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(Thema begonnen von: Rosentau am 04. Jan. 2008, 17:22 Uhr)

Titel: Reise nach Draingarad
Beitrag von Rosentau am 04. Jan. 2008, 17:22 Uhr
Die kleine Gruppe hat gerade das Verder Tor erreicht, und Koben stellt die Frage nach Ziel und Sinn der Reise, als die Fee einen kleinen Aufschrei vernehmen läßt. "Haben wir überhaupt so etwas wie eine Zeltplane? Wer weiß, ob wir jede Nacht ein Gasthaus finden, Seidenfell und ich können schon irgendwo unterschlüpfen, aber für dich wird das schwer!" Da keiner von ihnen weiß, wie gut Reisebedarf in den umliegenden Dörfern zu bekommen ist, beschließen sie, noch einmal zurückzureiten bis zum Marktplatz - vorher allerdings muß der Gärtner auf Rosentaus Drängen hin noch einmal überprüfen, ob sonst noch etwas fehlt. Drei Holznäpfe haben Amy und Maria eingepackt, außerdem einen Trinkbecher und Zündhölzer, Koben selbst hat noch zwei dicke wollene Decken in eine der Satteltaschen gesteckt. Außer der Plane wird auf dem Marktplatz noch ein kleiner Topf besorgt, und endlich passieren sie nun doch das Verder Tor. Einer der Blauhelme sieht dem Grüppchen grinsend nach - ein Halbelb, eine Fee und eine bläuliche Katze auf dem Rücken eines edel wirkenden schwarzen Hengstes, daneben ein großer orangefarbener Hund. Der Blauhelm flüstert einem seiner Kameraden etwas zu, was stark nach "mickriger kleiner Wanderzirkus" klingt, und Rosentau kann Koben nur mit Mühe davon abhalten, dem Kerl ordentlich seine Meinung zu sagen.

Koben läßt Relaro auf dem Verdweg in einen leichten Trab fallen. "Zu meiner Frage von vorhin...?" äußert er, mit einem durchdringenden Seitenblick auf seine winzige Begleiterin. "Draingarad liegt auf der anderen Seite der Sonnenhügel. Ich habe in TianShis Büchern nach Karten geschaut, wir können die Berge entweder westlich oder östlich umgehen. Mitten durch halte ich bei der Witterung für eine schlechte Idee. Östlich würde bedeuten, dass wir uns von Wegesend nach CaerFaddon nicht auf einem vernünftigen Weg bewegen können, allerhöchstens auf Pfaden. Westlich wäre der Frostweg bis nach Roann, das könnten wir so Anfang Eisfrost erreichen, und dann würden wir uns in östlicher Richtung bis Dornheim durchschlagen, was uns noch einmal etwa zwanzig Tage kosten dürfte, vielleicht auch ein bißchen mehr. Dann noch ein kleiner Aufstieg von ein paar Stündchen, und wir sind da. Die nächste größere Stadt auf unserem Weg ist Caernion, da sollten wir in etwa sieben bis acht Tagen sein, und dort beginnt auch der Frostweg," erläutert Rosentau. Die Frage nach dem Grund übergeht sie, und just in diesem Moment scheinen die Götter es nicht besonders gut mit der kleinen Reisegruppe zu meinen: Zur Kälte gesellen sich nun schwere Regentropfen, die erst langsam und dann immer schneller auf den Verdweg und die Reisenden klatschen. "Vielleicht hätten wir doch noch in den Tempel gehen sollen, bevor wir uns auf gemacht haben," seufzt die Fee, zieht sich die Kapuze über den Kopf und schüttelt unwillig die Flügel. Seidenfell zeigt noch weniger Begeisterung und verkriecht sich flugs unter Kobens Mantel, was dieser mit einem unwilligen Knurren kommentiert, Rosentau ist aber nicht sicher, ob er sich wirklich so sehr ärgert, dass die Katze ihre Wärme mit ihm teilt. Rosentau wirft einen mürrischen Blick in den Himmel. "Wenn das Wetter so bleibt die nächsten Tage ist der Frostweg wirklich die beste Wahl, hier können wir wenigstens nirgends im Schlamm stecken bleiben."

