auch leicht misstrauisch aufschrecken lässt, doch es kommt zu keinen Zwischenfällen in den ersten drei Tagen der zweiten Etappe ihrer Reise, abgesehen von einer kleinen Auseinandersetzung zwischen Janna und Rashid, die sich wieder einmal um das Essen dreht. Del hält sich dieses mal feinfühlig raus und Sira kümmert es schon gar nicht mehr, wenn sich die Streithähne wieder einmal miteinander anlegen und so endet der Streit diesmal erst, als der gefangene Hase die Unaufmerksamkeit seiner Häscher genutzt hat, und auf Nimmerwiedersehen wieder im düsteren, dickten Unterholz zwischen Farnen, Nabesêc und  Lhopynn verschwunden ist. Da ihr Abendessen nun geflohen ist, wird das Trockenfleisch und Brot gegessen, wobei Janna deutlich wütende und verärgerte Blicke auf sich spürt und nur von Sira ein wenig Dankbarkeit über die Rettung des Wildtieres erhält. Obwohl es bereits tiefster Herbst ist, wird es niemals richtig kalt und am Tage kann es sogar regelrecht warm werden, auf dass sogar Janna sich dazu bequemt, ihren Umhang abzulegen. Das Kind unter ihrem Herzen trampelt aufmüpfig und scheinbar quietschlebendig, verteilt sachte Schläge und quengelnde Fusstritte und bringt die Schankmaid, sowie auch Sira, die hin und wieder an ihr klebt, wie ein Bär am Honig, zum lachen. So verlaufen die folgenden zwei Siebentage erstaunlich ruhig – Janna schweigt Rashid noch stets an – und das Tal des Vergessens rückt immer näher, sowie auch der Moment ihrer Trennung, auf den die Schankmaid sehnsüchtig wartet, auch wenn sie sich schmerzlich sicher ist, dass ihr sowohl Sira als auch Del ein Stück fehlen würden, auch wenn dies bei dem Halbelben wahrscheinlich nicht auf Gegenseitigkeit beruht, sondern dieser eher glücklich ist, sie, als halsstarriges Weib, das nur Ärger bringt, endlich los zu sein.

Es ist eine eisstarrende Nacht während des dritten Siebentags ihrer Reise, in der Janna sich tief in ihren Umhang und ihre Decke gekuschelt hat und durch angenehme Schwärze gleitet, als etwas sich sanft zwischen die Lagen ihrer wärmenden Stoffe schiebt und ich auf ihren Bauch legt. Einen Unmutslaut von sich gebend, bewegt sie sich ein wenig, dreht sich auf die rechte Seite und beginnt schliesslich in ihrem völlig verschlafenen Zustand zu begreifen, dass da wirklich etwas auf ihrem Bauch liegt, gross, still und angenehm weich.
Wa…, huscht es langsam durch ihre, von nebliger Müdigkeit gefüllten Gedanken und es dauert mehr als vier Herzschläge, bis sie endlich versteht, dass es eine Hand ist. Beinahe hätte sie erschrocken den Atem angehalten, zwingt sich jedoch augenblicklich noch zur Ruhe und versucht das beklemmende Gefühl der Angst los zu werden, dass sich wie eine gefährliche Schlange ihren Rücken hinauf kriecht. Das Kind in ihr hingegen hält nichts von der Nachtruhe und beginnt mit einer Tirade an scheuen Fausthieben ihre Bauchdecke heim zu suchen, als gäbe es dafür keinen besseren Moment, als genau diesen. Der Dolch, Götter, wo habe ich diesen verflixten Dolch gelassen? Verzweifelt versucht sie sich zu erinnern, wo sie ihr Brotmesser gelassen hat, als plötzlich eine leise Stimme die nächtliche Ruhe ganz leise flüsternd durchbricht: “Meins.“
Einen langen, schrecklichen Moment lang weigert sich ihr Verstand zu glauben, was hier vor sich geht, bevor bereits kochender Zorn durch ihre Adern fliesst und ihr Gemüt vor Wut über diese Unverschämtheit beinahe überkochen lässt. Rashid! Du Sohn einer Ratte! Erneut erklingt der raue, wilde Ton seiner Worte und die Sanftheit die darin mitschwingt, ergiesst sich wie ein kalter Schwall Wasser über den brodelnden Kessel in ihrem Inneren: „Wenn du so stur wie deine Mutter bist, kommst du erst nach 18 Monden raus.“ Ohhh… du… du… verfluchter… hirnverbrannter… sturer…. Du… egoistischer… grrr… du… Wüstenkrieger! Sie verharrt still, sagt kein Wort und stellt sich weiter schlafend, bis die Hand behutsam wieder zurückgezogen wird und sie leise Schritte hören kann, die sich entfernen und als wolle sie spüren, dass das Ungeborene noch immer dort sei, wo sie es vor einigen Augenblicken eben noch gespürt hat, legen sich ihre eigenen Finger auf die Stelle, die sich das Kleine gerade dazu auserkoren hat, sie zu bearbeiten und als der Schlaf sie erneut übermannt, ist ein liebevolles Lächeln auf ihrer Miene zu erblicken. Nein, nicht deins… meins.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 25. Okt. 2005, 18:21 Uhr
Schweigend liegt Sira in der Dunkelheit und lauscht auf das Flüstern des Windes. Die letzten Siebentage, die seit ihrem Aufbruch aus Qyêpla vergangen sind, hat sie sich meist an Janna gehalten. Überhaupt stecken die beiden ihre Köpfe mittlerweile noch öfter zusammen als kurz vor ihrer Ankunft in Qyêpla und Sira tut es sichtlich gut mit jemandem sprechen zu können, der ihre kleinen Sorgen und Nöte versteht. Zudem stellt das Mädchen immer wieder interessierte Fragen bezüglich Jannas Schwangerschaft und zeigt mehr und mehr auch ein gewisses Interesse daran wie Amazonen leben und sich verhalten. Längst ist der dritte Siebentag angebrochen, seit die Reisenden Qyêpla verlassen haben und sie nähern sich unaufhaltsam dem Tal des Vergessens. Del und Janna haben Sira erklärt, was das bedeutet. Da sie das Tal nicht durchqueren können, müssen sie es umgehen, um nach Yashior zu gelangen. Da Janna zur Stadt der Amazonen will, würden sie sich westlich halten, also genau zwischen der Amazonenstadt und dem Tal des Vergessens hindurchwandern und langsam beschleicht Sira mehr und mehr ein mulmiges Gefühl. Viel hat sie in den letzten Siebentagen über den Dunkelwald und die Amazonen erfahren und auch selber gesehen, immerhin bereisen sie die düsteren Wälder nun schon eine ganze Weile.

Mit jedem weiteren Tag der vergangen ist, hat sich das das Mädchen etwas mehr zurückgezogen, ist ernster geworden und stiller. Längst sind die kindlichen Albernheiten, die noch in Qyêpla oftmals zum Vorschein kamen, einer stummen Ernsthaftigkeit gewichen. Die Veränderungen, die mit dem Mädchen vor sich gehen, gehen jedoch nur langsam von statten und da Del, Janna und Rashid eigene Sorgen haben und sich nicht pausenlos nur um Sira Gedanken machen können, fällt vorerst nicht weiter auf, was geschieht. Das  zierliche Mädchen mit den dunklen Locken und den grünen Augen nutzt derweil die Abgeschiedenheit der Wälder um alleine ihren Gedanken und Träumen nachzuhängen. Gemeinsam mit Wind, gelegentlich auch von Hundejäger begleitet, nutzt sie jede sich bietende Möglichkeit, um sich alleine herumzutreiben und die Gegend zu erkunden. Zwar achtet Sira dabei tunlichst darauf, sich niemals zu weit von der Gruppe zu entfernen, doch meidet sie die Gesellschaft der anderen bald merklich. Auch jetzt, wo sie im Dunkel der Nacht liegt und angestrengt in die Dunkelheit starrt, während die anderen schlafen, scheint sie auf eine gewisse Art und Weise von den übrigen entfernt zu sein.

Viele Dinge gehen ihr durch den Kopf. Ein wenig bedauert sie es, dass sie kein Schiff gefunden haben, dass sie etwas den Fluss hinaufgebracht hat. Einiges an Zeit und Mühen hätten sie sich so sparen können. Soris war ihnen in diesem Punkt offenbar nicht wohl gesonnen und so hatten sie sich eben wieder auf Schusters Rappen auf den Weg machen müssen. Mittlerweile ist Siras Enttäuschung darüber einer eigenartigen Erleichterung gewichen. Immerhin dauert die Reise so länger und mit jedem Tag, dem sie Yashior etwas näher kommen, weicht die Vorfreude, die das Mädchen empfunden hat, plötzlich einem unbestimmten Gefühl von Furcht. Auch fällt es Sira immer schwerer endlich einzuschlafen. Immer öfter plagen sie diffuse Alpträume an deren Inhalte sie sich, wenn überhaupt, am nächsten Morgen nur bruchstückhaft erinnern kann. Nur die Angst, die ihr die Träume verursachen, ist beständig und lässt sich nicht vertreiben. Asha, Rashids treues Reittier, meidet das Mädchen längst wo es nur immer geht, denn mit Beginn der bedrückenden Träume hat sich die anfängliche Scheu vor dem fremdartigen Tier in wirkliche Angst verwandelt. Zwar sagt Siras Verstand immer wieder, dass es überhaupt keinen Grund gibt Asha zu fürchten, doch irgendetwas tief in ihrem Unterbewusstsein sagt etwas vollkommen anderes.

Als Sira endlich eingeschlafen ist, ist es bereits weit nach Mitternacht. Wind kuschelt sich dicht an seine junge Herrin und wärmt sie mit seinem zottigen Fell. Der Mond steht bleich am Himmel, hoch über den rauschen Baumkronen, keine einzige Wolke bedeckt das Firmament, sodass die Sterne über ihnen funkeln und eine eisige Nacht über den weiten Wäldern liegt. Als die Wanderer schließlich fröstelnd erwachen, ist es noch früh am Morgen. Die Sonne geht gerade erst ganz langsam hinter den Bäumwipfeln auf und es herrscht eine gespenstige Ruhe. Nach und nach erwachen Del und Rashid, Janna und Sira, Hundejäger und Wind aus ihrem Schlaf und die übliche morgendliche Hektik macht sich im Lager breit. Alles geht seinen gewohnten gang und schon bald ist man, nach einem einfachen Frühstück versteht sich, bereit weiter zu ziehen. Aufbruchsbereit, ihr Gepäck geschultert, steht Sira da und schaut nachdenklich in die Runde. „Wann brechen wir den nun nach … Baile Craobh … auf?“, erkundigt sie sich vorsichtig.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 07. Nov. 2005, 08:16 Uhr
Der Dunkelwald wird nach dem Aufbruch aus Qyêpla zu ihrer Welt. Er umpfängt sie mit seinen immergrünen Armen, nicht liebevoll wie eine Mutter ihr Kind, sondern wie die Fangarme eines Kraken, der sie verschlingen will. Fremdartige Geräusche und huschende Schatten begleiten sie auf ihrem Weg, doch so gut wie nie ist ein Tier wirklich zu sehen. Ein leuchtendes Augenpaar, das sie aus dem Schatten riesiger Blätter mustert, während der Körper im diffusen Licht mit der Vegetation verschmilzt, ist oft der einzige, sichtbare Hinweis, dass sie nicht alleine unterwegs sind. Asha trottet ungerührt zwischen ihnen, während Del und Rashid sich immer wieder einmal damit abwechseln müssen, einen Weg mit der Machete frei zuschlagen, die der Wüstenkrieger in Qyêpla gekauft hatte. Das dichte Blätterdach macht die Orientierung schwierig, doch die wenigen Möglichkeiten den Stand der Sonne zu ermitteln, oder eine markante Geländemarke auszumachen, reichen zusammen mit Jannas Karte aus, um den Kurs zu halten. Die letzte Nacht in einem anständigen Bett liegt schon lange zurück, und inzwischen kann Rashid keine Insekten mehr sehen! Der Boden lebt, die Luft summt und überall krabbelt irgendetwas, dass mehr Beine hat als sein Dromedar. Da soll noch einer etwas gegen die Wüste sagen., denkt er, während er seine Haare zu einem Zopf flechtet, nachdem er zum wiederholten Mal irgend so einen krabbelnden Käfer heraus geklaubt hat.

Die Luft ist feucht und drückend. Seine Rüstung fühlt sich doppelt so schwer an wie sonst, doch es widerstrebt ihm, sie in einem Wald voller Gefahren abzulegen. Seine Waffe hängt griffbereit an seiner Seite, aber zumindest sein Schild ist an Ashas Geschirr festgezurrt. Die Geschichten über den Dunkelwald sind so zahllos wie seine Chitin gepanzerten Bewohner, und auch wenn Rashid weiß, dass längst nicht alle wahr sind, war er selbst doch oft genug in ihm, oder in seiner Nähe, um viele von ihnen zu glauben. Janna und Sira hängen oft zusammen wie die Kletten, und seit seinem nächtlichen Ausflag an das Lager der Schankmaid, ist seine stets lockere Art einer fast auffälligen, nachdenklichen Zurückhaltung gewichen. Er hatte zum ersten Mal seit ihrer Liebesnacht an den Ufern des Ildorel ihre Haut gespürt...und das Leben, dass darunter wächst. Ein Leben, das sie zusammen gezeugt haben. Vermutlich zumindest. Doch dieses Wort „vermutlich“, hat Rashid aus seinem Wortschatz gestrichen. Er weiß es einfach. Es muss sein Kind sein, so wie Janna seine Gefährtin ist...auch wenn sie das noch nicht weiß, oder besser gesagt, nicht wahr haben will. Würde ich sie sonst so auf die Palme bringen, wenn ich ihr egal wäre?, fragt er sich selbst, während eine dicke Liane seine aufgestaute Frustration darüber zu spüren bekommt, dass sie sich mit jedem Schritt vorwärts einen Schritt dem Punkt nähern, an dem sie sich trennen werden. Del, Sira und er würden weiter nach Yashior ziehen, und Janna würde das letzte Wegstück zu ihrer Heimatstadt alleine zurück legen. Auch das gefällt Rashid nicht besonders, aber für Männer war es nicht unbedingt klug, sich zu nahe an die Stadt der Amazonen heran zu wagen.

Anfangs hatte Siras sonniges Gemüt noch für das ein oder andere amüsierte Kopfschütteln gesorgt, doch diese grüne Hölle, durch die sie ziehen, scheint auch auf ihre Stimmung zu drücken. Ungewöhnlich still und zurückhaltend, sprudeln weniger Fragen aus ihr hervor und auch die Zahl der ihrer Lieder, die sie sonst zum Besten gibt, hat stark abgenommen. Nun gut, das war nicht unbedingt ein Verlust, doch ändert es trotzdem etwas an der Atmosphäre, die sie sonst damit ein wenig aufgelockert hat. Inzwischen hat das dunkelhaarige Mädchen eine schon fast panische Angst vor Asha entwickelt und hält stets so viel Abstand wie möglich zwischen sich und dem schaukelnden Wüstenschiff. ''Asha ist Vegetarier.'', versucht Rashid dem entgegen zu wirken, ''Und so lange ich mit ihm reise, hat er noch nicht ein Mädchen verspeist. Warum sollte er mit Dir anfangen?!'' Doch alle seine Bemühungen bleiben fruchtlos. Die anfängliche Begeisterung der Truppe, über die unzähligen, vielfarbigen Blüten, die kleinen, bunten Frösche, deren Hautgift tödlicher als ein Schlangenbiss ist oder schillernde Vögel, um die man problemlos die Hand schließen könnte, ohne ihre Flügel zu berühren, ist der Monotonie des Heben und Senkens der Füße gewichen, und schon bald nach dem morgendlichen Aufbruch, sehnen sich alle den Abend und das Nachtlager herbei.

Außer an diesem Abend, denn es soll vermutlich ihr letzter gemeinsamer Abend sein. Morgen würden sich ihre Wege trennen. Rashid bereitet aus den Vorräten, mit denen sie sich in Qyêpla eingedeckt haben, ein duftendes Mahl, und auch Janna isst inzwischen von den Speisen, die er zubereitet hat. >>Wenigstens hast Du es nicht auch gefangen.<<, hatte sie beim ersten Mal gemurmelt, aber der Hunger macht offenbar so manches möglich. Die Aussicht darauf, morgen eigene Wege zu gehen, lässt nicht gerade Hochstimmung aufkommen, auch wenn Del wohl nicht unbedingt in Tränen ausbrechen wird, dass Janna mit ihrem hitzigen Gemüt nicht länger wie ein Pulverfass mit zischender Lunte in seiner Nähe herum läuft. Irgendwie hatten sich auch sie beide ein wenig angefreundet, was ehrlich gesagt mehr ist, als Rashid bei Janna bisher erreichen konnte. Sie zeigt ihm meistens immer noch die kalte Schulter, und es war deutlich leichter die freundlichen Worte zu zählen, als die, die sie wütend an den Kopf geworfen hatte. Aber da waren auch die kleinen Blicke, immer wenn sie dachte, sie wäre unbeobachtet.

Ihre Zelte sind bereits aufgeschlagen und das Abendessen in ihren Bäuchen verschwunden, als sie noch eine Weile um das kleine Feuer sitzen, das sie entzündet haben. >>Entschuldigt mich kurz.<< Mit diesem Worten verschwindet Janna zwischen den Blättern und nach einer Minute erhebt sich auch Rashid. ''Mich auch.'' Er schlägt sich auf der gegenüber liegenden Seite des Lagers in die Büsche, um dem Ruf der Natur zu folgen, um dann jedoch einen Bogen zu schlagen, und auf die Stelle zu zu halten, an der er die Amazone vermutet. In der sich ausbreitenden Dunkelheit prallen sie fast zusammen und Rashid schließt seine Hände um ihre Oberarme, um sie wieder ein wenig von sich abzurücken. Aber er lässt sie nicht los, sondern fixiert den ihre Augen, die als einziges von ihr, ein wenig Licht reflektieren. >>Lass mich gefälligst los, Du Trampel!>>, windet sie sich in seinem Griff, und er folgt ihrem Wunsch so schnell, als hätte er eine heiße Herdplatte berührt. Sie drängt sich an ihm vorbei. Näher als es sein müsste?! Rashid wirbelt herum. ''Warte!'' Er hält sie an der Schulter zurück, und sie dreht sich herum. ''Geh nicht.'' Nur zwei Worte, aber Janna ist sich sicher, er redet nicht von Jetzt und Hier, sondern von Morgen, dem Tag, wo sie nach Sarnamar und Del, Sira und er nach Yashior aufbrechen werden.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 08. Nov. 2005, 23:50 Uhr
Janna erinnert sich schnell genug wieder daran, warum man den Dunkelwald auch die grüne Hölle nennt, doch im Gegensatz zu den Anderen, macht es ihr nichts aus, nein, es stellt sich sogar ein Funke von Euphorie ein über die längst vergessene Schönheit ihrer einstigen Heimat, die sie für ihren Vater verlassen hat. Lianen schlingen sich die Bäume entlang, betörende Düfte liegen in der Luft, fremdartige Blüten und Tiere begegnen ihnen, manche davon erschreckend klein, andere für ihren Geschmack zu gross, doch da Asha bei ihnen ist, scheinen sich diese im Hintergrund zu halten und nur hin und wieder spricht ein Rascheln, ein paar glühender Augen zwischen den smaragdgrünen Blättern oder ein leises Schnauben von ihnen. Über dem ganzen Wald liegt ein graugoldener Schatten, die Kälte ist vollend verschwunden und macht einer feuchten Schwüle platz, welche daran schuld ist, dass sie sogar des Nachts schwitzen. Sie kämpfen sich durch meterhohe Büsche, schlagen ihren Weg mit Schwertern frei, zumindest die Männer, denn Janna ist vollauf damit beschäftigt nachzukommen und nicht hinter ihnen zurück zu fallen, obwohl ihr Rücken sich anfühlt, wie eine matschige Brühe aus Knochen und Fleisch, durch welches spitze Haken gezogen worden sind, um es auch immer wieder gut durchzurühren. Sira geht schweigend neben ihr her, das Lächeln ist von dem jungen Gesicht gewichen und hat einer seltsam anmutenden, kaum fassbaren Nachdenklichkeit Platz gemacht, die Janna mehr als nur eine Nacht Sorgen bereitet, in denen sie dafür gesorgt hat, dass ihre junge Gefährtin gut zugedeckt neben ihrem Freund Wind schlummern kann und jetzt ist sie es, die dem Mädchen die Wörter aus der Nase ziehen muss. In hinter der kleinen, intelligenten Stirn vorgeht, weiss anscheinend niemand so recht, doch die Schankmaid hat das leidige Gefühl, dass es etwas mit ihrer Mutter zu tun haben muss, die eigentlich so nah und gleichzeitig so fern ist. Morgen werden sie sich trennen, alle ihre eigenen Wege gehen, es wird vielleicht das letzte Mal sein, dass sie die Drei wieder sieht und trotz den ewigen Streitereien, den ständigen Ausbrüchen ihrerseits, ist sie sich sicher, dass ihr sowohl Dels, als auch Siras Gesellschaft fehlen werden. Rashid hingegen weckt in ihr den Wunsch, auf der Stelle in die dunkleren Teile des Waldes abzutauchen und sich unsichtbar zu machen, bis die Gruppe weiter gezogen ist, denn ihre närrischen Erinnerungen kreisen immer wieder um den einen Abend, als er sie an ihrem Nachtlager aufgesucht hat, um das Kind in ihrem Leib zu spüren. Dieses tritt in letzter Zeit öfter mit seinen kleinen, zierlichen Füssen gegen ihre Haut, scheint vor lauter Freude Purzelbäume zu schlagen und malträtiert ihre Wirbelsäule mit zärtlichen Boxhieben.

Der letzte Abend bricht an, zusammen mit erzwungenem Schweigen und tief gesenkten Blicken und das Essen wird ohne ein einziges Wort eingenommen, derweil ihr Blick jedoch auf Sira liegt, die geistesabwesend Wind Fell krault und gleichzeitig Hundefänger davon abhält, ihr Fleisch zu ergrummeln. Morgen ist es zu Ende, dann kommt die Ruhe… die Ruhe vor dem Sturm, aber das ist es mir wert. Besser als weiter bei ihm zu sein. Sie kann nicht anders, als ihren Augen flüchtig und nur für einen einzigen Wimpernschlag über Rashids Erscheinung huschen zu lassen, wie er dort sitzt, im Halbschatten und sich mit dem Rücken an einen Baum gelehnt hat. Nur seine Beine ragen aus der tiefen Schwärze hinaus, der Rest seiner Kontur verschwimmt mit der Dunkelheit, als würde diese ihn mit ihren Fängen umgarnen. Auch er ist seltsam still geworden, hat beinahe eine höfliche Zurückhaltung ihr gegenüber entwickelt und benimmt sich nicht mehr, wie der Besserwisser auf Erden. Mit einem innerlichen Achselzucken und einem leisen Seufzen rutscht sie näher zu Sira heran und streicht dem Mädchen zärtlich über die schwarzen Locken, bis das Mädchen ihren Kopf an ihre Schulter lehnt, dabei die Augen jedoch immer noch starr auf die Flammen gerichtet. Liebevoll tastet Janna nach der Decke in ihrem Beutel, scheucht Hundefänger zur Seite und schlingt das wärmende Tuch dann um die schmalen Schultern des Kindes, ihr dabei ein leises: „Bin gleich wieder da“, zuflüsternd und sich erhebend. Mit einem lapidaren: „Entschuldigt mich kurz“, gibt sie Del und Rashid zu verstehen, dass sie kurz für kleine Mädchen muss und schlägt sich dann in die Büsche, dabei den bohrenden Blick im Rücken spürend, der wie kalte, kratzende Nägel über ihren Rücken huscht. Pha! Ohne auch nur einen weiteren Gedanken an den Wüstenkrieger zu verschwenden, ist sie kurzzeitig beschäftigt und beginnt mit gesenktem Blick – schliesslich hat sie auf ihre Füsse und den hin und wieder mehr als lebendigen Boden zu achten – als sie plötzlich irgendwo gegen prallt und sich im nächsten Augenblick warme Finger kräftig um ihre Oberarme. Sie braucht nichts zu sehen, um mit jedem Nackenhaar, dass sich aufstellt, zu spüren, dass er es ist und mit einem gezischten: „Lass mich gefälligst los, Du Trampel!“, windet sie sich aus seinem Griff frei und weicht vor ihm zurück, will sich schon umdrehen, als er leise hauch: “Geh nicht!

Ihre Zähne verbeissen sich in ihrer Unterlippe und mit aller aufzubringender Selbstbeherrschung kann sie verhindern, Rashid hier und jetzt an die Kehle zu springen und ihn über die Purpurnen Flüsse zu schicken, denn seine Worte genügen, um ihr Innerstes zu einem schmerzen Eisklotz zu machen und ihr Herz in saubere, angenehme Streifen zu filettieren. Vernehmlich schnappt sie nach Luft, spürt kochenden Zorn anstelle von Blut durch ihre Adern fliessen und als sie sich umwendet, quälend langsam, zucken in ihren Augen grelle Blitze, als wolle sie ihn damit erschlagen. „Nicht… gehen?“, würgt sie mühsam und mit zitternder Stimme hervor, jeder Nerv in ihrem Körper angespannt wie die Sehne an einem Pfeil, kurz vor dem Abschuss und tiefe Verbitterung ist daraus zu vernehmen, ebenso wie verletzte Empörung. „Nicht gehen“, wiederholt sie heiser und ihr Kieferknochen knackst vor Anstrengung, in der sie die Zähne zusammen beisst, bis ihr das Blut in den Ohren dröhnt, wie ein ganzes Orchester. Ihre Hände zittern, als sie vage durch die kühle Leere huschen, sinnlos gestikulierend, doch sie kann spüren, wie der Wall des Ausbruchs Risse bekommt und an allen Enden und Ecken zu bröckeln beginnt, mit jedem Stein der fällt, mehr Zorn und unterschwellig stets gärende Enttäuschung, sowie den fahlen Geschmack von Schuldbewusstsein an die Oberfläche schwemmend, bis ihre Gesicht so weiss ist, wie das Tuch über einem Toten und ihre Hände sich bebend vor Entrüstung zu Fäusten ballen. „Warum?“ Scharf sieht sie ihn an, starrt ihn seine dunklen, nun beinahe schwarzen Augen, die nur durch den schwachen Widerschein des Feuers von blauen, tanzenden Flecken erleuchtet werden und einer mystischen und faszinierenden Unterwasserwelt gleichen, doch sie hat für diese Schönheit keinen Sinn, nicht hier, nicht jetzt, wo sie spürt, wie nahe sie daran ist, ihren Stolz zu verlieren und voller Abschätzigkeit und dem Versuch, die Tränen, die unter ihren Liedern brennen, zu verjagen, streckt sie ihm erhoben das Kinn entgegen und flüstert mit kalten, gefühlslosen und absichtlich verletzenden Worten: „Für dich? Pha, für einen lausigen Wüstenkrieger, der eine Hure nach der Anderen in sein Bett zerrt und für sein Tier mehr empfinden kann, als für jeden Anderen in seinem Bett? Für einen Bastard, der so egoistisch ist, jeden Mist, den er jemals bestiegen hat, für sich beanspruchen zu können und die verfluchte Brut dazu, nur um sie irgendwann wieder ab zu servieren, wenn sie ihm nicht mehr passt?“

Sie kann es fühlen, kann beinahe mit den Fingern nach der Spannung greifen, die sich wie ein Leuchtfeuer zwischen ihnen ausgebreitet hat und ihnen den Atem nimmt. Sein Gesicht ist zu einer leeren Maske geworden, leer und tot, die Augen nur noch schimmernde Spiegel ihrer Selbst, in denen sie jedoch Schatten von tiefem Schmerz zu erkennen glaubt und obwohl es ein Triumph ist, obwohl irgendwo in ihr eine böse Gestalt hämisch auflachen und jubelnd im Kreis hüpfen möchte, hat sie eher das Gefühl, als würde jemand ihre Kehle mit eiskalten Händen zudrücken und sie schluckt leer, bevor sie mit einem Krächzen weiter fährt, dass an einen heiseren Papagei erinnert: „ Nicht gehen… für einen Mann, dessen Ego für die ganzen Immerlande reicht und der glaubt, sich des Nachts an mein Lager schleichen zu können, nur um mich mit seinen dreckigen Fingern anzufassen und das Kind in mir als das Seine abzustempeln? Ich hätte dir das Genick brechen sollen, als ich es noch konnte.“ Je weiter sie spricht, desto dicker und zäher wird der Brei, der ihre Lippen verklebt und eine hässliche Kälte schleicht über ihre Haut, lässt sie frösteln, doch diesmal ist sie sich sicher, dass es nicht an der Temperatur liegt, nicht an ihrem Zustand, nicht an dem säuselnden Wind, der hie und da, wieder die Blätter zu einem Lied anregt. Ein Stein wächst in ihrem Magen, bringt ihr Herz unter seiner Last beinahe zum Erliegen, doch sie schnappt nach Luft, zwingt sich ihn weiter anzusehen, die Häme und den Spott in ihrem Gesicht beizubehalten, ebenso wie den eisernen Ernst, der ihren Worten die Wahrheit geben soll, die sie nicht verdienen. „Nicht gehen“, keucht sie und wendet sich halb um, einen glasigen Schimmer über den Augen, der sich starr auf die winzigen Flamme zwischen der Dunkelheit richten, die verraten, wo sich Sira und Del befinden: „Nicht gehen… Vergiss es! Verschwinde doch du nach Talyra zu Beth und Dorna, zwischen ihren Beinen liegst du bequemer.“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 14. Nov. 2005, 21:52 Uhr
Mit einem Gefühl tiefer Erleichterung lässt Del sich einfach auf den nächstbesten Flecken Erde fallen und tut für eine ganze Weile nichts, außer einfach dazuliegen. Sein Arm ist einfach nur noch weichgekochte Grütze. Das Zerschlagen im Weg hängender Äste und Blätter ist längst zu einer mechanischen Bewegung geworden, die er ganz automatisch ausführt, ohne sich dessen bewusst zu werden. Erst in solchen Momenten wie diesen, wenn sie für die Nacht rasten und stundenlang einfach nichts tun brauchen, wird ihm jeder schmerzende Muskel überdeutlich bewusst. In den ersten Tagen in denes sie durch dieses ewige Grün gezogen sind, hatte ihm jedes Geräusch, jede Bewegung und jede Pflanze Anlass zur Sorge gegeben, aber mittlerweile ist es ihm alles nur noch egal. Selbst wenn jetzt eins dieser Viecher des Dunkelwaldes vor ihm stehen würde, er würde wahrscheinlich einfach gar nichts tun. Zu müde von dem holprigen Wegen, auch wenn diese praktisch gar nicht vorhanden sind und noch nicht mal von Wildtieren genutzt werden, vollkommen genervt von den Tausenden Streitereien zwischen Janna und Rashid, besorgt über Siras seltsames Verhalten und überall von Insektenstichen aller Art übersäht, scheint Del nichts verlockender als an Ort und Stelle sitzen zu bleiben und nicht mal mehr einen Finger in Gedanken zu rühren. Aber natürlich geht das nicht, denn das Lager muss aufgebaut und Essen besorgt werden. Mühselig kommt er wieder hoch, fühlt sich dabei fast schon wie ein altersschwacher Greis, und baut dann die Zelte auf, um kurz darauf Feuerholz zu sammeln. Sira verliert währenddessen mal wieder kein Wort und erntet mehr als nur einen besorgten Blick von Del. Sie reagiert genauso wenig darauf wie auf seine direkten Fragen. Würde ihn dieser ganze Wald nicht so schon genug aufregen, hätte er Sira gnadenlos zur Rede gestellt, aber möglicherweise geht es ihr genauso wie ihm, nur zeigt sie es auf andere Art und Weise.

Auch wenn Janna Rashid zu verstehen gibt, dass sie nicht gerade angetan davon ist, dass sie etwas essen muss, was er zubereitet hat, verläuft ihr Abendmahl doch recht gesittet. Die von Del befürchteten sinnloses Streitereien bleiben glücklicherweise aus und so lässt er seine Gedanken einfach treiben. Gleichzeitig verflucht er jeden juckenden Mückenstich unter seiner Kleidung, ignoriert sie aber so gut es eben geht, ohne sich die ganze Haut wund zu scheuern. Während seine Gedanken aber einfach eine beliebige Richtung einschlagen, erwischt er sich immer wieder dabei, wie seine Finger von ganz allein zu den roten Stichen wandern. „Verdammte grüne Hölle. Die Frauen müssen verrückt sein, wenn sie hier freiwillig leben.... und das ohne Männer!“ Seine Worte sind nur gemurmelt, so dass ihn niemand hört. Sein Glück, denn Janna hätte mit Sicherheit eine passende Antwort für ihn gehabt. Er bemerkt erst, dass Janna und Rashid etwas gesagt haben, als sie gerade im dunklen Dickicht ein paar Schritte weiter verschwinden. Jeder für sich. Er tauscht einen überraschten Blick mit Sira, die ihm vollkommen gefühlslos noch einmal mitteilt, was die anderen beiden gesagt haben. Stirnrunzelnd sieht Del zu dem Gebüsch. Das Feuer lässt die Schatten zwischen dem funkelnden Grün noch tiefer erscheinen und macht es unmöglich zu erkennen, was dahinter liegt. Aber eigentlich spielt das auch keine Rolle, denn wie immer wenn Janna und Rashid sich gemeinsam ein Stück entfernen, reicht das Geschrei, um zu wissen was passiert. Dieses Mal bleibt es jedoch still. Diesen Moment zu genießen, weil keine verrückte Amazone und kein kindbesessener Wüstenkrieger bei ihnen sind, verpasst Del aber, denn irgendwie müssen sich die beiden im Dunkeln doch gefunden haben. >Lass mich gefälligst los, Du Trampel!< >''Warte! Geh nicht. ''<  Das was dann kommt, lässt Del wohlweislich einfach an sich abprallen. Es interessiert ihn einfach nicht mehr, was sich die beiden Sturköpfe dieses Mal wieder an den Kopf werfen wollen. Außerdem ist die Spannung zwischen ihnen allen fast greifbar. Morgen würden sie sich trennen. Eigentlich stört es Del weniger. Sicherlich haben sie sich alle irgendwie aneinander gewöhnt, aber so ist das nun mal auf Reisen. Irgendwann kommt die Trennung. Es gehört dazu und selbst wenn es schmerzhaft ist, man kann den anderen in guter Erinnerung behalten und vielleicht, wenn es die Götter so wollen, würde man sich dann noch einmal über den Weg laufen. Für Sira würde es jedoch schwieriger werden. Aus ihrer Vergangenheit kennt sie niemanden und das was angeblich mal passiert sein sollte, ist so wage wie eine Aussage über das Wetter der nächsten Tage. Umso wichtiger ist es für sie, seit Del sie im Winter gefunden hat, neue Beziehungen zu anderen Personen entstehen zu lassen. Er möchte Sira gerne etwas sagen. Etwas was sie vielleicht trösten oder den morgigen Tag ein wenig vergessen lassen würde, aber er weiß nicht was. Jannas heiseres Geschrei dringt aus dem Dickicht zu ihnen. Vielleicht ihre und Rashids Art sich voneinander zu verabschieden, denn mit einer Umarmung würden sie es gewiss nicht tun. Nachdem Del noch einmal versucht die Dunkelheit jenseits des Feuers zu durchdringen, gibt er sein Vorhaben endgültig auf. Sollten sich die beiden Streithähne wieder an die Gurgel gehen, würde man es schon hören. „Sira?“ Das Mädchen reagiert anfangs überhaupt nicht auf ihn. Jannas Beschimpfungen sind nicht zu überhören. Del verzichtet trotzdem darauf, Sira die Ohren zuzuhalten, denn sie sieht überhaupt nicht aus, als würde sie etwas bewusst wahrnehmen. „Hey, Kleines.“ Vorsichtig rutscht er ein Stück näher. Nebenbei verflucht er wieder die juckenden Stiche und versucht seine Wackelpuddingarme nicht zu sehr anzustrengen. „Alles in Ordnungen mit dir?“ Er stupst sie vorsichtig in die Seite, aber bis auf einem freudlosen Lächeln zeigt sich nichts auf ihrem Gesicht. „Wir müssen das nicht tun, dass weißt du, hm? Janna wird trotzdem gehen. Es ist ihre Entscheidung, aber wenn du nicht nach Yâshior möchtest, dann kehren wir morgen früh wieder um.“

Del ist sich nicht sicher, ob er sich es einbildet, aber bei allem Respekt gegenüber Janna und den kleinen Geheimnissen zwischen ihnen, er glaubt einfach nicht, dass es nur Jannas morgiger Abschied ist, der das Mädchen so betrübt. Am Ende dieser Reise wird sie zwangsläufig etwas über ihre Familie erfahren. Keiner von ihnen kann jetzt schon sagen, ob es ihnen gefallen wird. Die Bruchstücke die sie bisher erfahren haben, sind allesamt wenig erfreulich und so ist es nur verständlich, dass Sira sich sträubt Licht ins Dunkel zu bringen. Janna wirft Rashid noch immer wütende Worte an den Kopf. Da Del sie nicht sehen kann, kann er nur ihrer Stimme lauschen. Er glaubt verräterische Schwingungen darin erkennen zu können, aber ist sich nicht sicher. Die Wut vermag sie verändern und doch glaubt er zu wissen, dass Janna sich so verhält, weil sie sich selbst einredet, dass es so besser ist. Das übliche Problem, wenn man jemanden mag, es nicht zugeben will und ihn lieber auf Abstand hält, statt etwas öffentlich zu machen, was einen so sehr irritiert. Ab morgen würde es ruhiger bei ihnen zugehen. Egal wie sehr Del diese Streitigkeiten auf den Geist gehen, er hat sich daran gewöhnt. Ja, er würde es gewiss vermissen und nachdem sie Wochen unterwegs waren, gehören sie vier doch irgendwie zusammen. Von Asha ertönt ein zustimmendes Schnauben, dass aber eigentlich nur zum vertreiben irgendwelcher Insekten dient. Betont deutlich atmet Del aus und rückt wieder ein Stück von Sira ab. Er ist kein Mann von Sentimentalitäten und verlässt Orte lieber bevor es kritisch wird, aber vor Morgen gibt es kein Entrinnen, denn niemand von ihnen würde sich in der Dunkelheit davonschleichen. Es würde niemand können, denn es käme dem Tod gleich.

Titel: Re: Windspiel &#8211; Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 21. Nov. 2005, 08:36 Uhr
''Du kennst mich nicht, Janna. Alles was Du mit mir teilen wolltest, war eine Nacht. Eine Nacht, die Dich vergessen lassen sollte, was zwischen Dir und Callios geschehen ist'' Rashid kann sehen, wie sich ihre Haltung bei der Erwähnung dieses Namens versteift. ''Ja, ich habe Augen und Ohren und weiß inzwischen sehr wohl, was Dich in der Inarinacht in meine Arme geführt hat. Du machst mir Vorhaltungen, weil ich mein Vergnügen bei Dorna oder Beth gesucht habe? Im Gegensatz zu Dir haben ICH nie einen Hehl daraus gemacht, wie ich bin. Ich habe den Spaß bei meinen Gespielinin  gesucht, Du das Vergessen, also mach mir jetzt keinen Vorwurf, weil Dein Plan nicht aufgegangen ist. DU hast MICH nach unserer Nacht abserviert! Schon als Du den Pfirsich betreten hast, war ich ....nicht mehr gut genug für Dich. Du wolltest nicht einmal mit mit zusammen gesehen werden!'' Das hitzige Temperament des Wüstenkrieger droht zu kippen, und nur mühsam beherrscht er sich und ringt nach Atem, bis sein Luftholen deutlich ruhiger wird. ''Und trotzdem bitte ich Dich um Verzeihung, wenn ich Deine Gefühle verletzt haben sollte, Janna.'' Die schöne Kellnerin kann am Rascheln seiner Kleidung hören, wie er sich verbeugt. ''Du hast mein Herz berührt in jener magischen Nacht unter den Sternen, und ich war noch nie jemand, der leicht aufgegeben hat. Ich bin Dir nachgereist, habe Deine Anfeindungen über mich ergehen lassen und nun stehe ich sogar hier, um Dich darum zu bitten, nicht dorthin zu gehen, wohin ich Dir nicht folgen kann.''

Rashids Blick richtet sich auf den Punkt, in dessen Richtung die Heimat der Amazonen liegen soll. ''Vielleicht findest Du dort, was Du suchst, aber ich glaube es nicht, denn sonst hättest Du diesen Ort nicht schon einmal verlassen.' Er umrundet sie und tritt vor sie. ''Janna, weder Du noch ich können in die Zukunft sehen, und niemand von uns weiß, was die Götter für uns bereit halten, aber zumindest weiß ich, was ich will und das bist Du. Leider ist es so, dass man nicht alles haben kann, was man will. Manche Dinge müssen von selbst zu einem kommen. Darum werde ich jetzt dort zum Feuer rüber gehen und abwarten.'' Seine Stimme klingt leise und rau, während sich seine Finger hin und wieder öffnen und schließen, um irgendetwas anderes zu tun, als sich sanft auf ihre Wange zu legen, und ihre Lippen zu einem Kuss heran zu ziehen. ''Aber ich warte nicht ewig, Janna. Wenn Du morgen gehst, hast Du für mich Deine Entscheidung getroffen.'' Langsam macht Rashid einen Schritt zurück, bevor er sich umdreht und zurück zum Feuer geht, wo eine drückende Stimmung zwischen Del und Sira herrscht. Er lässt sich nieder und stochert in der Glut, was die Flammen hell auflodern lässt. ''Ich bin gespannt, was der Tag morgen für uns bereit hält.'', brummt er dabei in seinem dunklen Bass, der tief aus seiner breiten Brust zu kommen scheint.

Asha liegt wiederkäuend hinter ihm, und der Wüstenkrieger lehnt sich an den massigen Körper seines treuen Weggefährten. Das leise Blöcken des Dromedars stört ihn nicht in seinen Gedanken, die mit den Funken des Lagerfeuers in den samtblauen Nachthimmel empor steigen. Ein Meer von Sternen leuchtet über der kleinen Lichtung, auf der sie ihre Zelte aufgeschlagen haben und die Geräusche des Urwalds erfüllen die Dunkelheit. ''Falls uns Janna morgen verlässt, werden wir ein wenig schneller voran kommen, weil Asha weniger Gepäck zu tragen hat.'' Unbewusst verwendet er das Wörtchen Falls statt Wenn, doch Dels Aufsehen zeigt sehr wohl, dass es ihm aufgefallen ist. ''Und ich muss sagen, dass ich diese Insektenplage und die schwüle Hitze nicht sehr vermissen werde.'' Wind liegt an Siras Seite, und schweigsam wie immer in den letzten Siebentagen streichen ihre Finger durch das leicht strupige Fell des Hundes. ''Was meinst Du, Sira, würde es Dir Spaß machen auf einem Schiff zu übernachten, wenn wir Yâshior erreichen? Ich weiß noch von früher, dass es eine Taverne dort gibt, die sich auf einem Schiff befindet. Ich schätze, dass es sie noch gibt.''

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 21. Nov. 2005, 12:14 Uhr
Die Ankündigung, dass Janna die Gruppe bald verlassen wird, um zu den Amazonen aufzubrechen, stimmt Sira einerseits traurig, andererseits beunruhigt es sie auch ein wenig. Solange sie mich nicht mit nimmt ist alles gut. Solange sie mich nicht mitnimmt ist alles gut … Wieder und wieder wiederholt sie diese paar Worte in Gedanken, so als würde es sich um einen geheimen Schutzzauber handeln, der sie vor allem Unbill bewahren könnte. Und dennoch bleibt immer ein Rest Unsicherheit zurück. Was passiert, wenn Janna von mir erzählt? Was wird dann passieren? Kommen die Amazonen dann um mich zu holen? Diese und ähnliche Fragen plagen Sira mittlerweile pausenlos. Anstatt jedoch mit irgendjemandem darüber zu sprechen, frisst sie ihre Sorgen in sich hinein. Wem sollte sie sich auch anvertrauen? Janna würde bald fort gehen. Und Del und Rashid? So gerne wie Sira die beiden Männer hat, sie glaubt nicht wirklich, dass die zwei ihre Ängste tatsächlich verstehen können. Und wie sie feststellen kann, ist sie schließlich nicht die einzige mit Sorgen. Der lautstarke Streit zwischen Janna und dem Südländer macht ihr dies einmal mehr bewusst. Sie verdreht die Augen. Können die sich nicht ein einziges Mal vernünftig unterhalten?, denkt sie und verdreht leicht die Augen, während sie Dels Blick auffängt. Morgen wird Janna uns verlassen, warum müssen sie da jetzt noch streiten? Sie seufzt und hängt wieder ihren eigenen Gedanken nach. »Sira?« Das Mädchen blinzelt verwirrt, nur langsam wird ihr klar, wer da eben gesprochen hat. Del rückt etwas näher an sie heran und Sira kuschelt sich dankbar an ihn. »Hey, Kleines. Alles in Ordnungen mit dir? Wir müssen das nicht tun, dass weißt du, hm? Janna wird trotzdem gehen. Es ist ihre Entscheidung, aber wenn du nicht nach Yâshior möchtest, dann kehren wir morgen früh wieder um.« Das Mädchen schüttelt nur leicht den Kopf. „Nein, ich habe ein bisschen Angst davor nach Yâshior zu gehen, aber ich möchte dorthin. Wir sind doch bald da, da wäre es doch irgendwie dumm, wenn wir kurz vorher wieder umdrehen, oder?“ Sie lacht leise, doch wirklich heiter klingt sie dabei nicht. Der Halbelb murmelt etwas, was wie „Wenn du meinst.“ oder so ähnlich klingt und Sira lehnt sich wortlos gegen ihn, während sie schweigend dem Gezeter aus dem nächsten Gebüsch lauschen, wo Janna und Rashid sich mal wieder wundervoll in Rage reden.

Der Südländer kehrt schließlich als erstes ans Feuer zurück. Er sagt auch irgendwas, doch Sira hört ihm kaum zu. Erst als er sie direkt anspricht, schaut sie auf. »Was meinst Du, Sira, würde es Dir Spaß machen auf einem Schiff zu übernachten, wenn wir Yâshior erreichen? Ich weiß noch von früher, dass es eine Taverne dort gibt, die sich auf einem Schiff befindet. Ich schätze, dass es sie noch gibt.« „Wie, was?“ Es dauert einen Moment bis sich Sira der Sinn von Rashids Worten erschließt. „Oh, ja.“ Das Mädchen richtet sich überrascht und interessiert auf. „Das würde mir gefallen.“ Sie sieht Del fragend an. „Können wir in dieser Taverne übernachten, wenn es sie noch gibt? Bitteeee …“ Der Halbelb grinst und nickt. Dieser Wunsch würde sich wohl erfüllen lassen, falls es das Gasthaus, von dem der Südländer gesprochen hat, noch immer gibt. Irgendwo in der Stadt würden sie schließlich übernachten müssen. Und warum nicht in einem zu einer Taverne umfunktionierten Schiff? Für Sira ist der Abend damit jedenfalls gerettet und sie geht bereitwillig schlafen, als es dafür an der Zeit ist. Janna, die sich kurz nach Rashid zu ihnen ans Feuer gesellt hat, tut es ihr gleich und verschwindet ebenfalls, um sich zur Ruhe zu begeben. Die beiden Männer bleiben noch eine Weile am prasselnden Feuer zurück, doch auch sie legen sich schließlich schlafen. Der nächste Tag würde nicht weniger anstrengend werden als die vergangenen.

Am nächsten Morgen macht man schweigend alles für den Aufbruch bereit. Jeder sucht seine Sachen zusammen, gesprochen wird wenig. Janna scheint nach wie vor verärgert wegen Rashid und umgekehrt verhält es sich wohl nicht anders. Sira blickt schlaftrunken zwischen den beiden hin und her und schüttelt einmal mehr den Kopf. Na wenigstens streiten sie zur Abwechselung mal nicht, denkt sie und sucht etwas Frühstück für Wind und Hundejäger heraus, was die beiden Tiere dankend annehmen. Das Mädchen streicht dem Kater, der sich zufrieden an ihren Beinen reibt, vorsichtig über den Kopf. „Mach’s gut, du wirst Wind und mir fehlen, weißt du?“ Sie lacht, als der Kater bestätigend schnurrt und dem grauen Arduner Wolfshund im nächsten Moment schon wieder seine Krallen über die Nase zieht, als Wind ihm zu nahe kommt. „Tsss, na ihr seid mir ja gute Freunde.“ Das Mädchen richtet sich kichernd auf und geht zu den anderen hinüber, um ein letztes gemeinsames Frühstück einzunehmen, bevor Janna sie verlassen würde.
Als es dann endlich soweit ist, stehen Sira doch Tränen in den Augen, obwohl sie sich vorgenommen hatte, nicht zu heulen. Richtige Amazonen weinen schließlich nicht, dass hat sie irgendwann einmal gehört und angeblich ist sie ja eine Amazone. Na ja, eine halbe oder so, überlegt sie sich. Alles in allem verläuft der Abschied doch recht unspektakulär. Del und Rashid kümmern sich um die Feuerstelle beziehungsweise das Gepäck und Janna nimmt Sira zum Abschied noch einmal in den Arm. Sie lächelt ihr freundlich zu, streicht ihr über den Kopf, drückt Sira etwas in die Hand und schließt die Finger des Mädchens darum. Die Pfirsichschankmaid nickt Del noch einmal zu und dreht sich dann um. Im Vorbeigehen raunt sie Rashid noch ein paar letzte Worte zu. »Gestern meintest du, ich kehre an einen Ort zurück, den ich bereits einmal verlassen habe. Ich bleibe aber nicht dort... ich komme zurück... allein.« Sie sieht den Südländer ein letztes Mal an, dann wendet sie sich endgültig ab, verschwindet ohne weitere Worte im Unterholz des Dunkelwaldes und wird schon bald vom Dunkelgrün des Blättermeeres vollständig verschluckt.

Sira beendet die bedrückende Stille, die sich nach Jannas Fortgang im fast vollständig abgebrochenen Lager ausgebreitet hat, als erste. „Wollen wir jetzt nicht auch langsam los?“, erklärt sie. „Los, los, trödelt nicht herum“, versucht sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit die angespannte Stimmung zu verscheuchen. Asha schnalzt bestätigend im Hintergrund und auch Wind bellt aufgeregt. Die drei sehen sich an und lachen ein wenig verlegen. Schließlich erledigt man nur noch ein paar letzte Handgriffe, dann kann es auch für sie endlich weitergehen und wie üblich hält Sira sich von Asha fern. Die Blätter der Bäume rauschen leise, im Unterholz knackt und knistert es, aber daran haben sie sich mittlerweile gewöhnt. So ist das eben im Dunkelwald, im Grunde ein Wald wie jeder andere … nun ja, fast. „Wisst ihr, wie wir jetzt weitergehen müssen?“, erkundigt sie sich schließlich besorgt. Alles schaut irgendwie so gleich aus. Überall nur Bäume und Sträucher und überhaupt. Alleine, da ist sich Sira sicher, wäre sie in dieser grünen Wildnis vollkommen verloren. Ich glaube, ich bin doch keine Amazone, stellt sie fest. Eine richtige Amazone würde sich hier zurechtfinden und sich nicht fürchten, sich zu verlaufen, so wie ich … Langsam öffnet sie die Finger ihrer hand, die Jannas Abschiedsgeschenk immer noch umschlossen halten. Sira betrachtet das einfache, glatt polierte Stück Holz, welches ihr die Amazone gegeben hat. Es ist an einem gewöhnlichen Lederband befestigt und mit eigenartigen Zeichen versehen. Das Mädchen lächelt, dann schlingt sie sich das Band um den Hals, verknotet es im Nacken und lässt den Anhänger schließlich unter den Kleidern verschwinden, wo es auch den Muschelanhänger trägt.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 24. Nov. 2005, 16:51 Uhr
Trotz seiner Bedenken wird der letzte gemeinsame Abend nach dem kleinen Zwist zwischen Janna und Rashid recht ruhig beendet. Und auch der darauffolgende Morgen beginnt ungewohnt ruhig. Selbst der Dunkelwald direkt in ihrer Nähe scheint zu schweigen, als warte er gespannt darauf, wie Janna sich entscheiden würde und ob Rashids Worte nicht doch etwas bei ihren Plänen geändert hätten. Aber egal wer von ihnen hofft möglichst schnell wegzukommen oder aber, dass Janna bleibt, eine Entscheidung ist längst gefällt und auch sentimentale Anflüge stimmen die Amazone nicht um. Del betrachtet die Szene eher gelassen. Ihn verbindet nichts mit Janna. Sie hatten sich ein paar Mal in der Wolle, aber darüber hinaus haben sie einander weder wirkliche Freundschaft noch pure Abneigung empfunden. Für jeden ist der andere wohl eher eine kurze Bekanntschaft die einen kurzen Abschnitt des Lebens versüßt hat. Entsprechend fällt ihre Verabschiedung aus. Rashid und Sira haben es um einiges schwerer, darum hält sich Del dezent im Hintergrund. Der Südländer gibt sich zwar alle Mühe sich nicht allzu viel anmerken zu lassen, aber nach dem gestrigen Streit kommt Del sein Gesicht wie ein offenes Buch vor. Mit Tränen in Siras Augen wird der Abschied irgendwann beendet und Janna stampft alleine durch das unendliche Grün des wohl größten Waldes den die Immerlande je gesehen haben. Im Stillen bewundert Del Jannas Mut. Sira an seiner Seite ist bei einem Angriff wilder Tiere oder beim verlaufen zwar keine sehr große Hilfe, aber immerhin hat er wenigstens einen weiteren Erwachsenen an seiner Seite, der notfalls Schaden abwenden könnte. Janna hingegen streift allein durch den Wald. Eine falsche Bewegung und sie könnte jämmerlich zu Grunde gehen, ohne die Aussicht jemals Hilfe zu bekommen. Als Del sich seiner Gedanken bewusst wird, schüttelt er verärgert den Kopf. Er mag Janna zwar nicht, aber sorgen tut er sich doch irgendwie. Immerhin war es eine ganze Weile seine Aufgabe gewesen auf die beiden Frauen der Gruppe zu achten. Viel Glück, Janna, ruft er ihr still hinterher. Wäre Janna empathisch begabt, so hätte sie die Worte direkt in ihrem Kopf gehört, aber sie werden niemals vernommen. >„Wollen wir jetzt nicht auch langsam los? Los, los, trödelt nicht herum.“< Sira versucht die unangenehme Situation zu beenden, indem sie ihre beiden Männer zum aufbrechen drängt. Da es aussichtslos wäre hier noch länger herumzustehen und sie ohnehin nicht unnötig Zeit verlieren wollen, wird Asha wieder mit sämtlichen Gepäck beladen und der Marsch durch undurchdringliches Dickicht wird fortgesetzt.

Wie getrockneter Dreck bröckelt die Spannung um sie herum von ihnen ab und bald ist Janna in die hinteren Ecken ihrer Bewusstsein verbannt, denn nun gilt es sich wieder auf Wege, Tierspuren oder Gefahren zu konzentrieren. Ähnlich wie Sira hält auch Del von Asha Abstand. Rashid beteuert zwar immer wieder, dass das Tier niemanden außer bösen Blättern etwas tut, aber Del möchte trotzdem nicht unbedingt Bekanntschaft mit seinem Maul machen. Immerhin mahlt dieses ununterbrochen und die Laute daraus sind alles andere als beruhigend. >„Wisst ihr, wie wir jetzt weitergehen müssen?“< Kaum, dass Sira die Worte ausgesprochen hat, wird zumindest Del bewusst, dass Janna doch irgendwie unersetzbar war. Sie haben zwar die Karte und er und Rashid sind schon durch weite Teile der Immerlande gereist, doch sich hier ohne Probleme zurechtzufinden sollte wohl wirklich nur Amazonen oder den eigensinnigsten Waldkindern möglich sein. Nach einigen unsicheren Blicken beteuern Del und Rashid gleichzeitig, dass sie irgendwie schon einen Weg finden und sie ja nicht das erste Mal reisen. Sira scheint nicht so angetan von der Antwort, bringt aber auch kein Einwände hervor, denn sie hat ja noch weniger Ahnung worauf man achten muss. So setzen die drei, gefolgt von den beiden Tieren, ihren Weg quer durch das ewige Grün fort. Längst sind die anfangs unnatürlichen Geräusche keine Besonderheit und vieles vermag sie nicht mehr zu erschrecken. Einige Laute und Spuren können sie sogar schon einigen Tieren zuordnen, die aber allesamt nur zu den friedvollen Vertretern des Dunkelwaldes gehören. Kreuz und quer kriechen sie durch Dickicht, passieren Bachläufe, kosten von seltsamen, aber gut riechenden Früchten und Nüssen, amüsieren sich über seltsam aussehende Insekten und finden sich bald in einen Rhythmus rein, der keinen Platz für Streit lässt. Zeitweise erweckt die kleine Gruppe sogar den Anschein, als sei es pure Leichtigkeit und der reinste Spaß durch den Dunkelwald zu reisen, aber spätestens wenn es Zeit für das Nachtlager wird, brechen alle vollkommen erschöpft zusammen und tun nut das Nötigste, wie etwa ein Feuer entfachen oder die Zelte aufbauen. Wann immer es möglich ist, waschen sie sich im angenehm kühlen Wasser der Bäche, doch sind sie allesamt das eigensinnige Klima des Dunkelwaldes nicht gewohnt und laufen die meiste Zeit in komplett durchgeschwitzten Sachen herum. Einige Kleidungsstücke haben bereits das Zeitliche gesegnet, denn überall hängen Äste tief herab und auch Büsche zerren unablässig an ihnen, so als wolle der Wald selber sie am vorankommen hindern. Langsam aber sicher kommen sie dem Norden immer näher, auch wenn es für sie direkt am Waldboden nicht ersichtlich wird. Zu hoch erstrecken sich die Bäume über ihren Köpfen, zu dicht ist das Gewirr aus Blätter, Kletterpflanzen und Ästen, als dass man wirklich weit sehen und Entfernungen einschätzen könnte.

Es sind jetzt bereits einige Tage vergangen, seit dem Janna sich von der Gruppe getrennt hat. Auch wenn niemand auf sie zu sprechen kommt, so hängen die Gedanken der drei doch hin und wieder bei ihr. Jeder fragt sich, ob sie es bis zu diesem Baile Craobh geschafft hat. Sira selbst mag mit dem Namen etwas anfangen können. Für Del und Rashid bleibt es nur eine geheimnisvolle Stadt. In einer ruhigen Minute kommen Del einige Worte einer kurzen Bekanntschaft in den Sinn. Demnach soll es jemanden geben, der sämtliches Wissen über den Dunkelwald zusammenträgt. Aber selbst dieser Mann weiß nicht wo die Stadt der Amazonen liegt. Und wir laufen vielleicht direkt unter durch und wissen es nicht. Das Janna sie schon vor einer Weile verlassen hat, mag allein zum Schutz dieses Geheimnisses dienen. Vielleicht verfolgt sie sie sogar und Baile Craobh befindet sich tatsächlich über ihren Köpfen. Um sich selbst davon zu überzeugen, dass dem nicht so ist, blickt Del angestrengt in das Grün über sich. Äste, Blätter, Tiere, Blumen... alles mögliche, aber keine knapp bekleideten Frauen. Ein schwaches Lächeln huscht über sein Gesicht, als ihm einfällt, was ihm die Blaumäntel im Pfirsich vor einiger Zeit einmal erzählt haben. Er kann sich nicht an den Namen der Frau erinnern, aber trotzdem weiß er noch gut genug, dass die Amazone einigen Blaumänteln den Kopf verdreht hatte... und sehr leicht bekleidet herumläuft. Wäre vielleicht doch mal einen Blick wert. Erst als Sira im neugierig am Ärmel zupft und wissen will, wonach er denn sucht, sieht er wieder nach unten. „Nichts weiter... ich dachte, ich hätte etwas gesehen.“ Erhobene Augenbrauen seitens des Mädchen zeigen deutlich, dass sie stark bezweifelt, dass dort oben überhaupt irgend etwas ist, aber sie spricht diesen Gedanken nicht aus. Rashid selber sieht das wohl anders, denn ein wissendes Grinsen ziert kurz sein Gesicht, woraufhin Del nur götterergeben mit den Schultern zucken kann.
Ihr Weg wird fortgesetzt und irgendwann zwischen wandern und rasten, beschließen die drei, dass sie etwas weiter westlich ziehen. Laut Karte dürfte es nicht mehr allzu weit bis zur Küste sein. Zumindest Del und Rashid wissen zwar, dass die Dunkelküste schlecht zu beschiffen ist, doch hegen sie die leise Hoffnung, dass sie irgendwie an Bord eines Schiffes gelangen. Eine Seereise durch diese Gewässer ist zwar auch kein Zuckerschlecken, aber ihre Füße und Arme würden es ihnen danken. Trotzdem würde es noch einige Tage dauern, bis sich der dichte Wald vor ihnen zurückziehen und den Blick auf unendliches Meer und Himmel freigeben würde. Del ist klar, dass es ein Risiko ist, denn sollten sie kein Schiff finden oder eins finden und nicht an Bord gelangen, hätten sie einen erheblichen Umweg eingelegt und das würde bedeuten, dass sie später dichter als beabsichtigt an den Nebelsümpfen herankommen würden. Geschichten dazu gibt es ebenso unzählige wie zum Dunkelwald selber, aber mit Sümpfen hat Del es noch nie gehabt. Er hat lieber festen Boden unter den Füßen, selbst wenn es schwankende Schiffe sind, aber er kann es nicht im geringsten Leiden, wenn er bis zu den Knien in Morast versinkt und stinkt als sei er mit Freude durch jeden verrottenden Tümpel der Immerlande gekrochen.

Es ist spät als sie an diesem Abend rasten und sich wieder wenige Stunden Ruhe gönnen. Die Zelte sind wie immer das Erste was aufgebaut wird. Danach folgt das Feuer und dann lässt man den Abend ruhig angehen. Ganz in der Nähe ist das Rauschen eines Baches zu hören. Nachdem die Wasserschläuche gefüllt wurden gönnt sich einer nach dem anderen ein ‚Bad’ und schlecht dann zufrieden wieder zum Feuer. Nicht sehr erfreut betrachtet Del die ganzen Insektenstiche auf seinem Körper, als er halbnackt vor dem Feuer sitzt. Es gibt kaum eine Stelle an seiner Haut, die nicht zerstochen, zerkratzt oder wenigstens rot ist. Rashid und Sira geht es ähnlich. Alle sind sie genervt und erschöpft von den Strapazen, aber bis auf die kleinen alltäglichen Flüche denkt niemand ernsthaft ans aufgeben. „Wenn ihr hier raus bin, dann kriech ich so schnell durch keinen Wald mehr.“ Allerdings würde es nach ihrem Marsch durch den Dunkelwald auch schwer werden andere Wälder der Immerlande wirklich als solche anzusehen. Die würden dann viel eher wie kleine Haine oder Baumansammlungen wirken. „Einer von Dancys Pfirsichen wäre jetzt gar nicht so schlecht“, murmelt Del so leise, dass nur Rashid neben ihm ihn hören kann. Nur zu gerne hätte Del sich jetzt in die Hände einer hübschen Dame begeben, aber davon ist weit und breit keine in der Nähe. Als er sich ausgiebig streckt und rekelt machen sich die zerschundenen Füße besonders schmerzhaft bemerkbar. Durch mehrfaches Stolpern, plötzliches Abrutschen und ähnlichen Dingen sehen seine Zehen ohnehin nur wie blau-rote Klumpen aus und genauso fühlen sie sich auch an. Unförmige Dinger, die nur noch mit letzter Mühe nicht ihren Dienst quittieren. Knurrend massiert er seine Füße, aber bis auf weitere Schmerzen zu verursachen ist dieses Vorhaben nicht von Erfolg gekrönt. „Wessen Idee war das hier eigentlich?“, fragt er ohne wirklichen Vorwurf in der Stimme und erwartet auch keine Antwort darauf, denn Rashid dem es irgendwie jedes Mal zukommt, sich um das Essen zu kümmern, verkündet gerade, dass gegessen werden kann.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 25. Nov. 2005, 13:27 Uhr
„Das ist nicht wahr... nichts davon ist wahr... aber das soll dich nicht mehr kümmern... Wüstenkrieger.“ Dieses eine Mal jedoch, klingt das sonst so abfällig gesprochene Wort nicht höhnisch oder gar zynisch, nein, es wird von einem Unterton begleitet, der tönt, als würde sie sich danach sehnen, es laut auszusprechen. So verhallt das Gesagte jedoch, wie auch das monotone Zischeln und Säuseln zwischen den Blättern ungehört in der Luft und sie kann Rashid nur nachblicken, wie seine grosse Gestalt von dem Schein des Feuers empfangen und von einem Kranz goldenen, flackernden Lichts eingehüllt wird. Es ist nicht mehr als ein leises Krächzen, das ihren  Mund verlässt: „Geh nicht.“ Rashid jedoch hört es nicht und sie verharrt an Ort und Stelle, spürend, wie der eiskalte Klotz in ihrem Innern wächst und wächst und beginnt ihre Lungen zu erdrücken. Morgen... Morgen ist alles aus... Morgen kehrt Ruhe zurück. Sich diese Worte immer wieder ermahnend selbst zurück rufend, kehrt auch sie ans Lager zurück und legt alle mögliche Konzentration darauf, Rashid so gut es geht und so weit es ihre Gelegenheiten zulassen, zu ignorieren, was von Del und Sira nur mit einem stumpfen und genervten Blick abgetan wird. Doch heute ist es Janna nicht egal, heute ist es ihr, als wäre es ein schöner Moment, um damit zu enden und sich endlich zu vertragen, jetzt hier, am letzten Abend, den sie gemeinsam auf ihrer Reise verbringen. Doch das Mädchen legt sich schon alsbald schlafen, dicht angekuschelt an ihren Hund, neben dem schon tief schnarchend der Kater liegt und plötzlich so unschuldig und sanft aussieht, wie ein zusammengekauertes Schneebällchen. Ein sanftes Lächeln auf den Lippen, lässt sich Janna nicht viel später neben Sira nieder, die Decke noch einmal sanft bis zu ihrer Kinnspitze hochziehend, selber jedoch auf eine solche verzichtend. Zu warm ist ihr, jetzt plötzlich wieder. Und das, wo ich zwei Siebentage zuvor noch mit den Zähnen geklappert habe in der Nacht. Hmpf... Schwanger sein... nie mehr. Schlafen jedoch kann sie nicht, dafür sind ihre Gedanken zu weit fort und wollen einfach keine Ruhe finden. Den Blick stier nach oben gerichtet, denkt sie an ihren Vater, an ihre Mutter, an ihr Leben, an Sira und... an das Kind, die Hände zärtlich auf die kleine Schwellung ihres Leibes gelegt, welche jedoch unter dem weit fallende Kleid vorerst nicht zu erkennen ist. Morgen jedoch würde sie andere Dinge anziehen, denn eine Reise alleine im Dunkelwald verlangte nicht nur Geschick, sondern auch Vorbereitung und sie war sich schon so nicht sicher, ob sie es heil bis zu den Amazonen schaffen würde. Ich war viel zu lange nicht mehr hier... ich darf überhaupt nicht hier sein. Wahrscheinlich werfen sie mich hochkant wieder raus, aber vielleicht... Tamaris, Mutter und.. Ja, Ilara wird mich nicht einfach wieder fort gehen lassen. Hoffe ich. Die kleine, bittere Sorge in ihrem Inneren will jedoch nicht gänzlich verschwinden, trotz aller beruhigender Worte, die sie sich selbst zuraunt und in die unsägliche Finsternis der Nacht vor sich her flüstert.

Der Morgen beginnt mit einem trüben Blinzeln in diffuses, grünes Sonnenlicht, das von goldschwarzen Schatten durchbrochen und von dem Zwitschern, Fiepen, Kratzen, Knacken und Krächzen unzähliger Waldbewohner begleitet wird, die bereits vor ihnen aufgewacht sind. Ihr Kopf fühlt sich an, als hätte sich ein Heuschreckenschwarm darin eingenistet, die eifrig dabei wären alle ordentlichen Gedanken zu zerstückeln und in einen Matsch zu verwandeln, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Mit einem leisen Ächzen krabbelt sie vorerst auf allen Vieren bis zum Feuer, um eben dieses wieder zu entfachen und streicht sich dann das feuchte Haar aus der Stirn. Auch die Anderen scheinen langsam zum Leben zu erwachen und keiner von ihnen – zumindest glaubt sie das – sieht besser aus, als sie selbst. Während ihrer Morgentoilette hinter irgendeinem Busch, kleidet sie sich schliesslich auch um, damit es leichter werden würde, sich durch dieses Dickicht und das Gestrüpp fort zu bewegen. Weiche Lederhosen, die sie am Bund kurzerhand ein wenig erweitert hat, sowie ein einfaches Hemd und eine lederner Schutz für die Brust. Dazu noch ein Paar kniehoher Stiefel aus gegerbtem Leder, welche jedoch beinahe schon eine Nummer zu klein scheinen. Viel zu lange nicht mehr benutzt. Alles in allem jedoch passen ihr die Sachen noch und nichts davon scheint Schaden zu tragen. Sorgfältig verstaut sie alle Dinge, welche sie nicht brauchen wird, wieder in ihrem Beutel und kehrt dann erst an das Feuer zurück, wo Del gerade das letzte gemeinsame Frühstück verteilt, doch sie lehnt mit einem freudlosen Lächeln ab, denn statt Hunger macht sich nichts anderes als gähnende, übelkeitserregende Leere in ihrem Magen platz, von der sie bei allen Göttern noch nicht einmal weiss, woher sie kommt. Und dann ist er schliesslich da... der Abschied und Janna, so stolz und aufrecht und sicher sie sich auch geben möchte, fühlt doch einen Moment den Drang Del und Sira innig zu umarmen und ihnen für die harte, nervige, aber hin und wieder auch spassige Reise zu danken, welche sie gemeinsam hatten. Es bleibt schliesslich dabei, dass sie lediglich Sira vorsichtig in die Arme schliesst, ihr ein dankbares und gleichzeitig auch freches Lächeln schenkt und danach sanft nach den schlanken, zarten Händen des Mädchens greift. „Hier... Auch wenn du keine Amazone sein willst, und nie sein musst, es wird dich beschützen, im wahren Leben und in deinen Träumen.“ Schwarzes, glatt poliertes Holz, an einem einfachen Lederband befestigt legt sich in die warme Handinnenfläche Siras und Janna streicht ihr noch einmal zärtlich durch das dichte, rabenschwarze Haar, bevor sie sich an Del wendet. Der grosse Halbelb scheint nicht undankbar für die Fügung zu sein, sie jetzt endlich los zu werden und Janna kann es ihm beim besten Willen nicht verdenken. „Danke... für die Reise und bitte, achte gut auf Sira“, flüstert sie schliesslich nur leise, schuldbewusst den Kopf gesenkt und nickt ihm dann noch einmal zu, bevor sie sich abwendet und langsam auf das dunkelgrüne Dickicht zugeht, welches schon gierig darauf zu warten scheint, sie verschlingen zu können. Auf dem Weg dorthin, lauert jedoch noch ein Hindernis, dass sie wirklich nicht übersehen kann, denn es ist gross, breitschultrig, mit beneidenswert schwarzem Haar und einer Miene, die sogar einem Bären das Fürchten gelernt hätte. Irgendwie wollen sich wohl ihre Füsse verheddern und nur mit grösster Willensanstrengung kann sie vermeiden, sich nicht einfach umzudrehen und einen anderen Weg zu gehen, anstatt direkt an Rashid vorbei, der sich nicht einen Sekhel von seinem Platz bewegt.

Einfach vorbei... einfach vorbei... um Dich darum zu bitten, nicht dorthin zu gehen, wohin ich Dir nicht folgen kann... Nein, nicht daran denken... Doch mit dem nicht daran denken, ist es nicht getan und so verharrt sie plötzlich mitten im Schritt, den Blick stier auf die grüne Hölle gerichtet, welche darauf wartet, sie zu empfangen. Sie kann Rashids Atem hören, vermischt mit ihrem eigenen Herzklopfen, welches schmerzlich in ihren Ohren widerhallt, wie ein lautes Donnern. „Gestern... Gestern meintest du, ich kehre an einen Ort zurück, den ich bereits einmal verlassen habe. Ich bleibe aber nicht dort... ich komme zurück...“, raunt sie ihm schliesslich zu, etwas Weiches spürend, dass sich um ihre Knöchel windet und haucht schliesslich noch ganz leise: „Alleine.“ Im nächsten Augenblick hebt sie Hundejäger auf, legt ihn sich über die Schulter und verschwindet ins dichte Unterholz, den langen Dolch gezückt, um sich einen Weg durch diese wild wuchernde Flora zu bahnen, die hier vielleicht von noch niemandem berührt worden ist. Solche Orte gibt es wohl noch viele im Dunkelwald, rein, alt, noch nicht gefunden und fern jeglicher Wesen, die sie zerstören könnten. Die erste Zeit sind ihre Schritte schnell, schneller als nötig, doch sie möchte schnell so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die kleine, zurückgelassene Reisegruppe bringen, das Gesicht ohne jegliche Miene. Sie schlägt, kämpft, windet sich zwischen Bäumen hindurch, über Sträucher hinweg, schneidet durch Lianen und seltsam anmutende Pflanzen ihren Weg, weicht solchen aus, von denen sie weiss, dass sie nicht so unschuldig sind, wie sie wirken und versucht gleichzeitig sich vollkommen auf den Pfad zu konzentrieren, der unsichtbar vor ihr liegt. Cirka fünfzehn Tage, vielleicht mehr, vielleicht weniger... ich hoffe mehr. Wirklich neugierig auf die Reaktion der Frauen ist sie nicht, denn sie hatte sie verlassen, um mit einem Mann um die Welt zu reisen, und wenn es nur ihr Vater war. Als könne sie ihre Wut und ihre Nervosität an den unschuldigen, grünen Schlingen auslassen, verarbeitet sie alles, was ihr zu nahe kommt, erst einmal mit grosser Impulsivität und ebenso grosser Erleichterung zu Kleinholz, bis ihre Arme sich irgendwann anfühlen wie bleischwere Säcke, die man mit nassem Sand gefüllt hat. Ächzend und keuchend lehnt sie sich an einen Baumstamm, das feuchte Hemd klebt ihr am Rücken und Hundejäger maunzt beschwerend über seine unbequeme Lage in ihrem Beutel, wagt es jedoch anscheinend nicht, seine unverschämte Nase auch hinauszustrecken, um sich vielleicht einen belehrenden Blick oder aber eine scharfe Zurechtweisung zu erhalten. Zu Beidem hat Janna jedoch weder die Lust, noch die Kraft und mit einem flüchtigen und ebenso unbedeutenden Blick über ihre Schulter zurück, stampft sie weiter, hin und wieder mit den Füssen bis zu den Knöcheln in welkem, verfaulendem Laub stehend.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 28. Nov. 2005, 17:18 Uhr
Sira eilt sofort ans Feuer als Rashid sie ruft. Wie jeden Abend knurrt ihr Magen laut und vernehmlich vor Heißhunger, denn: Jeden Tag an der frischen Luft und immer unterwegs durch ein nahezu undurchdringliches Dickicht, das macht wirklich hungrig. Dass die Füße des Mädchens erstaunlicherweise nicht so übel zugerichtet sind wie die von Del scheint erstaunlich. Die Kleine muss dieselben Wege zurücklegen, wie die beiden Männer, doch irgendwie tut sie dies längst mit eigenartiger Leichtigkeit. Plagten sie anfangs noch wunde Füße, so ist davon längst nichts mehr zu spüren. Auch ermüdet das Mädchen nicht mehr so rasch, sinkt aber jeden Abend nach dem Essen immer sehr bald in tiefen, festen Schlaf. Die Alpträume nehmen indes wieder ein wenig ab, gewinnen dafür aber an Intensität, sodass es von Zeit zu Zeit vorkommen kann, dass Sira schweißgebadet hochschreckt und sich verwirrt umsieht. Allerdings erinnert sie sich allenfalls an dunkle Bruchstücke, sinnlose Traumbilder, die beängstigend sind, aber diffus und unklar bleiben. Als sich Sira jedoch an diesem Abend hinlegt, nachdem sie mit Del und Rashid gegessen hat und es Zeit geworden ist schlafen zu gehen, bleiben die bösen Träume fern. Als Sira am nächsten Morgen aufwacht, dicht an Wind gekuschelt, ist sie daher bester Laune. Zufrieden reckt und streckt sie sich auf ihrem Lager und schaut sich um, ob auch die anderen bereits erwacht sind. Asha ist es zumindest, das verrät ihr leises rascheln, rupfen und mahlen.  

Langsam steht sie auf. Der Tag beginnt wie jeder andere auch und bringt keine zunächst keine besonderen Überraschungen mit sich. Sira hat sich längst an das undurchdringliche Grün ringsumher gewöhnt und fühlt sich wohl. Im Gegensatz zu den beiden Männern achtet sie auch nicht auf verdächtige Spuren, Zeichen oder sonstige merkwürdige Sachen. Der Gefahren, die im Dunkelwald lauern können, ist sie sich nicht bewusst. Wo Baile Craobh, die Stadt der Amazonen verborgen liegt, wüsste sie allerdings ebenso gerne wie Del und Rashid. Auch wenn sie nicht mit den beiden darüber spricht, ihre Gedanken kreisen pausenlos um die geheimnisvolle Stadt. Insgeheim fragt sie sich sogar immer wieder, ob sie nicht eigentlich wissen müsste, wo sie liegt. Wenn ich wirklich von dort komme, so wie Janna gesagt hat, dann müsste ich den Weg doch kennen?, überlegt sie immer wieder und versucht immer wieder angestrengt sich zu erinnern. Jeden Baum, jeden Strauch betrachtet sie bald mit eigenartiger Aufmerksamkeit, so als warte sie nur darauf, dass ihr plötzlich irgendetwas ins Auge fällt, was all ihre verschollenen Erinnerungen mit einem Schlag zurückbringt. Aber da ist nichts. Enttäuscht stapft Sira hinter Asha her und starrt missmutig das eigenartig schwankende Hinterteil des südländischen Tieres an. „Paaah!“, ruft sie ganz unvermutet auf und noch bevor Del oder Rashid sie daran hindern können, folgt sie einer Eingebung, die sie plötzlich ereilt. Die Stadt befindet sich in den Baumwipfeln, also muss ich dort suchen, oder …? Das ist sicher viel besser, als am Boden nach ihr Ausschau zu halten …  

Behände klettert sie den Stamm eines nahen Baumes empor. Hände und Füße finden wie von selbst rasch und sicher den bestmöglichen Halt, so als wäre Sira es schon immer gewohnt gewesen, die höchsten Baumwipfel mit Leichtigkeit zu erklettern. Am Boden erklingen leise Rufe und Flüche, bewegen sie aber nicht zur Umkehr. Stattdessen steigt das Mädchen immer weiter und weiter in die Höhe. Wind bellt aufgeregt, aber auch das ignoriert sie. Atemlos erreicht sie schließlich die Baumkrone. Enttäuschung macht sich in ihr breit, als sie sich umschaut. Auch von hier oben bietet sich ihr nur der Anblick von unendlichem Grün. Ein weites, wogendes Blättermeer tut sich vor ihr auf und behält das Geheimnis der Amazonenstadt weiterhin für sich. Sira seufzt. Was hattest du auch erwartet, du dumme Nuss!, schilt sie sich selbst. Die Rufe vom Boden werden derweil immer eindringlicher. Das Mädchen ignoriert sie zunächst weiterhin und genießt stattdessen die schöne Aussicht. Irgendwann gibt das Mädchen aber doch nach und macht sich an den Abstieg. Rasch wie zuvor beim Aufstieg klettert sie nun wieder hinab, hangelt sich an den Ästen entlang und kommt dem Waldboden schnell näher und näher. Alle gut gemeinten Warnungen und Ratschläge schlägt sie dabei in den Wind. Sie fühlt sich sicher … leider zu sicher.

Sira kann Del und Rashid bereits sehen und wird unaufmerksam. Ein Ast gibt unter ihren Füßen nach. Bevor das Mädchen das leichte Knacken richtig deuten und interpretieren kann, um richtig zu reagieren, befindet sie sich längst in unaufhaltsamem Fall gen Erdboden. Ihr spitzer, erschrockener Aufschrei hängt noch in der Luft, während sie bereits unsanft auf Laub und Zweigen zum Liegen kommt. Doch zunächst scheint es, als wäre der Schreck größer als das wirkliche Geschehen. Und während Del und Rashid sich besorgt nähern, versucht Sira sich zu erheben und eine beschwichtigende Geste zu vollführen. „Alles in Ordnung“, will sie sagen, doch die Worte bleiben ihr im Hals stecken, als sie versucht mit ihrem linken Fuß aufzutreten. Sie verzieht schmerzhaft das Gesicht und lässt sich wieder auf die erde zurückplumpsen. „Auah, mein Knöcheln“, jammert sie leise und versucht die Tränen, die ihr in die Augen treten wollen, hinunter zu schlucken. Besorgt schaut sie ihren Fuß an. Ob es wohl sehr schlimm ist?, fragt sie sich ängstlich. Laufen kann ich damit wohl nicht. Jetzt werden wir noch schlechter vorankommen als bisher. Del wird sicher böse sein. Nun kullern ihr doch die ersten Tränen über die Wangen hinab.    

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 03. Dez. 2005, 17:02 Uhr
Wieder beginnt ein neuer Tag in dieser grünen Hölle und wieder gilt es sich einen Weg durch die Blätter, Äste, Wurzeln und Bäume zu schlagen. Del und Rashid wechseln sich regelmäßig immer wieder ab und haben schon seit langem zu einer Routine gefunden, die es ihnen möglich macht nicht allzu schnell zu ermüden. Wann immer es sich einrichten lässt, verzichten sie auf die Machete, denn das wird auf die Dauer zu anstrengend und ihre Körper, denen nur mäßige Erholung gegönnt wird, machen es ihnen auch nicht gerade leicht, so behände durch das Gestrüpp zu bewegen. Del hat sich während der ganzen Reise nicht einmal beklagt, zwar hin und wieder abfällige Kommentare von sich gegeben, aber ansonsten sein Schicksal und Siras Wunsch nach Yâshior zu gelangen, schweigend ertragen. Doch der Wunsch, sich einfach an Ort und Stelle einfach niederzulassen und keinen weiteren Schritt mehr zu tun wird übermächtig. Er vermisst den Wind, der über weite Ebenen streicht. Vermisst das Leben überfüllter Städte, die Sicht auf den Himmel... eigentlich alles, was nicht mit diesen verdammten Wald zu tun hat. Er ist gerade mit Rashid in ein Gespräch verwickelt, ob sie die letzten Schritte nicht in die falsche Richtung gelaufen sind und ob man nicht bald zum Eldor gelangen müsste, um sich an deren Ufer dann zur Dunkelküste zu bewegen, als hinter ihnen, jenseits von Ashas Hinterteil ein beinah trotziges >“Paaah!“< zu hören ist. Beide tauschen überraschte Blicke miteinander aus. Sira ist im ersten verwirrten Augenblick nicht zu erkennen, so dass es aussieht, als hätte Asha etwas gesagt. Natürlich war es nicht das Tier und als Sira sich an den ersten Ästen hochhangelt, wissen sowohl Del als auch Rashid wo sich das Mädchen befunden hat. „Sira? Was hast du vor?“ Das Mädchen guckt nicht mal in seine Richtung, greift nach einem weiter oben gelegenen Ast und zieht sie noch ein Stückchen höher, sucht sich dort eine feste Stelle aus und entfernt sich so immer mehr vom Erdboden.“ Verdammt, junge Dame, was wird das, wenn das fertig ist? Hey, ich rede mit dir!“ Fassungslos starrt Del dem Mädchen hinterher und kann nicht glauben was er sieht. Rashid neben ihm murmelt ebenfalls etwas, ruft auch mehrmals nach Sira, aber sie scheint sich von den beiden Männern nicht abhalten lassen zu wollen. „SIIIIIIIIIRA! Komm jetzt auf der Stelle da runter!“ Von ihrer schwarzen Lockenpracht in zwischen den Blättern und Ästen schon gar nichts mehr zu sehen. Del konzentriert sich auf jedes noch so kleine Geräusch, das von dort oben kommen könnte. Jeden Moment erwartet er das Knacken eines Astes zu hören, aber es bleibt aus. Abwechselnd rufen Del und Rashid nach dem Mädchen, aber sie erhalten keine Antwort. Auch taucht ihr Gesicht nicht weiter unten wieder auf. Reichlich wütend will Del ihr schon hinterher klettern und hat bereits den ersten Ast in der Hand, als der Südländer ihn packt und zurückreist. >“Vergiss es. So hoch kommst du niemals! Du bist viel zu schwer.“< Del schnaubt abfällig, stößt die Hand auf seiner Schulter weg und starrt wütend nach oben. Überall glaubt er Bewegungen und fallen Äste zu sehen, aber es passiert nichts. Nur ihre Rufe und die Vögel des Dunkelwaldes sind zu hören. Diese kleine Mistgöre! Was glaubt sie eigentlich, was das werden soll? Verdammt, die bricht sich noch alle Knochen.

