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(Thema begonnen von: KaliMaya am 21. Aug. 2008, 17:06 Uhr)

Titel: Unterwegs am und auf dem Bar el-Atbár
Beitrag von KaliMaya am 21. Aug. 2008, 17:06 Uhr
Grünglanz/Goldschein: Agutrot – Naggothyr

Noch immer ganz benommen steht Kali an Bord der Kerilia, die Hände fest um die Reling gekrallt, und starrt aufs offene Meer hinaus. Ein Siebentag ist verstrichen, seit ihre _Beziehung_ zu Kumara aufgeflogen und ihre gesamte Zukunft nur noch ein einziger riesiger Trümmerhaufen ist. Verdammt, verdammt, VERDAMMT!!!, flucht die Azadoura in Gedanken. Sie zermartert sich das Hirn, doch ihr will einfach nicht einfallen wann ihr der alles entscheidende Fehler unterlaufen ist. Die ganze Zeit über war sie überaus diskret vorgegangen, hatte sich immer nur heimlich mit Kumara getroffen und stets darauf geachtet nie gemeinsam mit ihm in der Stadt gesehen zu werden. Trotzdem hatte irgendjemand davon Wind bekommen – jemand, der Kali gegenüber ganz offensichtlich nicht besonders wohlwollend eingestellt ist. Automatisch geht die bleiche Frau mit den unheimlichen nachtschwarzen Augen im Geiste eine lange Liste mit unzähligen Namen durch – Neider und Feinde hat sie in Agutrot nie zu knapp besessen. Aber niemand davon scheint in Frage zu kommen, absolut niemand, und dennoch muss einer dieser Namen den Schlüssel zu Lösung des vor ihr liegenden Rätsels bergen. Die Azadoura seufzt und legt missmutig die Stirn in Falten.
Verdammt, dabei war ich meinem Ziel schon so nahe. Vielleicht noch zwei, drei Siebentage, allerhöchstens vier, dann hätte ich gehabt, was ich wollte und hätte Kumara nicht mehr gebraucht. Ein bisschen Bab el Sama und es hätte nie ein Problem gegeben. Bei diesem Gedanken verdüstert sich Kalis Miene unweigerlich noch etwas mehr. Es hatte sie einiges gekostet das dreimal verfluchte Gift aufzutreiben, unbemerkt in die Stadt zu schaffen und an einem sicheren Ort zu verwahren. Wo es jetzt vermutlich bis zum Ende aller Zeiten bleiben wird. VERDAMMT! Ich könnte mich für meine eigene Dummheit ohrfeigen. Und es ist wirklich ein ausgesprochen schwacher Trost, dass die winzige Phiole mit dem teuren Gifttrank derzeit nicht nur für sie unerreichbar ist. Wütend hadert Kali weiter mit ihrem Schicksal, während das Schiff, welches sie immer weiter in die Verbannung trägt, in der Abenddämmerung dahin segelt.

Schließlich bricht auch auf See die Nacht an und die Abendkälte treibt die Azadoura unter Deck. Sie nimmt eine fade Fischbrühe und etwas Fladenbrot zu sich, trinkt ein wenig von dem sauren, verdünnten Wein, den ihr irgendjemand von der Schiffsbesatzung wortlos hinstellt und zieht sich schließlich zum Schlafen in ihre Hängematte im hinteren Teil des Schiffes zurück. Schweigend hüllt sie sich in ihre dünne Decke, eigentlich ist es selbst dafür in dem stickigen, stinkenden Raum viel zu heiß, und schließt die Augen. Kein Luxus mehr, keine Sklaven und ausgefallenen Speisen. Keine Kapitänskajüte für Kali Maya Nílagráha. Nichts. Zornig reißt sie ihre Augen wieder auf und starrt hinauf zur Decke. Gedämpfte Stimmen sind zu hören. Befehle werden erteilt und befolgt. Die Zeiten, in denen man  meine Befehle befolgte und mir jeden Wunsch von den Augen ab las, sind wohl vorerst vorbei, stellt sie bitter fest. Zorn, Wut und Enttäuschung in ihr sind noch so groß, dass sie die ganze Tragweite ihrer neuen Situation gar nicht richtig begreift, und realisiert, dass es hier um mehr geht, als um den Verlust ihrer gesellschaftlichen Stellung und der zahlreichen Privilegien, die ihr Rang mit sich brachte.
Vorsichtig tastet sie nach dem schmalen Beutel, den sie zwischen den zahlreichen Falten ihres Gewandes verbirgt, und stellt erleichtert fest, dass sein Inhalt nach wie vor unbeschadet und unentdeckt darin ruht. Immerhin das war ihr gelungen. Der Anflug eines winzigen Lächelns kräuselt kurz ihre vollen Lippen, während ihre Finger sacht den Konturen des Beutelinhalts nachspüren. Wie durch ein Wunder hatte niemand beim Verlassen der Stadt ihr Schmuggelgut aufgespürt. Vielleicht hatten sie seine Bedeutung auch einfach nicht erkannt – gleichgültig. Sie, Kali, würde ihre Entdeckung weiterhin zu verbergen wissen und einen Weg finden, um sie irgendwann zu gebrauchen. Und dann Gnade Euch der Dunkle! Dieses Mal umspielt ein grausamer Zug ihren Mund in der Finsternis der Kammer. Abermals schließt sie die Augen und all die Dinge, die sie zurücklassen musste kommen ihr in den Sinn: Das Bab el Sama ..., ihre Sklavinnen, ihre wundervollen Gewänder, ihr Geschmeide, ihre Waffen (einmal abgesehen von ihrer Peitsche, einem Dschenbie und einer gut verborgenen Eisennadel) ... und natürlich ihre Mantikora. Wehmütig denkt sie an ihr einstiges Schiff, schnell, wendig und tödlich – vor der Mantikoragab es kein Entkommen. Und bei dem Gedanken daran, dass ihr Schiff nun vermutlich unter Kalidasas Befehl gestellt wird, wird Kali schlecht vor Wut.  