Viel ist vom Tag nicht mehr übrig, und wann immer Koben auf das Ziel der Reise zu sprechen kommt macht Rosentau nur vage Angaben, sie müsse eine Freundin besuchen. Leider sind weder Gärtner noch Fee besonders geographisch bewandert was das Umland Talyras angeht, genaugenommen hat keiner eine Ahnung, wo sich Dörfer am Rand des Verdweges befinden. Es ist schon später Nachmittag, als sie eines der Dörfer passieren, aber sie beschließen, dass sie es sicher vor Einbruch der Dunkelheit noch zum nächsten schaffen. Selbstverständlich schaffen sie es nicht und stehen stattdessen bei Einbruch der Dunkelheit am frühen Abend mitten auf dem Verdweg, irgendwo einen halben Tagesritt von Talyra entfernt. Eine kurze Debatte darüber, wer denn nun Schuld sei, bringt als Ergebnis nur hervor, dass sowohl Halbelb als auch Fee Schuld sind, weil beide der festen Überzeugung waren, das nächste Dorf noch erreichen zu können. In der absoluten Dunkelheit bringt es auch nicht viel, dass Rosentau über eine hervorragende Nachtsicht verfügt, und der Gedanke daran, Relaro könnte sich dank eines übersehenen Schlagloches eine Verletzung zuziehen und die Reise somit vorzeitig beenden, überzeugt die Gruppe schließlich, am Rand des Verdweges ihr Nachtlager aufzuschlagen, auch wenn der Boden dort völlig durchweicht ist. Koben mag zwar wenig begeistert sein und der Alternative, wegen eines lahmenden Pferdes umkehren zu müssen, nicht gänzlich abgeneigt, dennoch scheint ihm nicht der Sinn danach zu stehen, seiner kleinen Freundin ihre Reise zu verderben, und so rollen sich Halbelb, Fee, Hund und Katze in die beiden Decken ein, mit der Zeltplane halb als Untergrund und halb als windgeschützten Unterstand, und teilen ein kleines Abendesen aus der Provianttasche aus dem Anmen. "Eigentlich wäre ein Feuer schön," murmelt die Fee. "Wenn nur nicht das Holz hier so völlig durchnässt wäre... Morgen nachmittag nehmen wir das erstbeste Dorf und bleiben da!" Seidenfell quittiert dies mit einem Niesen, und Rosentau hofft inständig, dass das Tier keine Erkältung ausbrütet - das fehlte gerade noch.

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Coben am 04. Jan. 2008, 20:17 Uhr
"So wie es aussieht hört es mit ein wenig Glück heute Nacht noch auf zu regnen." Seufzend zieht Coben die kratzende Wolldecke enger um sich und lauscht auf das Prasseln der Tropfen auf der ledernen Zeltplane, das immer spärlicher und leiser wird. "Trotzdem könnte es nicht schaden, wenn du vor dem Einschlafen noch ein wenig für einen trockeneren Amirtag betest. Falls ihr kleinen Leute überhaupt irgendwelche Götter habt." Missmutig beobachtet der Halbelb Seidenfell, die sich ganz offensichtlich zur Aufgabe gemacht hat seine Füße zu erlegen. Während die klamme Kälte des Bodens langsam seine Beine heraufkriecht und er draußen Relaro, den er unter der Eiche direkt neben ihnen angebunden hat, damit er wenigstens etwas gegen den Regen geschützt ist, beleidigt schnaufen hört muss er sich zu seiner eigenen Schande eingestehen, dass er einen Arm dafür geben würde, in diesem Moment in seiner warmen Kammer im TianAnmen zu liegen und nicht hier, etwas abseits des Verdweges zwischen irgendwo und nirgendwo im Morast. Was drei lächerliche Zwölfmonde ausmachen können. Er kann sich jedenfalls nicht daran erinnern die Unannehmlichkeiten einer Reise jemals so intensiv wahrgenommen zu haben. Im Gegenteil, als er vor mehr als drei Julfesten in Talyra angekommen war, hatte es ihn schon nach wenigen Tagen gedrängt weiterzuziehen. Auch die Tatsache dass Rosentau ihm immer noch nicht verraten hat wozu sie überhaupt Richtung Draingarad aufgebrochen sind wirkt nicht gerade stimmungsaufhellend. Innerlich verflucht er sich dafür, so ohne weiteres mitgegangen zu sein. Hätte er nur einen Augenblick genauer über die Aussicht mehrere Monde bei Trockenfleisch und fadem Wasser durch die verregneten Herzlande zu ziehen nachgedacht, wäre ihm das Ganze dank seines verwöhnten Verstandes wohl erspart geblieben. Mit einem stummen Seufzen dreht Coben sich auf die Seite, um wenigstens ein wenig von der Körperwärme des schnarchenden Culú zu erhaschen. Nun, immerhin fühle ich mich langsam wieder mehr wie ein laiginer Wanderer und nicht wie ein fetter talyrischer Pfeffersack., bemerkt er mit einem Anflug von Nostalgie, die wohl immer aufkommen muss wenn man fern von der Heimat die Nacht auf einem schlammigen Boden verbringt, einen kleinen ... was hatte die Wache gesagt? Wanderzirkus im Gepäck. Und mit den Tieren und Rosentau die Nacht am Rande der Straße zu verbringen ist immer noch besser als alleine in einer halbeingestürzten Höhle zwischen Tombelaine und Ambar zu sitzen und zu hoffen das was auch immer die Hirschgebeine dort zurückgelassen hat erst in der nächsten Nacht wiederkommt. Und schließlich wird die Fee gute Gründe haben, die sie nach Draingarad ziehen - das hofft er jedenfalls für sie.