Es mag Äonen dauern, die Del stumpfsinnig in das grüne Blätterdach starrt. Es gibt dort nichts außer Grün und Braun, gelegentlich auch andere Farbtupfer, verursacht durch Blüten, zu sehen, doch irgendwann schält sich Siras winzige Gestalt über ihren Köpfen daraus hervor und nähert sich langsam wieder dem Erdboden. Das Mädchen ist jedoch noch immer viel zu weit oben für den Geschmack des Halbelben. Jede noch so kleine Bewegung verfolgt er und überlegt sich währenddessen schon seine Predigt inklusive einer Strafe. Sira ist nicht sein Kind, dass weiß er, aber er ist für sie verantwortlich. Zumindest redet er sich das ein und somit kommt ihm die Aufgabe zu, sie zu erziehen und ihr beizubringen, was man gefälligst nie tun sollte. Er blickt zwar immer noch nach oben, doch ist er viel zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt und wütend obendrein, als dass er das Geschehen über seinem Kopf mitbekommt. Das Knacken jedoch dringt so glockenklar an sein Ohr, als wäre es genau neben ihm entstanden sein. Fort sind alle Gedanken aus seinem Kopf und sofort hat sich sein Blick auf Sira geheftet. Er hört ihren Schrei und will zu der Stelle eilen, wo sie aufprallen wird, doch Rashid hat die gleiche Idee und so prallen die beiden Männer unsanft gegeneinander. Del rappelt sich so schnell wie möglich auf die Füße, kriecht sogar auf Händen und Beinen ein Stück, doch da steht plötzlich Asha in seinem Weg. Er hätte schwören können, dass das Tier eben noch nicht da gestanden hat, aber jetzt wo es diesen Platz als den seinen auserkoren hat, lässt es sich auch nicht fortreiben. Und dann ist es bereits zu spät. Ein erschrockenes „Sira“ kommt aus seinem Mund, als er das trotzige Wüstenschiff umkreist und zu dem Mädchen hinläuft. Nur wenig später ist auch Rashid an seiner Seite und beide betrachten das Mädchen sorgenvoll. Sira ist darum bemüht den ganzen Vorfall als Kleinigkeit abzutun und will sogar aufstehen, doch der Schmerz steht ihr ins Gesicht geschrieben, als sie wieder nach hinten plumpst.  > „Auah, mein Knöcheln“< Die Tränen zeigen sich bereits ungeweint in ihren Augen. Am liebsten würde Del sie packen und schütteln, aber das wäre im Moment wohl eindeutig die falsche Behandlung. Als er ihren verletzten Fuß ergreift, sieht er die Tränen über ihre geröteten Wangen kullern. Er bedenkt sie mit einem vorwurfsvollen Blick, sagt aber bislang noch nichts zu dem Vorfall. Es fällt ihm schwer, aber im Augenblick ist Sira genug gestraft. Vorsichtig zieht er ihren Schuh aus und lässt ihn achtlos im smaragdgrünen Gras neben sich fallen. Er ist kein Heiler und hat auch nur wenig Ahnung von Knochenbrüchen, da ihm bisher keine beschert wurden, aber er glaubt nach dem Abtasten des Beines auch nicht, dass es ernsthaft verletzt ist. Eigentlich erscheint es ihm unmöglich und so wird er sich wohl auch geirrt haben, aber er kann nichts genaueres sagen. Er wirft Rashid einen unsicheren Blick zu und nun untersucht auch der Südländer das Fußgelenk von Sira. Er murmelt etwas von ‚nicht sicher’ und ‚könnte ein Bruch sein oder auch nicht’ und hilft Del somit auch nicht weiter. Sira hat sich immer noch nicht beruhigt. Ihr ganzer Körper erzittert bei jedem weiteren sorgenvollen Schluchzer. Ihre Augen sind stark gerötet und die Angst hat sich fest darin eingenistet. „Tut es sehr weh?“, fragt Del und erhält ein schüchternes Nicken. Ein abfälliges Schnauben, dann schickt er Rashid los, um einen Stock zu suchen. Solange sie nicht wissen, was mit dem Bein ist, sollten sie kein Risiko eingehen.

Del hat schon lange nicht mehr an Janna gedacht, aber er ist sich fast sicher, dass sie ihnen in dieser Situation hilfreich wäre. Selbst wenn sie nur Sira trösten könnte. Del selbst fühlt sich dazu in all seiner Wut über diese Unvorsichtigkeit nicht im geringsten in der Lage und Rashid ist eher ein Mann der schönen Worte gegenüber hübschen Damen, als ein Kleinkind zu trösten. Somit ist Sira in ihrem Kummer recht allein gelassen, als Del ihren linken Fuß mitsamt einem Teil des Bein unter zu Hilfenahme von Stöckern und Leinenstreifen einen provisorischen Verband anlegt. „Du wirst den Fuß nicht benutzen, hast du gehört? Wenn ich dich auch nur einmal dabei erwische, dann gnaden dir die Götter!“ Sira nickt schuldbewusst und wagt es nicht Del anzusehen. Das einzige Glück, dass sie in diesem Fall haben, ist Asha. Das Mädchen ist von der Idee, auf dem Tier zu reiten alles andere als begeistert, aber da sie auch nicht richtig laufen kann, muss sie sich diesem Schicksal ergeben. Sie wagt auch keine Widerworte einzubringen, da sie noch immer auf Dels Standpauke wartet. Denn das diese nicht ausbleiben wird, weiß sie ganz genau. Der ganze Vorfall hat nicht allzu viel Zeit in Anspruch genommen, aber sie trotzdem in ihrer Tagesplanung vollkommen durcheinander geworfen. Ab jetzt würden sie noch langsamer voran kommen und müssen sich auch noch um Sira sorgen. Denn sollte wirklich etwas gebrochen sein und sie noch Wochen durch den Dunkelwald irren, könnte es passieren, dass die Knochen falsch zusammenwachsen und das Mädchen nie wieder richtig laufen kann. „Wir brauchen ein verdammtes Schiff. Ansonsten sind wir noch in zehn Zwölfmonden nicht in Yâshior“, knurrt Del aufgebracht. Wieder herrscht eine angespannte Situation, die allein von dem unglücklichen Vorfall verursacht wurde und sich auch nicht mit dem Abschied von Janna vergleichen lässt. Rashid versucht zwar immer wieder beschwichtigend zwischen den beiden Parteien zu vermitteln, aber Del ist nicht einmal ansatzweise versucht auf einen Vater zu hören, der noch nicht einmal von seinem Kind wusste. Schweigend stapft der kleine Trupp weiter. Wind der zu Asha sonst auch möglichst großen Abstand hält, weicht nicht einen Augenblick von der Seite und knurrt das viel größerer Tier immer wieder an, wenn Sira aufgrund von unsanftem Geschaukel erschrockene Laute von sich gibt.
Am späten Nachmittag schwillt langsam aber beharrlich das Geräusch von fließendem Wasser an. Anfangs lässt sich seine Richtung nur schlecht bestimmen, aber alle drei wissen, dass es unmittelbar aus Norden kommen muss. Nur wenig später rasten sie am Ufer des Eldor und da Sira ohnehin verletzt ist, wird der heutige Marsch vorzeitig beendet. Zwischen den Bäumen werde ihre Zelte aufgeschlagen und am Ufer wird sich erneut um Sira gekümmert. Nachdem ihr Bein vom Verband befreit ist, schickt Del sie zum grünschimmernden Wasser und lässt sie dort die Wunde kühlen. Rashid kümmert sich derweil wieder um das Essen und ein Feuer.
„Und? Verrätst du mir, was du dort oben zu suchen hattest?“ Still und leise taucht Del hinter Sira auf, die sich voll und ganz auf ihren Schmerz konzentriert hat. Seine Stimme verrät seine Gefühlslage nicht, aber das Mädchen sollte ihn nun lang genug kennen, um zu wissen, dass dies kein gutes Zeichen ist.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 03. Dez. 2005, 20:43 Uhr
Leise bewegt sie sich unter den Lianen hindurch, lässt ihre Augen über die grünen Wände schweifen, welche zu ihren Seiten emporwachsen, als wären sie alleine von den Amazonen erbaut worden, um jeglichen Fremden schon von weitem den Blick zu verbieten und Janna ist sich sicher, sie ist nicht mehr allein. Dieses Gefühl beobachtet zu werden hat sich seit den letzten hundert Schritt deutlich verstärkt und dass sie bisher noch keinen Pfeil vor der Nase in einem Stamm stecken hat, hängt wohl allein damit zusammen, dass sie versuchen herauszufinden, was sie als Fremde hier will. Ja, vielleicht bin ich nur Jemand der sich verirrt hat, um den sich niemand mehr kümmern wird, wenn man ihn tötet, ein weiterer, der nicht aus der verruchten grünen Hölle zurück gekehrt ist. Eindrücke schwemmen an die Oberfläche ihrer Erinnerungen, Streifzüge durch dichtes Blätterwerk, durch die Äste der Bäume, durch die mannshohen, zartgrauen Farne, geduckt, wie eine Katze, nahe an der Beute und doch ist sie noch nicht in Sicht. Ihre Nackenhaare stellen sich wie von selbst auf, wenn sie daran zurück denkt und sie ist sich nun sicher, dass die Amazonen sie schon längst gesehen haben, doch selbst sind die Frauen noch nicht zu entdecken. Keine Bewegung verrät sie, kein Rascheln der Blätter, nicht einmal ihr Atem, obwohl kein anderes Geräusch mehr zu vernehmen ist, sogar das Singen der Vögel ist verschwunden unter einem Schleier angespannter Stille. Halt an… denk daran… Halt an! Wie sie es sich selbst befiehlt, hält sie inne, sieht sich aufmerksam um, sich gleichzeitig reckend, um nicht zu wirken, als würde sie sich im nächsten Augenblick an jemanden heranschleichen wollen. Jetzt kannst du noch umdrehen, wahrscheinlich haben sie dich bis jetzt noch nicht erkannt, du könntest dich verirrt haben und jetzt wieder umdrehen… Aber ich muss mich jetzt entscheiden. Jeder Nerv in ihrem Körper ist angespannt, wie die Sehne eines Bogens kurz vor dem Abschuss, als sie im nächsten Moment leise ruft: „Anukis und Amitari zum Gruss!“ Rau und kratzig klingt ihre Stimme, beinahe heiser und Janna kann fühlen, wie ihre Finger zu zittern beginnen. Schnell krallt sie sich noch fester an dem Band ihres Beutels fest und schluckt leer. Die Worte tönen seltsam, die Sprache nicht mehr geheimnisvoll, nicht mehr gewohnt, obwohl sie diese so viele Male gesprochen hat, aber heute, nach zehn Jahren, sind sie ihr fremd und scheinen beinahe lächerlich. „Wer bist du?“

Mit einer ruckartigen Bewegung wendet sich Janna um und kann ihr Herz so laut und wild pochen hören, als würde es gerade den ganzen Wolkenthron hinunter poltern, als sie hinter sich eine grossgewachsene, schlanke Gestalt erblickt, keine zwei Schritt entfernt und mit einer Holzmaske im Gesicht. Absurde, verzerrte Züge, durch das Haar aus Bast noch mehr entstellt und von einer wilden Schönheit. Eine Frau, eindeutig, mit dunkler Haut, die nur an wenigen Stellen von einigen ledernen Fetzen bedeckt werden und um ihre Arme, ihren Nacken und ihre Knöchel winden sich Kettchen aus Krallen, Lederbändchen, Muscheln und all dem, was der Wald seinen Bewohnern noch zur Zierde bieten kann. Janna vermag im ersten Moment nicht zu antworten, dafür wandert ihr Blick über den Speer in der Hand der Frau, dessen Spitze gefährlich auf ihr Gesicht gerichtet ist und nicht ein einziges Zittern verrät, dass diese Frau nicht bereit wäre, sie jeden Augenblick zu töten. Irgendwo in Janna keimt ein Funke Angst auf, Angst gegenüber jenen, die sie zwanzig Jahre ihres Lebens begleitet haben und als wolle sie dieses lästige Gefühl von sich drängen, schüttelt sie zaghaft den Kopf, nur um im nächsten Augenblick flink einen Schritt zurück zu weichen, als die Frau vor ihr näher kommt. „Sprich“, erklingt es von ihrer Gegenüber und es hat verblüffende Ähnlichkeit mit dem Zischeln einer überaus gereizten Schlange. Als wolle sie den letzten Rest an Stolz, der irgendwo in ihr bestimmt noch zu finden ist, zusammenkratzen, reckt Janna ihre Schultern und ihr kühler Blick hält die, im Dunkeln der Maske liegenden, Augen der Amazone fest, bevor sie schliesslich leise spricht: „Janna, dies ist mein Name und ich möchte mit Aethelaya… meiner Mutter sprechen.“ Irgendwo über ihr erklingt ein leises Schwirren und nur mühsam kann sie sich selbst davon abhalten, den Blick neugierig in die Höhe zu richten, um zu erblicken, was sie schon längst ahnt. Die Frau vor ihr zeigt keine Regung, hält den langen Stab weiter fest in den Händen und scheint auch nicht gewillt, sogleich von ihr abzulassen, bis Janna schliesslich ebenso wütend knurrt: „Jetzt.“ Im nächsten Augenblick erklingt hinter ihr Blätterrascheln, sowie das Geräusch von Schritten auf dem weichen Waldboden, die sich nicht zu verstecken versuchen, ganz im Gegenteil, sie verlangen nach Aufmerksamkeit, doch Janna ist nicht bereit sich jetzt umzudrehen, wenn diese Frau vor ihr die Waffe noch nicht gesenkt hat und die Spitze noch immer drohend auf ihre Stirne gerichtet ist. „Janna… Janna?“ Süss klingt die Stimme, hell und frisch, für einen Mann voller Verlockungen und Versprechen, die ihn das Leben kosten können, doch für Janna ist es, als würde sie in diesem Augenblick verlernen zu atmen und ihre Lungen beben vor Schmerzen, als sie den Atem anhält. Plötzlich ist die Spitze des Speeres völlig egal, mit einem Male hat die Gefahr, welche ihr noch immer droht keine Bedeutung mehr und leer schluckend wendet sie sich erneut um, sich selber dazu zwingen müssend, da sonst ihre Beine nicht gehorchen wollen. Gestalten tauchen in ihrem Blickfeld auf, wild und zerrissen, hübsch und fremd zugleich, so bekannt und gleichzeitig unbedeutend, nein, ungewohnt und mitten in der Maskenscharade eine Frau, die ihr zweites Gesicht in der Hand hält und die Janna aus grossen, wasserblauen Augen ansieht.

Einige dunkle, rotbraune Strähnen hängen in ein schmales, eingefallenes Gesicht, das von harten, kantigen Zügen gezeichnet ist und in den Mundwinkel finden sich Fältchen, Fältchen die vorher noch nicht existiert haben, damals vor zehn Jahren. Irgendwie schafft es Janna ein gekrächztes: „Mutter“, zwischen ihren Stimmbändern hindurch zu quetschen, doch sie tritt nicht vor, macht keine Anzeichen, den Abstand zwischen sich und der Frau vor sich zu verringern, dafür ist der Zug um Aethelayas Mund zu fest und zu kalt. Nicht ein Funken Wärme findet sich darin, alles, was Zuneigung und Freude verraten könnte unter einem eisernen Schloss von kühler Reserviertheit verschlossen und Janna ist es, als könne sie ihr Herz hören, wie es in abertausende, feine Splitter zerspringt. „Mutter“, wispert sie erneut, strafft ihre Schultern und lässt nicht zu, dass die bittere Traurigkeit in ihrem Inneren ihr auch äusserlich anzusehen ist, zu sehr weiss sie um ihre Lage, um den seidenen Faden, an dem nun alles hängt. Der Wind säuselt in den Blättern und Janna schafft es nicht ihre Zunge dazu zu bewegen, endlich noch einige wenige Worte hervorzuspucken, ihre Kehle fühlt sich rau an, als hätte man sie mit Sandpapier gewaschen. Mit glasigen Augen starrt sie ihre Mutter an, lässt jedoch von ihr ab, als eine weitere Frau vortritt, kleiner, von athletischer Figur und das schwarze, wallende Haar fällt ihr weit über den Rücken hinab. Janna kann gerade noch verhindern, scharf die Luft einzuziehen, als die Frau ihre Maske hinunter reisst und sie aus goldenen Augen anfunkelt, als trüge sie die heisse Sonne selbst in ihrem Blick. „Janna… die Fremde.“ Abscheu und Verachten triefen aus dem Satz hervor, wie der Saft aus einer aufgeplatzten, dicken Tomate und ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, wandert Janna’s Hand zu dem Dolch an ihrer Seite, doch ihre Fingerspitzen haben noch nicht einmal den Knauf erreicht, als sich eine Spitze schmerzlich in ihren Rücken bohrt. Mit einem Fauchen lässt Janna von dem Dolch ab und wirft einen wütenden Blick über die Schulter, doch die Amazone mit dem Speer, scheint sich über ihren Gemütszustand keine Sorgen zu machen, eher ist es Janna, als hätte sie… nur darauf gewartet? Der Gedanke kriecht wie eine Schlange in ihr Bewusstsein und erst jetzt wird ihr eine winzige Deutlichkeit bewusst, die ihr zuvor entgangen ist. Ruckartig huschen ihre Augen zurück zu ihrer Mutter, welche noch immer wie eine antike Götterstatue zwischen den Amazonen weilt und nicht einmal mit der Wimper zuckt. „Ihr wusstet das ich komme.“ Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung, trotzdem nickt Kijada und schleicht dabei wie eine Raubkatze kurz vor dem Sprung auf ihre Beute, um sie herum, die Augen zu Schlitzen verengt und ihre Stimme klingt wie das bösartige Krächzen eines hungrigen Raben, als sie leise flüstert: „Oh ja, wir wussten das du kommst… aber wo ist meine Tochter?!“

Janna ist, als hätte man ihr mit einem Knüppel eins über den Schädel gezogen und nur mühsam schafft sie es, nach Luft zu schnappen und nicht daran zu ersticken. Mit leicht aufgerissenen Augen starrt sie ihre Mutter an, deren Miene nur noch verschlossener wird, bis sie schliesslich den Kopf abwendet und die Arme verschränkt. Reiss dich zusammen, denk an dein Versprechen! Sich zu fangen, ist jedoch ein schweres Unternehmen und erst nach einigen Momenten, die wohl sehr zum Leid ihrer Glaubwürdigkeit drauf gegangen sind, wendet sie sich schliesslich mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung Kjiada zu, welche abrupt in ihrer Observierung innehält und ihren klaren, direkten Blick furchtlos erwidert. Goldene Augen, wie Shenras Antlitz und in ihnen steht keine Vermutung geschrieben, nein, Janna kann Wissen lesen, Wissen über Dinge, von denen sie nichts wissen dürften und ihr wird schmerzlich klar, dass eine Lüge ihr nichts bringen würde. Ihr Magen wird zu einem eisigen Klumpen aus gequetschten Eingeweiden und trotzdem haucht sie so eisig, wie der nordische Winterwind hervor: „Such sie, wenn du sie haben willst.“ Kijadas ansonsten volle, sinnliche Lippen verziehen sich zu einem schmalen Schnitt in ihrem plötzlich vor Wut blassen Gesicht und Janna kann sehen, wie sehr sich die Amazone beherrschen muss, um die Antwort nicht nonverbal aus ihr herauszubekommen. „Es hat dich doch die letzten zehn Jahre auch nicht gekümmert wo sie steckt, also warum jetzt?“ Hergott, ich kann auch gleich wieder umdrehen, wenn ich meinen Mund so weit aufreisse, mahnt sich Janna murrend und blickt schliesslich wieder zu ihrer Mutter, diesmal keine Mühe habend jegliche Freude selber im Keim zu ersticken und mit fester, beinahe verbissener Stimme fährt sie fort: „Ich bin nur hier, um mein Kind, falls es ein Mädchen sein sollte, bei euch zu lassen.“ Es ist, als würde ein starker Windhauch durch die Frauengruppe fahren, denn einige recken plötzlich neugierig den Kopf, andere entspannen sich und sogar Aethelaya scheint mit einem Male Mühe zu haben, ihre Verwirrung bei sich zu behalten, ob des unvorhergesehenen Grunds für das Auftauchen ihrer Tochter. Die tiefblauen, kalten Augen huschen über Jannas Erscheinung und bleiben auf der kleinen, jedoch bereits deutlich sichtbaren Schwellung ihres Bauches haften und weiten sich ein Stück. Ah, also doch. „Sobald dieses Kind auf der Welt ist, verschwinde ich wieder, das ist ein Versprechen, denn augenscheinlich… bin ich hier nicht mehr willkommen.“ “Niemand ist hier willkommen, der sein Volk im Stich gelassen hat,“ kommt es prompt von Kijada, als hätte sie eine vor Zorn zischende Schlange verschluckt und Janna vermag nur mit belohnenswerter Mühe, die Lautstärke ihrer Stimme so niedrig zu halten, dass nicht gleich er ganze Dunkelwald es hört: „Im Stich gelassen? Nein, ich wollte nur endlich meine Freiheit haben und mich nicht an so ein v…. an all die Regeln binden, die ihr besitzt.“ Damit scheint die schlanke Amazone keineswegs zufrieden zu sein, doch gerade als sie zu einer Antwort ansetzen will, die Augen zu Schlitzen verengt, tritt geräuschlos eine andere, vom Alter gekrümmte Gestalt hinter Aethelaya hervor und gebietet nur mit einem Handwink um Schweigen, auf das sogar die Vögel ihre Gesänge bei sich zu behalten scheinen.

Unwillkürlich, senkt Janna ihren Blick, die Wut in sich brodelnd spürend und muss die alte Frau nicht ansehen, um zu wissen, wer vor ihr steht, denn die krächzende, heisere Stimme verrät Yalaila ohnehin: „Janna… Kind… du bist also gekommen, um unserem Stamm frisches Blut zu schenken, das Blut deiner, deiner Mutter, sowie eurer Vorfahren?“ Obwohl es nach einer Frage klingt, kommt es Janna mehr vor wie eine Feststellung und statt einer Antwort nickt sie nur unmerklich. Die blassgelben Augen ihrer Gegenübers durchdringen sie und ihr ist, als könnten sie den Grund ihrer kümmerlichen Seele betrachten, ohne sich dabei anstrengen zu müssen. “Und du bist hier, um über unser aller Tochter Lorne zu berichten?“ „Nein“, kommt es so heftig von Janna, dass der wilden Frauen sogleich wieder ihre Hände an den Schäften ihrer Dolche, oder an den Stäben ihrer Speere haben, doch Yalaila steht nur still, still wie eine Statue aus dunkelgoldenem Stein, denn ebenso erscheint ihre Haut, die lediglich von einem einfachen ledernen Gewand bedeckt wird, dass an ihren Knien endet, und dünne, aber wahrscheinlich immer noch kräftige Beine zum Vorschein lässt. Sie sieht aus, als würde sie warten, warten bis die Geduld Janna so zermürbt hätte, dass sie doch Antworten geben würde, doch die Schankmaid ist nicht gewillt auf diesen Zeitpunkt zu harren und fügt schliesslich noch mit scharfer Stimme hinzu: „Ihr bekommt mein Blut, aber mit Lorne will ich nichts zu tun haben, denn sie will ebenso wenig etwas von euch wissen, wo ihr sie aufs schmählichste verstossen habt. Also nehmt mein Angebot an, oder lasst mich hier und jetzt wieder umdrehen und dann war es das letzte Mal, dass ich euch begegnet bin.“ “Wir wollen deinen Bastard nicht, es wird wahrscheinlich werden sie du!“ Diesmal ist es eine andere Frau, jünger, doch sie schweigt sofort wieder, als Kijada ihr einen warnenden Blick zuwirft, aber auch Janna lässt es sich nicht nehmen einen Schritt in ihre Richtung zu machen, sie abschätzig zu mustern und schliesslich leise zu knurren: „Du kennst die Gesetze deines eigenen Stammes nicht? Wie schändlich. Frisches, unberührtes Blut, frei von jeder Schuld ist stets willkommen und sollte es wollen und mit ganzer Seele daran glauben, kann es dem Kreis der Amazonen beitreten. Mein ungeborenes Kind ist rein und es ist unschuldig und es wird niemals so werden wie ich, wenn es mich nie erblickt.“ Aufgeregtes Gemurmel durchläuft die Gruppe und die Junge zieht sich mit verzerrter Miene wieder zurück, den Kopf gesenkt, doch in ihrer Miene ist deutlich zu lesen, dass sie darauf nichts zu erwidern weiss. Yalaila hingegen nickt zustimmen, murmelt etwas Unverständliches zwischen ihren Zahnlücken hervor und wendet sich dann um, ohne auch nur noch ein Wort zu sprechen.

Janna wartet, sagt kein Wort, denn ob sie es will oder nicht, sie ist sich vollkommen bewusst, dass jetzt die Entscheidung fällt und obwohl sie es nicht möchte, tauchen Gedanken in ihrem Kopf auf, derer sie nicht Herr werden kann. Hmpf, jetzt ist es zu spät. Beten wir dafür, dass sie mich annehmen. Stille breitet sich aus, schwül und trocken und schluckt leer, um ihre Zunge von ihrem Gaumen zu lösen. Aethelaya beachtet sie nicht, scheint gebannt auf die alte, nein, uralte Schamanin der Amazonen zu starren und beinahe ist Janna, als würde ihre Mutter nur deswegen weg sehen, weil sie den Anblick ihrer längst verlorenen Tochter nicht ertragen kann. Janna kann ihr eigenes Herz irgendwo in ihrem Magen schlagen hören und das Blut rauscht so laut durch ihre Ohren, dass sie sich wundert, dass es sonst niemand bemerkt, doch alle warten nur mit absoluter Ruhe auf das Urteil der Ältesten. Yalaila läuft, geht weiter, verschwindet zwischen den Frauen und schon glaubt Janna zu spüren, wie die Last der Erwartung, wie ein glitschiger, eiskalter Eisblock von ihren Schultern rutscht, als die Alte innehält und belegt, jedoch verständlich flüstert: “Du seist so lange willkommen, bis dein Blut das Licht der Welt erblickt hat.“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 08. Dez. 2005, 19:38 Uhr
Die Reise vorerst auf Ashas schwankendem Rücken fortsetzen zu müssen behagt Sira ganz und gar nicht. Dels Wut macht das Mädchen ungewohnt still, dennoch sträubt sie sich anfangs vehement dagegen, auf Ashas Rücken klettern zu müssen. Aber es hilft alles nichts und ein besonders finsterer Blick des Halbelben sorgt schließlich dafür, dass Sira nachgibt. Kurzerhand wird sie von Rashid auf den Rücken des exotischen Reittieres verfrachtet, wo sie sich verzweifelt festkrallt. Del blickt weiter grimmig drein, doch der Südländer lächelt amüsiert, was Sira dazu veranlasst einen kleinen Rest von Stolz aufzubieten und so gerade und hoch aufgerichtet dazusitzen. Tatsächlich leidet sie unter einer Heidenangst. Zudem verursacht ihr Ashas schwankender Gang sonderbarere Weise ein ziemlich flaues Gefühl in der Magengegend, welches sich nach und nach in Übelkeit verwandelt. Irgendwie gelingt es dem Mädchen trotzdem so lange durchzuhalten, bis Del befindet, dass es Zeit für eine Rast ist und sie in der Nähe des Eldors ihr Nachtlager aufzuschlagen beginnen. Außerdem sorgt Del dafür, dass Sira ihren verletzten Fuß im Wasser des Flusses kühlt, damit die Schwellung zurückgeht und der Schmerz gemildert wird.

»Und? Verrätst du mir, was du dort oben zu suchen hattest?« Das dunkelhaarige Mädchen zuckt ein wenig zusammen, als der Halbelb unvermutet hinter ihr auftaucht, während sie gedankenverloren den schmerzenden Knöchel ins Wasser hält. Schuldbewusst schaut sie auf und schaut ihn mit großen, moosgrünen Augen an, während sie spürt, wie ihr Dels finsterer Blick eine sanfte Röte auf die Wangen treibt. „Es tut mir leid“, murmelt sie leise und schlägt die Lider nieder. „Ich dachte nur … ich dachte … na ja, also wenn man die Stadt der Amazonen finden will, dann muss man nicht am Boden suchen …“ „… sondern in den Baumwipfel hoch über dem Erdboden“, beendet der Halbelb den Satz für sie. Sira kommt nur noch dazu zu nicken, dann bricht auch schon eine Standpauke über sie herein, die sich gewaschen hat. Wie ein Gewitter entlädt sich Dels Wut und dem Mädchen bleibt nichts anderes übrig als es über sich ergehen zu lassen. Schließlich sitzt sie, einem Häufchen Elend gleich, mit bebenden Lippen und glänzenden Augen vor ihm. Es gelingt ihr allerdings irgendwie die aufsteigenden Tränen niederzukämpfen und sogar ein wenig trotzig dreinzuschauen.

Das Mädchen atmet mehrmals tief durch, dann erhebt es sich und humpelt unbeholfen an Del vorbei zum Lager, wo Rashid mittlerweile alles vorbereitet hat und schon auf seine beiden Reisegefährten wartet. „Es tut mir leid, ich weiß, dass es dumm war, was ich getan habe“, erklärt sie nur teils reuig, teils aufbegehrend, „aber du musst mich nicht pausenlos wie ein kleines Kind behandeln. Dass mit dem Sturz war Zufall, du hast doch gesehen, dass ich sehr gut klettern kann.“ Sie wendet sich vollständig ab und geht zum Lager hinüber. Das gemeinsame Abendmahl verläuft Wortkarg, die wenigen Wortwechsel sind kühl und knapp, auch wenn Rashid mehrfach versucht die Stimmung durch den einen oder anderen scherz etwas aufzulockern, vergebens. Sowohl Del als auch Sira zeigen sich von ihrer stursten Seite und schon bald zieht sich das Mädchen kommentarlos zurück und rollt sich auf seinem Nachtlager zusammen, um zu schlafen.

In den nächsten Tagen entspannt sich die Situation nur allmählich. Sira muss weiterhin auf Asha reiten, was leider zur Folge hat, dass sie des Nachts nun wieder von Albträumen geplagt wird, die in ihrer Intensität mit jedem Tag, der vergeht, weiter zunehmen. Dies wiederum zieht einen drastischen Schlafmangel nach sich, sodass das Mädchen bald nur noch eher apathisch auf Ashas Rücken hängt und aus müden, dunkel umränderten Augen in die Welt schaut. Außerdem scheint sie beschlossen zu haben, vorerst nicht mehr mit Del zu reden, was soweit geht, dass sie den Halbelben fast vollständig ignoriert und mit Missachtung straft. Falls ihn dies trifft, so zeigt er dies allerdings nicht und zumindest Sira gewinnt mehr und mehr den Eindruck, dass es ihm sogar ganz recht ist, wenn sie ihn in Ruhe lässt. Dies wiederum stimmt sie aber auch wieder traurig, sodass sie in düstere Gedanken versunken vor sich hinbrütet und sich mehr und mehr in eine Art Teufelskreis verstrickt.
Die Reise an sich vergeht indes nur sehr langsam, denn Siras Verletzung sorgt dafür, dass sie ihr bisheriges Reisetempo nicht beibehalten können. Der einzige Lichtblick, der ihnen in dieser Situation nun noch geblieben ist, ist die vage Hoffnung, dass sie an der Küste ein Schiff auftreiben können, welches sie per Seeweg nach Yashior bringt. Diese Vorstellung erfreut Sira, auch wenn Del nicht sonderlich begeistert zu sein scheint, dass sie nun zur Küste vom Dunkelwald unterwegs sind. So ist es vor allem rashid, den Sira in der nächsten Zeit mit Fragen löchert und sich gespannt anhört, was er ihr über die Küste des Dunkelwaldes zu berichten weiß. Zu gerne hätte sie in diesen Tagen Janna bei sich, die gewiss noch mehr erzählen könnte. Bedauernd lässt Sira die Schultern hängen. Auch wenn sie es gegenüber Del und Rashid zugeben würde, aber sie vermisst die Amazone, denn nun, mit den beiden Männern allein gelassen, fühlt sie sich doch etwas verloren und mit ihren kleinen Sorgen und Nöten allein gelassen. So sehr sie sich jedoch insgeheim wünscht, dass Dancys Pfirsich zurückkommt, es hilft alles nichts. Langsam, aber stetig nähern sie sich der Küste und Sira muss sich an den Gedanken gewöhnen, dass Janna zu den Amazonen zurückgekehrt ist und dort wohl auch bleiben wird.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 09. Dez. 2005, 19:28 Uhr
Wieder vergehen die Tage ungezählt im Dunkelwald. Während außerhalb sicherlich schon erster Schnee in den gemäßigten Breiten gefallen ist, bleibt die grüne Hölle von all dem vollkommen unberührt. Hier gibt es keine Jahreszeiten oder großartigen Temperaturschwankungen. Alles bleibt grün und üppig. Die Bäume und Büsche blühen, während sie gleichzeitig ihre Blätter abwerfen und nirgends zeigt sich auch nur einmal ansatzweise das Gefühl von Kälte. Es bleibt jeden Tag aufs Neue der gleiche Anblick, zwar ändern sich die Farben und Formen, aber letztlich lässt sich der gesamte Dunkelwald auch hier im Nordwesten mit nur einem Wort beschreiben: grün. Der einzige Kontrast bildet der Eldor, der sich breit durch den Boden schlängelt. Sira hat es nach seiner Standpauke vorzugezogen ihn zu ignorieren. Einerseits ist es ihm recht, andererseits bedauert er es, denn es war gewiss nicht seine Schuld gewesen, dass sie wegen ihres Leichtsinns sich verletzt hatte. Aber auch wenn Del das Alter schon längst überstanden haben sollte, in dem man sich zu solchen Reaktionen hinreißen lässt, stimmt er in Siras ignoranten Gehabe ein und tut es ihr gleich. Rashid scheint inzwischen von den beiden ebenso genervt, wie es Sira und Del noch vor einigen Tagen von seinen ewigen Streitereien mit Janna waren.
Die Reise direkt am Ufer des Eldors ist um einiges leichter, als wenn man die verborgenen und zugewachsenen Wege direkt im Wald folgt, doch da Del ständig befürchtet, dass Sira von ihrem Reittier fällt und sich das Wüstenschiff auch alles andere als geschickt anstellt, wenn es darum geht Wurzeln oder Löcher im Waldboden auszuweichen, hat er das Reisetempo der Gruppe stark gezügelt. Es bedeutet zusätzliche Tage in dieser grünen Hölle, aber Del hat keine Wahl, wenn er nicht die Gesundheit des Mädchens zusätzlich belasten will. Außerdem scheint sie in letzter Zeit nicht nur ignorant, sondern auch seltsam verstört. Er bekommt öfter mit, wie sie sich unruhig im Schlaf herumwälzt und über ihren Augen klebt ein fast lebloser Glanz, der ihm immer wieder schmerzhaft das Herz zusammenziehen lässt. Er würde sich bei Sira entschuldigen, aber er hat nichts unrechtes getan und sie muss lernen für ihre Taten auch die Verantwortung zu übernehmen. Da helfen auch keine Tränen der Verzweiflung in der Hoffnung, dass einem nachgesehen wird. Immerhin ist es allein ihr zuzuschreiben, dass sie nun länger verweilen und wirklich auf ein Schiff angewiesen sind. Denn irgendwer muss sich den Fuß angucken und je eher das passiert umso besser. Del befürchtet zwar im Stillen, dass es dafür schon längst zu spät ist, aber wozu gibt es denn Magie in dieser Welt? Irgendeiner dieser Fuchteltypen würde der Kleinen gewiss helfen können. Hin und wieder, wenn das Ufer absolut unpassierbar oder zu schlammig wird, müssen sie doch wieder auf den dichteren Wald in der Umgebung weisen, aber sie bleiben weiterhin in der Nähe des Eldors, denn er führt sie direkt zur Küste und damit zum erhofften Ziel. Aber nur wenn sich ein Schiff in der Nähe zeigt und bereit ist, sie aufzunehmen. Andererseits würde sich der Eldor als Finte erweisen und ihre Hoffnungen eher zerstören. Als Del zu Sira zurückblickt, sitzt sie wie immer vollkommen apathisch auf Asha und kümmert sich keinen Deut um das, was in ihrer Nähe passiert. Sicherlich sieht sie mal hier oder dorthin, aber es liegt Gleichgültigkeit darin, die Del von dem Mädchen so nicht kennt. Er weiß, dass seine Worte sie sicherlich unvorbereitet und hart getroffen haben, aber ihre Klettertour hätte auch schlimmer ausgehen können und bei aller Liebe die er für Sira empfindet, sollte sie eigentlich wissen, dass es sich nur auf diese eine Sache bezogen hat. Aber Del lässt ihr die Zeit zum schmollen und kindischen Ignorieren. Irgendwann würde sie sich hoffentlich selber eingestehen, dass es sinnlos ist. Mit einem leisen Seufzen, wirft er Rashid einen undeutbaren Blick zu und beide Männer setzen ihr Gespräch über die Möglichkeiten, wie man das Schiff auf sich aufmerksam machen könnte, fort.

Es ist wahrhaftig faszinierend und zum vierten oder fünften Mal tritt Del die wenigen Schritte von links nach rechts. Ohne jegliche Vorwarnung hatte der Dunkelwald plötzlich aufgehört und die Küste vor ihnen freigegeben. Eben noch haben sie sich eingehüllt von hunderten von Pflanzen vorgefunden und nun streicht ihnen der kalte Nordwind um die Ohren. Nach Tagen in beinah tropischer Hitze ist die kühle Umarmung willkommen, aber da sie keine passende Kleidung für solche Temperaturen haben, wird ihnen auch schnell kalt und sie ziehen sich vorerst wieder in den Dunkelwald zurück. Als habe jemand eine imaginäre Linie gezogen, hört der Wald knapp hundert Schritt vor der Dunkelküste auf. Dahinter ist nichts. Nur Stein, einige wenige Gräser und vielleicht noch Moose. Direkt an der Mündung des Eldors ist das Gelände flach, aber je weiter den wegführenden Küstenstreifen folgt, umso mehr scheint sich der Boden zu erheben. Del hatte einst in Quyêpla davon gehört, dass die gesamte Dunkelküste aus schroffen, hohen Felsen besteht. Somit hat er stets damit gerechnet, dass der Eldor sich als Wasserfall in das nördliche Meer ergießt. Dass er es nicht tut, kommt ihnen dabei sehr gelegen. Draußen über dem Wasser der Dunkelküste scheint zwar eine trübe Brühe zu hängen, so dass man sie nicht sehen wird, aber mit einem Feuer könnte dieses Problem hoffentlich recht leicht behoben sein. Da sie ungeschützt außerhalb des Dunkelwaldes nicht lange verharren können, wird beschlossen, sich ein Lager zwischen Gebüsch und Baumstämmen direkt am Waldrand aufzubauen. So dass der kalte Nordwind nicht an sie heranreicht, man aber immer noch auf das Wasser blicken kann. Zudem suchen Rashid und Del nach einer geeigneten Stelle für ein Feuer und machen sich auch anschließend daran Unmengen an Feuerholz zu besorgen. Sie vereinbaren, dass sie vier Tage hier warten werden. Sollte sich bis dahin kein Schiff gezeigt haben und sich ihrer annehmen, würden sie den Rückweg einschlagen. An Vorräten mangelt ihnen es dank des Waldes zwar nicht, aber keiner von ihnen möchte für ewig in der grünen Hölle schmoren.
Das Signalfeuer brennt hoch und erzeugt danke des größtenteils frischen Holzes viel Rauch. Eine weitere Tatsache, die ihnen zum Vorteil gereicht. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass der Nebel ihren Rauch schluckt, aber sollte er ein wenig aufklaren, könnten auch weiter draußen fahrende Schiffe sie bemerken.

Die ersten beiden Tage vergehen, ohne dass sich annähernd etwas zeigt, was nach einem Schiff aussieht. Alle drei starren pausenlos auf das Meer hinaus und schon nach kurzer Zeit, glauben sie überall irgendwelche Umrisse in der wabbernden Masse zu sehen. Einmal behauptet Sira felsenfest, dass dort etwas gewesen ist. Sie erklärt zwar ganz nebenbei, dass es kein Schiff gewesen ist, aber es war zumindest etwas zu sehen. Del weiß nicht, ob es irgendwelche Schauermärchen über diese Region gibt, aber er hofft doch, dass hier keine achtarmigen Riesenkraken zu erwarten sind. Weiter im Osten der Immerlande hat man sich dort nämlich ständig solche Geschichten erzählt und Del kann wahrlich darauf verzichten, auf einem schaukelnden Schiff zu sitzen, während unter ihm so ein Viech entlang schwimmt. Die Zeit im Dunkelwald ständig in Bewegung hinter sich zu bringen, scheint Del mit jeder Stunde, die sie sinnlos herumsitzen verlockender. Sie halten zwar ständig Ausschau und besorgen sich etwas zu Essen, aber Untätigkeit lässt sich generell nur eine kurze Weile aushalten. Der Dunkelwald ist zwar groß, aber gerade durch die Vielfalt und unterschiedlichen Stufen im Wuchs, kommt sich Del hin und wieder eingesperrt vor. Unter anderem auch, weil die Welt des Grüns so ganz plötzlich einige Schritt von ihnen entfernt aufhört. Es würde nur noch eine verschlossene Tür fehlen und der Eindruck wäre perfekt. Del weiß nicht, ob die anderen ebenso empfinden, denn sie sprechen nur wenig. Auch Sira hält sich weiterhin im Hintergrund, scheint aber zumindest langsam aufzutauen und lässt sich sogar gelegentlich ein zaghaftes Lächeln entlocken. >“Dort!“< Del zuckt beim aufgebrachten Klang von Rashids Stimme regelrecht zusammen und folgt dann dem ausgestrecktem Arm in Richtung Dunkelküste. Nichts. Nur Nebel, die kahle Küste und das bisschen Grün dazwischen, was sie noch davon trennt. Er will sich gerade an Rashid wenden, dass er solche Bemerkungen ganz gewiss nicht lustig findet, als er auch etwas bemerkt. Nämlich, dass ihr Feuer doch schon beachtlich heruntergebrannt ist und jemand ruhig wieder etwas nachlegen könnte. Doch als er sich erhebt, sieht er erst wirklich was der Südländer gemeint hat. Vielleicht hat er doch nicht so gute Augen wie er bislang angenommen hat, doch nun sieht Del auch den schwachen ovalförmigen Umriss. Er ist recht klein und die Entfernung lässt sich schwer abschätzen. Doch was immer es ist, es bewegt sich auf sie zu. Die anderen beiden springen fast zeitgleich auf und Wind gibt aufgeregtes Gebell von sich, angesteckt durch seine Herrin, die wild umherzappelt. „Bleibt hier!“ Ob Rashid ihm folgt, ist ihm egal, aber er hofft wirklich, dass Sira zurück bleibt. Bei aller Freude, dass man sie entdeckt hat, können sie nicht wissen, wer oder was dort auf zu zukommt. Mit gemischten Gefühlen tritt Del aus dem Wald heraus und bleibt dann bei dem Feuer stehen, um auf die Ankömmlinge zu warten. Der Umriss kommt näher und schält sich schon bald als ein kleines Beiboot aus der grauen, dichten Nebelsuppe. Fünf Mann sitzen dort auf dem kleinen Holzboot. Vier rudern, während der andere die Richtung angibt und eine schwach glimmende Laterne hält. Es ist bereits spät am Abend und ihr Lagerfeuer im Wald muss ebenfalls zu sehen sein, aber es gibt keinen Grund - abgesehen von Winds nervigen Gebelle- zur Annahme, dass sich außer Del noch jemand hier befindet. Und den Hund könnte er dort auch allein zurückgelassen haben.

Jener, der nicht gerudert hat, springt sofort aus dem Boot, kaum dass es am Ufer angestoßen ist, hält seine Leuchte hoch und kommt auf Del zu. Ohne überschwängliche Freude hebt Del die Hand zum Gruß und erwidert so die Geste des Fremden. Er unterdrückt das schadenfrohe Grinsen, als dieser zu ihm aufsehen muss. Die Kleidung des Mannes ist zwar nicht gerade sauber und die Beste, aber sie lässt nicht darauf schließen, was er ist. „Seid gegrüßt“, erklingt seine raue Stimme. „Was tut Ihr hier? Und warum dieses Feuer? Seid Ihr hier gestrandet? Wohl irgend so ein Südländer der meinte, es mit der Dunkelküste aufnehmen zu können, was?“ Ein krächziges Lachen ertönt und wird von weiteren Stimmen aus dem Boot begleitet. Del lässt ihnen ihren Spaß und wendet sich erst an den Mann, als er zur Ruhe kommt. „Nein. Ich bin durch den Dunkelwald gereist, nur leider bin ich durch einen dummen Zufall gezwungen, auf ein Schiff zu hoffen, dass mich nach Yâshior bringt. Ihr reist nicht zufällig in diese Richtung und habt noch Platz an Bord?“ Geduldig lässt Del die musternden Blicke über sich ergehen. Es werden weitere Fragen gestellt, aber noch verschweigt Del den Rest seiner Reisegruppe. Nach einigem Geplänkel weiterer Scherze, über die Del allesamt nicht Lachen kann, da er wohl einfach nicht für diese Fischerwitze geboren ist, ist er sich aber zumindest sicher, dass die Männer keine Plünderer, Piraten oder anderer Abschaum sind, der Sira irgendetwas antun würde. Und so kommt er dann auch mit der Sprache heraus und erklärt den Männern, dass er weitere Passagiere hätte. Die Fischer zeigen sich nur wenig überrascht, vielleicht einfach, weil sie wissen, dass so gut wie niemand allein durch den Dunkelwald reist. Immer ein Auge auf die Fremden führt Del sie zu ihrem Lager, wo sie sich liebend gern am Feuer niederlassen und sich einander etwas ausführlicher vorstellen. Einer der Männer versteht sich sogar etwas mit Heilkünsten und sieht sich Siras Fuß an. Er murmelt etwas in seinen dreckigen Bart, scheint aber nicht besorgt. Sira wirkt alles andere als erfreut darüber, dass sie ihr der Mann so nahe ist und klammer sich beinah ängstlich in Winds Fell. Der Hund knurrt zwar nicht, spürt aber den Unmut seiner Herrin und wirkt leicht angespannt. Gut eine Stunde sitzen sie am Lagerfeuer, während sich der Nebel weiter verdichten, der Abend voranschreitet und sie alle versuchen sich auf die Reisebedingungen zu einigen. Schnell wird aber klar, dass egal wie sie es drehen oder wenden und sich noch so haarsträubende Bezahlungen einfallen lassen, Asha einfach nicht mitkann. Das Tier ist für keine Schifffahrten geeignet und erst recht passt es nicht in das kleine Beiboot. Allein zwar schon, aber damit würde ihnen auch nicht geholfen sein, wenn sie nicht im Wasser nebenher schwimmen wollten. Schweren Herzens wird eine Entscheidung getroffen. Es ist weder an Sira noch an Del oder den anderen zu entscheiden, sondern steht allein Rashid zu. Es ist sein Tier. Er muss wissen, ob er es hier zurücklassen, allein weiterreisen oder es sogar töten will, damit es hier nicht irgendwelchen Raubtieren zum Opfer fällt. Er beschließt allein zurückzureisen. Natürlich protestieren Del und Sira lautstark und geben ihm zu verstehen, dass es gar nicht in Frage kommt, doch der Südländer lässt sich nicht beirren und zeigt einmal mehr die Ähnlichkeit mit seinem Tier, wenn es um den Sturschädel geht. Del weiß, dass Rashid ein erwachsener, halbwegs vernünftiger Mann ist, doch ihn allein durch den Dunkelwald reisen zu lassen, sagt ihm überhaupt nicht zu. Verdammt noch mal. Janna hast du auch allein reisen lassen. Voller Reue meldet sich sein schlechtes Gewissen wieder. Amazone hin oder her, sie war schwanger gewesen und teil seiner Reisegruppe. Es erscheint ihm falsch, Rashid im Vollbesitz seiner Kräfte und ohne körperliche Beeinträchtigungen nicht gehen lassen zu wollen, während er Janna bereitwillig verabschiedet hatte. Aber egal wie sehr er dagegen redet, Rashid lässt sich nicht beirren und weigert sich Asha allein zurückzulassen. „Wenn du meinst“, murmelt Del schicksalsergeben. Er hätte den Südländer lieber an seiner Seite gewusst. Die fünf Männer an ihrem Lagerfeuer mochten zuverlässig und freundlich wirken, aber was sie auf dem Schiff erwartet, weiß Del nicht und nur Wind als Begleitung würde nicht reichen um Sira notfalls zu verteidigen.

Nach den zwei Tagen des Herumsitzens und ewigen Müßiggangs kommt nun wieder Bewegung in den kleinen Trupp. Eifrig sammeln Sira und Del ihre Sachen zusammen. Zwar wurde anfangs noch überlegt, ob sie nicht noch die Nacht hier bleiben sollen, aber die Männer müssen zurück zu ihrem Schiff. Man hat ihnen maximal drei Stunden gegeben, danach würde ihr Schiff ablegen und dann wären sie genauso Gefangene des Dunkelwaldes. Rashid zeigt sich vollkommen unbekümmert, während die anderen beiden ihr Hab und Gut zusammenpacken. Als der Abschied naht, verschwenden die Männer nur wenig Worte. Sie umarmen sich kurz, klopfen sich gegenseitig die Schultern und versprechen gegenseitig, dass sie in Talyra nacheinander Ausschau halten werden, sollten sie dahin zurückkehren. Aber auch überall sonst in den Immerlanden würden sie hin und wieder nach dem anderen nachfragen. Sira fällt der Abschied wieder einmal wesentlich schwerer. Die Tränen kullern eifrig über ihre blassen Wangen. Del glaubt aber trotzdem zu erkennen, dass es ihr leichter fällt, als Janna zurückzulassen. Irgendwann drängeln die Fischer und erneut trennt sich ein Teil der kleinen Reisegruppe. Die Karte überlässt Del Rashid. Er hofft darauf, dass ihn die Fischer unterwegs nicht einfach über Bord werfen und der Südländer kann sie dringender gebrauchen. Bedrückt folgen Sira und Del den Fischen. Wind sträubt sich beharrlich näher als drei Schritt an das Boot zu gehen und erst nach allerhand Getätschel, netten Worten und etwas Trockenfleisch lässt sich das Tier überreden das schwankende Boot zu betreten. Del kann mit dem Hund mitfühlen, denn wohl war ihm noch nie auf diesen unsicheren Gefährten. Er kann nur hoffen, dass er nicht gleich den ersten Tag spuckend an der Reling verbringt. Nachdem Gepäck, die beiden Schiffsgäste und der Hund gut verstaut sind, werden die Ruder ins Wasser gelassen und das Boot vom Ufer abgestoßen, doch gerade als sie losrudern wollen, kommt ihnen eine schlanke Gestalt aus dem Wald ergeben. Eindeutig nicht Rashid, denn dafür ist die Silhouette viel zu schmal und klein. Mit einer Geste gibt Del den Fischern zu verstehen, dass sie noch warten sollen. Als er erkennt, wer sich ihnen nähert ist er mehr als überrascht. Auch Sira scheint ganz aus dem Häuschen und wäre wohl ins Wasser gefallen, hätte Del sie nicht wieder gezwungen sich zu setzen, da man auf solchen Nussschalen einfach nicht rumhüpfen sollte.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 12. Dez. 2005, 14:26 Uhr
Na gut, sie hat nicht gerade erwartet, von den hohen Damen akzeptiert zu werden, geschweige denn in Ruhe dort verweilen zu können und auf irgendwelche netten Worte hat sie nicht zu hoffen gewagt, doch die geballte Ablehnung, die völlige Missgunst und all die Arroganz, die ihr als Fremde entgegenschlägt, raubt ihr nun doch beinahe den Atem. Sogar ihre Mutter und ihre eigentlich gedachte Freundin kehren ihr den Rücken und lassen sie und Hundefänger unter der strengen Aufsicht Kijadas und Anataras alleine, welche sich mehrmals die Mühe machen, Janna unter Einfluss böser Blicke – die mindestens Zyankali enthalten – irgendwelche Informationen über Lorne zu entlocken, doch die Schankmaid schweigt beharrlich und lässt sich auch nicht durch Drohungen aus der Bahn werfen. Die Gespräche gehen jedoch nicht ohne Folgen an ihr vorbei, sondern bewirken, dass sie mehr und mehr Zeit ausserhalb Baile Crobhs verbringt und in jedem Rascheln der Blätter, im jedem Knacken eines Astes, in jedem noch so schwachen Windhauch beginnt sofort eine Verfolgerin zu spüren. Aethelaya schweigt und ignoriert ihre Tochter ohne weiteres und Janna wünscht sich mit einem Male nichts mehr sehnlicher, als mit Rashid in einem der schönsten Streitereien verzwickt, an einem Feuer zu sitzen, zusammen mit Lorne und Del, die sich bereits genervt die Ohren zuhalten. Ihre Gesellschaft war weitaus angenehmer, als diejenige, welche ich jetzt ertragen muss und das... will was heissen. Dies muss sie sich selbst eingestehen, als sie wieder einmal, wie so verdammt oft in letzter Zeit, alleine durch das nahe liegende Gebiet streunt und mit den Händen auf ihrem Bauch, verzückt die Bewegungen, hauchzarten Tritte und frechen Boxhieben ihres Kindes auf unter Haut spürt. Es scheint putzmunter zu sein und diese Tatsache auch sofort allen beweisen zu wollen mit regelrechten Strampelattacken und Purzelbäumen. Ein sanftes Lächeln überzieht ihr Gesicht und ihr Herz flattert, als eine winzige Faust, oder eine kleine Sohle genau den Punkt erwischt, wo gerade ihre Fingerkuppen liegen und eine seltsame Wärme rieselt ihren Rücken hinab und wird zu einem Gedanken, der so urplötzlich kommt, dass sie erschrocken innehält. Ich will dich nicht hergeben. Die letzten fünf Tage sind an ihr vorbeigezogen, in der Hoffnung, die noch folgenden drei Monde, mögen schneller vergehen, doch jeder weitere Moment, in dem sie das Ungeborene in sich spürt, dieses zarte, kleine Leben, wie eine wachsende Blume, beginnt ihre Entscheidung stärker zu wanken und der Wunsch wächst in ihr heran, Talyra niemals verlassen zu haben, oder aber das wahnwitzige Verlangen, Rashid hätte sie einfach an Asha festgebunden und zum Mitkommen gezwungen.

Wo die drei jetzt sein mögen, das ist ihr nicht wirklich klar. Wahrscheinlich werden sie bald die Küste erreichen und dann in Yashiôr sein, denn der Seeweg ist zwar nicht ungefährlich, doch dafür einiges schneller. Fahrig streicht sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, wendet sich um und blickt im nächsten Augenblick einer Holzmaske entgegen, aus deren Schlitzen zwei dunkle Augen hervorblitzen und sie wachsam mustern. Ihre ständige Begleitung, die immer bei ihr ist und auf sie aufpasst, als wäre sie eine Gefangene und dürfte die Stadt nur mit einer Wache verlassen. In Jannas Kopf rattert es und es ist ein Wunder, dass noch keine Rauchwölkchen aus ihren Ohren aufsteigen, denn ihre Nerven und ihre Willensstärke glühen wie Eisen im Feuer, bis... die letzten Bruchstücke reissen, als ob sie von jeher nur aus seidendünnen Fäden bestanden hätten. Ein Knurren kommt über ihre Lippen und im nächsten Augenblick läuft sie an der Wächterin vorbei, stampft mit zornverzerrter Miene zu der Leiter zurück, die in die Höhe zu ihrer temporären Behausung führt und beginnt ohne weiter an ihrer Entscheidung zu zweifeln, ihre Sachen zu packen und nach Hundefänger zu rufen. Fünf Tage lang hat sie diese Ausgrenzung, diese offene Feindlichkeit, diese närrische Ablehnung und diese vermaledeite Ignoranz ertragen, aber sie würde es keinen weiteren Augenblick mehr dulden, da ist es ihr lieber, sich mit einem Wüstenkrieger zu streiten, von einem Halbelben ignoriert zu werden und eine längst verloren geglaubte Amazonennachfolgerin zu beschützen. Unsanft stopft sie ihre Kleidung in den Beutel, hätte dabei beinahe den Kater auch einfach so hineingeworfen, aber er kann sich gerade im letzten Augenblick noch mit seinen Krallen zur Wehr setzen, verstaut den Dolch an ihrer Hüfte, legt sich den Mantel um, legt den Bogen um ihre Schultern, die Pfeile auf den Rücken und wird im nächsten Moment von einer rauen Stimme aufgeschreckt, die beinahe erbost klingt: “Wohin willst du?“ Die Glut in Jannas Innern fängt augenblicklich Feuer und ohne auch nur Luft zu holen, poltert sie lautstark und unüberhörbar los: „WOHIN ich will? Es ist mir völlig egal, solange es sich weit, weit, weeeeiiiit weg von hier befindet." Sie überhört das empörte Zischen hinter sich gefliessentlich, sowie ihre Mutter sie die letzte Zeit hochgradig gekonnt ignoriert hat und dreht sich schliesslich wutschnaubend um, ein Feuer in den Augen, dass jemanden Anders sicherlich längst zu Asche verwandelt hätte: „Du! Ich dachte ich wäre deine Tochter, aber ich bin nur eine Fremde für dich, nur eine verfluchte Abtrünnige, die ihr Volk im Stich gelassen hat und in den letzten fünf Tagen hast du mir mit allen Mitteln, die dir zur Verfügung standen gezeigt, dass ich dir soviel wert bin, wie ein lästiges Staubkorn, dass man leider erdulden muss. Ich glaube, ich werde hier nur geduldet, weil ich mehr über Lorne weiss, als das es für mich gut ist, also erlöse ich euch alle von mir und verschwinde.“ “Das... das kannst du nicht!“, kommt es postwendend und in einem, zwischen Entgeisterung und Verbitterung schwankendem Tonfall zurück und Jannas Zähne knirschen laut, als sie sich ohne Vorsicht an ihrer Mutter vorbeischiebt, den Kater in einem Arm, den Beutel im Anderen, und der etwas grösseren, ihr plötzlich so fremd erscheinenden Frau zuraunt: „Oh doch, ich kann!“ Habe ich sie überhaupt jemals gekannt?

Sie klettert die Leiter hinunter, nicht mehr so behände wie früher, aber immer noch mit einer gewissen Eleganz und spürt scharfe Blicke auf sich ruhen, als sie endlich weichen Waldboden unter ihren Füssen erlangt und erleichtert aufatmet. Diese Kletterzüge sind einfach nichts mehr für sie und mit einiger Skepsis fragt sie sich, wie ihr solch eine Behausung früher hat gefallen können. Da lobt sie sich die Treppen des Pfirsichs, sowie die einfachen, jedoch gemütlichen kleinen Kammern. Einige schlanke, dunkelhäutige Gestalten tauchen zwischen den Farnen, Sträuchern, mannshohen Blättern und Stämmen der Bäume auf, doch keine von ihnen scheint Anstalten zu machen, sie gewaltsam am Gehen zu hindern und ohne sich noch einmal in irgendeine Richtung umzusehen, läuft sie los, gen Nordwesten. Sie hat sich dazu durchgerungen, den wahnwitzigen Versuch zu gestalten, Rashid, Lorne und Del einzuholen, anstatt den ganzen Weg durch den Dunkelwald zurück nach Talyra alleine anzutreten und sich den unzähligen Gefahren, die darin lauern auszusetzen, auch wenn sie irgendwo in ihrem Inneren einen kleinen Zweifel an sich nagen fühlt, ob nicht noch grössere Gefahren an ihrem jetzigen Ziel auf sie warten. Ihre Schritte sind hastig, der Kater läuft aufs gröbste in seinem Stolz verletzt neben ihr her und wirft ihr hin und wieder einen bitteren Blick aus seinen samtgrünen Katzenaugen zu, doch sie ist zu fest darauf konzentriert, sich durch die Amazonen hindurch zu bewegen, ohne dabei einer von ihnen zu nahe zu kommen. Jeder Muskel und jede Sehne in ihrem Körper ist zum Zerreissen gespannt und mehr als einmal, möchte sie einer der Damen die Maske herunterreissen, um die darunter liegende Gleichgültigkeit aufzudecken, doch ist es wohl Glück, dass sie genug Vernunft besitzt, genau das zu unterlassen. Sie lässt die wilden Frauen hinter sich, ohne einen einzigen Blick für sie zu erübrigen und verschwindet in dem grünen Dickicht des Dunkelwaldes, wo sogleich dämmrige Halbschatten und fahles, goldbraunes Sonnelicht sie einhüllen. Wenn sie ihre drei Gefährten noch erreichen möchte, dann muss sie sich beeilen und kann nicht viele Pausen einlegen... was ihr jedoch nicht im Geringsten etwas ausmacht, denn je mehr Abstand sie zwischen sich und ihren ehemaligen Stamm bringt, desto wohler fühlt sie sich in ihrer Haut.

Die Reise vergeht zwischen Hoffnung und einem lauen, jedoch ständig andauernden Gefühl irgendwo in der Magengegend, dass sie einen riesigen Fehler gemacht hat und es besser wäre, sich vielleicht doch den Gefahren des Dunkelwaldes, als den Wiedersehensfreuden eines Halbelben auszusetzen. Sie ist müde, hat wenig geschlafen, fühlt sich ausgelaugt und das Kind lässt seinen Unmut mit mürber Unruhe an ihr aus, bis sie das Gefühl hat, ihr Bauch müsse innerlich sicherlich voll von blauen und grünen Flecken sein. Der Weg ist uneben, manchmal muss sie sich mit ihrem Dolch hindurchkämpfen und ihr Essen besteht hauptsächlich aus kleinen, erlegten Tieren, die sogar ihren plumpen Schritten nicht mehr entkommen konnten, sowie aus den Beeren und Früchten, die in dieser grünen Hölle unberührt und köstlich vor sich hin gedeihen. Also verhungert sie auf keinen Fall und nach einigen Tagen, je weiter sie Baile Crobh hinter sich zurücklässt, desto fröhlicher wird ihr Gemüt und umso mehr hat sie das Gefühl, nicht gleich von einem schweren Stein erdrückt zu werden. Die Küste ist lang, felsig und absolut tödlich und ihr ist auch bewusst, dass sie mehr als nur Glück benötigen würde, um die Drei ausfindig zu machen, bevor sie ein Schiff erwischen. Als sie die  gezackte Küste schliesslich erreicht, sind einige Tage vergangen, doch weder von Del, noch von Rashid und geschweige denn von Lorne oder Asha ist irgendwas zu entdecken, noch nicht einmal ein einziges, verflixtes, angebissenes Blatt. Ihre Füsse sind müde, ihr Rücken pocht und am liebsten würde sie sich einfach hinsetzen, sich in ihren warmen Unhang einmümmeln und tief und fest für die nächsten Jahre schlafen... und erfrieren, was ihr dann doch wieder nicht sonderlich gefällt. Grummelnd und knurrend setzt sie einen Fuss vor den Anderen, hält sich weitmöglichst von der steilen Klippe fern und doch muss sie verfluchte zwei lange Tage an dem lebensfeindlichen, scharfen Abgrund entlang laufen – der Kater jault ihr die Ohren voll, bis sie ihn wieder in ihrem Beutel setzt – bevor sie eines Abends in der Ferne ein schwaches, flackerndes Licht erkennt, das jedoch noch einige Schritte entfernt ist. Hier Distanzen abzuschätzen ist ihr schlichtweg unmöglich und so lässt sie jeglichen Versuch zu rufen, oder die Leute, die sich dort befinden müssen, auf sich aufmerksam zu machen sein.

Bitte, bitte, bitte, bitte lasst es bei allen Göttern Del, Lorne und Rashid sein. Wirklich, ich werde mich sogar mit Asha gut stellen und auch nie mehr ein böses Wort in den Mund nehmen, aber ich flehe euch an, lasst es sie sein. Je näher sie dem Lager kommt, desto schneller werden ihre Schritte, desto heftiger klopft ihr Herz und desto stärker wird der Drang, auf der Stelle kehrt zu machen und sich von einer Gruppe ausrastender Amazonen zerfleischen zu lassen. Das letzte Stück muss sie jedoch durch den Wald gehen, denn die Klippe ist plötzlich unterbrochen und beinahe wäre sie kopfvoran in einen Abgrund gefallen, der sie wie die Hölle aufgesogen und wahrscheinlich nie mehr ausgespuckt hätte. Zu ihrem Glück, dass zumindest ihr Kater ansatzweise an seinem Leben hängt, und jaulend und fauchend auf die drohende Gefahr aufmerksam gemacht hat, gerade früh genug, bevor Janna mit einem närrischen Grinsen hinein gestürzt wäre. Die letzten Schritte bringt sie beinahe rennend hinter sich, schlägt Farnen, Blätter, Aeste und sonstiges Grünzeug aus der Sicht und keucht dabei vor Anstrengung. Das Ufer, welches sie hier erreicht, ist zu ihrer Überraschung flach und grenzt direkt an die kalte, graugrüne See, die den aufgewühlten Himmel in seinen rauschenden und von nebelberhangenen Wassern widerspiegelt. Der Kater neben ihr rennt mit einem Male wie von einem irren Floh gebissen davon und ein heiseres Bellen aus dem grausilbernen Dunst, lässt den Stein auf ihrem Herzen zu Splittern zerbersten und ein erleichtertes Aufatmen geht durch ihren Körper, als sie auch schon Dels hoch aufgerichtete, kräftige Gestalt erkennt und hinter ihr einen schwarzen Schopf, der immer wieder aufspringt und wieder zurückgedrückt wird, da das kleine Boot jetzt schon gefährlich schwankt. Sira ruft freudig aus, winkt wild, Del hingegen scheint von der *freudigen* Überraschung ihres plötzlichen Besuches so eingenommen zu sein, dass er es nicht schafft, seinen Kiefer wieder zuzuklappen. Janna kann nicht anders als Grinsen, sie kann nicht anders als sich freuen und am Liebsten wäre sie dem Halbelben jetzt sofort um den Hals gefallen und hätte sich beim Schicksal und allen Gottheiten zugleich für diese wunderbare Fügung bedankt. Stattdessen läuft sie ohne weiter nachzudenken in die dunkle und wahrhaftig eiskalte Flut hinein und watet bis zur Nussschale vor, wo ihr von einigen Männer auch sofort ins schaukelnde Innere geholfen wird, wo auch der Kater schon sitzt, pudelnass bis über die Schwanzspitze und sich verträumt miauend an einen aufgeregt winselnden und heiser bellenden Wind zu schmiegend, der ebenso erfreut zu sein scheint, seinen Streitpartner wieder zu haben. Unter einigem Ächzen schafft es Janna ihr Gleichgewicht zu behalten und hat im nächsten Moment damit zu tun, nicht gleich wieder rückwärts über den Rand hinaus zu purzeln, als Sira mit einem Male an ihr klebt, wie eine Biene am Honig. Lachend lässt sie ihren Beutel fallen und schlingt die Arme um den zierlichen Leib des Mädchens, heilfroh es gesund und überaus munter wieder zu sehen und zärtlich streicht sie Sira durch die salzverkrustete Flut an schwarzen, wilden Locken, die vertrauensvoll an sich drückend, ohne dabei aufhören zu können vone inem Ohr zum Anderen zu lächeln. „Ich gebe es ja nur ungern zu, aber das ist bisher der schönste Moment auf der ganzen Reise .“ Sira gibt nur einige erfreute Quietschlaute von sich, nickt heftig und erst als Janna sie sanft von sich schiebt, lösen sich die Beiden voneinander und Jannas Blick fällt auf den Halbelben, der sich zwischenzeitlich wieder gesetzt hat und sie beinahe skeptisch mustert. „Ich weiss, ich weiss. Du fragst dich zu Recht, was ich hier mache und ich werde euch au...“

Mit funkelnden Augen sieht sie sich um, sucht unbewusst nach einem dritten Gesicht und wirkt leicht verdattert, als es nirgendwo auftaucht. Fragend ziehen sich ihre Augenbrauen zusammen und Sorge, so dunkel wie die Nacht, huscht über ihre Züge. Wo ist Rashid? Aber auch Asha ist nirgendwo zu entdecken und in ihrem Inneren bildet sich ein Eisklumpen, der ihre Innereien auf den Kopf stellt: „Wo... ist Rashid? Ist ihm etwas geschehen?“Del kommt jedoch nicht dazu, zu anworten, da Sira sofort beginnt über Asha zu lästern, wegen welchem Rashid nicht hatte mitkommen können und der Wüstenkrieger wäre alleine zurückgelaufen, durch den Dunkelwald und er hätte ihnen aber versprochen, sie irgendwann wieder in Talyra aufzusuchen und sie sollen gefälligst alle auf sich aufpassen und sie fände das überhaupt nicht lustig und ihr wäre es lieber gewesen, er hätte Asha niemals dabei gehabt. Sira redet ohne Punkt und Komma, holt - Janna kann einen kleinen Funken Bewunderung nicht unterdrücken - nicht ein einziges Mal Luft und die Schankmaid fühlt sich plötzlich wie erschlagen. Er ist also... weg. Weit weg und vielleicht sehe ich ihn nie wieder. Ich... Sie findet keine Worte und ihrer Miene ist deutlich zu entnehmen, dass sie enttäuscht ist... und auf seltsame Art und Weise auch traurig. "Das ist schade, ich hatte gehofft..." Ja, was hatte ich gehofft? Dass ermir verzeiht und mich mit einem Lächeln in die Arme schliesst. Ich Narr! Sie bemüht sich um etwas weniger Offenheit in ihrem Gesicht, doch es will ihr nicht gelingen und so tritt sie zu Del vor und umarmt ihn im nächsten Augenblick, die Männer dabei nicht beachtend, welche sich allesamt ein breites Grinsen zuwerfen. Vorsichtig drückt sie den Halbelben an sich und flüstert mit unüberhörbar spöttischem, jedoch ebenso erfreuten und glücklichen Unterton: "Weisst du eigentlich, wie sehr man den Streit mit euch vermissen kann?", nur um sich dann mit einem breiten Schmunzeln von ihm zu lösen und neben Lorne Platz zu nehmen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 14. Dez. 2005, 22:25 Uhr
Das kleine Beiboot will sich gerade in Bewegung setzen und endlich zu der bereits wartenden Karavelle hinüberfahren, als vom Ufer her eine ziemlich herrische Stimme ein geradezu gebieterisches „Halt“ über das Wasser schmettert. Sowohl Del, als auch Sira zucken erschrocken zusammen. Janna richtet sich sogleich abrupt auf und hebt den griffbereiten Bogen. Das Boot schwankt einmal mehr bedenklich und die Bootsmänner fluchen deftig. Die junge Amazone lässt sich davon jedoch nicht beeindrucken. Mit grimmiger, entschlossener Meine sieht sie der Ruferin, die am nahen Strand steht, entgegen. „Wag es ja nicht näher zu kommen!“, schleudert Janna der unbekannten Frau, ganz eindeutig ebenfalls eine Amazone, welche gleichfalls ziemlich erbost aussieht, entgegen.
Zorn funkelt in den Augen der Fremden. Diese dahergelaufene, falsche Natter, geht es der Frau am Ufer durch den Kopf. Will also nichts genaues von meiner Tochter gewusst haben! Sie schüttelt den Kopf aufgebracht, sodass ihre dunkle Lockenpracht leicht im rauen Seewind flattert. Die Wut in Jannas Augen verschafft der Amazone zumindest etwas Genugtuung. Es ist offensichtlich, dass die Jüngere angenommen hatte, all ihre Verfolgerinnen erfolgreich abgeschüttelt zu haben. Wäre dies ihre Art, die Ältere würde jetzt hämisch lachen, stattdessen hebt sie nur eine Hand an den Mund, als sie auf Jannas Zuruf reagiert. „Willst du mich etwa hindern? Lorne ist mein Fleisch und Blut, vergiss das nicht!“

Bei der Erwähnung dieses Namens, der angeblich ihr eigener ist, zuckt Sira überrascht zusammen. Ihre Augen weiten sich voller Erstaunen und sie starrt die Amazone am Strand plötzlich unverwandt an. Die Worte der Frau hallen noch in ihrem Kopf wieder. »…. Mein Fleisch und Blut …« Verstört sieht das Mädchen die Fremde an. Wenn sie die Wahrheit spricht, dann … Ist das etwa meine Mutter? … Kijada … Der Name kommt Sira von einem Moment auf den anderen in den Sinn. Nach diesem ersten Schrecken macht sich Enttäuschung in ihr breit: da ist kein erkennen, keine Erinnerung, kein Gefühl … nichts. Die Frau am Ufer bleibt für sie eine Fremde. Trotzdem streckt Sira unbewusst eine Hand nach Janna aus und versucht sie durch eine einfache Berührung dazu zu veranlassen den erhobenen Bogen wieder zu senken, dabei sieht sie nach wie vor zu ihrer Mutter hinüber.
„Was willst du?“, ruft sie der Amazone zu. „Dich zurückholen“, lautet die einfache, nüchterne Antwort. Sira schüttelt bei diesen Worten unweigerlich den Kopf. „Nein, ich werde nicht mitgehen!“, erklärt sie fest entschlossen. „Ich erinnere mich weder an dich noch an Baile Craobh!“ Es folgt Schweigen auf beiden Seiten. Kijada sieht ihre Tochter fassungslos an. „Was hast du noch alles vor uns verheimlicht“, fährt die Amazone Janna schließlich mit einem Mal aufgebracht an. Doch bevor diese darauf eine Antwort geben kann, betritt ein weiterer Neuankömmling den Platz des Geschehens und taucht am Strand, unweit von Kijada, auf.

„Rashid!“, erklingt Siras erstaunter Ausruf und das Mädchen springt auf, was die Bootsmänner dazu veranlasst, ein paar ruppige Bemerkungen von sich zu geben, sodass Del sich wiederum veranlasst sieht, dass Mädchen zu Achtsamkeit und etwas Ruhe zu ermahnen. Im nächsten Moment richten sich alle Blicke mit einem Schlag auf den Südländer und Asha, sein exotisches Reittier, welches selbstverständlich neben ihm steht. Die beiden sind in einiger Entfernung zu Kijada stehen geblieben und sehen wie diese zum Boot hinüber.
Rashid und Asha hatten sich noch nicht weit vom Strand entfernt, als sie erst Janna und wenig später die reichlich aufgebrachte Kijada in Richtung Küste hatten vorüberstürmen sehen. Kurz entschlossen hatte der Südländer daraufhin seine Pläne wieder über den Haufen geworfen und war den beiden Amazonen in einigem Abstand - So schnell Ashas es eben zuließ. – gefolgt.
Nun steht Rashid breit grinsend da und schaut amüsiert zwischen dem Boot und Kijada hin und her. „Kann man Euch denn nicht einmal für fünf Minuten den Rücken zukehren, ohne das Ihr neue Probleme anzieht?“, ruft er Del lachend zu. Dieser verdreht entnervt die Augen, macht sich jedoch nicht die Mühe, irgendetwas zu erwidern. Weitere Worte erscheinen eh völlig zwecklos.

„Ich werde nicht ohne Lorne nach Baile Craobh zurückgehen!“, verkündet Kijada abrupt mitten in diese sonderbare Situation hinein und steigert die herrschende Spannung damit noch einmal um einiges. Die Bootsmänner fluchen wieder einmal leise, allmählich werden sie immer ungeduldiger und drängend zu, zur Karavelle hinüber zu rudern. Längst überlegen die Männer, ob es nicht doch günstiger für sie wäre, wenn sie den Halbelben und seine Begleiter doch an der Küste zurücklassen und alleine zum Hauptschiff zurückkehren, sollten sich doch andere Seefahrer mit ihnen herumärgern. Sicherlich würde dies weniger Probleme bedeuten und so stellen sie die kleine Gruppe schließlich vor die Wahl: Entweder an der Küste zurückbleiben oder endlich zum Schiff hinüberrudern, immerhin ist Zeit Gold wert. „Trefft Eure Entscheidung“, knurrt einer der Männer. „Wenn Ihr schnell nach Yashior wollt, dann gut, wir nehmen Euch mit. Ansonsten … Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“, bringt der Mann es auf den Punkt. Schweigen. Hin und her huschende Blicke.
„Wir fahren mit Euch“, erklären Del und Janna schließlich wie aus einem Munde. Auch Sira nickt und Wind und Hundejäger bellen beziehungsweise miauen bestätigend. „Lorne!“ Kijadas Stimme hallt über das Wasser. Siras Kopf ruckt herum, als sie wieder diesen fremden Namen hört. Sie sieht die Amazone, ihre Mutter, an. Fast trotzig schüttelt sie den Kopf. „Nein!“, erklärt sie mit fester Stimme. Einen Moment lang scheint Kijada zu zögern und um eine Entscheidung zum ringen. Schließlich trifft die Frau aus Baile Craobh ihre Wahl. „Ich komme auch mit“, verkündet sie entschlossen und noch bevor Janna es verhindern kann, hat sie die kurze Distanz zum Boot überwunden und springt mit einer eleganten, katzenhaften Bewegung ins Bootsinnere. Sofort will Janna wider ihren Bogen heben, aber Sira tritt entschieden dazwischen. Sie sieht nur zwischen den beiden Frauen hin und her, ohne etwas zusagen, aber ihr Blick spricht Bände, im Augenblick ist ihr nicht nach weiterem Streit zu mute.

Wieder richtet sich die Aufmerksamkeit nun auf Rashid. Unentschlossen sieht der Südländer zwischen Asha und dem Boot hin und her, dann zuckt er mit den Schultern. „Ach was soll’s.“ Schnell hat er Asha von seinem Gepäck befreit und wirft es einem der Bootsmänner zu, die es auffangen und im Boot verstauen. Der Südländer klopft seinem Reittier noch einmal den kräftigen Hals, sagt irgendetwas, was niemand der übrigen Anwesenden versteht, sich jedoch sehr nach einer Verabschiedung anhört und begibt sich dann ebenfalls in das Boot, welches nun doch bedenklich vol erscheint. Die Bootsmänner brummen etwas und langsam setzt man sich in Bewegung. Angespannte Stille, die sich erst legt, als Rashid mit den Seemännern zu plaudern beginnt, breitet sich aus. Endlich an Bord des Hauptschiffes angelangt, hat der Südländer bereits wieder einen neuen Handel abgeschlossen. Irgendwie – Eine beachtliche Geldsumme spielte dabei sicherlich eine nicht unbedeutende Rolle. – ist es ihm gelungen zwei Mann der einfachen Besatzung dazu zu überreden, die Reise an dieser Stelle über Land fortzusetzen und Asha zu irgendjemand, den Rashid kennt, nach Qyêpla zu schaffen, wo der Südländer sein Reittier in einigen Monden wieder würde abholen können. Somit ist nun auch dieses Problem endgültig gelöst, die Gruppe wieder komplett und sogar um ein weiteres Reisemitglied größer und man kann den Weg nach Yashior endlich fortführen.

Dass nicht alle mit der neuen Situation zufrieden sein dürften, ist dabei klar. Sira zumindest weiß nicht so recht, was sie nun genau davon halten soll, dass ihre Mutter offenbar wild entschlossen ist, sie nach Yashior zu begleiten. Immer wieder mustert das Mädchen die Amazone von der Seite. Kijada ist nicht übermäßig groß, obwohl sie, soviel kann man erkennen, wohl ebenso wie Del ein wenig elbisches Blut in sich tragen muss. Goldhonigfarbene Augen funkeln in einem fein geschnittenen, aber sehr ernsten Gesicht, welches von dunklen, wallenden Locken umrahmt wird. Ihre Herkunft sieht man der recht kriegerisch wirkenden Frau deutlich an und die anwesenden Seefahrer scheinen wenig begeistert, eine leibhaftige Amazone an Bord zu haben, auch wenn sie nicht wagen, etwas zu sagen. Trotzdem merkt man, was die Männer allesamt denken: Eine Frau an Bord bringt Unglück! Und im Augenblick befinden sich sogar gleich drei Exemplare dieses tückischen Völkchens an Bord der Handelskaravelle.

Titel: Re: Windspiel &#8211; Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 16. Dez. 2005, 08:42 Uhr
Rashid stapft eine Weile allein durch den Wald, am Fluß entlang, wo das Fortkommen deutlich weniger beschwerlich ist, als sich mit einer Machete durch das Grün des Dunkelwaldes zu arbeiten. ''Na Asha, mein alter Junge. Warum hast Du auch keine Flügel?'' Das empörte Röhren, das das Dromedar, lässt den Südländer Schmunzeln, doch hilft es ihm nicht über die Tatsache hinweg, dass er Del und Sira nur ungern zurückgelassen hat. Eine Reisegemeinschaft ist eine Reisegemeinschaft, selbst wenn es in ihrer vielleicht mehr Wortgefechte gegeben hat als üblich. Schon Janna gehen zu lassen ist ihm mehr als schwer gefallen, doch er hatte alles versucht, um sie davon abzuhalten. ''Ok, ich hätte sie über Ashas Rücken werfen und festbinden können!'', knurrt er halblaut zu sich selbst, während er mit einer Hand die lästigen, blutsaugenden Insekten verscheucht, die zu tausenden an den Ufern des Flusses leben und nur auf ihn gewartet zu haben scheinen. Dieses störrische Maultier von einer Frau! Tiefe Falten zerfurchen sein Stirn beim Gedanken an Janna, einen Gedanken, den er in den Tagen seit ihrer Trennung möglichst weit von sich fortgeschoben hatte. Er war nie der Typ gewesen, der einer Frau lange ein Träne nachgeweint hat, auch wenn es sicher einige gegeben hatte, mit denen er mehr als bloß das Lager geteilt hatte. Aber diese verschrobene, streitsüchtige, halsstarrige, verdrehte...., ihm gehen die Worte aus, um sie zu verteufeln, ...süße, leidenschaftliche, schöne Frau treibt mich noch in den Wahnsinn! Unentschlossen bleibt er stehen und sieht zurück in Richtung Strand, wo vermutlich gerade Del und Sira mit ihrem wenigen Gepäck die Nussschale besteigen, um abzulegen. ''Asha, Du musst ohne mich zurück nach Qyêpla. Ich will verdammt sein, wenn sich mit Geld keiner der Männer an Bord dazu bewegen lassen will, Dich zurück zum Karawanenhof zu bringen! Und Du passt mir ja auf Dich auf! Wenn ich Dich später suchen muss, und Du stehst irgendwo widerkäuend auf einer gottverlassenen Wiese, kannst Du was erleben!''