Die Tage auf See verstreichen. Als sie die Große Perlenbucht passieren, überkommt die Azadoura für einen kurzen, wahnwitzigen Augenblick der Wunsch nach Ashrakul oder Dror Elymh fliehen zu wollen. Mit entrücktem Blick schaut sie in die Ferne und niemand an Bord der Kerilia wagt es sie während dieser Zeit sie anzusprechen geschweigeden zu berühren. Kali mag eine Verbannte sein, doch mit ihrer überwiegend männlichen Besatzung gehört die Kerilia zu den bedeutungslosesten Schiffen der Flotte Agutrots. Und auch wenn Kali ihrer Stellung und all ihrer einstigen Privilegien beraubt ist, wagt es keiner der Männer sie in irgendeiner Weise ungebührlich zu behandeln. Als die Kerilia schließlich die Gewässer vor Naggothyr erreicht, sind daher alle an Bord gewissermaßen erleichtert, dass die verbannte Azadoura das Schiff bald verlassen wird und man schnellstmöglich nach Tafraut weitersegeln kann. Ja, die Kerilia macht sich nicht einmal die Mühe einen von Naggothyrs Häfen anzulaufen. Stattdessen wird Kali mit ihren wenigen verbliebenen Habseligkeiten (die in einen einzigen zerschlissenen Seesack passen) in ein kleines Ruderboot verfrachtet und von ein paar Männern zur Stadt übergesetzt. Was sie von dieser Art der Behandlung hält, verraten die zu einem schmalen Strich zusammengekniffenen Lippen und die funkelnden Augen überdeutlich. Aber sie hüllt sich in stolzes Schweigen und begnügt sich damit, den Ruderern immer wieder giftige Blicke zu zuwerfen und ihr hinterhältiges, verräterisches Aas von Zwillingsschwester (auch wenn sie keine Gewissheit besitzt, ist Kali sich mittlerweile sicher, dass eigentlich nur Kalidasa für ihre Misere verantwortlich sein kann) in Gedanken ausgiebig zu verfluchen.    
Als sie schließlich mutterseelenallein an Naggothyrs Ufern steht – die Stadt vor sich, das Meer im Rücken – verfliegt allerdings jeder Gedanke an ihre Schwester rasch. Und zum ersten Mal in ihrem Leben macht sich ein wirklich ungutes, mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend breit. Ich bin allein, vollkommen allein ..., wird ihr plötzlich schlagartig klar. Benommen lässt sie ihren Seesack, den sie bisher über der Schulter getragen hat, zu Boden sinken. Sie wendet den Blick von der Stadt ab und schaut auf die See hinaus, wo das kleine Ruderboot, welches sie übergesetzt hat, rasch kleiner wird, während es zielstrebig auf die Kerilia zusteuert. Ihr Blick wandert zurück zur Stadt. Naggothyr ist Kali nicht unbekannt, handelt es sich doch um jene Stadt des Azurianischen Städtebundes mit der Agutrot den meisten Handel treibt. Unter ihrem Befehl lag die Mantikora hier schon mehrfach vor Anker, aber selbstverständlich hatte Kali damals die geballte Kraft ihre Mannschaft hinter sich gewusst. Nie war sie alleine durch Naggothyrs Straßen gewandert, stets hatten sie mindestens einer ihrer Offiziere und ausreichend _Leibwächter_ begleitet. Ihr gesamtes bisheriges Leben hatte sie fast ausschließlich unter Azadoura verbracht. Agutrot war stets das Zentrum ihrer Welt gewesen. Dass dies mit einem Mal nicht mehr so sein soll, birgt eine beängstigende Erkenntnis. Langsam nimmt sie ihren Seesack wieder auf und macht mit leicht wackeligen Knien den ersten Schritt in eine absolut ungewisse Zukunft.