Als sie am nächsten Morgen erwachen, die Dämmerung ist gerade so weit vorangeschritten, dass Coben das zornige Blitzen in den dunklen Augen Relaros sehen kann, braucht der Halbelb eine Weile bis ihm klar wird dass seine Füße nicht etwa erfroren sondern einfach nur unglaublich steif sind. "Kannst du dir vorstellen dass ich vor wenigen Zwölfmonden vermutlich noch ohne Schuhwerk durch den Silberweiß gelaufen wäre?", murmelt er Rosentau zu und ist versucht, auf die Knie zu fallen um Kana mit einem Stoßgebet für die dicken mit Schafswolle gefütterten Winterstiefel zu danken. Ohne sich um Seidenfells Fauchen zu kümmern wirft er sich seinen nussbraunen Umhang um die Schultern und schließt ihn eilig mit der beinernen Brosche. Zweifelsohne hatte die Katze einen Teil der Nacht zusammengerollt in dem Kleidungsstück verbracht und war nun nicht gewillt den warmen Platz so plötzlich zu verlassen. Nachdenklich betrachtet der Gärtner die fein geschnitze Brosche, in deren Mitte ein reiner Bernstein von der Farbe dunklen Honigs glänzt. Früher wäre es ihm nie in den Sinn gekommen dieses Schmuckstück aus dem Familienschatz der Tìr'Mathan auch nur an einem hohen Festtag anzulegen, welcher Dämon also hat ihn geritten es mit auf diese Reise zu nehmen? Sollten sie das Pech haben überfallen zu werden, würden Strauchdiebe ihm mit Sicherheit nicht glauben dass er ein einfacher Gärtner ist, sobald sie dieses Kleinod an seiner Kehle bemerkt haben. Und dazu noch das Pferd ... nein, früher war das Reisen in jedem Fall einfacher gewesen. Auf der anderen Seite hat Rosentau mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht darüber nachgedacht, dass man ein paar Münzen dabei haben sollte, wenn man mit Großlingen reist und sollte seine Geldkatze irgendwann leer sein, hätten sie wenigstens etwas das sie versetzen können. Zu einem lächerlich niedrigen Preis in einer düsteren Gasse an eine zwielichtige Person vermutlich, aber immerhin. Ein kurzes Lächeln huscht über Cobens Gesicht. Ja, nach all den Monden talyrischer Gemütlichkeit würde ihm solch ein kleines Abenteuer nicht ungelegen kommen. "Nun komm schon, Flattervieh. Je früher wir aufbrechen umso schneller sind wir wieder bei den Kindern und bei meinem Garten." Er streckt sich ausgiebig und reißt ein großes Stück von dem riesigen Laib dunklen Brotes ab, das Amy und Maria ihnen eingepackt haben. Ein sehr viel kleineres reicht er Rosentau, die sich gähnend auf seine Schulter gesetzt hat. In wenigen Augenblicken packen sie ihr Gepäck zusammen, die triefend nasse Zeltplane werfen sie schlicht hinter sich auf Relaro, der das Ganze mit aufgebrachtem Schnauben quittiert und nur einige Minuten nachdem sie aufgestanden sind befinden sie sich schon wieder auf dem Verdweg. "Ich weiß nicht zu welchem Gott du gebetet hast und vielleicht möchte ich es auch gar nicht wissen, aber es hat geholfen." Der Himmel ist zwar immer noch von einer bleiernen Wolkendecke verhangen, aber wenigstens ist es trocken und einigermaßen windstill. "Trotzdem sollten wir versuchen die nächste Nacht in einem Gasthaus zu verbringen, das auch einen ordentlichen Stall hat, wenn wir nicht wollen dass unser lieber Luxushengst uns bei der nächsten Gelegenheit tot trampelt." Lachend streichelt Coben eines von Relaros zuckenden Ohren und pfeifft nach Culú, der aufgeregt vor ihnen herläuft, nach all den neuen Gerüchen schnuppernd, die der Regen aus der Erde gespült hat.
Um die Mittagszeit, oder dem was die beiden für die Mittagszeit halten, herum macht die kleine Gruppe Rast an einem kleinen Bachlauf unweit des Weges, bei dem sich gnädigerweise auch ein großer Felsen findet, so dass Coben sich nicht auf den Boden setzen muss. "Also, Rosentau", beginnt der Halbelb zwischen zwei Bissen des bereits befürchteten Trockenfleischs, das sich auch mit der Notration an Uisge die er mitgeschmuggelt hat schwer die Kehle hinunterspülen lässt, "Du willst mir also wirklich nicht sagen warum du so dringlichst nach Draingarad reisen musst, ja?"