Eiligst wendet Rashid sich wieder in Richtung Strand und hofft, dass er noch nicht zu spät ist, um doch noch eine Passage auf dem Schiff zu ergattern. Als er den Starnd schon fast erreicht hat, die Vegetation wird schon lichter und weicht vor dem weißen Sand zurück, hört er ein schneidendes >>Halt!<< Verwundert über den Klang einer zweifellos weiblichen Stimme wendet er sich an Asha: ''Das wollte ich doch gerade rufen?!'' Der Wüstenkrieger beschleunigt seine Schritte, um der fremden, weiblichen Stimme auf den Grund zu gehen, denn auch wenn kurz der Funke Hoffnung in ihm keimt, es könnte Jannas Stimme gewesen sein, weiß er genau, dass sie anders klingt. Wie mit einem Messer gezogen endet der Dunkelwald schlagartig und geht nahtlos in den Sandstrand über. Vor Rashid liegt ein Bild, das er zweimal betrachten muss und ungläubig mit den Augen blinzelt. An der Wassergrenze steht eine kriegerische Frau, keine 5 Schritte vom Ruderboot entfernt, in dem sich neben Del, Sira und einigen Seeleuten noch eine weitere Frau befindet und mit einem Bogen auf die Frau am Strand anlegt. Janna! Aus dem kleinen Disput zwischen Sira, der Fremden und der Schankmaid des Pfirsichs, lässt sich unschwer ableiten, dass es sich bei der fremden Amazone um Siras Mutter handeln muss...oder vielmehr Lornes Mutter, wie die Kleine an Dels Seite wohl nun tatsächlich heißt. Ich wußte es!, lobt sich Rashid in Gedanken ein wenig selbgefällig, während er seine Auftritt genießt, als er sich nähert und Sira mit ihrem Ausruf >>Rashid!<< auf ihn aufmerksam macht. ''Kann man Euch denn nicht einmal für fünf Minuten den Rücken zukehren, ohne das Ihr neue Probleme anzieht?'', stichelt er ein wenig amüsiert, wobei Del wie gewohnt leicht genervt die Augen verdreht. >>Ich werde nicht ohne Lorne nach Baile Craobh zurückgehen!<<, verkündet die Amazone kategorisch, ohne sich weiter an Rashid oder seinem unförmigen Begleiter zu stören und ist schneller ins Boot geklettert, als einer der Männer etwas dagegen unternehmen könnte. Drei Frauen und zwei Männer., geht es Rashid schmunzelnd durch den Kopf, Es gibt schlimmere Verhältnisse! Die Freude Janna wiederzusehen, lässt ihn die Anspannung, die in der Luft liegt, völlig ignorieren und zerstreut seinen letzten Zweifel, Asha von jemand anderem zurück nach  Qyêpla bringen zu lassen.

Schnell ist sein Gepäck von Ashas Rücken losgezurrt, und zum Boot herüber geschafft, das bedenklich schaukelt, als er seinen massigen Körper über die Bordwand hievt. ''Na, habt ihr mich schon vermisst?'', fragt er wohl gelaunt, auch wenn ihm im Grunde alle Gesichter an Bord mehr oder weniger finster entgegen blicken. >>Wenn Ihr schnell nach Yashior wollt, dann gut, wir nehmen Euch mit. Ansonsten... Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.<<, fordert einer der Seemänner mürrisch, während Del und Janna wie aus einem Munde >>Wir fahren mit Euch!<< erklären. ''Waren wir uns jemals so einig?!'', fragt Rashid mit sonnigem Humor in die Runde, wobei in Jannas Augen ein Halt ja den Mund! aufblitzt, doch in ihrem Blick liegt noch mehr. Da ist ein Funken Freude. Vielleicht die Freude ihn zu sehen? ''Wo wir gerade bei Reise sind, wendet er sich an einen der Seeleute und beginnt ein wildes Feilschen um den ''kleinen'' Dienst, sein treues Reittier nach Qyêpla zu bringen, das damit endet, dass sein Geldbeutel deutlich leichter wird, aber er zumindest sicher sein kann, dass die Summe neben seinen Drohungen ausreichend hoch ist, um Asha unbeschadet dort ankommen zu lassen. ''Da ihr uns wohl eine Weile begleiten werdet, darf ich mich Euch vorstellen?'', wendet sich Rashid an Bord der Karavelle an die Amazone, ''Mein Name ist Alat Rashid Ibn Tarfaya, aber nennt mich doch einfach Rashid.'' Mit einem hochmütigen Blick wirft Kijada ihre schwarze Lockenpracht, die sie zweifelsfrei an Sira vererbt hat, in den Nacken und schreitet wortlos an ihm vorbei. >>Dein erster Eindruck auf Frauen war auch schon mal besser!<<, raunt ihm Del belustigt zu, als er neben ihn tritt, um Kijada nachzublicken. ''Ich würde nicht davon ausgehen, dass Du einen Stein bei ihr im Brett hast!'', gibt Rashid grinsend zurück. Dann ist erstmal die Zeit, um das Wiedersehen gebührend zu zelebrieren, wobei Sira das am stürmischsten tut, während Janna ihm ein >>So sieht man sich also wieder!<< schenkt. ''Hast Du geglaubt, so leicht wirst Du mich los?'' Das Funkeln in seinen Augen, während er sie betrachtet, wobei seine Augen auch auf ihrem deutlich gewölbten Bauch einen Moment verharren, spricht deutlicher als sein Lächeln, dass er sich freut, sie wiederzusehen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 19. Dez. 2005, 14:04 Uhr
Seit Janna so plötzlich und unerwartet am Ufer wieder aufgetaucht ist, gehen die Ereignisse einfach zu schnell für Del vorbei. Er will Fragen beantworten oder welche stellen, Janna ins Boot helfen, die Tiere zur Räson bringen oder sich einfach von dem gelinden Schock, dass sie hier wieder aufgetaucht ist, erholen, aber er kommt nicht einmal in Gedanken dazu, etwas davon auszuführen. Stattdessen sitzt er einfach vollkommen überrumpelt auf der kleinen Holzbank, hört Siras Geratter bezüglich Asha und Rashid zu und wirft verwirrte Blicke in Jannas Richtung. Je mehr das schwarzhaarige Mädchen erzählt, umso mehr verschwindet die unterdrückte Sorge um Rashid aus den Augen der ehemaligen Amazone. Schlau wird Del aber nicht daraus. Er hat ja schon von einigen eigenartigen Liebschaften gehört, aber sich erst wochenlang beinah pausenlos zu fetzen, um sich dann um den anderen zu sorgen, nur weil er nicht anwesend ist, erscheint ihm doch... seltsam. Egal wie viel Mühe er sich auch gibt, er wird einfach nicht schlau aus der Frau. Erst recht nicht, als sie jetzt an ihm klebt. >"Weisst du eigentlich, wie sehr man den Streit mit euch vermissen kann?"< Janna halb auf dem Schoß, ignoriert Del jeden gut gemeinten Ratschlag der Männer um ihn herum. Sollen sie doch denken was sie wollen. Weder ist Sira sein Kind, noch das was sich unter Jannas Herzen versteckt und genauso wenig hegt er Interesse an Janna, die sich nun - den Göttern sei es gedankt- von ihm löst. Er zuckt nur gleichgültig mit den Schultern, denn er ist noch immer viel zu überrascht, um überhaupt etwas sagen zu können. Das es jedoch noch schlimmer werden kann, hätte er nicht getan, wird aber binnen kürzester Zeit eines besseren belehrt.

Nachdem mehr oder weniger alles rasch geklärt wird und den Fischern klar ist, dass sie jetzt einen weiteren Passagier haben, wird sich erneut zum Aufbruch bereit gemacht. Jannas Gepäck wird unter den Bänken verstaut und sie bekommt den Platz gleich neben Sira zugewiesen. Die Männer fragen murmelnd noch nach, ob noch weitere Passagiere zu erwarten wären, aber Del schüttelt nur mit dem Kopf, was als endgültiges Signal zum ablegen angesehen wird. Die Ruder werden jedoch erst zweimal ins Wasser getaucht, als sie dieses Mal eine Stimme vom steinigen Ufer anzuhalten gebietet. Ruckartig richtig sich die Aufmerksamkeit aller auf das Ufer. Niemand in dem kleinen Boot hat den leisesten Schimmer, woher die zweite Frau kommt, doch Janna scheint sie zu erkennen. >„Wag es ja nicht näher zu kommen!“< Mit jeder Sekunde die weiter verstreicht, hat Del das Gefühl, dass er etwas verpasst hat. Möglicherweise auch nur den Wink der Götter, dass er diese Reise hätte nie antreten sollen. Nichts, aber auch gar nichts scheint so zu laufen, wie es anfangs geplant war und was diese Frau jetzt von ihnen will, das mögen wohl nur die Götter wissen. Wobei sich Del da auch schon nicht mehr so sicher ist, denn Janna wirkt bestens informiert. Er betrachtet die Fremde am Ufer, aber mit dem Licht des Feuers in ihrem Rücken ist von ihr nicht viel mehr als ein dunkler Schemen zu erkennen. Die Silouhette verrät aber eine hochgewachsene Frau mit Locken und recht knapper Kleidung. Eine Amazone?, schießt es Del durch den Kopf und eine weitere Erkenntnis gesellt sich dazu. Ganz langsam, so als würde eine zu schnelle Bewegung diesen Gedanken fortwischen, dreht er sich zu Sira und genau in dem Moment ertönt die Stimme der Fremden erneut. >„Willst du mich etwa hindern? Lorne ist mein Fleisch und Blut, vergiss das nicht!“< Aus großen Augen starrt er zu Sira(Lorne), dann zu der Fremden und wieder zurück zu dem Mädchen im Boot. Deine Mutter?, fragt sein Blick und mehr denn je, hat er das Gefühl, dass er hier falsch ist. Die Reise zu zweit anzutreten war ein Risiko, aber auch ein Abenteuer gewesen. Doch das er im Verlauf dieser eine Amazone und einen Südländer mitsamt dessen Dromedar als Reisebegleitung bekommen würde, hätte er nicht einmal einem Wahrsager geglaubt. Dass er nun aber auch noch mit einer Mutter herumplagen muss, die glaubt, dass man ihr ihr Kind vorenthält, ist ihm eindeutig zu viel. Für einen Moment erwähnt er ernsthaft, dem ganzen hier möglichst schnell ein Ende zu bereiten, denn unangenehmer weise beschleicht Del das Gefühl, dass es noch nicht alles gewesen ist. Aber Sira bleibt an seiner Seite und er würde einen Dreck tun und das Mädchen einer Frau aushändigen, die vielleicht ihre Mutter ist, sich aber nicht um sie gekümmert hat... und auch wenn eine Schwangere, ein Kind und eine handvoll älterer Fischer nicht gerade nach beruhigender Verstärkung klingen, so sollte es ihnen schon möglich sein, die Amazone davon abzuhalten, dass sie Sira einfach mit sich nimmt.
Im gleichen Moment wie Del scheint auch Sira begriffen zu haben, dass dort ihre Mutter steht. Aber sie wirkt weder erfreut, noch enttäuscht. Überhaupt macht sie einen ähnlich perplexen Eindruck wie Del. Sira hat sich allerdings schneller unter Kontrolle und spricht die Frau an, die wohl wahrhaftig ihre Mutter sein muss.

Del weiß nicht, ob er erwartet hätte, dass sich das Mädchen sofort von ihm verabschiedet und bei ihrer Mutter bleiben will. Dass sie sich nun aber gegen die Frau wendet und stur dabei bleibt, nicht zurück zu kehren, lässt ihn erleichtert und beruhigt zugleich aufatmen. Er ist sich nicht einmal mehr sicher, ob er ohne das gleiche Mädchen an seiner Seite überhaupt normal weiterleben könnte. Eine Vatergefühle? Er weiß es nicht, aber am liebsten hätte er Sira in den Arm genommen. Angesichts der Situation wäre dies aber nicht von Vorteil und so beschränkt er sich darauf, das ganze weiterhin wie ein Unbeteiligter zu betrachten. Den Blick auf Jannas Bogen gerichtet, die diesen nur zögerlich senkt, bemerkt Del eine weitere Gestalt am Ufer. Eigentlich sollte er sich wirklich freuen, aber so langsam weigert sich sein Verstand auch nur eine Sekunde länger normal zu funktionieren. Mittlerweile rechnet er auch damit, dass gleich noch Meilil, Dancy, vielleicht einige Pfirsiche und andere Bewohner Baile Craobhs auftauchen. Und wenn man sowieso bei einem gemütlichen Treff am Rande der Welt ist, könnten sich ja auch noch die Götter persönlich, oder gar der Dunkle zu ihnen gesellen. Langsam genervt von diesem Theaterspiel, seufzt Del hoffnungslos auf und reibt sich mit den Händen durch das Gesicht. Wo soll das bloß hinführen. Ich hätte in der Hütte bleiben sollen... das wäre das Beste gewesen. Noch in seine resignierten Gedanken versunken, bemerkt Del zu spät, dass Sira trotz Verletzung wieder am hüpfen ist und kann sie im letzten Moment dazu bringen, sich wieder zu beruhigen. Den Fischern ist ebenso wie ihm anzusehen, dass sie langsam genug von diesen Spielchen haben und er ihnen ja immerhin versichert hat, dass es nun genug mit weiteren Gästen sei. Er versucht sich in einer entschuldigenden Geste, scheitert aber kläglich, da ihm das hier einfach zu viel wird. Eben noch allein mit Sira, hat er das Gefühl gleich wirklich die halbe Bevölkerung der Immerlande begrüßen zu dürfen. Rashid wirkt wie das genaue Gegenteil wie er selbst und würde wohl mit Shenrah persönlich um die Wetter strahlen, wenn es nicht Faeyris’ Zeit wäre. >„Kann man Euch denn nicht einmal für fünf Minuten den Rücken zukehren, ohne das Ihr neue Probleme anzieht?“< Del lässt sich zu einem ganz und gar nicht amüsierten Verziehen der Mundwinkel hinreißen, erwidert aber nichts auf Rashids Worte. Dazu fühlt er sich einfach nicht in der Lage, da er ohnehin keine Kontrolle mehr darüber hat.

Del spürt die steigende Gereiztheit der Männer, kann sie Situation aber auch nicht entspannen. Liebend gerne würde er jetzt einfach davon rudern und alle bis auf Sira und Wind aus dem Boot schmeißen. >„Trefft Eure Entscheidung. Wenn Ihr schnell nach Yashior wollt, dann gut, wir nehmen Euch mit. Ansonsten … Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“< Er sieht kurz zu Sira, dann zu Janna, wirft auch einen Blick auf die Gestalten, die noch am Ufer stehen und nickt dann. „Wir fahren mit Euch.“ Janna antwortet im gleichen Moment wie er und sieht überhaupt nicht danach aus, als würde sie sich umstimmen, geschweige denn aus dem Boot schmeißen lassen. Auf dem Boot ist man sich also einig und könnte ablegen, aber sowohl Rashid, als auch Siras Mutter sind da wohl anderer Meinung. Auch wenn die Worte schon ihre Tat andeutungsweise verraten, kann niemand etwas dagegen tun, dass sich auch die andere Amazone plötzlich in dem kleinen schaukelnden Boot befindet. Einer der Männer flucht ausgelassen. Del kann sich nur zu gut vorstellen, was er später an Bord der Karavelle alles ertragen darf. Da es nun auch nicht mehr auf eine weitere Person ankommt – wobei Del ja doch irgendwie erwartet, dass das kleine Beiboot jeden Moment sinkt-, sitzt auch Rashid binnen weniger Augenblick mitsamt Gepäck im Boot und lässt Asha am Ufer zurück. Nie hätte Del so etwas von dem Südländer erwartet, aber es scheint ihm ernst mit seiner Entscheidung zu sein. Und endlich ist somit der Zeitpunkt gekommen, an dem sich das Boot tatsächlich vom Ufer entfernt und von den Fischern in den Nebel getrieben wird, wo sich schon bald der riesige Rumpf der Handelskaravelle aus dem grauen Dunst schält. Da ihre Sichtweite sehr gering ist, kann Del die Größe des Schiffes nur schätzen. Klar ist aber, dass es ein sehr großes Schiff ist. Während der Überfahrt plaudert Rashid ununterbrochen mit zwei der Männer Beim Schiff angelangt, scheinen sie sich auf etwas geeinigt zu haben. Aber Del kommt erst an Bord des Handelsschiffes dazu den Südländer zu fragen, was er ausgehandelt hat. Fast zeitgleich legt das kleine Beiboot erneut ab und kommt dann wenig später mit zwei Mann weniger mit. Wusste ich doch, dass du dieses Tier nicht so einfach aufgibst. Nachvollziehen kann Del es zwar nicht, aber es erhöht seinen Respekt gegenüber Rashid, dass er das Tier nicht einfach seinem Schicksal überlässt.

Da sie nun endlich alle an Bord des Schiffes sind und es ihnen egal sein kann, wer noch alles am Ufer der Dunkelküste auftaucht, da sie denjenigen ohnehin nicht mehr sehen können, bessert sich Dels Laune. Die Mannschaft scheint dies aber anders zu sehen. Besonders die Frauen, allen voran die beiden Amazonen, scheinen nicht gern gesehen zu sein. Zweifel, ob dies eine gute Entscheidung war, keimen in ihm auf, aber letztlich lässt er sich nur für Sira verantwortlich machen. Alle anderen sind alt genug. Vom Kapitän ist noch nichts zu sehen, aber ihnen wird erklärt, dass er jeden Moment hier auftaucht. Innerlich bereitet sich Del schon auf vorwurfsvolle Worte und tausend Erklärungen vor, während Rashid die verbleibende Zeit nutzt, um sich der Amazone zu nähern. „Dein erster Eindruck auf Frauen war auch schon mal besser!“ Er kommt nicht umhin, Rashid schmunzelnd zu erklären, dass seine Wirkung auf Frauen auch schon mal eine bessere war. Aber vielleicht sollte er auch einfach Abstand zu diesen unverbesserlichen Amazonen halten. >''Ich würde nicht davon ausgehen, dass Du einen Stein bei ihr im Brett hast!''< Del zuckt gleichgültig mit den Schultern. Er mag die Frau, die vorhat ihm Sira wegzunehmen auch nicht gerade und somit sind sie sich wohl einig. Bleibt nur zu hoffen, dass die Frau ihm nicht irgendwann deswegen an die Gurgel springt, wobei ihm seine Größe da vielleicht einen geringen Vorteil verschafft. Da sich Rivalitäten und offene Fehden aber erst noch zeigen werden und Del doch irgendwie froh ist, dass er den Südländer wieder an seiner Seite an, begrüßen die beiden sich, wie auch schon bei ihrem ersten Wiedersehen auf dem Frostweg. Auch Sira und Janna begrüßen Rashid, wenn auch auf vollkommen unterschiedliche Art und Weise. Kijada- wie Del zwischenzeitlich von Sira zugeflüstert bekommt- hält derweil möglichst großen Abstand zu den vieren, ohne Sira dabei auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Durch das diffuse Licht mehrerer Sturmlaternen kann Del mehr von ihrer Erscheinung erkennen. Abgesehen von der Hautfarbe und dem hochmütigen Ausdruck gibt es eigentlich keinen Zweifel daran, dass sie die Mutter von Sira sein könnte und das versetzt Del einen herben Stich. Aber er klammert sich weiterhin an die Hoffnung, dass Sira nicht mit ihr geht. Kijada hat wohl bemerkt, dass er sie beobachtet und ihr giftiger Blick heftet sich sofort auf ihn. Del hofft, dass sie nicht weiß, welche Rolle er hier zu spielen hat, aber sie würde es sicher schnell herausfinden und ob sie sich dann immer noch so ‚friedlich’ gegenüber stehen würden, bleibt abzuwarten.

Glücklicherweise rettet ihn der brummige Kapitän aus dieser Situation. Er weist Del an ihm ein Stück zu folgen, da seine Männer ihm gesagt haben, dass er wohl der Anführer des kleinen Trupps sei. Etwas abseits der anderen wirft der stämmige, weißhaarige Mann  noch einen Blick auf die bunt durcheinander gewürfelte Truppe und murmelt was von „Frauen an Bord... gibt nur Ärger... gar nicht gut.“ Del versucht so freundlich wie möglich auszusehen, ohne sich viel davon anmerken zu lassen, dass es wirklich darauf ankommt, dass ihnen der Kapitän wohlgesonnen ist. >„Käpt’n William Stewart , mein Name. Willkommen auf der ‚Weißen Perle’. Wie ich sehe, habt Ihr da ja eine interessante Reisegesellschaft,...“<
„Del Winterwind.“ >“Gut, gut. Del. Aber kostenlos ist der Spaß hier nicht, schon gar nicht mit den Frauen. Das gibt spätestens morgen früh die ersten Probleme, wenn die Männer ihnen alle gleichzeitig hinterher stelzen.“< Del will den guten Mann schon darauf hinweisen, dass er sich darum mal keine Sorgen machen braucht, da die Frauen ohnehin niemanden an sich heranlassen, lässt es aber doch sein, dem Kapitän irgendwelche guten Ratschläge zu geben. Und mit etwas Hoffnung würde die Besatzung sowieso denken, dass die Frauen mit ihm und Rashid liiert sind. Welch Glückspilze wir doch sind, das wie beide Amazonen erobern konnten. Er schnaubt belustigt, winkt aber sofort ab, als ihn der Kapitän scharf von der Seite mustert. Es folgt ein kurzes Gespräch wo rasch die Bedingungen für die Reise geklärt werden. Jeder der kräftig genug ist, muss so gut es geht mit anpacken. Für Sira kriegt Del eine Ausnahmeregelung zustande und für Kijada kann er nicht sprechen. Auch bei Janna erscheint es ihm nicht recht, dass sie arbeiten soll, aber sie wird es sich sowieso nicht nehmen lassen. Wie sich allerdings herausstellt, scheint ... auf welchen Wegen auch immer Rashid zu kennen. Nicht von der Erscheinung her, sondern von Namen und so wird der Südländer kurzerhand ebenfalls heran gewunken und handelt wie immer, bessere Konditionen für sich aus- natürlich nicht, ohne auch dieses Mal wieder Geld springen zu lassen.
„Wenn das so weitergeht, ende ich irgendwann als dein Leibeigener“, murmelt Del zu Rashid, als die beiden Männer zu den Frauen zurückkehren. „Die Zimmer sind auf dem zweiten Deck. Irgendein Gang runter, dann ganz gerade aus und auf der rechten Seite oder so. Es sind zwei, mit je zwei Betten.“ Womit sich das erste Problem auftut, aber mehr war nicht zu machen, da dies kein Passagier- sondern ein Handelsschiff ist. Sofort werden Blicke in der kleinen Runde ausgetauscht, als man sich schon mal dafür bereit macht, sich den besten Platz zu erkämpfen, aber einer würde sowieso leer ausgehen. Doch das fehlende Bett ist momentan das geringste Problem. Es wäre einfach die Zimmer nach Geschlechter zu trennen, aber da ist Del vehement dagegen. Genauso wenig passen Sira und Kijada oder Janna und Rashid in ein Zimmer. „Ich gehe mit Sira in ein Zimmer.“ In seinen Worten schwingt eindeutig ein Unterton mit, der keinen Widerspruch duldet. Er spürt sofort den bohrenden Blick ihrer Mutter auf sich. Aber nicht unbedingt weil er mit ihrer Tochter in ein Zimmer will, sondern weil er sie mit einem anderen Namen anspricht. „Werdet Euch irgendwie einig, wer wo schläft. Ich nehm auch den Fußboden.... Komm Sira.“ Ohne auf die anderen zu warten, gibt er dem Mädchen ein Zeichen ihr zu folgen und pfeift Wind zu sich heran. Die anderen drei bleiben mit Hundejäger zurück und dürfen untereinander ausknobeln, wer wo schläft. Insgeheim hofft Del, dass Janna zu ihnen kommt, denn dann würde sie sich nicht mit Rashid fetzen und Sira bräuchte sich nicht mit ihrer Mutter herumquälen. Rashid hingegen würde vielleicht seinen Spaß daran haben, wobei er sicherlich Janna vorziehen würde. Das soll nicht meine Sorge sein. Gemeinsam mit Sira steigt er die Treppen in den Bauch des Schiffes hinab. Wind schnüffelt derweil in jedem Gang an jeder Ecke. Einmal verlaufen sie sich sogar in dem weitläufigen Schiff, aber schließlich gelingt es ihnen doch die Kajüte zu finden. Sie sind nicht sehr groß und neben dem Doppelstockbett, das fest mit der Wand verschraubt wurde, befindet sich nur noch ein kleiner Tisch, zwei Stühle und eine größere Truhe darin. „Sehr gemütlich und bequem.“ Del ahnt schon jetzt dass die nächste Zeit sehr, sehr unangenehm werden wird, aber er nimmt sich vor das Beste daraus zu machen. Viel eher befürchtet er ja, dass er die ersten Tage würgend und spuckend an der Reling verbringen wird, denn schon jetzt scheint ihm das Schaukeln und der beengende Raum zu viel zu sein.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 24. Dez. 2005, 12:52 Uhr
Die Diskussion zwischen Rashid und den beiden Amazonen dauert länger. Drei eigenwillige Temperamente prallen mit voller Wucht aufeinander und es entbrennt entbrennt ein heißblütiger Streit, wer nun in der Kabine unterkommt oder eben nicht. Kijada würde es ohnehin vorziehen, Del einfach aus seiner Kabine zu werfen, da es ihr alles andere als in den Kram passt, dass ausgerechnet ein Mann, noch dazu irgend so ein dahergelaufener, wildfremder Halbelb, mit ihrer Tochter allein sein soll. Mehrmals ist sie daher drauf und dran, einfach hinter Del und Sira, die sie stur Lorne ruft, herzulaufen, um Del zu sagen, was sie von seiner Entscheidung hält, doch irgendwie gelingt es Janna immer wieder, die ältere Amazone zurückzuhalten. Entsprechend ziehen sich die Verhandlungen hin und es ist bereits eine ganze Menge an zeit vergangen, als sich die drei endlich einig werden. Recht widerwillig fügt sich Kijada in den Entschluss, die Kajüte sowohl mit Janna als auch mit Rashid zu teilen. Und sehr deutlich zeigt die Amazone den beiden, was sie von ihnen hält, nämlich nichts. Mit unbewegter, versteinerter Miene und hoch erhobenem Haupt geht sie den beiden auf der Suche nach ihrer Unterkunft voraus und ignoriert dabei die neugierigen, teils ungläubigen, teils misstrauischen Blicke der Seefahrer, die ihnen an jeder Ecke über den Weg laufen.
Sira erkundet derweil, nachdem sie sich nur kurz in ihrer Kajüte umgesehen hat, gemeinsam mit Wind das Schiff. Neugierig steckt sie überall ihre Nase hinein und erkundigt sich interessiert nach den unterschiedlichsten Dingen. Auf ihre Art schafft sie es ziemlich rasch, sich an Bord beliebt zu machen und Anschluss zu finden. Und während Rashid, Janna und Kijada sich mal wieder in hitzigen Streitgesprächen verlieren und Del sich darum kümmert ihr Gepäck zu verstauen, schließt das Mädchen bereits neue Freundschaften und lässt sich von einem schlaksigen, sommersprossigen Schiffsjungen überall herumführen.

In den folgenden Tagen lebt man sich an Bord ein – oder eben auch nicht. Sowohl Del als auch Janna scheint der schwankende Boden unter ihren Füßen nicht zu bekommen und zumindest am Anfang ihrer Überfahrt veranstalten die beiden eine Art kleinen Ritus den Sira und Rashid freundlich spöttisch als Wettspucken bezeichnen. Wie Kijada die Seefahrt bekommt, lässt sich nicht so recht sagen. Die Amazone wahrt stoische Zurückhaltung und wenn ihr ebenso übel sein sollte wie Janna und Del, so weiß sie dies geschickt zu verbergen.
Sira ist auf jeden Fall voll und ganz in ihrem Element und bewegt sich an Bord der Handelskaravelle als hätte sie nie irgendwo anders gelebt. In ihren weniger schweigsamen Momenten, meist in den Abendstunden, erklärt Kijada gelegentlich, weshalb sie dies wenig wundern würde. Dann erzählt sie ein wenig von dem, was sie über Mírdan Thaín weiß und in solchen Augenblicken nähern sich Mutter und Tochter zumindest ein klein bisschen an. Bereitwillig verschlingt Sira was Kijada zu berichten weiß, auch wenn sie sonst einen sicheren Abstand zu der Amazone hält, die sie nach wie vor nicht als Mutter akzeptieren kann und offenbar auch gar nicht will. Dass sich die anderen in Anbetracht der Enthüllung, dass Mírdan Thaín tatsächlich Siras Vater ist, leicht besorgt zeigen, da ihnen die unerfreulichen Gerüchte, die Rashid zu berichten wusste, wieder mehr im Kopf herumgehen, entgeht Sira dabei vollständig. Nicht eine einzige Sekunde lang denkt sie daran, dass der Südländer womöglich recht haben könnte und ihr Vater längst in Sithechs Reich verweilt.

Tagsüber verbringt die kleine Gruppe die Zeit auf unterschiedlichste Weise. Da Kijada sich weigert, sich in irgendeiner Weise an Bord des Schiffes nützlich zu machen und auch Sira und Janna nicht für irgendwelche schweren arbeiten herangezogen werden können, bleibt es an Del und Rashid hängen für die Bezahlung der Überfahrt aufzukommen. Die beiden Männer sind daher die meiste Zeit über beschäftigt. Kijada und Janna gehen sich meist aus dem Weg und da sowohl der Laderaum der Karavelle als auch das Hauptdeck in dieser Hinsicht viel Platz bieten, fällt ihnen dies auch nicht sonderlich schwer.
Je nachdem wie der Seegang ist, schlägt die Seekrankheit innerhalb der kleinen Gruppe wieder zu. Fast immer ist die Seerau, der Wellengang hoch und die Fahrt reichlich unruhig. Kalte Winde pfeifen über das Schiff hinweg und von Zeit zu Zeit verhindern dicke, kalte Nebel eine zugige Weiterfahrt, da die Küste vor dem Dunkelwald ihre ganz eigenen Tücken bereithält. Die Seefahrer, die mit ihrem Schiff von Dunkelschein in Immerfrost, über Yashior nach Kingsala in Normand unterwegs sind, meisten die Widrigkeiten jedoch mit großer Bravur. Sie kennen die Gewässer aufs beste, immerhin fahren sie die Strecke nicht zum ersten Mal und so treten trotz einiger Probleme, keine größeren Schwierigkeiten auf.            

Der Kapitän der Weißen Perle hat seine Männer angewiesen, so wenig Kontakt wie möglich zu den Reisenden zu halten und daran halten sich die meisten in der Regel auch, wobei der Umgang mit Sira ein unausgesprochener Sonderfall zu sein scheint. Für das dunkelhaarige Mädchen findet sich immer ein freundliches Wort. Was allerdings niemandem der kleinen Reisegruppe auffällt, vor allem einer der Seefahrer aus Immerfrost entwickelt ein befremdliches Interesse an dem Mädchen. Zwar kommt der grimmige, immer in schweigen gehüllte Mann Sira nie zu nahe, doch behält er sie immer im Auge. Wind spürt als einziger, dass Vorsicht vor dem Mann geboten ist und knurrt leise, aber eindringlich, sobald der Seefahrer sich seiner Herrin zu weit nähert, doch wird dieses Gebaren sowohl von Sra selber als auch von den anderen als gewöhnliches Schutzgebaren des sonst mittlerweile recht ruhigen, ausgeglichenen Hundes angesehen. Längst ist der Arduner Wolfshund zu voller Größe ausgewachsen und bei weitem nicht mehr als klein und niedlich zu bezeichnen und so bilden er und Sira ein recht eigenwilliges Gespann.
Rund ein Siebentag vergeht und als der Kapitän ankündigt, dass Yashior in Kürze erreicht sein wird, breitet sich allgemeine Erleichterung aus. Jeder geht mit der Ankündigung jedoch unterschiedlich um. Sira zumindest wird von einer eigenartigen Unruhe und Nervosität befallen. Angespannt wandert sie auf dem Schiff herum und ist kaum noch vernünftig ansprechbar. Je näher Yashior kommt, umso mehr meidet sie die Gesellschaft der anderen und geht nicht nur Kijada, sondern auch Janna, Rashid und Del bewusst aus dem Weg. Spricht man sie doch einmal an, reagiert sie ungewohnt gereizt und unfreundlich, fährt ihre Krallen aus und zieht sich dann rasch und ohne ein Wort der Entschuldigung in irgendeinen stillen Winkel der Karavelle zurück.

Als der laute Ausruf „Yashior“ über das Hauptdeck schallt, ist jedoch jede Widerborstigkeit vergessen und das Mädchen stürzt mit Begeisterung an die Reling, um Hafen entgegen zu sehen, auf welchen die Weiße Perle unaufhaltsam zusteuert. Die eisigen Winde, die über das Schiff hinwegjagen, stören sie dabei nicht, ihre Haare flattern im Wind, ihre Augen leuchten und ihre Wangen sind Rot vor Kälte, während ihr Blick gebannt geradeaus gerichtet ist.
Geschickt steuern die Seefahrer die Karavelle in den Hafen und während Del und die anderen ihr Gepäck holen, um das Schiff zu verlassen, sobald es sicher am Kai vertäut liegt und die letzten Formalitäten geregelt sind, verfolgt Sira die arbeiten an Bord des Schiffes aufs genauste. Viele Dinge kommen ihr eigenartig vertraut vor. Die Zurufe der Männer, die verschiedenen Handgriffe, die sie tun, alles kommt ihr wie ein fernes Echo allmählich wieder auftauchender Erinnerungen vor. Es ist fast so, als käme ich Heim, denkt sie verträumt und eine Welle der Euphorie schwappt über sie her. Gespannt wartet sie ab, bis das Schiff endlich im Hafen vor Anker liegt und es Zeit wird, an Land zu gehen.
Ungeduldig sieht sie sich nach den anderen um. Del und Rashid stehen noch beim Kapitän, soweit sie dies erkennen kann, Kijada steht etwas abseits, auch Jannas Haarschopf kann Sira entdecken. Keiner der Vier scheint sich jedoch um sie zu kümmern oder auch nur einmal kurz zu ihr herüber zu blicken. Den Seemann, der sie die ganze Fahrt über schon im Auge behalten hatte, ist auch jetzt in der Nähe und beobachtet das Mädchen, ohne dass es ihn bemerkt. Mattis, der Schiffsjunge mit dem Sira sich auf der Fahrt angefreundet hat, kommt schließlich zu ihr herüber. „Wollen wir schon hinuntergehen?“, erkundigt er sich und weißt hinüber zur Planke, die auf den Kai hinabführt. Unschlüssig schaut Sira zwischen ihm und ihren Gefährten hin und her, noch immer scheint sich niemand um sie zu kümmern, also nickt sie. Wind bellt missbilligend, obwohl man spüren kann, dass er nur zu gerne endlich von Bord des Schiffes herunterkommen würde.

Nach kurzem Zögern folgt er dem Schiffsjungen und seiner Herrin daher bereitwillig. Begeistert läuft Sira den schmalen Holzsteg hinab und hüpft begeistert auf den festen Hafenboden. Das Stimmgewirr unterscheidet sich nicht sonderlich von jenem im Hafen von Talyra, lediglich die gesprochenen Sprachen, die erklingen, sind etwas anders. Vielerorts hört man jedoch die Allgemeinsprache, wobei die typischen Akzente der Arduner und Normander leicht herauszuhören sind.
Fasziniert sieht Sira sich um, als sie unvermittelt etwas entdeckt. Von einer Sekunde auf die andere schlägt ihre Begeisterung in blankes Entsetzen um. Die Weiße Perle hat in unmittelbarer Nähe der Docks festgemacht. Mit weit aufgerissenen Augen starrt das Mädchen die Pier hinab. Mattis versucht sie zu beruhigen, aber Sira schlägt seine Hand einfach fort. Ihr gellender Schrei ist nicht nur auf dem Schiff zu hören, sondern löst auch im Hafen einen mittleren Aufstand aus. Überall auf den Schiffen und auf den Landungsbrücken stürzen die  Leute herbei, um zu sehen, was geschehen ist. So auch an Bord der Weißen Perle. Auch Siras Schatten, der schweigsame Seemann aus Immerfrost, taucht für einen Moment an der Reling des Schiffes auf. Ein eigenartiges Grinsen liegt auf seinem Gesicht, bevor wer sich abwendet und irgendwo an Bord des Schiffes verschwindet.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 04. Jan. 2006, 17:32 Uhr
Als Kijada am Ufer auftaucht, hat Janna den Bogen so schnell in den Fingern, dass sie sich selbst fragen muss, ob nicht irgendwo in ihr der Wunsch existiert, diese Frau möge ihr nur einen einzigen verdammten Grund geben, damit sie ihr endlich einen Pfeil ins Herz schiessen könnte. Jannas Lippen zittern, das nasse Kleid klebt ich an den Beinen und unter ihren Füssen schaukelt das Boot gefährlich, doch Kijadas hochmütigen Antwort kann Janna nichts entgegen setzen, schon gar nicht mehr, als Sira, Lorne, wie auch immer, vorsichtig eine Hand auf ihren Arm legt und sie eindringlich aus moosgrünen Augen anblickt. Ein Blick, der darum bittet, dass Jannas Bogen sich senkt und genau das tut er einen Augenblick später auch, wenn ihr Innerstes auch hart dagegen rebelliert. Sie wechselt einen blick mit Del, sieht die Kälte in seiner Miene, die Verblüffung und das Misstrauen und plötzlich, wie ein Schlag in den Magen taucht ein Gefühl auf, das sie nur selten in ihrem Leben verspürt hat: Schuldbewusstsein. Mühsam würgt sie den fahlen Geschmack dieser Erkenntnis hinunter und lauscht der Auseinandersetzung zwischen Kijada, Del und Sira, bis die Amazone sich ohne weiter nachzufragen, ebenfalls an Bord begiebt, kurz bevor Janna die zweite, jedoch weitaus erfreulichere Überraschung des Tages erlebt. Als hätten die Götter ihren Wunsch erhört, taucht aus den wabernden Nebeln eine Gestalt auf, die sie selbst in tiefster Dunkelheit wohl noch erkannt hätte und im gleichen Moment bleibt ihr das Herz vor Freude stehen, und ihre Lungen krampfen sich vor Entrüstung zusammen. Wie kann Rashid es wagen und ihr solch einen Schrecken einjagen? Sie ist noch damit beschäftigt, ihre Gedanken zu ordnen, als er bereits an Bord klettert, ein gewinnendes Grinsen aufgesetzt und anscheinend darauf aus ist, die angespannte Situation ein wenig aufzulockern. Ein unmögliches Unternehmen, besonders da die Männer des kleinen Bootes keineswegs darüber erfreut scheinen, sich gleich mit drei Frauen – oder aber zweieinhalb Amazonen – herumschlagen zu müssen. Der Weg zur Karavelle wird in eisigem Schweigen hinter sich gebracht und an Bord beginnt Rashid sofort mit einigen der Männer zu verhandeln und stellt sich danach mit einem charmanten Lächeln Kijada vor. Janna schafft es beim besten Willen nicht ein höhnisches Lächeln zu unterdrücken, als Lornes Mutter ihm nur einen giftigen Blick schenkt und dann geschmeidig an ihm vorbeiläuft. Dann fällt ihr Blick auf Del und nimmt etwas Sorgendes an, denn er als Ziehvater Lornes, nein, er wird es wahrlich nicht einfach haben mit ihrer Mutter, schon gar nicht wenn sie erst einmal herausgefunden hat, welche Rolle er in diesem tragischen Spiel einnimmt. Als der Kapitän schliesslich kommt, ergreift sie mit einer Hand Siras Finger und lächelt dem Mädchen, nein, der jungen Frau aufmunternd zu, doch Sira scheint zu sehr von ihrer Mutter eingenommen zu sein, als das sie klar über andere Dinge nachdenken kann. Janna hat das Gefühl, als wüsste Kijadas Tochter nicht, zu wem sie gehörte, zu wem sie sich jetzt gesellen sollte und seufzte leise auf. Diese Schifffahrt würde alles anderes als ein erholsames Erlebnis werden, wahrscheinlich sogar das genaue Gegenteil.

Auch die Besatzung des Weissen Perle, wie Del ihnen später verkündet, ist nicht amüsiert über ihre Gäste und als der Halbelb schliesslich auch noch erzählt, dass sie nur zwei Kabinen, mit jeweils zwei Betten hätten und das er und Sira ganz sicher in einer eigenen Kammer schlafen würden, wird es Janna mulmig zumute, doch als sie Siras fliegenden, schwarzen Locken hinterher blickt, weiss sie ziemlich sicher, was sie zu tun hat. Während Del also mit seinem Mündel und Wind im Gang verschwindet, bleiben Janna, Kijada und Rashid zurück und ein Rumoren geht durch den dicken Bauch des Schiffes. Das Kind tritt heftig und Janna schnappt nach Luft, stellt sich jedoch im nächsten Augenblick ohne weiter darüber nachzudenken, Kijada in den Weg, die drauf und dran scheint, Del einfach zu folgen. „Oh nein, du nicht!“, zischt Janna der Frau zu und ihre zu Fäuste geballten Hände sprechen Bände darüber, wie gerne sie hätte, das Kijada jetzt einen Fehler macht. „Du Miststück bist mir bis hierher gefolgt, aber weiter wirst du nicht kommen. Nur über meine Leiche schläfst du mit Sira und Del in einem Zimmer.“ Ueber die Schulter hinweg kann sie Rashid ausmachen, der angespannt der Unterhaltung folgt, jedoch bestätigend nickt. Er scheint also zumindest in diesem Fall mit ihr einer Meinung zu sein. Sie bleckt beinahe die Zähne, als sie sich wieder Kijada zuwendet: „Da ich denke, dass Del und Sira ganz gut alleine zurecht kommen, bin ich dafür, dass wir drei in einer Kabine schlafen.“ Kijada saugt scharf die Luft ein, kommt jedoch nicht dazu etwas zu sagen, da Rashid ihr dazwischenfährt: “Finde ich auch, wunderbar, also, wann ziehen wir ein?“ Dieses Mal, sind sich Janna und Kijada einig und schenken dem Südländer einen Blick, der Bände spricht und ihn auch prompt dazu verdonnern, erstmal mit einer Decke und dem Boden der Kajüte Vorlieb zu nehmen. Doch wenn Janna gedacht hat, sie könnte schlafen, so wird ihr schon in der ersten Nacht klar, dass ihr Platz wohl eher die Reling sein wird, wo sie dann auch viel Zeit der Fahrt damit verbringt, mühsam hinunter gewürgtes Essen sogleich wieder auf lange Reise zu schicken.

Sie ist damit nicht alleine, denn zumindest zu Beginn der Reise, leistet Del ihr feuchtfröhliche Gesellschaft und obwohl Rashid nur immer davon redet, zählen zu müssen, wer von ihnen beiden das Rennen hält, ist er doch stets in ihrer Nähe sobald sie nur schwankt und hält ihr hin und wieder sogar das Haar aus dem Gesicht, das ihr schon wieder viel zu lang geworden ist, und reicht ihr dann einen Schlauch mit Wasser, damit sie sich den Mund ausspülen kann. Den Rest des Tages verbringt sie damit, grösstmöglichen Abstand zu Kijada zu halten, oder aber sich zumindest in der Küche des Schiffes nützlich zu machen, um Del einen Teil der Kosten durch die Arbeit rückerstatten zu können. Der Koch, ein alter, dürrer Mann mit faulenden Zähnen, redet nie ein Wort, sondern schafft es mit bewundernswerter Wortlosigkeit, ihr nur mit Gesten verständlich zu machen, was sie tun kann. Sira ist die Einzige, die wirklichen Kontakt zu den Matrosen pflegen kann, abgesehen von Del und Rashid, die beide zu Arbeiten auf dem Deck des Schiffes eingeteilt werden, denn Kijada hält sich möglichst fern von all diesen Seebarbaren und hat wohl ihre Überfahrt anders bezahlt, denn sie macht sich nicht einen Augenblick lang die Finger schmutzig. Sie kommt auch nicht in Siras Nähe, zumindest nicht solange Del die junge Frau im Auge hat und nur des Abends sitzen Mutter und Tochter hin und wieder zusammen und dann erzählt Kijada von Siras Vater, von den Amazonen, von den Geschichten die um die wilden Frauen schwirren und hin und wieder möchte sich Janna dazugesellen, um den Worten Kijadas zu lauschen und flieht dann regelrecht ans anderes Endes des Schiffes, um den Erinnerungen zu entkommen. Noch heute fällt es ihr schwer an die wenigen Tage zurück zu denken, die sie bei ihrem einstigen Volk verbracht hat und stets fällt es ihr schwerer zu glauben, sie hätte dort jemals wieder Anschluss finden können.
Die Nächte sind unruhig, denn die See tanz und wogt und bricht an den Klippen, die in dem grüngrauen Nebel meist nur schlecht zu erkennen sind, doch das laute Bersten ist unheilvoll aus allen Richtungen zu vernehmen. Nach drei Tagen ringt Janna sich schliesslich dazu durch Rashid einen Platz neben sich anzubieten, da der Südländer jeden Tag mehr Mühe zu haben scheint, sich von dem Boden zu heben und mehr als einmal rutscht er des Nachts über den Boden und kraucht dann fluchend wieder an seinen Platz zurück. Rashid spart sich zu seinem eigenen besten ein fieses Grinsen und nimmt das Angebot dankend an und schwört dabei auch, ihr nicht zu nahe zu kommen. Leider jedoch lassen sich Berührungen bei einer Schwangeren und einem Mann von seiner Statur nicht vermeiden  und als Janna schliesslich eines Morgens aufwacht, dicht an ihn geschmiegt, ein Bein über den seinen und seinen Arm unter ihrem Kopf, nimmt sie es resignierend hin und lässt es kommen, wie es kommt, ohne dabei jedoch je ein Wort gegenüber Rashid zu verlieren, so dass ihre Tage verblüffend oft ohne Streitereien vergehen, bis schliesslich eines Morgens ein lautes: „YASHIÔR“, über das Deck hinweg erschallt.

Und wirklich, nach einiger Zeit lichten sich die Nebel und geben den Blick auf die Küste frei und auf den Hafen Yâshiors, wo dahinter die hohe Steinmauer aufragt, welche die Stadt vor Eindringlichen und vor allem, vor dem eiskalten Seewind schützt. Janna hat einen Umhang um ihre Schultern geschlungen, denn es fröstelt ihr, doch steht sie ebenso wie Del, Rashid, Sira und Kijada an der Reling und beobachtet staunend, wie die grosse Handelsstadt des Dunkelwaldes immer näher kommt und sich schon bald die Konturen von eifrig arbeitenden Menschen, von schlanken Segelschiffen, von weiten Docks, flachen Arbeitshäusern mit ihrem hellen und dunklen Gebälk und von kleinen Ruderboten in dem aufgehenden Morgen abzeichnen. Es ist ein wunderschönes Bild, wie sich die goldenen Strahlen der Sonne über den Hafen ergiessen und ihn im zarten Licht baden und Janna kann ihre Freude nicht unterdrücken, denn schon alleine der Gedanke an festen Boden unter den Füssen lässt sie jubeln. Ohne wirklich darüber nach zu denken, ergreift sie Rashids Hand, strahlt ihn an und geniesst dann den rauen Wind, der über ihre Wange streicht und mit ihrem Haar spielt. „Endlich“, murmelt sie leise und sieht freudig wie ein Kleinkind zu, wie das Schiff im Hafen einläuft und dort vertäut wird. Der Kapitän kommt erneut zu ihnen, bittet Del noch einmal zur Seite, Kijada scheint in irgendeiner Ecke darauf zu warten, dass sie hoheitsvoll von Deck schreiten kann, Rashid steht noch immer bei ihr und sie selbst… will nur noch runter. Sie hört das Klappern des Holzes, als der hölzerne Steg auf den Pier gezogen wird und blickt nur noch einmal auf das Deck der Karavelle zurück, die sie bis hierher gebracht hat. Bereits will sie sich umdrehen, endlich von diesem schwankenden Deck runterkommen, als ein gellender Schrei das friedliche Lachen und Kreischen der Möwen unterbricht und ihr in Mark und Bein dringt. „Sira!“, haucht sie entsetzt, sieht sich erschrocken nach der jungen Frau um und spürt, wie Rashids Finger sich fester um die ihren schliessen. Einen Augenblick später hastet er an ihr vorbei, ebenso Del, doch Kijada ist die Erste, welche Sira erreicht, die auf dem Pier steht, mit weit aufgerissenen Augen irgendetwas am unteren Ende der Docks betrachtet und dabei noch immer schreit, als ginge es um ihr Leben. Ihr Gesicht ist vor Entsetzen weiss wie geronnene Milch und sie scheint am ganzen Leib zu zittern wie Espenlaub. „Bei allen Göttern, was…“, murmelt Janna erschrocken und eilt den Dreien hinterher. In allen Mienen ist grosse Sorge zu lesen, selbst Kijada schliesst ihre Tochter nun in die Arme und flüstert leise, jedoch eindringlich auf sie ein, doch Sira scheint starr vor Schreck. Del kniet vor sie nieder, versucht die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich zu lenken, derweil Rashid, eine Hand an der Klinge, sich aufmerksam umsieht, bis aufs äusserste angespannt. Auch Janna lässt ihren Blick wandern, doch ihr fällt nichts auf, zumindest nicht, was nicht in einen normalen Hafen gehören könnte. Eine grosse Menschenmenge hat sich angesammelt, Neugierde stiehlt sich über die Leute hinweg und auch die Besatzung der Weissen Perle steht mit starren Mienen an Bord und beobachtet misstrauisch das Schauspiel vor sich.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 16. Jan. 2006, 12:33 Uhr
Rashid ist sicher alles andere als ein Seemann, doch Reisen auf einem Schiff bei jedem Seegang, hatte er genug hinter sich. Und so bleibt ihm der Gang zur Reeling erspart, bei dem sich Del und Janna des Öfteren ein Rennen zu liefern scheinen. Sira hingegen fühlt sich auf einem Schiff offenbar wie zu Hause, denn weder Übelkeit, noch Angst davor, überall auf dem Schiff herum zu turnen, hindern sie an ihrem Entdeckerdrang. Ein wenig schadenfroh amüsieren sich der Wüstenkrieger und das Mädchen über das Wettspucken ihrer beiden Reisebegleiter, doch ist das einer der wenigen Momente, wo er und Sira sich gemeinsam unterhalten. Ansonsten streunt sie an Bord umher, wobei Wind ihr nicht von der Seite weicht. Der Wolfshund ist inzwischen so gut wie ausgewachsen und bei all seiner Verspieltheit, die er noch immer an den Tag legt, ist er ein wachsamer Begleiter für seine junge Herrin geworden. Del und Rashid wird von den Damen ihrer Reisegruppe das Los überlassen, sich an Bord nützlich zu machen. Und es gibt viel zu tun, denn der Kapitän der Weißen Perle hat immer eine neue Aufgabe für sie, die sie möglichst vom Rest der Mannschaft fern hält. Und so fallen er und Del abends oft müde auf ihr Lager, das bei Rashid zu Beginn aus einer Decke auf dem Boden besteht. Er hat zwar das Vergnügen, seine Kajüte mit zwei Frauen zu teilen, doch unglücklicher Weise beanspruchen sie je eine der beiden Kojen, so dass er bei rauem Seegang mal hier hin, mal dort hin kullert.

Irgendwann hat Janna jedoch ein Einsehen, und mit der eindeutigen Drohung, er solle ihr ja nicht zu Nahe kommen, wenn er seine Männlichkeit behalten will, überlässt sie Rashid die Hälfte ihres Betts. Ob dieser Sinneswandel bloß durch Mitleid ausgelöst wird, oder von der Tatsache, dass Rashid immer Zeit findet, um sie auch gegen ihren anfänglichen Protest zur Reeling zu begleiten, wenn ihr wieder schlecht wird, lässt sich nicht genau sagen, doch spätestens ab dem Morgen, an dem sie eng an ihn gekuschelt aufwacht, bessert sich ihr Verhältnis zueinander. Kijada hingegen bleibt sie Unnahbare, die nur Sira, oder Lorne, wie sie das Mädchen unbeirrt nennt, gern in ihrer Nähe zu haben scheint. Und so pendelt sich der Tagesablauf der Reise für den nächsten Siebentag ein, bis endlich der Hafen von Yashior in Sicht kommt, worüber vorallem Del sehr erleichtert ist, denn es bedeutet endlich wieder trockenen, und damit auch nicht schwankenden Boden unter den Füßen zu haben. Während das Schiff geschickt in den Hafen manövriert, packen die Fünf ihre Sachen, wobei Rashid und Janna sich schon fast ausgelassen necken. Kijadas abwertenden Blick dabei, ignorieren sie gekonnt. Als sie wieder an Deck kommen, wird die Karavelle gerade am Pier vertäut, und mit einem leisen >>Endlich<< auf den Lippen, ergreift Janna Rashids Hand, als hätte sie nie etwas anderes getan. Verdutzt dauert es den Bruchteil einer Sekunde, bis Rashid lächelnd seine Finger mit sanfter Kraft um die so viel kleinere Hand seiner Partnerin schließt. Liebevoll ruhen seine Augen auf ihr, ihrem braunen Haar, dass in der Morgenbrise flattert, ihren leicht geröteten Wangen, um dann mit einem schiefen Grinsen an ihren Augen hängen zu bleiben, die wie gebannt auf die Planken geheftet sind, die gerade über den Abgrund zum Pier ausgelegt werden.

Sira und der Schiffsjunge Mattis, mit dem sie sich während der Überfahrt angefreundet hat, gefolgt von Wind, turnen fast als erste von Bord, während Del sich noch mit dem Kapitän unterhält. Auf dem Pier wimmelt es, als wäre ein Heer Ameisen unterwegs, das Kisten auf Wagen lädt, Ladung von Schiffen löscht oder das Gepäck feiern Passagiere herum trägt. Möven kreischen über ihren Köpfen und halten Ausschau nach Fischresten, die die ansässigen Fischer achtlos über Bord werfen, um ihren Fang für den Markt vorzubereiten. Gerade als sich Janna und Rashid auch ins Gewühl stürzen wollen, zerreißt ein Schrei das fremdländische Stimmengewirr, das daraufhin fast völlig verstummt. Rashid kennt die helle Stimme, deren Tonlage fast in seinen Ohren schmerzt, nur zu gut. Sie gehört zu Sira! Von einem auf den anderen Moment verwandelt er sich vom Reisenden, der froh ist, endlich wieder an Land zu gehen, in den Krieger, dessen Reflexe ihm schon oft das Leben gerettet haben. >>Sira!<<, stellt Janna sofort fest. ''Warte hier!'', hält er die schwangere Amazone zurück, die wie alle anderen auch zur Reeling gehen will, um zu sehen, was da los ist. Nein, nicht wie alle anderen. Ein einzelner, alter Seemann entfernt sich vom neugierigen Pulk, mit einem wissenden Grinsen auf dem Gesicht. Ein Detail, dass Rashid verwundert, doch das zumindest für den Moment im Gefühl der Sorge untergeht, ohne ganz aus seinem Gedächtnis zu verschwinden.

Mit drei, vier langen Sätzen ist der breitschultrige Wüstenkrieger am Landungssteg und beweist damit, dass Größe und Behändigkeit kein Widerspruch sein müssen. Rashid verschafft sich grob Platz und bemerkt auch schon Del, der ebenfalls sorgenvoll hinzu geeilt ist. Sira steht am Fuß des Stegs und starrt mit weit aufgerissenen Augen das Pier hinunter. Kijada erreicht ihre Tochter als erste, dann ist Del zur Stelle und versucht sie zu beruhigen, während Mattis verwirrt seine neue Freundin ansieht. Noch immer ist Siras Mund geöffnet, obwohl ihr Schrei verklungen ist. Mit einer Hand am Griff des riesigen Säbels folgt Rashid ihrem Blick, doch alles was er ausmachen kann, ist ein normaler Hafen, allerdings haben alle im Umkreis von Hundert Schritt innegehalten und widmen der Kleinen mehr Aufmerksamkeit, als es Rashid lieb ist. Ein Stück weiter unten in Siras Blickrichtung gebärden sich wild ein paar Pferde, die sich nur ungern in den Bauch eines Schiffes führen lassen wollen und die mit ihren Hufeisen auf dem steinernen Hafengelände klappern. Aber das kann Sira unmögliche solche Angst einjagen?! Auch wenn Rashid sich durchaus ihres Respekts Asha gegenüber bewusst ist. Eilends schiebt er sich durch die Menschentraube um Sira zu erreichen. ''Ok Leute! Es gibt nichts zu sehen!'', spricht er unwirsch zu den Schaulustigen. ''Und Du junge Dame musst nicht gleich in jeder Stadt, in der wir anlegen, Dein Schauspiel abziehen!'', weist er Sira so laut zu Recht, dass es auch ja möglichst viele hören.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 21. Jan. 2006, 11:54 Uhr
Mit weit aufgerissenen Augen starrt Sira, deren richtiger Name ja eigentlich Lorne ist, geradeaus. Doch sie sieht nicht dasselbe wie Mattis oder die übrigen Leute im Hafen, sie sieht nicht das hier und Jetzt, sondern etwas, was weit in der Vergangenheit zurückliegt und was sie so lange vergessen hatte. Gebannt blickt sie die wiehernden, tänzelnden und immer wieder nervös aufsteigenden Pferde an.

Vor den Augen des Mädchens preschen allerdings finster dreinblickende Männer über die Landungsbrücken. Ihre Pferde sind ebenso dunkel wie die Gewandungen der Männer und die Hufschläge klingen hart und bedrohlich, als sie an Lorne vorüberziehen. Immer wieder springen Leute erschrocken beiseite, um nicht zu Boden getrampelt werden, während die Reiter direkt auf zwei Männer zuhalten, die Lorne nur zu gut kennt. Schlagartig steigen lange verschüttete Erinnerungen in ihr auf und tragen die Gesichter und Namen der beiden an die Oberfläche ihres Bewusstseins zurück. Mírdan Thaín war ein gut aussehender Mann mit blauen Augen und flachsblondem Haar gewesen, auf dessen Gesicht immer ein freundliches Lächeln lag, wenn er nicht gerade Geschäftliches zu besprechen hatte. Der Mann neben ihrem Vater, Brak, glich, groß und breitschultrig wie er war, mit seinen dunkelbraunen Augen und dem struppigen, dichten Vollbart, einem wilden, brummigen Bären.
Die Reiter erreichen Lornes Vater zuerst. Einer reitet ihn über den Haufen, sodass er das Gleichgewicht verliert und es taumelnd wieder zu finden versucht. Etwas blitzt im Sonnenlicht auf, im nächsten Moment saust die Axt eines zweiten Reiters nieder und reißt Mírdan Thaín vollends um. Tödlich getroffen sinkt er zu Boden, wo er regungslos liegen bleibt. Brak hat nicht viel mehr Glück. Auch ihn  erwischen die Angreifer und so stürzt er schwer verletzt ins Hafenbecken.

All dies sieht Lorne, als sie neben Mattis im Hafen steht und sie schreit verzweifelt auf, als sie die Erinnerung überwältigt und die Verzweiflung packt. Die Erkenntnis, dass Rashid von Anfang an Recht gehabt hat, schmerzt in diesem Augenblick doppelt. Die lange Reise und die damit verbundenen Strapazen, plötzlich erscheint ihr dem Mädchen alles sinnlos. Ihre Erinnerungen hat sie nun wieder, doch im selben Augenblick, hat sie mit einem Schlag alles andere verloren. Was um sie herum geschieht ist für Lorne völlig bedeutungslos. Tränen steigen ihr in die Augen, während sie regungslos dasteht.
Plötzlich spürt sie eine Berührung auf ihr Schulter. Sie wendet den Kopf und obwohl sie Kijada direkt ansieht, erkennt sie sie in diesem Moment überhaupt nicht. Sie wird auch nicht gewahr, dass Mattis noch immer neben ihr steht und sie verwirrt anstarrt oder das del ebenfalls herbeigeeilt ist. Erst die Worte des Wüstenkriegers holen sie wieder in die Gegenwart zurück. »Ok Leute! Es gibt nichts zu sehen!« Rashid spricht laut, so laut, dass seine Stimme im ganzen Hafen zu hören ist und Lorne zuckt zusammen, wenn die Worte des Südländers etwas Gutes bewirken, dann dass der Schockzustand, die Verzweiflung und die Trauer endlich wieder von ihr abfallen und sie sich aus ihrer Erstarrung löst. Stattdessen beginnt nun aber die Wut in Lorne zu brodeln. »Und Du junge Dame musst nicht gleich in jeder Stadt, in der wir anlegen, Dein Schauspiel abziehen!« Der Schmerz der Erinnerung ist zu groß und so bedenkt Lorne Rashid, dessen Worte ihre Verzweiflung mit Füßen zu treten scheinen, mit hasserfülltem Blick. „Sei still, sei still!“, schreit sie ihn an. „Was weißt du schon! Sei still …“ In diesem Moment gibt es für sie nur einen, der die Schuld an alledem trägt: Rashid.
Wütend entwindet sie sich Kijada, die versucht hatte sie zu beruhigen, und taucht im Gewirr des Hafens unter, bevor auch nur irgendjemand schnell genug reagieren kann, um sie daran zu hindern. In Yashior war einmal ihr Zuhause und nun wo sie sich wieder an alles erinnert, sind sie ihr so vertraut wie eh und je, auch nach so langer Zeit noch. Sie hört Wind – Soll ich ihn jetzt wieder Klein nennen? – hinter sich bellen, doch sie rennt und rennt, als ginge es um ihr Leben. Angst gesellt sich zu dem Gefühl der Verzweiflung. Ihr Vater ist tot, schon lange tot, aber ihre Mutter lebt und ist hier, hier bei ihr in Yashior. Wird sie mich jetzt mit zurück in den Dunkelwald nehmen? Zurück zu den Amazonen, nach Baile Craobh?, fragt sich das Mädchen. Bitte, alles nur das nicht … Ich will nie wieder dorthin zurück! Ohne auf die übrigen Leute zu achten, die sich ebenfalls auf den Straßen der Stadt befinden, läuft sie weiter.

***

Der Seemann aus Immerfrost hat sich derweil unter Deck zurückgezogen. Er ist schon eine Weile im Geschäft und er kennt sich aus. Außerdem stammt er aus Dunkelschein, er kennt die Stadt und ihre Bürger, vor allem die Seeleute und Händler kennt er gut. Sehr gut. Lange Zeit hat er auf den Schiffen der Shalraiths gearbeitet, doch im Augenblick laufen die Geschäfte nicht gut und er muss nehmen, was an Arbeit kommt. Trotzdem, obwohl die Weiße Perle eines der wenigen Schiffe ist, welches nicht den Shalraiths gehört, so fühlt er sich der Familie nach wie vor verpflichtet, besonders dem alten Shalraith, dem Familienoberhaupt, da er ihm viel zu verdanken hat.
Er sollte es erfahren, überlegt der Seemann, dessen Name Carth lautet. Zwar ist er sich nicht vollkommen sicher, denn er musste schließlich vorsichtig sein, wenn er den Reisenden nicht auffallen wollte, doch was er in Erfahrung bringen konnte, lässt sich auch nicht so einfach ignorieren. Außerdem scheint der Ausbruch des Mädchens die Sache zu bestätigen. Jeder Seefahrer der Dunkelküsten kennt die Gerüchte, die über den Untergang der Thaíns im Umlauf sind. Das Wappen der Familie ist ebenso bekannt, wie das der Shalraiths. Carth lächelt in sich hinein. Auch für ihn könnte bei dieser Sache einiges herausspringen. Was werden die Shalraiths wohl sagen, wenn sie erfahren, dass es doch noch jemanden gibt, der ihnen den Besitz der Thaíns streitig machen könnte. Ja, es könnte einiges für ihn dabei herausspringen.
Carth legt den Kopf schief. Sobald sich der Tumult im Hafen gelegt hat und seien Arbeit an Bord getan ist, würde er einen Schreiber aufsuchen und anschließend sofort zum nächsten Rabenschlag eilen. Ein breites Grinsen stiehlt sich einmal mehr auf sein Gesicht. Wie lange mag es wohl dauern, bis der Vogel Dunkelschein erreicht hat und eine Antwort zurückgesandt werden kann?, fragt er sich.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 22. Jan. 2006, 20:39 Uhr
Ganz wie er es befürchtet hat, verbringt Del die ersten Tage fast pausenlos an der Reling. Wieder einmal wird ihm dabei bewusst, warum es sich an Land soviel angenehmer reist und wieso er doch lieber festen Boden unter den Füßen hat. Aber wenigstens ist er mit seinem Problem nicht alleine. Janna leistet ihm regelmäßig Gesellschaft, kann aber genauso wenig wie er, über Rashids Sticheleien lachen, der sich permanent in ihrer Nähe befindet. Anfangs hat Del noch geglaubt, dass es pure Schadenfreude ist, aber die Anwesenheit lässt sich einfach mit Sorge um Janna erklären. Del ist zwar zufrieden damit, dass die beiden sich hier an Bord des Schiffes nicht ständig ankeifen, aber ob ihm die neue Entwicklung zusagen soll, kann er momentan auch noch nicht so recht einschätzen. Mal flackert zwar der alte Widerstand zwischen den beiden auf, aber insgesamt scheinen sich wohl beide dem von den Götter bestimmten Schicksal ergeben zu haben. Für Del bleibt da nur zu hoffen, dass daraus wenigstens ein friedliches Beieinander resultiert und nicht noch mehr Besitzansprüche- egal welcher Art- geltend gemacht werden. Nach dem Wettgespucke kann Del sogar fast schon behaupten, dass er sich wohl auf dem Schiff fühlt, aber natürlich hält der Zustand eines nicht rebellierenden Magens nie lange genug an. Im Gegensatz zum Anfang ihrer Reise ist es aber erheblich weniger geworden und so darf er sich jetzt zusammen mit Rashid an Bord die Unterkunft verdienen. Zu ihren Aufgaben zählt alles, zu dem die Landratten fähig sind. Hauptsächlich beschränkt es sich auf Schlepparbeiten, wenn mal wieder Kisten ordentlich aufeinander gestapelt werden müssen, weil durch den Seegang die Seile gerissen sind, oder Kleinigkeiten mit denen sich die Seefahrer nicht abgeben wollen und in den männlichen Gästen die perfekten Sklaven gefunden haben, denn gemurrt werden darf nur hinter vorgehaltener Hand. Dass sich die Crew der weißen Perle recht wortkarg gibt, stört Del nicht weiter, auch wenn er es doch lieber hätte, wenn man ihnen nicht so überdeutlich zeigen würde, dass sie nicht unbedingt willkommen sind. Er kann zwar verstehen, dass die Anwesenheit der Frauen gemischte Gefühle hervorruft, aber letztlich hat sie niemand gezwungen sie aufzunehmen, auch wenn er den Götter mehr als dankbar dafür ist, dass dem doch so ist. Dank des Schiffarztes hat sich nämlich schnell herausgestellt, dass Siras Fuß nicht gebrochen ist. Nach erfolgreicher Behandlung durch Gevan kann Sira auch wieder normal mit ihrem Fuß auftreten und nutzt die Chance um während der Seereise das gesamte Schiff, sowie deren Besatzung zu erkunden. Wann immer sie über das Deck läuft oder sich durch die Gänge im Bauch des Schiffes bewegt, folgt Wind ihr wie ein Schatten. Würde der Hund nicht dabei sein, hätte Del ihr diese Erkundungstouren schon längst verboten. So aber weiß er, dass Sira ausreichend Schutz hat, denn mit dem Ungetüm von Flohbeutel will sich niemanden anlegen. Er ist ohnehin sehr erstaunt, dass Wind sich so brav und untertänig gegenüber Sira verhält, denn für ihn wäre es ein leichtes, das Mädchen über den Haufen zu rennen. Aber es ist gut so wie es ist und darum kümmert er sich nicht weiter darum, was die anderen an Deck tun oder ob Kijada wieder mal auf Tochterpirsch ist und tut für den Rest der Fahrt was auch immer ihm aufgetragen wird.

Gegen Ende der siebentägigen Reise scheinen sowohl Sira und Kijada, als auch Rashid und Janna ganz anders miteinander umzugehen. Zwar ist da immer noch die spürbare Distanz zwischen den einzelnen Parteien, aber insgesamt scheint sich das Verhältnis aller vier etwas gebessert zu haben. Nur Dels Kontakt bleibt weites gehend gleich zu seinen Mitreisenden, auch wenn er sich mit Kijada noch immer nicht anfreunden kann. Die Frau gibt ihm ihrerseits allerdings auch deutlich zu verstehen, dass es ihr ähnlich geht, denn schließlich steht zwischen ihren Fronten Sira. Del weiß, dass er diese Reise nur wegen dem Mädchen angetreten hat und dass das Ziel dieser Reise ist, dass sie Verwandte oder Bekannte von ihr finden und sie vielleicht ihre Erinnerung zurückerhält, aber trotzdem mag er jetzt nicht daran denken, wie es ist, wenn sich ihre Wege wieder trennen sollten. Gut ein Zwölfmond mag es schon her sein, seit er sie halb verfroren im Schnee gefunden hat. Eine lange Zeit in der Sira immer mehr als Tochter anerkannt hat und sie deswegen auch nicht hergeben mag. Aber er weiß, dass es nicht seine Entscheidung ist und dass es allein an ihr liegt, den weiteren Weg zu bestimmen. Wie auch immer sie sich entscheiden würde, es müsse es akzeptieren und kann momentan einfach nur hoffen, dass er sich irgendwie mit dem Ergebnis arrangieren kann. Der Ankunft in Yâshior sieht er daher mit gemischten Gefühlen entgegen, aber als es dann soweit ist, hat er anfangs ganz andere Sorgen, denn sie müssen ihr Habe zusammensuchen und alles wieder in die Rucksäcke und Taschen verstauen, ohne das etwas überbleibt oder sie etwas auf dem Schiff zurücklassen müssen. Sira überlässt diese Arbeit natürlich getrost Del und hat, seit der Name der Küstenstadt über Deck gerufen wurde, ganz andere Sorgen. Sämtliche Widerspenstigkeit fällt von dem Mädchen ab wie ein unsichtbares Tuch und mit einem breiten Lächeln und voller Vorfreude springt sie an die Reling und kann es scheinbar nicht erwarten, dass sie anlegen. Da es ihm draußen ohnehin zu kalt ist, zieht sich Del in das Innere des Schiffes zurück und während die anderen noch ihre Sachen packen und dann allmählich alles an Deck bringen, sucht er noch ein letztes Mal ein Kapitän auf, um sich im Namen aller für die Gastfreundschaft, das Essen und die Betten zu bedanken. Rashid taucht ebenfalls nach einer Weile bei ihnen auf und reiht sich zufrieden in die kleine Runde mit ein. Auch der Kapitän scheint heute ausgesprochen guter Laune, wobei Del vermutet, dass es einzig daran liegt, dass sie jetzt das Schiff verlassen werden und die Weiße Perle dann ohne sie weiter fahren kann. Gemeinsam wünscht man sich noch ein gutes Weiterkommen und viel Glück für’s weitere Leben und dann gesellen sich die beiden Männer zu ‚ihren’ Frauen, die alle in mehr oder weniger großen Abständen an Deck darauf warten, dass sie endlich an Land können. Überrascht stellt Del dabei fest, dass sie schon längst angelegt haben Er kann zwar nicht genau sagen, was er sich darunter vorgestellt hat, aber irgendwie war es in seinen Gedanken spektakulärer gewesen. Das mag allerdings auch daran gelegen haben, dass er den eigentlichen Vorgang mit dem Abschiedsgespräch vertan hat. Letztlich ist es aber auch egal, hauptsache sie können von dem Schiff runter. Als alle vier ihr Gepäck greifen, blickt sich Del suchend nach Sira um, woraufhin die anderen schon in Richtung Kaimauer deuten. Er hat sie gerade in dem Gewusel dort unten entdeckt und einen flüchtigen Eindruck von Yâshior und der riesigen Mauer hinter dem Hafengelände bekommen, als ein Schrei einer hohen Stimme über alles hinwegfegt. Für einen winzigen Moment scheint jeder mit seiner Arbeit innezuhalten, so als wolle man dem Schrei extra Ausdruck verleihen.

Dann rührt sich das Leben wieder, aber der Schrei hallt noch immer über das Gelände und in ihren Ohren. Janna ist die erste die den Namen ausspricht, auch wenn sie es alle schon vorher gewusst haben, wem die Stimme gehört. >Sira!< Del spürt wie sich augenblicklich etwas in seinem Inneren verkrampft. Noch nie hat er Sira derart schreien gehört und auch wenn es ihr auf den ersten Blick gut gehen mag, grundlos wird sie es nicht getan haben. Zusammen mit Janna, Rashid, Kijada und der an Deck befindlichen Crew bewegt er sich in Richtung Reling, um genaueres erkennen zu können, als der Südländer auch schon aufspringt. Del sieht das als Zeichen, überlegt nicht lange und tut es ihm gleich. Wenn Rashid meint, dass er dort runter muss und das zwar schleunigst, dann wäre es für ihn ebenfalls ratsam. Auch Kijada ist plötzlich an seiner Seite. Bei seinem Weg über die Landungsbrücke unterschätzt Del das feuchte Holz und wäre fast ausgeglitten, kann sich aber im letzten Moment noch fangen. Kaum, dass Kijada bei ihrer Tochter sitzt, ist auch Del schon an ihrer Seite und versucht die Aufmerksamkeit von Sira auf sich zu lenken, obwohl ihre Mutter sie gerade hingebungsvoll an sich drückt. Auch nichts reagiert Sira. Stattdessen starrt sie weiterhin stur gerade aus und lässt ihren Blick keinen Sekhel von den Pferden weichen. Del glaubt nicht, dass dies die Ursache ist. Dem Mädchen geht es zwar gut, aber Pferde können sie unmöglich so erschreckt haben, denn sie ist kalkweiß und würde Kijada sie nicht halten, wäre sie bestimmt schon eingeknickt, so stark zittern ihre Beine. Egal wer sie anredet, egal was um sie herum passiert. Ihr Blick rührt sich kein Stück. Würde es kein Reflex sein, würde sie wahrscheinlich noch nicht einmal blinzeln. „Sira, verdammt. Was soll das? Was siehst du da?“ Aber er erhält keine Antwort. Dafür bilden sich Tränen in ihren grünen Augen, verharren in ihren Augenwinkeln und laufen dann über ihr Gesicht. Hastig sieht er sich in alle Richtungen um, aber ebenso wie Rashid, kann auch er nichts erkennen. Überall werden sie von Schaulustigen umringt. Sollte Sira jemanden erkannt haben, so ist derjenige schon längst in der Menge untergetaucht. Rashids Gedanken mögen sich in ähnlichen Bahnen bewegen, auf alle Fälle scheint ihm die Neugierde der Leute aber zu störend. > Leute! Es gibt nichts zu sehen!< Ihr Kopf bewegt sich plötzlich, aber als sich ihre Blicke kreuzen, liegt dort kein Erkennen darin. Sira. Es schmerzt sie so zu sehen und nichts tun zu können. Er könnte ihr eine Ohrfeige verpassen, in der Hoffnung, dass es sie aus ihrer Lethargie reißt, aber er kann es einfach nicht. Wütend schaut er zu Mattis, aber der Junge zuckt so erschrocken zurück und reißt auch gleich die Hände hoch, dass Del einfach nicht glauben kann, dass er etwas damit zu tun hat.
>Und Du junge Dame musst nicht gleich in jeder Stadt, in der wir anlegen, Dein Schauspiel abziehen!“< Der Vorwurf Rashids ist alles andere als passend, aber er sorgt dafür, dass Sira wieder zurückfindet. Ihre Reaktion löst allerdings bei allen nur Unverständnis aus. Hass spiegelt sich überdeutlich in ihrem Blick. Hass der sich allein auf Rashid projiziert. > „Sei still, sei still!“, schreit sie ihn an. „Was weißt du schon! Sei still …“< Seine Worte allein können nicht der Auslöser gewesen sein, aber bevor sie dazu kommen nachzufragen, was das soll, befreit sich Sira verzweifelt aus den Armen ihrer Mutter. Bevor sie jemand packen und festhalten kann, ist Sira auch schon in der Menge verschwunden und wird sogleich gnadenlos von ihr verschluckt. Kaum, dass die vier realisiert haben, dass das Mädchen wegrennt, ertönt wildes Gebell neben ihnen und schon flitzt Wind ihr hinterher. Der Einzige, der das Mädchen ohne Probleme finden kann.


„Verdammt, wir müssen sie aufhalten. Sie kennt sich hier doch überhaupt nicht aus!“ Kijada will gerade einen Einwand einbringen, aber Del bringt sie mit einer herrischen Geste zum schweigen. Sein Erstaunen darüber, dass sie tatsächlich schweigt, währt nur kurz. Er wirft einen kurzen Blick zu Rashid und beide sind sich einig, dass sie keine Zeit verlieren dürfen. „Los!“ Del deutet in die Richtung, in der Sira verschwunden ist und wendet sich dann an Janna, die ebenso wie Kijada ebenfalls losstürmen wollen. „Nein, ihr...du bleibst hier. Kümmere dich um das Gepäck. Du solltest nicht mit dem Kind durch die Gegend rennen.“ Natürlich ist Janna gar nicht mit diesem Vorschlag einverstanden, aber sie gibt nach einigem Hadern klein bei und fügt sich. Als Del zu Kijada blickt, will er sie auch anweisen, hier zu bleiben, aber die Amazone sieht nicht so aus, als wenn sie sich noch einmal etwas sagen will. Ohne weiter zu warten, setzt sie sich in Bewegung und taucht ebenfalls in der Menge unter. Sie ist viel kleiner als Del und Rashid und so kann keiner von beiden die Frau noch im Gewühl erkennen.  Der Wüstenkrieger ist schon ein Stück vorraus, als auch Del losläuft und sich rüde durch die Menge schiebt. Alle jene, die viel zu langsam sind, werden unliebsam bei Seite geschoben. Wüste Rufe und Beschimpfungen prallen einfach an Del ab. Auch die drohend erhobenen Hände werden von ihm kaum beachtet. Er bekommt Ellbogen, Füße und Schultern zu spüren, aber nichts hindert ihm daran, sich weiter durch die Passanten zu schieben. Genau wie Rashid bleibt auch er hin und wieder stehen, um sich umzusehen. Aber Sira ist und bleibt weiterhin verschwunden. Kurz glaubt Del den Lockenkopf von Kijada zu sehen, aber es ist nur eine Kapuze die gegen die kalten Winde über den Kopf gezogen worden ist. Mürrisch läuft er weiter und kommt wenig später an einer Häuserecke zu stehen. Hier hat sich die Menge weites gehend wieder verteilt, aber viel erkennen kann man trotzdem nicht. Rashid ist plötzlich an seiner Seite, sieht aber genauso wenig erfolgreich aus. „Wo will sie bloß hin?“ Das Schulterzucken ist keine allzu informative Antwort, aber etwas anderes hat er auch nicht erwartet. „Wohin jetzt? Ich hab keine Ahnung wie groß diese verdammte Stadt ist und erst recht weiß ich nicht wohin Sira gelaufen ist.“ Trotz aller Sorge verspürt Del Wut. Egal was mit Sira geschehen ist, ihr Verhalten ist unentschuldbar. Sie hätte ihnen einfach sagen können, was mit ihr los sei und dann hätten sie schon eine Lösung gefunden. Eine Lösung für ein Problem. Momentan haben sie allerdings zwei und keins scheint sich so leicht lösen lassen zu wollen. Del hofft inständig, dass Sira sich noch diesseits der großen Mauer befindet, denn was hinter ihr und ihren Toren liegt, wird die eigentliche Stadt sein. Hier kann man ja noch fast von einem Überblick sprechen, was sich aber jenseits der Tore aufbaut, scheint auf den ersten Blick ein heilloses Durcheinander. „Götterverdammte Scheiße noch mal.... Los du nach rechts, ich nach links.“ Links und rechts sind zwar zwei recht weitläufige Begriffe wenn man bedenkt, wie groß das Hafengelände ist und wie viele Personen sie sind, aber weitere Möglichkeiten haben sie nicht. Entschlossen trennen sich die Männer an dem großen Lagergebäude und suchen weiter nach Sira oder Wind. Das Gebell von Hunden ist andauernd zu hören, aber der Wind trägt die Geräusche oft weite Entfernungen mit sich, so dass es unmöglich ist, daran zu erkennen, wo sich Wind möglicherweise befinden könnte. Wobei noch nicht einmal gesagt ist, dass es sich auch wirklich um den Wolfshund handeln muss. Seine Größe ist Del bei der Suche von Vorteil, da er über viele Köpfe hinweg gucken kann. Immer wieder tauchen schwarze Haare vor ihm auf, aber alle sehen nicht nach Sira aus. Einmal glaubt er sie gefunden zu haben, aber es ist eine Frau mittleren Alters, die nur etwas klein geraten ist. Über die unvorsichtige Drehung ist sie alles andere als erfreut und belegt Del mit einer Schimpftirade, die auch nach zig Entschuldigungen nicht abebbt, so dass er einfach flüchtet. Ewig rennt er an Lagerhäusern, Handwerksbetrieben, Docks, Ständen und unterschiedlichen Gesichtern vorbei, aber er findet Sira einfach nicht. Die Pausen die er sich zum Luft holen gönnt, sind nur kurz und irgendwann findet er sich wieder an der Stelle ein, an welcher er losgelaufen ist. Wenig später steht auch Rashid wieder vor ihm und sieht genauso erfolglos aus wie er selbst. Sie brauchen sich nichts weiter zu sagen. Beide befürchten sie, dass Sira direkt in die Stadt gelaufen ist. Der Anblick der riesigen Mauer lässt Del einen Moment schwindeln. Er weiß nicht, warum sie hier so hoch aufragt, aber er hofft, dass auf der anderen Seite nichts ist, dass dies rechtfertigt. „Das bringt so nichts. Wir könnten ewig suchen und sie doch nicht finden. Ich denke, wir sollten erst Janna irgendwo unterbringen, damit wir sie nicht auch noch verlieren und dann müssen wir erneut nach Sira suchen.“ Er ist alles andere als zufrieden mit dieser Lösung, aber Janna sollte in ihrem Zustand nicht am Pier stehen und sich und das Baby dem kalten Wind aussetzen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 23. Jan. 2006, 10:06 Uhr
Es läuft ihr kalt den Rücken hinunter, als Sira sich mit hasserfüllten Augen ruckartig zu Rashid umwendet und ihm mit schriller Stimme einige wenige, jedoch äusserst verzweifelte Worte entgegen wirft, die klingen, als würde Sira Rashid die alleinige Schuld für diesen Ausbruch zuschieben.  Und dann windet sie sich wie eine Schlange aus Kijadas Griff, weicht flink Dels grossen Händen aus und Janna kann noch nicht einmal erschrocken nach Luft schnappen, da ist Siras schwarzer Schopf bereits in der noch immer gaffenden Menge verschwunden, dicht gefolgt von einem laut bellenden Wind.  „Nein...“, haucht sie entsetzt und stolpert ein, zwei Schritte in die Richtung, in welcher das Mädchen verschwunden ist, als Del sich bereits erhebt, zu Rashid blickt und anscheinend ebenso verwirrt und besorgt wie alle anderen sagt: „Verdammt, wir müssen sie aufhalten. Sie kennt sich hier doch überhaupt nicht aus!“ Rashid nickt nur und hat im nächsten Augenblick die Menge schon in zwei Hälften geteilt, als er Sira hinterher stürmt und auch in Janna keimt nicht einen Augenblick lang der Gedanke auf, hier zu versauern, bis die Männer das Mädchen gefunden habe. Doch Del scheint ihre Gedanken zu erraten, bevor sie auch nur einen Schritt gemacht hat und weist sie zurecht, gefälligst hier zu bleiben und sich um das Gepäck zu kümmern. Ihr Blick spuckt beinahe Feuer, doch sie beisst sich auf die Lippe, um jeglichen Kommentar zu unterdrücken und angespannt nickt sie nur. Kijada hingegen ist ebenfalls bereits in Laufschritt verfallen und mit ihrem kleinen, schlanken Leib ist es ihr ein Leichtes, sich durch die Menge hindurch zu winden, wie ein kleines Wiesel. Janna bleibt zurück, die Hände auf ihren deutlich gerundeten Bauch gepresst und die Blicke der Leute haften wie kalter Schleim auf ihrer Haut, bis sie schliesslich wütend aufsieht.Die Menge verstreut sich fast in Windeseile, nun, wo es nichts mehr zu sehen gibt, dass man sofort der Nachbarin tratschen könnte. Janna starrt auf den Punkt, wo ihre Gefährten verschwunden sind und alles in ihr zieht sich zusammen vor kranker Sorge, denn... was auch immer Sira zu diesem Ausbruch gebracht hat, es kann schlichtweg nichts Gutes bedeuten. Dafür muss man noch nicht einmal ein Hellseher sein. Ungelenk beugt sie sich vor, lässt ihren Beutel mit Hundefänger zu Boden gleiten, wo der dünne Kater auch sogleich kläglich miauend aus der Decke hinauskriecht und sich suchend nach seinem Streitpartner umsieht. Als die tiefgrünen Katzenaugen jedoch nichts finden, richten sie sich beinahe vorwurfsvoll auf Janna und wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie sagen, der dumme Kater gibt ihr die ganze Schuld dafür. „Sieh mich nicht so an. Ich kann nichts dafür, dass hier anscheinend alle verrückt geworden sind, also guck mich nicht so an.“ Als würde sich jetzt auch noch das Ungeborene einmischen wollen, tritt es kräftig mit seinen Füssen gegen ihren Bauch, so stark, dass sie fast nach Luft schnappen muss und ihre Hände auf den gespannten Stoff des provisorisch geweiteten Hemdes legt. „Werdet ihr beide jetzt... uh... verflucht nochmals aufhören, mir die Schuld zu geben?“ Doch der Bengel in ihrem Inneren gibt keine Ruhe und verteilt noch eine Salve an Knuffen und Tritten, die es in sich haben, bis er sich schliesslich gnädig zurückzieht und sie wieder zu Atem kommen lässt.