In einiger Entfernung sieht Kali hinter sich den strahlend weißen Leuchtturm von Kait Bey im Wasser aufragen, doch heute schenkt sie ihm keinerlei Beachtung. Stattdessen führt ihr Weg schnurstracks in Richtung der Hallen Imugdubs und der Hallen der Münzen, zwei großen Basaren, die sich zwischen den insgesamt drei Häfen Naggothyrs befinden, denn es gilt etwas Essbares zu kaufen und den einen oder anderen Besitz in klingende Münze umzuwandeln, um sich anschließend nach einem geeigneten – günstigen, denkt Kali missmutig – Quartier umzusehen.  
Es ist bereits später Nachmittag als sie schließlich nach langer Suche in einem heruntergekommenen Gasthof am Rande des Handelsviertels unterkommt, nachdem sie ihr Weg mehrfach am Alf laila wa-laila vorbei geführt hat. Mit vor Wut glimmenden Augen muss sie an die spöttisch lachenden Lustdamen des wohl größten und berühmtesten Bordells der Stadt denken, die sie mit unverhohlenem Abscheu und Hohn bedacht hatten, sie brodelt noch immer wie Loas Öl. Bei allen Neun Höllen, zischt sie in der üblichen Zunge der Azadoura, einer Mischung aus Hôth, Lombarda, Sura und Shebaruc, reines Shebaruc zu gebrauchen wagt sie indes nicht. Es missfällt ihr aufs Äußerste dass die Umstände sie dazu zwingen sich mit ihrer Umgebung in der Allgemeinsprache zu verständigen, wenn nötig hatte sie das Reden in der Handelssprache bisher immer ihren Offizieren überlassen, obschon sie sie selber fehler- wenn auch nicht akzentfrei beherrscht. Verdammt, eingebildetes Hurenpack. Seinen Körper freiwillig für Gold an irgendwelche daher gelaufenen Männer verkaufen – weniger Stolz kann man kaum besitzen! Genervt entledigt sie sich ihrer schmutzigen, verschwitzten Gewänder und schlüpft in den Waschzuber, den man für sie hergerichtet hat. (Ein Luxus, den sie sich eigentlich nicht leisten kann, aber was soll's.) Erschöpft schließt sie ihre Augen und lässt die vergangenen Stunden vor ihrem geistigen Auge Revue passieren.
Die Bewohner Naggothyrs begegnen ihr nicht gerade wohlwollend. Mit einer eindrucksvollen Mannschaft wie der der Mantikora im Rücken hatte Kali sich stets angemessenen Respekt verschafft, aber nun muss sie erkennen, dass eine einzelne Azadoura nicht gefürchtet, sondern allenfalls misstrauisch beäugt wird, und keinesfalls als ernsthafte Bedrohung aufgefasst wird. Zugegeben, mein derzeitiges Erscheinungsbild bietet auch wenig Grund zur Furcht, denkt sie grimmig, ihre Hände ballen sich zu Fäusten und ihre Fingernägel graben sich tief in ihre Handballen, wo sie blutige Spuren hinterlassen. Oh, wie ich das alles hasse! Eine plötzliche Welle der Übelkeit überkommt sie und bevor sie es verhindern kann, hat sie sich über den Rand des Zubers hinweg auf die feuchten Holzdielen der Kammer übergeben. Wundervoll, auch das noch. Der säuerliche Geruch des frisch Erbrochenen steigt ihr in die Nase und lässt sie abermals würgen. Hört das irgendwann eigentlich auch mal wieder auf? Schlimm genug das ich mich in letzter Zeit an Bord der Kerilia ständig übergeben musste – eine seekranke Azadoura sorgt immer für Lacher, hahaaa – aber jetzt langt's allmählich! Mit einer rüden Bewegung wischt sie sich über den Mund und erhebt sich, um aus dem langsam erkaltenden Wasser zu steigen, welches sich mittlerweile in eine ziemlich trübe Brühe verwandelt hat.

Aber auch nach drei ansonsten ereignislosen Tagen bleibt ihr die lästige Übelkeit, die vor allem in den Morgenstunden besonders quälend ist, erhalten. Kali beschließt nicht länger darüber nachzudenken und schiebt die ganze Angelegenheit aus reiner Bequemlichkeit letztlich einfach auf irgendein leidiges Wüstenfieber – ohne Fieber ...
... die Sache würde sich mit der Zeit vermutlich von allein regeln und im Augenblick hat sie anderes zu tun, als sich näher mit einer unliebsamen und etwas störenden, doch ansonsten relativ harmlos erscheinenden Erkrankung zu befassen. Alles in allem könnte ihre Lage besser, aber auch schlechter sein; wenn sie jetzt noch irgendwie eine Weg fände, um an Geld zu kommen, wäre alles in Sahnekren. Missmutig zählt sie ihre dahinschmelzende Barschaft. Nun, ich hatte ohnehin nie vor diese zänkische Gans von Wirtin zu bezahlen, sagt sie sich mit einem schmalen Grinsen auf den Lippen und verstaut ihre Münzen wieder sicher, bevor sie sich anschickt den Gasthof zu verlassen, um sich in der Stadt nach _Arbeit_ umzusehen.
Als sie in den späten Abendstunden zurückkehrt, hat die Azadoura zwar keine _Arbeit_ gefunden, aber dennoch ein recht kleines Tageseinkommen gemacht. Taschendiebstahl gehört zwar verständlicherweise nicht unbedingt zum Tagesgeschäft der Piraten aus der Bucht der Schatten, doch Kalis Mutter, Maya Pele, war schon immer der Ansicht ein geschicktes Paar flinker Hände hätte noch niemandem geschadet, wenn er sich nicht gerade allzu dumm anstellt. Kali Maya lächelt bitter und verzieht zynisch die Mundwinkel – wie recht ihre Mutter doch hatte. Eine Meisterdiebin und Fassadenkletterin ist sie sicher nicht, aber für ein kleines Tageseinkommen langt es allemal auch wenn ihre Beute einem nicht unbedingt den Atem stocken lässt: Hirse, eine Kokosnuss, ein paar Datteln und Feigen sowie die eine oder andere klingende Münze. Nachdenklich begutachtet Kali ihre spärliche _Prise_, wie sie die Schale der Kokosnuss am besten knackt, ist ihr, zumindest im Augenblick, noch ein Rätsel. Müde lässt sie sich auf ihr karges Lager zurückfallen. Ein weiterer Tag voller Anfeindungen, Staub und Lärm überstanden ohne irgendeinem übereifrigen Wächter zum Opfer zu fallen. Immerhin etwas, sagt sie sich gähnend.