Mit wenig Freude widmet sie sich der Aufgabe, all ihr Gepäck – das gar nicht so viel ist – zu finden und an einen etwas abgelegeneren Ort zu bringen, wobei sich sogar Mattis dazu hinreissen lässt, ihr zur Hand zu gehen. Der sommersprossige Bursche sieht dabei so bleich aus, dass sie Angst hat, er könnte ihr jeden Moment in Ohnmacht fallen und aus seiner Miene spricht so viel Sorge, dass es Janna beinahe warm ums Herz wird. Schliesslich jedoch ruft ihn der Kapitän zu sich und er verschwindet auch, aber erst nachdem Janna ihm mit ganzer Ueberzeugunskraft geschworen hat, dass sie ihm eine Nachricht zukommen lassen, sobald sie Sira gefunden haben. Die Weisse Perle will bereits in wenigen Stunden wieder ablegen und Janna ist nicht gänzlich unglücklich darüber, denn die Schifffahrt ist alles Andere als angenehm gewesen. Schliesslich setzt sie sich auf eine leicht demolierte Kiste, scharrt das Gepäck um ihre Füsse und achtet darauf, dass der Kater sich nicht übernimmt und sich prompt mit den Schiffskatzen anlegen kann, die doch fast doppelt so gross sind wie er und viermal so verwildert aussehen. „Denk noch nicht mal drann, die zerfetzen dich in der Luft, wenn es ihnen passt“, raunt sie Hundefänger zu und überraschenderweise gibt er sich diesmal sogar artig, hält sich brav in ihrer Nähe und beschlagnahmt ihre Schulter als Schlafplatz. Sein Fell wärmt dabei ihren ungeschützten Nacken vor dem kalten Seewind, doch trotzdem fröstelt sie, denn alle ihre Wintersachen hat sie in Quyêpla weggegeben und sich stattdessen auf feuchtwarme Temperaturen vorberreitet und nun sitzt sie hier und friert sich die Finger ab, weil sich alles geändert hat. Sollte ich den Herrn des Schicksals jemals zwischen die Finger kriegen, wird er die Fäden von da an, vorsichtiger spinnen. Obwohl ihre Gedanken abschweifen, bleiben ihre Augen aufmerksam an der Menge hängen, in der Hoffnung, irgendjemanden ihrer Gruppe wieder zu finden, doch alles was sie zu sehen bekommt sind dicke Fischweiber, wütende Händler, verwahrloste Kinder, stolze Kapitäne, zahnlose Fischer, turtelnde Matrosen und – trotz der Kälte – leichtbekleidete Dirnen. Die Sorge nagt an ihr, ihre Eingeweiden haben sich schon längst zu einem dicken Knopf verheddert und obwohl sie keinen schwankenden Boden mehr unter sich hat, wird ihr erneut schlecht. Verbissen schluckt sie den Drang, ihr Essen auf Reisen zu schicken, hinunter und will sich im nächsten Moment schon ungelenk erheben, ein hoffnungsvolles Lächeln auf den Lippen, als sie erkennt, dass Del und Rashid alleine sind. Ihre Züge wechseln zwischen Entsetzen und Angst und ohne auf den Kater zu achten, der fauchend auf dem Boden landet, stolpert sie den Männern entgegen: „Wo... wo ist sie?“
Wie sie erfährt, ist es den Herren nicht gelungen das Mädchen zu finden und der Stein in ihrem Magen wird noch grösser und breiter und lässt sie würgen. Sich vorzustellen, dass Sira sich in dieser Stadt befindet, ganz alleine, auf sich gestellt, ohne Jemanden, den sie kennt, ist ein Gedanke den Janna nicht weiterführen möchte, denn es würde sie nur dazu bringen, daran zu denken, was dem Mädchen hier alles geschehen kann. Ebenso gut kann sie Del ansehen, dass er am liebsten sofort wieder los laufen möchte, um nach Sira zu suchen und verflucht ihren dicken Bauch zum wiederholten Male, der sie dazu zwingt, untätig dabei zusehen zu müssen, wie schreckliche Dinge ihren Lauf nehmen.

Del knurrt schliesslich etwas von einer Unterkunft und schnappt sich bereits sein eigenes und Siras Gepäck, derweil Rashid sich seines und das von Kijada auf den Rücken packt und Janna wagt es nicht einen Moment lang, ihm zu widersprechen.  In der Nähe des Hafens findet sich schliesslich sogar wirklich ein Gasthof, dessen Fenster nicht zersplittert, die Dirnen nicht wie die Fliegen an der Türe kleben und wo der Wirt nicht einem Metzger gleicht, der sich einen Kampf mit einer Sau geliefert hat. Dementsprechend ist das Zimmer mit den Betten auch teuer, doch niemand von ihnen will irgendwo anders hin, aus Angst, Sira würde zurückkommen und sie nicht mehr finden. Schliesslich legt Janna Del eine Hand auf den Arm, sieht mit einem vagen und erzwungenen Lächeln zu ihm ihm auf und spricht leise: „Ist schon gut, ich mache das hier, ich regle das. Geht sie suchen und... und bringt sie heil zurück, auch wenn ihr eine Tracht Prügel sicher nicht schaden würde.“ Die letzten Worte kommen zwischen Zorn und bodenloser Sorge schwankend hinüber und es ist deutlich Jannas Miene zu entnehmen, dass sie nicht wirklich wütend ist, sondern eher fast verrückt vor Sorge und bleich wie ein Laken. Erneut hat das Kind angefangen sich zu regen, bisher nur träge, doch ihre Innenseite ist sowieso sicher schon blau und grün von Tritten und Schlägen und die letzte Nacht ist ebenfalls nicht wirklich erholsam verlaufen. Schliesslich nickt Del und verschwindet erneut, diesmal mit Umhang und Geldbeutel, um nicht völlig unvorbereitet in diese riesige und nicht zu überblickende Stadt einzutauchen und auch Rashid folgt ihm kurz darauf, nach kurzer Ueberzeugunsarbeit ihrerseits, sie würde auf sich aufpassen und nicht von der Stelle weichen.
Das grosse Zimmer ist angenehm, obwohl ein dezenter Geruch nach Fisch in der Luft hängt und das Gejaule so mancher Katze melancholisch und Sehnsucht erzählend vor den kleinen Butzenfenstern widerhallt. Hundejäger macht es sich sogleich auf einem der sechs Betten bequem, wobei sich im hintersten Bett eine Gestalt regt, ein empörtes Schnarchen von sich gibt, sich auf die andere Seite dreht und dann wieder einschläft. Der Wirt hat gesagt, dass er nur noch ein Zimmer mit fünf freien Betten frei hätte und so hat sich Del schliesslich mit finsterem Gesicht darauf eingelassen, nicht wirklich glücklich darüber scheinend, nach allem was passiert ist, nicht einen Ort zu finden, der Ruhe versprechen würde. Vorsichtig lässt sich Janna auf der Bettkante nieder, sinkt langsam in die ausgeleierten Laken und kommt sich vor, wie eine fette, vollgefressene Raupe, die so anmutig ist, wie ein betrunkenes Würmchen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 31. Jan. 2006, 08:29 Uhr
Weiber!!, denkt sich Rashid ärgerlich. >>Du nach rechts<<, hatte er Del noch bellen gehört, bevor der große Halbelf in der Menschenmenge untergetaucht war, um Sira zu suchen. Oder eher Lorne, wie auch immer… Inzwischen ist es für den Wüstenkrieger offensichtlich, dass Lorne Siras richtiger Name ist, auch wenn sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt. Schon Kijadas Anwesenheit ist dafür Beweis genug. Allerdings könnte das dann auch bedeuten, dass Yashior der ideale Ameisenhaufen ist, um sie nie wieder zu finden. Wenn Lornes Erinnerung an ihre Heimatstadt erwachen sollte, wäre sie beim Versteckspiel erheblich im Vorteil. Mag der Teufel wissen, was sie auf dem Pier geritten hatte, als sie den halben Hafen zusammen geschrieen hat! Etliche, grob an den Schultern herum gedrehte, dunkelhaarige Frauen später, hat Rashid mehr wüste Schimpfnamen zu hören bekommen, als von Janna in ihren besten Zeiten. Janna!, schießt es Rashid durch den Kopf. Hochschwanger sitzt sie in der Kälte, um am Hafen auszuharren, bis sie zurück wären. Mit einem derben Fluch auf den Lippen dreht sich Rashid herum. Ihr Flohbeutel wird schon eine Weile auf sie Acht geben. Immerhin hat sie eine ganze Weile alleine auf der Straße gelebt, also wird sie wohl ein weiterer Tag mit einem Wolfshund an ihrer Seite nicht umbringen! Wütend stampft Rashid zurück in Richtung Meer. Der salzige Duft des Wassers, vermischt mit dem Geruch von Fisch, weist ihm eindeutig den Weg. Er kennt Yashior. Er war schon öfter hier, aber nicht oft genug, um jedes Gässchen zu kennen, oder jedes Schlitzohr, das einem das Überleben hier erleichtern könnte.

Kurz vor der Anlegestelle trifft Rashid wieder auf Del. Er ist allein. Und sein Gesichtsausdruck spricht Bände. Stumm wandert ihr Blick zu der hohen Mauer, die die eigentliche Stadt umfasst. >> Das bringt so nichts. Wir könnten ewig suchen und sie doch nicht finden. Ich denke, wir sollten erst Janna irgendwo unterbringen, damit wir sie nicht auch noch verlieren und dann müssen wir erneut nach Sira suchen.<< Zustimmend brummt der ehemalige Karawanenwächter mit seinem tiefen Bass. Als sie Janna schließlich wieder erreichen, hockt sie mit Hundefänger um den Nacken, als wäre er eine Art lebender Schal, auf einem Stapel Kisten. Ihre Lippen sind leicht bläulich und stechen aus dem Weiß ihres restlichen Gesichts heraus, wie Blaubeeren auf Sahen. "Verdammt, Janna! Warum nimmst Du Dir nicht einfach etwas aus meinem Gepäck, statt hier herum zu zittern?!" Sie will sich schon rechtfertigen, dass sie nicht so schnell in den persönlichen Dingen eines anderen kramt, als Rashid sie an den Schultern an sich zieht, um sie mit seinem Körper gegen die kalte Brise anzuschirmen und zu wärmen. "Entschuldige, ich mache mir nur Sorgen um Dich…und unser Kind.", murmelt er leise in ihr Ohr. Seit ihren gemeinsamen Tagen an Board, wo sie sich eine Koje geteilt haben, ist Jannas Gegenwehr, wenn er unser Kind sagt, weniger geworden, und so erntet er nur ein paar zusammen gezogene Augenbrauen, was Jannas Stirn zerfurcht.

Der Gasthof, den sie schließlich finden, hat unbestreitbar den Vorteil, in der Nähe der Stelle zu liegen, an dem Sira Reißaus genommen hatte. Darin erschöpfen sich aber auch schon die Vorzüge des Etablissements. Aber zumindest sind die Beten sauber, auch wenn durch die geöffneten Fenster der Fischgeruch herein dringt, und die Geräuschkulisse des Hafens zu ihnen hinauf schallt. Del schleicht umher, wie ein Tiger im Käfig, bis Janna ihn wieder auf die Straße schickt, um nach seiner Ziehtochter zu suchen. Im Gegensatz zu Del,  der mit einem dankbaren Nicken gleich wieder verschwindet, braucht sie dafür bei Rashid ein wenig länger. Erst als sie ihn überzeugt hat, dass sie hier im Zimmer gut aufgehoben ist, und sich auch ja nicht alleine auf die Suche machen würde, entfernt sich Rashid zögerlich, nicht ohne sich auf der Türschwelle des Zimmers noch einmal umzudrehen. "Wenn Du nachher nicht hier bist, und ich finde Dich irgendwo in der Kälte, leg’ ich Dich übers Knie…schwanger oder nicht!" Trotzig hebt die Amazone ihr Kinn. >>Ich mache, was ich will!<< Ein warmer Ausdruck schleicht sich in Rashids himmelblaue Augen. "Janna, bitte. Ich möchte mir bei der Suche nach Sira nicht auch noch Sorgen darüber machen müssen, ob es Dir gut geht." Widerstrebend nickt Janna schließlich, auch wenn sich Rashid nicht ganz sicher ist, was das verschwörerische Funkeln in ihren Augen zu bedeuten hat.

Dann ist er wieder auf dem Hafengelände und späht erst links und dann nach rechts das lange Pier hinunter. Eine Stecknadel in einem Heuhaufen wäre leichter zu finden., denkt er mürrisch, bis sich sein Gesicht aufhellt. Gedächtnisverlust hin oder her. Wenn er selbst an Siras Stelle wäre, wüsste er, was er sich zu erst ansehen wollte. Das Haus seiner Familie! Einige Münzen später hat er die Information bekommen und weiß, wo er nach dem Gebäude suchen muss. Die seltsamen Blicke des Straßenjungen haben ihm allerdings dabei nicht gefallen, als dieser seine Frage gehört hatte, und so hatte Rashid noch ein paar Münzen oben drauf gelegt, um sich ein wenig Vergesslichkeit zu erkaufen, damit der Junge ihn nicht gleich an den nächst Besten verrät. Ob die Summe aber ausgereicht hat, wird sich erst später zeigen. Mit einer Hand am Säbel, bahnt sich der Wüstenkrieger durch die Menschenleiber, die die Straßen füllen. Immerhin hat er jetzt ein Ziel, und das ist alle Mal besser, als blind durch die Gassen zu rennen und jedem dunklen Lockenschopf nachzueilen, den man in der Menge ausmacht.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 31. Jan. 2006, 23:13 Uhr
Zunächst hat Lorne nur ein Ziel vor Augen: Fort von Kijada und Rashid, an Del und Janna denkt sie nicht, selbst Wind hat sie vollkommen vergessen. Erst als der junge Hund, der ihr bellend gefolgt ist, sie zum stehen bleiben zwingt, indem er sich einfach an ihr vorbeistürmt und sich breitbeinig vor ihr aufbaut, macht sie halt und sieht ihn atemlos an. „Ach Wind“, murmelt sie schließlich leise und noch völlig außer Atem. Sie holt tief Luft und ordnet allmählich ihre Gedanken, dann sieht sie sich um. Mittlerweile hat sie den Hafen verlassen und ist durch eines der Stadttore hinter die schützende Mauer gelangt, die den Stadtkern vor den launischen Winden der See bewahrt. Der Anblick, der sich ihr bietet, ist ihr nicht unbekannt. Die sandfarbenen, oftmals einstöckigen Gebäude haben etwas vertrautes, etwas von Heimkommen und hat man sich erst einmal bewusst gemacht, dass der Stadt offenbar einem spinnennetzartiger Aufbau zugrunde liegt, so kann man sich kaum darin verirren. Lorne überlegt nur kurz, wohin sie sich wenden soll und schlägt rasch einen Weg in Richtung Westen ein. Die Häuser am Straßenrand ähneln einander in ihrer Bauweise. Alle wirken recht schlicht und wenig elegant, andererseits unterscheiden sie sich durch vielerlei Dinge, die sie jedes Gebäude wiederum einzigartig machen. Überall fallen einem die bunten Fensterrahmen und Türen auf, auch kann man auf so manchem Hausdach lustige Fahnen flattern sehen und nicht selten schmücken Blumen oder Rankengewächse Fassaden und Fensterbänke, sodass man sich einem wahren Farbenmeer gegenüber sieht. Und doch kann der aufmerksame Betrachter auch hier ein bestimmtes Muster erkennen, da bestimmte Farben, bestimmten Stadtteilen vorbehalten sind. In dem Norden weisenden Viertel herrscht beispielsweise die Farbe Blau vor, da sie das Meer repräsentiert, die Farbe Grün ist hingegen dem Süden vorbehalten, da sich dort der Dunkelwald erstreckt.

Das westliche Viertel, welches Lorne nun aufsucht, wird von der Farbe Weiß dominiert, welche stellvertretend für das Nachbarland Immerfrost steht. Nun, wo das Mädchen ein konkretes Ziel vor Augen hat, läuft es noch schneller und hat schon bald ein einfaches Haus erreicht, welches nahtlos in das übrige Stadtbild eingefügt ist und sich von den Nachbarhäusern nur durch perlweiße, flatternde Fahnen auf dem Dach und die mit grünen Ranken überwucherten Säulen zu beiden Seiten des Eingangs abhebt.
Lorne bleibt in einiger Entfernung stehen und sieht das Haus beinahe andächtig an. Die meiste Zeit hatte sie mit ihrem Vater und Brak auf der Sturmpfeil zugebracht, im Hafen oder draußen auf offener See. In dem kleinen unscheinbaren Haus, welches die Familie ihres Vaters erworben hatte, nachdem sie aus Dunkelschein vertrieben worden war, hatten Vater und Tochter nur sehr selten bewohnt. Das Mädchen hat auch nicht vor lange zu verweilen. Es läuft nur rasch zur rechten Seite des Hauses hinüber, wo es unauffällig niederkniet. Dort am Boden sind ein paar Steine in der Hauswand lose, was aber nicht weiter auffällt, wenn man es nicht weiß, ein vortreffliches Versteck also, zumindest für ein kleines Mädchen. Lorne ist sich zwar nicht sicher, ob sie darin noch etwas finden wird, dennoch nimmt sie einen Stein nach dem anderen heraus. Und tatsächlich, offenbar ist ihr Geheimversteck bisher unentdeckt geblieben. Viel von Wert enthält es jedoch nicht. Staub, ein besticktes Taschentuch, welches sich bereits langsam auflöst und einige freche Wanzen. Enttäuscht verzieht Lorne das Gesicht. „Hey du!“, erklingt plötzlich eine Stimme in ihrem Nacken und sie wirbelt ertappt herum. „Was machst du da?“ Ein Mann steht hinter ihr und sieht wenig freundlich aus. Vielleicht der neue Hausbesitzer?, überlegt Lorne, mustert ihn aber nur kurz. Stattdessen springt sie, ohne zu antworten, einfach auf, schlüpft, als der Fremde nach ihr greifen will, zwischen seinen Beinen hindurch und verschwindet hinter der nächsten Hausecke. Wind folgt ihr bellend, während der Mann ihr nachblickt und nicht sicher scheint, ob er ihr folgen soll oder nicht. Erst ein paar Blocks weiter bleiben Lorne und Wind atemlos stehen. Noch immer hält das dunkelhaarige Mädchen das morsche Taschentuch in ihren Händen. Sie betrachtet es kurz, dann wirft sie es achtlos zu Boden. Überrascht hört sie, wie etwas leicht klimpert, als es das steinerne Pflaster berührt. Das Mädchen bückt sich, schiebt das Tuch beiseite und siehe da, zwei kleine Münzen blitzen im Licht auf. Viel wert sind sie nicht, doch für ein kleines Brot, zwei Apfel oder ähnliches dürfte es reichen. Erfreut hebt das Mädchen die Münzen auf und schlendert davon.

An einem Stand ersteht sie schließlich etwas zu essen, ein Stück Brot für sich und etwas Fleisch für Wind. Nachdenklich setzt sie sich auf die Stufen vor einem Brunnen und beißt hungrig in das duftende Brot, die Kruste ist goldbraun und knusprig. Was soll ich jetzt bloß machen?, überlegt sie. Allmählich kommt ihr aufgewühltes Gemüht wieder zur Ruhe und ihr dämmert langsam, dass es ziemlich dumm von ihr war, einfach so davon zu laufen. Andererseits, jetzt zurückgehen, Del suchen und sich entschuldigen? Niemals, entscheidet sie trotzig. Was würde das schon bringen? Wenn er erfährt, was los ist, will er mich eh nicht mehr bei sich haben. Lorne verdreht die Augen. In Gedanken kann sie bereits hören wie der Halbelb erklärt, dass sich ja nun Kijada mit ihr rumärgern kann – „Schließlich ist sie deine Mutter“. Missmutig verzieht das Mädchen das Gesicht, steht auf und kickt einen weißgrauen Kieselstein achtlos fort. „Hey“, erklingt es schon einen Moment später, offenbar hat der Stein irgendjemanden getroffen. Erschrocken sieht das Mädchen auf, bereit jeden Augenblick wieder davon zu laufen. „Sag mal, bist du verrückt, was soll den das …“, brummt ihr Gegenüber verstimmt. Seine mausgrauen Augen funkeln verärgert, doch plötzlich blinzelt er verblüfft. „Lorne?“
Nun ist es an dem Mädchen erstaunt dreinzuschauen. Sie betrachtet den Jungen genauer. Er ist gewiss kaum älter als sie selber, schlaksig und etwa einen Kopf größer. Sein schwarzgraues Haar steht ihm wild vom Kopf ab und seine bloßen Füße werden von einer dicken Schicht aus Schmutz und Staub bedeckt. Es dauert etwas, bis sie ihn erkennt. „Flo? Hey Flo, wie geht es dir?“, ruft sie überrascht aus und lässt die angespannten Schultern sinken. Grinsend begrüßen sich die beiden. „Menschenskind, wo kommst du den her?“, brummt der Straßenjunge lachend. „Janush hat vielleicht geflucht, als du mit einem Mal wie vom Erdboden verschluckt warst.“ Lorne lacht laut auf, auch Flo muss grinsen. Er legt dem Mädchen freundschaftlich einen Arm um die Schulter. „Na, erzähl mal, wo hast du dich so rum getrieben?“ Dann sieht er sie fragend an. „Weißt du schon, wo du heute Nacht schläfst?“ Lorne schüttelt verneinend den Kopf. Flo nickt. „Dachte ich mir schon, na dann komm mal mit.“ Gemeinsam schlendern die beiden davon; Wind folgt ihnen auf den Fuß.
Während sie so dahin schlendern, reden sie über die Götter und die Welt. Früher, kurz nach dem Tod ihres Vaters, war Flo Lornes bester Freund. Es tut dem Mädchen sichtlich gut mit ihm zu sprechen. Natürlich kommt die Unterhaltung irgendwann unweigerlich auch auf Del, Rashid und Janna zu sprechen. Als Lorne die Drei beschreibt, wird Flo aufmerksam, er fragt näher nach dem Südländer. „So ein großer Kerl?“, erkundigt er sich. „Dunkles Haar, blaue Augen, braungebrannt, komische Kleider?“ Das Mädchen nickt heftig. „Ja, wieso, hast du ihn gesehen?“ Der Straßenjunge antwortet ebenfalls mit einem Nicken. „Hat sich nach einem Haus im Westviertel erkundigt.“ Flo greift in seine Hosentasche und lacht, als es leise metallisch klimpert. Dann legt er den Kopf leicht schief, sein Gesicht wirkt mit einem Mal nachdenklich, fast ernst. „Wenn ich’s mir recht überlege … könnte sein, dass es das Haus war, wo du mal gewohnt hast, wenn du damals wirklich nicht geflunkert hast.“ Man kann dem Jungen ansehen, dass er sich in dieser Hinsicht immer noch nicht ganz sicher ist. Während ihrer zeit bei der Bande rund um Janush, war Lorne bekannt für ihre hinreißenden Flunkermärchen, niemand konnte so lebhaft und farbenfroh fabulieren wie sie. Lorne sieht den Jungen an, doch noch bevor sie ihm antworten kann, schiebt er sie um eine Ecke und in einen düsteren Hauseingang. „Bis zum Versteck ist es nicht mehr weit“, murmelt er.  

Schließlich haben die beiden bzw. die Drei, Wind folgt dem Jungen und dem Mädchen nach wie vor, ihr Ziel erreicht. Im Versteck der Straßenkinder angelangt, werden sie lärmend begrüßt. Einige der Älteren kennen Lorne ebenfalls noch von früher und schon bald wird das dunkelhaarige Mädchen von allen Seiten mit Fragen bestürmt, die es lachend beantwortet, so gut es eben geht. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung, Lorne fühlt sich ungewohnt befreit und ihre schlimmen Erinnerungen und Befürchtungen treten etwas in den Hintergrund.
Irgendwann, es wird bereits Abend, muss Lorne allerdings doch wieder häufiger an Del und die anderen denken. Unruhig rutscht sie auf ihrem Platz hin und her. Flo, dem dies nicht entgeht, sieht sie fragend an. „Was hast du?“, erkundigt er sich. Lorne schaut ihn verlegen an. „Weißt du, die Leute mit denen ich gekommen bin …“ „Dieser Rashid und die anderen?“, erwidert Flo fragend, Lorne nickt. „Was ist mit denen?“ „Weißt du zufällig, wo sie hin sind, Flo“, flüstert das Mädchen leise, „also ich meine …?“ „… ob ich raus finden kann, wo sie abgeblieben sind?“, meint der Straßenjunge breit grinsend. „Klar, kein Problem, dass kriegen wir schon raus.“ „Danke“, Lorne lächelt, nun wieder etwas beruhigt, denn langsam macht sich ihr schlechtes Gewissen doch arg bemerkbar. Sie beruhigt es aber sogleich wieder. Flo wird sein Versprechen halten, sagt sie sich. Er und die anderen werden schon raus finden, wo Del, Rashid, Janna und Kijada sind. Dann werde ich gleich morgen früh zu ihnen zurückkehren und alles erklären. Bei dem Gedanken verspürt sie zwar ein mulmiges Gefühl im Magen, doch sie beschließt, daran festzuhalten. Immerhin hat sie Del und den anderen einiges zu verdanken, es wäre falsch, sich einfach so aus dem Staub zu machen, denn bestimmt machen sie sich längst große Sorgen. Oder auch nicht …, flüstert eine gehässige Stimme in ihrem Kopf. Wer weiß, vielleicht erlebst du morgen, wenn du zurückkehrst, noch ein blaues Wunder. Lorne gähnt, schiebt den Gedanken rasch beiseite und schließt die Augen. Es dauert noch eine ganze Weile, bis sie endlich schläft. Besonders gut träumt sie allerdings nicht. Einmal mehr wird sie von düsteren Albträumen heimgesucht. Flo beauftragt derweil einige der übrigen Straßenkinder ihre Augen und Ohren offen zu halten. Unauffällig treiben sie sich auf den Straßen von Yashior herum, verstecken sich unauffällig in dunklen Hinterhöfen, Ecken und Gassen und gehalten Gasthäuser und Tavernen im Auge.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 07. Feb. 2006, 20:19 Uhr
Das Lächeln das Janna anfangs noch auf ihren Lippen trägt, erstirbt schlagartig, als ihr bewusst wird, dass Sira nicht bei ihnen und somit noch immer alleine in der Stadt ist. >„Wo... wo ist sie?“< Del kann nichts anderes, als mit den Schultern zu zucken. Er hat keine Ahnung wo sie ist, nicht einmal im Ansatz. Aber er hofft, dass sie wenigstens noch in der Stadt ist. Sollte Sira so naiv sein und sie verlassen, dann wäre alles verloren. Da ist ihm sogar der Gedanke lieber dass sie sich verlaufen oder gar einen Knochen gebrochen hat, denn da würde man eine Lösung finden. Den Dunkelwald zu durchkämmen, um Sira zu suchen, daran bräuchten sie nicht einmal in Gedanken denken, dass dieses Vorhaben wäre von Anfang an zum Scheitern verurteilt. So belässt es Del vorerst dabei Janna möglichst sachlich über die Lage aufzuklären und sie wieder ein wenig zu beruhigen. Wobei es Rashid auch nicht schaden könnte, der Janna wenig später zurechtweist, warum sie hier bibbernd in der Kälte sitzt. Recht hat er, aber Del verschwendet keinen weiteren Gedanken daran. Janna ist alt genug und wenn sie meint, dass sie und ihr Stolz das verträgt, nun dann ist sie schlichtweg selbst Schuld. Während Rashid noch immer mit seinen Belehrungen Jannas Trotz und Wut schürt, sieht sich Del weiterhin nach Sira um, aber die Personen am Hafen bleiben alle unbekannt. Auch von Kijada ist nichts zu sehen, aber um sie macht er sich gerade herzlich wenig Sorgen. Wenn es nach ihm geht, kann sie für immer und ewig weg bleiben, schließlich will sie ihm nur Sira wegnehmen. Aber vielleicht hat sie das schon geschafft und du hast es nur noch nicht bemerkt. Del lässt sich nicht zu einem Seufzen hinreißen und gibt dann die Anweisung, dass sie endlich ein Gasthaus aufsuchen sollten. Ohne Widersprüche folgen die anderen beiden seinen Worten und jeder schnappt sich das an Gepäck was er tragen kann. Del beachtet Kijadas Gepäck nicht, aber Rashid scheint anderer Meinung zu sein und schultert ihre Taschen ebenfalls. Es gibt keine Garantie dafür, dass die herrische Amazone jemals wieder bei ihnen auftaucht, aber durch ihre Sachen, hat Rashid ihr zwangsläufig einen Grund gegeben, es doch zu tun. Es stimmt Del nicht gerade fröhlich, aber sollte Sira bis dahin immer noch nicht wieder bei ihnen aufgetaucht sein, könnte die Amazone vielleicht einige wertvolle Informationen haben.

Da niemand von ihnen lange nach einem Gasthaus suchen möchte und sie auch wenig Lust verspüren, dass billigste in der hintersten Ecke zu nehmen, damit Sira sie gar nicht erst finden kann, nehmen sie das erste was ihnen ins Auge fällt. Es ist gar nicht so weit vom Hauptgeschehen an den Anlegestellen entfernt und sollten sie ein günstiges Zimmer erwischen, hätten sie somit sogar Ausblick auf einen Großteil der Docks. Der erste Eindruck ist sehr positiv, doch als Del mit dem Wirt über den Preis redet, wird ihm klar, warum das so ist. Alles andere als erfreut, stimmt er dennoch dem Preis zu und lässt sich ein Zimmer geben, dass zwar das erhoffte Fenster aufweist, aber dafür auch einen weiteren Gast. Je länger er in dieser Hafenstadt ist, umso schlechter wird seine Laune. Anfangs schien ihm allein der Fischgeruch und der Lärm unangenehm, aber nun nachdem er ein Problem in Form einer weggelaufener Sira und eines stark gelehrten Geldbeutels aufweist, weiß er, was ein scheiß Tag ist. Er hat gut Laune einfach irgendetwas was ihm gerade vor die Augen kommt zu zertrümmern, aber noch wird seine Wut von der Sorge um Sira erfolgreich unterdrückt. Aber sollte er sie in nächster Zeit zu Gesicht bekommen, würde es ihm einiges mehr abverlangen, um noch ruhig zu bleiben. Er weiß schon jetzt, dass er beim Zusammentreffen das Weite suchen wird, einfach um nichts unüberlegtes zu tun und Sira damit zu animieren erneut wegzulaufen. Ich glaube, ich sollte den Göttern danken, dass ich bislang doch noch keine eigenen Kinder hab. Die Unruhe in seinem Inneren will sich nicht beruhigen lassen. Er fühlt sich eingesperrt, unfähig auch nur das mindeste zu tun. Er möchte gerne wieder nach draußen und Sira suchen, aber er weiß genau wie unsinnig es ist. Er wird sie nicht finden. Nicht jetzt und auch nicht in ein paar Stunden. Er hat nicht einmal ein Bild was er zeigen kann, sondern kann nur nach einem Mädchen mit schwarzen Locken und moosgrünen Augen fragen. Ihre auffälligsten Merkmale. >„Ist schon gut, ich mache das hier, ich regle das. Geht sie suchen und... und bringt sie heil zurück, auch wenn ihr eine Tracht Prügel sicher nicht schaden würde.“< Jannas Hand auf seinem Hand, reißt ihn aus seinen Gedanken. Er blickt sie dankbar an und wünschte er hätte Worte, die sie beruhigen könnten. Es würde für sie besser sein, wenn sie sich nicht zu sehr stresst und damit dem Kind schadet, aber er schafft es nicht einmal sich selbst abzuregen. „Danke“, flüstert er leise und drückt kurz ihre Hand. Er wirft einen kurzen Blick zu Rashid, aber in ihm scheint die Sorge um Janna im Moment zu überwiegen. Er kann es ihm nicht übel nehmen, schließlich geht es auch um sein Kind. Und Sira ist mit weder mit ihm noch mit Rashid blutsverwandt. Eigentlich eine Fremde, aber das war sie nur als er sie gefunden hatte. Schon kurze Zeit später, war sie ein Teil seines Lebens, den er jetzt nicht so leicht loslassen kann. Als er dieses Mal losläuft, ist er nicht vollkommen unvorbereitet und kann sich notfalls auch Informationen erkaufen. Er glaubt zwar nicht, dass er jemanden findet, der ihm wirklich etwas brauchbares erzählen kann, aber man kann ja nie wissen.

Über seinen Mantel ist er bereits froh, als er die Taverne wieder verlässt. Die Feuer im Inneren hatten ihn aufgewärmt und als er nun wieder nach draußen tritt, empfangen ihn die kalten Küstenwände mit gierigen Fingern. Ein Großteil der Haare löst sich augenblicklich aus seinem Zopf und flattert wirr um seinen Kopf. Del lässt sich einen Augenblick Zeit, um tief Luft zu holen und zu entscheiden, wohin er gehen soll. Zwangsläufig läuft es darauf hinaus, dass er dieses Mal sein Glück hinter der riesigen Mauer versucht und so setzt er sich auch in diese Richtung in Bewegung. Wohl ist ihm bei dem Gedanken nicht, aber er hat immerhin nicht vor wegzulaufen und kann sich somit den Weg zurück erfragen. Sira könnte es auch, zumindest bis zum eigentlich Hafengelände, aber sie würde damit keinen Schritt weiterkommen, da sie nicht weiß, wo sie sich eine Unterkunft besorgt haben. Falls sie überhaupt jemals zurück kommen will. Das Strassengewirr ist auf den ersten Schrecken recht verwirrend und Del hat keinen blassen Schimmer, wohin er gehen soll. Alles scheint ihm gleich gut oder verkehrt. Wenn er nach links läuft, könnt Sira nach rechts laufen und genauso umgekehrt. Aber irgendwo muss er anfangen und so lässt er sich einfach von der Menge mitschleifen und entscheidet spontan, wann er abbiegt oder zurückgeht. Den ganzen Nachmittag verbringt er so auf den Strassen, findet ganz nebenbei sogar eine gewisse Strukturierung derselben heraus, und fragt immer wieder Passanten, ob sie nicht ein Mädchen wie Sira gesehen hätten. Natürlich ist die Antwort meist ein knappen „Nein.“ Einige können ihm zwar tatsächlich etwas sagen, aber die Hinweise helfen Del kein bisschen weiter. Als schließlich die Dunkelheit langsam über Yâshior hereinbricht, muss Del einsehen, dass er an diesem Tag keinen Erfolg haben wird. Er mag nicht aufgeben und ohne ein Lebenszeichen zurückkehren, aber es würde auch nichts bringen, wenn er bis zur Erschöpfung, weiter durch die Strassen irrt. Niedergeschlagen und mürrisch kehrt er zum Gasthaus zurück.
Im Schankraum erwarten ihn bereits Janna und Rashid, die sich dort niedergelassen und etwas zu essen bestellt haben. Wortlos gesellt er sich zu ihnen und lässt sich auf einen Stuhl sinken. Er braucht niemanden zu erzählen, dass er keinen Erfolg hatte und Rashid scheint es da ähnlich zu gehen. Mit müden Bewegungen streicht er sich einzelne Haarsträhnen zurück und fährt sich dann durch das Gesicht. Er möchte jetzt mit niemanden reden und einfach nur hier sitzen und an gar nichts denken. Das erscheint ihm im Moment sehr verlockend, aber schon als die Bedienung neben ihm auftaucht, scheitert sein Vorhaben. „Bringt mir irgendwas... egal... hauptsache Alkohol.“ Die Ellbogen auf den Tisch gestützt wartet Del auf sein Getränk und nippt dann daran, ohne sich für seine Umgebung zu interessieren. Janna und Rashid erzählen leise, aber er versteht den Sinn ihrer Worte nicht.
Erst als ein dreckiger junger Bengel an ihrem Tisch auftaucht und sie fragt, ob sie Del, Rashid und Janna seien, wird er plötzlich hellwach.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 08. Feb. 2006, 18:40 Uhr
Es ist später Abend als Rashid als Erster in die Taverne zurückkehrt, wo sie sich derweil ein kleines Abendmahl bestellt hat, das jedoch noch immer unberührt und mittlerweile auch genauso kalt vor ihr steht. Sie weiss, sie muss etwas essen, doch verspürt sie keinen Hunger, stattdessen nur nagende Sorge um Sira. Warum war dieses vermaledeite Ding auch einfach so davon gerannt, ohne jemandem zu erklären, was geschehen ist? Nachdenklich vergräbt Janna ihr Gesicht in ihren Händen, eine geringe Wut auf diesen elenden Bauch verspürend, der es ihr unmöglich machte, sich selbst auf die Suche nach dem Mädchen zu begeben. Hundefänger streicht kläglich maunzend um ihre Beine, doch als er nach einiger zeit noch immer keine Aufmerksamkeit von ihr erntet, ziht er beleidigt von dannen und kringelt sich unter ihrem Stuhl zu einem kleinen Pelzknäuel zusammen. Der Schankraum ist gut gefüllt, überall fröhliches Gelächter und herbe Flüche, was Janna ein angenehmes Gefühl beschert, denn im Pfirsich war es nie anders zugegangen, doch das ist auch alles, was ihrer Lage momentan etwas Aufbauendes abgewinnt. Sie bemerkt nicht, wie jemand an ihren Tisch tritt, doch als sich plötzlich ein Arm um ihre Schultern legt, zuckt sie erschrocken zusammen und will ihn schon fortdrängen, gerade als sie erkennt, dass es nur Rashid ist, und kein Betrunkener Weiberheld. Sie muss nicht fragen, um zu wissen, dass seine Suche nicht von Erfolg gekrönt worden ist, deine starre Miene und das Kopfschüttelnd auf ihre stumme Bitte genügen und tief holt sie Luft. „Dieses… dieses… verblödete Ding!“, jappst sie schliesslich mit bitterem Unterton, schüttelt vage die Faust in der Luft und ihr fallen Unmengen an kreativen Dingen ein, die sie mit Sira anstellen könnte, um der egoistischen Dame mal zu zeigen, wie fürchterliche Sorgen sie sich alle machen. Rashid zieht einen Stuhl heran, setzt sich dicht neben sie und ohne zu zögern lehnt sie sich an ihn, müde und ausgelaugt von dem heutigen Tag und den nervlichen Strapazen, die sie seit Mittag durchmachen. Sie hat sich selten so kaputt gefühlt, schwach und hungrig, und doch kommt ihr allein beim Gedanken zu essen die Galle hoch. Vorsichtig birgt sie ihr Gesicht an seinem Hals und klammert sich an ihm fest, eine Hand fest auf den Bauch gepresst, doch das Kind gibt gnädigerweise schon seit die Männer verschwunden waren Ruhe. „Ich meine… Sie kann doch nicht einfach… naja, sie hat es getan, aber wieso sagt sie nicht einfach was los ist. Ja, WAS ist eigentlich mit ihr los? Wo stecken Del, wo Kijada, was wollen wir tun und warum, verflucht nochmals kann diese Reise nicht einfacher werden?“, lamentiert sie, schwach gestikulierend, bis Rashid sie sicherlich eine geschlagene Viertelstunde lang beruhig und auf sie einredet, wie auf eine kranke Kuh, doch auch wenn sie seine Argumente versteht, so will es ihr Gemüt nicht beruhigen und schon gar nicht die Last von ihren Schultern heben, die dort so schwer sitzt.

Rashid will sie zwar mit heroischer Überzeugungsarbeit dazu bringen, doch noch etwas zu essen, doch sie weigert sich schlicht und als sie sich schliesslich von ihm löst und ihm einen vernichtenden Seitenblick zuwirft, der sämtliche, eben noch vorhandene Harmonie in kleine Splitter sprengt, gibt er auf und bestellt sich selbst etwas zu Essen. Die Schankmaid, ein hübsches, dralles Ding, ist flugs dabei, seine Bestellung auszuführen und wenn Janna raten dürfte, würde sie wohl darauf kommen, dass das Mädchen nicht nur Bedienen von Gästen in Form von Bestellungen aufnehmen so flink ist. Eine ganze Weile schweigen sowohl Janna, als auch Rashid, der sich hungrig über eine heisse, mit Fleischklösschen garnierte Suppe, sowie einem grossen Stück Brot hermacht und alles mit einem Dunkelbier hinunterwischt. Janna indes starrt die Eingangstür regelrecht in Grund und Boden, schliesslich ist Del noch nicht zurück, was heissen kann, dass er vielleicht auf der richtigen Spur ist und bald mit Sira zurückkommt. So springt sie wie von einer Tarantel gestochen auf, als sein Kopf im Türspalt auftaucht, doch jegliche Vorfreude erstickt im Keim, als sie seiner Miene gewahr wird, die so wütend und niedergeschlagen aussieht, dass seine Suche gar nicht von Erfolg unterstrichen sein kann. Ohne etwas zu sagen, setzt er sich zu ihnen, stützt den Kopf in die grossen Hände und auch Janna lässt sich wieder zurücksinken, was dem Kind wohl als Grund reicht, sofort wieder damit anzufangen, ihren armen Leib mit zärtlichen Knuffen und Schlägen zu plagen und ihr Bauch hebt sich bei all den räkelnden Bewegungen wie ein volles Fass auf dem Wasser und sinkt dann wieder. Jannas Blick ruht jedoch auf Del, dessen Schultern nach vorne hängen und sein Haar hängt ihm in wirren Strähnen zu allen Seiten hinab. „So kann das nicht weiter gehen“, flüstert sie schliesslich leise, um zu versuchen den Halbelben nicht in seiner erzwungenen und einsamen Stille zu stören, die er wohl gerade braucht. Missmutig und verärgert zugleich sieht sie Rashid an, versucht seine Gefühle zu ergründen und schüttelt schliesslich leicht verloren den Kopf: „Solche Spielchen kann sie nicht mit uns treiben. Wenn wir sie bis Morgen früh nicht gefunden haben, werde ich die Garnison aufsuchen und sie als vermisst melden. Bei allen Göttern, sollte ich dieses vermaledeite Frauenzimmer in die Finger kriegen, versohle ich ihr den Hintern und das nicht zu wenig.“ Erneut kommt die hübsche Schankmaid vorbei, nimmt Dels Bestellung nach Alkohol entgegen und Janna wird zornig ob der Hilflosigkeit, mit der sie hier sitzen und zusehen muss, wie dieses Mädchen die Männer fast in den Wahnsinn treibt.  

Gerade so richtig schön kochend vor Zorn, wendet sie sich bereits wieder Rashid zu und möchte den Mund aufmachen, als eine leise, kindliche Stimme sie unterricht bevor sie anfangen kann. „Seid ihr Rashid, Del und Janna?“ Augenblicklich herrscht eine bedrohliche, angespannte Stille am Tisch und aller Augen ruhen auf dem schmutzigen Bengel von vielleicht elf Jahren, der sie mit neugierigem, aufmerksam herumhuschendem Blick mustert. Seiner Kleidung und seinem verwilderten, strohblonden Haar nach zu urteilen, kommt er von der Strasse. Aber woher will er wi… SIRA! Der Gedanke schiesst ihr eiskalt durch den Kopf und ohne einen weiteren Augenblick zu zögern, erhebt sie sich ungelenk, umrundet Rashid mit schnellem Schritt und obwohl der Junge misstrauisch zurückweicht, schafft sie es noch ihn am Kragen zu packen, bevor er geschmeidig wie ein wildes Kätzchen schon wieder in der Menge untertauchen könnte. Er strampelt, ruft leise aus und einige der Gäste wenden fragend ihre Köpfe, doch als Janna sich keuchend zu ihm hinunterbeugt und sein Gesicht bis auf wenige Fingerbreit an ihres zerrt, verstummt er und sieht dabei aus, wie ein beleidigtes und schmollendes Äffchen, dass man beim Bananenklau am Schlafittchen erwischt hat. „Wo ist sie?!“, zischt sie leise und klingt dabei, als würde sie nicht hadern, ihn zu verdreschen, um die Antwort zu erhalten. Der Junge beisst sich auf die Lippen, zerrt noch einmal ein wenig vergebens an ihrem Griff und verschränkt schliesslich mit hochgerecktem Kinn die Arme. Janna, nicht willens, ihn gehen zu lassen, bevor er nicht ausgespuckt hat, wo sie die Dame befindet, die sich wohl zu fein dafür ist, ihnen eine Nachricht persönlich zu überbringen, starrt ihn eindringlich an und flüstert schliesslich: „Bürschchen, ich schwöre dir, ich werde nicht zögern dir hier auf der Stelle die Hosen von deinem Hintern zu ziehen und dich kräftig zu verdreschen. Wenn es sein muss, hier, mitten im Schankraum, wenn du nicht auf der Stelle mit einer Antwort rausrückst, denn ich bin schwanger und schwangere Frauen sind die gefährlichsten Wesen auf ganz Roha, haben wir uns verstanden?!“ Der Bursche macht so grosse Kulleraugen, dass man fast Angst haben müsste, sie würden gleich aus den Höhlen fallen und seine Miene spricht Bände, was er über ihren geistigen Zustand denkt, doch es scheint gewirkt zu haben, denn er nickt unmerklich und hastig und sagt dann leise etwas von: „Bei Flo… sie schläft schon, wollte aber wissen wo ihr seid, also haben wir euch gesucht… ich meine…“ „Wer ist Flo?“, fällt sie ihm kurzerhand ins Wort, und spürt dabei Dels Blick unbehaglich scharf auf dem Jungen liegen.

Die Finger des Halbelben scheinen den Becher mit dem Alkohol fast zu erwürgen und Janna ist sich sicher, dass er nicht halb so sanft mit dem Jungen umgehen würde, wie sie es gerade tut. Das Blondschopf tritt unruhig von einem Fuss auf den Anderen, versucht ihren Augen auszuweichen und ihm ist deutlich anzusehen, dass ihm die Wendung der Dinge überhaupt nicht gefällt. Schliesslich verliert Janna schlichtweg die Geduld und bevor einer der beiden Männer etwas sagen kann, zerrt sie den Jungen mit schraubstockartigem Griff bereits zur Türe und tritt mit ihm hinaus in die Kälte des Abends. Der Wind fährt schneidend über ihre Wangen und das dünne Kleid, das sie trägt, kann die Wärme nicht für einen Augenblick haltend. Sogleich beginnen ihre Zähne zu klappern und sie schaut sich kurz um, bevor sie den kleinen Boten unsanft zu sich zieht und kochend vor Zorn zischt: „Du bringst uns jetzt zu ihr und solltest du glauben, uns in die Irre führen zu können, dann gnaden dir die Götter Kleiner. Ich wird dich in die See werfen, oder eher… ich überlasse dich den Männern.“ Dieses Argument scheint ihn augenblicklich zur Besinnung zu blicken, und als sie über die Schulter seinen weit aufgerissenen Augen folgt, erkennt sie auch den Grund dazu. Del, angespannt bis aufs Mark, sieht aus, als würde er dem Nächstbesten, der ihn irgendwie aufhalten will, fein säuberlich jeden Zahn einzeln ausschlagen und die Angst, derjenige zu sein, der ihm in die Finger kommt, bringt den Jungen dazu, in eine Richtung zu weisen und leise zu flüstern: „Da entlang.“ Die beiden Männer, noch beide mit Umhängen gewappnet laufen los und Janna übergibt den Burschen an Del, dessen Hand sich eisenhart und ohne jegliche Rücksicht in den dünnen Arm bohrt, derweil sie selbst unter Rashids schützenden Mantel schlüpft, um sich nicht doch noch eine Lungenentzündung zu holen.
Und so eilen sie im Laufschritt durch die Gassen. Del läuft so schnell, dass der Junge hin und wieder fast rennen muss, um dem Halbelben nachkommen zu können und an jeder Abzweigung gibt es einen neuen bösen Blick und eine neue ängstliche Richtungsanweisung, bis sie schliesslich vor einem verlotterten, alten Gebäude stehen, das Dach vollkommen windschief, die Fenster zum Teil eingeschlagen, die Mauern von grossen und kleinen Rissen durchzogen, einfach gesagt, eine Bruchbude. Doch aus dem Inneren dringt ein schwacher, fahler Schein und Del vergewissert sich mit einem leisen Knurren, dass sie hier richtig sind. Der Junge nickt, wohl verzweifelt, dass er schliesslich doch hat nachgeben müssen und wagt es schon gar nicht mehr den Mund aufzumachen.

Janna, mit Wackelbeinen und hundemüde von dem schnellen Lauf, atmet schwer und muss sich an Rashid abstützen, um nicht gleich den Boden unter den Füssen zu verlieren. Als sie jedoch begreift, dass sie endlich am Ziel sind, schlüpft sie ungelenk unter dem Mantel hervor, tritt zur Türe und öffnet diese, ohne auf die Einwände des Jungen zu achten, der wild herumhüpft und die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. „Sira?! Lorne! Wind!“, ruft sie mit heiserer Stimme und mit soviel Hoffnung, dass es ihr beinahe die Kehle zuschnürt. Ich sollte wütend sein und stattdessen bin ich froh, dass es ihr wahrscheinlich gut geht… Oh nein, so leicht kommt sie nicht davon. „Wind!! Sira!“ Einen flüchtigen Augenblick lang herrscht Ruhe und dann erklingt dumpfes, aber eindeutig freudiges Gebell und im nächsten Moment komme ein graues, zotteliges und sehr grosses Etwas eine Treppe hinauf geschossen und rennt sie beinahe über den Haufen. „Wind!“, ruft sie flüchtig aus, tritt endgültig hinein und späht zu dem dunklen Zwielicht, das die Stufen erhellt, hoffend, dass das Mädchen nun nicht aus schlechtem Gewissen Reissaus nimmt. Schliesslich taucht endlich zögerlich ein schwarzer, wild gelockter und ziemlich verschlafen und gleichzeitig erschrocken aussehender Schopf auf, das blasse Gesicht nur von einer einzelnen Kerze erhellt und die moosgrünen Augen blicken gross und rund zu ihnen hinüber. Heftig schnappt Janna nach Luft, presst die Lippen aufeinander und dann hat sie die kurze Distanz zwischen sich und Sira bereits überwunden und ihre schmale Hand trifft hart auf die Wange des Mädchens. „WAS hast du dir eigentlich dabei gedacht?! WAS bitteschön! Kannst du mir das erklären?! Wir sitzen verrückt vor Sorge um dich in einem beschissenen Gasthaus und wissen nicht, ob du überhaupt noch in der Stadt bist, oder uns einfach so hast sitzen lassen! Und dabei hockst du im gemütlichen Versteck deiner Freunde und wahrscheinlich ist es dir auch noch egal, dass wir nicht hätten schlafen können vor Angst!“ Janna muss sich zwingen ihre Hände still zu halten, das Kind regt sich in ihr, tritt heftig und wohl verärgert über ihren Ausbruch um sich. Ihre Beine fühlen sich an wie weichgekochte Grütze und ein fahler Geschmack macht sich in ihrem Mund breit, derweil sie die Augen zusammen kneifen muss, um zu verhindern, dass die Sicht vor ihren Augen verschwimmt. Schnell stützt sie sich an der Wand zu ihrer Seite ab, nicht einen Moment ihren wütenden Blick von Sira nehmend, die sich die Wange hält und Janna ist, als würde die Welt sich leicht zu drehen beginnen. Ich hätte nicht so… rennen sollen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 15. Feb. 2006, 23:22 Uhr
Also Lorne Jannas Schlag auf ihrem Gesicht spürt, zuckt sie unweigerlich zusammen und hält sich die schmerzende Wange. Auch der letzte Rest Müdigkeit fällt von ihr ab. Und sie ist überrascht, Jannas Stimme hatte sie aus erstem Schlaf hochschrecken lassen und ehrlich gesagt, hatte das junge Mädchen nicht einmal im Traum damit gerechnet, dass die Pfirsichmaid, Del und Rashid sie noch in dieser Nacht finden würden. Sie funkelt Flo, der Junge steht verlegen grinsend etwas abseits, wütend an. Eigentlich hatte sie ihn für schlauer gehalten, stattdessen hatte er offenbar die dümmsten Burschen auf die Straße geschickt, die er finden konnte. Doch nun ist es zu spät, alle sind sie da, in diesem kleinen, dreckigen Unterschlupf, den die Straßenkinder rund um Janush ihr Zuhause nennen. Nur Kijada fehlt, aber das bemerkt Lorne in diesem Augenblick nur am Rande. Stattdessen blickt sie einfach nur von einem zum anderen, sie sieht in die Gesichter der beiden Männer und weiß nicht genau, was sie darin sieht, Wut, Erleichterung, Freude? Nun, immerhin Janna hat ganz klar gezeigt, was sie im Augenblick denkt. Nun steht die Pfirsichmaid da, lehnt sich an die Wand und atmet schwer. Offenbar geht es ihr nicht gut. Lorne streckt die hand nach ihr aus. Sorge zeigt sich auf ihrem Gesicht und sie will eine Entschuldigung murmeln. Doch dann erinnert sie sich an die Ohrfeige, die ihr Janna soeben verpasst hat und sie zieht die Hand mit einem Ruck zurück. Ihre Miene verfinstert sich und sie presst die Lippen so fest zusammen, dass ihr Mund kaum mehr ist als ein schmaler Strich.  

Schließlich ist es Flo, der die einsetzende Stille durchbricht. Er räuspert sich verlegen. „Äh, tut mir leid, Lorne“, murmelt er. „Aber ich glaube, es ist besser ihr verschwindet jetzt, hm? Ich meine, der da – Er deutet auf Janna. – geht es offenbar nicht gut und hier … also, na ja …“ Lorne wirft ihm einen verachtungsvollen Blick zu. „Schon gut“, zischt sie. „Jetzt wo sie hier sind, ist es besser, ich verschwinde wieder. Ich gehöre nicht mehr dazu, dass willst du doch sagen.“ Heiße Röte schießt Flo in die Wangen, nun scheint auch er sauer zu werden, doch dann nickt er nur. Das Mädchen seufzt und senkt den Kopf. Im Grunde weiß sie, dass er Recht hat. Trotzdem fühlt sie sich verraten und im Stich gelassen. Komisch, warum ist das so?, fragt sie sich insgeheim, findet aber keine passende Antwort. Ihr Blick wandert zu Del. Erneut verspürt sie den Drang, etwas sagen zu müssen, doch dann spürt sie Jannas Blick und entscheidet sich dagegen, stattdessen geht sie ohne ein weiteres Wort zu verlieren zum Ausgang hinüber und sieht sich erst um, als sie bereits draußen auf der Straße steht. Geduldig wartet sie, ob die anderen ihr folgen, dann muss sie doch etwas sagen. „Wohin müssen wir?“ Fragend sieht sie die beiden Männer an und wartet auf eine Antwort.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 21. Feb. 2006, 14:49 Uhr
Eher als erwartet, hat Rashid Erfolg und treibt einen Straßenjungen auf, der ihn mit wachen Augen mustert und taxiert. >>Vielleicht erinnere ich mich ja, welches Haus das sein könnte, wenn mich mein knurrender Magen nicht so beim Nachdenken stören würde!<<, antwortet er mit einem gekonnten Augenaufschlag auf die Frage des Wüstenkriegers, wo denn das Haus der Familie Thain zu finden wäre. Rashid zieht ein paar Münze aus seiner Tasche und hält sie in der offenen Hand vor sich. ''Denkst Du, das hier würde reichen, um Deinen Magen zu beruhigen?'' Ein eifriges Nicken besiegelt den Handel, doch als der Junge nach den Münzen greifen will, schließt Rashid schnell die Hand. ''Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!'' Mit einem verdrießlichen Schnauben, dreht sich der Junge zum Gehen und winkt Rashid schlicht, damit er ihm folgt. Ihr Weg führt sie ins Westviertel, wo die Wände der Häuser weiß getüncht sind. Das erinnert Rashid an zu Hause, und er sieht sich genau um, bis sie vor einem Haus mit gehissten Flaggen stehen bleiben, dessen Eingang von Säulen flankiert wird, an denen Efeu, ...oder irgendein anderes Gestrüpp, in dicken Strängen empor rankt.

''Das ist es?'', lässt sich der ehemalige Karawanenwächter das Ziel bestätigen und erntet damit ein >>Mhm.<< ''Dann sie zu, dass Du etwas zu essen bekommst!'' Ohne weiteres feilschen, überreicht er dem Jungen die vereinbarte Summe und sieht seinem seltsam schwarzgrauen Haarschopf nach, der in der Menge verschwindet. ''Ich will verdammt sein, wenn ich nicht in spätestens einer Stunde als großzügiger Wohltäter unter Deinen Freuden bekannt bin...ein Wohltäter, den man prima ausnehmen kann.'', murmelt Rashid schmunzelnd in seinen nicht vorhandenen Bart. Das Haus ist bewohnt, wie sehr schnell klar wird, wenn man einen Blick auf das Gebäude wirft. Vermutlich ist es nach einer langen Zeit des Leerstands erstmal wieder in den Besitz der Stadt übergegangen, die es dann wieder verkauft hat. Schade. Wäre es unbewohnt, stünden die Chancen sicher nicht schlecht, Sira, oder viel mehr Lorne, dort zu finden. Also bin ich genauso schlau wie vorher. Nur ärmer. Ein voller Erfolg!, denkt er sarkastisch und zieht seinen Mantel enger um seine Schultern. Rashid hasst Kälte. Sie macht ihm nichts aus. Dafür ist er schon zu viel und zu weit gereist und hat auch schon genug gefroren, doch wenn er die Wahl hat, zieht er Reisen in Richtung Sonne einfach vor.

Ein wenig enttäuscht über den Fehlschlag sieht er sich um und überlegt, in welche Richtung er gegangen wäre, wenn er an Siras Stelle hier angekommen wäre. Die Gewissheit, dass eine Richtung so gut ist wie jede andere, sorgt nicht gerade dafür, dass sich seine Stimmung bessert. Und so endet der Tag wie erwartet. Durchgefroren und hungrig, 100% erfolglos und dementsprechend übellaunig, erreicht er in den Abendstunden wieder die Taverne, den Ausgangspunkt ihrer Suche. Janna ist als einzige schon im Gastraum. Von Del und Kijada fehlt noch jede Spur. Janna ist erschöpft, besorgt und hungrig...obwohl sie nichts essen will, und sie schmiegt sich an Rashid, wie ein Küken an eine Henne. Als Rashid schließlich jedoch mit Engelszungen versucht, sie doch zum Essen zu überreden, riskiert er damit ihre zart aufblühende Harmonie und sein Seelenheil. Also bestellt er sich schlussendlich eine Mahlzeit nur für sich alleine, wobei er, entgegen seiner sonstigen Art, kaum Notiz von dem süßen „Pfirsich“ nimmt, der die Bestellung aufnimmt. Als Del zurückkehrt, keimt einen Moment so etwas wie Hoffnung bei Janna und Rashid auf, doch der Blick des Halbelben spricht Bände. Auch er hat Sira nicht gefunden. Übellaunig und mit gedämpfter Stimmung, verbringen sie den Abend über ihren Getränken brütend. Rashid will gerade anmerken, dass Kijada zweifelsfrei Siras Mutter sein muss, wo sie doch ebenso spurlos verschwunden ist wie ihre Tochter, als ein Junge zu ihnen an den Tisch tritt.

>>Seid ihr Rashid, Del und Janna?<<, tönt er mit seiner hellen Stimme über den Lärm der Hafenkneipe hinweg und während Del und Rashid ihn noch überrascht ansehen, stürzt Janna sich auf ihn, wie eine angespannte Sprungfeder. Die Schankmaid geht nicht gerade zimperlich mit dem Kleinen um, doch vermutlich hat er noch Glück, dass nicht Del ihn überredet, erklären zu müssen, warum er gerade sie sucht. Dels drohendes Gebaren gepaart mit Jannas energischer Art, sorgen schließlich aber dafür, dass sie zum Unterschlupf einer kleinen Bande von Straßenkindern geführt werden, wo sie endlich eine völlig verschlafen drein schauende Sira finden. Als es soweit ist, explodiert Janna wie ein Vulkan, obwohl sie eben noch kaum Kraft zum Stehen zu haben schien, was Rashid besorgt beobachtet. Die Aufregung und das Rennen zu Siras Versteck, waren wohl doch ein wenig zu viel für die hochschwangere Frau. Sira ist kratzbürstig wie eine Wildkatze und huscht aus dem Unterschlupf, um auf der Stratße auf sie zu warten. ''Ok, genug Aufregung für einen Tag!'', verhindert der Wüstenkrieger energisch jede weitere Diskussion und stützt Janna, ihren leichten Protest ignorierend. ''Komm, ich bin mir sicher, Del wird sich schon überlegt haben, was zu tun ist. Zeit genug hatte er ja.'' Rashid wirft dem Halbelben noch einen Blick zu, der so viel heißt wie 'Sei nicht zu streng mit ihr'. Mit Mühe kann er ein aufmunterndes Zwinkern zu Sira unterdrücken, doch sein warmes Lächeln sagt mehr als Worte. Er ist sehr froh, sie unbeschadet gefunden zu haben. Dann führt er Janna zu ihrer Unterkunft zurück, wobei Del und Sira die Nachhut bilden.

Auf dem Weg muss er sich mehrfach auf die Unterlippe beißen, um Janna nicht ordentlich den Kopf zu waschen, weil sie so unvernünftig war. Schon den ganzen Tag, angefangen mit ihrem Ausharren in der Kälte an der Anlegestelle. Janna ist weiß wie die gekalkten Wände des Westviertels, und Rashid ist froh, als sie die Hafenkneipe erreichen. Zu seiner Überraschung ist es ein kleineres Problem, einen Badezuber und heißes Wasser zu organisieren, als er erwartet hatte. ''Du nimmst jetzt erstmal ein schönes heißes Bad, damit Du die Kälte aus Deinen Knochen bekommst!'' Janna muss sich wirklich elend fühlen, denn sie lässt es zu, dass Rashid im Zimmer bleibt und ihre Kleidung auf einen Schemel legt, während sie sich entkleidet und ins Wasser gleitet. Rashid krempelt die Ärmel seines weißen Hemds nach oben und zieht einen Hocker heran, den er hinter dem Kopfteil des Zubers platziert, um Jannas Nacken sanft massieren zu können. ''Ist alles in Ordnung?'' Die Besorgnis in seiner Stimme ist deutlich zu hören.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 26. Feb. 2006, 12:28 Uhr
Seine Augen sind starr auf den blonden Bengel gerichtet. Er kennt ihre Namen und abgesehen von ihnen selbst gibt es nur zwei weitere Personen in Yâshior, die sie ebenfalls kennen. Eine würde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht über sie reden, aber Sira. Er braucht ein wenig länger als Janna, um zu begreifen und so steht die schwangere Frau überraschend schnell bei dem Jungen, packt ihn fest am Kragen und ignoriert die fragenden und empörten Blicke der anderen Gäste um sich herum. Der Junge sieht wie ein gewöhnlicher Strassenjunge aus. Abgemagert, läuft mit dreckiger und zerrissener Kleidung herum, doch macht er auf Del einen Eindruck der weit entfernt von harmlos sind. Es sind meist solche Kinder, die als Boten von Dieben oder Mördern geschickt werden. Immerhin sind sie schnell einzuschüchtern, da sie kaum jemand um sie kümmert, und auch leicht zu bezahlen. Del mag nicht daran denken, dass Sire von jemanden weggefangen worden ist, aber der Verdacht drängt sich ihm unweigerlich auf. Es juckt in seinen Fingern, dem Bengel eine zu scheuern, als dieser sich vehement dagegen wehrt etwas zu verraten oder auch sonst wie einen Ton über die Lippen zu bringen. Janna scheint ähnlich wütend wie Del selbst zu sein, nur zeigt sie es deutlicher und spricht es auch aus. >„Bürschchen, ich schwöre dir, ich werde nicht zögern dir hier auf der Stelle die Hosen von deinem Hintern zu ziehen und dich kräftig zu verdreschen. Wenn es sein muss, hier, mitten im Schankraum, wenn du nicht auf der Stelle mit einer Antwort rausrückst, denn ich bin schwanger und schwangere Frauen sind die gefährlichsten Wesen auf ganz Roha, haben wir uns verstanden?!“< Obwohl ihm alles andere als fröhlich zumute ist, muss er bei diesen Worten doch lächeln. Janna würde sich wahrscheinlich noch mit allem und jeden anlegen, wenn sie gefesselt im Bett liegt. Aber andererseits sollte sie sich in ihrem Zustand nicht mehr so verausgaben. Davon hören will sie zwar nie was, aber man kann ihr oft ansehen, dass schon kleinste Anstrengungen sie völlig aus der Bahn werfen und das Kind spürt ihre Verärgerung sicherlich auch, um unruhig darauf zu reagieren. Aber ihr jetzt ins Wort zu fallen wäre falsch. Der Junge würde dadurch Chancen bekommen, um sich Ausreden zu überlegen oder gar nicht unachtsamen Momentan zu fliehen. Glücklicherweise scheint der Bengel Jannas Drohung aber durchaus als ernst einzustufen und faselt etwas von einem Flo, bei dem sie angeblich schläft. Es geht ihr also gut- zumindest soweit man das aus diesen wenigen Worten herausfiltern kann, aber dass Sira bei einem Jungen(oder Mann?) schläft, den Del nicht kennt, will ihm alles andere als zusagen. Er weiß, dass er nicht ihr Vater ist, aber solche Aktionen gehen ihm trotzdem gehörig gegen den Strich. Sira hatte weder das Recht wegzulaufen, sie einfach sitzen zu lassen oder sie Nachrichten über einen verlausten Jungen zu überbringen, der dadurch mehr Fragen aufwirft, als dass er ihnen Antworten liefert. >„Wer ist Flo?“<
Der Becher in seiner Hand kommt ihm gerade sehr gelegen, um ihn in der Hand zu zerdrücken. Glücklicherweise ist der Becher doch etwas stabilerer Machart, aber wenn der Junge nicht bald auf Jannas Frage antwortet, würde er vielleicht doch nachgeben. Del hat keine Lust mehr auf irgendwelche Versteckspielchen und will sich auch nicht ständig Sorgen machen müssen, nur weil ein halbwüchsiges Mädchen meint, dass sie im Alleingang die Welt erkunden kann. Verdammt rede endlich du Hurensohn! Vorerst muss er sich damit begnügen den Jungen mit Blicken aufzuspießen, aber Janna schiebt ihn einfach aus der Taverne heraus, so dass ihm nicht einmal mehr das bleibt. Wütend dreht er sich zu Rashid um und würde ihm am liebsten eine Strafpredigt runterrasseln, dass er sie mal besser erziehen sollte, aber lässt es dann doch einfach bleiben. Es hätte ohnehin keinen Sinn.

Aber so leicht lassen sie sich nicht abschütteln und folgen Janna und dem fremden Jungen einfach nach draußen. Einige der Gäste, die sie seit dem Auftauchen des Jungen genau beobachtet haben, werfen ihnen gutgemeinte Ratschläge zu und einer erhebt sich sogar, um ihnen zu erklären, dass sie den armen Bengel doch in Ruhe lassen sollten, immerhin habe er nichts getan. Del hat für solche Spielchen im Moment aber alles andere als Lust und Zeit, stößt den Mann einfach rüde bei Seite und bedenkt ihn mit einem Blick, der ihn sofort zum schweigen bringt. Er weiß, dass er sich damit in dieser ohnehin seltsamen Stadt keine wirklichen Freunde macht, aber das hat er auch nicht vor. Liebend gerne würde er jetzt eine Tür einschlagen oder jemanden schlichtweg die Zähne wegschlagen, aber er muss sich ernsthaft zusammenreißen, um sich nicht wirklich einen der Gäste zu nehmen. Der Junge kommt ihm zwar auch gelegen, aber da könnte aus ein paar Zähnen schnell mehr werden und Mord liegt ihm fern. Außerdem brauchen sie ihn, denn nur er weiß, wo sie Sira finden. Ob es nun an ihm, Rashid oder Janna liegt, der Junge scheint zur Besinnung zu kommen und weist ihnen tatsächlich eine Richtung. Es könnte eine Falle sein, aber das bekommen sie nur heraus, wenn sie darauf eingehen. Immerhin besteht gleichermaßen die Chance, dass sie zu Sira geführt werden. >„Da entlang.“< Janna übergibt ihm den Jungen wortlos und bevor dieser wegflitzen kann, packt Del ihn grob und ignoriert seine Protestlaute. Soll er doch winseln. Wenn er ihn loswerden will, muss er sich einfach beeilen und sie möglichst schnell zu Sira bringen. „Los!“ Seine Stimme ist so eisig wie der Nachtwind, der wohl die gesamte Kälte der Treibeismeere in sich gespeichert hat. Während sie den gefiepten Richtungsangaben des Jungen folgen und dabei durch die halbe Stadt rennen, hat Del mehrmals das Gefühl dass der Junge gleich seinen Geist aufgibt und kurzerhand unmächtig wird. Wahrscheinlich hat der Junge aber derart viel Angst, dass man ihm dann etwas antut, dass er bei Bewusstsein bleibt und keuchend versucht Schritt zu halten. Bei seinen Suchrundgängen am späten Nachmittag hätte Del eher gedacht, dass diese Stadt so reich ist, dass es nur wenig zerfallene Gebäude gibt, aber er hat wohl noch lange nicht alles hier gesehen. Das Gebäude vor dem sie halten, sieht alles andere als vertrauenserweckend aus und verhärtet den Verdacht, dass es eine Falle und somit Sira Gefangene sein könnte. Falls es wirklich so sein soll, weiß Del zwar nicht, was man bei ihnen holen könnte, aber er rechnet innerlich damit, jeden Moment von schmierigen Räubern, Dieben oder anderem Gesindel umgeben zu sein. „Ich hoffe für dich, dass wir hier richtig sind und es keine Falle ist.“ Der Junge schluckt hart, nickt aber noch einmal voll verzweifelter Überzeugung. Rashid hat mit Janna etwas länger gebraucht, um ebenfalls beim Haus anzukommen. Del sieht aus den Augenwinkeln, wie sie eine Weile verschnaufen und dann ist es schon wieder Janna, die einfach drauf losstürmt und in das Haus rennt. Verflucht Janna! Was soll das! Del wirft einen zornigen Blick in Richtung Rashid, der nur hilflos mit den Schultern zuckt und seiner Gefährtin dann folgt. Dieses Mal schafft es der Straßenjunge sich loszureißen und schlüpft ebenfalls ins Haus. Del nur wenig später. >„Sira?! Lorne! Wind! Wind!! Sira!“< Jannas Stimme ist so laut, dass sie wahrscheinlich noch im Nachtbarhaus und ein ganzes Stück die Strasse herunter zu hören ist, aber niemanden von ihnen interessiert es, als ein Hund auf die Worte reagiert. Es könnte ein beliebiger Köter sein, der sich durch den Lärm belästigt fühlt, aber es ist tatsächlich Wind, der nach einem Augenblick angespannter Stille, auf sie zurennt und freudig alle umkreist. Der Junge, der sie hergeführt hat, ist mittlerweile verschwunden, aber dafür taucht das Mädchen auf, weswegen sie sich die halbe Nacht um die Ohren schlafen. Und ein weiterer Junge, der aber vollkommen unwichtig für sie ist.

Wie schon zuvor bei dem Jungen im Gasthaus ist Janna blitzschnell bei Sira. Die Ohrfeige schallt noch immer in Dels Ohren nach, als Janna das Mädchen anschreit. >„WAS hast du dir eigentlich dabei gedacht?! WAS bitteschön! Kannst du mir das erklären?! < Einerseits tut es ihm leid dafür, aber Sira hätte weitaus mehr verdient, als diesen einen Schlag. Er ist froh, dass Janna es für ihn tut, denn er hätte ihr gewiss dabei das Genick gebrochen. Alles was Janna Sira vorwirft, zieht an ihm ungehört vorbei. Er starrt einfach nur Sira an. Untersucht sie auf die Ferne nach irgendwelchen Verletzungen oder anderen Anzeichen, dass man ihr weh getan hat, aber es scheint nicht der Fall zu sein. Und mit der Erkenntnis, dass es ihr gut geht, fällt die Sorge um sie von ihm ab und die Wut hat nun volle Kontrolle über seinen Körper. Seine Hände ballen sich zu Fäusten, bis sich die Fingernägel schmerzhaft ins Fleisch bohren, aber selbst dann, hört er noch nicht damit auf. Er und Rashid stehen vollkommen unbeteiligt am Rand der angespannten Situation und lassen Janna ihren Zorn ausleben. Ihr Mund bewegt sich ständig. Ihre Augen sprühen Funken. Doch trotz aller Rage, zeigt ihr Körper auch Schwäche. Sie hat sie überanstrengt und wahrscheinlich hält sie nur noch das aggressive Gefühl auf den Beinen. Del blickt kurz zu Rashid, dessen Gedanken wohl in ähnliche Richtung gehen, aber keiner von ihnen wagt es Janna zu unterbrechen oder sie darauf hinzuweisen.  Sira scheint es auch zu merken, aber die Situation ist zu unausgewogen, als dass sie tröstende Worte verlieren dürfte. Stattdessen zeigt sich plötzlich Verärgerung auf ihrem blassen Gesicht. Es hätte Del klar sein müssen, dass sie wieder trotzig reagieren wird. Immerhin ha sie ihm schon oft genug erklärt, dass sie alt genug ist. Aber noch gilt ihre Verärgerung nicht den Erwachsenen, sondern ihrem seltsamen Freund. Sie reden kurz miteinander und danach wirkt Sira einfach nur enttäuscht. Kein schönes Gefühl, wenn man verraten wird, oder? Dann weißt du ja, wie es uns geht... Ihre Blicke kreuzen sich für einen winzigen Augenblick, aber keiner von ihnen sagt etwas. Zu groß sind Enttäuschung, Wut und Angst. Beinah hoheitsvoll, als sie alles in bester Ordnung geht Sira schweigend an ihnen vorbei und tritt in die Nacht heraus. Der fremde Junge- Del vermutet mittlerweile, dass es vielleicht dieser Flo ist- bleibt mit ihnen zurück und lächelt nur nervös, woraufhin auch die Erwachsenen ihm den Rücken kehren. Er ist mit Schuld an dem ganzen Elend, aber Del kann ihm beim besten Willen keine Vorwürfe machen. Immerhin kennt er Sira und eher müsste er sich bei ihm noch bedanken, dass er auf Sira aufgepasst hat. >''Ok, genug Aufregung für einen Tag! Komm, ich bin mir sicher, Del wird sich schon überlegt haben, was zu tun ist. Zeit genug hatte er ja.''<
Rashids Stimme klingt Del eine Spur zu versöhnlich, aber er hat recht. Abgesehen von Sira würde ihnen Schlaf ganz gut tun. Es ist zwar noch nicht zu spät, aber Kälte und das ganze Gesuche lassen einen schneller ermüden, als man möchte. Niemand antwortet auf Siras Frage. Statt dessen setzen sie sich schweigend in Bewegung und treten den Rückweg an. Del der Sira vorhin die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hat, würdigt sie nun keines Blickes. Seine Augen sind auf Janna und Rashid gerichtet. Erstere scheint sich viel zu sehr verausgabt zu haben und dass obwohl es nicht hätte sein müssen. Er weiß nicht, welche Gründe Sira zum fortlaufen hatte, warum sie jetzt so einfach mit ihnen mitkommt, aber eine einfache Nachricht hätte ausgereicht, um ihnen zu zeigen, dass es ihr gut geht. Die Sorgen hätte es nicht genommen, aber es wäre ein Anfang gewesen.

In der Taverne angekommen scheint Rashid es für das Beste zu halten, wenn Janna ein heißes Bad bekommt und kümmert sich auch ohne Umschweife darum. Del bleibt somit mit Sira und Wind allein zurück und geht mit ihr nach oben ins Zimmer. Zu seiner Überraschung liegt nicht nur der andere Mitmieter sondern auch Kijada selig schlummernd in ihren Bett. Wenn alle Amazonen so wie diese sein sollten, dann möchte er nie mit ihnen zu tun haben. Er weiß zwar dass Janna eine ist, aber ihre gelegentlichen Ausbrüche sind wohl eher eine Eigenart aller Frauen, als dass er sie wirklich zu diesem Volk zählen würde. Wind schnüffelt an den bereits belegten Betten, während Del sich fragt, wieso der Tavernenwirt, die Amazone so einfach in dieses Zimmer gelassen hat. Sicher, haben sie für sie ein Bett mitbezahlt, aber niemand hat erwähnt, dass die Frau zutritt erhalten soll. Andererseits kann er sich gut vorstellen, wie Kijada den Wirt bestochen hat. Die Vorraussetzungen hat sie dafür jedenfalls.
Es widerstrebt Del mit Sira zu reden, aber ewig können sie sich nicht anschweigen. Trotzdem ist er noch nicht gewillt mit ihr über den Vorfall zu reden. Soll sie ruhig schmollen und trotzig ihr Kinn erheben. Er war schon mehrmals richtig wütend auf sie und mit jedem weiteren Mal fällt es ihm schwerer, sie nicht übers Knie zu legen. Er will ihr nicht weh tun, aber umgekehrt tut sie es mit ihm. Durch Strenge oder Schläge würde er ihr wahrscheinlich nie begreiflich machen können, was sie anderen damit antut, wenn sie einfach fortrennt, aber in Worte fassen kann er es ebenso wenig. „Leg dich schlafen. Du bist müde.“ Er deutet auf das Bett neben dem von Kijada, wo Siras Sachen liegen und geht zu seinem eigenen. Er spürt, dass Sira etwas von ihm erwartet. Vermutlich eine Standpauke, aber er tut ihr den Gefallen nicht. Soll sie ruhig mit ihrer Ungewissheit leben, er muss es ja auch ständig. Ohne ein weiteres Wort oder auf Rashid und Janna zu warten, entkleidet sich Del und legt sich dann mit wirren Gedanken im Kopf hin.