Titel: Re: Unterwegs am und auf dem Bar el-Atbár
Beitrag von KaliMaya am 22. Aug. 2008, 16:17 Uhr
Goldschein/Sonnenthron: Naggothyr – Mar'Varis

Anfangs zieht Kali in Erwägung in Naggothyr zu bleiben, aber je länger sie von dem Umständen gezwungen wird weiter in der Stadt zu verweilen, um so mehr reift in ihr der Entschluss dem _Stadtkönigreich_ am Blutfluss so bald wie möglich den Rücken zu kehren und ihr Glück lieber anderswo zu suchen. In den Hafenschenken schnappt sie gelegentlich den einen oder anderen Brocken über eine Stadt namens Talyra auf, die sich in den Herzlanden, am Nordwestufer des Ildorels befinden soll. Kalis eigenes Wissen sowohl über die Herzlande als auch über den Ildorel ist eher gering. Immerhin ist ihr bekannt, dass der Ildorel über den Bar el-Atbár mehr oder weniger problemlos erreichbar ist, was ihr ihre Reisepläne sehr erleichtert, aber ansonsten? Die Herzlande befinden sich, wie ihr Name schon andeutet, mitten im Herzen der Immerlande, soweit so gut.
Den paar Gesprächsfetzen zufolge, die die Azadoura so gehört hat, war Talyra zu imperialer Zeit wohl Hauptstadt der Provinz Ildorien und ist auch heute noch eine der mächtigsten Städte am Ildorel, obschon die Herzlande mittlerweile offenbar keine offizielle Hauptstadt mehr besitzen. Was die Herrschaftsverhältnisse in den Herzlanden und speziell in Talyra anbelangt, ist Kali ohnehin hingegen gänzlich unbeleckt. Talyra ist ein Stadtstaat, beherrscht von einem Rat, das ist ihr immherin bekannt, aber dann hören ihre Kenntnisse auch schon auf. Egal, sie braucht ein Ziel, irgendeines, und Talyra ist in dieser Hinsicht nicht besser oder schlechter als jede andere größere Stadt der Immerlande, deshalb will Kali es auf einen Versuch ankommen lassen. Also macht sie sich daran Vorbereitungen zu treffen.
In den nächsten Tagen erkundigt sie sich nach geeigneten Schiffen, die den Blutfluss hinauffahren und versucht so gut es geht an klingende Münze zu gelangen. Nicht immer greift sie dazu in fremder Leute Taschen, sondern verdient sich auch hier und da als Scriptor den einen oder anderen Kupferling und hier und da auch mal einen Silberling. Zudem deckt sie sich vorsorglich mit etwas Dörrobst und ähnlichen Dingen ein, denn man weiß ja. Und auch das eine oder andere nützliche Kleidungsstück wandert ab und an in ihren nicht gerade prall gefüllten Seesack. Der Tag an dem das Schiff, welches sie in Richtung Mar'Varis mitnehmen wird, Naggothyr verlassen soll, rückt immer näher und Kali ringt sich nur mühsam dazu durch vorher noch schnell einen Heiler oder Bader aufzusuchen, um sich irgendein Kraut oder Pülverchen gegen ihre lästige Morgenübelkeit geben zu lassen. Besonders erbaulich fällt dieser _Ausflug_ für die Azadoura allerdings nicht aus ...

„SCHWANGER?! Beim Dreizehnten und all seinen Archonen, was soll das heißen – schwanger ....“ Entgeistert sieht Kali die buckelige, zahnlose Frau an, die sich hastig ein paar Schritte zurückzieht, da sie den Eindruck zu gewinnen scheint, dass die Azadoura sie jeden Moment anspringen und ihr den Kopf abreißen könnte. „Äh, nun ja, ... schwanger eben. Im sechsten oder siebten Siebentag würde ich sagen, vielleicht auch schon im achten“, erklärt die Alte zaghaft und schenkt Kali ein schwaches, zahnloses Grinsen, das vermutlich ein Lächeln darstellen soll. „Bitte? Das darf ja wohl nicht wahr sein!“, stößt Kali zischend hervor und streicht sich mit einer Hand fahrig durchs Haar.
Die Alte deutet ihre Worte falsch. „Ich hätte da etwas mit dem Ihr ... nun ja, ... Euer kleines Problem beseitigen könntet ...“, erklärt sie und lächelt abermals, dieses mal schon ein kleinwenig mutiger als zuvor und erntet dafür sogleich einen vernichtenden Blick. „DAS wollte ich damit nicht sagen!“, faucht Kali sie ungehalten an. Und fügt ungeduldig hinzu: „Rückt lieber etwas gegen diese grässliche Übelkeit raus, macht schon. Irgendwas habt ihr doch sicher da, oder?“ Die alte Heilerin nickt eingeschüchtert und beginnt hastig im Durcheinander ihrer winzigen Klause herumzukramen bis sie gefunden hat, wonach sie sucht. Wortlos hält sie Kali einen undefinierbaren Beutel entgegen und erklärt mit zittriger Stimme die Anwendung seines Inhalts als die Azadoura danach greift. „Hmpf“, brummt Kali Maya missmutig, wirft ein paar Kupferlinge in den Staub zu Füßen der Alten, dreht sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren um und verschwindet eilends in der nächstbesten Gasse.
Die Gedanken in ihrem Kopf überschlagen sich wild. Schwanger?! Seit  sechs oder sieben Siebentagen, vielleicht auch schon acht?! Sie lacht hysterisch und es dauert eine Weile bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hat. Ihre Finger ballen sich um den Beutel zur Faust. Und am liebsten hätte sie laut aufgeschriehen. Ich hätte mir das alles ersparen können. ALLES! Verdammt, verdammt, VERDAMMT!!! Leise vor sich hin fluchend bahnt sich die Azadoura ihren Weg. Allein bei dem Gedanken daran, dass sie sich die ganze Schmach und sämtliche Demütigungen hätte ersparen können, wenn sie dies nur ein bisschen eher gewusst hätte, kommt ihr beinahe die Galle hoch. Kamura hätte seine Reise zu den Ahnen lange vor seinem Ableben durch den Obersten Schafrichter der Sieben antreten können – ruhig und friedlich dank einiger Tropfen Bab el Sama. Und ich säße immer noch in meinen Gemächern in Agutrot oder an Bord der Mantikora anstatt hier durch den Dreck zu kriechen. Dunkler, warum hast du mich verlassen? Verzweiflung breitet sich in ihr aus und nagt unangenehm an ihren Eingeweiden. Möglicherweise hätte ich das Angebot der alten Hexe doch nicht so leichtfertig ausschlagen sollen, überlegt sie und zieht kurz in Erwägung noch einmal umzukehren, entscheidet sich dann aber doch dagegen. Das Volk der Azadoura ist bei weitem nicht so groß wie manch anderes und der Gedanke ungeborenes Leben, selbst wenn es in der Fremde zur Welt kommen sollte, einfach so zu vergeuden, kommt Kali wie Frevel an ihren Ahnen vor – in Agutrot Frevel der übelsten Sorte.  

Als sie zwei Tage später das Schiff betritt, welches sie weiter stromaufwärts bringen soll, hat sie sich allmählich mit ihrer neuen Situation abgefunden. Es hat wenig Sinn länger über die Vergangenheit nachzudenken, was geschehen ist, ist geschehen und lässt sich, so sehr sie dies auch bedauern mag, nicht mehr rückgängig machen. Die Risiken ihres Plans waren ihr von Anfang an klar und nun muss sie eben mit den Konsequenzen ihres Scheiterns leben. Womöglich würde sich später eine Gelegenheit auf Rache ergeben, doch jetzt heißt es erst einmal stark sein und überleben – und das kann sie nur, wenn sie nicht ständig zurückblickt und sich von der Vergangenheit schwächen lässt.
Im Schutz eines Sonnensegels lässt sie sich auf dem Schiffsdeck nieder und schaut auf den Bar el-Atbár hinaus in dessen Fluten sie immer wieder die schemenhaften Konturen vorüberziehender Blutechsen und Blutwarane ausmachen kann, sofern sich die bösartigen Tiere nicht gerade auf irgendeiner Sandbank ausruhen oder den Fluss aus einem sicheren Versteck im Uferschilf heraus ständig im Auge behalten. Die Luft ist drückend und schwül und der betörende Duft prächtiger Blütendolden, die überall am Ufer wachsen, hängt über den Wassern. Der Schrei eines kreischenden Äffchens lässt Kali einen kurzen Moment zusammenzucken und schließlich böse lächeln. Ob die Wirtin ihrer Absteige in Naggothyr wohl auch so gezettert hatte, als sie feststellen durfte, dass Kali die Stadt verlassen hatte ohne zu zahlen? Die Azadoura kann es sich auf jeden Fall gut vorstellen. Sie streicht sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und schaut wieder auf den Fluss hinaus. Seine Ufer werden von dichten Streifen Blutschilf und Elefantengras gesäumt und Kali kann Dattelpalmen, Maulbeerfeigen, Mandelbäumchen, Mastihabäume, Wiliwilis, Acujas und Ahnenbäume erkennen. Der Blutfluss mag äußerst tückisch und gefährlich sein, aber sein Wasser spendet auch Leben. Abgesehen von den Inseln über dem Wind und den Sommerinseln hat Kali bisher noch nie so einen grünen Landstrich zu Gesicht bekommen; die Bucht der Schatten hat in der Hinsicht nicht viel zu bieten, abgesehen von ein paar einsamen Manara-, Lether- und Yogorakakteen sowie vielleicht etwas Klingen- und Tusokgras hie und da.
Aus den Augenwinkeln heraus bemerkt sie gerade noch eine Bewegung, doch als sie danach schlägt, ist es bereits zu spät. Ihre Mundwinkel verziehen sich zu einer säuerlichen Grimasse. Auch an blutsaugenden, stechenden Insekten aller Art mangelt es dem Bar el-Atbár nicht wie die Azadoura zu ihrem Leidwesen bereits mehrfach feststellen konnte. Zwar wird an Bord regelmäßig irgendwelches Räucherwerk verbrannt, das die lästigen Viecher fernhalten soll, aber so langsam beginnt Kali am Erfolg dieser Methode zu zweifeln. Sie zumindest hat bisher noch nicht viel vom gewinnbringenden Nutzen der oftmals stinkenden Räucherwerkmischungen mitbekommen. Wütend kratzt sie sich eine besonders juckende Stelle am Oberarm und kann gerade noch rechtzeitig aufhören, bevor sie den Stich völlig aufgeschrappt hat. Als sie sich schließlich Nazret nähern und das gigantische Sphinxentor südlich der Stadt passieren, fühlt sich die Azadoura derart elend, dass sie für das prächtige Bauwerk lediglich einen matten Blick übrig hat.