Konkretes war nie für die Reise geplant. Bislang hatte sich alles ganz anders entwickelt, als es sich Del noch vor einem Zwöfmond vorgestellt hatte. Erst war Janna zu ihnen gestoßen, dann Rashid mit seiner Asha. In Quêpla hatten sie dann von dem Dämonangriff gehört und auch beschlossen, dass sie der Weg nicht nach Immerfrost, sondern endgültig nach Yâshior bringen wird. Er hat den Brief, welchen ihn Kilara vor scheinbar ewigen Zeiten in die Hand gedrückt hat, noch immer. Er kann sich nur noch schwach an die Frau erinnern, aber wenn er diese Reise mit Sira abgeschlossen hat, wie auch immer ihr Ende nun aussehen mag, dann würde er die Frau wieder aufsuchen und ihr den Brief zurückgeben. Er weiß nicht einmal, ob sie noch lebt, aber er sieht es als seine Pflicht an, es zumindest zu versuchen. Hier in Yâshior stehen sie nun vor dem Problem, dass sie Informationen über die Familie Thaín brauchen, um überhaupt zu wissen, wie sie weiter vorgehen sollen. Kijada spielt dabei wieder die Schweigsame und versucht weiterhin angestrengt Sira für sich zu gewinnen. Ursprünglich war es so gedacht gewesen, dass sie sich rasch Zugang zu nützlichen Informationen verschaffen und diese Stadt dann wieder verlassen, aber der nächtliche Ausflug hat ihnen allen eine leichte Erkältung und Janna sogar Fieber beschert. Die Kosten für den Heiler zehren zusätzlich an ihren Geldbeuteln, aber niemand will riskieren, dass das Kind schaden davon trägt, weil sie Fieber allein mit der Zeit heilen wollen. Die Schwangerschaft ist schon zu weit fortgeschritten und Rashid zu besorgt, als dass jemand auf andere Methoden zurückgreifen würde. Doch nicht nur die Krankheit ist Grund, dass sie länger bleiben. Je mehr Tage vergehen, umso mehr glaubt Del, dass die Bürger dieser Stadt krampfhaft versuchen sie daran zu hindern, etwas über die Familie Thaín zu erfahren. Manchmal hat er auch das Gefühl, dass es wie ein böses Omen ist den Namen auszusprechen. Er sieht zwar, dass die Leute etwas wissen, aber die wenigsten verraten Dinge die ihnen helfen. Oft werden sie auch von einem zum anderen geschickt und landen dann wieder beim ersten, der dann einen auf taub macht und sie einfach stehen lässt. Drei Siebentage vergehen so ohne dass sie recht voran kommen. Zwischenzeitlich wird ihnen das Geld, wegen dem Zimmer so knapp, dass Del auch wieder arbeiten muss und am Hafen aushilft wo es eben nur geht. Er hofft dadurch noch etwas herauszufinden, aber mittlerweile hat sich herumgesprochen, wonach er und seine Gefährten sucht und wird von allen gemieden, die etwas wissen könnten. Außerdem fällt ihn mit der Zeit auf, dass Fremde hier, sofern sie nicht reich und spendabel sind, recht ungern gesehen werden. Eine beinah versnobte Stadt, die sich wohl für etwas besonderes hält, weil sie eine Monopolstellung im Norden hat. Manchmal juckt es Del aus Spaß die Kisten mit den Arysotara-Früchten zu versenken oder zu verbrennen, aber er möchte nicht die hiesige Stadtgarde auf den Hals gehetzt bekommen.
Bei all der Arbeit und der ständigen Suche nach Informationen schafft Del es spielend leicht Sira zu ignorieren. Natürlich redet er mir ihr, aber er tut es auf eine oberflächliche Art. Er fühlt sich dabei beinah selbst wie ein trotziges Kind, aber seine Wut über ihr Verschwinden ist noch immer nicht abgeflaut und dazu kommt wieder die Angst, dass die Informationen die sie herausbekommen, ihm Sira doch endgültig wegnehmen könnten. Deswegen versucht er den Abstand dazu zu nutzen, um sich klar zu werden, wie es ist, wenn sie nicht mehr mit ihm reisen oder in seine Nähe sein würde. Anfangs stellt es eine erhebliche Überwindung dar, aber er gewöhnt sich mit der Zeit daran. Er würde es nie aussprechen, aber diese Erkenntnis macht ihm Angst. Sira ist nicht seine Gefährtin mit der er den Rest seines Lebens verbringen will, aber doch Teil davon und eigentlich hat er sich viel zu sehr an das Mädchen gewöhnt, dass seine Reiseleidenschaft teilt und ihm die einsamen Winterabende mit Spielchen oder Geschichten versüßt hat. Oft spukt ihm im Kopf herum, dass er sich einfach eine Frau suchen soll, damit er Sira loslassen und ihrer Wege ziehen lassen kann, aber er will es eigentlich nicht. Er will sie beschützen, da sie in ihrem kurzen Leben schon soviel Verwirrung und Umschwünge erleben musste.
Irgendwann hilft aber alles Ignorieren nichts mehr und es kommt zu der Aussprache, die bei Del eine erhebliche Last von den Schultern nimmt. Er möchte mit Sira allein reden und so ziehen sie sich an das Wasser zurück, wo sie ewig lange über die Vorfälle sprechen. Er ist beileibe immer noch wütend, aber nun bestimmt die Wut nicht mehr, was er als nächstes tut, sondern die Enttäuschung darüber, dass Sira immer wieder so handelt und erhofft, dass er ihr endlich entgegenkommt, denn bislang hat sie nicht verraten, was sie dazu veranlasst hat, wegzulaufen.
„Wirst du es mir verraten? Oder den anderen?“

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 01. März 2006, 15:49 Uhr
Sie wirft Rashid einen mehr als eisigen Blick zu, als dieser für ihren Geschmack, viel zu versöhnlich versucht, die angespannte Stille mit einem Lächeln aufzulockern und kochend vor Wut, ist sie fast dazu verleitet, ihm auch gleich noch eine Ohrfeige zu verpassen. Doch sie belässt es bei einem leisen, abschätzenden Fauchen, bevor sie hinter Sira und Del herwankt, es nicht zulassend, dass Rashid ihr auch nur eine Hand ins Kreuz legen kann, um so ihren schwankenden Gang ein wenig zu begradigen. Eisiges Schweigen legt sich über die kleine Gruppe und nur der kalte Wind gibt ein leises Jaulkonzert zum Besten, begleitet von Winds kleinlautem Fiepen, doch Janna ist vollends damit beschäftigt Sira vorwurfsvoll anzustarren und sich den Häuserwänden entlang zu angeln. Beim Gasthof angekommen fühlen sich ihre Beine an, wie weichgekochter Mandelpudding und haben auch in etwas die gleiche Konsistenz. Sogar Rashids Hände an ihren Schultern und ihrer Hüfte sind nun angenehm und ohne ein einziges Worte an Sira zu verlieren und Del nur einen fast entschuldigenden, müden Blick zuwerfend, schleicht Janna die Treppe hinauf in ein anderes Zimmer, wo auf Rashids Geheiss hin, bereits ein Zuber voll mit heissem Wasser vorbereitet worden ist. Allein der Gedanke an die wohlige Wärme in dem Bottich genügt, um sämtliche Bedenken von wegen „Rashid ist noch im Zimmer“ zu einem unwichtigen Klümpchen verblassen zu lassen. Sehr wohl achtet sie jedoch darauf, dass er sich gefälligst umdreht, als sie sich entkleidet und dann mit letzter Willensanstrengung über den hohen Zuberrand krabbelt, fast das Gleichgewicht verlierend. Heftig mit den Armen rudernd bekommt sie es gerade noch am Rockzipfel zu fassen und bugsiert sich selbst dann ins Wasser hinunter, das sich wie eine wärmende Decke um ihren Körper schliesst. Mit einem entzückten Seufzen legt sie den Kopf in den Nacken und schliesst gemächlich die Augen, ihre Finger zärtlich über die gespannte Haut ihres Bauches wandern lassend. Im Hintergrund erklingt das Scharren von Stuhlbeinen auf dem Boden und im nächsten Moment legen sich Rashids grosse, raue Hände auf ihre Schultern und beginnen diese sachte zu massieren. Ein angenehmes Kribbeln rinnt ihren Rücken hinab und ihre Muskeln entspannen sich, wobei sie mit sich selbst kämpft, Rashid jetzt auf der Stelle raus zu werfen, oder es erst zu tun, wenn er damit fertig ist, sie zu verwöhnen. ''Ist alles in Ordnung?“ Die unterschwellige Sorge in seiner Stimme entlockt ihr ein innerliches Grummeln und in einem abfälligen Ton gibt sie voller Spott zurück: „Ja, wunderbar, wirklich, könnte nicht besser sein.“ Nach dem Schnauben hinter ihrem Rücken zu urteilen, passt Rashid ihre fast schon an Gemeinheit grenzende Art nicht und auch sie selbst weiss sehr wohl, dass er etwas ganz anderes, als diese Ablehnung verdient hätte.

Eine Weile ist nur das leise Plätschern des Wassers zu hören und ihr beider Atem, denn es ist bereits spät und sogar unten im Schankraum scheinen die meisten der Gäste sich in ihre Betten verkrochen zu haben. Hoffentlich auch Del und Sira, sie können es beide gebrauchen. Sie macht sich zwar weniger um Sira, als um den Halbelben Sorgen, doch auch das Mädchen scheint Schlaf dringend nötig gehabt zu haben. Das Ungeborene liegt still und schwer in ihr, scheint sich zufrieden in der Wärme zu suhlen und nicht ein einziger, träger Knuff beult ihren Bauch aus, als würde der Frechdachs Erbarmen zeigen und nach und nach kehrt sogar Farbe in ihr Gesicht zurück. Langsam wäscht sie sich, entwirrt die noch von der salzigen Luft verklebten Strähnen aus und geht vollkommen in dem Gefühl der Sicherheit auf, das sie gerade kaum greifbar umgibt. Rashid wäscht ihr den Rücken und hilft ihr schliesslich sich wieder aus dem Zuber zu erheben, wobei sie grössere Schwierigkeiten hat ihre lahmen Füsse zu koordinieren und nicht zu stolpern. Träge hüllt sie sich in ein dickes Tuch, wringt ihr – schon wieder viel zu langes – Haar aus und betrachtete dann für einen Augenblick intensiv die Narbe an ihrer Hüfte, dem roten, unförmigen Strich mit den Fingern nachfahrend, ohne sich dabei darum zu scheren, dass Rashid von ihr mehr sieht, als er es seit ihrer gemeinsamen Nacht am Strand getan hat. Die Narbe ist alt… Ein Jahr fast. Meine Güte, ist es wirklich schon so lange her, seit wir Eade und Liade aus den Händen dieses Verrückten geholt haben? Wie es den Beiden wohl geht? Wie es Dancy wohl geht? Für einen Moment noch kämpft sie verbissen, doch dann schleicht sich ein schmerzlicher Zug von Heimweh über ihr Gesicht und schnell wendet sie Rashid den Rücken zu, sich eines ihrer ausgeweiteten Hemden überziehend und auf die Lippen beissend, um sich nichts zu Schulden kommen zu lassen. Ihr fehlt Dancy, ihr fehlt Talyra, ihr fehlt überhaupt der Pfirsich, die Schankmädchen, der Geruch nach Met und Braten, die vielen Männer, eine kräftige Auseinandersetzung und ihr fehlt ihr Zimmer. Bei allen Göttern, es ist gut, dass meine Mutter mich nicht so sieht. Die würde glatt behaupten, ich wäre nicht ihre Tochter. Mit schläfrigen Augen blinzelt sie zu Rashid hinüber und hält leicht verwirrt inne, als sie feststellt, dass er einfach nur da steht und sie betrachtet, bis sich endlich ihr Verstand in Gang setzt. Ein mordlüsternes Funkeln tritt in ihre Augenwinkel und mit empört gekräuselten Lippen stützt sie die Hände in die Hüfte: „Was?!“ Das Grinsen, das sich darauf hin ganz langsam von einem Ohr zum Nächsten auf seinem Gesicht ausbreitet bringt ihr Blut zum Kochen und schon will sie zu einer Tirade von Verwünschungen und Schimpfworten ansetzen, als ein winziger Ellbogen, oder ein kleiner Fuss kräftig zutritt und sie verstummen lässt. Mit hochgezogener Augenbraue blickt sie vorwurfsvoll auf ihren sich hebenden und senkenden Bauch hinunter, legt zärtlich eine Hand auf den dünnen Stoff des Hemdes und wird auch sofort von einer Salve von Gestrampel belohnt. „Hmpf“, bringt sie mit zusammengekniffenen Augen hervor und kann dann mit einem Male nicht anders als lächeln, obwohl die Müdigkeit sogar ihre Gesichtsmuskeln lähmt. Flüchtig horcht sie in sich selbst und wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie prompt behaupten, der kleine Emporkömmling würde gerade das Boxen üben, um später gegen andere ankommen zu können. Sowas kann nur eine Tochter sein… Und es dauert nur noch etwa zwei Monde…

Da schiebt sich ein Schatten vor das Licht der kleinen Talglampe und sie blickt in das beinahe leicht sehnsuchtsvolle Gesicht Rashids, dessen Blick still und unverwandt auf ihrem Bauch ruht, welcher sich leicht hin und her wiegt unter den Bewegungen des Kindes. Er mag viele Kinder haben, doch er hat noch nie erlebt wie… „Hast du jemals eines deiner Kinder im Leib der Mutter gespürt?“, fragt sie mit beinahe vorsichtiger, leicht heiserer Stimme und greift gleichzeitig nach seiner Hand, um diese dann sanft auf die Stelle zu drücken, wo ihre Haut sich gerade ausbeult. Als hätte er Angst etwas zerbrechlicheres als Rauchglas zwischen den Fingern zu haltet, tastet er so behutsam wie möglich nach dem Ungeborenen, dass sich kräftig gegen die Handinnenfläche stemmt und Janna ist, als würde ein Hauch von Freude und Überraschung zugleich über Rashids Gesicht gleiten. Das ist es, was ich alleine mit ihm teile, allen anderen ist er schon zuvor davon gelaufen. Sie weiss nicht warum, doch diese Einsicht legt einen kühlen Schleier um den ständig brodelnden Funken Wut in ihrem Innern und als Rashis plötzlich in die Knie geht und an ihrer Bauchdecke horcht, kichert sie leise auf. „Das Herz schlägt, nicht wahr?“, haucht sie kaum hörbar, doch sein Nicken wirbelt das Glück in ihr so auf, dass sie sich vorkommt, als würde alle Müdigkeit auf einen Schlag verfliegen. Augenblicke vergehen, in denen dieser grosse, starke Mann ihr in fast entzückt klingenden Worten erzählt, was er fühlt und hört und sie kommentiert es mit einem Grinsen oder einer lustigen Erklärung, was bei beiden leises Gelächter hervorruft. Schliesslich jedoch schaffen sie es, nach ausgefeilten Diskussionen darüber, ob es nun ein Mädchen oder ein Junge wird, doch noch unter die warmen Decken zu kriechen, wobei es beinahe automatisch so weit kommt, dass Rashid sein eigenes Lager noch nicht einmal eines Blickes würdigt, und Janna ihn auch nicht von sich stösst, als er sich zu ihr legt, ganz im Gegenteil: Sie schmiegt sich mit dem Rücken an seine Brust und legt ihre verschlungenen Finger auf ihren Bauch, wo das Kleine momentan sogar bereitwillig Ruhe gibt. „Sie wird Lhea heissen, es bedeutet Sonnenlicht“, flüstert Janna und zieht dabei die Decke bis zur Nasenspitze hinauf. “Lhea“, wiederholt Rashid mit leisem Bass und ein Schauer rinnt ihren Rücken hinunter, als seine Lippen ihr einen zarten Kuss auf den Nacken geben, bevor er fort fährt: „Das passt sicher gut zu ihr, wo sie doch einen kleinen Stern als Mutter haben wird.“ Er kann gerade noch so ausweichen, bevor der wohlgezielte Ellbogen Janna’s zwischen seinen Rippen gelandet wäre und es gibt ein kurzes Gerangel, wer jetzt wie und wo, mit den Füssen oben oder unten, und auch immer liegt, bevor sogar Janna sich endlich tief in die Kissen kuscheln kann, um gleich darauf einzuschlafen.

Der Morgen kommt und das viel zu früh und mit viel zu vielen unangenehmen Nebenfolgen ihrer gestrigen, abendlichen Ausflugs. Ihr Kopf brummt und quält sie, das Essen, das sie noch intus hat, fliegt in hohem Bogen raus, ihr Hals fühlt sich dick und rau an und das Sprechen ist zu einer hohen Kunst geworden. Mehr als Krächzen und Fauchen bringt sie nicht über die Lippen, Schlucken fühlt sich an, als würde Kies ihrer Kehle entlang schaben und sie schafft es noch nicht einmal aus dem Bett heraus, bevor Rashid sie schon wieder hineinbugsiert. Wütend klimpert sie ihn an, sinkt zurück und fühlt sich zertreten, zerschlagen und verbogen zugleich, als würde sich kein Knochen mehr an seinem abgestammtem Platz befinden. Alle scheinen sie sich irgendwie eine Erkältung eingefangen zu haben, sogar Del läuft fast einen Siebentag mit einer roten Nase herum, doch Janna hat es, sie muss es sich eingestehen, schlichtweg am schlimmsten erwischt. Über zwei Siebentage lang halten Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Husten, Schnupfen und Kopfweh sie fest in der Mangel, kehren ihr den Magen, machen sie todmüde und zerren so dermassen an ihren Kräften, dass sie noch nicht einmal mehr Protest üben kann, wenn Rashid ihr mal wieder nicht erlaubt aufzustehen, was sie sowieso nicht schafft. Fieberträume suchen sie heim und das Bett ist oft schweissnass von ihrem glühenden Körper. Del ordert schliesslich irgendwann, nachdem Rashid wohl einige Takte mit ihm geredet hat, einen Heiler, der jedoch auch nicht mehr tun kann, als schmerzlindernde Kräuter verschreiben und sie ermahnen, die kühlenden Tücher auf Stirn und Hals immer wieder zu erneuern. Als Janna ihm jedoch vage gestikulierend und mit vor Fieber glänzenden und Zorn sprühenden Augen krächzend erklärt, er könne sich seinen Wischwasch sonst wohin stecken und er solle sie mit diesem blöden Firlefanz gefälligst in Ruhe lassen, kommt er zum Schluss, dass es ihr so schlecht gar nicht gehe und sie bestimmt bald wieder gesund werde. Janna wünscht ihm die vier Dämonen und die Pest an den Hals, bevor sie ihn ins Fegefeuer verdammt und sich dann würgend und spuckend in den dafür bereitgestellten Eimer übergibt. Sie redet kaum mehr ein Wort mit Rashid oder Del und Sira wird von ihr komplett ignoriert, stattdessen drehen und wenden sich ihre Gedanken alleine um das Kind, welches in den letzten Tagen stets stiller geworden ist und auch wenn Janna kaum Erfahrung mit Kindern oder Geburten hat, so hat sie schon viele Geschichten darüber gehört, dass kranke Mütter Fehlgeburten auf die Welt gebracht haben und ihr Kopf ist im Moment sowieso bereits anfällig für alle Arten von Gefühlen. In einer Sekunde noch schläfrig und glücklich, windet sie sich im nächsten Augenblick vor Schmerzen und übellaunigkeit, oder versucht eine Sekunde später schon wieder aus dem Bett zu krabbeln, weil ihr so langweilig ist und nach einer ganzen Woche ist es doch ein wahres Wunder, wie Rashid ihre heftigen Launensprünge überhaupt noch aushält und dabei noch lächeln kann.

Als das Fieber langsam sinkt ist Janna fühlt sich Janna ausgezerrt wie eine vertrocknete Pflaume und fast drei Tage lang schläft sie einfach durch, nur zwischendurch etwas trinkend und vielleicht ein Stück Brot unter Zwang zu sich nehmend. In dieser Zeit regt sich schliesslich auch das Ungeborene mit fast zaghaften Tritten wieder und befreit damit Janna von ihrer Angst, ihr Kranksein hätte dem Kleinen Schaden zugefügt, zumindest bisher keinen ersichtlichen. Und wo es mit ihrem Fieber vorbei ist, da hüpft sie auch schon wieder durchs Gasthaus, wie ein junges Füllen und geht mithilfe Rashids so oft an die frische Luft, wie die Zeit dafür ergattern kann. Das Del arbeiten muss, um für die Kosten aufzukommen, gefällt ihr nicht und kaum, dass sie wieder gerade auf den Beinen stehen und somit Rashids strengem Auge entwischen kann, wenn er nicht jede Sekunde auf sie aufpasst, sieht sie sich dazu berufen in der Küche des Gasthauses ein wenig auszuhelfen, um so zumindest für einen winzigen Teil der Unkosten, die sie Del beschert hat, wieder beheben zu können. Mit Sira hat Janna seit der Ohrfeige kein Wort mehr gesprochen, auch wenn sie sich ihr gegenüber wieder halbwegs höflich benimmt, doch das dumpfe Gefühl, das dieses Mädchen sich nicht einen Dreck um sie geschert hat, sitzt tief und genau das zeigt sie Sira deutlich. Rashid ist der Einzige, der dem Mädchen das Ausbüxen augenscheinlich nicht ganz so übel nimmt, doch auch er schafft es mit seinen aufrichtig gemeinten, fröhlichen Wortspielen und Diskussionen nicht, die Stimmung zu heben und Janna ist sich sicher, dass nur Del es schafft mit Sira zu reden und herauszufinden, warum sie so seltsam reagiert hat, damals am Hafen.
Das die Leute in der Stadt nicht über die Familie Siras reden wollen, weckt einen untrügliches Misstrauen in Janna und oft genug spürt sie die Blicke der Markt- und Klatschweiber auf sich und den anderen ruhen, wenn sie sich wieder einmal daran machen, etwas zu erfahren. Als wollte die ganze verdammte Stadt verhindern, dass wir etwas herausfinden… noch nicht einmal Sira redet mit uns. Kijada hingegen nutzt die Zeit ausgiebig um mit Sira zu reden, ihr vom Dunkelwald, ihrer Grossmutter und den Amazonen an sich zu erzählen und auch wenn Janna weiss, dass die Hälfte davon nur schöne Märchen sind, die das wahre, harte Leben des Frauenstammes verschleiern, geht sie nicht dazwischen, sondern straft Kijada dafür nur mit umso mehr Verachtung, was die Amazone jedoch grosszügig ignoriert und Janna im Gegenzug dafür mit kühler Arroganz bestraft. Ueber den ganzen Alltag hinaus gibt es von Janna und Rashid beinahe jeden Abend noch ein schönes und oft auch witziges Gespräch über Namen und deren Herkunft, Bedeutung und Benutzbarkeit und mindestens die Hälfte, die ihnen einfallen, werden gleich von Beginn an für _nicht_ diskutabel bewertet, wobei ihnen die Gäste und im Besonderen der Wirt keine wirkliche Hilfe sind, denn sie krähen und schreien nur mit Freuden eigene Namenskreationen dazwischen, die allgemeines bis ausgelassene Gelächter hervorrufen und als einer schliesslich meint, man könne das Ungeborene doch: „Felixikus“, nennen, ist sogar die griesgrämigste Laus damit beschäftigt, den Wein nicht vor Grölen im Gesicht des Gegenübers zu verteilen.

Doch nachdem nun beinahe drei Siebentage vergangen sind, kann Janna ihr Nervosität nicht mehr verstecken und wie eine eingesperrte Katze, auf der Suche nach einem unschuldigen Opfer, schleicht sie so manches Mal im Schankraum herum, wird kratzbürstig, sentimental, weiss nicht mehr ob sie weinen oder lachen soll, fährt ihre Krallen aus, sobald auch nur jemand sie falsch ansieht und verpasst einem der Gäste glatt ein Veilchen, als er über die schrecklichen Launen der Schwangeren herzieht. Rashid ist glücklicherweise schnell genug zur Stelle, bevor dem Mann bewusst wird, dass er sich wehren könnte und ausser einem strafenden Blick des Wirtes, trägt das ganze keine Folgen mit sich. Erneut muss sie ihr Kleid erweitern und aus dem Rest des Stoffs, der ihr noch aus Quyêpla geblieben ist, erhöht sie ihre halbhohen Schuhe, da sie mit den geschwollenen Knöcheln schon längst nicht mehr in ihre weichen, fellgefütterten Lederstiefel passt.  Dafür kommt ihr nun der grüne Umhang zugute, den sie eingesteckt hat, auch wenn Kijada diesen mit einem missbilligenden Blick vernichtend straft, denn auch sie erkennt die geschickten, mit schwarzem Faden gemachten Stickereien an den Säumen des groben Leinenstoffs.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 07. März 2006, 00:26 Uhr
Tage voller Anspannung verstreichen. Sowohl Del als auch Lorne geben sich dickköpfig und sprechen nur das nötigste miteinander. Das Mädchen unterlässt es sogar, die anderen darüber zu unterrichten, dass sie aufhören können, es mit Sira anzusprechen. Irgendwie hat sich Lorne ohnehin an diesen Namen so sehr gewöhnt, dass es für sie im Grunde keinen Unterschied macht, mit welchem man sie nun anredet. Während Del seiner Verärgerung frönt und Rashid sich vorwiegend Janna widmet, sodass diese kaum Zeit für Lorne hat, wendet sich dass Mädchen stattdessen zögernd Kijada zu. Die Amazone ist mittlerweile mehr den je um die Gunst ihrer Tochter bemüht, erzählt ihr ausgiebig vom Leben im Dunkelwald, den Amoznen und all den anderen Duingen, von denen sie annimmt, dass sie ihre Tochter interessieren könnten und allmählichen zeigen ihre Anstrengungen tatsächlich Wirkung. Und so ist es schließlich Kijada, der Lorne sich als erstes anvertraut. In einem ruhigen Moment spricht sich das dunkelhaarige Mädchen all die Dinge von der Seele, die sie seit ihrer Ankunft in Yashior quälen. Und ihre Mutter hört geduldig zu, sodass Lorne zum ersten Mal seit langem wieder so etwas Vertrauen in die stolze Amazone entwickelt.
Wenn Del missfällt, wie sich die Beziehung zwischen Kijada und ihrer Tochter langsam vertieft und festigt, so weiß er dies ziemlich gut zu verbergen. Andere Dinge beschäftigen ihn offenbar mehr. Lorne kümmert sich nicht großartig darum, seine Fragen nach dem haus Thaín ignoriert sie und seine Anstrengungen, in der Stadt mehr über die Handelsfamilie zu erfahren, verfolgt sie nur mit mäßigem Interesse. Stattdessen versucht sie so gut es eben geht zu akzeptieren, dass ihr Vater tot und all ihre Hoffnungen unwiderruflich begraben sind. Immer öfter kreisen ihre Gedanken nun um die Frage, wie es weitergehen soll. Auch wenn Kijada ihr viel über den Dunkelwald erzählt, ihre eigenen Erinnerungen kann Lorne nicht vollständig ignorieren und auch wenn sie ihrer Mutter langsam wieder vertraut, so verspürt sie nach wie vor nicht den Wunsch, mit ihr nach Baile Craobh zurückzukehren. Ohnehin nist da ja noch immer die dubiose Prophezeiung, wegen der man sie einst zu ihrem Vater brachte. Und auch wenn Kijada immer wieder betont, dass sie sich sicher ist, sich gegen die alten Bestimmungen durchsetzen zu können und die oberste Amazone davon zu überzeugen, dass an den geweissagten Worten rein gar nichts dran ist, so zweifelt Lorne daran mit einer Gewissheit, die durch nichts vertreiben ist.

Die Unsicherheit, die Lorne plagt, wächst mit jedem Tag, der vergeht und als es endlich zu der längst überfälligen Aussprache zwischen ihr und Del kommt, wird nicht nur dem Halbelben eine schwere Last von den Schultern genommen. Der Blick aufs Meer macht es dem Mädchen leichter zu sprechen und nach anfänglichem Zögern beginnt sie allmählich zu erzählen bis ihr die Worte in flüssigem Redefluss über die Lippen kommen. Sie spürt, dass Dels Wut noch immer nicht vollständig verrauscht ist. Ihr selber geht es kaum anders, dennoch tut es gut mit dem Halbelben zu reden, denn mit jedem gesprochenen Wort, scheint die Mauer, die sich in den letzten Tagen unmerklich zwischen ihnen aufgebaut hat, wieder in sich zusammen zu stürzen. Also erzählt Lorne ihm alles: Stockend berichtet sie, wie ihre Mutter sie nach Yashior brachte. Begeisterung färbt den Klang ihrer Stimme, als sie von ihrem Leben mit ihrem vater berichtet. An jede Seefahrt weiß sie sich zu erinnern, an jedes noch so kleine Detail und man kann spüren, wie sehr sie das Meer liebt. Als sie schließlich von jedem schicksalhaften Tag zu sprechen beginnt, an dem ihr Vater umkam und ihr Leben einmal mehr vollkommen aus der bahn geworfen wurde, wird ihre Stimme leise, trotzdem schildert das Mädchen genau, was sich an jenem Tag direkt vor ihren Augen abgespielt hat. Dann, als sie endlich geendet hat, herrscht erst einmal schweigen. Lorne und Del sitzen einfach nur da und starren auf die See hinaus. Erst nach einer Weile fragt Del: »Wirst du es mir verraten? Oder den anderen?« Im ersten Moment weiß Lorne nicht genau, was er meint, doch dann begreift sie, dass er noch immer nicht versteht, wie so sie nach ihrer Ankunft in Yashior einfach so fortgelaufen ist.
Sie überlegt. „Sira?“ Der Klang des so vertraut gewordenen Namens reißt sie unvermittelt aus ihren Gedanken und erinnert sie daran, dass der Halbelb eine Antwort erwartet. „Lorne, ich erinnere mich wieder an meinen Namen“, erklärt sie verlegen. „Aber nenn mich ruhig weiter Sira, wenn du magst.“ Das Mädchen lächelt, sieht el an und fährt verlegen fort: „Weißt du, als wir im Hafen ankamen, hatte ich plötzlich wieder alles ganz klar vor Augen.“ Sie macht eine kleine Pause. „Mit einem Mal waren meine Erinnerungen wieder zurück, wie eine Welle, die über einen hinwegrollt, noch bevor man überhaupt daran denken kann, sich in Sicherheit zu bringen. … Kannst du dir vorstellen, wie weh das tat? ... Und Rashid hat nichts Besseres zu tun, als mich vor aller Welt bloß zu stellen.“ Noch immer spucken die unbedachten Worte des Südländers durch ihren Kopf. »Und Du junge Dame musst nicht gleich in jeder Stadt, in der wir anlegen, Dein Schauspiel abziehen!« Lorne seufzt. „Ich glaube, in dem Moment habe ich ihn wirklich gehasst. … Euch alle“, gibt sie leise zu. „Alles war so schrecklich und ihr schient mich überhaupt nicht mit zu bekommen, wie schlecht ich mich fühlte. … Da wollte ich einfach nur noch weg.“ Entschuldigend sieht das junge Mädchen den Halbelben an. „Außerdem … Rashids Worte … Er hat mich behandelt wie ein kleines, dummes Kind.“ Lorne sieht auf und schaut Del direkt in die Augen. „Ihr alles tut das, ständig. Dabei bin ich das nicht … nicht mehr.“ Sie runzelt leicht die Stirn. „Nur Kijada hat es verstanden.“ Mit einem Mal muss sie laut auflachen. „Eigentlich komisch“, erklärt sie dem offenkundig reichlich verdutzten Del, „oder?“
Die beiden reden noch eine ganze Weile weiter miteinander. Die Zeit vergeht dabei wie im Fluge und erst als Lornes Magen übellaunig knurrend verkündet, dass er dringend etwas Essbares braucht, begeben sich die beiden zum Gasthaus zurück, wo der Rest der Gruppe bereits auf sie wartet.
 
***

Während die Siebentage in Yashior verstreichen, muss der Botenvogel, der Carth Nachricht nach Dunkelschein trägt, einen weiten Weg bewältigen. Auf kalten Sturmwinden fliegt der Rabe dahin, seinem Ziel entgegen. Als er die Hafenstadt in Immerfrost endlich erreicht und das Schreiben, welches er dorthin befördert hat, bei ihrem Empfänger angelangt, wirbelt die Botschaft, die das Pergament enthält, Staub auf, der scheinbar seit ewigen Zeiten geruht hatte.  
Fassungslos wendet Edan Shalraith das Schreiben, welches er in Händen hält, hin und her und starrt ungläubig auf die Lettern, die darauf geschrieben stehen. Der Sinn dieser Worte ist schier unbegreiflich. Ein paar wenige Worte bringen all das, was er in den letzten Jahren so mühevoll aufgebaut hat, überraschend in eine drohende Gefahr, die der Immerfroster kaum abzuschätzen vermag.  Nachdenklich schaut er aus dem Fenster, hinab auf den Hafen, wo eines seiner Schiffe vor Anker liegt und von dort weiter zu den Lagerhäusern, die seine Familie ihr eigen nennt … seit … ja seit der Besitz der Thaíns an seine Familie fiel. Und das zu Recht!, denkt Edan, er ballt die Hand, die den Brief hält, unwillkürlich zu einer Faust. Die Botschaft aus Yashior ändert dies alles jedoch auf drastische Art und Weise.
Nachdem die Thaíns „so völlig unerwartet“ Stadt und Land verlassen hatten und schließlich sogar die Kunde vom völligen Ende der Blutslinie der Thaíns nach Dunkelschein durchgedrungen war, hatte der Herzog, weil es augenscheinlich keine direkten, rechtmäßigen Erben mehr gab, zugelassen, dass der Besitz der Thaíns in den des Hauses Shalraith übergegangen war und bis zu diesem Tag hatte Edan Shalraith sich vollkommen sicher gefühlt. Doch nun schrieb Carth von einem Mädchen, welches womöglich Anspruch auf das Erbe des Hauses Thaín erheben konnte und wie unwahrscheinlich auch immer Edan dies erscheinen mochte, er war nicht gewillt, sich durch Unvorsicht um das bringen zu lassen, was er als gerechte Entschädigung für unerträgliche Schmach und schweren Verlust ansah. Fiona. Bitterkeit legt sich auf sein Gesicht. Im Geiste sieht der große, breitschultrige Mann mit dem schlohweißen Haar, welches nahezu das einzige deutlich sichtbare Zeichen seines bereits recht hohen Alters darstellt, das Gesicht einer jungen Frau mit strahlend blauen Augen und fröhlichem Lächeln vor sich.

Entschlossen wendet Edan sich vom Fenster ab. Nun gilt es schnell zu handeln. Er greift nach Pergament, Feder und Tinte und beginnt zu schreiben. Gleich mehrere Schreiben setzt er auf. Auch ein e Botschaft, die nach Yashior geschickt werden soll, ist dabei. Allerdings richtet sich das Schreiben nicht an Carth, an den so scheinbar treu ergebenen Seemann verschwendet Edan keinen einzigen Gedanken, noch viel weniger hat er eine Belohnung für dessen wertvollen „Dienst“ im Sinn. Der Mann ist dem alten Shalraith vollkommen egal, tatsächlich erinnert er sich weder an dessen Namen oder Gesicht. Nein, Edan gedenkt jemandem anderem in Yashior zu schreiben, jemandem, dessen Dienste ihm schon einmal von großem Nutzen waren. Gewiss würde Reid auch dieses Mal ein paar passende Männer für den Auftrag auftreiben können, den Edan ihm aufzutragen gedachte.

Edan Shalraith, das alterwürdige Oberhaupt seines Hauses, sollte sich nicht getäuscht haben. Reid Odren verstand sein „Geschäft“ auch nach all den Jahren noch immer aufs Beste. Nachdem ihn die Botschaft Edans in Yashior erreicht hatte, hatte er keine Zeit verloren. Verlässliche, brauchbare Männer waren rasch gefunden. Auch sein Netzwerk aller möglichen Kontakte funktionierte nach wie vor ausgezeichnet, sodass er schnell alle Informationen zusammentrug, die er benötigte. Zudem behielten seine Männer das Gasthaus, in welchem sich das Mädchen, welchem Edans Auftrag galt, Tag und Nacht im Auge. Und Reid war sehr zufrieden mit ihnen. Sie hatten einiges in Erfahrung gebracht, was ausgesprochen wichtig für ihn war.
Er lächelt, bald würde es an der Zeit sein, den nächsten Teil von Edans Auftrag in Angriff zu nehmen. Der Söldner verlässt seine Kammer und schickt einen Burschen los, der ihm Margh, den Anführer seiner zusammengestellten Schar holen soll und es dauert nicht lange, bis der Mann vor ihm steht. „Ihr wünschtet mich zu sehen, Herr.“ Marghs förmliche Anrede lässt Reid innerlich schmunzeln, denn gewiss er ist alles andere als ein „Herr“, doch äußerlich lässt er sich davon nichts anmerken. „Ist alles bereit?“, knurrt er stattdessen. Margh nickt ergeben. „Jawohl, Herr.“ „Gut.“ Reid nickt zufrieden. „Dann halte dich heute Nacht mit deinen Männern bereit, du weißt was ihr zu tun habt!“ Ein Stummes Nicken war die einzige Antwort. Reid Odren strich sich zufrieden über das stoppelige, unrasierte Kinn. „Keine Fehler, Margh, verstanden?“ Neuerliches nicken. „Ausgezeichnet, dann kannst du jetzt gehen“, verabschiedete Reid den Mann harsch und ziemlich kurz angebunden und wandte sich ab, um zurück in seine Räumlichkeiten zu gehen. Margh drehte sich derweil um und verließ die einfache Halle, er begab sich auf direktem Weg zu seinen Männern, um sie über alles genaustens zu unterrichten.

***

Lorne sieht sich gelangweilt im Schankraum um. Die Tage werden ihr allmählich lang und sie hofft, dass Del, Kijada, Rashid und Janna bald entscheiden, was weiter geschehen soll. Verstohlen mustert das Mädchen Janna, die an einem der Tische im Schankraum sitzt. Mittlerweile lässt sich nicht mehr verheimlichen, wie es um die ehemalige Pfirsichmaid bestellt ist. Auch Jannas Launen haben es in sich, weshalb Lorne es tunlichst vermeidet, zu viel Zeit mit ihr zu verbringen. Stattdessen widmet sie sich lieber Wind – Sie hat beschlossen den Hund weiterhin bei diesem Namen zurufen, anstatt ihn wieder wie früher Klein zu nennen.
Mittlerweile ist es bereits Abend, die Nacht bricht schon an. Rashid und Del sind immer noch nicht wieder aus der Stadt zurückgekehrt – Lorne hat keine Ahnung, was sie dort treiben. – und auch von Kijada ist weit und breit keine Spur zu entdecken. Janna wirkt zudem sichtlich unruhig und Lorne fragt sich, woran dies liegen mag. Fragen will sie die Pfirsichmaid aber lieber nicht und so erhebt sie sich stattdessen, um nach Kijada zu suchen. Vermutlich ist sie irgendwo vor der Taverne, überlegt sie. Vage erinnert sie sich daran, dass ihre Mutter irgendwas von „Verdammte sch***** Kerle“ und „Frische Luft“ gemurmelt hat.
Sie bedeutet Janna mit einer knappen Gerste, was sie vor hat und verlässt den Schankraum. Als sie die Tür des Gasthauses öffnet, schlägt ihr sogleich die eisige Abendluft von draußen entgegen. Entschlossen trifft das Mädchen auf die Straße hinaus und sieht sich um. Auf der Straße ist es still und leer. Kijada ist nirgendwo zu sehen. Kurz darauf öffnet sich die Tür hinter Lorne erneut. Ein Mann kommt aus dem Gasthaus, er trägt einen dunklen Umhang eine weite Kapuze verbirgt sein Gesicht. Lorne achtet nicht weiter auf ihn. Der Unbekannte geht gleichgültig an ihr vorüber und beginnt eine schlichte, einfache Weise vor sich hin zu pfeifen, die dem Mädchen vage vertraut vorkommt. Ein altes Schlaflied, denkt sie und lächelt, als sie sich daran erinnert, dass ihr Vater sie mit diesem Lied früher oft in den Schlaf zu singen versuchte.

Unvermittelt wird sie grob gepackt. Schwere Männerhände packen sie und noch bevor sie dazu kommt zu schreien, verschließen ihr schmutzige Finger den Mund. Lornes Augen weiten sich vor Schreck und sie versucht sich so gut es geht zur Wehr zu setzen, vergebens. Die beiden Männer, die so unversehens aus den Schatten aufgetaucht sind, haben sie völlig überrascht und fest im Griff. Doch mit einem Mal hört das Mädchen Schritte, dann eine Stimme. Kijada! Tatsächlich, Lorne irrt sich nicht. Ebenso unvermittelt wie kurz zuvor noch die beiden unbekannten Angreifer, steht nun auch die Amazone auf der Straße vor dem Gasthaus.
Lornes Entführer sind sichtlich überrascht, die gezogene Waffe der Amazone scheinen sie aber nicht zu fürchten. Als einer dem anderen etwas zuzischt, klingt es ihn Lornes Ohren eher so, als wäre der Mann lediglich darüber verärgert, dass sie von Kijada entdeckt wurden. „Kümmer dich darum“, knurrt er und deutet in Richtung Kijada. Offenbar hat er es eilig, zu verschwinden. Der Grund liegt klar auf der Hand, je länger sie verweilen, um so größer wird die Gefahr, dass sie noch von jemand anderem gestört und entdeckt werden und während sich sein Kumpane ihrer Mutter zuwendet, versucht er mit Lorne in der nächstbesten dunklen Gasse zu verschwinden.        
Aber Kijada ist schneller, geschickt überlistet sie den auf sie zukommenden Mann und stellt sich stattdessen dem Mann in den Weg, der Lorne fortbringen will. Ein ernsthafter Tumult entbrennt. Lorne wird hin und her gestoßen, gerät zwischen ihre Mutter und den Mann der sie immer noch festhält und versucht sich irgendwie los zu machen. Der zweite Mann mischt sich in das Gemenge mit ein, dann geht alles ganz schnell. Plötzlich sackt Kijada einfach in sich zusammen und bleibt reglos am Boden liegen. „Verflucht“, grollt einer der Männer, Lorne vermag nicht zu erkennen welcher, leise. „Keine Zeugen, keine Toten. Edans ausdrücklicher Befehl!“ „Und was hätte ich tun sollen?“, entgegnet der andere Mann unwirsch, doch bevor sein Kumpan zu einer Antwort ansetzen kann, werden sie von etwas anderem abgelenkt. Die Gasthaustür öffnet sich. Eine Frau tritt heraus. „Janna!“, schreit Lorne so laut sie nur kann. In ein Moment der Unachtsamkeit, hat sie sich soweit frei gemacht, um aus Leibeskräften schreien zu können, und genau das tut sie jetzt. „JANNAAAAAAAAAAAAAAAA …!“
Ein wuchtiger Schlag trifft das Mädchen unvermittelt an der Schläfe. Bewusstlos sankt Lorne in sich zusammen und der Mann der sie hält, wirft sie sich wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter. „Nichts wie weg hier!“, erklingt eine dritte Stimme, sie gehört dem Unbekannten, der kurz nach Lorne aus der Gaststube kam. Der Mann verzieht das Gesicht. Die schwangere Amazone hat Lornes Ruf ganz offenkundig gehört, denn sie starrt fassungslos zu ihm herüber. Er flucht. „Verschwindet“, fährt er seine Gefährten an. Dann sprintet er über die Straße und auf Janna zu, wenn sie in die Gaststube zurückkehrt, bevor er sie daran hindern kann, ist alles zu spät ...

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 07. März 2006, 12:47 Uhr
Sie hat nicht mehr mit Sira gesprochen seit... seit sehr, sehr langem und auch nun kümmert sie sich eher darum, das verlockend duftende Essen vor sich in ihren Magen zu kriegen, ohne es stante pede auch wieder hinaus zu befördern. Die junge Frau, - für ein Mädchen ist sie langsam eindeutig zu alt – sitzt still neben ihr, scheint stillschweigend dem allgemeinen Tumult im dem Wirtshaus zu lauschen und krault dabei Wind genüsslich hinter den Ohren, der auch immer wieder seine feuchte Nase in ihre Seite bohrt, sobald sie es nur wagt, ihm die Aufmerksamkeit zu entziehen. Unruhig stochert Janna mit dem Messer zwischen schwarzen Nudeln und Pfeffersauce herum, schieb die Körnchen an den Rand, vermischt das Ganze wieder und spürt ihr Herz schneller schlagen, als es sollte. Sie sitzen schon viel zu lange in Yashior fest, der Winter ist eiskalt und nun musste auch Rashid sich eine Arbeit suchen, damit sie länger im Gasthaus verweilen konnten. Das alles ginge ja noch und da die Geburt nur noch eineinhalb Monde fort war, wäre es vielleicht gar besser für Janna gewesen zu warten, doch sie fühlt eine nagende Ungeduld in sich und jedes Mal wenn sie durch die Strassen der Stadt läuft, ist ihr, als würden die Menschen sich hinter einem Schleier der Vergangenheit verstecken und sie beobachten. Es ist wie ein bedrohliches Summen, dass ständig in ihrem Kopf nachhallt und immer stärker wird, je länger sie hier versuchen etwas zu finden, dass ihnen anscheinend niemand willens ist zu geben.  Schliesslich seufzt sie leise, schiebt das Essen von sich und zupft das Kleid über ihrem runden Babybauch glatt, streicht mit der akribischen Genauigkeit einer Näherin die Falten aus dem Stoff und wirft dabei immer wieder argwöhnische Blicke aus zusammengekniffenden Augen in Richtung der Schanktüre, die sich an diesem Abend jedoch nur selten öffnet. Der Wind pfeift ein leises Lied vor den Fenstern, verfängt sich in den kleinen Gassen und Hohlräumen und zerrt an Stroh- und Schindeldächern. Der Himmel hat die letzten Tage nie mehr ein hübsches, hoffungsvolles Blau gezeigt, sondern nur noch trübes, dickes Grau, durchzogen von schwarzen und weissen Schlieren und jetzt ist er schwarz wie Asche. Keine Sterne und kein Mond sind am dunklen Firmament zu sehen, die ganze Stadt wird von einem Schleier an undurchdringlicher Finsternis gehüllt und lediglich einzelne Fackeln und die Nachtfeuerkörbe spenden ein wenig Licht. Das Kijada sich vom Tisch verzogen hat und sie bis jetzt noch nicht wieder mit ihrer Anwesenheit beehrt hat, ist Janna nur Recht, denn je mehr Kijada ihre Tochter direkt vor Dels Augen einspannt, umso grösser wird Jannas Wut auf dieses hinterlistige Miststück, was je nach Laune zu einer, oder auch mehreren Auseinandersetzungen am Stück führt. Das Ungeborene liegt schwer und ruhig in ihr, lässt sie ein wenig ruhen und Janna betrachtet mit finsterer Miene eindringlich den Bierkrug, den sie vor sich stehen hat. Feinstes Dunkelbier, eine Farbe wie der goldenste Honig und kräftigem, flockenartigem, weissem Schaum darüber.  

Mit einem Male erhebt sich Sira, schiebt den Stuhl mit einem genervten Schnauben von sich und vergisst dabei anscheinend, dass Wind sich wie ein Wollknäuel um die Beine ihrer Sitzgelegenheit geschlungen hat. Es gibt ein beleidigtes und schmerzhaftes Fiepen und Wind kriecht mit eingezogenem Schwanz unter dem Tisch hervor, Sira mit grossen, treuen Augen fast ein wenig vorwurfsvoll musternd. Die junge Dame schert sich jedoch momentan anscheinend wenig um ihre Mitmenschen- und Tiere, ausser Kijada und mit einer knappen Handbewegung, die mehr an ein eiliges Luftzufädeln erinnert, gibt sie Janna zu verstehen, dass sie sich ein wenig die Beine vertreten will. Janna nickt nur, weiss doch, dass es nichts bringen wird, wenn sie versuchen würde eine Konversation zu beginnen, denn jedes Wort würde wahrscheinlich im Stillen wie ein Vorwurf oder eine Anschuldigung klingen, egal wie viel Mühe sie sich geben könnte. Müde lehnt sie sich gegen die halbhohe Lehne des Stuhles, lässt den Blick durch den Schankraum irren und bemerkt wie dich hinter Sira ein grosser, unter einem groben Umhang verborgener Mann das Gasthaus verletzt und Janna ist sich zwar nicht wirklich bewusst darüber, doch in ihrem Magen breitet sich so schlagartig ein erdrückende, mulmiges Gefühl aus, dass sie glaubt, grobe Steine statt wohlschmeckender Nudeln gegessen zu haben. Sie verschweigen uns etwas, aber was? Wie oft ihr diese Frage in letzter Zeit durch den Kopf gegangen ist, doch bisher hatte sie keine befriedigende Antwort gefunden und das aufmerksame Beobachten des Volkes hatte ihr nur noch einmal verdeutlicht, dass es hoffnungslos war, hier ihr Glück zu versuchen. Da gräbt sich eine kalte, feuchte Hundschnauze zwischen ihre Rippen und mit einem schalen Lächeln drückt sie Winds Kopf gegen ihren bereits beachtlich runden Bauch und krault ihm sein hartes, kurzes Fell. Der seidenweiche Pelz, der ihn früher wie eine rollende Kugel auf vier Beinen hat wirken lassen, ist schon vor längerer Zeit verschwunden und nur seine Vernarrtheit ins Spielen und Unsinn treiben, ist ihm aus Kindertagen noch geblieben. „Na mein Junge... was hälst du von der ganzen Sache hier?“, flüsterte sie leise und als ob er sie verstanden hätte, sprang er ruckartig auf und sah mit sehnsüchtigem Blick in Richtung der Türe, augenscheinlich hoffend, das Lorne bald wieder zurückkommen würde. Traurig streicht Janna ihm über den breiten Schädel, als sich seine Ohren plötzlich aufstellen und er seinen Kopf leicht zur Seite neigt, den Schwanz hebend. Skeptisch nimmt Janna wahr, wie der Hund sich anspannt, dasteht wie ein Ölgötze mitten in der Menge und den Ausgang mit hochgezogenen Lefzen, die gefährlich grosse und scharfe Zähne freigeben, fixiert. Unruhig sieht Janna von der Türe zu dem wachsamen Hund, lässt schliesslich einen resignierenden Laut vernehmen und erhebt sich ungelenk, den Mantel um die Schultern legend: „Ist schon in Ordnung, ich sehe nach, was sie treibt und vielleicht... vielleicht rede ich sogar mal mit ihr.“

Doch wenn sie glaubt leise und still aus dem Gasthof treten zu können, so macht ihr Wind einen gehörigen Strich durch die Rechnung denn kaum hat sie sich in Richtung der Türe aufgemacht, stellt er sich ebenso breit wie hoch in den Weg und beginnt zu knurren. Ein Geräusch, das ihr die Nackenhaare aufstellt und einen eisigen Schauer über jeden einzelnen ihrer Wirbel kriechen lässt. Eine schreckliche Ahnung ergreift von ihr Besitzt, ihr Gesicht wird blasser und fast lautlos murmelt sie ein Entsetztes: „Sira!“, hervor, bevor sie den Hund mit den Knien zur Seite schiebt, sich nicht von seinem ansetzenden Bellen aus der Bahn bringen lässt und in die Kälte der anbrechenden Nacht hinaustritt, wobei sie nicht sieht, wie die Türe zuschlägt, bevor Wind auch nur den Hauch einer Chance hat, seine Nase in den Wind zu recken. Eilig macht sie einige Schritte vor, doch dann... „Janna!“ Der Klang in Siras Stimme lässt sie augenblicklich erstarrt innehalten und doch müssen sich ihre Augen erst an die, vom Feuerschein durchbrochene Dunkelheit hier draussen gewöhnen, bevor sie an einer Seitenecke drei Gestalten entdeckt und zwei von ihnen halten Lorne in ihren Klauen. „JANNAAAAAAAAAAAAAAAA …!“ Der Schrei dringt gellend und laut zu ihr, löscht sämtliche Bedenken, die sie zuvor noch gehalten haben, aus und nackter Zorn schleicht sich auf ihre Züge, als ein Schlag Siras Hilferuf unterbricht. Doch bevor Janna auch nur daran denken kann, zurück ins Gasthaus zu hetzen und Hilfe zu holen, oder wahrnimmt, dass Kijada schmal und klein auf dem Boden liegt, sprintet einer der Männer auf sie zu, der Umhang wallt sich hinter ihm auf. Durch ihren unförmigen Leib gehindert, kann Janna die kurze Strecke bis zur rettenden Türe nicht schnell genug hinter sich bringen und sie hat gerade erst die unterste Stufe erreicht, als sich eine kräftige Hand über ihren Mund legt und sie den kalten Stahl einer Klinge an ihren Hals spürt, fast genau dort, wo auch Sedim sie vor langer Zeit erwischt hat. „Mach irgendwelche Mätzchen und die Kleine wird dafür bezahlen“, knurrt eine raue Stimme in ihr Ohr und reisst sie unsanft zurück, so dass sie beinahe den Halt verliert. Ihre Finger krallen sich in den Ärmel des Fremden, sie hört ihr eigenes Herz wild gegen ihre Rippen klopfen und hinter der eichenen Türe veranstaltet Wind ein wildes Bellkonzert. Sie kann sein heiseres Winseln hören, hat den Geschmack nach Dreck im Mund und spürt das Ungeborene in sich, das aufgeschreckt durch das Geschehen beginnt quäkend seinen Unmut mit Fusstritten und Schlägen deutlich zu machen und allein die Sorge um ihr Kind und Sira lassen Janna still werden. In ihren Augen flackert jedoch die Wut ungehemmt, ein lodernder Funke, doch die Erkenntnis über ihre Unfähigkeit schneidet wie Fesseln in ihre, zu einem eisigen Klumpen gewordenen Eingeweiden und als der Mann, ohne den Griff zu schwächen, sie in Richtung der dunklen Gassen hinfort zerrt, wird  ihr bewusst, dass sie selbst gar nichts tun kann... nichts ausser...  

In den schützenden Schatten der nächsten Seitenstrasse werden ihr mit einem groben Band die Augen verbunden, denn anscheinend sind die Männer mindestens so klug zu erkennen, dass man sie mit ihrer Leibesfülle nicht mehr tragen kann, was sie wohl hätten tun müssen, wäre man auf die Idee gekommen, sie einfach bewusstlos zu schlagen. Ebenso schiebt man ihr hart einen Knebel zwischen die Zähne, zieht ihn schmerzhaft fest an und stülpt dann die Kapuze über ihren Kopf, so andere Bürgern, die vielleicht hätten helfen können, nicht fähig sind ihr Gesicht und die Fesseln zu sehen. Ruhe... Ruhe bewahren... Bei allen Göttern, wenn ich nicht schwanger wäre, dann würde ich euch in Streifen schneiden, ihr Bastarde. Doch der Gedanke verlässt ihren Mund nicht, dafür ein unwirsches Fauchen, als sie am Arm gepackt und mitgezerrt wird, ohne das dabei auf ihre Geschwindigkeit geachtet wird. Es scheint als haben es die Dreckskerle eilig und nun erst schleicht sich das Bild von Kijada, die zusammengekrümmt und leblos zu Füssen der Kerle gelegen hat. Janna ist, als hätte man ihr mit einem Knüppel eins über den Kopf gezogen und ohne zu überlegen stemmt sie die Füsse in den Boden, versucht sich aus den harten, schraubstockartigen Fingern ihrer Entführer zu winden, um irgendjemanden warnen zu können. Alles was sie damit erreicht, ist, dass sie erneut eine kalte Klinge spürt, irgendwo in ihrer Seite, die sich gefährlich fest in ihre gespannte Haut bohrt. “Lauf, oder du und dein Kind werdet sterben.“ Mit einem Male ist Janna froh, dass sie eine Augenbinde trägt, denn so können die Männer die Tränen der Verzweiflung und Wut nicht sehen, die ihr die nicht vorhandene Sicht verschleiern und in dem Linnenstoff verschwinden. „Bartstd“, knurrt sie nur und läuft dann so schnell, wie es ihr möglich ist, hin und wieder fast stolpernd.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 13. März 2006, 08:38 Uhr
Rashids nächsten Tage und Siebentage verlaufen, sehr zu seinem Leidwesen, nicht so wie geplant. Alle Bemühungen, etwas über Lornes Familie, die Thains, herauszufinden, verlaufen im Sande. Nicht jedoch weil sie schlicht zu unbekannt gewesen wäre, nein, das genaue Gegenteil scheint der Fall zu sein. Überall treffen sie auf eine Mauer des Schweigens und dazu kommt noch, dass sich Fremde, die Erkundigungen einholen, selten sehr beliebt machen. Der Wüstenkrieger ist auf seinen langen Reisen weit herum gekommen, und auch Yashior hatte er öfters einen Besuch abgestattet, doch war er in dieser versnobten Stadt nicht oft genug, um hier die gleichen, guten Kontakte zu haben wie andernorts. Und so schmilzt die Zeit seine Ersparnisse für diese Reise dahin, und er bereut schon, nicht mehr Münzen und Edelsteine eingepackt zu haben. Del geht es nicht viel anders, also verdingen sie sich hier und da, wo zwei paar starke Hände gebraucht werden, und so kommen sie wenigstens ein bisschen unter das Volk, die dabei erhofften Informationen bringt ihnen aber auch das nicht ein.

Einer der wenigen Lichtblicke sind die ungestörten Momente mit Janna, wenn sie nicht unter einer ihrer Launen leidet, in denen sie sich an den großen Mann kuschelt und sich ihre Gefühle für ihn selbst einzugestehen scheint. Ihre getrennten Lager haben sie bei Zeiten aufgegeben, doch zeigt sich die Pfirsich-Schankmaid immer wieder von ihrer kratzbürstigen Seite, kurz bevor sich Rashid sicher sein könnte, sie ganz für sich gewonnen zu haben. Im Grunde stört ihn das aber nicht, sondern es macht das Ganze noch interessanter und verlockender für ihn. Wie ein Apfel, der im bewachten Garten eines Scheichs hängt, und ihn mit seiner roten Farbe gerade zu herausfordern will, gepflückt zu werden. Aber Mauern und Schwierigkeiten haben Rashid noch nie abgehalten. Schon gar nicht bei einer schönen Frau! Ihre Erkältung haben Janna und ihr Ungeborenes zur großen Erleichterung aller gut überstanden, und Rashid ist jedes Mal von dem kleinen Wunder fasziniert, das in Jannas Leib heranwächst, wenn er seine Hände auf den gewölbten Bauch der Schwangeren legt, und unter ihrer warmen Haut das Leben spüren kann, dass sich dort regt. Und auch Janna genießt diese Berührungen, erkennt sie doch, dass sie mit Rashid viel mehr teilt, als er es mit seinen Liebschaften vorher getan hat.

Es ist diesen Abend später geworden als üblich, denn ein defekter Flaschenzug hat das Löschen der Schiffsladung erheblich erschwert, bei dem Del und Rashid zur Hand gehen sollten. Mühsam mussten die Kisten aus dem Laderaum geschleppt werden, und am Ende mussten sie noch um ihren Lohn feilschen, weil sie ja viel länger gebraucht hätten, als es einkalkuliert war. Das war nicht gerade die Art, mit der man Dels ohnehin schon schlechte Stimmung hätte aufheitern können, und das hätte der Schiffseigner auch beinahe am eigenen Leib zu spüren bekommen, als Del für die >>abschließenden Verhandlungen<<, wie er es nannte, auf den untersetzten Händler zugestampft ist. Nur eine Streife der Stadtwachen, die sich auf dem Hafenpier herum trieb, hat ein ernsthaftes Handgemenge verhindert. Ein Umstand, den Rashid sehr bedauert, während er wortlos neben dem breitschultrigen Halbelfen in Richtung Taverne schlendert. Eine ordentliche Prügelei vermisst der Wüstenkrieger schon fast, und auch Del hätte es nicht geschadet, wenn er ein Ziel für seinen Frust gefunden hätte. Dem Schiffseigner hätte es geschadet, aber Der hätte es ja auch verdient!, denkt sich Rashid verdrossen.

Das Pier, an dem ihre Taverne liegt, ist um diese Uhrzeit fast menschenleer. Zum einen schneidet der kalte Wind durch jedes Stück Kleidung, als bestünde er eisigen Klingen, und zum anderen haben wohl fast alle schon das Gasthaus erreicht, in dem sie die Nacht verbringen wollen. Das interessanteste für Rashid, während er die Hände tief in die Taschen seiner weiten Hosen steckt, sind seine gebogenen Stiefelspitzen, die er mit seinem Blick fixiert, bis ihn Dels Hand plötzlich zurück hält. „Was denn…“, brummt er dem Halbelfen zu, doch etwas in Dels Haltung lässt ihn augenblicklich jeden Muskel anspannen. Er folgt Dels ausgestrecktem Arm mit dem Blick, aber im Zwielicht der ausklingenden Dämmerung nuss er seine Augen anstrengen, um erkennen zu können, was Del entdeckt hat. Vor der Taverne liegt ein Körper! Sie sehen sich an. Das genügt, dann huschen sie geduckt wie Katzen auf die trüben, erleuchteten Fenster des Gasthauses zu, die die einzige Lichtquelle im Umkreis von 30 Schritten sind.

Aus der Haltung des Körpers wird schnell klar, dass es sich nicht um einen gestürzten Betrunkenen handelt, und auch die dunkle, spiegelnde Lache die um die Körpermitte herum das Pflaster bedeckt, verheißt nichts Gutes! Eashid geht neben dem Körper in die Knie während Del mit seinen schärferen Augen die Umgebung beobachtet. Der Körper ist zierlich aber doch durchtrainiert. Eine Frau. Rashid schluckt, als er den Körper berührt um ihn umzudrehen. Die Haut ist noch warm und noch ist keine Spur von Leichenstarre zu bemerken. Als er Kijadas Gesicht sieht, wird seine Befürchtung zur Gewissheit. „Kijada!“, zischt der Wüstenkrieger leise und verflucht Yashior im Namen der neun Höllen. >>Sira!<<, zischt Del zurück, dann ist er auch schon an der Tür der Taverne und reißt sie auf. Heraus stürzt Wind, der sich bellend und mit aufgerichteten Nackenhaaren an Del vorbei quetschen will, doch der Halbelf erwischt den Hund mit einer flinken Bewegung am Nackenfell. Die Tür schwingt wieder zu, und betreten muss Del das Gasthaus auch gar nicht um zu wissen, dass Lorne nicht mehr drinnen ist. Wind würde sonst nicht so ein Theater machen und hinaus wollen.

Rashid spürt eine schwache Bewegung in Kijadas Körper, den er auf seinen Schoß gebettet hat. „Sie lebt noch!“, stößt er zwischen geschlossenen Zähnen hervor und presst seine Hand auf die Bauchwunde, aus der schwärzliches Blut sickert. Eine Frage von Minuten bloß noch…, stellt er mit seiner langjährigen Erfahrung fest. Er hatte genug solcher Verletzungen gesehen, um sich sicher zu sein. „Ruhig, Kijada. Atme…ich weiß es tut weh, aber Du musst noch einmal stark sein!“ Rashid streicht eine verschmierte Haarsträhne aus dem Gesicht der Amazone, als sie die Augen öffnet, in denen der letzte Lebensfunke flackert. „Was ist passiert? Wo sind Lorne und Janna?“ Kijadas Blick klärt sich nur langsam und es dauert quälend lange Sekunden, bis Erkennen auf ihrem Gesicht auszumachen ist, und sich die blutleeren Lippen bewegen. Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, und ärgerlich ruckt Rashids Kopf nach oben. „Bring diesen verdammten Hund zum schweigen!“, ruft er aufgebracht Del zu, der Wind zu bändigen versucht, der sich wie toll gebärdet, weil er in die nächst Beste Gasse stürzen will. Irgendwie schafft Del das kleine Wunder und Rashid legt seinen Mund fast auf die Lippen der Amazone. „Noch einmal Kijada…bitte…“ Er spürt den Luftzug ihres Atems an seinem Ohr, der kaum hörbare Worte in sich trägt. >>Männer...in Mänteln…sie haben…Lorne…und Janna…verschleppt…<< Rashids Kiefer malen aufeinander bis seine Zähne knirschen, aber er unterbricht Kijada nicht. >>…hatten einen Befehl…Edan…<< Die Finger der Amazone klammern sich in einem letzten Aufbäumen um Rashids Hand, die er auf die Bauchwunde der tödlich Verletzten Frau presst. >>…Lorne…meine Tochter…rette sie…<< Der Wüstenkrieger richtet sich auf und kann von Kijadas Lippen die flehende Bitte ablesen: >>Versprich es…<< „Ich verspreche es.“, antwortet Rashid ohne Zögern und als hätte Kijada bloß auf dieses Versprechen gewartet, bricht der Blick ihrer Augen Sekunden später.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 18. März 2006, 13:15 Uhr
Der Tag scheint für Del genauso beschissen zu enden, wie er angefangen hat. Ebenso wie Rashid hat er zwar seinen Lohn bekommen, aber er hätte auch liebend gerne dem Hafenarbeiter seine Meinung mit Fäusten verdeutlicht. Die ganze Stadt scheint an seinen Nerven zu zerren und das wo sie im wahrsten Sinne des Wortes absolut nichts tut. Niemand tut etwas um ihnen zu helfen und so hocken sie noch immer abgeschieden von der Außenwelt im Norden des Dunkelwaldes herum und kommen kein Stück weiter. Das nicht einmal Rashid an Informationen kommt, beunruhigt Del noch mehr, denn bislang hatte der Südländer immer einen Weg gefunden. Auf einer imaginären Liste hat Del die Stadt Yâshior schon längst zigmal durchgestrichen. Sowie er die Stadtmauern das nächste Mal hinter sich lassen würde, wird er diese Stadt nie wieder betreten, egal was der Grund ist. Leider hegt er allerdings die ungute Vermutung, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis er sich wirklich mit dem Gedanken anfreunden kann. Rashid scheint ähnlich angetan von der Stadt zu sein und so laufen sie schweigend nebeneinander durch die eisige Kälte. Wenn man aus einem warmen Gebäude heraus tritt, tut die Kälte anfangs noch gut und fegt unschöne Gedanken bei Seite, aber je länger man sich durch die Nacht bewegen muss, umso mehr legt sich die Kälte auf das Gemüt und lässt einen selbst frostig werden. Für den heutigen Abend hofft Del jedenfalls, dass ihn niemand mehr anspricht und auch sonst alle einfach nur in Ruhe lassen. Im Moment wünscht er sich einfach nur ein Bett und vielleicht noch eine ordentliche Mahlzeit.
Als die Taverne endlich in Sichtweite gerät, sind nur wenige Stellen in der Umgebung vom spärlichen Licht der Tavernenfenster erhellt. Der ständige Wechsel zwischen hell und dunkel, welche die Lichtflecken auf dem Boden und reflektierenden Gegenständen erzeugen, ist für Del reichlich unangenehm. Seine Augen verfügen noch längst nicht über die gleichen Möglichkeiten wie richtige Elben, aber sie sind doch um einiges besser als die der Menschen und reagieren entsprechend empfindlicher. Die am Boden liegende Gestalt bemerkt er allerdings erst, als er seine Augen zufällig wegen dem eher unangenehmen Licht zukneift und sich auf die Dunkelheit daneben konzentriert. Die Formen sind zu undeutlich um genau zu erkennen, wer dort liegt, aber instinktiv ahnt er, dass das nichts gutes Bedeuten kann. Egal wie verhasst ihm diese Stadt ist, ihr kann man jedenfalls zu Gute halten, dass selten Straftaten offen begangen werden. Und auch sonst ist die Stadt recht sauber, so dass es fast schon wie ein Frevel wirkt, dass nun dort etwas unweit einer Taverne mitten auf der Strasse liegt und sich niemand darum kümmert.

Rashid der nicht durch seine Augen sehen kann und auch viel zu sehr auf seine Füße fixiert ist, will einfach weitergehen, aber Del hält ihn zurück. Die brummige Antwort darauf interessiert ihn nicht. Statt dessen zeigt er einfach nach vorne. Als Rashid endlich sieht, worauf er ihn aufmerksam machen wollte, tauschen sie einen unruhigen Blick miteinander und bewegen sich vorsichtig auf die Person zu.  Der gesamte Ort ist einfach viel zu sehr gegen sie, als dass sie leichtfertig jemanden zur Hilfe eilen. Als sie die Blutlache bemerken, scheint Rashid einen Teil seiner Vorsicht aufzugeben und kniet sich neben der Person hin. Für Del gibt es keinen Zweifel, dass die dort liegende Person schon längst tot sein muss. Er weiß zwar, dass sich einige Schwerverletzte noch erstaunlich lange an ihr Leben klammern, wenn sie schon fast auf Kyroms Fähre sitzen, aber das hier sieht eher nach einem hinterhältigen Mord aus. Niemand verlangt, dass der Verletzte sich heroisch noch stundenlang quälen muss.  
Del würde am liebsten einfach in das Gasthaus gehen. Die Stadt mag ihn nicht, er mag sie nicht und somit interessieren ihn auch nicht seine Bürger, aber Rashid ist wohl anderer Meinung. Da er sich selbst nicht ebenfalls am Boden wiederfinden möchte, sucht er deswegen in der Dunkelheit nach verdächtigen Gestalten, die ihnen vielleicht auch zu Leibe rücken wollen, aber es ist überall still. Nur einige spärliche Geräusche dringen durch das Geheule des Windes an sein Ohr. Meist Laute aus der Taverne. Einmal glaubt Del auch einen Hund jaulen und Winseln zu hören.
>Kijada!< Das Wort ist noch nicht ganz verklungen, als Del herumruckt und zu Rashid sieht. Eine Kälte, die nicht mit der des Nordens zu vergleichen ist, kriecht über seinen Rücken und nistet sich schmerzhaft in seinen Magen ein. Auch wenn der Hass auf die Stadt für einen Moment vollkommen vergessen ist, wird die Intensität kurz darauf ungleich stärker. Die offene Ablehnung ist das eine, aber niemand vergeht sich an jemanden, der mit ihm reist. Egal ob er ihn leiden kann oder nicht. Doch eine viel schlimmere Befürchtung lässt in binnen weniger Augenblicke den Anblick von Rashid und Kijada lösen. Wenn sie- wer auch immer das genau ist- eine kampffähige Amazone scheinbar mit Leichtigkeit besiegen, was tun sie dann erst mit einer Schwangeren oder einem Kind? „Sira!“

Sofort rennt Del zur Taverne, doch kaum, dass die Tür einen Spalt offen steht, drängt sich eine Hundeschnauze dazwischen, drückt die Tür weiter auf und rennt ihn fast über dem Haufen. Es ist mehr ein Reflex das Del zugreift und das Tier am Nacken erwischt. Sein erster Gedanke ist, dass das wilde Tier sich auf einen der anderen beiden stürzen will, doch als er Wind in seiner Hand erkennt, ist sein Kopf mit einem Mal leergefegt. Unbändig versucht Wind sich zu befreien, bellt, knurrt und winselt gleichzeitig. Aber Del verstärkt seinen Griff und legt ihm den anderen Arm um den Hals, um ihn besser festhalten zu können. >„Bring diesen verdammten Hund zum schweigen!“< Del versteht nicht, warum Rashid so aufgebracht ist, doch als er sieht, dass er mit Kijada spricht, verkrampft sich sein Magen ein weiteres Mal. Sie lebt noch immer und allein die Götter wissen, wie lange sie dort schon liegt und darauf wartet, dass es vorbei ist. Er weiß, dass er sich bei dem Tier damit unbeliebt macht, aber kurzerhand drückt Del Wind einfach die Schnauze zu. Es erfordert zwar einiges an Kraft, aber Wind weiß, dass er neben Sira auch Del zu gehorchen hat und wird sogar ein wenig ruhiger, bis er ganz verstummt und ebenso wie der Halbelb über ihm zu Kijada und Rashid starrt. Das Heulen des Windes ist jetzt erfüllt von bösen Vorahnungen und als der Südländer in der Dunkelheit vor ihnen seine Schultern hängen lässt, braucht Del keine weitere Gewissheit, dass Kijada tot ist. Schweigend, in Abstand von mehreren Schritten, sitzen sie in der Dunkelheit und warten. Sie wissen nicht worauf, aber plötzlich scheint alles so sinnlos.
Erst das leise Winseln von Wind, der sich nun immer mehr regt, lässt Del aufstehen und zu Rashid hinüber gehen. Den Blick auf die tote Amazone gerichtet, wiederholt Rashid ihre letzten Worte, während Wind fiepend an Kijada heranrückt.  

Sie hatten am selben Abend noch ewig in der ganzen Stadt nach den beiden gesucht, aber selbst mit Hilfe von Wind hatten sie nichts erreicht. Die gesamte Stadt schien wie ausgestorben und das Leben hatte sich in die Häuser zurückgezogen. Draußen herrschte nur der Tod. Auch wenn es einigen Ärger vom Tavernenbesitzer gegeben hatte, hatten beide Männer darauf bestanden, dass sie Kijada mit auf ihr Zimmer nehmen können. Es schienen ihnen nicht recht, sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Und es war für beide klar, dass sie sie nicht in der Stadt beerdigen oder dem Feuer übergeben würden. Sie war eine Amazone und selbst wenn sie ihr im Leben keinen Respekt gezollt hatten, dann wenigstens im Tode und demnach sollte es ihr zustehen, dass sie zu ihrem Volk zurückkehren kann, damit man sich dort um alles weitere kümmert. Die Tage nach diesem Abend haben sowohl Rashid als auch Del damit verbracht, dass sie nach Anhaltspunkten gesucht haben, wo Janna und Sira sein könnten und wie man Kontakt zu den Amazonen aufnehmen könnte. Beides war gleichermaßen schwierig und aussichtslos, aber wenigstens in Kijadas Fall gelang es ihnen irgendwann eine Amazone in der Stadt ausfindig zu machen. Die Begegnung mit ihr war schon kein Leichtes, aber ihr dann auch noch zu erklären wie sie zu einer toten Amazone kommen, hätte ihnen beiden beinah den Kopf gekostet. Letztlich konnten sie aber Kijada mit gutem Gewissen übergeben und ihnen wurde zugesichert, dass keine Amazone ihnen im Dunkelwald auflauern würde, um sich fälschlicherweise an ihnen zu rächen. Seit der Übergabe der Leiche haben Del und Rashid sich nur noch darum gekümmert, wie sie an Informationen kommen können. Mehrmals sind sie mit Wind durch die Strassen gelaufen, doch die Spuren, sollte es jemals welche gegeben haben, waren schon längst fort.  Einen Siebentag dauerte die erfolglose Suche und obwohl beide Männer sicher sein konnten, dass sie hier in der Stadt nichts erfahren würden, hielten sie weiterhin daran fest, alles und jeden zu fragen. Weder Rashid noch Del waren in der gesamten Zeit ansprechbar und besonders Del geriet immer wieder mit Bürgern aneinander, so dass er bald schon gar nicht mehr mitzählte, wie oft die Stadtwache bei ihm aufgekreuzt war, um ihn in offizieller Funktion zu verwarnen. Dass sie ihn noch immer nicht eingekerkert hatten, schien zwar beinahe an ein Wunder zu grenzen, aber vielleicht dachten sie daran auch nur an ihre eigenen Nerven, wenn sie ihn dann dauerhaft ertragen müssten.
Am Ende eines weiteren unbrauchbaren Tages war die Laune der beiden aber so stark gesunken, dass das arme Schwein, dass wieder einmal angeblich nichts wusste, Bekanntschaft mit Dels Fäusten machen durfte und sich blutend und mit ausgeschlagenen Zähnen am Boden wiedergefunden hat.

„Wer schickt dich? Na los, sprich du dreckige Ratte!“ Viel zu oft hat Del den Mann in ihrer Nähe gesehen und das heißt, dass jemand sich darüber informieren lässt, was sie in der Stadt tun. Inwieweit das mit der Entführung von Janna und Sira zu tun hat, kann Del zwar nur raten, aber wenn der Mann, der vor ihm im Dreck wimmert, auch nur irgendetwas weiß, dann würde er das hier und jetzt erfahren. Es ist ihm längst egal, ob sie ihm wieder die Stadtwache auf dem Hals hetzen. Er würde solange jeden Bürger zu Brei schlagen, bis er etwas erfahren hat, was ihm weiterhilft. Die flehenden Blicke des Zahnlosen die an Rashid gerichtet sind erzielen nicht die erhoffte Wirkung. Der Südländer bleibt weiterhin wie angewurzelt auf seiner Position stehen und hält nach Personen Ausschau, die ihnen gefährlich sein könnten. Wind steht direkt neben ihm. Er knurrt nicht, sitzt aber angespannt genau zu Füßen Rashids und lässt den Mann neben Del keinen Moment aus den Augen.
Betont langsam lässt sich Del in die Hocke sinken und sieht dem Hafenarbeiten direkt in die Augen. „Wenn du etwas weißt, dann rate ich dir, dass du es mir verrätst. Niemand wird dir zu Hilfe eilen und selbst wenn, wäre es für dich zu spät.“ Bislang hat Del noch nie jemanden umgebracht, aber er spürt, dass er im Augenblick nicht weit davon entfernt ist. Für Alles gibt es ein erstes Mal und jetzt ist gerade einer dieser Momente. Der Hafenarbeiter ist aber wohl noch immer der Meinung, dass Del das nicht ernst meint und spuckt ihm stattdessen Blut ins Gesicht. Dels Reaktion darauf ist nur ein abschätziges Lächeln, bis sich seine Hand blitzschnell um die Kehle des Mannes schließt und er ihn in einer einzigen Bewegung hochreißt und gegen die Wand presst. „Und dass soll dich jetzt noch retten?“ Mit einer angewiderten Handbewegung wischt sich Del das Blut aus dem Gesicht. „Deine letzte Chance. Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es mir!“ Stück für Stück schließt sich seine rechte Hand weiter um den Hals des Mannes, der sich strampelnd und röchelnd zu befreien versucht, doch gnadenlos scheitert, da er Del normal nur bis zur Brust reicht.  >“Dornheim“<, kommt es krächzend über seine Lippen, während er zeitgleich nach Luft zu schnappen versucht. Zweimal kommt der Namen aus seinem blutverschmierten Mund, ehe er bewusstlos zusammensackt. >“Ist er...“< Bevor Rashid seine Frage zu Ende stellen kann, schüttelt Del mit dem Kopf. „Nein. Lass uns gehen.“

Sie haben gerade sämtliche Sacken verstaut und die von Sira und Janna so verteilt, dass sie beide gleich viel zu tragen haben, als Wind sich knurrend vor der Tür postiert. Nachdem Sira und Janna entführt worden waren, hatten sich die beiden Männer ein Einzelzimmer in einer anderen Taverne genommen, damit sie sich wenigstens etwas in Sicherheit wiegen konnten und auch nicht von anderen Gästen ständig gestört werden. „Erwartest du Besuch?“, fragt Del leise. Rashids Kopfschütteln und Winds Verhalten lässt dabei jedoch nichts gutes ahnen. Das Blut des Hafenarbeiters klebt noch immer an Dels Kleidung und viel Zeit ist seit ihrem Besuch bei dem Mann noch nicht vergangen. Mit einem unfrohen Schnauben geht Del leise zur Tür. Stimmengemurmel ist zu hören. Es scheinen mehrere Männer zu seinen, die sich vor der Tür postiert haben und wohl ebenso lauschen, was drinnen vor sich geht. Mehr als das Knurren des Hundes können sie jedoch nicht hören. Mit einer knappen Handbewegung deutet Del auf das Fenster. Rashid weiß sofort was zu tun ist, öffnet dieses und macht sich gleich auf den Weg nach unten. „Wenn die Tür auf geht mein Junge, dann lauf. Ich bin mir sicher, dass du uns finden wirst.“ flüstert Del Wind leise ins Ohr und krault ihm noch einmal am Hinterkopf. „Pass gut auf dich auf!“ Er ist sich zwar ziemlich sicher, dass Wind ihn ohnehin nicht versteht, aber so hat er immerhin das Gefühl, ihn nicht einfach zurück zu lassen. Dann folgt Del Rashid so leise und schnell wie möglich. Als er gerade an der Außenwand der Taverne hinunterklettert, hört er wie die Tür eingetreten wird, Wind laut bellend und knurrend die Gardisten erst einmal in Schacht hält und sich dann Schritte nähern. In dem Moment wo seine Füße den festen Boden berühren, guckt oben aus dem Fenster der Kopf eines Gardisten heraus und seine Rufe animieren die anderen, nach draußen zu laufen. Der Gardist am Fenster versucht sich derweil ebenfalls an der Wand runter zu hangeln. „Lauf!“, ist Dels einzige Anweisung an Rashid. Es folgt ein kräftezerrendes Gerenne durch Yâshiors Strassen, da die Taschen schwer an ihren Seiten hängen und sie auch nicht recht wissen, wie sie ihre Verfolger am Besten los werden können, da sie sich ungleich besser hier auskennen. Kurz vor erreichen der Stadtmauern in Richtung Dunkelwald schließt Wind hechelnd zu ihnen auf und läuft schnurstracks an ihnen vorbei in die Dunkelheit, als wüsste er genau, wo sie hinmüssen. Del folgt ihm ohne groß zu überlegen und auch Rashid schließt sich ihnen an.
Das Verlassen der Stadt ist viel einfacher als erwartet, denn niemand bewacht die Tore. Dadurch kommt es zu keinen weiteren Verzögerungen und die Chancen sich vor den Wachen verstecken zu können steigen zusehends.

Erst am nächsten Morgen, als sie sicher sind, dass sich niemand in der Nähe ihres Versteckes befindet und auch Wind auf nichts anschlägt, verlassen sie ihr Versteck unter den Wurzeln eines mächtigen Baumriesen. Sie waren ein ganzes Stück in den Wald hineingelaufen und müssen sich nun erst wieder grob orientieren. „Dornheim liegt im Süden. Ich denke wir haben keine allzu große Wahl, als direkt durch den Wald.“ Beide wissen genau was das bedeutet. Direkt unter ihnen liegt die Verbotene Zone. Niemand der seines Lebens nicht überdrüssig ist, sollte dort lang gehen und das heißt, dass sie einen riesigen Umweg nach Osten oder Westen in Anspruch nehmen müssen. Im Westen würden sie wieder auf Amazonen und Qyuêpla stoßen, im Osten wäre es einfach nur grün... Aber sie haben keine Wahl und bis sie sich endgültig entscheiden müssen, ist es noch ein gutes Stück weg. Zwei Tage sind sie bereits unterwegs, in denen sie sich wieder an die Bedingungen innerhalb des Waldes gewöhnen müssen und immer mehr unnötiges Gepäck zurücklassen. Zu ihrer Verwunderung treffen die Wanderer zwischendurch auf Katzenfänger. Niemand hat mehr an das Tier gedacht. Es hatte einzig zu Janna und Sira eine gute Beziehung. Das es ihnen die ganze Zeit über gefolgt war, ist schier undenklich, doch als es mauzend vor ihnen steht, lässt es sich nicht abstreiten, dass das Tier wohl auch einen Narren an ihnen gefressen hat und ihnen vertraut. Del ist zwar nicht so froh darüber, jetzt noch auf eine Katze aufpassen zu müssen, aber wenn sie bis hierhin alleine gefunden hat, dann braucht er sich wohl auch nicht allzu große Gedanken darum zu machen, ob sie den Rest des Weges schafft. Gegen Mittag desselben Tages treffen sie in mitten des dichten Dickichts auf ein Gehöft, dass laut dessen Besitzer, eigentlich nur einen halben Tag entfernt liegt. Verdammter Mist, ohne Janna finden wir nie durch diesen beschissenen Wald nach Dornheim. Der Mann, der stark einem Bär ähnelt, stellt sich als Brak vor und lädt die in seinen Augen wohl unfähigen Wanderer erst einmal zu sich nach Hause ein. Beide haben zwar das Gefühl, dass der Mann sie nicht nur neugierig mustert, aber ein Hauch von Zivilisation würden sie deswegen trotzdem nicht ablehnen. Überraschenderweise stellt sich heraus, dass Brak etwas mit dem Namen Thaín anfangen kann. Niemand kann sich zwar mehr erinnern, wie genau sie auf das Thema zu sprechen gekommen sind, doch dass es doch jemanden gibt, der etwas über die Familie weiß und auch darüber redet, weckt neue Hoffnungen, die vielleicht etwas mehr Licht ins Dunkel bringen. Und so erfahren sie auch, warum der gutmütige Mann nur noch mit einem Arm herumläuft und sich zurückgezogen hat.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 23. März 2006, 19:52 Uhr
Brak ist, gelinde gesagt, mehr als überrascht, als das Gespräch zwischen ihm und den beiden Wandern, die sich als Del und Rashid vorstellen, auf die Familie der Thaíns zu sprechen kommt. Rashid, Brak hegt keine sonderlichen Sympathie für ihn, da er offenkundig aus den Südlanden stammt, verdient sein Brot offenbar ebenfalls mit dem Handel unterschiedlichster Waren, sodass ihm die Thaíns auf jeden Fall ein Begriff sind. Ganz neben bei erwähnt er sogar, dass er Mírdan Thaín gekannt habe. Brak mustert ihn näher. Es ist lange her seit er zum letzten Mal mit Mírdan als dessen Quartiermeister zur See fuhr und er kann sich nicht daran erinnern, jemals mit einem Alat Rashid Ibn Tarfaya zutun gehabt zu haben, doch das will nicht viel heißen.
Zunächst etwas wortkarg, doch dann immer gesprächiger, lässt er sich auf die Unterhaltung ein. Seit die Kinder seiner Schwester aus dem Haus sind, um ihr Glück anderswo zu suchen, ist es still in der einfachen wetterfesten Holzhütte geworden und es tut Brak gut, einmal mit jemand anderem als seiner im Alter recht zänkischen Schwester zu reden. Darüber hinaus, sieht er keinen Grund, warum er nicht mit den beiden Wanderern über das Schicksal der Thaíns sprechen sollte, schaden kann er der Familie damit wohl kaum, da deren Blutlinie seines Wissens nach endgültig versiegt ist. Etwas wehmütig denkt er an Lorne, über deren Verbleib er nichts weiß und von der er annimmt, dass sie ihrem Vater über die purpurnen Flüsse gefolgt ist.