Glücklicherweise befindet Kali sich schon wieder auf dem Weg der Besserung, als sie schließlich Mar'Varis ansteuern, die vermutlich wichtigste Stadt des Azurianischen Städtebundes. Beeindruckt sieht sie sich um, als sie schließlich im Flusshafen der Stadt an Land geht und sich sogleich dem lebhaften Treiben des Großen Basars ausgesetzt sieht. Und die bogenförmigen, halboffenen Markthallen aus Korbgeflecht, welches vollständig von immergrünen Schlingpflanzen überwuchert wird in deren Grün Nalinis brüten und Schmetterlinge umhertanzen, bieten wirklich einen atemberaubenden Anblick – vor allem für jemanden, der noch nie so weit von seiner Heimat entfernt war wie Kali in eben diesem Augenblick.
Doch die Azadoura erholt sich erstaunlich schnell und findet sich rasch in der unbekannten Umgebung zurecht. Wie schon zuvor in Naggothyr begibt sie sich zunächst auf die Suche nach einer geeigneten Unterkunft, um die Stadt anschließend im Laufe der folgenden Siebentage gründlich zu erkunden, wobei sie tunlichst darauf achtet sich nur noch in der Allgemeinsprache zu verständigen – ihr starker Akzent fällt ohnehin schon mehr als nötig auf, ganz zu schweigen von ihrem Erscheinungsbild, das einiges Misstrauen weckt.
Die Siosehpol, die 33-Bogen-Brücke, entwickelt sich schnell zu Kalis Lieblingsplätzen von Mar'Varis und so kommt es, das sie ihr fast täglich einen Besuch abstattet. Das Haus von Sonne und Mond, Shenrah- und Faêyristempel der Stadt, hat es ihr indes weniger angetan. Ihr eigenes Volk pflegt in erster Linie einen ausgeprägten Ahnen- und Totemkult. Nur eine handvoll Azadoura sind Anhänger des Zwölfgötterglaubens - und wenn, dann verehren sie allenfalls Vendis, Amur und die Archonen Agnir und Aranur, Veriana Wolkenreiter sowie Liktik Schnellfinger. Und die wenigen Sippen, die, so wie die ihre, dem dunklen dreizehnten Gott huldigen, haben einfach die religiösen Praktiken und Rituale ihrer Shebarucvorfahren übernommen ohne sich näher für die übrigen zwölf Götter zu interessieren. Alles was mit dem Zwölfgötterglauben in Zusammenhang steht, ist für Kali daher relativ neu, weckt allerdings auch nicht unbedingt ihr Interesse. Stattdessen rufen die priesterlichen Roben und Gewänder nur spöttische Belustigung bei ihr hervor. Lieber lässt sie den Abend im Roten Hamam, einem alten und berühmten Badehaus, ausklingen und gibt sich dort voll und ganz der Pflege ihres arg zerschundenen Körpers hin. Über die Bezahlung kann ich mir später immer noch den Kopf zerbrechen ...

Titel: Re: Unterwegs am und auf dem Bar el-Atbár
Beitrag von KaliMaya am 28. Aug. 2008, 14:12 Uhr
Sonnenthron/Beerenreif: Mar'Varis - Ildala

An die Statue eines brüllenden Löwen gelehnt sitzt Kali auf der Siosehpol und schaut auf den Bar el-Atbár hinaus, der seinem Namen im Schein der untergehenden Abendsonne alle Ehre macht. Die ständige Übelkeit klingt ganz langsam ab (dem Dunklen sei Dank) auch wenn sie leider noch nicht völlig verschwunden ist und Kalis Bauch beginnt sich allmählich zu einem winzigen Bäuchlein zu wölben, was unter ihren weiten, wallenden Gewändern glücklicherweise nicht auffällt.
Die Azadoura streicht unbewusst über die winzige Wölbung und fragt sich, ob sie Talyra beim gegenwärtigen Vorankommen ihrer Reise überhaupt rechtzeitig vor ihrer Niederkunft erreichen wird. Mar'Varis gefällt ihr zwar, aber allzu lange will sie nicht mehr in der Stadt verweilen, doch der Mangel an klingender Münze mit dem sie ständig zu kämpfen hat, zögert ihr Fortkommen einmal mehr hinaus. Immerhin, ein Schiff nach Sen'afe hat sie bereits in Aussicht. Und mit ein wenig Glück bekomme ich die letzten Silberlinge heute Nacht noch zusammen, sodass es im Morgengrauen endlich weitergehen kann, sagt sie sich. Etwas Zuversicht hat noch nie geschadet. Entschlossen steht sie auf und macht sich auf den Weg zu ihrem "Jagdrevier".