Brak sieht Del und Rashid aus seinen dunkelbraunen Augen heraus an. Sein Haar und der ebenso dunkle, buschige Bart lassen ihn grimmiger wirken, als er sich im Augenblick gibt. In einfachen Worten beginnt er zu berichten, was er weiß. „Gut“, brummt er. „Ihr wisst also, dass die Thaíns ursprünglich aus Dunkelschein in Immerfrost stammen.“ Der Seemann sieht bei diesen Worten vor allem Rashid an. „Wenn Ihr Euch ein wenig auskennt, wisst Ihr sicherlich auch, dass es in dieser Stadt eine zweite, große Familie von Seehändlern gibt, das Haus Shalraith.“ Brak macht eine kurze Pause und streicht sich über den struppigen Bart. „Es würde zu lange dauern, die ganze Geschichte von Anfang an zu erzählen. Ohnehin sind mir nicht alle Einzelheiten bekannt. … Mírdan und ich waren Freunde, aber es gibt einfach Dinge, über die man nicht spricht.“ Brak sieht Del und Rashid an, so als würde er von ihnen ein Zeichen dafür erwarten, dass sie verstehen, wovon er spricht. Schließlich fährt er fort. „Wie dem auch sei, offenbar waren sich die beiden Familien noch nie sonderlich grün. Eine vermurkste Vermählung oder was weiß ich brachte das Fass dann wohl endgültig zum überlaufen. Die Fehde zwischen den beiden Häusern, ja, so könnte man es wohl nennen, wurde nie offen ausgetragen, denn das hätte den Herzog von Dunkelschein unweigerlich zum Einschreiten gezwungen. Wie dem auch sei, der Zwist eskalierte wohl sosehr, dass Mírdans Vater es vorzog, sich in Yashior niederzulassen.“ Brak schweigt und sieht seine beiden Zuhörer an, an ihren Mienen kann er ablesen, dass ihnen das, was er soeben erzählt hat, dank der Gerüchte, die in etlichen Hafenstädten kursieren, mehr oder weniger bekannt ist.
„Nun“, der ehemalige Seebär setzt seine grimmigste Miene auf. „Es lässt sich natürlich nicht beweisen, dennoch weiß im Grunde jeder, dass die Shalraiths den Auftrag für die Ermordung Mírdan Thaíns gaben.“ Er lacht bitter. „Und es hat sich schließlich auch für sie gelohnt, immerhin haben sie sich sämtliche Schiffe und Lagerhäuser der Thaíns unter den Nagel gerissen, nachdem es hieß, dass die Blutlinie des Hauses beendet sei.“

***

Janna und Sira befinden sich derweil mit ihren Entführern auf dem Weg nach Dornheim. Und im Moment bewegt sich die Gruppe gen Osten, um die verbotene Zone zu umgehen. Einen Weg weiter westlich einzuschlagen, haben die Männer gar nicht erst in Erwägung gezogen, eine Auseinandersetzung mit irgendwelchen verrückt gewordenen Weibern, allgemein hin auch Amazonen genannt, wollen sie tunlichst vermeiden. Es ist offenkundig, dass es ihnen genügt, bereits mit einem jungen Gör sowie einer kratzbürstigen Schwangeren gestraft zu sein. Nun sitzen die beiden gut verschnürt auf dem Rücken zweier Pferde. Das Mädchen hatte sich wie wild dagegen gewehrt, auf den breiten Pferderücken gehoben zu werden und wahllos um sich getreten, geschlagen und gebissen, solange, bis die Männer genug von dem ganzen Theater hatten, denn sie haben es eilig. Ihr Ziel, Dornheim liegt ein gutes Wegstück entfernt, es ist nicht leicht die Pferde durch das undurchdringliche Dickicht des Dunkelwaldes zu führen und die Söldner müssen ihren Auftrag so rasch wie möglich ausführen. Immerhin würden sie, sobald sie die Verbotene Zone umgangen hätten, mehrere Tage per Boot weiterreisen können, bevor sie das letzte Stück der Strecke noch einmal zu Pferd hinter sich bringen würden, den jede Minute zählt. Das Del und Rashid sie verfolgen könnten, bereitet ihnen dabei keine Sorgen, aber die Prämie, die ihnen winkt, wenn sie noch vor dem vereinbarten Tag in Dornheim ankommen, kann sich sehen lassen.

Lorne sitzt mit von Tränen verquollenen Augen auf dem Rücken ihres Pferdes und bedenkt die Männer, die Janna und sie verschleppt haben, mit finsteren Blicken. Es sind insgesamt fünf, denn zu den dreien, die ihnen in Yashiors Straßen aufgelauert haben, haben sich noch zwei weitere gesellt, unter anderem offenbar der Anführer der Gruppe, Reid Soundso. Lorne wünscht ihnen in Gedanken sämtliche schrecklichen Krankheiten an den Hals, die ihr so einfallen und fragt sich, was dies alles überhaupt zu bedeuten hat. Mittlerweile haben sie einen Vorsprung von mehreren Tagen, auch wenn die Pferde im dicken Gestrüpp des Dunkelwaldes sicherlich nicht so gut vorankommen, wie auf freien Grasebenen oder befestigten Straßen und Wegen.
Mit den beiden Frauen sprechen die Entführer nur das nötigste, für gewöhnlich überlassen sie es einem einzelnen Mann, Margh, sich um alles zu kümmern. Margh, zumindest das weiß Lorne mittlerweile, ist der Mann, der seinen Kumpanen – Dessen Name Doreth lautet. – angewiesen hat, sich um Kijada zu „kümmern“. Lorne ist sich noch nicht sicher, welchen von beiden sie mehr hasst. Nun ja, Kijada ist alles andere als eine liebende, treusorgende Mutter gewesen, dennoch, die Männer sind schuld daran, dass sie vermutlich längst nicht mehr unter den Lebenden weilt. Nun bin ich ganz und gar allein auf der Welt, begreift Lorne und diese Erkenntnis schmerzt. Sie seufzt und fragt sich einmal mehr, wo sie hier nun wieder hineingeraten ist und vor allem warum … Einen Verdacht keimt bereits in ihr, nagt an ihren Gedanken. Der Drache! Wut steigt in ihr auf, als sie an die Tätowierung denkt, nichts außer schlechten Erinnerungen ist für sie damit verbunden, denn Glück hat er ihr bisher ganz gewiss nicht gebracht.

***

Im fernen Dunkelschein steht Edan Shalraith am Fenster seines Schreibzimmers und sieht auf den Hafen hinaus. Mehrere Schiffe liegen dort vertäut, auch die Silberwoge ist dabei. Ihr Anblick ruft die verschiedensten Gefühle in dem alten Mann hervor. Einst war das Schiff als Brautgeschenk für seine Schwester Aslaug gedacht gewesen. In Gedanken reist er viele Jahre in der Zeit zurück. Damals hatten sein eigener Vater und der Vater von Øyvind Thaín vereinbart, ihre Kinder miteinander zu vermählen. Doch was als wirtschaftliche Fusion gedacht gewesen war, war am Starrsinn Øyvinds gescheitert, denn dieser hatte im Geringsten daran gedacht, Aslaug, Edans jüngerer Schwester, zur Frau zu nehmen. Stattdessen hatte er sich dem Beschluss der beiden Familienoberhäupter widersetzt und einfach die Tochter irgendeines wohlhabenden Woll- und Pelzhändlers geehelicht.
Edan verzog angewidert die Mundwinkel. Ach nach all diesen Jahren konnte er nicht vergeben und vergessen. Øyvinds Vater hatte sich damals schützend vor seinen Sohn gestellt und damit einen Streit vom Zaun gebrochen, der von dem tragischen Ende Aslaugs noch zusätzlich angefacht worden war. Dass es in dieser Auseinandersetzung schon lange nicht mehr um Rache für die damals erlittene Schmach geht, sondern vor allem finanzielle und wirtschaftliche Faktoren eine Rolle spielen, kann Edan sich allerdings nicht eingestehen. Stattdessen verschließt er die Augen davor, dass im Grunde bereits sein Vater die Geschichte um Aslaug einzig und allein dazu genutzt hat, daraus Kapital für sich und seinen Seehandel zu schlagen.

Edan Shalraith wendet den Blick vom Hafen ab, geht hinüber zu seinem Schreibpult und setzt sich, um einen Brief aufzusetzen. Mit Bedauern stellt er einmal mehr fest, dass seine Ehe unglücklicherweise kinderlos geblieben ist, sodass nun all seine Hoffnungen auf dem einzigen Sohn seiner verstorbenen Schwester lasten, der die hohen Erwartungen, die Edan ihn setzt, bisher leider nicht so recht erfüllen konnte. Doch dies kann sich nun ändern ...

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 31. März 2006, 11:45 Uhr
Ihr ganzer Leib schmerzt, doch ihr Becken scheint nur noch aus feuriger Glut zu bestehen, so sehr brennt und zieht es dort, derweil sich der Gaul unter ihr mit schaukelnden, qualvoll ruckartigen Bewegungen weiter durch das dichte Blattwerk bewegt, ohne dabei irgendwelche noch so kleinen Spuren von Ermüdung zu zeigen. Kraftlos krallt Janna sich mit gebundenen Händen am Sattelknauf fest, spürt die Fesseln scharf in ihr Fleisch schneiden und wünscht sich nichts sehnlicher, als einige, wenige Minuten Ruhe, um ihren hochschwangeren Leib ein wenig hinlegen zu können. Stattdessen reiten sie und das nun schon seit Stunden, ohne Unterbrechung, ohne Unterlass und der Knebel in ihrem Mund verhindert, dass sie sich verbal gegen diese Misshandlung wehren kann. Ihr fehlt auch die Kraft, noch gegen diese rüde Behandlung zu protestieren, zu sehr hat sie Zeter und Mordio geschrieen, als die Männer versuchten, sie auf ein Pferd zu bekommen. Das sie schlussendlich doch dort gelandet war, wo die Männer sie haben wollten, hatte ihrem Stolz eine heftige Delle versetzt und der Wunsch nach süsser Rache gärte direkt unter dem Wunsch nach einem weichen Fell und einem noch weicheren Bett. Ihr Rücken ächzt und tut weh, das Blut pulsiert pochend durch ihre Muskeln und rauscht in ihren Ohren so laut, als würde sie eine Muschel daran halten und den Klängen des Meeres lauschen. Janna weiss schon fast nicht mehr, wie viele Tage nun schon seit ihrer Entführung aus Yashior vergangen sind, doch sicher ist, dass niemand ihnen zu Hilfe gekommen ist, weder irgendein verlauster Flohbeutel, noch Rashid oder Del, als wären die beiden Männer vom Erdboden verschluckt. Für einen winzige, grausamen Herzschlag war ihr eingefallen, dass ihre Entführer sich vielleicht auch um ihre Gefährten gekümmert hätten, doch dann fiel ihr wieder das Missfallen ein, mit welchem die Bastarde über Kijada, als unnütze und nicht gewollte Leiche gesprochen haben. Sie hatten keine Toten gewollt, sie hatten niemanden gewollt, ausser Lorne und nun war ihr Plan wohl einigermassen durcheinander geraten, was Janna nicht unerfreut wahrgenommen hatte.
Leise stöhnend lehnt sie sich ein wenig vor und bekommt dafür eine impertinente Faust gegen ihre Bauchinnenseite gehämmert, als ob das Kind seinen Unmut nun ebenfalls lauthals kundtun möchte. „Sei bloss still“, zischt Janna entnervt und doch straft der zärtliche Unterton ihre knappe Anweisung Lüge und eine ihrer Hände legt sich schützend auf die runde Kugel, die sich unter den wellenartigen Bewegungen des Ungeborenen schwerfällig hebt und wieder senkt, sich erst zur einen Seite, dann zur anderen hin ausbeult und überhaupt aussieht, wie ein Wassersack, den man leicht angestubbst hat. Gleich darauf nimmt sie unbewusst wahr, wie ungewollte Blicke einiger anderer, nicht erwünschten Zuschauer auf ihr haften bleiben und eine zarte, kalte Gänsehaut über ihren Rücken rieseln lassen. Eisige Funken versprüht ihr Blick, als sie ruckartig den Kopf hebt und den grobschlächtigen Mann, der ihr Pferd führt, anstarrt, als wolle sie ihn alleine damit zum Teufel persönlich schicken. Der Kerl grummelt jedoch nur finster irgendetwas, leckt sich über die Lippen und konzentriert sich dann wieder darauf, in dem grünen Durcheinander an Sträuchern, Gras, Flechten und Farnen vor seinen Füssen nicht zu stolpern oder einfach den Halt zu verlieren.

Trotzdem bleibt dieses Ekel erregende Gefühl seines Blickes an ihr haften, wie eine unsichtbare Dreckschicht und nur mühsam kann sie ihren Zorn so weit zügeln, dass sie dem Mistkerl nicht sofort an die Kehle springt. Es hätte wenig Sinn, denn neben ihm, befinden sich noch vier weitere dunkle Gestalten in dem kleinen Zug, der unaufhaltsam gen Süden durch den Dunkelwald trottet, in alles vernichtendes Schweigen gehüllt. Janna weiss wo sie sind, aber ihr will nicht aufgehen, wohin der Weg sie führen soll. In diese Richtung liegt nur die Grüne Hölle, einige kleinere Ansiedlungen und… Nichts… Bei allen Göttern, wo bringen diese Männer uns hin? Die Tage verlaufen stets gleich, die Männer sind schweigsam und nicht für Scherze aufgelegt und etwaige Versuche ihnen das Leben schwer zu machen, scheitern an deren Hartnäckigkeit, womit Janna sich in der Vermutung bestätigt fühlt, dass die Kerle gut bezahlt werden. So weit es ihr möglich ist kümmert sie sich dabei um Sira, deren Augen rot und aufgeschwollen sind von bitteren Tränen und das allein genügt um Jannas Wut noch mehr anzufachen. Wer auch immer das getan hat, hat es allein auf Sira abgesehen… und er will sie lebend, denn obwohl die Männer sie keineswegs sanft behandeln und ihr hie und da auch eine Ohrfeige verpassen, wird sie weitgehend in Ruhe gelassen. Wenn die Männer genug haben von ihren Zicktiraden, fesseln sie sie, bis sie aussieht wie ein gerolltes Würstchen und legen sie einfach irgendwo zwischen die Bäume. Zwar gibt Janna ihr Bestes, die junge Frau davor zu bewahren, immer wieder solchen Behandlungen unterzogen zu werden – vergisst dabei auch ihre eigene Sicherheit – doch ihr runder Bauch, der aussieht, als hätte sie eine Feuermelone verschluckt, hindert sie in allem, egal was sie vor hat. Die feuchte, klebrige Hitze macht ihr nicht zu schaffen, leider den Männern ebenso wenig.
Doch Janna hat keineswegs vor, die Männer ungescholten davon kommen zu lassen und auch wenn sie noch so schwanger ist, die List ist immer noch die Waffe der Frau. Und ob das nun zwanzig Jahre her ist, oder fünfzig, ich bin und bleibe eine Amazone… Soll mich der Teufel holen, wenn ich diese Männer in meinem Land nicht zum Stocken kriege. Der Abend des sechsten Tages naht und die Sonne geht in flirrender Kühle über den goldgrünen Wipfeln unter, bis dämmrige Halbschatten, wie eine Spinnennetze zwischen den Baumstämmen hängen. Mit einer Hand gibt Reid das Zeichen zum Stillstand und Janna spürt ein schmerzliches Ziehen in ihren Waden, dort wo der raue Sattel ihre Haut bis aufs Fleisch bereits wundegescheuert hat und jede Berührung mit dem Leder brennt wie Feuer. Margh nimmt sich wie immer ihrer an, zerrt mit einigen harschen Worten Sira vom Rücken des Pferdes und kriegt dafür prompt einen Tritt in den Bauch verpasst. Dafür torkelt das Mädchen im nächsten Augenblick zurück, als seine Hand mit einem lauten, hässlichen Klatschen auf ihrer Wange landet und sogar in der fahlen Dunkelheit einen deutlichen, glühend roten Abdruck hinterlässt. Janna zieht zischend die Luft ein und rutscht im nächsten Augenblick alleine von dem unruhig tänzelnden Pferd, bevor einer der Männer, etwas sagen kann. Margh ist bei Sira, Reid und zwei andere unterhalten sich leise und scheinen sich gerade nicht auf sie zu konzentrieren. „Lasst sie in Ruhe, ihr verfluchten Hundesöhne!“, schreit sie, kochend vor Groll, hört Schritte neben sich, fast hinter dem nun nervös schnaubenden Tier, und ohne auch nur einen einzigen, weiteren Gedanken an irgendeinen Funken Vernunft hinter ihrer Stirne zu verschwenden, rammt sie dem Schwarzen ihren Ellbogen mit voller Wucht in den Bauch. Das Pferd springt wiehernd zur Seite und prallt mit dem Hinterteil in voller Wucht gegen den Mann, der gerade auf sie zueilte. Janna nimmt dies nur noch aus den Augenwinkeln wahr, denn längst hat der Kampfgeist in ihr die Überhand gewonnen und ein kaltblütiges Flackern huscht durch das helle Braun ihrer Augen.

Margh hat mit Sira zu kämpfen, die wild um sich tritt, schlägt und beisst und ihn dabei anscheinend einmal empfindlich getroffen hat, denn Janna kann erkennen, dass er für einen Augenblick schwankt, um sich dann auf das einiges kleinere und viel zartere Mädchen zu stürzen. Doch mehr Zeit zu überlegen hat sie nicht, denn längst sind die drei Männer bei ihr, doch anstatt zurückzuweichen, tritt sie vor und erwischt den Überraschten mit flacher Hand direkt an der Kehle. Seine wässrigen, kleinen Äuglein verdrehen sich gequält, er torkelt röchelnd zurück und bemerkt zu spät, dass Janna ihm den Dolch aus dem Gürtel gezogen hat.
Mit einem rasenden Schrei fährt sie herum, starrt ihre zwei Gegner an und weiss doch bereits, dass es hoffnungslos ist. Ihr Bauch ist schwer, das Kind unruhig, sie hat keinen sicheren Halt und bewegt sich so behände, wie ein fettes Schwein auf zwei Beinen, da wird auch der Dolch ihr keinen grossen Vorteil verschaffen. „Bastarde“, keucht sie, weicht zurück und die Verzweiflung trifft sie gnadenlos, wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht, derweil sie versucht ihren Rücken frei zu halten. Hör auf zu treten, bitte, hör auf! Das das Kind, trotz seiner Grösse noch längst nicht in seinem Bewegungsdrang eingeschränkt, scheint unter ihrem Herzen Purzelbäume schlagen zu wollen und für einen winzigen Augenblick lauscht sie in sich hinein. Da schlingen sich von hinten ein Paar starker Arme um ihren Oberkörper und mit einem Schreckensschrei, wirft sie den Kopf in den Nacken, spürt einen zuckenden Schmerz, als ihr Hinterkopf gegen etwas prallt und das knirschende Knacken eines brechenden Knochens hallt wie das Kichern eines Dämons in ihrem Bewusstsein wieder. Dann sieht sie nur noch eine Faust auf sich zufliegen, bevor sie in gnädiger Ohnmacht versinkt und in den Armen des Mannes wie ein Schluck Wasser in der Kurve zusammensackt.
Als sie erwacht, fühlt sich ihr Schädel an, als würde er jeden Moment auseinander bersten und ihre linke Gesichtshälfte scheint zudem gar nicht mehr zu existieren. Kraftlos linst sie zwischen halbgeschlossenen Liedern hindurch, versucht etwas in der Dunkelheit, die nur vom flackernden Licht eines Feuers unterbrochen wird, etwas zu erkennen und sieht plötzlich in ein Paar samtgrüner Katzenaugen, die sie sorgend, ja fast mit einer Mischung aus Wut und Hilflosigkeit anstarren. „Sra“, bringt Janna leise hervor und bereut es sofort ihre Gesichtsmuskeln benutzt zu haben, denn krampfartige Pein kriecht über ihre Haut und stiehlt ihr erneut für einige Herzschläge das Bewusstsein. Wie durch einen trägen Nebel taucht sie schliesslich wieder auf, kämpft sich an die Oberfläche und hebt in mühevoller Anstrengung den Kopf, eine schmerzverzerrte Miene auf dem Gesicht. Sira, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers befindet, trägt ein Veilchen, knapp unter ihrem linken Auge und auch ihre Schulter, dort wo das grüne Kleid mit den vielen Taschen zerrissen ist, zeigen sich blaue, rote und violette Flecken und liefern sich einen Wettstreit in den schillerndsten Farben. Ein Knebel steckt in dem Mund des Mädchens, hart in ihrem Nacken festgezurrt und erst jetzt registriert Janna fast ein Stück verwirrt, dass sie ebenfalls ein gedrehtes Stoffstück im Mund hat, dass sie am Sprechen hindert.

Die Männer sitzen um das Feuer, essen stillschweigend, doch mit einer fast kindlichen Freude stellt Janna fest, dass es nur vier sind und einer von ihnen ein Gesicht, so aufgeschwollen, wie ein zu gross geratener Pfannkuchen mit sich herumträgt. Wahrscheinlich sieht das ihre nicht besser aus, doch eigentlich will sie es nicht wissen, irgendwo tief in ihrem Inneren, weigerte sich der klitzekleine Teil, der sich Eitelkeit schimpfte, diesen schrecklichen Anblick zu ertragen. Mühsam versucht sie sich recht auf zu setzen, lässt es jedoch sofort bleiben, als die Taue, die sie an den Baum hinter ihrem Rücken fesseln, sich noch tiefer in ihre, mit Wunden übersäten, Handgelenke schneiden. Ansonsten scheint alles heil… ja, Beine, Brust… Kind? Als hätte sie seinen Namen gerufen, bohrt sich irgendwo auf ihrer linken Seite ein winziger Fuss, oder eine kleine Faust in ihren Bauch und ein ganzer Steinberg fällt polternd von ihren Schultern, reisst die mit einem Male aufgekeimte Angst mit sich und hinterlässt einen Augenblick der Stille und des Glücks in ihr, der jedoch zerstört wird, als einer der Männer an sie herantritt. Sein langer Schatten fällt über sie und hinter seinem schmierigen Grinsen zeigen sich zwei Reihen blendend weisser Zähne. Keiner der Männer sieht heruntergekommen aus, nein, gute Söldner für teures Geld, die ihre Arbeit ohne allzu viel Murren und Zeitverschwendung hinter sich bringen. „Wng gu e ahg“, giftet sie zu ihm hinauf, zerrt an den Seilen und strampelt mit den Füssen, was ihn jedoch überhaupt nicht kümmert. Stattdessen kniet er nieder, betrachtet sie eingehend, lässt den Blick über ihren Körper wandern und schnalzt mit der Zunge, als sähe er einen besonders leckeren Fleischbrocken vor sich. Die unverhohlene Gier in seiner herben Miene macht sie noch zorniger und mit verabscheuendem Ausdruck im Gesicht  reckt sie kampflustig das Kinn vor. „Tagrin, lass sie in Ruhe.“ Sowohl Janna, als auch der Gerufene blicken fragend auf und Tagrin wirft ein knappes: „Warum?“, über die Schulter zurück, bevor er eine Hand ausstreckt und sie rau über ihre Wange gleiten lässt. „Der Kerl wird nichts dagegen haben, schliesslich ist sie nicht eingeplant“, führt er weiter und grinst dabei hämisch. „Ich sagte, lass sie in Ruhe“, wiederholt Reid, während er ein halbblutiges Fleischstück mit seinen Zähnen auseinander reisst. Tagrin’s Miene verdüstert sich, bevor er ein gereiztes Knurren von sich gibt und von ihr ablässt, dort wo seine Finger ihre Haut berührt haben, ein unangenehmes Ziehen und Surren hinterlassend.
Janna atmet innerlich erleichtert auf, rollt den Kopf von einer Seite auf die Andere, um ihren verkrampften Nacken ein wenig zu lösen und versucht Sira dann aufmunternd zuzulächeln, was ihr jedoch nur halb gelingt.

Die kleine Auseinandersetzung hält die Männer nicht davon ab, am nächsten Tag weiter zu reissen, doch mit bösartiger Freude stellt Janna fest, dass der fünfte Mann auf seinem Pferd festgebunden werden muss. Einen Arm trägt er in einer provisorischen Schiene, sein Bein blitzt unnatürlich dick und von trockenem, schwarzem Blut bedeckt unter der aufgeschnittenen Hose hervor, derweil sein Gesicht sowieso aussieht, als müsse es, wie ein Puzzlespiel, neu zusammengesetzt werden und Janna kann den groben Umriss eines Hufs auf seiner rechten Stirnhälfte erkennen. Er hat mehr Glück, als Verstand gehabt. Er wirkt weggetreten und bleibt stumm, regt sich den ganzen Tag und auch die Restlichen nicht, bis Janna allmählich klar wird, wohin ihr Weg sie führen wird.
Sie sind volle 23 Tage unterwegs, und die Reise scheint kein Ende nehmen zu wollen. Flirrende, schwüle Hitze, alles ergreifende Feuchtigkeit und der ewige Singsang des Dunkelwaldes machen ihnen zu schaffen und Janna wünscht sich insgeheim, laufen zu dürfen, oder zumindest diesen ledernen Sattel endlich los zu werden. Rashid, Del… Bei Anukis und ihren Archonen… Lasst sie wohlauf sein, ich flehe euch an. Als schliesslich der 24 Tag sich dem Ende zuneigt, scheinen die Männer sich beeilen zu wollen und mit misstrauischer Miene strafft Janna ihre Schultern, derweil sie sich ein wenig reckt und zwischen den hohen, urwaldartigen Wipfeln eine Mauer zu erkennen glaubt und plötzlich wird ihr heiss und kalt zugleich: „Dornhein“, flüstert sie entsetzt und eine Woge von Heimweh presst ihre Eingeweide zusammen. Von Dornheim gibt es eine direkte Handelsstrasse nach Talyra, keine sechs Tagesritte entfernt. Das Wissen, sich so nahe am Pfirsich, Dancy und überhaupt allem aufzuhalten, dass sie irgendwie als Heimat zu betiteln wagt, lässt eiserne Finger um ihr Herz krallen und Verzweiflung wächst in ihr, hoffnungslos und verloren.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 11. Apr. 2006, 18:09 Uhr
Anfangs hat Del wirklich noch das Gefühl, dass sie einem brummigen Bären gegenüber sitzen, aber je länger er und Rashid dem Mann zu hören und je länger sie beisammen sitzen, umso besser scheinen sie sich alle zu verstehen. Auch wenn das Thema alles andere als erfreulich ist, gibt es hin und wieder kleine Scherze und Anekdoten. Dass was die beiden Suchenden innerhalb von Wochen nicht aus den Yâshiorer herausbekommen haben, erzählt ihnen Brak binnen weniger Stunden in umfangreichen Schilderungen die einen gutes Gesamtbild abliefern. Rashid scheint dabei mehr zu wissen, als er bislang verraten hat oder die Sachen werden ihm erst in dem Moment wieder bewusst, wo er sie zu hören bekommt. Für Del sind sie fast ausnahmslos alle neu. Sicherlich gab es da die allgemeinen Gerüchte, aber inwieweit man ihnen trauen kann, weiß man nie so genau. Obwohl, nach den Erzählungen zu urteilen, Brak immer direkt beteiligt war und auch mit Mírdan viel zu tun hatte, erzählt der bärtige Mann so, als gehe ihn das alles schon lange nichts mehr an. Man kann zwar noch immer einen Funken von Trauer in seinen Augen erkennen, aber der Schmerz über den Verlust eines Freundes ist mit den Jahren abgeflaut und zurück sind nur noch Erinnerungen geblieben. Einige weniger schön als anderes. Das Sira- oder für Brak eher Lorne- noch immer am Leben ist, scheint den Mann aber zu überraschen. Er spricht auch aus, dass er das Mädchen ebenfalls für tot gehalten hat. Einerseits scheint sich echte Freude darüber in seinen Augen zu zeigen, aber auch ein Hauch von Angst. Möglicherweise Angst davor, was mit dem Mädchen geschehen wird, denn nachdem man stundenlang erzählt hat, sind sich alle sicher und auch einig, dass die Familie Shalraiths etwas mit der ganzen Sache zu tun haben muss. Viel hilft ihnen dieses Wissen aber nicht, denn Brak lebt schon zu lange bei seiner Schwester in relativer Abgeschiedenheit, als dass er neuere Informationen hätte, Del kannte den Namen bis vor kurzem gar nicht und Rashid kann den Familiennamen auch nur auf die üblichen Handelsbeziehungen beschränken. Fest steht aber, dass Sira(oder Lorne) das Vermögen der Shalraiths beachtlich dezimieren könnte. Egal ob rein geldlich oder auch was Häuser, Schiffe und ähnliches angeht. Niemand und erst recht keine Adelsfamilie, die nicht vor Mord zurückschreckt, würde sich das so einfach gefallen lassen. Ob sie auch soweit gehen würde und ein Kind töten lassen, weiß keiner von ihnen. Der Mann aus Yâshior der dank Del ein Großteil seiner Zähne verloren hat, meinte zwar, dass sie nach Dornheim gebracht worden ist, aber von lebend war nie die Rede. Und das schlimmste: die Zeit rennt. Brak hilft ihnen zwar erstaunlich viel dabei, diese ganze Familienfehde zu verstehen, aber er bringt sie kein Stück voran, da sie noch immer auf den klapprigen Stühlen sitzen und an ihrem schalen Bier trinken. „Wir müssen weiter“, lautet eine völlig unsinnige Bemerkung von Del, da er es mit einem Mal eilig hat. Draußen ist es jedoch längst schon dunkel und ein festes Dach über den Kopf sowie die Aussicht auf einen Ort, ohne ihnen feindlich gesinnte Personen, macht es sehr verlockend sich hier ausreichend auszuruhen. Brak schlägt ihnen dies auch vor, doch Del lehnt immer wieder ab. Allerdings hat der ehemalige Seemann mehr Ausdauer in dieser Hinsicht und überzeug Del dann doch, dass es besser wäre sich auszuruhen. Zu seiner und auch Rashids Überraschung, schlägt Brak dann auch noch vor, dass er sie begleiten und durch den Dunkelwald führen wird, wodurch Del sich noch schneller geschlagen gibt.

Früh brechen sie am nächsten Tag auf. Brak der wohl schon ewig in den tiefen des ewig grünen Waldes lebt, legt dabei ein erstaunliches Tempo an den Tag und verrät den weniger geschulten Waldwanderern wie sie am besten vorwärts kommen. Da die Entführer ihnen einige Tage, wenn nicht sogar beinah zwei Siebentage voraus haben, will keiner länger als nötig rasten und jeder gibt sein Letztes um nicht zurückzufallen oder gar die kleine grimmige Gruppe aufzuhalten. Die Entführer müssen zwar mit Sicherheit auch durch den Wald und werden das eine oder andere Mal aufgehalten, aber dennoch sind die Chancen sehr gering oder auch eher kaum vorhanden, dass sie sie einholen könnten. Zum einen ist der Wald zu groß, als dass man sich hier zufällig begegnet und da sie nun nach Osten aufgebrochen sind, würden sie im Fall, dass die anderen nach Westen gezogen sind, ihnen erst recht nicht über den Weg laufen. Aber wer auch immer welchen Weg einschlägt, dass Ziel wäre das gleiche und je eher sie dort ankommen, umso größer sind die Chancen, dass sie weitere Hinweise erhalten oder noch rechtzeitig erscheinen, um das Schlimmste zu verhindern. Rashid quält zusätzlich zur allgemeinen Sorge um die beiden Frauen, was mit Kind ist. Janna ist nicht weit von der Geburt ihres Kindes entfernt gewesen und in solchen Situationen, noch dazu wenn man entführt und vielleicht misshandelt wird, kann viel zu viel schief gehen. Selbst Brak schafft es nicht die Sorge des Südländer zu mindern. Viel Zeit zum reden bleibt ihnen jedoch nie, da jedes bisschen Kraft in den nächsten Schritt oder das Freischlagen des Weges gelegt wird. Für den ersten Teil des Weges nutzen die Männer den Fluss Veredaíre aus. Mit einem sehr wackeligen Floß kämpfen sie gegen die Strömung in Richtung der Verbotenen Zone an, kommen dadurch aber viel schneller voran, als wenn sie zu Fuß gehen würde. Doch als das Erdreich langsam ansteigt, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als wieder zu Fuß zu gehen und den Eisenkranz, sowie das gesamte Mittelgebiet des Dunkelwaldes, zu umrunden. Tage vergehen. Immer seltener wird gesprochen und in den wenigen Momenten wo Zeit dafür wäre, wird geschlafen oder sich wenigstens ausgeruht. Sie alle wollen möglichst schnell voran kommen. Del kommt es dabei immer absurder vor, dass sie jetzt schon wieder quer durch diese drecksgrüne Hölle reisen, wo sie es doch erst vor kurzem in die andere Richtung getan haben. Die wenigsten gehen mit einem guten Gefühl durch den Wald und sie tun es binnen kurzer Zeit gleich zweimal.

Längst fühlt sich jeder der drei, wie eines der Waldkinder. Jenen Menschen die nur von dem Leben was ihnen der Wald gibt und nicht anderes mehr kennen. Jeder Tag beginnt grün und endet genauso. Jeder Tag wird von den Geräuschen der Insekten, Vögel und anderen Tiere eingeläutet und hört auch mit ihnen auf. Es ist immer das selbe Spiel. Es gibt weder Kontakt zu anderen Personen, noch feste Strassen, keine Tavernen, keine richtigen Sonnenauf- oder untergänge, nur grün. Grün in alle Richtungen. Hin und wieder müssen die Männer sich gegenseitig ins Gesicht schlagen, damit sie nicht den Verstand verlieren. Die Reise nach Yâshior führte zwar auch direkt durch den Dunkelwald, aber sie war dennoch etwas anderes. Irgendwie angenehmer und sei es nur durch die Anwesenheit der Frauen gewesen. Nachdem das Herzstück des Waldes umrundet ist, können die Männer aber wieder mit Hilfe eines provisorischen Floßes vorwärts kommen. Dieses Mal kommt ihnen dabei sogar die Strömung zu gute. Sie ist zwar nur schwach, doch trägt sie die drei Männer ohne weiteres langsam, selbst wenn sie schlafen oder wenigstens dösen, weiter in Richtung Süden und somit näher nach Dornheim. Da der Seelenfluss fast direkt bis nach Dornheim fließt, verbringen Brak, Rashid und Del die letzten Tage fast ausschließlich auf ihrem kleinen Floß. Nur hin und wieder legen sie am Ufer eine Pause ein, um ein Feuer zu entzünden oder sich etwas zu essen zu jagen. Das Reisen geht so viel schneller und auch wesentlich angenehmer für alle drei. In dieser Zeit bekommen sie auch für die Strapazen der vorrangegangen Tage ausreichend Erholung, zumindest war ihre schmerzenden Füße und Beine sowie sämtliche Blasen und Verletzungen angeht. Doch nachdem der Seelenfluss in einen See gemündet hat, heißt es wieder selbst Hand anzulegen, bis sie schließlich die Strauchberge erreichen, die sie noch von Dornheim trennen. Somit heißt es sich wieder selbst zu bemühen und die Reise wird zu Fuß fortgesetzt. Beinah nahtlos geht der Bewuchs des Dunkelwaldes in die eher lichten Wälder dieser Region über. Glücklicherweise müssen sie diese nun aber nicht mehr pausenlos durchqueren, sondern bekommen auch Täler, Bergwiesen, kleine Haine oder einfach kahle Hügelketten zu sehen. Für alle scheint die erdrückende grüne Last des Dunkelwaldes von ihren Schultern zu fallen. Endlich können sie wieder den ganzen Tag über Sonne sehen und stellen dabei fest, dass sie fast den ganzen Winter durch im Dunkelwald verbracht haben. Niemand von ihnen hat auch nur eine einzige Schneeflocke zu Gesicht bekommen und dass die Wiesen der windgeschützten Täler nun beinah in voller Blüte stehen, kommt ihnen beinah unreal vor. Fast so als fehle ein Stück einer Zeit, an der sie nicht teilnehmen konnten.
Nach den ewigen Stolperfallen und dem weichen Boden im Dunkelwald, gleich das Vorankommen in den Strauchbergen fast einem Spaziergang. Niemand beklagt sich mehr und hin und wieder kommen sogar längere Gespräche zustande. Eigentlich gibt es nichts Neues mehr, was man sich erzählen kann, aber gelegentlich wird doch noch ein Thema gefunden oder sich über Dinge unterhalten, die sich vor ihren Augen abspielen. Als sie dann endlich die für diese Region bekannten Steinbrüche erreichen, wissen alle drei, dass die es endlich geschafft haben. Nur wenig später zeigt sich dann auch die Stadtmauer Dornheims neben ihnen und trotz aller Erschöpfung legen die Männer etwas wie einen Wettlauf bis zur Stadt hin. Sie kommen alle drei gleichzeitig an und keuchen anschließend wie alte Hunde, die kurz vorm Verrecken sind. Nur Hund und Katze stehen neben ihnen, als sei die Reise der letzten Siebentage ein Kinderspiel gewesen und wartet mit freudigen Hecheln oder Mauzen darauf, was als nächstes getan wird. Hoch über ihren Köpfen flattert im Wind die rote Rose der Rascoynes, jenes Haus, dass über Dornheim herrscht. „Wir sind da“, flüstert Del heiser. Er sollte sich glücklich dabei fühlen, aber stattdessen hat er eher den Eindruck, dass er sich gleich übergeben muss. Wenn sie hier Sira und Janna nicht finden, dann wäre alles umsonst gewesen. Wenn der Mann sie angelogen hat, dann hätten sie jetzt keine Chance mehr, die beiden Frauen zu finden. Sie hätten ja nicht einmal einen Anhaltspunkt. Rashid scheint es wohl ähnlich zu gehen, denn an seinem Blick kann Del ähnliche Gedanken erkennen. >„Wollen wir“<, unterbricht Brak das angespannte Schweigen der kleinen Gruppe und deutet zum Nordtor an welchem die Wachen ihnen schon neugierige Blicke zuwerfen. Del gibt nur ein Schulterzucken als Antwort. Gerne möchte er in die Stadt, um sich auszuruhen, sich fallen zu lassen, um einfach nichts zu tun, aber wenn er sie betritt, dann muss er sich um Sira und Janna kümmern. Er würde sowieso nicht still sitzen können, bis er etwas über sie erfahren hat  und egal wie seine Antworten, auf bislang noch ungestellte Fragen aussehen würde, danach könnte er auch nicht mehr ruhig bleiben. Er will Janna und Sira sehen. Im Moment ist es ihm egal, ob tot oder lebendig. Alles was er möchte, ist sich vergewissern, dass er sie gefunden hat. Über das danach kann er sich Gedanken machen, wenn es soweit ist. „Gehen wir.“ Erschöpft, aber sehr entschlossen, gehen die drei auf das Tor zu, lassen die üblichen Fragen über sie ergehen und betreten dann die Stadt, die ihnen hoffentlich Sira und Janna unverletzt zurückgibt.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 21. Apr. 2006, 11:01 Uhr
Del und Rashid verbringen die nächste Zeit in der Stadt damit Informationen zu sammeln. Das klingt harmloser als es ist, denn zum einen sind die meisten Informaten eher unfreiwillig behilflich, was vor allem Del dazu anspornt, dem Redefluss tatkräftig ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Allerdings machen sie sich damit nicht nur bei den Bewohnern unbeliebt, sondern geraten viel öfter in das Sichtfeld der  wachsamen Augen der Stadtgardisten, als es ihnen lieb wäre. Gold, entschuldigende Worte und die ein oder andere Nacht in einer Zelle sind aber zum Glück die einzigen Folgen ihres rigorosen Verhaltens. Schließlich, als mal wieder die Hoffnungen ebenso weit gesunken sind wie ihrer beider Stimmung, landen sie einen Treffer. Del gleich mehrere um genau zu sein, während diesmal Rashid damit an der Reihe ist, Schmiere zu stehen. Hinter sich kann er das dumpfe Geräusch von Knochen hören, die auf ein Stück Fleisch treffen, gefolgt von einem Röcheln. Mitleid verspürt der große Südländer keins. Der Kerl hinter ihm auf dem Boden, der sich gerade Dels Frage- und Antwortspiel stellen muss, ist nicht gerade für seine freundliche und zuvorkommende Art bekannt. …und selbst wenn! Wenn er auch nur einen Hinweis hat, wo Janna und Lorne sein könnten, prügle ich ihn selbst windelweich, bis selbst seine eigen Mutter ihn nicht mehr erkennt und schreibend fortläuft!, denkt der ehemalige Karawanenwächter grimmig und spannt seine breiten Schultern und rollte mit seinem Kopf, um seinen Nacken zu entspannen. Sie hatten sich nicht viel Schlaf gegönnt, und die Ereignisse der letzten Tage waren nicht ohne Spuren an ihrer Konstitution vorüber gegangen. Irgendwann, als Rashid schon nicht mehr damit gerechnet hatte, erhalten sie von dem blutigen, blubbernden Brei, der einmal ein Gesicht gewesen sein muss, doch noch einen Wink, wo sie nach den beiden Frauen suchen müssen. Die Leiche von Lornes Mutter hatten sie inzwischen ein paar Amazonen übergeben können, doch leicht war dieses Unterfangen nicht gewesen.

>>Dornheim<< war das letzte, was Rashid vernehmen konnte, bevor das Geräusch eines nassen, umfallenden Sacks hören kann. Als er sich zu Del umwendet, sieht er den Halbelben breitbeinig über dem leblosen Körper des Hafenarbeiters stehen, der sich ein Spur zu oft in ihrer Nähe aufgehalten hatte, um noch als Zufall durchgehen zu können. ‘‘Ist er…’‘, will Rashid sich nur sicherheitshalber erkundigen, ob der Unglücksrabe das Zeitliche gesegnet hat, denn dann müssten sie seine Leiche verschwinden lassen. In einem Hafenstadt nicht gerade das Schwierigste, zumindest dann nicht, wenn man sich eh schleunigst aus dem Staub machen will. >>Nein. Lass uns gehen.<<, beschwichtigt Del jedoch sogleich, und sie verlassen die mannshohen Kistenstapel, die ihrer Unterhaltung als Deckung gedient haben. Viel zu regeln gibt es vor ihrem Aufbruch nicht, und so sind sie schnell abreisefertig, doch wie heißt es so schön. Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt!
Wind erfüllt seine Aufgabe als Wachhund perfekt, und macht sie so auf die drohende Gefahr aufmerksam, die ihnen in Form der Stadtwache vor der Zimmertür auf sie lauert. Dem leisen Gemurmel auf der anderen Seite der Tür nach zu urteilen, sind dort mehr als genug Männer, um selbst zwei kräftige Kerle wie Del und Rashid, schnell überwältigen zu können, und so bleibt ihnen nur ein Weg. Das Fenster! Kaum dass sie den rettenden Boden vor dem Gasthaus nach einer kleinen Kletterpartie erreicht haben, können sie das Holz bersten hören, in das sich Winds lautes Bellen mischt, mit dem er die Eindringlinge begrüßt. Aber es bleibt keine Zeit, um zu warten, denn diesmal würden sie eine längere Zeit die Gastfreundschaft von Yâshiors Kerkerzellen genießen. Zeit die sie nicht haben, denn der Vorsprung von Lornes und Jannas Entführern ist eh schon beträchtlich. Nach einer wilden Verfolgungsjagd mit den Gardisten, gelingt es ihnen jedoch zusammen mit Wind, der zu ihnen aufgeschlossen war, die Stadt zu verlassen und den rettenden Wald zu erreichen. Beim Dunkelwald die Worte ‘‘rettenden Wald’‘ zu benutzen, erscheint Rashid fast wie eine Farce, aber diesmal trifft es zu. Im Schutze eines Baumriesen kommen sie zum Stoppen und lauschen über ihren dröhnenden Herzschlag hinweg, ob sie ihre Verfolger losgeworden sind. ‘‘Klingt fast so, als hätten wir sie abgehangen.’‘, raunt Rashid halblaut seinem Begleiter zu, ‘‘Und ein Ziel haben wir auch!’‘ Er klopft Del auf die Schultern. ‘‘Insgesamt also ein ganz guter Tag…zumindest besser als die letzten.’‘

Der Dunkelwald ist eine grüne Hölle! Zu diesem Schluss kommt der hünenhafte Wüstenkrieger bei jedem Schritt, den er und Del dem undurchdringlichen Dickicht aus Lianen, Farnen und Wurzeln abringen. Die Luft ist zum Schneiden dick und tropft vor Feuchtigkeit. Binnen weniger Minuten nach dem Aufbruch sind sie nass wie Katzen, die man durch einen Fluss gezogen hat. ‘‘Wie kann man hier nur freiwillig leben?!’‘, fragt sich Rashid mit einem Kopfschütteln mehr selbst, als dass seine Frage an Del gerichtet wäre, ‘‘Ich kann gut verstehen, warum Janna hier weg wollte und nach Talyra gekommen ist.’‘ Da war sie wieder in seinen Gedanken. Rashid senkt einen Moment den Blick, um dann umso energischer seinen Weg fortzusetzen. Janna. Der Gedanke treibt Rashid vorwärts, und Del ist keinen Deut weniger engagiert als er, denn auch Del hat etwas sehr wichtiges zu verlieren. Lorne. Oder viel mehr Sira, wie er sie weiterhin nennt, als stände noch immer nicht fest, dass die junge Frau mit dem schwarzen Lockenkopf und den moosgrünen Augen die Tochter des Hauses Thain ist. Während sich beide damit abwechseln, verbissen einen Weg durch den Dschungel zu bahnen, um ihre Kräfte zu schonen, stehen sie mit einem mal vor einem kleinen Gehöft aus gedrungenen Gebäuden. Es ist kaum zu glauben, dass hier außer den Amazonen freiwillig leben könnte, aber es gibt eine Handvoll Menschen, die dem Dunkelwald die Dinge abtrotzen, die sie für ihr tägliches Leben brauchen. Brak ist einer von ihnen. Der bärenhafte Mann, der allerdings nur noch einen Arm besitzt, bietet ihnen seine Gastfreundschaft an, denn in seinen Augen sind Del und Rashid offensichtlich kaum dazu geeignet, einen Weg durch den Dunkelwald bis nach Dornheim zu finden. Nicht, wenn sie für die Reise eines halben Tages bis jetzt schon fast zwei gebraucht haben. Eine Tatsache, die sich nicht gerade positiv auf die Stimmung der Weggefährten auswirkt.

Erst die Tatsache, dass sie gerade unvermittelt auf eine Goldader gestoßen sind, was Informationen und Motive für Lornes und Jannas Entführung angeht, gibt ihnen neuen Mut. Brak kannte Mirdan Thain sehr gut, und er kennt auch die Familie Shalraith, mit der sich die Thains eine Art Fehde geliefert haben. Eine Fehde, bei der sich schließlich das Vermögen der Thain, und damit Lornes Erbe, im Besitzt der Shalraiths befindet. Und sie scheinen sich immer noch so ungern davon Trennen zu wollen, wie vor vielen Jahren, als sie Mirdan Thain und seine Familie auslöschen ließen, um dieses Vermögen zu bekommen. >>Zumindest sind das die Gerüchte!<<, kommentiert Brak das Ende seiner Erzählung, >>Und ich habe keinen Grund, an dieser Version zu zweifeln.<< Die Aussicht einen ganzen, geldgierigen, mordbereiten Clan vor sich zu haben, denen Lorne hilflos ausgeliefert sein wird, brennt wie glühende Kohlen unter Dels Hintern. Er will weiter. Am Liebsten sofort! Doch Brak und Rashid schaffen es mit vereinten Kräften, ihn eines Besseren zu belehren. Heute würde sie nicht mehr weit kommen, und ihre Kräfte würden sich bei einer anständigen Mahlzeit und einem Dach für die Nacht über dem Kopf besser erholen. Braks simple Festsstellung, er werde sie Begleiten und ihnen zeigen, wie sie am Schnellsten durch den Dunkelwald bis nach Dornheim kämen, überzeug schließlich auch den sturen Halbelfen, und so brechen sie beim ersten Tageslicht des nächsten Tages auf. Tatsächlich kommen sie mit Braks Hilfe schneller voran, auch wenn die Reise noch immer sehr beschwerlich ist, aber irgendwann, Monde später nach Rashids Zeitgefühl, spukt der Dunkelwald sie aus und die Landschaft wird zunehmend leichter zu bereisen. Jeder Schritt bringt sie näher an ihr Ziel, und das gibt ihnen zusätzliche Kraft. Kraft, die sie vollends vergeuden, als Dornheim in Sicht kommt, und sie im Eiltempo die letzte Wegstrecke hinter sich bringen. Wind und Hundefänger sind die ersten, die das Stadttor erreichen. Es zu passieren ist mit den üblichen, lästigen Fragen verbunden, die jeder Gardist einem erschöpften, teils abgerissen wirkenden Trupp aus einem südländischen Hünen, einem grimmigen Halbelfen und einem Einarmigen wohl stellen würde. Erst als auch diese Formalität hinter ihnen liegt, dürfen sie die Stadt betreten.

Nach der Ruhe auf der tagelangen Reise werden sie von den Geräuschen und dem Lärm der Menschen fast erschlagen, doch es tut gut, endlich mal wieder etwas anderes als grün zu sehen! Unschlüssig stehen sie einen Augenblick auf dem Breiten Hauptweg, der sich in Richtung Stadtzentrum schlängelt. Am Liebsten würde Rashid sofort mit der Befragung von beliebigen Verdächtigen fortfahren, die sie in Yashior begonnen hatten, doch das würde ihnen hier kaum weiterhelfen. ‘‘Ein Stück die Straße lang werden wir sicher eine brauchbare Unterkunft finden. Wir brauchen etwas zu essen, frisches Wasser und bessere Kleidung, wenn wir nicht auffallen wollen wie bunte Hunde.’‘, stellt Rashid sachlich fest, auch wenn Del schon wieder tatendurstig genug ist, um sich gleich in die Nachforschungen zu stürzen, aber am Ende muss er zugeben, dass Rashid Recht hat. Eine Taverne ist schnell gefunden, denn nach der langen Zeit unter freien Himmel, wirkt selbst der Strohsack auf dem Boden eines 6-Mann-Schlafplatzes wie ein Daunenbett. Doch viel Ruhe gönnen sie sich nicht, bis sie sich notdürftig wieder in einen zivilisierten Zustand versetzt haben. Ein Aufwand, dem Rashid ein wenig mehr Aufmerksamkeit widmet, bis zumindest seine Haare wieder gepflegt aussehen. Bei einem Teller mit kräftigem Eintopf und dazu eine dicke Scheibe Brot, beschließen sie ihre nächsten Schritte. ‘‘Wir müssen die Familie Shalraith finden. Da wo sie sind, werden auch die’‘, Rashid senkt seine ohne hin schon leise Stimme noch mehr,’‘ Frauen finden, sofern die Shalraiths tatsächlich dahinter stecken.’‘ Braks Blick sagt deutlich, dass er an dieser Tatsache keine Zweifel hegt, und auch Del stimmt mit einem schweigenden Nicken zu.

Wenig später sind sie schon wieder auf der Straße. Wind und Hundefänger bleiben in der Gaststätte zurück, und der Wüstenkrieger hofft inständig, dass Hund und Katze nicht auf die Idee kommen, den ganzen Schlafsaal auf den Kopf zu stellen. Etwas über die Shalraiths herauszufinden, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, gestaltet sich indes schwieriger als erwartet. Natürlich ist eine so einflussreiche Familie bekannt, doch wo man jemanden von ihr antreffen kann, lässt sich nicht so leicht in Erfahrung bringen. Gewisse Kreise bleiben eben unter sich. Ein Junge, der sich, flink wie ein Wiesel, durch die Menschenreihen, bringt Rashid schließlich auf eine Idee. ‘‘Botenläufer! Sie wissen immer, wohin sie müssen. Weiß der Teufel, wie sie das immer anstellen.’‘ Schnell ist einer der Jungs gefunden. Ein schlaksiger Rotschopf mit einer Menge Sommersprossen und hellen, blauen Augen, der mit seinen langen Beinen sicher schneller die Stadt durchquert hat, als jeder Berittene, der sich mühsam einen Weg bahnen muß. Del hält Rashid am Arm zurück, als er auf ihn zugehen will: >>Denkst Du wirklich, daß das eine gute Idee ist? Vielleicht verbreiten wir damit nur schneller als uns lieb ist, daß sich jemand für die Familie Shalraith interessiert.<< Der Wüstenkrieger braucht nicht lange nachzudenken, denn auch auf diese Möglichkeit, ist er schon gekommen. ‘‘Entweder so finden wir sie zu erst, oder sie uns. So oder so bringt uns das einen Schritt weiter. Und daß wir herkommen, wissen sie vermutlich eh schon, denn wir haben unseren Singvogel aus Yashoir ja nicht mundtot gemacht. Höchstwahrscheinlich hat er die Shalraiths eh schon per Raben informiert, um seinen dünnen Hals zu retten. Und am Ende tun sie Janna und Lorne vielleicht genau deshalb nichts, weil wir hier sind, und sie sie so als Druckmittel gegen uns verwenden können.’‘ Del scheint noch immer nicht ganz überzeugt, aber immerhin läßt er Rashids Arm los, so daß er den Jungen in ein kurzes Gespräch verwickeln kann, in dessen Verlaufe einige Münzen den Besitzer wechseln.

Kurz darauf kehrt der ehemalige Karawanenwächter zu Brak und Del zurück. ‘‘Ich weiß jetzt, wo wir hin müssen. Kommt mit.’‘ Brak wirft dem Jungen noch einen finsteren Blick zu, der so viel sagen soll wie Halt ja den Mund!, dann folgt auch er Del und Rashid, der sie durch das Straßenwirwar der Stadt Dornheim führt, bis sie vor einem großen Anwesen stehen. In einem sicheren Abstand bleibt Rashid stehen. ‘‘Das ist es.’‘, erwähnt er beiläufig, ohne das Gebäude zu auffällig zu mustern. Es ist groß, keine Frage. Aber es wirkt nicht sehr prachtvoll. Eher schlicht, mit seiner glatten Mauer und dem massiven Tor. Zumindest dem einzigen Eingang, den sie von hier sehen können. >>Mehr wie eine kleine Festung als ein Herrenhaus.<<, stellt Brak sachlich fest, >>Das paßt zu den Shalraiths, wie ich sie kenne.<< Del kratzt sich am Kinn: >>Wir sollten uns überlegen, wie wir hinein kommen<< ‘‘Warum klopfen wir nicht einfach und fragen, ob sie nicht zufällig etwas haben, das uns gehört?’‘, antwortet Rashid sarkastisch, obwohl er erkennbar nicht weit davon entfernt ist, das wirklich zu tun.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 23. Apr. 2006, 19:59 Uhr
Die Reise von Yashior nach Dornheim zieht sich für Lorne unerträglich lange dahin, zumal die Reisebedingungen alles andere als rosig sind. Die schwüle Hitze sowie die ständige Feuchtigkeit und das ewige Singen des Waldes lassen sich irgendwann kaum noch ertragen und der Umstand, dass sie Janna und sie von ihren Entführern sie lediglich wie lästiges Gepäck behandeln, macht es für Lorne nicht leichter mit der Situation zurecht zu kommen. Immer wieder fragt sie sich, was wohl Del, Rashid und Wind machen und was die Entführer von Janna und ihr wollen. Ein oder zweimal wagt es das Mädchen, einen der Männer anzusprechen, erhält nie eine Antwort, sodass es schließlich verzweifelt aufgibt und irgendwann einfach nur noch alles völlig teilnahmslos über sich ergehen lässt. Ihre Tage bestehen schließlich nur noch aus langen Wanderungen oder Ritten und Pausen, die zum Essen und Schlafen genutzt werden. Da jedoch immer mindestens ein oder zwei Männer Wache halten, verfliegt auch bald die Hoffnung auf eine heimliche Flucht, die in Anbetracht von Jannas zustand ohnehin reichlich utopisch erscheint. Und als sie die Strapazen des Dunkelwaldes endlich hinter sich lassen, um sich stattdessen in Richtung Dornheims zu zuwenden, hat Lorne längst all ihre geschmiedeten Fluchtpläne aufgegeben und sich in ihr Schicksal gefügt.

Müde und staubig vom Schmutz der Reise kommen Janna und Lorne endlich in Dornheim an. Im Schutz der Dunkelheit bringen die Männer, die sie nun noch strenger bewachen als zuvor, in die Stadt und führen sie auf verschlungenen wegen, welche sie über düstere Hinterhöfe, schmale Gassen und einsame Plätze führen zu einem großen Herrenhaus, welches von einer hohen, dicken Mauer geschützt wird. Ein massives Tor aus geschwungenem Eisen versperrt den Zugang zum Anwesen und erst nachdem die Männer durch ein offenkundig vereinbartes Signal auf sich aufmerksam gemacht haben, kommt jemand vom Haus herüber, um das schwere Schloss aufzuschließen, die nächtlichen Gäste einzulassen und das Tor sogleich wieder sorgfällig zu verriegeln. „Rasch, rasch“, erklärt der Torwärter. „Die Ställe sind dort drüben. Das Mädchen …“ Er stutzt, als er gewahr wird, dass die Männer statt einer Gefangenen zwei mit sich führen. „Was soll das, in meinen Anweisungen stand nichts von zwei Frauen“, knurrt er misstrauisch. Reid tritt vor. „Eine kleine Änderung des Plans“, entgegnet er kühl. „Kein Grund zur Sorge, wir haben alles im Griff.“ Er nickt seinen Männern zu. „Bringt sie ins Haus.“ Der Torwächter, Rolven sein Name, will widersprechen, wagt es dann aber doch nicht, dem Söldner zu trotzen. Widerwillig führt er Reid, seine Männer und die beiden Frauen ins Haus. Margh kümmert sich um Janna, während Lorne, die recht apathisch wirkt, bereitwillig neben Reid hergeht. Ihnen folgt einer dritter Söldner, der seinen verwundeten Kameraden stützt, während Targin, der Fünfte im Bunde, als einziger nicht mit ins Herrenhaus geht, sondern stattdessen die Pferde zu den Ställen führt.
Im Inneren des Gebäudes herrscht bedrückendes Dunkel. Nur vereinzelt brennen Fackeln an den kalten, steinernen Wänden des Gemäuers und spenden zumindest etwas Licht, gelegentlich kann man auf einem Tisch, einer Kommode oder ähnlichem auch dicke, stark rußende Kerzen brennen sehen. Rolven führt die Gruppe einen langen gang hinab, auf haben Weg bleibt er allerdings stehen und tritt beiseite, als der Herr des Hauses auf Reid zukommt. „Willkommen“, erklärt er, seine Stimme klingt dunkel und unangenehm kratzig. Er betrachtet Lorne, dann wandert sein Blick zu Janna. Fragend zieht er eine Augenbraue hoch. „Darüber sprechen wir noch“, meint er an Reid gewandt, anschließend deutet er auf eine Treppe rechts von sich, welche vom Gang hinauf in den ersten Stock des Hauses führt. „Rolven, bring das Mädchen hinauf in das Zimmer, welches du vorbereitet hast. … Und nimm die beiden hier mit …“ Er deutet auf die beiden Söldner, die hinter Margh stehen, der verletzte Mann hält sich wacker, doch die glänzende Schweißperlen auf seiner Stirn, verraten deutlich, dass es nicht zum besten um ihn bestellt ist. Der Torwächter nickt, ergreift Lornes Arm und zieht sie ungeduldig mit sich fort. Sein Herr wendet sich derweil Margh zu, der Janna nach wie vor mit festem Griff hält. „Die kannst du in einer der leeren Kammern neben dem Weinkeller unterbringen. In einer davon sollte auch noch eine einfach Pritsche herumstehen.“  Margh nickt zum Zeichen, dass er verstanden hat. „Wie gelange ich in den Keller, Herr?“, erkundigt er sich höflich. „Die Treppe am Ende des Gangs, links.“ Der Söldner nickt erneut, er stößt Janna vorwärts und schon bald sind die beiden ebenfalls verschwunden, sodass nur noch Reid und der Hausherr im schwach erleuchteten Gang zurückbleiben. „Kommt, man erwartet Euch bereits“, erklärt Geron Heresh, so der Name des Mannes, in dessen Haus der Söldner und seine Männer sich gerade befinden. „Gut“, stimmt Reid dem wohlhabenden Händler zu und lässt sich von ihm durch das Anwesen führen.

Janna und Lorne bringt man derweil in zwei recht unterschiedlich eingerichteten Kammern unter, wobei die ehemalige Pfirsichmaid ohne Zweifel die schlechtere Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Über die von Geron Heresh beschriebene Treppe, gelangen Margh und sie direkt in das Kellergewölbe des Herrenhauses, hierbei handelt es sich um eine große Halle, in der unzählige Weinfässer und –flaschen aufbewahrt werden. An den Wänden des Kellers brennen ebenfalls einige Fackeln, welche so für Licht sorgen. Linkerhand scheint es zu einem weiteren, größeren Gewölbe zu gehen, denn dort befindet sich eine einzelne Tür, die im Augenblick etwa eine Hand breit offen steht, sodass ein heller, sanfter Lichtschein zu erkennen ist. Außerdem sind gedämpfte Stimmen zu hören, die entfernt an Tempelgesänge oder ähnliches erinnern. Margh kümmert sich aber nicht weiter darum und wendet sich stattdessen nach rechts, wo gleich mehrere Türen, insgesamt fünf, zu sehen sind. Die Räume dahinter sind nicht sonderlich groß, wie Janna sehen kann, als der Söldner eine Tür nach der anderen aufstößt, bis er die Kammer gefunden hat, in welcher sich die von Geron Heresh erwähnte Pritsche sowie ein einfacher größerer Tonkrug befinden. Der Söldner schiebt die Amazone in den kleinen Raum und versperrt die schlichte, aber feste Gittertür hinter ihr. „Eine angenehme Nacht, wünsche ich“, meint er ironisch, bevor er sich abwendet, um das Kellergewölbe wieder zu verlassen, während Janna allein zurückbleibt. Die sonderbaren Gesänge sind nach wie vor zu hören, auch die Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Weinkellers kann man durch die Gittertür und über die zahlreichen Fässer hinweg halbwegs gut erkennen.          

Lornes Zimmer ist kaum größer als die von Janna, dafür aber wesentlich komfortabler eingerichtet. Im Gegensatz zu Jannas Quartier verfügt dieses Zimmer sogar über ein Fenster, dessen Fensterläden sind allerdings so verschlossen, dass sie sich von Innen offenbar nicht ohne weiteres öffnen lassen. Eine einzelne Kerze, die in einem Kerzenhalter an der Wand steckt, sorgt nur unzureichend für Licht, sodass Lornes Augen eine Weile benötigen, bis sie sich an die spärlichen Lichtverhältnisse gewöhnt haben. Rolven hat sich rasch wieder zurückgezogen, nachdem er das Mädchen in der Kammer eingesperrt hat und so ist sie nun allein.
Auf einer Kommode – Davor hängt sogar ein richtiger Spiegel. – stehen sowohl eine Schale als auch ein Krug mit Wasser, aber Lorne kümmert sich nicht weiter darum. So müde und schmutzig wie sie gerade ist, lässt sie sich auf das Bett an der Stirnseite des Zimmers fallen. Nach all den Strapazen denkt sie keinen Augenblick lang darüber nach, aus welchem Grund ihr ihre Entführer diese Art von Luxus zugestehen. Gähnend rollt sie sich in der Mitte des Bettes zusammen, denkt weder an Janna noch an Del, Rashid und Wind, zieht sich stattdessen die Decke über den Leib und ist schon im nächsten Moment tief und fest eingeschlafen.    

Reid befindet sich derweil im Kaminzimmer. Dem Söldner ist bereits aufgefallen, dass es innerhalb des Herrenhauses ungewöhnlich kühl ist, und so verwundert es ihn nicht, ein prasselndes Feuer vorzufinden. Direkt vor dem Kamin sitzt ein schlanker, gut gekleideter Mann, an seiner Seite steht eine hochmütig dreinschauende Frau, eine silbergraue Katze auf dem Arm haltend. Als die beiden Reid und Geron Heresh bemerken, erhebt sich der Mann aus dem Kaminsessel und geht ihnen einen Schritt entgegen. Auf den ersten Blick kann man erkennen, dass sowohl der Mann als auch die Frau aus Immerfrost stammen. Reid verbeugt sich steif, während Heresh in den Herrschaften vorstellt, auch wenn dies eigentlich unnötig ist, denn der Söldner kennt den recht eingebildet und blasiert wirkenden Mann aus dem hohen Norden nur zu gut. Immerhin handelt es sich um niemand Geringeren als Morten Shalraith, den missratenen Sohn der verstorbenen Aslaug Shalraith.
Die Frau an Mortens Seite ist Reid allerdings vollkommen unbekannt, eine Meinung hat er sich dennoch sehr schnell über sie gebildet, denn Frauen wie sie gibt es wie Sand am Meer. Teure Kleider und Pelze, auffälliger Schmuck und verschwenderisch aufgetragene Farben und Düfte vermögen die tatsächliche Herkunft und den wahren Charakter einer Person nur sehr selten zu verbergen. Kjersti, wie Geron Heresh die Dame vorstellt, mag so hochmütig dreinblicken wie sie will, Reid weiß trotzdem ganz genau was sie ist: Nur irgendeine dahergelaufene, schlaue Metze; hübsch anzusehen zwar, doch als Ehefrau eines Shalraiths vollkommen undenkbar. Der Söldner grüßt die Dame höflich, dann erstattet er Morten Shalraith sachlich und mit dem vorgeschriebenen Respekt Bericht. Das Ränkespiel, in welchem er mitmischt, gefällt ihm immer weniger, zumal ihm Morten alles andere als sympathisch ist. Doch mit Edan Shalraith legte man sich besser nicht an, zumal sich gute Geschäfte mit ihm machen ließen … sehr gute Geschäfte. Die Summe, die ihm der alte Immerfroster für diesen Auftrag versprochen hat, kann sich jedenfalls sehen lassen und nur darauf kommt es für Reid Odren schlussendlich an. Das beste Angebot macht immer das Rennen …, sagt er sich, lächelt innerlich und beendet mit ein paar abschließenden Worten seinen Bericht. Der junge Shalraith grinst zufrieden, ein verschlagenes Grinsen, wie Reid findet. „Ausgezeichnet.“ Er wendet sich Heresh zu. „Und was ist mit dem Priester, Heresh?“, will er wissen. Der Händler deutet eine leichte Verbeugung an. „Alles ist bereit …“ Morten Grinsen wird noch breiter, gönnerhaft klopft er Herresh auf die Schulter. „Sehr gut, sehr gut … Es ist wirklich eine wahre Freunde als Gast unter Eurem Dach zu weilen und mit Euch Geschäfte zu machen, Geron.“ Der Immerfroster dreht sich zu Kjersti um. „Komm meine Liebe“, meint er und reicht ihr eine Hand. „Da nun offenbar alles geklärt ist, wollen wir uns zur Ruhe begeben.“

Die nächsten Tage im Haus Heresh vergehen ruhig. Was auch immer vor sich gehen mag, man hält es vor Lorne und Janna geheim, zumindest versucht man dies, so gut es eben geht. Und während die Bediensteten letzte Vorbereitungen erledigen, haben Reid Odren und seine Männer vor allem dafür zu sorgen, dass das Anwesen bewacht wird und weder Morten Shalraith noch Geron Heresh von unliebsamen Besuchern belästigt werden. Mit dem entführten Mädchen haben sie kaum noch etwas zu tun, die die Aufgabe, sich um die Kleine zu kümmern, wurde Rolven übertragen. Margh und seine Männer sehen nur hin und wieder einmal nach Janna, doch meistens überlassen sie die Amazone sich selbst. Von Zeit zu Zeit lassen sie allerdings eine ältere Dienerin zu der Amazone, die Janna mit Essen und anderen Dingen, die eine Schwangere benötigt, versorgt.
Noch weitere Leute lassen sich von Zeit zu Zeit im Kellergewölbe blicken und auch wenn sie sich nicht entsprechend kleiden, so ist dennoch zu vermuten, dass es sich um Tempelpriester oder zumindest um Novizen handelt. Die Gesänge, die in der Nacht als Janna in den Keller hinab geführt wurde, erklangen, sind jedenfalls auch weiterhin ständig zu hören und die verschiedenen Dinge, die in das sonderbare, zweite Gewölbe gebracht werden, weisen immer mehr daraufhin, dass im Geheimen irgendwelche Feierlichkeiten vorbereitet werden.

Lorne verfolgt dies alles nur mit mäßigem Interesse. Immer wieder hat sie versucht die Läden ihres Fensters zu öffnen, vergeblich. Auch über Janna kann sie nichts in Erfahrung bringen. Rolven scheint sich vorgenommen zu haben, kein einziges Wort mit dem Mädchen zu wechseln und an diesem Vorsatz hält er rigoros fest. Was auch immer Lorne sagt oder tut, seine Antwort besteht immer aus Schweigen – und einem eisigen, finsteren Blick. Also gibt das Mädchen irgendwann auf. Schmeicheleien und Wutanfälle, ja selbst die Weigerung die Mahlzeiten anzurühren, die man ihr bringt, nutzen nichts und sodass Lorne es schließlich leid ist. Einmal mehr vergehen die Tage in völligem Gleichklang. Und da kaum Licht durch die versperrten Fensterläden ins Zimmer dringt, lassen sich die Tageszeiten lediglich am gleichmäßigen Rhythmus festmachen, mit dem Rolven die Mahlzeiten bringt.
Eines Mittags wird dieser Rhythmus jedoch ganz unerwartet unterbrochen und statt einer einfachen, warmen Mahlzeit betritt Rolven das Zimmer mit einem Kleid über dem Arm. Lieblos wirft der Diener das Kleidungsstück auf das Bett. Verdutzt betrachtet Lorne es. „Zieh das an“, knurrt er. „Und beeil dich. Wenn ich zurückkomme, solltest du lieber umgezogen sein.“ Fragend sieht Lorne ihn an und will sich erkundigen, was das alles zu bedeuten hat, aber Rolven hat bereits auf dem Absatz kehrt gemacht und eilt wieder auf den Flur hinaus. Hinter ihm knallt die Tür ins Schloss und das Mädchen bleibt allein und reichlich verwirrt zurück. Misstrauisch begutachtet sie das Kleid. Der Stoff ist recht fein, aber man merkt gleich, dass das Kleid schon des Öfteren getragen worden sein muss. Zwar ist hier und dort mit Spitze versehen und mit der einen oder anderen Stickerei versehen, doch weisen diese Verzierungen bereits einige Spuren des Verschleißes auf. Ein mulmiges, ungutes Gefühl breitet sich in Lornes Magengegend aus und sie wird zusehends nervöser. Als vor der Tür ihres Zimmers schwere Schritte über den Flur poltern, fährt sie erschrocken zusammen. Hastig schlüpft sie aus ihren Kleidern und streift sich stattdessen das bereitliegende Kleid über.
Um Schultern und Brust herum ist das Gewand ihr eindeutig etwas zu weit, was etwas eigenartig aussieht, doch daran verschwendet das Mädchen im Augenblick keinen einzigen Gedanken. Vielmehr hält sie den Blick ängstlich auf die Tür zu ihrer Kammer gerichtet und wartet darauf, dass irgendetwas passiert.    
Die Zeit scheint sich endlos hinzuziehen, doch plötzlich wird die Tür mit einem Ruck aufgestoßen – Rolven. „Komm mit“, herrscht er sie an und als sie nicht sogleich tut, was er sagt, kommt er rasch auf sie zu, packt sie hart am Arm und zeiht sie mit sich hinaus auf den Flur. Unfreundlich stößt er Lorne in den Rücken, schiebt sie in Richtung der Treppe und weist sie an, ins Erdgeschoss hinab zusteigen. Dabei muss Lorne sehr darauf achten, dass sie nicht über den Saum ihres Kleides stolpert, denn das Gewand ist ihr etwas zu lang. Im unteren gang angelangt, führt Rolven bis zu der Treppe, die zum Kellergewölbe hinabführt. Dort stehen Reid, Margh und Geron Heresh bereit. Heresh nimmt das Mädchen in Empfang, dann erteilt er ein paar letzte Anweisungen. Zunächst wendet er sich an Reid. „Sorgt dafür, dass Eure Männer das Grundstück vernünftig bewachen, keine unliebsamen Überraschungen, verstanden? Und du …“ Mit diesen Worten wendet er sich Rolven zu. „… behalt die Arbeiten in der Küche im Auge, damit nachher alles zu meiner Zufriedenheit ist, wenn die Spiesen aufgetragen werden.“ Die Männer nicken, Geron Heresh lächelt zufrieden und wendet sich an Lorne. „Nun meine Hübsche, dann wollen wir mal.“ Grinsend führt er Lorne die Treppe zum Weinkeller hinab. Dort wendet er sich nach Links und geht geradewegs auf den Eingang zu dem geheimen Gewölbe zu, aus welchem einmal mehr leiser Gesang erklingt.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 24. Apr. 2006, 21:36 Uhr
Janna stolpert nur noch müde hinter Sira her, kann die Augen nicht mehr von dem trüben, grauen Pflaster vor ihren Füssen heben und hofft nur noch, dass diese Reise hoffentlich bald ein Ende hat, egal was für eines. Zwar ist ihr Kampfgeist noch längst nicht erloschen und ihr Blick hat nichts Apathisches an sich, wie bei ihrer jüngeren Mitgefangenen, doch sie kann schlichtweg nicht mehr verleumden, dass sie im neunten Mond schwanger ist und es überhaupt all ihre Kräfte kostet, noch einen Fuss vor den Anderen zu setzen, derweil sich ihr Bauch anfühlt, als wäre er mit Steinen, anstatt einem kleinen Baby gefüllt. Sie ist schmutzig und wie sie mit gerümpfter Nase festgestellt hat, stinkt sie zum Himmel. Gassen, Schatten, Mauern und Strassen huschen wie graue Schemen vor ihr vorbei, bis die Männer plötzlich innehalten und Margh sie barsch darauf hinweisst, gefälligst stehen zu bleiben. Langsam hebt sie den Kopf und blinzelt im fahlen, blassen Silberlicht des Mondes zu dem altertümlich wirkenden Herrenhaus hinauf, dass von einer doppelt mannshohen Mauer aus hellgrauem Naturstein umgeben wird. Der einzige Eingang scheint ein riesiges, schweres, schmiedeisernes Tor zu sein, das nun quietschend und krächzend aufschwingt und ihnen ungewollten Einlass gewährt. Ein Mann winkt sie eiligst herein: “Rasch. Rasch!“ Marghs Hand landet schmerzhaft in ihrem Rücken und sie stolpert vorwärts, eine Hand auf ihre gespannte Bauchdecke pressend, um den empörten Fusstritt ihres ungeborenen Kindes mit einem halben Schmunzeln zu quittieren.  Richtig so, gibs ihnen.
„Die Ställe sind dort drüben. Das Mädchen …“ Der Sprecher, der Torwächter, hält inne und Janna fühlt seinen scharfen, musternden Blick auf sich ruhen, der nichts Gutes verspricht und instinktiv spannt sie die Schultern und sieht ihn mit dem letzten wütenden, verabscheuenden Funkeln in den Augen, dass sie irgendwo in ihrem äusserst verletzten Stolz noch hervorkramen kann. „Was soll das, in meinen Anweisungen stand nichts von zwei Frauen“, blafft er den Anführer ihres kleinen Entführungstrupps, Reid an und Janna giftet prompt zurück: „Dann hättest du besser planen müssen, Bastard“, bevor sie durch einen unsanften Schlag von Margh gegen ihren Hinterkopf zum Schweigen gebracht wird. Reid schenkt ihr keine Sekunde seine Aufmerksamkeit, sondern erwidert nur unberührt mit abwehrend gehobenen Händen: „Eine kleine Änderung des Plans. Kein Grund zur Sorge, wir haben alles im Griff. Bringt sie ins Haus.“ Janna faucht leise und erdolcht ihn mit ihren Blicken, doch all ihr trotziges Gehabe bringt ihr nichts, denn der Torwächter, der stumm bleibt, führt sie schliesslich über einen knirschenden Kiesweg zum Eingang des monströs wirkenden Hauses, dass sich ungestüm und als bedrohlicher, schwarzer Klotz über ihren Köpfen erhebt und ein mulmiges Gefühl in Janna weckt. Ihr erscheint das Gebäude mehr wie ein Gefängnis. Vielleicht das Letzte, was ich jemals sehen werde. Pha! Von wegen! Ich will zurück zu Dancy, irgendwelche Adelsfamilien hin oder her!

Sie werden einem langen, dunklen Gang hindurchgeführt, der von einer fröstelnden Kälte erfüllt ist, der sogar die Fackeln, die in regelmässigen Abständen an den Wänden versuchen die Schatten mit ihrem flackernden, rotgoldenen Licht zu erfüllen, nichts entgegen zu setzen haben. Kommoden und kleine Schänke, hin und wieder ein Bild und sogar ein Spiegel entdeckt Janna, alle in dunklem Holz und so düster, dass sie nur für dieses Haus gemacht zu sein scheinen. In Jeder Nische scheint irgendetwas zu lauern und es schaudert Janna bei dem Gedanken, was sich hier wohl für Tragödien abgespielt haben mögen, dass ihr ist, als würden in jeder Ecke ein fahles Gespenst darauf warten, sie anfallen zu können. Plötzlich erscheint scheinbar aus dem Nichts heraus ein hochgewachsener, blass wirkender Mann mit flachsfarbenem Haar, dessen graue, kalte Augen sogleich auf Sira ruhen, was Janna mit einer gespannten Ungeduld wahrnimmt. Liebend gerne hätte sie sich vor das Mädchen gestellt, oder es zumindest wo hart durchgeschüttelt, dass es endlich wieder zu Besinnung kommt, doch nichts von dem ist möglich, denn Marghs harte Finger umklammern ihren Oberarm brutal wie ein Schraubstock und ihr ist, als würden sich unter dem Druck bereits die ersten, blauen Flecken bilden. Ist ja nichts Neues… Als der Mann sie entdeckt, den sie ob seiner Kleidung, als Hausherr einstufen würden, wird seine Miene von einem gefährlichen misstrauischen, fragenden Blick heimgesucht, der ihr einen Schauer über den Rücken rieseln lässt. „Darüber sprechen wir noch“, spricht der Mann leise und seine Stimme klingt, als würde eine Säge durch feuchtes Holz fahren. Automatisch reckt sie ihr Kinn vor und behält mit aller Kraft ihre angestrengte Ruhe, doch als er befiehlt, dass Sira von ihr getrennt werden soll, ist’s aus mit ihrer Beherrschung, die wie ein Rauchwölkchen ins Nichts verpufft. „Nein!“, krächzt sie und tritt Reid vor sich mit der grösstmöglichen Wucht in seine Kniekehle, bevor sie bereits von Margh zurückgerissen und ihr der Arm grob auf den Rücken gedreht wird, bis sie sich keuchend, wie ein durchlöcherter Blasebalg vornüberbeugt und das Blut in ihr Gesicht schiessen fühlt. „Hunde!“, stösst sie heiser hervor und blinzelt von unten zu dem Hausherrn hinauf: „Lasst bloss euren dreckigen Finger von ihr, sonst schneid ich dir die Kehle durch, verfluchter Hundsfott, hast du verstanden! Ich bring dich um und verfüttere dich an die Strassenhunde, dreckiges Schwein, Scheisskerl, Wurm, erbärmlicher…“ Der Rest ihrer lautstarken Verwünschungen verhallt an den Wänden, als sie von Margh herumgerissen und weggeführt wird, nachdem er sich trotz ihrer Zorntirade noch bei seinem Herrn nach dem Weg erkundigt hat. „Nein“, schreit Janna aufgebracht und rammt die Fersen in die Ritzen zwischen den grossen, quaderförmigen Steinen am Boden und blickt hektisch zu Sira zurück, die gerade von einem Rolven weggeführt wird. „Sira! Bei allen Göttern! Verflucht! Lass mich los! Lasst SIE los! SIRA!“ Doch das Mädchen regt sich nicht, sondern verschwindet mit dem Mann, ohne sich zu wehren und Jannas Herz setzt für einen Takt fast gänzlich aus, derweil die Sorge ihr den Atem raubt, wie eine giftige Flüssigkeit, die ihren Hals hinab rinnt.

Irgendwann erschlaffen ihre Kräfte und sie hört auf sich gegen Margh zu wehren, der ihr im Allgemeinen und momentan Kräftemässig her, haushoch überlegen ist. Langsam geht sie eine lange, schmale Treppe hinunter, die nur notdürftig von ein paar Kerzen erhellt ist und die in ein grosses Kellergewölbe mit einer steinernen Kreuzdecke führt. Janna kann die schattenhaften Umrisse von riesigen Weinfässern erkennen, die hier in der trockenen, kühlen Luft lagern, dazwischen immer wieder kleinere Fässer, die anscheinend für den Transport des köstlichen Guts benötigt werden. Es riecht schwach nach dem sauren Geschmack von Sonnenbeeren, der sich mit einem brachen Geruch nach Staub und Alter vermischt. Janna horch unvermittelt auf, als sanfte, hallenartigen Gesänge sich in ihr Ohr verirren und suchend linst sie in die Dunkelheit, bis sie das grosse Tor links entdeckt, dass anscheinend in ein weiteres, augenscheinlich noch grösseres Kellergewölbe führt. Sanfter, wohliger Lichtschein fällt in die klamme Düsternis, doch mehr kann Janna nicht erkennen, auch wenn sie mit gehörigem Misstrauen feststellt, dass die Gesänge sich keineswegs nach Trauerliedern anhören. Dann sieht sie sich bereits von Margh auf die rechte Seite gezogen, wo fünf Türen zu gleich aussehenden, kleinen Kammern führen und in einer davon findet sich sogar etwas, dass sich annähernd als Pritsche beschreiben lässt, obwohl Janna sich bei dem Anblick fragt, ob es nicht angenehmer wäre, auf dem Boden zu schlafen. Die Tür besteht aus handdicken, schwarzen Eisenstangen, die sie zwar daran ohne Hoffnung an einer Flucht hindern, doch die Sicht auf die Tür und die Hälfte des Weinkellers bleibt ihr erhalten. Unsanft stösst Margh sie hinein und dreht mit einem gehässigen Grinsen und einem ironischen: „Eine angenehme Nacht, wünsche ich“, den schweren Schlüssel im Schloss, nur um dann wieder die Treppe hinauf zu verschwinden. Wütend starrt Janna ihm nach und sieht sich dann um, stellt jedoch schnell fest, dass in dieser kleinen Kammer wirklich nichts vorhanden ist, dass ihr irgendwie den Glauben lassen würde, lebend aus diesem fürchterlichen Schlamassel herauszukommen. Ausgelaugt von den Strapazen der letzten Tage lässt sie sich schliesslich doch dazu hernieder, auf der harten, geraden Pritsche Platz zu nehmen und sich nach einer kurzen Zeit auch hinzulegen. Sie kann sich nicht dagegen wehren, dass die Müdigkeit ihre Lider schwer werden lässt wie Blei und obwohl sie es nicht will, ist sie bereits nach einer kurzen Zeit in so festem Schlaf versunken, dass noch nicht einmal die Gesänge sie mehr stören würden.

Doch was sie in den nächsten, beinahe ruhig verlaufenden Tagen feststellt und sieht, weckt in ihr eine vage, düstere Vorahnung, dass der Tod vielleicht noch ein gnädiges Ende für Sira und sie selbst wäre. So oft wie sie kann steht sie an den Gittern und verfolgt mit Argusaugen, wer alles die Türe zum zweiten, grossen Raum hier unten betritt, was er mitbringt, was er raus nimmt, wie er aussieht und lauscht verbissen jedem Wort, dass sie in der Stille hören kann. Als sie jedoch Tempelpriester und Novizen erkennt kann sie ein ungehörtes, unfassbares: „Das kann nicht sein!“, nicht verhindern und als die alte Frau, die man ihr hin und wieder schickt, um für ihr Wohlsein zu sorgen, wieder einmal zu ihr kommt, fragt Janna ob ihre Vermutung stimmt, doch sie erntet nur Schweigen, das sie so sehr reizt, dass sie schliesslich nicht mehr an sich halten kann und die Frau unsanft gegen die Wand stösst, eine Hand an ihre Kehle setzt und ihr droht, sie hier und jetzt umzubringen, wenn sie nicht sofort mit der Sprache herausrücken würde. Die Frau jedoch schweigt, sieht sie aus grossen, alten wasserblauen Augen an und gleich darauf kommt ihr Margh zu Hilfe, der es schafft Jannas kräftige Finger von dem dünnen Hals zu lösen, ohne eins von Beiden zu brechen. Von da an sind es nur noch die Männer, die hie und da am Tag nach ihr sehen, bis sie schon bald den Tag nicht mehr von der Nacht unterscheiden kann und trotzdem verbissen weiterhin versucht zu ergründen, was hier vor sich geht. Männer mit Girlanden und Blumenschmuck laufen durch das Tor, Priester und Novizen, sogar der Hausherr selbst kehrt für einen Moment einmal ein, dicht gefolgt von einem Mann, den sie trotz der ärmlichen Lichtverhältnisse als Immerfroster erkennen kann und durch Zufall erfährt sie auch seinen Namen: Morten Shalraith. Was es mit diesem Mann und der arroganten Frau neben sich, jedoch auf sich hat, wird nie erwähnt und sie kann es sich aus den seltsamen Dingen, die hier abspielen, auch nicht zusammenreimen. Sie findet auch nicht heraus, ob es Sira gut geht, ob sie überhaupt noch lebt und die Sorge um die junge Frau wächst ins Unermessliche, derweil sie sich ebenso sehr davor fürchtet, was mit Rashid und Del passiert sein könnte. Anukis, lass sie in Sicherheit sein, egal wo sie sein mögen. Beschütze sie vor jeder Torheit… besonders vor der Torheit hier einfach hereinspazieren zu wollen und sich damit Sithech auf dem Silbertablett zu servieren. Bitte Anukis, lass sie am Leben sein, ich bitte dich!
Das Gerassel des Schlosses holt sie aus ihrem unruhigen Schlaf und mürbe äugt sie in das blendende Licht der kleinen Öllampe, welches das gleichgültige Gesichts ihres ständigen Aufsehers Margh erhellt, hinter dem augenscheinlich ein Diener mit einer Waschschüssel und frischer Kleidung steht. „Lass mich in Ruhe“, keift sie ihn an, rapppelt sich mit knackenden Knochen auf und hält für einen Herzschlag verdattert inne, als sie den rauen Klang ihrer Stimme in ihren Ohren hört, bis ihr auffällt, dass sie lange nicht mehr gesprochen hat. Der grosse Kerl verzieht keine Miene, sondern lässt den Diener vorbei, der den Krug mit köstlichem, klarem Wasser, eine hölzerne Waschschüssel, sowie die seltsam anmutende Kleidung neben ihr hinlegt und dann fluchtartig wieder aus dem kleinen, dreckigen Loch, aus dem man sie nur gelassen hat, um ihre dringendsten Bedürfnisse zu stillen, hinaushetzt. Margh baut sich breitbeinig vor der Türe auf und knurrt ein: „Waschen und anziehen. Jetzt.“

Für einen Augenblick weigert sich ihr Verstand zu glauben, was sie gehört hat, aber insgeheim reizt es sie auch, endlich wieder sauber zu sein. Doch mit einem Blick versichert sie sich, dass er immer noch wie ein Koloss im Türrahmen steht und starrt ihn einfach nur durchdringend an, bis er schliesslich mit einem Grollen die Türe wieder schliesst und sich abwendet. „Kannst dir sonst eine dreckige Hure ansehen, die gewillt ist, sich deiner Visage zu offenbaren“, keift sie ihm leise hinterher und beäugt den Krug dann mit zusammengekniffenen Augen, als wäre darin statt Wasser, sicherlich tödliche Säure zu finden. Mit fahrigen Händen entledigt sie sich mit spitzen Fingern ihrer vor Schmutz starrenden, an einigen Stellen zerrissenen Kleidung, nur um dann im Halbdunkel festzustellen, dass die Dreckschicht auf ihrer Haut glatt als eng anliegendes Mieder und Hose durchgehen würde. Behutsam fährt sie mit ihren Fingerkuppen über ihren riesigen, geschwollenen Leib, der es ihr verbietet ihre Zehen zu sehen, obwohl das bereits zwei andere, seltsam deformierte Dinger tun, die sie beim besten Willen, nicht mehr als ihre Eigenen identifizieren kann. Es herrscht Ruhe unter ihrem Herzen, schon seit geraumer Zeit und so ungenau der Geburtstermin auch ist, sie kann fühlen, dass er keine Wochen mehr entfernt liegt. „Na du“, wispert sie und lässt ihre warmen Hände über die gespannte Haut gleiten, sanft das Kind ertastend, das schwer und klein in ihr ruht. „Wir schaffen das, das Schlimmste haben wir hinter uns…“ Dann beginnt sie den Staub von ihrer Haut zu schaben und muss an einigen Stellen wirklich ihre Nägel verwenden, bevor sie auch nur einen Gedanken daran verschwenden kann, sich mit Wasser zu putzen, um sich vollständig sauber zu schrubben. Es tut gut, sich endlich wieder als Mensch fühlen zu können und als sie schliesslich in das weit fallen, einfache Baumwollkleid schlüpft, das ihr einiges zu gross ist und anscheinend für eine ebenso breit, wie grosse Frau gemacht scheint, ist ihr trotzdem bereits um einiges wohler. Mit einiger Mühe schlüpft sie zurück in ihre Stiefel und kämmt sich gerade das Haar mit ihren fünf Fingern, als von ihrem Steissbein aus ein dumpfes Ziehen ihren Rücken hinauf gleitet. Automatisch spannt sie sich an und hält die Luft an, wartend, bis der flüchtige Krampf vorbei ist und erst dann langsam registrierend, was das wirklich gewesen ist. „Bei Anukis und ihren Archonen. DAS kannst du mir nicht antun!“, haucht sie entsetzt und starrt auf ihren grossen Bauch, in dem als Antwort nut genüssliche Ruhe herrscht. In ihrem Kopf ist von Stille jedoch nichts mehr zu vernehmen, denn ihre Gedanken wirbeln so laut und wild durcheinander, dass sie fast Angst hat, Andere würden es hören. Ich weiss ja, dass Kinder niemals zu einer guten Zeit kommen, aber das hier ist der absolut d.ü.m.m.s.t.e Zeitpunkt, den du hättest wählen können. Für einen Augenblick schweigt sie und fügt dann mit einem selbstsarkastischen Grinsen leise hinzu: "Von wem du DAS wohl hast, pfff!" Tief atmet sie ein und wieder aus, wartet auf die nächste Wehe und zählt die Minuten dazwischen, doch Margh kommt ihr dazwischen, der sie nur kurz ansieht und dann die Türe öffnet.

Sie zählt noch immer, als sie durch das grosse Tor in das zweite Kellergewölbe geschoben wird du dann vergisst sie für einen Moment, dass sie eigentlich dabei ist, abzuschätzen, wie schnell die Geburt kommen wird, denn es verschlägt ihr die Luft. Mit grossen Augen starrt sie auf den reichlich geschmückten Saal, an dessen steinernen Wänden sich Girlanden aus weissen Lilien und Tulpen entlang winden, die sich auch in verschwenderisch grossen Bouquets in einigen Vasen vorfinden. Zahlreiche, mehrarmige Kerzenständer spenden goldenes Licht, mehrere in weiss gewandete Novizen geben mit ihren hellen Stimmen herrliche Klänge zum Besten und die Tatsache, dass sie mit ihrer Vermutung Recht gehabt hat, schiess so dumpf durch ihren Kopf, dass sie kaum wahrnimmt, wie hinter ihr Sira hineingeführt wird. Als das Mädchen jedoch ein leises: „Janna!“, hervorstösst, fährt Janna wie vom Blitz getroffen herum und starrt Sira für einen Moment an, als sähe sie ein leibhaftiges Gespenst vor sich. Die junge Frau scheint ebenfalls sauber und ist gewandet in ein weisses, fast hübsch zu nennendes Kleid, wäre nicht die Tatsache, dass es ihr eindeutig zu gross ist und ausserdem reichlich gealtert wirkt. Die schwarzen Locken Siras fallen in sanften, schimmernden Wellen bis über ihre Schultern hinab und umrahmen ihr hübsches, junges Gesicht. Wie eine Braut! Verfluchte Scheisse, dieser Mistkerl!! „Das könnt ihr nicht tun!“, fährt sie Geron an und will sich mit ausgefahrenen Krallen schon auf ihn stürzen, als Margh sie gerade noch zu fassen kriegt und sie mit eiserner Hand daran hindert, dem Mann hier und jetzt die Augen auszukratzen. „Das wagst du nicht! Warum auch immer, aber das wirst du nicht tun und auch kein Anderer, du notgeiler Geldsack! Ihr seid es noch nicht einmal wert…“ Der Rest ihrer Worte lässt sogar die Ohren der gestandenen Söldner rot werden und nicht einmal die nächste Wehe, die ebenso sang- und klanglos verstreicht, wie die Erste, ohne stärker oder schwächer zu sein, kann sie von ihren äusserst bösartigen Worten abhalten. Erst als Margh vor sie tritt und ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlägt, verstummt ihr Gezeter und sie schmeckt den metallischen Geschmack von Blut im Mund. Sofort fährt sie fauchend wieder herum und hört gerade noch des Immerfrosters Anweisund: "Stopft ihr den Mund, sie soll die Zeremonie nicht stören", und das arrogante Weibsbild an seiner Seite rümpft ihr hoheitsvolles Näschen und meint mit spitzer Stimme: "So ein hässliches Biest." Janna fixiert die hellen Augen der Lady und dann ist sie schon drei Schritte vor, trotz ihres gewaltigen Bauches, der sich hebt und senkt, und ihre harte Faust trifft sie Frau mit voller Wucht am Kinn. Der Kopf der Immerfrosterin fliegt zurück, sie stolpert und wäre fast gefallen, hätte einer der Söldner sie nicht grob gehalten. Gewinnend grinst Janna die Frau an, stemmt die Hände in die Hüfte und meint mit höhnischer Stimme: "Die aufgeplatzte Lippe steht dir wunderbar, zänkisches Hexenw..." "Ruhe!", fährt ihr Gefährte dazwischen, starrt das Weib mit einem druchdringenden, wütenden Blick an und scheint sich nicht gerade grosse Sorgen um das Blut zu machen, dass nun in einem dünnen Faden aus dem Mund der Frau rinnt. "Margh, sorg dafür, dass sie still ist." Der grosse Mann hinter Janna nickt nur grimmig, packt sie kurzerhand an den Haaren und schleift sie ein Stück zur Seite, derweil ein Zweiter ihr einen Knebel in den Mund schiebt und diesen an ihrem Hinterkopf festzurrt. Erstickt nach Luft schnappend, schlägt sie mit ihren Fäusten ungezielt um sich, bis Margh ihre Handgelenke ergreift und diese mit Hilfe eines breites Lederbandes auf ihrem Rücken zusammenschnürrt, bis ihre Finger zu kribbeln beginnen. So vollkommen ausser Gefecht gesetzt, kann sie nur noch mit vor Zorn sprühenden Augen zusehen, wie der Immerfroster zufrieden nickt und sich dann wieder zu Sira umwendet. Götter! Tut etwas, ich flehe euch an.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 26. Apr. 2006, 18:39 Uhr
Alles was sie haben, sind die Worte eines Botenjungens, den sie nicht näher kennen und den sie entsprechend auch nicht einschätzen können. Er hätte ihnen sonst was erzählen können, aber dennoch macht das Gebäude vor dem sie nun stehen irgendwie genau den Eindruck, das es dies und kein anderes sein muss. Während Brak sich noch ein wenig abfällig über die Gepflogenheiten der Familie Shalraiths äußert, stellt sich Del die Frage, wie sie überhaupt in das Gebäude hineinkommen wollen. Wenn wirklich jemand Sira und Janna über so große Entfernungen hin entführen lässt, sie ausspioniert und dann auch noch einer vermögenden Handelsfamilie angehört, dann würde er gewiss nicht zulassen, dass man ihm so einfach ins Handwerk pfuscht. Das Gebäude sieht zumindest nicht danach aus, als würde man hier Gäste gerne sehen. „Wir sollten uns überlegen, wie wir hinein kommen“, schlägt Del kurz angebunden vor und wirft immer wieder unauffällige Blicke zu dem Gebäude. Mit einfach hineinspazieren oder mal eben Mauern überklettern würden sie jedenfalls nicht sehr weit kommen. >“Warum klopfen wir nicht einfach und fragen, ob sie nicht zufällig etwas haben, das uns gehört?“< Er glaubt erst sich verhört zu haben und will schon nach Rashids Arm greifen, weil er befürchtet, dass er genau dies tun wird, doch der Südländer bleibt brav an seiner Seite und wirkt nur einen grimmigen Blick zu dem dunklen Metalltor. „Sie werden dir auch bestimmt antworten.“ Gibt Del überflüssigerweise zurück und schüttelt leicht mit dem Kopf. Sollten wirklich Botenvögel vor ihnen hier angekommen sein, dann spielt es ohnehin keine Rolle was sie tun und wie vorsichtig sie es tun. Man würde sie so oder so erwarten. Wenn sie es jedoch einigermaßen geschickt anstellen, könnten sie möglicherweise kleinere Vorteile für sich ausarbeiten. >“Vielleicht sollten wir erst gucken, ob es noch andere Zugänge gibt?“<, kommt ein Vorschlag von Brak, der an sich zwar recht verlockend klingt, aber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht viel bringen wird. Bei solch hohen Mauern, hat man nicht mal eben noch kleine Seitentore eingebaut, die ungewünschte Besucher benutzen dürfen. Was auch immer genau diese Shalraiths sind, sie müssen verschlagen genug sein, um jederzeit mit unliebsamen Gästen zu rechnen. „Wir sollten das Haus erst eine Weile beobachten. Vielleicht kommt ja jemand freiwillig heraus oder wir erfahren anderweitig, was in dem Haus vorgeht.“ Es ist nur eine weitere dumme Idee, wo ebenfalls von vorn herein klar ist, dass sie wenig bringen wird, aber so verschaffen sich die drei Männer noch etwas Zeit, die sie nicht ganz unnütz verbringen, in der sie über ihr Vorhaben nachdenken können. Im Schatten einiger Bäume, zwei Anwesen weiter, harren Brak, Rashid und Del fast den gesamten Vormittag aus. Für die Männer ist es trotz des warmen Frühlingstages kalt, denn noch immer sind sie an den Rhythmus des Dunkelwaldes gewöhnt. Ununterbrochen beobachten sie das Haus der Shalraiths und tun so, als würden sie sich angeregt unterhalten, wenn zufällig jemand an ihnen vorbeiläuft oder auffällig in ihre Richtung sieht. Die Strassen rund um das Anwesen sind zwar nicht voll von Leuten, aber es reicht aus, um ihre Anwesenheit nicht sofort von jedermann bemerken zu lassen. Erst recht nicht von den Personen im Haus, falls sie die Strasse im Auge behalten.

Das selbst während der Mittagszeit niemand aus dem Haus kommt oder sie gar Besuch empfangen, kommt Del langsam seltsam vor. Er kennt sich mit den Sitten der Herzlande noch nicht so gut aus, doch in seiner Heimat unter den umherziehenden Sippen hat man die meiste Arbeit am Vormittag erledigt. Da konnte man es sich nicht leisten ewig im Zelt oder Haus zu bleiben und musste notgedrungen andere Arbeiter aufsuchen. Rund um das Haus rührt sich jedoch nichts. Kein Bote, kein Dienstmädchen, nicht einmal jemand der aussieht, als würde er zu den Shalraiths gehören, lässt sich blicken. „Verdammt, das bringt so nichts.“ Schon seit einiger Zeit beschleicht sie alle drei das Gefühl, dass dort etwas im Gange ist. Etwas an dem niemand anderes teilhaben soll. Niemand von ihnen hat es bislang ausgesprochen, aber sie alle hegen diese Vermutung, dazu reicht ein einziger Blick in die Augen des Nebenmannes. Brak, dessen Magen vor kurzer Zeit angefangen hat, leise zu knurren, will gerade anmerken, dass sie eventuell etwas essen sollten, als Rashid sich plötzlich anspannt. Sofort richtet sich die Aufmerksamkeit aller Männer auf das Gebäude. Zwei Gestalten lassen sich am Tor blicken, werfen einen Blick durch die Gitterstäbe auf die Strasse und postieren sich dann gleich dahinter mit grimmigen Gesichtern. Auf die Entfernung hin mag es täuschen, aber Del vermutet, dass die Männer ungefähr seiner Größe entsprechen. Zwei stellen vielleicht kein Problem dar, aber wenn sich noch mehr Nordmänner dieser Statur dort aufhalten sollten, könnte es äußerst schwierig werden in das Gebäude einzudringen um Sira und Janna zu befreien. Keiner von ihnen ist nach dem langen, schwierigen Marsch durch den Dunkelwald noch in der Lage um sich mit einem Dutzend Männer zu prügeln, die wahrscheinlich auch noch ausgebildete Krieger, Kämpfer oder Meuchelmörder sind, doch sie haben keine Wahl. Das jemand Wachen aufstellt, hat sehr wohl etwas zu bedeuten und das wiederum kann absolut nichts gutes heißen. „Mögen die Götter mir und euch beistehen.“ Del erntet fragwürdige Blicke aus zwei Augenpaaren, grinst lediglich schief und geht dann ohne sein Vorhaben weiter zu erklären, auf das Tor mit den beiden Männern zu. Kurzerhand nutzt er eine neben ihm gehende Frau aus, um vorerst niemanden auf sich aufmerksam zu machen. Er schenkt ihr ein freundliches Lächeln, fragt nach ihrem Befinden und unterhält sich eine Weile mit ihr. Erst als sie am Tor vorbeigehen, verabschiedet er sich abrupt, dreht sich zum Tor um und grinst diabolisch. Zu Dels Überraschung ist der kleinere der beiden Männer älter als er angenommen hat, wirkt aber genauso grimmig wie sein blonder Genosse und nicht minder kräftig. „Ich denke ich werde erwartet.“ Erst reagiert keiner der Männer auf seine Worte, doch dann blitzt etwas in ihren Augen auf und ein höhnisches Lächeln kommt aus der Kehle des Jüngeren. >“Seid ihr Trottel wirklich so dumm?“< Del zuckt lediglich gelassen mit den Schultern, tut so als interessiere ihn der vorbeiflitzende Junge, obwohl er nach Rashid und Brak Ausschau hält, um abzuschätzen, wann sie bei ihm sind, und antwortet dann mit einem „Vielleicht.“ Hinter den beiden Nordmännern kann Del weitere Personen ausmachen. Es sind mindestens drei weitere Männer im Vorgarten und sie scheinen ebenfalls alle aus dem Norden zu stammen. Warum sollte es hier auch einfacher werden... nicht, dass einem der Dunkelwald schon genug zugesetzt hat... Noch wirkt Del wie die Ruhe in Person, aber als er spürt, dass seine beiden Begleiter unmittelbar in seiner Nähe sind, schlägt die Ruhe in Wut um. „Allerdings habt ihr etwas, was zu mir gehört und ich hätte es gerne wieder.“ Abermals gibt es nur ein höhnisches Lachen zur Antwort, doch als Del blitzschnell durch die Eisenstangen greift und den älteren an der Kehle packt, geht das Lachen in ein heiseres Röcheln über. Sofort bricht Tumult auf den Innenhof los und eine Frau, sowie deren Begleitung fangen das Schreien an. Das Gesicht des grauhaarigen Mannes wird von Del gnadenlos gegen die Torverzierungen gezogen und an einigen Stellen auf der Wange haben sich bereits spitzen Kanten in das Fleisch gebohrt. Überrascht von dem Angriff, versucht er sich reflexartig zu befreien und umschließt die Hand von Del mit beiden Händen, um daran zu zerren, aber durch das Tor ist seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Der andere Mann hinter dem Tor, blickt anfangs vollkommen perplex auf das sich bietende Bild, bis er schließlich zu seinem Dolch greift und auf Dels Arm einstechen will, doch Rashid ist schneller.

Während die Männer fluchend versuchen sie aus den unnachgiebigen Griffen Rashids und Dels zu befreien, strömen von der anderen Seite des Tores immer mehr Männer heran. Namen fallen, aber keiner kann eindeutig zugeordnet werden. Da das schmiedeeiserne Tor zwischen ihnen ist, kann sie niemand direkt angreifen und sollte ihnen doch mal jemand zu Nahe kommen, ist Brak sofort zur Stelle und fuchtelt wild mit seinem Kurzschwer herum. Gleichzeitig wirft der Freund der Familie Thaín Ausschau nach übermütigen Stadtbewohnern, die vielleicht unbedacht in das Geschehen eingreifen wollen. Sowohl Rashid als auch Del haben ihr Gegenüber fest im Griff und egal wie sehr an ihnen gezerrt oder gekratzt wird, es besteht keine Chance loszukommen und die anderen können ihnen auch nicht helfen. Die einzige  Möglichkeit die sie haben, ist dass Tor zu öffnen, denn dann könnten die Söldner die drei Männer ohne weiteres angreifen. Der Mann in Dels Händen scheint zu dem gleichen Schluss zu kommen. Da er sich aber nicht mit Worten verständlich machen kann, bleibt ihm nichts anderes übrig, als in der Hosentasche des anderen Nordmannes zu wühlen, dessen Arme auf beinah unnatürliche Weise durch das Tor hin verdreht sind. Dadurch lässt er seine Kehle vollkommen ungeschützt, aber bevor Del ihm komplett den Kehlkopf zerquetschen kann, öffnet sich das Schloss mit einem leisen, ungehörten Klick. Del hatte daran gezweifelt, ob die Männer das tun, was er möchte, aber schließlich tun sie ihm den Gefallen doch und sie erhalten Eintritt. Sofort sind Del und Rashid umringt und werden von den anderen beiden Männern weggezehrt. Brak wird anfangs nur wenig beachtet, da er noch niemanden direkt angegriffen hat. Ein Fehler, denn der wohl beleibte Mann walzt achtlos auf die Angreifer zu und reißt vier auf einmal zu Boden. Del und Rashid kommen so frei, müssen aber leider auch die beiden Nordmänner loslassen, die sich daraufhin rasch einige Schritte entfernen, um sich zu sortieren und sich dann ebenfalls in das Getümmel stürzen. Vor dem Anwesen finden sich immer mehr Schaulustige ein, denn dass jemand die Shalraiths so offenkundig angreift, dass hat hier noch keiner gesehen. Anfeuerungsrufe hallen durch die Luft, gefolgt von Schimpftiraden auf die Söldner. Zu Dels Überraschung versucht niemand die Stadtgarde der Stadt zu rufen, aber das registriert er nur beiläufig, da er sich viel mehr darauf konzentrieren muss den Schlägen der Männer auszuweichen. Da die anderen eindeutig in der Überzahl sind, sind ihre Chancen verschwindend gering. Genau befürchtet sind sie trainiert und mehr als einmal erntet Del wohlgezielte Tritte und Schläge, die ihm schwarz vor Augen werden lassen. In Momenten wie diesen wünscht er sich immer, dass er doch den Umgang mit Waffen gelernt hätte, aber er tut es trotzdem nie. Glücklicherweise haben sich seine direkten Angreifer auch dafür entschieden auf Waffen zu verzichten, doch hinter sich kann Del aufeinandertreffende Schwerter hören. Zweifelsohne Rashid und Brak, die sich so die Männer vom Hals halten.

In einem Moment der Unachtsamkeit bekommt Del einen kräftigen Schlag mit einem Ring am Kopf ab und spürt augenblicklich wie ihm Blut aus der Wunde läuft. Einer der verdammten Mistkerle hat ihm jetzt einen schönen Abdruck verpasst. Wenn er Glück hat, ist es nur ein einfacher gewesen, aber viel wahrscheinlicher prangt jetzt das Siegel einer alten Familie auf seiner Stirn. Das Blut bahnt sich seinen Weg übers Auge und lässt seine Sicht verschwimmen. Alles wird durch einen roten Film verzerrt und so sieht Del auch nicht den nächsten Schlag, der ihn direkt in den Bauch trifft und ihn vollends zu Boden wirft. Der Aufprall wird durch Erde abgedämpft, aber der Mann der sich sofort auf ihn stürzt ist weniger sanft. Del muss mehrmals blinzeln, um den Mann zu identifizieren. Es ist der grauhaarige Alte, der sich nun an seiner Kehle zu schaffen machen will, aber Del ist nicht gewillt ihm das zu gestatten. Mit einer ruckartigen Bewegung haut er ihm die flache Kante seiner rechten Hand in die Seite. Genau auf die Stelle wo die Nieren sitzen. Der Mann krümmt sich unter Schmerzen zusammen und wird durch einen kräftigen Tritt ebenfalls zu Boden geworfen. Flüchtig sieht Del zu Brak und Rashid, braucht sich um sie aber nicht weiter zu kümmern. Etwas helles blitzt unmittelbar neben ihm auf und im buchstäblich letzten Moment gelingt es Del sich wegzudrehen. Dennoch streift die Klinge des blanken Dolches seinen Rücken und zieht eine blutige Spur quer darüber. Verdammtes Diebespack mit ihren Dolchen. Mit einem Knurren ergreift er die Hand des Grauhaarigen und verdreht sie soweit, bis sie mit einem Knacken nachgibt und dann nur noch schlaff vom Handgelenk hängt. Der Alte registriert nicht gleich das seine Hand unbrauchbar geworden ist. Erst als er ein weiteres Mal zustechen will und seine Finger ihm den Dienst verweigern wird ihm bewusst, was eben passiert ist. Sein Gesicht wird auf einen Schlag blass. Hätte Del Zeit dazu, würde er den Mann auslachen. Er hat oft genug Geschichten von ach so mutigen Kämpfern gehört, die dann bei der ersten eigenen Verletzung sofort zu ihrer Mutter rennen würden, um sich dann auszuheulen. Ganz scheint der Kerl aber doch nicht zu dieser Sorte Mann zu gehören, denn nach dem ersten Schrecken fixiert er Del mit einem drohenden Blick an und ruft zwei Männer zu sich, die eben noch halb bewusstlos von Braks Tritten am Boden gelegen haben. „Können wir nicht auf diese Spielchen verzichten? Ihr gebt uns, was wir wollen und dann sind wir auch schon wieder weg.“ Wieder mal gibt es nur ein Lachen als Antwort. Del findet es zwar überhaupt nicht lustig, aber scheinbar hat er keine Wahl. Er spürt wie ihn seine Kräfte rapide verlassen und das bedeutet, dass sie die Sache hier möglichst schnell zu ihren Gunsten entscheiden müssen. Darüber, wie viele Männer sich noch drinnen im Gebäude aufhalten könnte, denkt Del lieber gar nicht erst nach. Überraschenderweise kommen ihnen nun aber doch einige Bürger Dornheims zur Hilfe. Es sind ausnahmslos Männer die plötzlich mitmischen und sich auf jeden stürzen, der so aussieht, als sei er ein hinterhältiger Söldner.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 04. Mai 2006, 08:16 Uhr
Das zermürbende Warten hat ein Ende, als durch die Gitterstäbe des schweren Eisentors Bewegungen auszumachen sind. Wachen. Das kann nur bedeuten, was immer jetzt gleich im Gebäude von Statten gehen soll, darf nicht gestört werden. Das ganze wirkt auf Del schon fast wie eine Einladung und mit einem >> Mögen die Götter mir und euch beistehen.<<, schlendert er auf den verbarrikadierten Durchgang in der hohen Mauer zu, als hätten sie die ganze Zeit schon immer diesen Plan gehabt. Erst als er das Tor erreicht und ein, wie es erstmal vom der Lautstärke her scheint, harmloses Gespräch beginnt, folgen ihm Brak und Rashid. >>Allerdings habt ihr etwas, was zu mir gehört und ich hätte es gerne wieder.<<, hören die beiden Del noch sagen, während Rashid bereits seinen breiten Säbel lockert, um ihn schnell kampfbereit zu haben. ‚’Und als ich vorgeschlagen habe, einfach zu klopfen und zu fragen, war es eine dumme Idee!’’, kommentiert der breitschultrige Wüstenkrieger mit gespielt verletztem Stolz das Vorgehen des Halbelfen. Die Antwort auf Dels Forderung ist ein schallendes Gelächter. Wie nicht anders zu erwarten. Wer würde schon die Forderung eines Belagerungstrupps ernst nehmen, der dem Belagerten in seiner Festung so offensichtlich unterlegen ist? Aber jemanden zu unterschätzen, vor allem jemanden der nicht bloß für schnöden Mammon kämpft, sondern sein Leben für sein Vorhaben opfern würde, das hat sich schon oft als fataler Fehler erwiesen. Und so sind die beiden Männer hinter ihrem sicher geglaubten Tor auch ordentlich überrascht, als sich der ältere von ihnen urplötzlich in Dels Würgegriff wieder findet. Seine Hände haben sich wie Schraubstöcke um den Hals des Gegners geschlossen, und mit aller Kraft zieht Del ihn gegen das Tor, das nun den Halbelfen weitestgehend vor Angriffen von innen schützt. Aber der Überraschungsmoment ist nur kurz, und während Dels Opfer noch röchelnd versucht sich zu befreien, kommt Leben in seinen zur Salzsäule erstarrten Spießgesellen. Der grobschlächtige Kerl zieht seinen Dolch, um damit auf Dels Hand einzustechen, doch dazu kommt es nicht mehr.

Schnell wie eine Schlange, schießt Rashids Hand ebenfalls durch die Gitterstäbe, um sich gleichfalls einen Hals zu greifen. Dels Aktion hat so viel Aufmerksamkeit gezogen, dass niemand auf Brak oder Rashid geachtet hat. Ein Umstand, der nun Leben kosten könnte. Aus der Sicht der Verteidiger natürlich genau die falschen. Es entsteht eine Pattsituation, denn weder kommen die umklammerten Männer frei, noch können Del und Rashid angegriffen werden. Aber sie können auch nicht mehr tun, als die beiden Männer langsam zu ersticken. Ein Schicksal, dass Dels Opfer offensichtlich nicht besonders gefällt, denn er beginnt mit hervorquellenden Augen in seinen Hosentaschen zu nesteln, bis ein vertrautes Klimpern ankündigt, das sich das Tor gleich öffnen wird. Das heißt, falls Del seinen Gegner dafür noch lange genug am Leben lässt, denn das Gesicht des gealterten Kämpen verfärbt sich schon langsam bläulich. Als das Schloss mit einem Klicken entriegelt wird, schwingen die eisernen Flügel beinahe von alleine auf und sofort sehen sich der Halbelf und der ehemalige Karawanenwächter umringt von Feinden, so dass sie ihre Opfer freigeben müssen, wenn sie sich verteidigen wollen. >>Das werdet Ihr bereuen!<<, hören sie ein heiseres Krächzen von hinter dem Torflügel, >>Macht sie fertig!<< Und dann geht alles ganz schnell. Rücken an Rücken stehend, werden Del und Rashid bedrängt, so dass Rashid nicht mal dazu kommt, seinen Säbel zu ziehen, ohne sich eine Blöße zu geben. Doch Brak, den bärigen Mann mit bloß einem Arm, lassen die Handlanger der Familie Shalraith völlig außer Acht. Ein großer Fehler, denn nachdem der Hüne sich davon überzeugt hat, dass keiner der verwunderten Passanten auf die blöde Idee kommt, die Gardisten zur Hilfe zu rufen, stürzt er sich todesmutig auf einen Haufen Söldner, die seine beiden Gefährten umringen. Mit seinem mutigen Einsatz sprengt er den tödlichen Ring um Del und Rashid, und es beginnt ein wilder Kampf um die Oberhand. Die Überlegung, ob Rashid seine Waffe ziehen oder sich auf seine Fäuste verlasse soll, wird ihm schnell abgenommen. Er sieht sich zwei Gegnern gegenüber, die grinsend ihre Schwerter ziehen, und er grinst sie diabolisch an. ‚’Das war keine kluge Entscheidung.’’, wirft er ihnen mit gefletschten Zähnen entgegen, dann liegt auch schon der mächtige Säbel in seiner Hand.

Stahl prallt klirrend auf Stahl, als die Klingen Funken stiebend aufeinander treffen, und ein helles Kling liegt in der Luft. Der Gesang des Todes, denn weder die Söldner noch die Befreier sind bereit, auch nur einen fußbreit nachzugeben. Was gerade mit den anderen geschiet, kann Rashid nicht sagen, denn seine beiden Kantrahenten verlangen seine ganze Aufmerksamkeit. Er schwingt den Krummsäbel mit beiden Händen, denn er hatte keine Gelegenheit mehr, sich sein Schild an den Arm zu schnallen, aber genau das verleiht seinem Angriff nun genug Kraft, um dem ersten Widersacher fast die Waffe aus der Hand zu prellen. Der zweite Angreifer, ein drahtiger Mann mit braunem Haarschof und dem unschuldigen Gesicht eines Engels, benutzt eher die Spitze seines Schwertes zum Zustechen, statt sie auf Rashid herab fahren zulassen, und nur durch eine schnelle Seitwärtsdrehung, entgeht er einem Stich in den Bauch. Rashids Waffe beschreibt einen Halbkreis vor seinem Körper und leitet so das Schwert des Braunschopfs noch weiter von sich weg, wobei sich gleichzeitig die Deckung des Söldners öffnet. Um sich Gedanken um das Töten zu machen, musste sich Rashid schon zu oft verteidigen und diesmal tut er es nicht für Gold und einen Haufen Kostbarkeiten, der von A nach B gebracht werden soll, sondern er tut es für Janna und ihr ungeborenes Kind. Sein Kind vielleicht. Ohne zu zögern, zieht er die Klinge aufwärts, bis sie sich mit einem hässlichen Geräusch von Kinn bis zum Scheitel einen Weg durch Haut, Fleisch und Knochen bahnt. Wie vom Blitz gefällt, bricht der junge Kämpe zusammen und das erste Blut tränkt, in einer sich schnell ausbreitenden Lache, den Boden. Der verbliebene Angreifer sieht sich unvermittelt in die Rolle des Verteidigers gedrängt, während er noch mit der linken Hand sein schmerzendes Handgelenk umklammert. ‚’Und Du bist der nächste!’’, drohend macht Rashid einen Schritt auf ihn zu. Einschüchterung war ein legitimes Mittel, um einen Vorteil über seinen Gegner zu erlangen, und auch hier zeigt es Wirkung. Sein Gegenüber sieht sich nach Hilfe um. Ein Augenblick der Unachtsamkeit, und das Metall von Rashids Säbel blitzt rot im Licht der Abendsonne auf, als er zu sticht.

Doch die Reflexe des erfahrenen Söldners retten sein Leben, und er entkommt mit knapper Not Rashids todbringendem Schlag. Erst jetzt, in der kurzen Atempause, in der sie sich belauern, registrieren sie die Situation um sich herum. Del ist in eine Dolchstecherei mit einem alten Kämpen verstrickt, während Brak gleich mit 3 Gegnern ringt. Und auch an Rashid mit seinem bluttropfenden Säbel trauen sich neue Gegner heran und versuchen ihn zu umkreisen. Natürlich haben sich bereits einige Schaulustige am Tor versammelt. Auch in Dornheim erlebt man es sicher nicht alle Tage, dass ein Haus, das der Familie Shalraith als Stützpunkt dient, offen angegriffen wird. Aber genauso offensichtlich, hat sie wohl auch nicht allzu viele Freunde hier, denn als sich die Lage für Del, Rashid und Brak zuspitzt, eilen ihnen die ersten Männer zu Hilfe. Die meisten sind sogar unbewaffnet, doch ihre Einmischung reicht aus, um den zahlenmäßigen Vorteil auf ihre Seite zu ziehen. Die Waage das Schicksals beginnt sich zu Gunsten der Befreier zu neigen, und Rashids verbliebener Gegner scheint das zu spüren, als seine eigene Unterstützung in ein neues Handgemenge verwickelt wird. ‚’Ich will Dich nicht töten, aber wenn Du uns nicht vorbei lässt, leistet Du Deinem Kumpel da drüben gleich Gesellschaft.’’ Der Söldner fixiert Rashids Blick und wirkt nachdenklich, doch noch will der Wüstenkrieger nicht daran glauben, dass er so einfach Einlass in das Gebäude erhalten wird. Fast zu spät bemerkt er, dass der Söldner nicht sein Gesicht im Auge hat, sondern knapp an ihm vorbei schaut. Zu seinem Helfershelfer, der sich durch den Kampflärm nahezu lautlos von hinten an ihn heran geschlichen hat! Rashid bleibt nicht viel Zeit und so entscheidet er sich, aus der Zange nach links auszubrechen. Ein Dolch surrt hinter dem Wüstenkrieger durch die Luft, und er spürt den Treffer quer über seinen Rücken.

Das Schild, das dort noch immer hängt schützt sein Leben, aber dennoch bohrt sich er schlanke Stahl mit einem stechenden Schmerz an seiner rechten Schulter durch den Stoff seines Hemdes, gleitet jedoch an den schützenden Maschen seines Kettenhemdes ab. Wütend nutzt er seinen Schwung, um mit der geballten Faust nach dem Kopf des Dolchkämpfers zu schlagen, und er trifft. Mittig ins Gesicht. Wie unter einem Hammer splittern Zähne und knackend gibt die Nase unter der Kraft des Fausthiebs nach. Sein Widersacher taumelt nach hinten und der Dolch entgleitet seinen Fingern. Rashid sieht sich nach dem anderen um, doch der rennt auf den Eingang des Hauses zu. Verdammt!, schießt es Rashid durch den Kopf. ‚’Del. Brak. Ihm nach!’’ Es bleibt keine Gelegenheit, um sich zu vergewissern, dass seine Weggefährten ihm folgen können, aber der ehemalige Karawanenwächter hofft inständig, dass die wehrhaften Bürger Dornheims ihnen genug Luft verschafft haben, damit sie sich freikämpfen können. Die Türe zum Haus ist nicht verschlossen, denn der Flüchtende kann sie problemlos öffnen und hineinschlüpfen, knapp bevor Rashid ihn erreicht. Mit einem kraftvollen Fußtritt, befördert der Wüstenkrieger sie aus den Angeln. Niemand würde ihm so einen Hinterhalt stellen, und Lärm haben sie bereits zu genüge gemacht. Vor sich sieht er ein Halboval, dass eine großzügige Eingangshalle bildet. Unverkennbar handelt es sich um ein Haus, dessen Besitzer über einiges an Wohlstand verfügen, wie man auf den ersten Blick erkennen kann. Kostbare Wandteppiche hängen an den Wänden und Vasen aus Kristall stehen auf kunstvoll geschnitzten Kommoden. Silberne Standleuchter für weiße Kerzen würden die Halle in den Abendstunden erhellen, doch im Moment hat Rashid nur Augen für den Mann, der vor ihm weg durch den Flur eilt. >>Nett hier.<<, hört er Del atemlos neben sich. Der sarkastische Unterton entgeht Rashid dabei nicht. ‚’Ihm nach!’’, spornt er sich und den Halbelfen an, und hinter sich können sie die schweren Schritte von Brak hören, während sie die große Halle durchqueren.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 06. Mai 2006, 21:59 Uhr
Es helfen ihm gerade zwei junge Bengel dabei den alten Kerl endgültig von ihm wegzuzerren, als Rashids Stimme durch den Vorgarten hallt. >“Del, Brak. Ihm nach!“< Ruckartig hebt sich Dels Kopf in die Richtung, wo er Rashid vermutet und sieht, wie der Südländer zum Haus läuft. Mehr sieht er allerdings nicht und hat auch keine Ahnung, wer mit Ihm gemeint ist, aber das spielt auch keine Rolle. Es hört sich dringend genug an, um ihm einfach so zu folgen, ohne zu wissen was ihn erwartet. Etwas ungelenk stolpert Del zum Hauseingang hinüber und wischt mit dem Ärmel das Blut vom Gesicht, um besser in das Halbdunkel des Flures hineingucken zu können. Außer einem leeren Gang und eine eingetretene Tür kann er allerdings nicht viel erkennen. „Nett hier“, ist sein erster Kommentar, als ihm auffällt wie verschwenderisch das Haus ausgestattet ist. Scheinbar stimmt wirklich alles, was sie über die Shailraiths erfahren haben, denn ein normaler Bürger, würde sich solche Zierde nicht leisten können. Doch sie sind nicht hier, um darüber zu philosophieren, wie nett das Haus ausstaffiert ist. „Wen verfolgen wir eigentlich?“ Rashid blickt ihn an, kann ihm aber keinen Namen nennen und grinst nur, um gleich darauf mit den Schultern zu zucken. „Ah, na wenn das so ist.“ Trotz der Situation vertreiben sich die beiden einige Sekunden mit dummen Scherzen, aber als Brak bei ihnen auftaucht, hören sie schlagartig damit auf und beraten sich rasch, wie sie am besten vorgehen. Wohin auch immer der Kerl gerannt ist, er wird jemanden warnen. Es ist zwar davon auszugehen, dass man auch so schon auf sie aufmerksam geworden ist, aber sie können nicht einfach blindlings in das Haus laufen und hoffen, dass sie zufällig das richtige Zimmer finden. >“Wir sollten das Haus etagenweise durchsuchen. Zuerst das Erdgeschoss. Irgendwo haben sich die Ratten verkrochen.“< Zustimmend nicken Del und Rashid und betreten dann das langsam das Haus. Der Gang führt direkt geradeaus um sich dann am gegenüberliegenden Ende zu teilen. Keine Tür davor, nur eine Treppe nach unten. Alle drei bleiben bei der Treppe stehen, aber es wäre leichtsinnig nach unten zu gehen, solange sie nicht wissen, wer alles hier oben ist und ihnen in den Rücken fallen könnte. „Bleib du hier Brak und bewach die Treppe. Wenn jemand hochkommt, schrei. Hol dir zur Not Hilfe von dort draußen. Es finden sich bestimmt welche, die hier mit dir Wache stehen.“ Brak nickt grimmig und postiert sich dann, mit einem vor der Brust verschränkten Arm, genau vor der Treppe. Niemand würde jetzt mehr ohne sein Wissen hoch oder runter gehen.

Seite an Seite gehen Rashid und Del weiter. Ersterer hat seinen Krummsäbel in der Hand, auch wenn es Del lieber wäre, wenn er ihn wieder einstecken würde. Hier drinnen ist es viel zu eng, um darum herumzufuchteln und er würde ungern die Klinge des Südländer zwischen seinen Rippen spüren. Aber er sagt nichts zu Rashid. Die Klinge würde ihm durchaus einige Vorteile verschaffen oder wenigsten Angreifer vom Hals halten. Direkt am Ende des Ganges ist eine weitere Treppe. Diese führt jedoch nach oben. Rasch wirft Del einen Blick nach oben, aber es ist nichts zu erkennen und scheint auch ruhig dort oben zu sein. Dafür dringen aber von links Geräusche an sein Ohr, die darauf schließen lassen, dass sie mehr als nur eine Person in den Räumen dort aufhalten. Mit der Hand weist er Rashid in die Richtung und legt einen Zeigefinger auf die Lippen. Scheinbar hat doch nicht jeder im Haus von ihnen Notiz genommen. Sie folgen dem Lärm, der sich stark nach Küchenarbeiten anhört und lauschen an der Tür, die ihnen den Weg versperrt. Zweifelsohne befinden sich dort mehrere Leute. Jemand ruft herrisch Befehle, während Töpfe und Pfannen klappern. Del und Rashid wechseln einen wissenden Blick, zählen im stillen bis drei und stoßen dann mit einem Ruck die Tür auf. Augenblicklich sehen sie sich einer Schar Küchenjungen und einer ziemlich dicken Köchin, sowie einem hageren älteren Mann gegenüber. Nach einem Moment beinah gespenstiger Ruhe in dem jeder jeden anstarrt, kommt Regung in den Mann, der frappierende Ähnlichkeit mit einem Wiesel hat und dabei nicht weniger dürr ist. Ohne zu zögern schnappt er sich das nächstbeste Verteidigungsmittel, was sich als eine mit Omelett gefüllte Pfanne entpuppt. Doch statt selbst anzugreifen, ruft er dem Personal nur zu, dass sie den Störenfrieden den Garaus machen sollen. >„Bringt sie um, sofort. Niemand darf hier stören und niemand hat die Befugnis das Haus zu betreten.“ < Er fragt gar nicht erst, wer sie beide sind und was sie hier wollen, sondern scheint sich ziemlich sicher zu sein, dass sie hier nichts zu tun haben. Del und Rashid gönnen sich einen Moment in dem sie sich einander fragend angucken. Niemand hier sieht so aus, als wäre er ein ernsthafter Gegner, der es verdient unschädlich gemacht zu werden. Einzig das alte Wiesel erweckt den Eindruck, dass er zu dem verfluchten Shalraith-Clan gehören konnte. Kurzerhand ignorieren die beiden sämtliches Küchenpersonal und machen lediglich den scheinbar höher gestellten Diener unschädlich. Das Personal und besonders die matronenhafte Köchin scheinen sehr dankbar dafür und postieren sich bewaffnet mit Messern und Pfannen rund um den geknebelten und gefesselten Mann. >„Wir kümmern uns darum“<, gibt sie mit fester Stimme zu verstehen. >„Wurde ja auch mal Zeit, dass Ihnen jemand Gegenwehr bietet.“ < Von der Köchin und den Burschen werden beide in raschen Worten aufgeklärt, wie das Haus aufgebaut ist und dass hier unten eigentlich niemand weiter außer ihnen ist. Auch wenn sie der Frau glauben, kontrollieren sie jeden einzelnen Raum im Erdgeschoss penibelst genau und geben anschließend Brak Bescheid, dass sie oben auch noch nachsehen.

Im ersten Stock ist allerdings auch jeder Raum verlassen. Zu seinem Schrecken findet Del in einem kleineren Zimmer die Kleidung von Sira. Sein Herz verkrampft sich schmerzhaft, als er sie erkennt. Überall sind Risse, Dreck und er glaubt sogar Blutflecken darauf zu sehen. Wütend ballt sich seine Hand zur Faust, als er das Kleid einfach auf das Bett zurückwirft und energisch zu jedem Raum die Türen aufreißt. Da niemand hier zu finden ist, wirft er kurzerhand einige Stühle um und zerschlägt, was ihm gerade in den Weg kommt. Er weiß, dass es unsinnig ist, aber trotzdem ist ihm danach sinnlos etwas zu zerstören. Aber er reagiert sich nicht soweit ab, dass er überhaupt keine Wut mehr verspürt. Irgendwo in diesem Haus ist derjenige, der zu verantworten hat, dass Janna und Sira entführt worden sind und dieser jemand wird nun leiden müssen. >“Los runter.“<, ruft ihm Rashid entgegen und winkt ihn dann zu sich heran, als Del sich gerade an den Privatgemächern des Hausbesitzers zu schaffen macht. Ein aufdringlicher Geruch liegt in der Luft, der Del unangenehm in der Nase hockt und der seinen Unmut auf die Familie Shailraith nur noch zusätzlich anstachelt. Eilig folgt er Rashid nach unten, wo sie von Brak zu hören bekommen, dass niemand versucht hat nach draußen zu gelangen. „Dein Unbekannter muss nach unten gerannt sein, also werden sie alle dort im Keller hocken. Hoffen wir, dass es dort keine geheimen Gänge gibt.“ Alle blicken sich der Reihe nach an und stürmen auf ein geheimes Zeichen hin nach unten. Wie in allen Kellern ist die Luft auch hier abgestanden, seltsam warm und trocken. Sie befinden sich in einem Weinkeller. Riesige Fässer liegen auf hölzernen Ständern an den Wänden und reihen sich zahlreich aneinander. Vermutlich ein flüssiges Vermögen, aber vielleicht sind die Fässer auch nur Attrappen. Erstaunlich ist jedoch, dass der Keller neben dem privaten Weinvorrat auch noch eine Reihe von Kerkerzellen befindet. Bis auf eine Tür, sind alle geschlossen. Um sich zu vergewissern, das dort niemand auf sie lauert, kontrollieren sie jede einzelne Zelle. Ähnlich wie Del zuvor im ersten Stock, findet nun Rashid etwas was seinen Herzschlag einen Moment lang aussetzen lässt. Janna muss hier gewesen sein, aber nicht deutet darauf hin, wo sie jetzt sein könnte. Überhaupt ist der verdammte Keller leer. Wenn wirklich jemand hier unten ist, wo? Außer den Weinfässern ist hier nichts, aber trotzdem sind Stimmen zu hören.
Es ist Brak, der sie plötzlich auf eine Tür aufmerksam macht, die versteckt zwischen den Weinfässern liegt. Sie ist nicht sofort zu sehen, aber wenn man erst einmal weiß, worauf man achten muss, kann man sie nicht mehr übersehen. „Ich denke, wir sollten dort unser Glück versuchen.“  Da es von hier aus keine weiteren Wege gibt und oben schon niemand mehr auf sie gewartet hat, kann das nur heißen, dass dort hinter der Tür der Rest sein muss. Wie viele Personen genau der Rest umfasst, können sie nur raten und hoffen, dass es nicht allzu viele sind.  

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 09. Mai 2006, 16:44 Uhr
Mit ängstlichen, fassungslosen Blicken verfolgt Lorne was um sie herum geschieht. Das Kellergewölbe, in welchem sie sich befindet, ist festlich geschmückt und auch ohne Jannas heftigen Wutausbruch, sieht das Mädchen mittlerweile klar. Das mulmige, ungute Gefühl, welches auf ihrem Weg bis hinab immer weiter zugenommen hat, ist einem kaum zu ertragenden Gefühl der Angst und Hilflosigkeit gewichen. All ihre schlimmsten Befürchtungen sind mit einem Schlag bittere Realität, zweifelsohne haben ihre Entführer alles für eine Hochzeit vorbereitet und ihr die traurige Rolle der Braut zugedacht. Lorne versteht die Welt nicht mehr. Sie weiß, dass sie in einem Alter ist, in welchem viele Mädchen von ihren Vätern verheiratet wurden, vielleicht sogar schon ein eigenes Kind haben. Allerdings kann die junge Frau nicht begreifen, dass ausgerechnet sie nun dieses Schicksal teilen soll. In ihrer Naivität hat sie immer angenommen, ihren zukünftigen Ehemann selbst – und zwar aus Liebe – wählen zu dürfen. Was hier gerade mit ihr geschehen soll, widerspricht ohne Frage allen romantisch-verklärten Geschichten, an die sie sich in diesem Moment erinnern kann. Außerdem, dessen ist Lorne sich in diesem Augenblick vollkommen sicher, ihr Vater hätte sie niemals zu einer Heirat gezwungen. Erste Tränen glitzern in ihren Augenwinkeln. Er hätte das hier nie im Leben zugelassen, denkt sie verzweifelt, dann schlagen ihre Gedanken in blanken Hass um. Niemals, niemals hätte er jemandem am Leben gelassen, der mir so etwas antut. das vertraute Gesicht Mírdans taucht in ihrer Erinnerung auf und beruhigt sie ein wenig, doch nicht für lange, denn wie die Männer mit Janna umgehen, ist einfach nicht mit anzusehen. Vollkommen unüberlegt versucht sie aufzubegehren, aber Geron hält sie bestimmt fest und zwingt sie stattdessen an Mortens Seite.

Angewidert starrt das Mädchen den arroganten Immerfroster an, der nur ein lapidares „Bringen wir’s endlich hinter uns!“ von sich gibt und dem offenkundig ziemlich eingeschüchterten Priester und seine Novizen einen finstern Blick zuwirft. Das also soll ihr Ehemann werden, begreift Lorne und kann es einfach nicht verstehen. Sie hat keine Ahnung wem sie da gegenübersteht, weiß nichts über die unsinnige Fehde, die zwischen ihrer eigenen Familie und den Shalraiths bestand und am allerwenigsten ahnt sie, dass ihr Schicksal durch Morten mit einer Familie verbunden werden soll, die, auch wenn es sich vermutlich niemals wird nachweisen lassen, für den Tod ihres Vaters verantwortlich ist. „Nein“, faucht sie. „Ich will nicht!“ Damit hat sie nun doch die Aufmerksamkeit des Immerfrosters. Morten schaut sie grimmig an. „Oh doch“, erklärt er eisig. „Oder glaubst du, die schwangere Amazonenhexe lebt noch, weil sie so ein netter Hochzeitsgast ist?“ Zunächst begreift Lorne nicht ganz, was Morten damit sagen will, doch als sie die versteckte Drohung in seinen Worten erfasst, wird sie kreidebleich im Gesicht. „Nein“, haucht sie. „Ihr dürft ihr und dem Kind nichts tun. Bitte!“ Flehend sieht sie zu dem riesigen Mann auf. „Aber sicher“, ein süffisantes Lächeln stiehlt sich auf die Lippen des Immerfrosters. „Wenn du tust, was von dir verlangt wird, wird ihr auch nichts geschehen. … Nun, was sagst du dazu?“ Anstatt zu antworten, kann Lorne ihn nur mit weit aufgerissenen Augen anstarren. Morten schnaubt ungeduldig. „Hast du verstanden?“, meint brüsk und packt Lorne grob am Arm. Erschrocken will sich die junge Frau wehren, ohne Erfolg. Sie schluckt einmal, wirft einen letzten Blick hinüber zu Janna, welcher von Margh unwirsch der Mund zugehalten wird, dann nickt sie. „Ja, flüstert sie leise. „Ja …“ „Nun denn.“ Morten grinst triumphierend und wendet sich dem Priester zu. Der kahlköpfige Mann schluckt leicht und schaut Lorne mit mitleidigem, um Entschuldigung bittenden Blick an, dann beginnt er die nötigen Hochzeitsformeln zu sprechen.

Wie im Traum zieht die Zeremonie an Lorne vorüber. Geistesabwesend stiert sie mit leeren, glasigen Augen in das Kerzenmeer, welches hinter dem Priester auf dem provisorisch errichteten Altartisch brennt. Plötzlich gibt ihr Geron Herresh einen heftigen Stoss in den rücken. Verblüfft entweicht ihr etwas Luft und sie stolpert leicht, kann sich aber gerade noch wieder fangen. Der Priester vor ihr erklärt gerade „…. Dann sprich, ich will!“ und als sie nicht reagiert, zischt Herresh böse: „Sprich!“ Lorne schluckt, dann stottert sie so leise, dass es kaum zu hören ist „Ich will …“ und im nächsten Moment bricht sie hemmungslos in Tränen aus. Weder Geron noch Morten haben Erbarmen mit ihr. „Hör auf zu flennen“, raunzt der Immerfroster sie an und an den Priester gewandt fährt er fort. „Wo ist der Vertrag? Feder, Tinte?“ Hastig eilen die Novizen mit dem gewünschten herbei. „Dort unterzeichnen, hier die … Eheleute, … dort die … Zeugen.“ Morten achtet kaum noch auf den Mann. Er greift nach der dargebotenen Feder, taucht sie tief in das beistehende Tintenfass und unterzeichnet. Die Feder kratzt über das Pergament und hinterlässt einen, hässlichen, dicken Fleck, dann wird sie weitergereicht. Gerron Herresh unterzeichnet als Mortens Zeuge und drückt anschließend Lorne die vor Tinte triefende Feder in die Hand. „Jetzt du, Mädchen“, knirscht er. „Aber“, Lorne sieht ihn ängstlich an. „Ich …“ … kann nicht schreiben, will sie sagen, bringt den Rest des Satzes aber einfach nicht über die Lippen. Stattdessen wird sie Feuerrot und scharrt nervös mit den Füßen, sie hat Angst vor dem, was nun vielleicht folgt, aber der Händler beginnt nur schallend zu lachen. Erst als Morten ihm einen vernichtenden Blick zuwirft, bekommt er sich wieder ein und schluckt die zynische Bemerkung, die ihm bereits auf der Zunge lag, hastig hinunter. Entschlossen umfasst er Lornes Hand, welche die Feder hält und führt sie, sodass die Feder abermals über das Pergament kratzt … und dann ist es vorbei.

Geron lässt die junge Frau einfach los, niemand schenkt ihr in diesem Moment groß Beachtung. Stattdessen wenden sowohl die beiden Männer als auch die nahe stehende Immerfrosterin, ihr Interesse dem soeben unterschriebenen Ehevertrag zu. Schluchzend wirbelt Lorne herum und stürzt zu Janna hinüber. „Janna, Janna“, jammert sie leise und ignoriert Margh dabei völlig. „Was ist mit dir?“, flüstert Lorne und sieht die Amazone an. Sie kann ganz deutlich spüren, dass irgendetwas nicht stimmt. Hinter ihnen bejubelt Morten noch immer „seinen“ Triumph und erst als Geron ein schlichtes „Was nun?“ von sich gibt, richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf die herrschende Situation. „Hm“, er lächelt und wendet zufrieden das Pergament in seinen Händen hin und her, „ich denke, wir brauchen sie“ – Er meint sowohl Janna als auch Lorne. - „jetzt nicht mehr. Erledige das …“ Er grinst, Lornes Kopf ruckt erschrocken in die Höhe und Geron will gerade antworten, als im Weinkeller irgendetwas zu hören ist. Alle Augen richten sich sofort auf die Tür, welche in den Weinkeller hinüber führt und Morten verlangt alarmiert nach seinem Schwert.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 09. Mai 2006, 21:33 Uhr
In Lornes Blick liegt so viel Bitterkeit, dass Morten im Grunde genommen daran hätte ersticken müssen, doch stattdessen zwingt er sie mit einem grimmigen Blick an seine Seite und sieht nicht aus, als würde ihm das Prozedere mehr Spass machen, als der jungen Frau an seiner Seite. „Bringen wir’s endlich hinter uns!“, spricht er und seine Stimme klingt, als wäre der Umstand dieser Zwangshochzeit das Natürlichste der Welt. In Janna schlägt eine Welle der Übelkeit hoch und ein Zittern kriecht von ihren Zehen bis zu ihren Schultern, kalt und klebrig. “Nein!“, kommt es prompt von Lorne zurück, die ihren Ehemann betrachtet wie eine besonders dicke, fette, hässliche Spinne, die man mit dem Füssen zertreten sollte und Janna kann ein stolzes Grinsen schlichtweg nicht unterdrücken. Obwohl sie niemals von sich behauptet hätte, die junge Frau gut zu kennen, oder ihr eine Chance für Vertrauen zu geben, so ist sie ihr doch ans Herz gewachsen. Ausserdem beweisst es deutlich ihre Herkunft, ob Lorne das nun will oder nicht. Hätte ich nicht gewusst das sie eine Amazonentochter ist… nun… jetzt ist es sicher. Morten starrt auf Lorne hernieder und Janna kann sehen, wie sich die dünnen, weissen Finger des Mannes wie ein Schraubstock um den schmalen Oberarm schliessen. Wütend faucht sie unter Marghs Hand hervor, doch dieser reisst ihren Kopf in den Nacken und knurrt leise über ihr unkooperatives Verhalten. „Oh doch. Oder glaubst du, die schwangere Amazonenhexe lebt noch, weil sie so ein netter Hochzeitsgast ist?“ Janna braucht keinen Augenblick um zu verstehen, welche Drohung hinter diesen Worten lauert und die Erkenntnis trifft sie wie ein Schlag in die Magengrube. Nein… das darf nicht! Nicht wegen mir! Lorne! Sira! Entsetzt versucht sie mit aller Kraft den Kopf zu schütteln, irgendetwas unter den kräftigen, schwieligen Fingern hervorzupressen, um Lorne klar zu machen, dass sie auf keinen Fall, darauf eingehen soll, doch Margh lässt sie nicht gewähren, gibt ihr noch nicht einmal die Möglichkeit Lorne mit eindringlichen Blicken zu beschwören, nicht nachzugeben, diesen Fehler nicht zu machen. Sie ist versucht ihrem Wächter ins Schienbein zu treten, um nur für einige wenige Momente ihren Mund frei zu haben, doch da ist ihr erneut, als würde ihre Becken sich leicht zusammenziehen und ein feines Surren schleicht über ihren Rücken. Sofort versucht sie tiefe, feste Atemzüge zu machen, um sich nicht zu verspannen, aber weder ihre Haltung, noch die Finger über ihren Lippen vereinfachen diesen Umstand. Als das Ziehen schliesslich nur noch ein dumpfer Hall ist, hört sie nebenbei gerade noch, wie Lorne ein vollkommen resigniertes: „Ja …“, von sich gib und die Traurigkeit, die daraus erklingt, lässt ein Feuer in ihrem Inneren entbrennen, dass wie ein Schwert durch ihre Eingeweide wütet. Jegliche Vernunft verschwindet unter diesem Schleier an Schuldgefühlen und dem Drang, allen hier, die Lorne das antun wollen, die Kopfe von den Schultern zu trennen. Ein grollender Laut kommt aus ihrer Kehle, dringt jedoch nur dumpf an Marghs Ohr und die anderen scheinen gar nichts davon mitbekommen zu haben.

Doch die Zeremonie zieht an Jannas Augen vorüber, wie ein besonders schlechtes Gauklerstück und obwohl sie schäumend vor Zorn alles versucht, um ihren Wächter hinter sich los zu werden und dieses Narrenspiel zu verhindern, ist ihr nichts anderes erlaubt, als mit einem fahlen Geschmack nach kalter Asche auf der Zunge, dem Ritual zu folgen und zu sehen, wie der Priester die Worte tonlos, schon fast ängstlich, mit stetigen Seitenblicken auf Lorne hinunterrattert. Sira stiert an irgendeinen Punkt mitten im Kerzenmeer und scheint ihren Verstand abgeschottet zu haben, vor den Dingen, die um sie herum geschehen und dieser Anblick treibt einen Keil in Jannas Herz… das in viele, abertausende Splitter zerbricht, als der Priester sich schliesslich in erzwungener Feierlichkeit und einem Gesicht, wie ein Mann, der weiss, dass er jemandem das Leben zunichte macht, zu Sira umwendet. Geron versetzt der jungen Frau einen herben Stoss in den Rücken und Janna ruckt vor, doch Marghs Griff ist hart und unnachgiebig. Nein! Sira! Tu es nicht!, fleht sie stumm vor Schreck und hört die Antwort dann leise, wie ein winziger Wassertropfen aus Siras Mund rinnen. „Ich will …“ Janna fühlt, wie ihr die Beine unter dem Körper wegsacken und plötzlich ist sie es, die sich Halt suchend an Margh anlehnt und ein ersticktes Geräusch von sich gibt, derweil ihr glasiger Blick auf Sira ruht. Mit einem Male kommt ihr die ganze Reise so unnütz vor, so schlecht und dumm, so naiv und schlecht durchdacht und sie spürt es unter ihren Lidern verräterisch brennen. Novizen mit sandhellem Pergament, einer grauen Taubenfeder und einen Fässchen mit Tinte huschen an ihr vorbei, derweil die nächste Wehe sie heimsucht und diesmal genug stark, um sie aufkeuchen zu lassen und sich zu verkrampfen. „Warte…“, knurrt sie leise und spürt durch einen Schleier aller Gefühle hindurch, wie Marghs Griff sich mit einem Male etwas lockert. Dann steht bereits Sira vor ihr, plötzlich nicht mehr viel mehr, als nur wieder das zitternde, schmale, junge Mädchen, das sie zu Beginn dieser Reise gewesen ist, die bleichen Wangen von glänzenden Rinnsalen an Tränen überströmt. „Janna, Janna.“ Margh hat längst die Hand von ihrem Mund genommen, denn nun wo die Zeremonie vorbei ist, gibt es nichts mehr, das sie noch hätte verhindern können, nichts mehr, wobei sie Sira hätte helfen können. Diese Schuld fühlt sich so kalt an, dass es Janna fröstelt, doch dann wogt der Zorn in ihr hoch, hell lodernd und alles was sie sich wünscht in diesem Augenblick, ist diesen Männern einen langsamen und unendlich qualvollen Tod. Doch sie kann sich einigermassen fangen, als Sira ihr kaum hörbar entgegen wispert: „Was ist mit dir?“. Fast schon verwirrt sieht Janna sie an und weiss erst einen Herzschlag später, was sie damit gemeint hat, doch bevor sie zu einer Antwort setzen kann, wird ihrer beider Aufmerksamkeit erneut von Morten auf sich gezogen und ihre Köpfe rucken herum. „Jetzt nicht mehr. Erledige das …“ Jannas Mund klappt auf und ihre Züge verzerren sich vor Hass. Alles in ihr kocht, ihre Augen werden schmal und ein kaltblütiges, mörderisches Funkeln keimt darin auf, macht es ihr fast unmöglich klar zu denken.

Mit einem Male erklingt ein Geräusch vor der Tür und alle schrecken auf, auch Margh und Janna überlegt nicht eine weitere Sekunden, ob dieses Poltern nun Hilfe bedeutet, oder ob sie sich damit in Teufels Küche bringt, denn sterben würde sie so oder so. Ihr Kopf fliegt zurück und allein Soris ganzes Glück hilft ihr dabei mit ihrem Hinterkopf genau Margh’s Nase zu treffen, die unter der Wucht des Schlages hässlich knirschend nachgibt und sich zu einem roten Brei aus Fleisch und Knorpelsplittern verwandelt… und dann kracht die Holztüre splitternd gegen die rohe Steinwand und fällt berstend aus ihren Angeln. Wen sie jedoch nacheinander ausspuckt, lässt Janna erbleichen und kostbare Zeit vergeudet sie damit, wie vom Blitz getroffen an Ort und Stelle zu erstarren und die drei Männer anzustarren, als wären sie grüngoldig gesprenkelte Babydrachen, die vor ihren Augen mit lustigen Bällen jonglieren würden. Als ich sagte, Götter, tut etwas… da meinte ich ETWAS ANDERES ALS DAS DA! Für den Bruchteil eines Herzschlags findet sie sowohl Rashids, als auch Dels Blick und dann schiessen ihre Mundwinkel dämonisch in die Höhe. Sie sieht Marghs Faustschlag kommen und duckt sich ohne weiter darüber nachdenken zu müssen, darunter hinweg, auch wenn sie sich dabei so anmutig vorkommt, wie ein dickes, rosa Schweinchen auf den Hinterbeinen. Doch das auch Sira sich todesmutig in den Kampf werfen würde, mit Händen, Nägeln und Zähnen, das scheint Margh nicht erwartet zu haben und derweil er kurz mit dem lästigen Anhängsel beschäftigt ist, das sich mit einem Male an seinen Rücken klammert, zerrt Janna ihre Hände endgültig aus den Fesseln und vergräbt ihren Ellbogen gleich darauf in Marghs Brustkorb. Dieser taumelt, von diesem erneuten Angriff unerwartet hart getroffen, zurück und als Jannas Faust seine zertrümmerte Nase trifft, prallt er zurück gegen die Mauer. Sira kann gerade noch rechtzeitig von seinem Rücken abspringen und dann ist Janna schon bei ihm und zieht ihm mit einer flinken Bewegung den Dolch aus der Scheide, die an seinem Gürtel hängt. „Rache ist süss“, wirft sie ihm verächtlich in die blutige Visage, hebt die Spitze der Klinge und verkrampft sich. Automatisch lässt sie den Dolch wieder sinken und Margh’s Faust schnellt vor, bevor sie es verhindern kann. Dumpf treffen seine Knöchel auf ihr Kinn, das hart knackt und der Schwung, des eher unkoordinierten Schlages genügt, um sie zurückstolpern zu lassen. Sie kann eben noch so verhindern, das sie zu Boden sinkt, doch der Zorn lässt sie bebend wieder das Gleichgewicht finden, gerade noch bevor Margh sie erreicht hat. Mit einem rasselnden Atemholen rammt sie ihm ohne darauf zu achten wohin, den Dolch in den Brustkorb und reisst ihn nach oben. Sie spürt das Gewicht des Hünen, das sich bedenklich in ihre Richtung neigt und hastig weicht sie zurück, schwer atmend und die Hände rot von seinem Blut. Der Mann fällt wie eine gefällte Eiche zu Boden und starrt mit verdrehten Augen an die steinerne Decke. Keuchend weicht Janna zurück, sucht verzweifelt an irgendetwas Halt und erwischt gerade noch so den Altar.

Mit der Umklammerung eines Ertrinkenden, hält sie sich an dem trockenen, rauen Holz fest und versucht so viel Luft wie nur möglich in ihre Lungen zu pressen, derweil um sie herum die Schwerter klirren und die Novizen und Priester sich verängstigt wie kleine Kinder in eine Ecke drängen. Tief Luft holen… tief Luft holen… Atmen… Ihr hektisch umherirrender Blick huscht über die Kämpfenden hinweg und bleibt dann zielsicher auf Morten hängen, jener Mann, der Sira zu all diesem Leid gezwungen hat und sie töten lassen wollte. Sie erspäht auch noch etwas anderes, nämlich den Hochzeitsvertrag in seinen Händen, das Einzige was beweisen kann, dass all das, was hier unten von sich gegangen ist, wirklich der Wahrheit entspricht. Niemals in meinem Leben!, bestätigt Janna sich selbst, was sie vorhat und greift den Dolch fester, derweil sie sich mit einer bösartig verzerrten Miene auf den Immerfroster zu bewegt, der ein wenig abseits steht und seinen Männer befiehlt, den Eindringlichen gefälligst das Licht auszublasen. Doch als er die nahende Gefahr bedroht, ist es zu spät, um einen seiner Wachhunde zu rufen, die sowieso allesamt damit beschäftigt sind, ihr jämmerliches Leben zu verteidigen und während der Vertrag hinten in seinem Hosenbund verschwindet, hält er ihr die Schwertspitze entgegen. Sie hat keineswegs vor wirklich gegen ihn zu kämpfen, denn auch wenn er ein feiger, arroganter Mann scheint, so ist er ihr momentan an Kraft, an Schnelligkeit und auch an Geschicklichkeit weit überlegen. Alles was sie will, hat er längst getan und so blitzen ihre Zähne weiss unter ihren Lippen hervor, als sie diese zu einem höhnischen Lächeln verzieht. „Sira!“, ruft sie schliesslich, innerlich betend, dass die junge Frau nicht alle Worte aus ihrer alten Sprache der Amazonen vergessen hat: „Gabh an paipear! Greas ort!!“ Nimm das Pergament! Und tu es schnell! Weil lang schaffe ich das nicht. Oh verflucht!

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Rashid am 19. Mai 2006, 14:01 Uhr
Rashid, Del und Brak durchsuchen das Haus, doch außer aufgeschrecktem Personal lässt sich keine Spur von Janna und Lorne finden. Es bleibt der Keller des Gebäudes. Der Mann, der vor Rashid ins Innere geflüchtet ist, kann nur noch dort sein, wenn er nicht einfach durch eines der großen Fenster wieder hinaus gesprungen ist. Unwahrscheinlich., mutmaßt der hünenhafte Wüstenkrieger, während sie die Tufen hinab schleichen. Draußen vor dem Eingang läuft immer noch eine wilde Schlägerei zwischen den Bürgern Dornheims und den gedungenen Söldnern, und Rashid hofft, dass die Handlanger der Familie Shalraith noch lange genug beschäftigt sind, damit sie den Rücken frei haben. Der Keller offenbart auf den ersten Blick nur ein paar Räume, die durchaus als Zelle zu bezeichnen sind, und tatsächlich finden sich in einem frische Spuren, die darauf hindeuten, dass einer er zu diesem Zweck genutzt wurde. Jetzt ist er ebenso leer, wie das Zimmer, in dem sie Lornes alte Sachen gefunden haben. „Wo sind sie bei allen neun Höllen?!“, knurrt Rashid mit schwerlich unterdrückter Wut, „Wir haben schon das ganze verdammte haus auf den Kopf gestellt!“ Schließlich sind es gedämpfte Stimmen, die ihnen den Weg weisen. Zwischen zwei bauchigen Weinfässern, beide Manns hoch, verbirgt sich eine Tür im zwielichtigen Schatten, denn die zuckenden Flammen der Fackeln hervorrufen.

Sie schleichen näher und Rashid legt sein Ohr an das Holz des Türblatts. Es fühlt sich rau und kratzig auf seiner Haut an, als er seine Haare an Seite streicht, um besser hören zu können. >>Was hörst Du?<<, will Del ungeduldig wissen. „Still!“, zischt Rashid zurück, was den Habbelfen ungeduldig die Augen verdrehen lässt. >>Lass mich hören. Meine Ohren sind eh besser als Deine!<< Der Wüstenkrieger will gerade protestieren, dass er zwar kein elbisches Blut in den Adern hat, aber ihn das noch lange nicht zu einem Tauben macht, als er >>Ich denke, wir brauchen sie jetzt nicht mehr. Erledige das.<<, von der anderen Seite der Türe vernimmt. Der Tonfall und die Formulierung lassen keinen Zweifel daran, wer gemeint sein könnte, und lassen Rashid keine Sekunde länger zögern. Krachend fliegt die Tür auf, als er sich mit Kraft dagegen wirft, doch er hatte mit vielem gerechnet, nicht jedoch in eine Hochzeitszeremonie hereinzuplatzen. Und so verpufft ihr ganzes Überraschungsmoment in ungläubigem Staunen, denn Del und Brak sind offensichtlich nicht weniger verblüfft.

Zu ihrem Glück wirkt ihr Eintreten ähnlich ernüchternd auf die Hochzeitsgäste, und so ist es Janna, die als erstes handelt. Mit ihrem Angriff auf ihren Bewacher, löst sie die Starre, in der sie alle gesteckt haben, und es entsteht in Sekundenschnelle das reinste Durcheinander. Margh, der grobe Söldner, verliert sein Leben an Jannas Dolchfertigkeit, dann wendet sich die Amazone dem vermeintlichen Bräutigam zu, wobei Lorne versucht, ihn mit Janna in die Zange zu nehmen. „Helf den beiden!“, ruft Rashid noch Del zu, dann stürzen Brak und er sich auf die restliche Bande von bewaffneten Hochzeitsgästen, um Del genug Raum zu schaffen, damit er Janna und Lorne erreichen kann. Rashids Säbel sirrt horizontal durch die Luft, kraftvoll genug, um einen jungen Baum zu zerteilen, und der Hieb lässt alle einen Satz nach hinten machen. Dann sieht er sich auf einmal selbst 3 Schwertern gegenüber, deren Besitzer sich schützend vor Geron, den Hausherren stellen. Brak ragt neben ihm auf wie ein unerschütterlicher Fels. Ihm hat ein kurzer Blick auf Lorne gereicht, um sie als Mirdans kleine Tochter zu erkennen, und er sieht nicht so aus, als wolle er sich noch mal mit ihrem Tod abfinden wollen.

Der erste Angreifer, der sich auf die beiden stürzen will, rechnet nicht mit der Entschlossenheit des bärenhaften Mannes, der den Schwertstreich mit unerbittlicher Kraft abfängt, indem er das Handgelenk des Söldners umklammert und ihn in einen Nahkampf verwickelt, bei dem sein Schwert fast mehr eine Behinderung als ein Vorteil ist. Rashid packt den Griff seiner Waffe fester. Bleiben noch zwei. Immer noch einer mehr, als ich mir wünschen würde!, denkt er sich grimmig, Aber das lässt sich ja vielleicht ändern. Stahl prallt singend auf Stahl, als sich die Klingen kreuzen und die Kontrahenten schenken sich nichts, während die Geistlichen das Geschehen mit Angst geweiteten Augen eng an die Wände gepresst beobachten, bis sich für sie eine Gelegenheit gibt, aus dem Raum zu huschen. Rashid hat keine zeit dafür nach den anderen zu sehen, so gern er auch einen Blick auf Janna riskiert hätte, doch zumindest hört er ihre Stimme. >>Sira! Gabh an paipear! Greas ort!!<< Was auch immer das heißt, das letzte klingt wie ein Fluchen und Rashid muss unwillkürlich schmunzeln, was ihn fast sein linkes Ohr gekostet hätte, so dicht pfeift eines der Schwerter an seinem Kopf vorbei. Finte, Parade, Ausfall. Alle drei sind gute Fechter, aber die Gegner des Wüstenkriegers sind zum Glück wenig aufeinander eingespielt, so dass sie ihren Vorteil nicht ganz nutzen können. Gurgelnd geht einer von ihnen zu Boden, als Rashids Waffe seinen Brustkorb zerteilt. Er will gerade nachsetzen und den verbliebenen Söldner attackieren, als Brak ihm, in einem wilden Knäuel mit seinem Gegner, in den Weg rollt.

Rashid strauchelt. Instinktiv reißt er seinen Säbel zur Abwehr hoch, aber er kann den Angriff nur noch abfälschen, der ihm den Kopf von den Schultern trennen sollte, so dass die Breitseite des Schwertes seine Schädeldecke streift. Ein Meer von Sternen tanzt für den Bruchteil von Sekunden vor seinen Augen, die ihm wie eine Ewigkeit vorkommen. Er taumelt zurück und schüttelt den Kopf, um wieder klar sehen zu können. Eine Schwertspitze, die auf seinen Bauch zielt, ist das erste, was er zu sehen bekommt. Keuchend bringt er seinen Krummsäbel noch schützend dazwischen, doch das Schwert streift seine Taille, allerdings ohne das Kettenhemd zu durchdringen. Sein Gegner kommt ihm durch seine Attacke sehr nahe und Rashid schlägt zu. Nicht mit der Klinge sondern mit dem massiven Griff seiner Waffe, der krachend mittig auf der Stirn des Söldners landet. Die dünne Haut platzt auf, und rotes Blut ergießt sich aus der Wunde und vernebelt dem Söldner die Sicht. Das ist sein Ende. Als Rashid Zeit zum Luftholen hat, sieht er sich um. Del ist ebenso wie Brak in einen Kampf verwickelt, während Lorne und Janna sich mit dem Bräutigam abmühen, der irgendetwas mit seinem Leben zu verteidigen scheint. Übrig bleibt noch ein beleibter Mann in kostspieliger Kleidung und mit Goldschmuck behangen. So sieht ein Auftraggeber aus, denkt sich Rashid und richtet seine Waffe drohend auf den Mann. „Pfeif sie zurück, oder ich sorge dafür, dass Dein Hals nie wieder eine Goldkette tragen wird!“ Ein kurzer Seitenblick zu Janna zeigt ihm, dass sie nicht mehr lange durchhalten wird und Rashid kommt verwundert der Gedanke, das er gleich vermutlich Vater werden könnte. "Los, wir haben es eilig!"

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 20. Mai 2006, 16:41 Uhr
Es wäre für ihn viel leichter gewesen, an der Tür zu lauschen. Er weiß zwar, dass seine elbischen Sinne nur gering ausgeprägt sind, aber sie sind trotzdem besser als bei jedem normalen Menschen. Rashid will aber nichts davon hören, dass er besser geeignet sei und zischt nur ein aufgebrachtes >„Still!“< Del nimmt es schulterzuckend zur Kenntnis, wirft aber Brak einen vielsagenden Blick zu. So schön und gut es auch ist, hier zu lauschen. Es würde ihnen nicht dabei helfen weiter zu kommen, als verschwenden sie momentan einfach nur Zeit. Doch Rashid scheint plötzlich etwas gehört zu haben, was ihm nicht ganz so zusagt und ohne die anderen beiden groß darauf vorzubereiten, was er als nächstes vor hat, tritt er die Tür auf und lässt sie heftig gegen die Wand knallen. Das Geräusch hallt durch den ganzen Kerker und ist für mehrere Augenblicke der einzige Laut der zu hören ist. Als sei man auf einen bizarren Skulpturenkeller gestoßen, stehen alle regungslos auf ihrem Platz und starren sich gegenseitig wie Ölgötzen an. Del sieht Janna, die von einem großen Mann festgehalten wird. Davor ist Sira. Obwohl ihr Gesicht nass glänzt, scheint es ihr gut zu gehen. Tiefe Erleichterung macht sich in Del breit, aber er erhält keine Gelegenheit diesen Moment auszukosten, denn als Janna aus ihrer Starre erwacht und alle anderen registrieren, dass auch sie fähig sind sich zu bewegen, nimmt er die ganzen anderen Personen in diesem Raum erst wahr. Der Priester und die Novizen verwundern ihm am meisten. Nicht etwa, weil sie gerade wie aufgeschreckte Hühner in eine Ecke rennen und sich dort zusammenkauern, sondern weil Del anfänglich keine Ahnung hat, was ihr Anwesenheit zu bedeuten hat. Viel zu schnell entsteht panisches Gerenne und Gerangel, als das Del sich weiter darum Gedanken machen kann, aber so langsam dämmert es auch ihm, wobei sie gestört haben. Dem breiten Grinsen des Mannes, welcher gerade laut Befehle bellt und seine Männer auf sie zurennen lässt, sieht aber keineswegs unglücklich aus. Sondern eher so, als habe er alles was er will und braucht sich nun keine Gedanken mehr zu machen. >„Helf den beiden!“< Beim Klang der Stimme des Wüstenkriegers, sieht Del zu ihm, sucht dann Janna und Sira und stellt dabei fest, dass die sich nicht mehr an ihrem ehemaligen Platz befinden. Dort liegt jetzt nur noch der Bewacher Jannas und rührt sich kein Stück mehr. Wie auch, wenn ihm die halben Gedärme aus dem Bauch quellen. Überrascht heben sich Dels Augenbrauen, bemerkt eine Bewegung aus den Augenwinkeln und kann sich gerade noch rechtzeitig unter dem Dolch hinwegducken. Der Mann ist etwas kleiner als er selbst, aber nicht minder kräftig und er ist wie wohl jeder außer Del hier bewaffnet. „Verflucht seid Ihr mit Euren Waffen!“, brüllt er den Mann von unten an und noch während er aus seiner Deckung wieder erhebt, ergreift er den Dolcharm und verdreht ihn soweit, dass der Mann die Waffe fallen lässt. Folgen tut ein kräftiger Schlag mit dem Ellbogen in den Nacken und der Mann sinkt keuchend zu Boden.

Statt sich weiter um ihn zu kümmern, kümmert sich Del um Sira und Janna, die sich beide wohl den Anführer dieses Räuberpacks ausgesucht haben. Er hat gerade ein Schwert auf Janna gerichtet, doch diese sieht überhaupt nicht so aus, als würde sie das im mindesten beeindrucken. Froh sieht sie zwar auch nicht gerade aus, aber ihr Gesichtsausdruck lässt Del sich fragen, was die Männer mit ihr angestellt haben, dass sie trotz Schwangerschaft der Meinung ist Männer umzubringen oder sich zumindest ihnen in den Weg zu stellen. >„Gabh an paipear! Greas ort!!< Was auch immer Janna von sich gegeben hat, Sira scheint es zu verstehen und huscht plötzlich durch das Gerangel in dem Keller zu dem Mann hin. Da er mit dem Rücken zu ihr steht bekommt er davon nichts mit, dafür aber eine großgewachsene blonde Frau, die plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht und Sira abfängt. „Hey!“, ruft Del ihr entgegen, weil er es überhaupt nicht leiden kann, wenn sich jemand derart an seiner Fasttocher vergeht. Die Frau funkelt ihn wütend an und ruft dann einem Morten was zu. Del hat keine Ahnung wer das sein soll, aber es ist auch egal. Die Frau deren Stimme eindeutig einen nordischen Klang hat, zückt plötzlich einen Dolch, aber bevor sie diesen auch nur ansatzweise an Siras Hals anlegen kann, ist Del bei ihr und hat ihn ihr aus der Hand geschlagen. Auch wenn es nicht zu seinen Vorlieben zählt, so hat Del keine Hemmungen damit auch Frauen zu schlagen und diese hier hat es gerade verdient. Leider kommt er nicht dazu, denn zwei Männer umrunden ihn von einen Moment auf den anderen. Mögen die Götter wissen woher sie kommen. Hastig dreht sich Del um und bekommt noch mit wie Sira sich kraftvoll frei beisst und die blonde Frau zeternd ihre Hand umfasst. Gut gemacht, Kleines, denkt sich Del gerade, als die Männer vor ihm wild zu fuchteln anfangen. Über ihre Köpfe hinweg sieht er Brak und Rashid. Beide ebenso in Kämpfe verstrickt, aber trotz aller Anstrengungen die hinter ihnen liegen sieht es nicht so aus, als würden sie verlieren. Zufrieden dank dieser Erkenntnis grinst Del die beiden Männer mit blutverschmiertem Gesicht an. „Also noch könnt Ihr gehen. Einfach so, da ist die Tür.“ Er deutet mit dem Kopf in die entsprechende Richtung, muss aber gleich darauf mehreren Schlägen ausweichen, während ihm plötzlich etwas am Nacken klebt. Dünne, mit Armreifen verzierte Arme schlingen sich um seinen Hals und versuchen ihm die Luft abzuschnüren. Er hat überhaupt nicht mehr an die Frau gedacht und sie auch nicht für so dumm gehalten, sich mit ihm anzulegen. Andererseits hüpft selbst Janna mit ihrem Bauch durch das Getümmel. Durch das zusätzliche Gewicht kommt Del ins straucheln und spürt harte Faustschläge in die Magengegend, die ihm die Luft zum atmen rauben. Obwohl die Frau nicht stark zudrückt, wird ihm doch schummrig vor den Augen, da er sich nicht auf eins konzentrieren kann und weiterhin mit Schlägen malträtiert wird. Entschlossen lässt er die Hiebe auf sich nieder regnen, greift hinter sich und zerrt die erschrocken quieckende Frau über seinen Kopf hinweg nach vorne und schleudert sie regelrecht den Angreifern entgegen. In einem unheillosen Durcheinander kullern die drei über den Boden und verheddern sich in Haaren und Kleidern.