Dummerweise verlaufen die Dinge bekanntermaßen nicht immer nach Plan, dies muss auch Kali in dieser Nacht wieder einmal schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Stundenlang streicht sie umher, außer ein paar Kupferlingen gibt es allerdings nicht viel zu holen. Ziemlich frustriert will sie sich schon auf den Rückweg zu ihrer Unterkunft begeben, dass Schiff nach Sen'afe hat sie bereits in den Wind geschrieben, als ihr Glück und Zufall doch noch hold zu sein scheinen. Und tatsächlich, wenig später befindet sie sich relativ problmlos in Besitz einer gut gefüllten Geldkatze, deren klimpernder Inhalt ihr das Leben für die nächsten zwei bis drei Siebentage erleichtern sollte.
Lächelnd wiegt sie den Beutel in der Hand und will ihn gerade unter ihren Gewändern verstauen, als sich plötzlich eine bedrohlich wirkende Gestalt aus den Schatten hinter ihr schält und ihr eine kalte Klinge an den Hals presst. In Gedanken verflucht Kali ihre eigene Unachtsamkeit, hütet sich aber tunlichst auch nur einen einzigen Laut von sich zu geben. Stattdessen hält sie still und wartet ab. Der Fremde, seine Stimme verrät sein Geschlecht eindeutig, zischt ihr eine wütende, aber so unverständliche Wortflut ins Ohr, dass Kali nur einzelne Wortbrocken versteht. Allem Anschein nach ist sie wohl unbeabsichtigt irgendjemandem auf die empfindlichen Zehen gestiegen, soviel begreift sie immerhin. Der Fremde lässt mehrmals ein Wort fallen, welches wie 'Schattenläufer' klingt und auch von einem 'Graufuchs', offenbar ein Name, ist mehrfach die Rede. Die Azadoura verzichtet jedoch darauf, näheres darüber in Erfahrung zu bringen und nutzt lieber die erstbeste Gelegenheit, die sich ihr zur Flucht bietet. Irgendwie gelingt es ihr ihre Eisennadel in die Finger zu bekommen. Ohne zu zögern sticht sie blindlings zu, hauptsache sie trifft, wohin ist ihr vollkommen egal. Und dass sie trifft, verrät ihr der verblüffte Schmerzensschrei des Fremden sogleich.

Kali grinst böse und tritt ihrem sich nun am Boden krümmenden Angreifer noch einmal zwischen die Rippen, bevor sie schleunigst das Weite sucht. Schade, dass meine Klinge im Moment nicht vergiftet ist, denkt sie noch, während sie davoneilt. Erst allmählich wird sie sich der Schwierigkeiten bewusst, in denen sie sich befindet. Das dieser Zwischenfall so glimpflich abgelaufen ist, grenzt an ein Wunder. Ich sollte die Stadt leiber so schnell wie möglich verlassen, stellt sie fest. Nur gut, dass das Schiff schon bald ausläuft. Gerade noch genug Zeit, um mein Zeug zu holen und anschließend zu verschwinden ... Mit einem ziemlich flauen Gefühl im Magen eilt sie weiter und wirft immer wieder nervöse Blicke zurück. Ganz gleich ob der Kerl, der sie angeriffen hat tot ist oder nicht, früher oder später würde ihn irgendjemand gewiss entdecken und dann hätte sie vermutlich entweder die Löwengarde von Mar'Varis, diese dubiosen 'Schattenläufer', wer auch immer sie sein mögen, oder womöglich sogar alle beide am Hals. Alles in allem also keine besonders verlockenden Aussichten.
Richtig entspannen kann Kali Maya aus diesem Grund auch erst wieder, als sie sich auf dem Schiff nach Sen'afe und bereits zwei Tagesreisen von Mar'Varis entfernt befindet. Dort angelangt, ist sie von dem Zwischenfall in Mar'Varis aber immer noch so beunruhigt, dass es sie nicht einmal einen Siebentag lang in der kleinen Stadt am Blutfluss hält und sie die erst beste Gelegenheit beim Schopf ergreift, um sich einer Karawane anzuschließen, die auf der Shakh in Richtung Ildala unterwegs ist.

Herzlich aufgenommen wird die Azadoura von ihren neuen Reisegefährten allerdings nicht. Selbst das abgrundtief hässliche Kamel, welches man ihr als Reittier zugewiesen hat und das angeblich auf den klangvollen Namen Zahrah - blühende Blume - hören soll, scheint ihr zu misstrauen und lässt sie dies mit seinem störischen Ungehorsam auch mehr als einmal ausgesprochen deutlich spüren. Das einzige Geschöpf weit und breit, welches das ewige Misstrauen gegen ihre Person nicht zu teilen scheint, ist ein winziger junger Löwentamarin, welchen sie seinem vorigen Besitzer, einem knurrigen alten mar'variser Schiffer, aus einer Laune heraus, die sie sich immer noch nicht erklären kann, abgeluchst hat. Was sie mit dem kleinen Äffchen anfangen soll, weiß Kali eigentlich nicht so recht. Und ein passender Name will ihr ebenfalls nicht einfallen, weshalb der zunächst scheue, doch schon bald sehr anhängliche Tamarin, der es sich mit Vorliebe auf ihrer Schulter bequem macht, um mit den Federn und Perlen in ihrem Haar zu spielen, nach wie vor namenlos ist.  

Überhaupt gestaltet sich ihre Reise auf der Shakh eher unangenehm. Bereits am ersten Abend hat Kali sich den Hintern wund gescheuert, da sie bisher weder auf einem Pferd noch einem vergleichbaren Reittier geseßen hat und den sich nur unter großen Mühen auf dem Rücken ihres 'Wüstenschiffes' zu halten, welches in monotonem Wiegeschritt voranschreitet.
Die Azadoura ist daher für jede größere Reisepause, die die Karawane einlegt, dankbar. Und Unterbrechungen dieser Art gibt es auf dem Weg nach Ildala mehrere: So verbringt die Karawane einige Tage in Caer Torrelodar und hält für eine Weile in Arelat und Caer Tarpin bevor es schließlich nach Caer Gaillard weitergeht, dem letzten größeren Halt vor Ildala.
Die Landschaft durch die sie reisen hat sich mittlerweile drastisch verändert. Die dichten grünen Oasen am Blutfluss weichen mehr und mehr einer weniger überwältigenden, wenn auch nicht weniger grünen Vegetation und das feuchte, schwülwarme Klima wird zunehmenden milder - mediterraner. Die Gegend ist hügelig und hauptsächlich vom Weinanbau geprägt, ein für Kali ungewohnter Anblick. Mittlerweile ist sie die ästige Schwangerschaftsübelkeit vollständig los und kann das letzte Wegstück bis Ildala sogar richtig genießen.