Hustend versucht Del dem widerlichen Kratzen in seinem Hals Herr zu werden. Sira und Janna sind noch immer mit dem Kerl beschäftigt, der wohl dieser Morten sein muss. Rashid hat ebenso wie Del gerade ein wenig Luft, schnappt sich aber schon den nächsten Mann. Ein älterer Herr, der mit seiner Größe und seinem Leibesumfang doch recht beeindruckend wirkt. Viel Spaß mit ihm, wünscht Del Rashid in Gedanken und sucht nach Brak. Der Einarmige sitzt keuchend an einer Wand. Auch er ist überall mit Blut befleckt, aber es scheint hauptsächlich dass der Gegner zu sein, die ringsherum um ihn verstreut liegen. In der Zeit, die Del wieder zu Atem kommt, erheben sich seine drei Angreifer. Die Frau funkelt ihn bitterböse an und sieht aus, als würde sie ihm gleich die Augen auskratzen. Doch sie zögert noch, da sie wohl weiß, dass sie bei einem direkten Angriff im Nachteil wäre. Die beiden Männer neben ihr, sind aber anderer Meinung und achten, nun da die Frau nicht mehr an seinem Rücken klebt, nicht mehr darauf wo sie hinschlagen. Die ersten Schläge lässt Del wieder so über sich ergehen, dann ewig möchte er dieses Spielchen nicht spielen. Immer häufiger weicht er den Hieben aus und greift seinerseits an. Als einer der Männer über einen bereits Gefallenen stolpert, ergreift Del ihn am Hinterkopf und knallt ihn, das Gesicht voran mit voller Wucht gegen die Mauer. Mit einem Seufzen geht der Kerl zu Boden und bleibt regungslos liegen. Der andere zeigt sich dadurch keineswegs beeindruckt, greift aber zu Dels Missfallen nach einem am Boden liegenden Schwert. „Verdammt!“ Hastig sieht sich Del um, schnappt sich ebenfalls einfach eins der glänzenden Dinger und versucht dann in absolut dämlichster Manier die Angriffe abzuwehren. Del weiß zwar gerade noch wie er ein Schwert halten muss, aber damit hört es dann schon auf. Zu seinem Unglück hat die Waffe einen viel zu kleinen Griff für ihn, so dass er fluchend das Ding kurzerhand seinem Angreifer entgegenschmeißt, der mit schreckgeweiteten Augen gerade noch verhindern kann, dass ihn das Schwert direkt im Gesicht trifft. Den Schreck des anderen nutzt er aus, um sich auf ihn zu stürzen und ihn zu Boden zu reißen, doch gerade als er ihm mit einem Schlag das Bewusstsein rauben will, klebt schon wieder das vermaledeite Weibsbild an ihm und klammert sich an seinem Arm. „Weib. Lass mich los oder ich schwöre dir, dass ich dein Gesicht zu Brei schlage.“ Sie lässt zwar nicht los, aber ihr Griff wirkt lockerer. Das reicht Del, um den begonnenen Schlag auszuführen und auch diesen Mann fürs erste außer Gefecht zu setzen. Mitsamt der Frau am Rücken erhebt sich Del und wuchtet sie dann erneut, dieses Mal aber an der Seite entlang, nach vorne und packt sie dann an beiden Oberarmen um sie kräftig zu schütteln. „Wenn du dich nicht zu seinen Leuten gesellen wirst, dann setzt dich verdammt noch mal in eine Ecke und heul rum, wie es jede normale Frau tun!“ brüllt er sie an und schubst sie dann achtlos über die am Boden liegenden Gestalten in Richtung Wand. Sie will aufbegehren, aber unter seinem Blick zuckt sie dann doch zurück und tut wie ihr geheißen. „Brav“, knurrt Del ihr zu und sucht dann nach Sira und Janna. Die scheinen ihr Ziel aber ebenfalls schon außer Gefecht gesetzt zu haben.

Darauf gefasst, dass irgendwo noch jemand in der Ecke lauert und ihnen gleich einen Dolch in den Rücken rammt, blickt Del sich einmal im Raum um, aber anscheinend ist keiner mehr da, der dies könnte. Alle Männer, außer dem Priester, den Novizen und ihnen selbst, liegen am Boden. Der Großteil tot, ein Teil nur bewusstlos. Rashid steht noch keuchend über seinem letzten Opfer und Brak sitzt noch immer inmitten seiner bewusstlosen Triumphe, als ein schmerzvoller Aufschrei die beinahe gespenstige Stille hier unten durchbricht. Augenblicklich drehen sich alle nach Janna um, die ebenfalls an eine Wand gelehnt sitzt. Sira ist bei ihr und redet unaufhörlich auf sie ein. „Was ist?“, will Del wissen, doch dann springt Rashid auf und eilt zu Janna. Das Kind! Sie alle haben gewusst, dass das Kind noch vor ihrer Ankunft in Talyra zur Welt kommen würde, dass es aber nun ausgerechnet in diesem Keller zum ersten Mal atmen will, findet Del überhaupt nicht amüsant. Es hätte sich wahrlich einen besseren Zeitpunkt ausdenken können. Janna verkrampft sich bereits immer wieder in Rashids Arme und scheint von ihrer Umgebung nicht mehr viel wahrzunehmen. „Kein guter Zeitpunkt,“ murmelt Del, gibt Brak ein Zeichen, dass er sich um die Priester und die blonde Frau kümmern soll und hetzt dann nach oben in die Küche. Er hat zwar von Geburten genauso wenig Ahnung wie von Schwertern, aber das man Wasser und Tücher braucht, weiß er noch. Zu seinem Glück ist das Küchenpersonal und wohl auch einige Stadtbewohner hier versammelt und kümmern sich noch immer um die hagere Gestalt, die kurz zuvor noch Befehle verteilt hat. „Dort unten möchte gerade ein Kind geboren werden. Wer weiß, was zu tun ist, sollte das jetzt tun... und zwar SCHLEUNIGST!“ Erschrockene Laute ertönen, dann beginnt jeder durch die Küche zu wuseln und die wenigen Frauen übernehmen plötzlich das Kommando und eilen zusammen mit Del wieder nach unten in den Keller, um dann Janna beizustehen. Während unter Schmerzen, Geschrei, Flüchen, besorgten Worten und den Anweisungen der fachkundigen Frauen das Kind geboren wird, kümmert Del sich um die bewusstlosen Männer und fesselt ihnen die Handgelenke. Die blonde Frau sitzt noch immer brav in ihrer Ecke und der Priester spricht trotz allem Widerwillen einige Worte für die Toten.
„Götter, ich hoffe, das war es jetzt endlich.“ Nachdem alle verschnürt oder auf den Weg zu Kyroms Fähre geleitet worden sind, lässt sich Del neben Brak an der Wand fallen und spürt dann mit einem Mal sämtliche Wunden, die Entbehrungen der letzten Zeit , sowie die Müdigkeit und Erschöpfung, die ihn jetzt zu übermannen drohen. Mit einer fahrigen Bewegung wischt er über die aufgeplatzte Stelle über seinem Auge, die wieder zu bluten begonnen hat und dreht den Kopf dann zur Seite. „Schlafen wäre jetzt was feines, nicht?“, meint er leise murmelnd zu Brak, der daraufhin nur schwach grinst und nickt.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 30. Mai 2006, 15:47 Uhr
Bevor Sira Mortens Rücken jedoch erreicht, kommt ihr jemand in die Quere, die es schafft, Jannas Blut von einem Augenblick zum Nächsten zum Kochen zu bringen und mit zu Schlitzen verengten, Zorn sprühenden Augen durchbohrt Janna die Immerfrosterin. Morten jedoch wartet nicht ab, sondern tritt vor und schlägt zu und es ist allein Soris zu verdanken, dass Janna gerade noch vor seiner Schwertspitze zurücktaumeln kann. Keuchend weicht sie ungelenk aus, den lächerlich kleinen Dolch von sich gestreckt, jede Bewegung des Mannes mit Argusaugen verfolgend, um voraussehen zu können, was er als Nächstes versuchen wird. Ich sollte ein Kind gebären… und nicht kämpfen! Doch weder ist dieser Gedanke hilfreich, noch tröstlich, weswegen sie die Hoffnung auf eine stille, ruhige Geburt ersteinmal unter einem Berg von Möglichkeiten begräbt, überhaupt lebendig aus diesem Chaos herauszukommen. Mortens Gesicht wird von einem fiesen Grinsen bedeckt, das mit solcher Bitterkeit und solchem Hohn gesegnet ist, dass es Janna kalt den Rücken hinunterläuft. Ihre Beine fühlen sich schwer und träge an, ihre Bewegungen haben die Geschmeidigkeit verloren und erinnern an den Kampf einer Schlange, die zuvor einen Stein verschluckt hat. Morten drängt sie zufrieden weiter an Toten und Bewusstlosen, an weissem Blumenschmuck und umgefallenen Kerzenständern vorbei und mit fataler Gewissheit, wird sie sich bewusst, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis die Wand in ihrem Rücken auftaucht. „Lass mich!“, faucht sie fast ein wenig kleinlaut und gräbt die Fersen in den Boden. Doch die nächste Wehe überrumpelt sie mit solcher Heftigkeit, dass es sie fast in die Knie zwingt und die Welt vor ihren Augen verschwindet in einem Strudel von Farben. Als sie keuchend und schnaufend wieder einigermassen zu sich kommt, spürt sie kalten Stein unter ihrem Knie und ein aufgebrachtes Fluchen dringt an ihr Ohr. Verwirrt sieht sie sich suchend um und erkennt entsetzt, dass Sira sich erneut todesmutig am Mortens Rücken festgekrallt hat, der sich nun schüttelt, wie eine nasse Katze, um das lästige Anhängsel los zu werden. Er ist unaufmerksam und das ist es, was Janna ausnutzt. Schwerfällig erhebt sie sich aus ihrer knienden Position, wankt vor, weicht zur Seite und schlägt dann mit dem Knauf des Dolches blindlings auf Morten ein. Sie spürt den Schlag bis in die Schulter und hört ein hässliches Knacken von dort, wo der bronzebesetzte Knauf auf die Schläfe des Mannes prallt, der kurzum die Augen verdreht und wie ein Stein zu Boden sinkt. Er ist wohl zumindest für die erste Zeit ausser Gefecht und auch wenn nicht, so hat sie keine Musse, sich weiter um ihn zu kümmern.
Selbstgefällig betrachtet sie mit roten Wangen und schnaufendem Atem Sira, wie diese den Vertrag in den Händen hält und ihn anstarrt, als wäre es die Offenbarung des Dunklen, bevor sie sich mit bleichem Gesicht bis zur nächsten Wand angelt und dort niedersinkt, nun endgültig die Müdigkeit und Kraftlosigkeit ihres Körpers spürend. Ihre Glieder fühlen sich so schwer an, als fliesse Blei statt Blut durch ihre Adern und nur mit allergrösster Anstrengung schafft sie es, sich irgendwie in eine einigermassen bequeme Stellung zu hieven.

Keinen Herzschlag zu früh, denn bevor sie weiss, wie ihr geschieht, zieht sich etwas in ihrem Bauch krampfhaft zusammen und ein dumpfer Schmerz lässt sie von den Sohlen bis zum Scheitel erzittern und entlockt ihr einen hellen Schrei. Etwas reisst in ihrem Körper, gibt dem ständig wachsenden Druck nach und hinterlässt nur noch den Wunsch den Schmerz, der sich mit geifernden Klauen durch ihren Körper windet, hinauszuschreien, was sie auch ohne viel Federlesen tut. Schwer schnaufend krallt sie sich mit aller Wut und Verzweiflung, die ihren Körper nebst den Schmerzen aufbäumen lässt, an Lornes Hand fest, wird für einen flüchtigen Augenblick krebsrot, als die nächste Welle sie wie ein Hammerschlag überrollt und zieht dann pfeifend die kostbare Luft in ihre Lungen, Rashid dabei aus blitzenden Augen mit einem vernichtenden Blick strafend: „Duu!“, zischt sie ihm entgegen, die Stimme so heiser wie eine strangulierte Krähe: „Wenn ich dich… uhhhhhhhah… in die Finger kriege… du infantiler Bastard, du dreckiger Hundsfott… dann… ARGH! Bring. Ich. Dich. UM! Du…“ Der Rest ihrer Verfluchungen und Verwünschungen geht in der nächsten Wehe unter, welche die Schmerzen in neue, sogar Janna noch unbekannte Sphären klettern lässt. Jappsend sinkt sie schliesslich wieder gegen die steinharte, kalte Wand zurück und starrt fuchsteufelswild auf ihren Bauch, dessen Haut einmal weich und dann wieder steinhart ist. „Ich weiss das du… uff… raus willst… aber… MACH SCHNELLER!“ Gebeutelt von der Pein tritt sie mit den Füssen in die Luft vor sich, drückt ihr Kreuz durch und wirft den Kopf in den Nacken, derweil ihr die Schmerzenstränen über die Wangen laufen. Ihr Haar klebt schweissfeucht an ihrer Stirn, genauso wie das Hemd, dass sie noch an hat an ihrer Haut pappt, wie die Bienen am Honig. Prustend und ächzend stemmt sie die Fersen zwischen die Ritzen der Steine, erinnert sich daran zu atmen und erneut endet Rashid als Zielscheibe, um ihren aufgestauten Gefühle, die gerade in Höchstform schwinden, freien Lauf zu lassen, ohne dabei die Frauen zu beachten, die beruhigend auf sie einreden. „Duuu  und Callios… Kommt mir… bloss nie mehr… in… die… UAH! DU VERFLUCHTES BALG!... Mistkerle! Beide… zusammen! Verschwindet, ihr Weiber! ... uaaa… Kümmert euch um wen anders… Ich bekomme hier nur ein Kind! Da hinten gibt’s andere, denen ihr mit eu… ufff… Quacksalbereien….. arghs…. Kommen könnt.“ Siras Finger sind wahrscheinlich längst blau gequetscht, doch Janna denkt nicht daran ihre einzige wirkliche Stütze in diesem Kampf los zu lassen, denn sobald eine der Frauen, oder aber Rashid ihr zu nahe kommt, bedenkt sie diese mit einem solch mordlüsternen Blick, dass ausser Rashid, diesem vermaledeiten, sturen Sack alle automatisch wieder zurückweichen und das Grollen, das aus ihrer Kehle kommt, erinnert an einen äusserst mies gelaunten Bären, den man mitten aus seinem tiefsten Winterschlaf gerissen hat. Doch irgendjemand muss das Kind an sich nehmen, die Nabelschnur abtrennen, es waschen und einwickeln und… Wenigstens… alles da… was man braucht… bei allen Göttern. Anukis! Aff… steh mir bei… „Na gut“, presst sie schliesslich hervor, weiss, wie geronnene Milch und fuchtelt mit einer Hand, die sie kurzzeitig von den Laken löst, in Richtung der Frauen herum, die sich nicht sicher sind, ob sie sich der Gebärenden nähern können, ohne dafür irgendwelche Tritte zu ernten: „Die Decken! Tücher… heisses Wasser… brauchen wir… die Nabelschnur muss…Götter, Rashid, ich prügele dir… argh… dein verdammtes Grinsen gleich aus dem Gesicht!... A..aaaaa….“ Sie kommt nicht weiter, denn eine weitere, heftige Wehe überrollt sie und wachsbleich krümmt sie sich zusammen und versucht ihre Gedanken bei klarem Verstand zu halten.  

„Heisses Wasser! Ein… sauberes, gottverdammtes Messer! … Sofort!“ Sie hat selbst einige Geburten bei den Amazonen miterlebt und dort geholfen und daher weiss sie auch, was es alles braucht, doch ob es in diesem stinkenden, kalten Keller ohne Schwierigkeiten ablaufen würde, kann sie beim besten Willen nicht mehr sagen. Ihr fiebrig glänzender Blick aus glasigen Augen richtet sich schliesslich fast schon sanft auf Lorne, die zitternd wie Espenlaub neben ihr sitzt und es anscheinend nicht wagt, sich auch nur einen Sekhel von ihrem Platz fort zu bewegen. „Sira“, wispert Janna leise, um die junge Frau nicht zu erschrecken und kämpft gleichzeitig mit der nächsten Wehe, die sie von den Zehen bis zu den Haarspitzen durchrüttelt und ihre Muskeln zu matschigweichem Pudding verkommen lässt. „Hör… hör mir zu… Sira… Rashid, du Dreckskerl! Du musst… Kräuter!... Ich HASSE dich Rashid! Kräuter… Handvoll Kräuter… es sind… ahhhhhhh, Bei allen Göttern! Ich… arghs… erwürge dich Rashid, filettieren werd ich dich!!... dich kastrieren! ...Grosse, gelbgrüne Blätter! Götter helft!...“
Fest presst sie ihre Lippen aufeinander, versuchend sich nicht vollkommen im Schmerz zu vergessen und hält die Hand Siras weiterhin fest, wie eine Ertrinkende einen Rettungsanker. Heftig keuchend öffnet sie noch einmal den Mund, hört ihre eigene Stimme, kratzig und zäh, wie eine rostiges Säge, die durch morsches Holz fährt: „Nimm die Kräuter… in… ah… den Mund… u… zerkau sie… und… UAHH!... Verfluchtes Kind!... DAS tut weh!...Sira! Leg sie auf den… Bauchnabel…des… Babys… vorsichtig… der ARGHS! Nabel ist sehr empfiiiiiiiiindlich!“ Janna hat keine Ahnung wie sie es schafft all diese Anweisungen zu geben, aber die Tatsache, dass danach keiner mehr um sie herumsteht und sie mit weit aufgerissenen Augen mustert, wie eine preisgekrönte Kuh auf dem Markt, erleichtert es ihr eindeutig sich auf sich selbst zu konzentrieren. Sie fühlt das Kind, wie es schwer in ihr liegt und als sie mit fliegenden Fingern über ihre gespannte Haut tastet, kann sie fühlen, dass der Winzling richtig liegt, mit seinem werten Hintern nach oben. Ausser Atem schliesst sie die Augen, derweil die Wehen immer dichter aufeinander folgen und sie gar nicht mehr tun kann, ausser atmen, rot und weiss werden, atmen, fluchen, atmen, sich festkrallen und innerlich beten, dass es endlich zu Ende geht. Und mit einem Male wird aus dem unbarmherzigen Schmerz ein hohles Summen irgendwo in ihrem Becken und der Drang zu pressen überrumpelt sie mit solcher Kraft, dass sie erschrocken ein „Huch“ von sich gibt, bevor ein unmenschliches Knurren ihrer geschwollenen Kehle entweicht und ihre Zähne unter dem Druck knirschen. Es fühlt sich gut an endlich etwas tun zu können und nicht nur wie ein hilfloses, unfähiges Etwas auf dem Boden liegen zu müssen. Sie hört verschwommen die Worte einer Frau, die ihr zugleich beruhigend über die Stirne streicht und sie kann die Nähe anderer Frauen fühlen, die sie umgeben und diese Tatsache gibt ihr, obwohl sie lieber alleine gewesen wäre, einen Funken von Mut.  

In einem kalten, elenden Keller voller Toter… Das ist kein Ort für ein Kind. Die Tränen rinnen ihr heisst über die Wangen, doch alles was sie noch über ihre aufgerissenen, blutigen Lippen bringt ist ein kleinlautes Winseln. Ihre Finger graben sich tief in Siras Arm, der wahrscheinlich bereits gänzlich blau ist und der seltsamen Geruch nach Pfirsich und warmer Sonne umgibt sie wie ein dichter Nebel. In den Sekunden, die ihr zwischen den Presswehen gegönnt werden, ist sie vollauf damit beschäftigt Sauerstoff in ihre Lungen zu pressen, ihre Kieferknochen zu entlasten und sieht sich gleichzeitig suchend nach Rashid um, um ihn mit weiteren, wilden Blicken zu bedenken, um ihm deutlich zu zeigen, dass sie ihm noch _längst_ nicht verziehen hat. Die Last, die auf ihr Becken drückt nimmt stetig zu und jedes Mal wenn das Kind ein wenig vorrückt, wird der Drang, noch fester zu pressen stärker. „Jemand!“, bringt sie keuchend hervor und wedelt mit einer schwachen Bewegung in Richtung ihrer Beine, bevor sie flehentlich hinterher setzt: „Das Kind!“  
Sie kann nur noch Schemen erkennen und mit einem Male, nach einer letzten, endlos erscheinenden  Wehe, ist es plötzlich vorbei und jeder Druck ist verschwunden. Erschöpft fällt Janna hart gegen die Wand zurück, keucht und pfeift, wie ein löchriger Teekessel und murmelt mit blutleeren, aufgerissenen Lippen eine Danksagung nach der Anderen an die Götter hinunter. Ihr Körper fühlt sich so schlaff an, wie ein toter Fisch, trotzdem hebt sie neugierig den Kopf, stützt sich mit liebevoll glitzernden Augen auf die Ellbogen und sieht sich mit müden Augen nach ihrer Tochter um. „Ist sie… gesund?“, murmelt sie leise, lässt es sogar geschehen, dass eine der Frauen ihr hilft sich aufzusetzen und ihr als Stütze den Arm in den Rücken schiebt. Sira hält das Kind in den Armen, derweil eine ältere Frau mit wild wallendem, grauem Haupthaar gerade mit einem fein säuberlichen Schnitt die Nabelschnur abtrennt. Sofort legt die Sira die Kräuter darauf und deckt den winzigen, verschrumpelten und noch von Käseschmiere und Blut bedeckten Körper dann fein säuberlich zu, bevor sie sich mit glänzenden Augen zu Janna umwendet und sprachlos meint: „Es ist… ein Junge.“ Es dauert mehrere Herzschläge bevor der Sinn hinter den Worten in Jannas Verstand angekommen ist, doch dann klappt ihr Mund auf und ein ungläubiger Laut kommt über ihre Lippen, derweil sie zu begreifen versucht, wie das sein kann. Die ganze Zeit… ich dachte… ich… bei allen Göttern, ich habe einen Sohn! Das zarte Lächeln kehrt wieder auf ihre Lippen zurück und sie streckt die Arme aus, will ihn sehen und ihn fühlen und Sira hält in ihr hin, das Gesicht immer noch voller Verblüffung darüber, dass es plötzlich so schnell gegangen ist. Jannas Hände schliessen sich sanft um das kleine Bündel Leben und dann sieht sie zum ersten Mal das ein wenig zerknautscht wirkende Gesichtchen ihres Sohnes mit eigenen Augen und hört sein empörtes Quäken. Blondes Haar… er hat blondes Haar… Callios.  

Vollkommen fasziniert, erschrocken und verliebt zugleich blinzelt sie ihn an, streicht ihm hauchzart über seine hohe, in empörte Fältchen gelegte Stirn, betrachtet den rosigen Mund, die wunderschöne, spitze Nase, die geschlossenen Augen mit dem Flaum an hellen Wimpern und denkt dabei keinen Augenblick daran, dass Rashid noch irgendwo im Raum sein muss. Ihre Stimme ist kratzig und rau, als sie ihrem Sohn, der bereits eifrig sein Gesichtchen an ihre Brust drückt, einen Kuss auf das weiche Köpfchen haucht: „Iéil… du hast Hunger, oder?“
Der Winzling gibt einen leisen, hungrigen Schmatzlaut von sich und lächelnd legt sie ihre Brust frei. Mehr muss sie gar nicht mehr tun, denn kaum haben die schmalen Lippen Iéil’s den richtigen Platz gefunden saugt er so hart daran, das ihr ein erschrockener Laut entfährt und sie nur noch staunen kann. „Bei allen Göttern, ich habe einen Sohn.“ Schnell überprüft sie seine Hautfarbe, die in einem gesunden, rosa Ton strahlt, zählt alle seine Finger und Zehen mindestens sieben mal durch, prüft die Reflexe und kann dann nur noch staunen über das Wunder, dass sie da in ihren Armen hält und das sich so vertrauensvoll an sie schmiegt. Die Hölle, durch die sie eben zuvor noch gegangen ist, ist längst vergessen und alles was noch zählt ist die Tatsache, dass ihr Kind gesund zur Welt gekommen ist und anscheinend einen gewaltigen Hunger hat.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 09. Juni 2006, 13:08 Uhr
Lorne versteht Janna nicht gleich, als diese ihr etwas in der Sprache der Amazonen zuruft, doch dann versteht sie den Sinn der Worte doch. Ganz von allein kommt die Erinnerung zurück und auch wenn sie schon mehrere Götterläufe lang nicht mehr in der Stadt ihrer Geburt war, so hat sie die die Sprache ihrer Mutter – ihre eigene Sprache – trotz allem nicht vergessen.Ohne nachzudenke, setzt sie alles daran, Jannas Worte zu befolgen. Alles was danach geschieht, erlebt sie nur noch wie im Traum. Mit ungeahnter Schnelligkeit rasen die Ereignisse an ihr vorüber, überschlagen sich regelrecht, sodass die junge Frau kaum noch begreift, was eigentlich geschieht. Sie weiß nur eines: sie ist verheiratet, warum und weshalb versteht sie nicht, begreift nur, dass es vermutlich irgendetwas mit ihrem vater zu tun hat. Groß darüber nachdenken kann sie allerdings nicht. Kaum hat sie das Pergament, welches bezeugt, dass sie nun nicht mehr Lorne Thaín, sondern Lorne Shalraith ist, an sich gebracht, da findet sie sich auch schon in einem riesigen Durcheinanderwieder und kommt erst wieder recht zu sich, als sie spürt, wie Janna ihr schier die Hand zerquetscht, während sie laute, wüste Verwünschungen und Flüche ausstößt, die sich wechselweise auf Rashid und irgendeinen Callios beziehen. Lorne weiß nicht, was sie tun kann, um der Amazone zu helfen, also sitzt sie einfach nur neben ihr und starrt faszieniert auf Jannas gewölbtenb Bauch, der sich immer wieder bedrohlich hebt und senkt, verkrampft und lockert, und wartet ab, was weiter passiert. Ohnehin könnte sie sich kaum vom Fleck bewegen, denn die ehemalige Pfirsichmaid scheint nicht im Geringsten daran zu denken, ihren Griff zu lockern, stattdessen verstärkt sie ihn jedesmal noch etwas mehr, wenn eine neue Wehe über sie hinwegrollt und Lorne kann nur hoffen, dass ihre Finger alle noch heil sind, wenn es endlich vorüber und das Kind geboren ist.

Als sich Jannas Hand ganz plötzlich ihren Griff löst, spürt Lorne zunächst gar nichts, ihre Finger scheinen vollkommen taub und unbeweglich zu sein. Darum kümmert sich die junge Frau aber nicht weiter, stattdessen schenkt sie ihre Aufmerksamkeit voll und ganz dem kleinen Menschenkind, welches mit einem Mal in Jannas Armen liegt. Erstaunt fragt sie sich einen kurzen Momentlang, wie es da hingekommen sein mag, schüttelt irritiert den Kopf und muss dann hysterisch Kichern. Der lachkrampf hält aber zum Glück nicht lange an, die Spannung, die Lorne diee letzten paar Minuten über verspürt hat, löst sich langsam auf und sie lächelt, als sie hört, wie Jann das winzige Geschöpf in ihren Armen nennt. »Iéil.« Ein schöner Name. Die junge wiederholt ihn mehrmals, aber nur leise, um Janna und das Neugeborene nicht zu stören. Schließlich wendet sie sich ab und schaut sich um, es sind ohnehin genug Leute anwesend, die sich statt ihrer um die Amazone und das Kind kümmern können und wollen.
Der Blick der jungen frau fällt auf Morten. Von Janna niedergestreckt, liegt er da und rührt sich nicht, ob er tot oder nur bewusstlos ist, vermag Lorne nicht zu sagen. Das also ist mein Mann, denkt sie bei sich und kann einen leichten schauder nicht verhindern. Verstohlen sieht sie sich um, alle sind mit Janna beschäftigt, so scheint es. Rashid, Del und Brak ruhen sich aus, scheinen aber auch als nächstes zu der Amazone hinübergehen zu wollen, zumindest der Südländer erhebt sich und will offenbar in die entsprechende Richtung gehen und es ist davon auszugehen, dass zumindest Del ihm folgen wird. Lornes Blick bleibt an Brak hängen, wird dann aber von einer Bewegung zu ihren Füßen abgelenkt. Morten rührt sich, der Immerfroster muss sich also noch nicht vor den Göttern verantworten. Der jungen Frau gefriert das Blut in den Adern und ihr wird übel. Die Vorstellung mit diesem Mann durch den heiligen Bund der Ehe verbunden zu sein, schmeckt ihr nicht.

Etwas neben ihrer Fußspitze blitzt auf, Morten bewegt sich erneut, stöhnt leise auf, einen unverständlichen Fluch auf den Lippen. Ohne nachzudenken bückt Lorne sich und bekommt ein schmutziges Messer zu fassen. Es muss im Kampf zu Boden gefallen sein. Vorsichtig nähert sie sich dem Immerfroster und beugt sich vor. Nichts. Sie wird mutiger und tritt noch etwas näher. Unvermittelt greift Morten nach ihrem Fuß, fahrig, nicht genau gezielt, aber er bekommt sie zu packen. Lorne stöß einen spitzen Schrei aus, tritt dem am Boden liegenden Mann mit dem freien Fuß in die Lenden ... und sticht zu. Einmal, zweimal, dreimal lässt sie das Messer in ihrer Hand niedersausen, ohne bewusst zu ziehlen oder sich darüber Gedanken zu machen, wohin sie sticht. Ein entsetzlicher Schmerz schießt von ihrer Hand hinauf bis in ihre schulter, als das Messer den sich windenen Körper zum ersten Mal trifft, Kleidung und Haut bilden einen größeren Wiederstand für die Klinge, als man vermuten mag. Der nächste Stich sitzt bereits etwas besser, zumindest dringt er leichter durch die Schichten, die ihn behindern. Beim dritten Mal erwischt Lorne aber augenscheinlich einen Knochen. Die Klinge prallt auf den harten Wiederstand und erneut jagt dem Mädchen erneut heftigenSchmerz bis in die Schulter hinaus. Zudem sitzt die Waffe überraschend fest, sodass Lorne sie nbicht wieder an sich nehmen kann. Zittern steht sie da und starrt fassungslos auf Morten hinab, der nun vollkommen regungslos vor ihr liegt. „Ist ja gut, Mädel, ist ja gut“, brummt eine sanfte Stimme hinter ihrem Rücken, ein Schatten fällt über ihre Schulter und sie spürt, wie jemand sie mit der hand besänftigend tätschelt. Brak. Lorne hat ihn sofort erkannt, als er mit Del und Rashid hinab ins Kellergewöbe gestürmt war, sie hatte die Erkenntnis wahr genommen, aber noch nicht weiter verarbeitet. Nun dreht sie sich zu ihm um und sieht ihn ebenso fassungslos an, wie kurz zuvor noch Morten. „Wie kommst du hier her?“, fragt sie stotternd, der Seebär lächelt gutmütig. „Ist 'ne längere Geschichte, Mädel“, erwidert er freundlich. „Ich erklär's dir später.“ Lorne nickt bloss.

Brak hält sein Versprechen, und nicht nur das, er erklärt ihr auch alles andere und so kommt Lorne aus dem Schaudern nicht mehr raus. „Ein Windspiel“, meint Brak schließlich trocken, „und zwar eines, dass sich zu einem ausgemachten Sturm ausgebreitet hat. Einmal mehr kann Lorne ihm nur mit einem stummen Nicken zustimmen. Jetzt wo sie weiß, wer Morten ist, was es mit dem Haus Shalraith auf sich hat und welcher Zwist schon seit Götterläufen zwischen ihrer und Mortens Familie herrscht, begreift sie einiges, auch wenn ihr unbegreiflich ist, wie man solch einen Streit zu solch einer dummen, unsinnigen Fehde ausweiten kann. Für die Intrigen, Ränke und politischen Machtspiele, die hinter der ganzen Angelegenheit stecken, hat sie nur Unverständnis übrig. Eines macht Brak ihr allerdings deutlich: „Du solltest Morten heiraten, um den Besitz deiner Familie rechtmäßig mit dem der Shalraiths zu verbinden. Nur dazu wollte man dich benutzen, danach hätte man dich nicht mehr gebraucht.“ Lorne fröstelt, als sie sich bewusst wird, dass man sie töten lassen wollte, nachdem sie die Heiratsurkunde unterzeichnet hatte. Damit hatte sie ihre Schuldigkeit schließlich getan. Brak scheint an ihrem Gesichtsausdruck ablesen zu können, dass sie begriffen hat, die ganze Tragweite der zurückliegenden Ereignisse ist ihr aber noch nicht klar. Erstaunt und erschrocken zugleich, stößt sie Luft aus, als der Seebär mit seinen Erklärungen fortfährt. „Ja, du solltest sterben“, er nickt, „doch stattdessen hat es Morten erwischt, nicht dich. Weißt du, was das bedeutet?“ Brak lacht, doch Lorne schüttelt verständnislos den Kopf. „Du bist seine Witwe.“ Der einarmige Mann kann kaum noch an sich halten vor lachen. Nur sehr langsam dämmert es der jungen Frau. Überrascht weiten sich ihre Augen. Brak grinst. „Genau, ist das nicht komisch? Mit Morten stirbt die Linie der Shalraith aus. ... Und als seine Witwe.“ Er schüttelt sich erneut vor lachen, wird dann aber ernst. „Sowas nennt man wohl Gerechtigkeit“, knurrt er. „Der Wind lässt sich eben nicht beherrschen ...“ Er deutet auf das Pergament in Lornes Händen, welches die junge Frau während des Gesprächs unablässig in ihren Händen hin und her gewendet hat. „Pass gut darauf auf, du weißt jetzt was es wert ist ...“ Lorne nickt, tief in ihrem Inneren, ist sie aber alles andere als sicher, ob sie die Heiratsurkunde nicht einfach verbrennen sollte. Doch stattdessen versteckt sie das Dokument sorgsam.

Während Brak mit Lorne spricht und auch noch in den folgenden Tagen, bringen die anderen Ordnung in das Chaos. Es gibt viele Dinge, die geregelt werden müssen, bevor sie Dornheim endlich verlassen können. Zudem will niemand Janna, so kurz nach  Iéils Geburt zumuten, sofort wieder zu reisen. Da es für Lorne nicht viel zu tun gibt, kümmert sie sich die meiste Zeit über um die Amazone und  Iéil, stellt immer wieder faszinierte Fragen und versucht Janna so gut es eben geht behilflich zu sein. Das unbeschwerte, naive Mädchen, welches vor etlichen Mondläufen von Talyra aufgebrochen ist, um gen Norden zu wandern, ist zu einer ernsten, jungen Frau geworden, die immer noch gerne lacht, der aber anzumerken ist, dass die letzten Siebentage und Mondläufe sie nachhaltig verändert haben. Noch kann sich lorne nicht ganz mit dem Gedanken anfreunden, eine junge Witwe zu sein, die Vorstellung kommt ihr irgendwie absurd vor, was auch verständlich ist, wenn man bedenkt, dass sie kaum länger als eine Stunde verheiratet war, bevor ihr frischangetrauter gatte den Göttern empfahl. Des Öfteren holt Lorne daher die Urkunde hervor, die ihr bestättigt, was ihr noch immer wie ein schlechter Traum vorkommt. Lange wendet die junge Frau das Dokument dann hin und her und fragt sich, was dies alles für ihre Zukunft bedeuten mag.
Zunächst einmal, soviel steht schon fest, wartet eine weitere, lange Reise auf sie, diesmal nach Dunkelschein in Immerfrost, so hat Brak es entschieden. Lorne hat etwas gezögert, sich seiner Entscheidung gefügt. Es fällt ihr schwer, Del, Janna und die anderen zu verlassen, aber nun wo Brak da ist hat sie zumindest wieder soetwas wie eine eigene Familie. Außerdem zieht es die anderen nach Talyra, wohin die junge Frau vorerst nicht so recht zurückkehren mag und so scheint es die beste Lösung, dass sie fortan bei Brak bleibt. Auch Rashid zieht es vor, sich von der Gruppe zu trennen. Er hat von guten Geschäften gehört und möchte Asha zurückholen, weshalb er erst in einigen Siebentagen nach Talyra zurückkehren will, wenn überhaupt. Also bereiten sich alle darauf, Dornheim endlich zu verlassen, treffen letzte Vorbereitungen, versorgen sich mit Proviant, Reittieren und frischen Kleidern ... und dann ist es soweit, der Tag  des Abschiednehmens ist gekommen ...

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Del am 14. Juni 2006, 22:23 Uhr
Obwohl der Tag an dem Iéil das Licht der Welt erblickt hat, sich vor Ereignissen nur so überschlagen hat, verschwimmt ein Großteil der Geschehnisse schon nach wenigen Tagen im Nebel des Vergessens. Es gibt zuviel Aufregung und zu viel zu tun, als das man noch lange an den dreckigen Keller, die Toten und Verletzten oder auch an den ganzen Rest denkt. In etwas stilleren Momenten lässt Del das Chaos um Iéils Geburt noch einmal Revue passieren, aber im allgemeinen versucht er die Gedanken daran zu vertreiben. Er mag nicht daran denken. Selten hat er getötet und an diesem Tag einmal zu oft. Nur ein einziges winziges Leben ist dagegen zu halten. Für Del macht es bei Geburt und Tod kaum einen Unterschied ob gut oder böse gesinnt, zählen tut nur, dass er gemordet hat. Zwar um Janna und Sira zu beschützen, aber die Spielfiguren Mortens hätten noch leben könnten, hätten sie eingesehen, dass diese Zwangsehe von Anfang an eine äußerst schlechte Idee gewesen ist. Doch nun ist alles geschehen und längst schon einige Siebentage her. Die Stadt Dornheim hat sie trotz der Morde wohlwollend aufgenommen und der Wirt des „Roten Sperlings“ hatte ihnen kostenlos Zimmer für die erste Zeit zur Verfügung gestellt. Wieder einmal musste Geld herangeschafft werden, damit man Kleidung, Windeln, Cremes, Puder und allerhand andere Dinge kaufen konnte, die so ein neugeborener Winzling braucht. Del der absolut keine Ahnung von Babys hat, hatte die erste Zeit immer einen recht großen Bogen um Janna und ihren Nachwuchs gemacht. Rashid, der immer der Meinung war, dass das Kind von ihm sei, ebenfalls. So verlief die erste Zeit in Dornheim wie bei den Zwischenstopps ihrer Reise: die Männer arbeiteten und die Frauen blieben in der Taverne und kümmerten sich um den Nachwuchs. Während dieser Zeit stellte Del fest, dass Rashids ehemalige Zuneigung zu Janna teilweise nachließ. Vielleicht war der Schock, dass es doch nicht sein Kind ist, einfach zu groß, so dass er Abstand brauchte, um diese Neuigkeit zu verarbeiten. Wie auch immer, jeder arrangierte sich mit der neuen Situation so gut es eben ging. Sira und Brak nutzten die Übergangszeit in Dornheim, um alte Erinnerungen aufzufrischen.

Del jedoch weiß überhaupt nicht, was er davon halten soll, denn das was er die ganze Zeit über befürchtet hat, bewahrheitet sich am heutigen Tag. Am frühen Morgen schon hatte Sira ihm mitgeteilt, dass sie nicht nach Talyra zurückkehren wird. Anfangs hielt er es noch für einen schlechten Scherz, aber nun wo sie mit gepackten Sachen voreinander stehen und alle beklommen in der Gegend herumstarren, ist es nicht mehr zu leugnen. Auch Rashid hat sich entschieden einen anderen Weg einzuschlagen. Alle ihre Taschen stehen ordentlich aufgereiht im Schatten einer mächtigen Eiche und warten darauf, dass ihre Besitzer sie endlich weiter auf Reisen mitnehmen. Hund und Katze haben sich ebenfalls in den Schatten gelegt und warten darauf, dass etwas passiert, aber so recht mag niemand von ihnen den Anfang machen. Bis auf Brak haben sie alle miteinander so viel Zeit verbracht, dass es zumindest Del unmöglich erscheint, dass sie sich nun voneinander verabschieden müssen. Schließlich ist es Brak, der den ersten Schritt macht. Immerhin scheint er kein Mann großer Sentimentalitäten zu sein, tritt an Rashid, Janna und Del heran, gibt jedem die Hand, umarmt sie anschließend alle einmal und geht dann wenige Schritte zurück. Del wirft einen Blick zu Sira, entscheidet sich aber dafür, dass er erst Rashid Lebewohl sagt. Der Südländer behauptet zwar, dass er ihnen in wenigen Wochen folgen wird, aber etwas in seinem Blick straft seine Worte Lüge. Es ist nicht dein Kind und nun suchst du dein Heil in der Flucht... Hat sich deine Liebe nur wegen dem Kind geändert? Del sieht ihn lediglich fragend an, aber will sich nicht mit Vorwürfen verabschieden. „Ich hoffe wir sehen und eines Tages wieder, alter Freund. Hin und wieder ein Spielchen und ein Krug Bier könnten mir gefallen.“ Er grinst Rashid breit an und umarmt den langzeitigen Begleiter dann mit Schulterklopfen. „Mach es gut... und verdreh nicht zu vielen Frauen den Kopf“, flüstert er ihm noch leise zu und überlässt ihn dann Janna.

Er selbst geht zu Sira hinüber und lässt sich in die Hocke sinken. Dadurch ist er zwar ein Stück kleiner als sie, aber andersherum wäre er viel zu groß für sie. „Hey Kleines... und du bist sicher, dass du gehen willst?“ Sie nickt stumm und man kann ihr deutlich ansehen, dass es ihr einiges an Beherrschung kostet um nicht zu weinen. Del lächelt traurig und lässt seinen Kopf für einen Moment hängen. Was sagt man in solchen Momenten? Sira ist für ihn wie eine Tochter. Kann er sich wieder daran gewöhnen allein durch die Welt zu ziehen? Vielleicht sollte er einfach hier sesshaft werden, aber nachdem auch Rashid andere Wege gehen will, kann er Janna nicht einfach allein nach Talyra ziehen lassen. Es ist nicht seine Aufgabe und doch hat er sich dafür entschieden. „Ich.... es wäre schön, wenn ich hin und wieder etwas von dir hören würde. Ich denke, ich werde eine Weile in Talyra bleiben. Werde ja langsam doch alt und sollte vielleicht mal sesshaft werden... oder zumindest versuchen.“ Er grinst ein wenig freundlich und blickt dann wieder in die dunklen, moosgrünen Augen. Jene Augen, die einst noch so verschüchtert und unsicher waren und jetzt nicht mehr länger die eines kleinen Mädchen sind. „Pass auf dich auf und hüte dich vor lüsternen Kerlen, ok? Wenn dir einer weh tut, dann lass es mich wissen und ich komme so schnell wie ich kann, ja?“ Irgendwo hinter ihm sind auch Janna und Rashid fertig mit dem Verabschieden und möchten wohl auch noch einige Worte an Sira richten. „Mach es gut, Kleines. Ich hoffe, du vergisst mich nicht und das wir uns irgendwann einmal wiedersehen.“ Er erhebt sich langsam, klopft sich den Dreck von der Hose und drückt dann das zierliche Mädchen an sich. Er möchte ihr so vieles sagen, erklären und sie ermahnen, was sie zu tun hat und was nicht, aber es bleibt keine Zeit dafür. Brak möchte noch vor der Mittagshitze aufbrechen und das Schiff, welches Janna und ihn mitnimmt, legt auch bald vom Hafen ab. Als er Sira wieder freigibt, greift Del in seinen Nacken und streift sich die Kette, die er nun schon seit Ewigkeiten bei sich trägt vom Hals. „Hier. Nimm die als Andenken.“ Es ist ein einfaches Lederband, an dem dunkle Perlen und Federn befestigt sind. „Vielleicht gefällt es dir ja.“ Wiederwillig macht Del für die anderen Platz und sucht schon mal die Taschen heraus, die Janna und ihm gehören. Sie sind um einiges voller, als noch vor kurzem, da der Großteil zu Iéil gehört.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 19. Juni 2006, 16:27 Uhr
Der Abschied fällt Lorne schwer. Viel Zeit ist vergangen, seit sie Talyra verlassen hat, um gemeinsam mit Del, Janna und Rashid eine Reise ins Ungewisse anzutreten. Eine reise, die die Gefährten einander sehr nahe gebracht hat, so nahe, dass sie für Lorne fast so etwas wie eine richtige Ersatzfamilie geworden sind. Es ist daher alles andere als leicht für das Mädchen, sich von ihnen zu verabschieden, um mit Brak zu gehen. Gerne würde sie die Drei bitten, sie zu begleiten, aber sie spürt, dass dies nichts nützen würde. Die Drei zieht es nicht zurück in den Norden, sie wollen nach Talyra oder sonst wohin, aber sicher nicht nach Immerfrost. Dass sie selbst gehen muss, spürt sie deutlich auch ohne das Brak die näheren Gründe noch einzeln betonen muss.

»Hey Kleines... und du bist sicher, dass du gehen willst?«, verabschiedet sich Del schließlich von ihr. »Ich ... es wäre schön, wenn ich hin und wieder etwas von dir hören würde. Ich denke, ich werde eine Weile in Talyra bleiben. Werde ja langsam doch alt und sollte vielleicht mal sesshaft werden ... oder zumindest versuchen. Pass auf dich auf und hüte dich vor lüsternen Kerlen, ok? Wenn dir einer weh tut, dann lass es mich wissen und ich komme so schnell wie ich kann, ja?« Die junge Frau nickt nur stumm zu allem, was er sagt und versucht die tränen, die ihr in die Augen treten wollen, tapfer zu unterdrücken. Nur nicht heulen, sagt sie sich immer wieder und gibt sich alle Mühe, sich auch daran zu halten, was ihr reichlich schwer fällt, als del sie ein letztes Mal umarmt. »Hier. Nimm die als Andenken«, erklärt er schließlich und legt ihr eines seiner Lederbänder als Geschenk um den Hals. »Vielleicht gefällt es dir ja.« Nun beginnen Lornes Augen doch bedenklich feucht zu glänzen. Hastig versucht sie daher die Sache hinter sich zu bringen. „Danke“, murmelt sie leise. „Mach’s gut. Ich wird’ dir schreiben, wenn wir in Dunkelschein sind, ganz bestimmt“, verspricht sie. Der Halbelb nickt ihr zu, dann macht er seinen übrigen Gefährten Platz, die sich ebenfalls verabschieden wollen.

Brak drängt bereits zum Aufbruch und so beeilt sich Lorne etwas, als sie Iéil und Janna gegenüber steht. Zu gerne würde sie der Amazone irgendetwas dass Janna an sie erinnern würde, aber da sie nichts hat, muss eine lange Umarmung genügen. „Leb wohl“, murmelt sie. „Ich schreib dir auch, versprochen. An den Pfirsich, dorthin gehst du doch erst einmal wieder, oder?“ Fragend sieht sie die Pfirsichmaid an, streicht Iéil noch einmal ganz sacht und behutsam über das winzige Köpfchen und wendet ab.
Zum Schluss ist auch Rashid an der Reihe, dann ist es soweit. „Komm, wir müssen los“, brummt Brak sanft aber bestimmt. Lorne nickt stumm. Der einarmige Hüne hat Recht, sie müssen weiter, denn der Wind hat bereits ein neues Spiel begonnen und treibt sie in die unterschiedlichsten Richtungen auseinander. Traurig setzt sie sich in Bewegung, winkt noch mehrmals, während sie langsam neben Brak dahergeht und schließlich hinter irgendeiner Wegbiegung verschwindet.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Janna am 22. Juni 2006, 12:37 Uhr
Von Dornheim nach Talyra


Als Janna erfährt, dass Rashid einen anderen Weg gehen wird, braucht sie keinen Tritt in den Hintern um zu verstehen, was dies bedeutet. Trotzdem pocht ihr Herz lange Zeit schmerzhaft gegen ihre Rippen, währendem ihr Verstand zu begreifen versucht, dass all die schöne Zeit für Rashid wohl doch niemals mehr als nur ein Spiel, ein einfaches Vergnügen gewesen ist, die mit Iéils Geburt geendet hat. Um irgendwelchen leidigen Diskussionen und Streitereien aus dem Weg zu gehen, bleibt sie oft in ihrem Zimmer und ruht sich aus, kümmert sich um ihren Sohn und ist gleichzeitig froh, dass Sira sie mit Fragen bis spät in die Nacht löchert, so können ihre Gedanken nicht zu weit abdriften. Mit einer verblüffenden Geduld erklärt sie der Sira all die winzigen Kleinigkeiten und Aufgaben, die zusammen mit einem Kind über eine Frau hereinbrechen und glaubt sogar irgendwie einen Funken Spass bei ihr geweckt zu haben, denn, obwohl sie verblüffend still und ernst geworden ist, seit dem Gemetzel im Keller, kümmert sie sich gerne und ausgiebig um Iéil. Dieser tut die erste Zeit doch nichts anderes, ausser schlafen und essen und sich des Nachts durch quäkendes Hungergebrüll sämtliche Aufmerksamkeit holen, die er kriegen kann. Nach und nach findet Janna sich mit dem Gedanken ab, Rashid endgültig zu verlieren und sie vermeidet es tunlichst, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln. Wenn sie sich begegnen ignoriert sie ihn, um nicht doch ihre Gefühle überhand nehmen zu lassen, doch schliesst sich die Türe ihres Zimmers hinter ihrem Rücken, ist sie verzweifelt darum bemüht, keine Träne um ihn zu weinen. Eine hohle Leere hat sie schliesslich im Griff, als die letzten Tage heranrücken und fast schon ist ihr, als verspüre sie zumindest einen Funken an Freude bei dem Gedanken an Talyra, Dancy und die Mädchen, als auch Sira ihnen bescheidet, dass sie zusammen mit Brak einen anderen Weg einschlagen wird. Janna ist nicht minder entsetzt und erschrocken als Del, auch wenn dieser es eindeutig schwerer hat, doch irgendwo in ihrem Inneren hat sie geahnt, dass Sira, nun nicht mehr das junge Mädchen, dass sie vor der Reise gewesen ist, mit ihnen zurückkehren würde, wo sie endlich die Chance hat, mehr über ihre Vergangenheit zu erfahren.
Der letzte Tag vergeht in stetiger Unruhe, die sich auch auf Iéil überträgt, der durchgehend weint und schreit und seinem Unmut laut Luft macht und Janna hat die ganze Zeit nichts anderes zu tun, als mit ihm durch das Zimmer zu wanken, selber blind vor Tränen, um ihren Sohn so ein Stückweit zu beruhigen und sich selber endlich mit der Situation abzufinden.

Als sie schlussendlich jedoch Sira und Rashid gegenübersteht, erkennt sie zum ersten Mal, wie sehr ihr diese beiden Menschen wirklich ans Herz gewachsen sind, nach fast einem Zwölfmond Reise, auch wenn Rashid in ihren Augen bereits wieder zu einem Fremden geworden ist. Das Gepäck stapelt sich in ihrer Nähe, türmt sich zu drei verschiedenen Hügeln auf und dazwischen lauern Hund und Katz, beide mit hängenden Ohren und eingezogenen Schwänzen, sich dicht aneinanderdrängend. Nicht einmal diese beiden streiten, als wüssten sie, dass dieser Moment nicht von irgendwelchem Fauchen und Bellen gestört werden sollte. Janna hält Iéil im Arm, wiegt ihn sachte und blickt in das verträumt schlafende, winzige Gesichtchen, um so dem zu entkommen, was nun auf sie wartet. Doch als Brak schliesslich auf sie zutritt und sich fast ohne Worte verabschiedet, ist die Spannung gebrochen und hinterlässt bei Janna nur das vage Gefühl des Verlustes. Sie sieht nicht auf, als Brak zurücktritt und Del und Rashid sich verabschieden, sie sieht noch nicht einmal auf, als sie genau spürt, dass der Wüstenkrieger vor ihr steht und sie ansieht, ihren Blick sucht, dem sie ihm nicht gönnt. „Nun“, beginnt sie tonlos und ein von Bitterkeit getränktes Lächeln spielt um ihre Mundwinkel, verliert sich jedoch auf dem Weg zu ihren Augen. „Also gehst du... mal wieder. Ich... wünsche dir viel Glück und ich hoffe... ich hoffe... dass wir uns nie wieder sehen.“ Sie sieht seine Hand, zaghaft nach ihr ausgestreckt, doch sie reagiert nicht darauf, sondern tritt an ihm vorbei, Iéil dabei einen liebevollen Kuss auf die samtweiche Stirne hauchend, als würde sie endgültig betonen wollen, dass es für sie nunmehr nur noch einen Mann in ihrem Leben geben wird. Die Stille schmerzt beinahe mehr, als die Tatsache, dass er wirklich Wort hält und fast ein wenig hastig huscht sie zu Sira, die mit hängendem Kopf und schillernden Augen Del hinterhersieht, der sich das Gepäck auf die Schultern lädt. Ohne ein Wort schliesst Janna sie fest in die Arme, streicht ihr durch das Haar und der Wunsch, sie mitzunehmen steigt augenblicklich in ihr hoch. Es kostet sie viel Kraft los zu lassen und Sira Iéil in die Arme zu drücken. Der Winzling schläft und sein Köpfchen ruht zufrieden schlummernd an Siras Schulter, die ihn behutsam und sicher festhält. Zärtlich hält Janna Siras Gesicht in ihren Händen und drückt ihr einen Kuss auf die Stirne, denn trotz dessen, dass das Mädchen in der letzten Zeit schrecklich gewachsen ist, überragt Janna sie noch immer um einige Fingerbreit.

„Ich schreib dir auch, versprochen. An den Pfirsich, dorthin gehst du doch erst einmal wieder, oder?“ Traurig schmunzelnd nickt Janna und versucht etwas zu sagen, doch erst als sie würgend den Kloss in ihrem Hals hinuntergeschluckt hat, bringt sie einige leise Worte hervor: „Ja, ich kehre in den Pfirsich zurück. Und du... ich weiss nicht wohin dich die Wege der Götter führen werden, doch ich, und ich glaube auch Del, wären glücklich, dich irgendwann wieder zu sehen meine Kleine. Iéil muss schliesslich irgendwann seine Amme kennen lernen... und... und pass auf dich auf... und lass dich nicht auf irgendwelche sündigen Männer ein... und wenn Brak nicht gut genug auf dich achtet, dann kommst du zurück..“ Sie kann den Satz “zu uns nach Hause“ gerade noch herunterschlucken und nimmt mit einem gläsernen Ausdruck im Gesicht ihren Sohn wieder an sich. Del hat ihre Sachen bereits gepackt und steht aufbruchsbereit am Rand, auch wenn man ihm ansieht, dass er alles lieber tun würde, als jetzt zu gehen. Nachdenklich betrachtet Janna ihn für einen Moment. Sturer Halbelb... Du liebst sie wie deine eigene Tochter und trotzdem lässt du sie gehen. Wie sagt man so schön, wen man liebt, dem lässt man die Freiheit. Vorsichtig greift sich Janna einen Umhang aus dem Berg und legt ihn sich um die Schultern, denn auf dem Schiff würde es sicherlich einiges kälter werden, als hier. Als sie schliesslich neben Del steht, ist Rashid der Erste, der noch einmal die Hand hebt und dann verschwindet, doch Janna blickt ihm nicht nach, will nicht, denn alles was sie ihm gegenüber noch verspürt, ist ein dumpfer Nachhall von Mitleid. In der Flucht hat noch niemand sein Glück gefunden. Als dann jedoch Brak nach vorne tritt und ihnen bescheidet, dass es Zeit wäre, dass er und Sira aufbrechen, ist jegliches Lächeln auf Jannas Gesicht erloschen und sie kann nur noch mit ihrer Fassung ringen. Sira winkt, wird von Brak an der Schulter gefasst und dreht ihnen dann zögerlich den Rücken zu, die gebeugt sind von der Trauer des Abschieds. Jannas Augen füllen sich mit Tränen und sie kann spüren, kann sehen wie Del sich neben ihr anspannt und sein Gesicht steinern wird vor Anstrengung und in seinem Blick liegt etwas Dunkles und Untergründliches, ein Schmerz, den sie wahrscheinlich nicht begreifen kann. „Sie wird wiederkommen“, flüstert Janna leise, wiegt Iéil sanft hin und her und lehnt ihren Kopf an Del’s Schulter, als ob sie fähig wäre, ihn auch nur ein Stückweit zu trösten. Das sie das nicht ist, oder zumindest nicht so sehr, wie sie es sich in manchen Situationen wünscht, zeigt sich bereits die Stunden und Tage danach.

Das Schiff legt pünktlich ab und Janna, kaum hat sie wieder knarrende und ächzende Holzplanken unter den Füssen, ist den grössten Teil der Zeit wieder einmal damit beschäftigt an der Reling zu hängen und sich zu übergeben, wie sie es auch schon auf der Fahrt nach Norden getan hat. Doch dieses Mal ist es nicht Rashid, der ihr die viel zu langen Haare aus dem Gesicht hält, sondern Del, der sich während ihrer Abwesenheit auch fürsorglich um Iéil kümmert. Er lernt sogar ihn zu wickeln und zu pudern und der Winzling rudert jeweils schon kreischend mit den Armen, wenn Del im Raum auftaucht. Doch das ehrliche Lächeln auf dem Gesicht das Halbelben, wenn er das Baby erblickt, vergeht oft so schnell wieder, wie es gekommen ist und mehr als einmal weiss Janna genau, woran er denkt. Es ist nicht, dass sie sich keine Sorgen um Sira machen würde, ganz im Gegenteil, doch ist sie sich sicher, dass Brak eher seinen zweiten Arm geben würde, als zuzulassen, dass der jungen Frau noch etwas geschieht. Hoffentlich gefällt es ihr, dort wo sie hingeht. Briefe wird sie schreiben, hat sie gesagt. Ich hoffe, sie hält sich daran.
Als Janna Del jedoch eines sonnenfröhlichen Tages dabei erwischt, wie er mit finsterer Miene und noch düsteren Gedanken über das Deck schleicht und aussieht, wie ein Wolf, der jeden Moment jemanden anspringen könnte, kann sie nicht mehr an sich halten und wirft sich Hals über Kopf in eine heftige Auseinandersetzung, die sogar den Kapitän aus seiner Kajüte lockt und darin endet, dass Janna Del irgendwann einfach den brüllenden Iéil in die Arme drückt und deutlich meint: „Sira ist im Norden, sie ist fort. Aber ich und Iéil brauchen dich du blöder, sturer Halbelb!“, bevor sie davonrauscht und sich, wie sie es schon zu Beginn ihrer Reise gerne getan hat, kurzerhand übergibt. Das sie damit das Gelächter sämtlicher Matrosen auf sich zieht, interessiert sie nicht, dafür umso mehr, dass Iéil, kaum hat er Del entdeckt, quietschend strampelt und alles Weinen und Schreien prompt vergessen ist, als hätte es nie einen Streit gegeben und alles wäre Friede, Freude, Eierkuchen. Mit zu Schlitzen verengten Augen starrt Janna das seltsame Gespann an, bis ihr Blick weicher und liebevoller wird und sich ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen zaubert, derweil sie dem kugelrunden, wasserblauen Blick ihres Sohnes folgt, um dann Dels ebenmässiges Gesicht zu betrachten und der Kummer in ihrem Herzen schwillt ein Stück ab, als sie das Aufglimmen von Wärme in seinen Zügen erkennt. Mit Sira hast du eine Tochter verloren... Ich kann dir bestimmt nicht helfen, aber vielleicht kann es dieser kleine Mann.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 05. Jan. 2007, 17:56 Uhr
~ Etliche Monde später ~
Dunkelschein in Immerfrost

Gedankenverloren steht Lorne an ihrem Zimmerfenster im Nordflügel und schaut zum Hafen hinüber. Das Anwesen Shalraith wirkt düster und unwohnlich, sodass sich die junge Frau nicht sonderlich wohl in ihrer Umgebung fühlt – vor allem jetzt, wo die Tage immer kürzer und dunkler werden. Immer öfter kommt es daher vor, dass sie sich nach Talyra zurücksehnt, wo Del und Janna vielleicht ebenfalls von Zeit zu Zeit an sie denken. Lorne seufzt. Ihr Leben in Dunkelschein ist jedenfalls alles andere als erfreulich. Zwar kann sie sich relativ frei bewegen, trotzdem kommt sie sich irgendwie wie eine Gefangene vor. Seit sie das haus betreten hat, hat sie es erst ein paar Mal wieder verlassen, hauptsächlich um sich im Hafen umzusehen und etwas spazieren zu gehen oder um ein paar Kleinigkeiten zu kaufen. Ohne Wind verspürt sie allerdings wenig Lust, die Stadt ausgiebig zu erkunden. Wind, sofort wird ihre Stimmung noch etwas trübsinniger, als sie sich an den Vorfall nur wenige Tagesreisen von Dunkelschein zurückerinnert und damit auch alle die anderen Erlebnisse wieder heraufbeschwört, die die Reise von Dornheim bis nach Immerfrost für sie bereit gehalten hat:

Die Reise nach Immerfrost war alles andere als angenehm gewesen. Ihr steckten die Ereignisse im Haus Heresh immer noch in den Knochen und die Trennung von Del, Janna und Iéil bedrückte sie sehr. Brak versuchte alles Mögliche, um sie aufzumuntern, aber so recht wollte ihm dies nicht gelingen, weshalb die gemeinsame Wanderung zunächst alles andere als heiter verlief. Hinzukam, dass sie darauf angewiesen waren, sich fahrendem Volk oder kleinen Handelskarawanen anzuschließen, um sicher vorwärts zu kommen, was sich nicht immer so einfach gestaltete, da die beiden Wanderer über keine großen Besitztümer verfügten. Aus diesem Grund mussten sie es sich mitunter sehr hart verdienen, mitgenommen zu werden. Alles in allem hatten sie aber Glück und auch wenn ihre Tage und Nächte nur langsam und wenig komfortabel vergingen, so kamen sie ihrem Ziel doch beständig näher.
Lornes Gesprächigkeit nahm wieder zu und in langen Unterhaltungen fragte sie Brak aus, bis dieser kaum noch wusste, wo ihm der Kopf stand. Nach wie vor beschäftigten die Ereignisse von Dornheim das Denken der jungen Frau. Und nur allmählich gelang es ihrem väterlichen Freund und Beschützer ihr das ganze Ausmaß des gesponnenen Intrigennetzes, aus dessen Stricken sie sich gerade erst befreit hatten, zu begreifen. Das Mortens Tod so weitreichende Folgen für sie mit sich bringt, konnte Lorne kaum verstehen, und als Witwe fühlte sie sich schon gar nicht. Dennoch, dass Dokument, welches Brak sicher für sie verwahrt, besagt in eindeutigen Worten das Gegenteil. Lorne Thaín, Tochter des Mírdan Thaín, wurde vor den Göttern rechtskräftig mit Morten Shalraith verbunden, auch wenn dieser Bund nur wenige Augenblicke lang währte, bevor der Bräutigam in die nächste Welt abberufen wurde.

Von den Strauchbergen aus, schlugen sich zum Rhaín durch, folgten seinem Lauf und gelangten schließlich auf dem Frostweg, auf welchem Lornes Reise vor so langer Zeit begonnen hatte. Doch diesmal setze sie ihren Weg nach Immerfrost fort und folgte dem Frostweg gemeinsam mit Brak weiter in Richtung Immergrün. Dann endlich durchquerten sie den Hochlandpass und nähern sich Sichelstadt. Dort angekommen, trennten sie sich von der Handelskarawane, der sie sich angeschlossen hatten.
Gut zwei Siebentage blieben sie in Sichelstadt, Zeit die sie benötigten, um genug zu verdienen, bevor sie ihre Reise fortsetzen konnten. Brak hielt sich mit allen möglichen Arbeiten über Wasser und auch Lorne trug das ihre dazu bei. Gemeinsam mit Wind übernahm sie Botengänge, half als Schankmaid aus, verdingte sich bei einer Wäscherin und in einer Bäckerei. Daneben setzte sie alles daran, dass Versprechen, welches sie Janna gegeben hatte, einzuhalten –»Ich werd’ dir schreiben, wenn wir in Dunkelschein sind, ganz bestimmt«. Und so begann sie fleißig zu lernen. Dabei nahm sie es bei der Wahl ihrer Lehrer nicht so genau. Einiges wusste sie noch von ihrer Zeit im Haus der Geschichten, anderes ließ sie sich von Brak oder Zufallsbekanntschaften beibringen. Wann immer es ihre Zeit erlaubte, begab sie sich auch ins Haus der Bücher von Sichelstadt, wo sie die gelehrten Männer so lange löcherte bis diese sie in den Grundlagen der Schreib- und Rechenkunst unterwiesen, nur um wenigstens etwas Ruhe zu haben. Und auch wenn sie manchmal dicht davor war zu verzweifeln, kämpfte Lorne sich tapfer durch die verwirrende Menge von Schriftzeichen und Zahlen, wobei sie immer wieder neue Flüche erfand, mit denen sie ihre „Qualen“ ausgesprochen farbenprächtig zum Ausdruck bringen konnte. Doch am Ende wurde all ihre Mühe belohnt, kurz bevor Brak und sie weiterreisten, konnte sie endlich daran gehen, ihr Versprechen einzulösen. Früher als gedacht, sagte sie sich insgeheim und lächelte. Sie tauchte die angespitzte Gänsefeder, die sie in der Hand hielt, in das Tintenfass, welches vor ihr auf dem Schreibpult stand und begann damit kratzend über das Pergament zu fahren:


„An Janna und Del – viele Grüße aus Sichelstadt. Bald haben wir unser Ziel erreicht. Brak, Wind und mir geht es gut. Ich verdinge mich hin und wieder als Schankmaid oder mache Botengänge. Brak arbeitet noch härter, damit wir bald nach Dunkelschein aufbrechen können. Ich habe mich noch nicht ganz daran gewöhnt wieder Lorne genannt zu werden, aber ich glaube, es ist besser so. Es hilft mir mich wieder an alles zu erinnern. Wind heißt eigentlich Klein, aber es macht keinen Unterschied wie ich ihn rufe, er hört ohnehin nur wenn er will. Es tut mir leid, dass ich nicht so viel schreibe, aber der Schreiber ist schon ungeduldig. Sie wollen die Hallen der Bücher bald für die Nacht schließen, also muss ich mich kurz fassen. Lebt wohl und drückt Iéil von mir. Ich komme bestimmt bald wieder nach Talyra zurück. Lorne.“

Zwei Tage später wechselte der Brief samt einiger Kupferlingen in die Hände eines Boten, der ihn nach Talyra bringen sollte, und Brak und Lorne machten sich endlich auf den Weg nach Dunkelschein. Insgeheim fragte sich die junge Frau, was sie dort wohl erwarten würde, doch laut sprach sie ihre Gedanken nicht aus. Stattdessen mummelte sie sich lieber in ihre dicken Reisegewänder, die sie in Sichelstadt aufgetrieben hatten und hüllte sich in Schweigen. Wieder einmal schlossen sie sich ein paar Handelsreisenden an, kämpften sich tapfer durch das immer frostiger werdende Klima, an welches sich Lorne jedoch recht bald gewöhnte und es sogar regelrecht genoss. Während viele ihrer Mitreisenden, etliche von ihnen stammten aus wärmeren Gefilden, sich über die eisigen Temperaturen beklagten, störte die Kälte die junge Frau nicht weiter, sodass sie sich voll und ganz an der kühlen, rauen Schönheit der Landschaft erfreuen konnte. Kurz vor ihrem Ziel wurde diese Freude allerdings jäh getrübt.

Lorne schaudert, wendet den Blick vom Hafen ab und geht zu ihrem Bett hinüber. Obwohl es im Zimmer bereits stockdunkel ist, entzündet sie das Licht auf dem kleinen Beistelltischchen nicht. Stattdessen starrt sie einfach nur in die Dunkelheit und versucht die Erinnerungen zu vertreiben, die nun in ihr hochkriechen. Obwohl die Ereignisse mittlerweile einige Zeit zurückliegen, erfüllen sie die Gedanken nach wie vor mit Schmerz und Traurigkeit. Irgendwo im oder vor dem Haus erklingt Hundegebell und lässt sie unweigerlich zusammenzucken. Sie ballt ihre Hände zu Fäusten und schluckt die Tränen hinunter, die ihr in ihren Augen zu glänzen beginnen. Warum?, fragt sie sich zum tausendsten Mal, findet doch keine Antwort und kann nicht anders, als die Erinnerung schließlich einfach zuzulassen.

Wind kehrte von einem seiner Streifzüge nicht zurück. Ohne Erfolg versuchte Brak Lorne davon zu überzeugen, dass der Arduner Wolfshund sich schon wieder einfinden wurde, doch die junge Frau bestand darauf ihren Hund zu suchen. Die Handelskarawane, der sie sich angeschlossen hatten, konnte indes nicht warten, und so mussten sich der Seemann und die junge Frau gezwungenermaßen von der Gruppe trennen. Brak sah dies mit einigem Missfallen, Lorne hingegen hatte nur Wind im Sinn und war für alle vernünftigen Argumente blind und taub. Doch als sie den Wolfshund endlich fanden, kam bereits jede Hilfe zu spät. Brak vermochte nicht genau zu sagen, was geschehen war, doch allem Anschein nach war der unerfahrene junge Hund einem Bran- oder einem Gronabären zum Opfer gefallen. Zumindest soweit der Seemann dies aus Winds Verletzungen ersehen konnte.
Für Lorne bedeutete der Tod des Hundes einen schweren Verlust. Nach allem was Wind und sie gemeinsam durchgestanden hatten, kkonnte die junge Frau es kaum verkraften, den treuen Gefährten so kurz vor ihrem Ziel für immer zu verlieren. Braks Bemühungen sie aus ihrem lethargischen Schockzustand zu reißen, schlugen allesamt fehl. Teilnahmslos und apathisch ließ sie sich durch die verschneite Landschaft führen, setzte einen Fuß vor den anderen und war dabei in Gedanken ganz wo anders. Erst als sie schließlich in Dunkelschein ankamen, wurde sie wieder etwas lebhafter, auch wenn ihr die Trauer nach wie vor anzumerken war. Traurig starrte Lorne vom Rand des Hafens auf die See hinaus, zusammen mit Wind hatte sie auch das letzte bisschen Kindheit, welches sie sich noch bewahren konnte, endgültig verloren.


Nun beginnen die Tränen doch zu fließen, und Lorne hält sie nicht mehr zurück. Das naive, fröhliche Kind, das einst in Talyra lebte und sich von dort aufmachte, um die Welt zu entdecken, existiert nur noch in den Erinnerungen an bessere Tage. Die weinende junge Frau hat sehr wenig mit diesem unbeschwerten Kind gemeinsam. Die letzten Monde haben Lorne dazu gezwungen endlich erwachsen zu werden. Die kindlichen Züge sind markanteren Linien und der burschikose Körper weiblichen Rundungen gewichen. Statt eines unbedarften Kindes sehen die Leute nun eine ernste, nachdenklich wirkende junge Frau mit unergründlich tiefen Augen vor sich. Ohne es selbst zu merken, ist sie beinahe über Nacht noch einmal ein gutes Stück in die Höhe geschossen - das nordische Erbe ihres Vaters scheint nun doch noch durchzuschlagen. Lediglich das dunkle Haar und die dunklen, grünen Augen, welche sie von mütterlicher Seite mitbekommen haben muss, machen deutlich, dass sie nicht zu Gänze aus Immerfrost stammt. Lorne kümmert dies jedoch wenig, sie hat andere Sorgen, die sie beschäftigen.
Edan Shalraith hat sie in sein Haus aufgenommen, doch die junge Frau wird einfach nicht schlau aus seinem Verhalten. Seine Freundlichkeit wirkt aufgesetzt. Nach außen hin scheint er vor Lorne und dem Rest der Welt einen alten Narren zu spielen, der endlich eingesehen hat, dass ihn das Schicksal endgültig eingeholt hat, dass seine Blutlinie mit ihm stirbt und dass sein ganzes Erbe einer jungen Frau zufällt, die er lieber tot als lebendig sehen würde. Seine Maske aus Selbstbeherrschung bröckelt selten, aber Lorne spürt die Feindseligkeit, die er dahinter vor ihr zu verbergen sucht trotzdem. Am liebsten würde sie so schnell wie möglich wieder aus Dunkelschein verschwinden, um den unerträglichen, alten Mann für immer zu vergessen, aber es gibt Dinge, die geregelt werden müssen und dies braucht seine Zeit. Glücklicherweise hat sie Brak, der sich um ihre Angelegenheiten kümmert und darauf achtet, dass es mit den zahlreichen Urkunden, Dokumenten und Papieren, die erstellt, unterzeichnet und beglaubigt werden müssen, alles seine Richtigkeit hat, denn Edan Shalraiths Fallen lauern überall - bevorzugt im Detail.

Plötzlich setzt irgendwo im Anwesen ein gewaltiges Lärmen an und Rufe schallen durch das Haus. Lorne schreckt auf, wendet sich der Tür zu und eilt auf den Korridor hinaus, um herauszufinden, was mit einem Mal vor sich geht. Wortfetzen dringen zu ihr durch, die Fragmente wie „Es ist soweit …“, „… Welpen …“ und „Schnell, … beeilen …“ enthalten. Unentschlossen wippt die junge Frau auf dem obersten Treppenabsatz, auf welchem sie Halt gemacht hat, auf und ab. Sie ahnt was die unerwartete Unruhe im Hause Shalraith zu bedeuten hat: Der lang ersehnte neue Wurf junger Windläuferwelpen aus der Zucht des alten Shalraith kündigt sich offenbar endlich an.
Der Gedanke an die Tiere löst in Lorne zwiespältige Gefühle aus. Bisher hat sie sich standhaft geweigert, sich auch nur in die Nähe der Zwinger zu begeben. Darüber hinaus hat sie es tunlichst vermieden, auf irgendeine andere Art und Weise mit den – Ach so kostbaren! – Hunden in Kontakt zu kommen. Gleichwohl kommt sie nicht umhin, ständig mit erleben zu müssen, wie jedermann im Anwesen, der auch nur im Entferntesten etwas mit der Hundezucht im Haus Shalraith zu tun hat (angefangen bei den einfachsten Dienstboten) mindestens einmal am Tag auf die schönen Tiere zu sprechen kommt. Trotzig versucht Lorne in solchen Momenten jedes Gespräch abzublocken, aber in letzter Zeit werden ihre Versuche diesbezüglich immer halbherziger. Winds Verlust schmerzt nach wie vor, aber die junge Frau kann dennoch nicht leugnen, dass sie sich auch nach einem neuen tierischen Gefährten sehnt, obschon sie sich nicht vorstellen kann, welcher Hund jemals in der Lage sein könnte, Winds Platz einzunehmen.

Titel: Re: Windspiel – Reise ins Ungewisse
Beitrag von Lorne am 17. Jan. 2007, 16:41 Uhr
~ Weitere Monde später ~
Auf dem Weg von Dunkelschein nach Talyra

Lorne schreitet mit langen Schritten aus. Längst schon hat sie keine Probleme mehr damit mit Brak schritt zu halten. Esche läuft an ihrer Seite, während  Erle und Espe munter vor ihnen über den Weg tollen – noch. Lorne kennt ihre Hunde mittlerweile gut genug um zu wissen, dass zumindest Espe bald ermüden wird, wenn sie weiterhin so ausgelassen mit ihrem Bruder spielt. Sie ist bei weitem nicht so ausdauernd ... Und wesentlich schreckhafter, denkt die junge Frau mit einem Lächeln auf ihren Lippen. Esche und ihre Welpen tragen ihre Namen durchaus nicht ohne Grund: Espe trägt den ihren beispielsweise weil sie so schreckhaft und schau ist.
Und sie sind mein! Lorne lächelt abermals. Die drei Windläufer haben Wind nicht von seinem Platz in ihrem Herzen verdrängt, vielmehr haben sie ihre eigenen Plätze darin gefunden. Während Lorne schweigend neben Brak her wandert, der sie auch auf dieser langen und beschwerlichen Reise begleitet, beobachtet sie die Hunde genau. Die Tiere sind vollkommen anders als Wind, sie erscheinen ihr weniger rau und wild. Espe und Erle spielen und tollen genauso gerne herum, wie Wind es einst in ihrem Alter getan hat, dennoch besitzen auch sie bereits etwas von der Gelassenheit und Würde ihrer schlanken, eleganten Mutter, die sie ruhig, aber wachsam im Auge behält, was auch immer sie gerade tun.

Schließlich ist es so weit, wie zu erwarten war, lassen Espes Kräfte mehr und mehr nach, sodass sie mehr und mehr zurückfällt bis Lorne nichts anderes übrig bleibt, als sich den schlanken, langbeinigen Welpenkörper über eine Schulter zu legen, um Espe zu tragen bis sie wieder zu Kräften gekommen ist. Brak schmunzelt und verliert kein Wort über die Angelegenheit. Er kennt dieses Spiel, welches sich regelmäßig vollzieht seit sie Dunkelschein verlassen haben, mittlerweile nur zu gut und weiß, dass es besser ist zu schweigen, anstatt auch nur ein einziges Wort verlauten zu lassen. Und so trägt Lorne Espe mit zusammengebissenen Zähnen, aber ohne ein einziges Mal zu murren oder zu klagen. Denn noch sind die Welpen zwar jung, gleichwohl sie schon einiges an Gewicht und Größe vorzuweisen. Glücklicherweise haben sie ein Packpferd bei sich, welches die wenige Habe der beiden Wanderer trägt, sodass Lorne sich nicht mit einem prall gefülltem Rucksack oder ähnlichem abmühen muss.
Sie hätten auch Reitpferde haben können, so sie dies gewünscht hätten, denn an Pferden mangelt es in den Ställen des Hauses Shalraith gewiss nicht, doch Lorne hat darauf bestanden zu Fuß zu reisen. Nach wie vor traut sie Pferden nicht wirklich, und wann immer sie es vermeiden kann, sich auf dem Rücken eines solchen Tieres fortzubewegen, tut sie dies. Brak hatte zwar dagegen gehalten, dass sie mit Reitpferden schneller an ihr ziel kommen würden, doch die junge Frau hatte dies wiederum kategorisch abgelehnt, sodass sich ihr väterlicher Freund schließlich ihrem Willen beugte und nachgab. Hin und wieder murmelt er nun zwar mürrisch vor sich hin, gibt sich ansonsten aber mit der Situation zufrieden, immerhin ist er von der bisherigen Reise mir Lorne auch nichts anderes gewohnt.

Die Siebentage verstreichen und die Landschaft verändert sich stetig. Allmählich lassen Brak, Lorne und die Windläufer den eisigen Norden hinter sich, um in angenehmere Regionen vorzudringen. Sie reisen allein, begleiten Handelsreisende oder kleine Karawanen und nähern sich ihrem Ziel mit jedem neuen Tag der vergeht, sodass Lorne nicht umhin kann darüber nachzudenken, wohin sie sich als erstes wenden sollen, wenn sie Talyra endlich erreicht haben. Schließlich kommt sie zu dem Ergebnis, dass es am Besten sein wird, wenn sie sich als Erstes in den Pfirsich begeben, denn dort können sie nicht nur übernachten, sondern sicherlich wird Dancy, die Wirtin, ihnen auch verraten können, wo Del und Janna zu finden sind. Außerdem sollte ich in Erfahrung bringen, was aus Mael und Shehera geworden ist, überlegt Lorne weiter. Ihre Erinnerung weist noch immer die eine oder andere Lücke auf, doch im Großen und Ganzen erinnert sich die junge Frau wieder an die meisten Dinge, die sie vergessen zu haben schien. Darüber nachzudenken, fällt ihr allerdings nicht leicht und erfüllt sie immer noch mit leichtem Unbehagen. So viele Dinge sind inzwischen geschehen, dass sie nicht sicher ist, was sie nach ihrer Rückkehr in Talyra erwarten wird.

Wem kann ich jetzt noch trauen?, fragt sie sich unweigerlich. Was kann erzählen, was nicht? Sie weiß, was von ihr erwartet wird – viel. Ihre Dinge sind geregelt, Dokumente ausgefüllt, Urkunden geändert, rechtsgültige Regelungen und Vereinbarungen wurden getroffen. Sie ist jetzt die einzige noch lebende rechtmäßige Erbin der Häuser Thaín und Shalraith, und auch ein Edan Shalraith kann daran nun nichts mehr ändern. Und so ist ihre Rückkehr nach Talyra lediglich eine Flucht auf Zeit, dass weiß die junge Frau nur zu gut. Edan Shalraith hat sie zwar ziehen lassen, fürs Erste zumindest, doch zuvor hat er ihr eines nur allzu deutlich klar gemacht: Eines Tages wird sie nach Dunkelschein zurückkehren müssen, um ihr Erbe endgültig anzutreten und die Pflichten, die ihr damit auferlegt sind, wahrzunehmen.
Bis dahin kann sie in Talyra leben, doch auch dort wird sie, dass weiß sie, nie völlig frei von Edan Shalraiths Einfluss sein, dafür hat der alte Mann bereits Sorge getragen. Ein Bote eilt ihnen bereits voraus, um alles zu erledigen, was ihm sein Herr aufgetragen hat.  Seine Aufgabe besteht darin, ein wachsames Auge auf die unliebsame Erbin zu haben und dafür zu sorgen, dass die junge Frau gemäß ihres neuen „Standes“ lebt – alles Pflichten und Dinge, die Lorne nur ein schmerzliches Lächeln entlocken und einen bitteren Geschmack in ihrem Mund hinterlassen können. Ihre wiedererlangten Erinnerungen machen es doppelt schwer mit dem Wissen um all diese Dinge zu leben. Sie erinnert sich an all die Freiheiten, die sie genießen durfte und an das Leben mit ihrem Vater, bei den Gauklern, im Haus der Geschichten, sogar im Reich der Amazonen und auf  der Straße. Die Freiheit, in die Edan Shalraith sie vorerst entlassen hat, ist nichts dagegen. Vielleicht hat er mir Esche, Erle und Espe deshalb gelassen, überlegt sie im Stillen. Egal – was auch immer seine Gründe waren, aus reiner Nächstenliebe hat er auch das gewiss nicht getan ...

> Das Verder Tor



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