Titel: Re: Unterwegs am und auf dem Bar el-Atbár
Beitrag von KaliMaya am 04. Sept. 2008, 11:39 Uhr
Beerenreif/Erntemond: Ildala – Talyra

Die Siebentage in Ildala vergehen schleppend und unerfreulich, auch wenn Kali nichts anderes erwartet hat. Seit jeher begegnet man ihrem Volk außerhalb Agutrots mit offenem Misstrauen oder gar Hass. Hier, so weit von ihrer südländischen Heimat entfernt, sind Misstrauen und Abneigung sogar noch wesentlich ausgeprägter als beispielsweise in Azurien, wo ihr Volk immerhin noch relativ bekannt ist. Nein, ungewöhnlich oder gar verwunderlich ist das Verhalten der Ildaler durchaus nicht, denn so weit von Agutrot entfernt, bekommt man nicht gerade häufig eine oder einen Azadoura zu Gesicht. Nur Verbannte, so wie Kali eine ist, verlassen die strenge, aber sichere Gemeinschaft der Sieben Grotten Agutrots, und selbst dann verschlägt es sie in der Regel allenfalls in eine andere Stadt der Bucht der Schatten oder nach Dûn Iluc – und sogar gelegentlich schon mal in die eine oder andere Stadt Azuriens. Doch die wenigsten verbannten Azadoura treibt es so weit über die Grenzen der Rubinküste hinaus wie Kali Maya.
Aus diesem Grund macht die Azadoura immer wieder die Erfahrung, dass die meisten Menschen, mit denen sie in Kontakt kommt, kaum zwischen ihr und einer echten Shebaruc unterscheiden können. Einerseits schmeichelt ihr dieses, und wenn sie ihre Ruhe haben will, nutzt sie die Antipathien, die man ihr entgegen bringt, auch geschickt aus, aber andererseits empfindet sie es auch mehr und mehr als Belastung. Allein und vollkommen abgeschnitten von der Gemeinschaft ihres Volkes sehnt sie sich immer öfter nach Gesellschaft, die nicht bloß aus einem Löwentamarin besteht.

Lange hält es Kali daher nicht in der Stadt am südöstlichen Ufer des Ildorel. Bis sie allerdings ein Schiff gefunden hat, das sie nach Talyra mitnehmen wird, dauert es dann doch volle zwei Siebentage. Und der Kapitän der Seehure, der sich schließtlich bereit erklärt, sie mitzunehmen, verlangt einen wirklich unverschämt überteuerten Preis für diese Überfahrt. Schließlich ist Kali Maya jedoch dermaßen genervt, dass sie frustriert in den Handel einschlägt und dem Mann den Großteil ihrer letzten Münzen überlässt, denn wie es scheint, ist in Ildala absolut kein anderer Kapitän außer Maraes (so der Name des untersetzten Südländes mittleren Alters mit blauem Gabelbart und weißem Turban) bereit sie an Bord seines Schiffes zu lassen.  
Gereizt verbringt sie die nächsten Tage während der Überfahrt meistens unter Deck und kommt nur gelegentlichen aus ihrer winzigen Kajüte heraus, um für eine Weile auf den See hinaus zu blicken. Die Schwangerschaft kann sie mittlerweile kaum noch kaschieren, denn ganz allmählich wird aus dem kleinen Bäuchlein so langsam ein richtig schöner Babybauch. Kali blinzelt und legt ganz unwillkürlich eine Hand auf ihren Bauch, als sie die winzige Bewegung in ihrem Leib spürt. Seufzend begibt sie sich wieder in ihre Kajüte, während sie sich im Stillen fragt, was die Zukunft für sie und ihr ungeborenes Kind wohl bereithalten mag. Im Augenblick weiß sie nicht einmal, wie es nach der Ankunft in Talyra weitergehen soll, mittellos wie sie ist. Ihr stetig wachsender Babybauch behindert sie zusehends, selbst bei den harmlosesten, einfachsten _Fingerübungen_ – mit Taschendiebstahl und ähnlichem würde sie sich nicht mehr lange über Wasser halten können. Und dann sind da auch noch ihr _Schmuggelgut_ und die Eisennadel, die sie immer noch bei sich trägt. Allein aufgrund ihres Erscheinungsbildes hatte sie in Ildala mehrfach die Bekanntschaft des einen oder anderen prüfenden Stadtwächters machen dürfen, glücklicherweise bisher ohne größere Unannehmlichkeiten. Doch Kali ist bekannt, dass das Tragen von Eisennadeln in den meisten Städten, in denen auch heute noch imperiale Gesetze gelten, bei Strafe verboten ist. Trennen will sie sich zwar eigentlich nicht von der zierlichen, heimtückischen Waffe, aber fürs Erste hält sie dies dennoch für die klügste Entscheidung. Sobald ich in Talyra bin, werde ich mich wohl als Erstes nach einem geeigneten Versteck umsehen müssen, überlegt sie missmutig. Ich darf unter keinen Umständen mehr als unbedingt nötig auffallen. Und das bedeutet selbstverständlich vor allem: Keine nähere Bekanntschaft mit der Stadtwache, denn das letzte was Kali möchte, ist ihr Kind in irgendeinem dreckigen Kerkerloch zur Welt bringen zu müssen.

Der Perlenhafen »



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