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Rosentau am 05. Jan. 2008, 15:41 Uhr
Die Nacht ist wenig bequem, aber für Rosentau doch erträglich, und der nächste Morgen bringt immerhin relativ trockenes Wetter. "Kannst du dir vorstellen dass ich vor wenigen Zwölfmonden vermutlich noch ohne Schuhwerk durch den Silberweiß gelaufen wäre?", murmelt Koben vor sich hin, bevor er die arme Seidenfell mit einem Ruck aus seinem Mantel wirft. Rosentau wirft ihm einen musternden Blick zu. "Also, mit dem Mantel und dem Pferd und dem getrimmten Bart und den Stiefeln siehst du eigentlich nicht aus wie jemand, der barfuß geht," stellt sie fest. Koben mahnt zur Eile, als er ihr ein Stück Brot zuschiebt, und merkt an, er wolle bald wieder bei den Kindern und seinem Garten sein. "Na, so bald siehst du den Garten nicht wieder..." nuschelt die Fee, "aber immerhin hast du ordentlich zu tun, wenn wir zurück sind. Amy und Maria werden sicherlich das furchtbarste aus ihm machen, was du dir vorstellen kannst!"

Nur wenig später sind sie wieder auf dem Verdweg, die nasse Plane hinter sich auf dem Rücken des widerwilligen Hengstes, und der Halbelb äußert, dass, ganz gleich, zu welchen Göttern Feen denn nun beten, es offensichtlich geholfen haben muß, denn immerhin ist es ja nun trocken, wenn auch nicht unbedingt beste Reisewitterung. "Nun, Herr Halbelb, dass du so wenig über mein Volk weißt! Wir beten natürlich zu den zwölf Göttern und ihren Archonen, vor allen anderen Anukis und Shrix Schnellzunge. Das sollte doch eigentlich offensichtlich sein, wenn man sich etwas mit den Göttern beschäftigt!" Kobens Interesse an einer theologischen Diskussion scheint sich allerdings eher in Grenzen zu halten, und so setzen sie ihren Weg eine Weile schweigend fort. Culú läuft immer noch munter vorweg, von Seite zu Seite, um auch ja keinen einzigen Geruch zu verpassen, Seidenfell ist währenddessen unter Kobens Mantel geschlüpft und setzt ihren frühzeitig unterbrochenen Schlaf an seinem Bauch zusammengerollt fort.

Als sie einen kleinen Bachlauf passieren, beschließen sie, Mittagsrast einzulegen. Wie spät es genau ist kann natürlich keiner genau abschätzen, Shenras Auge ist durch die dicke Wolkendecke nicht zu sehen, aber hungrig sind sie alle, und die Stelle bietet sich wunderbar für eine Pause an. Koben läßt sich auf einem Stein nieder und zieht das Trockenfleisch aus dem Rucksack, von dem natürlich auch Seidenfell und Culú ihren Teil bekommen - Relaro muß derweil mit dem spärlichen Gras Vorlieb nehmen, natürlich nicht ohne unwilliges Schnauben und vorwurfsvolle Blicke in Kobens Richtung. Dieser allerdings ignoriert den Hengst gekonnt. "Also, Rosentau, du willst mir also wirklich nicht sagen warum du so dringlichst nach Draingarad reisen musst, ja?" Die Fee kaut noch einen Moment, bevor sie in einem etwas pikierten Tonfall ansetzt: "Nun, ich habe nie gesagt, ich wolle dir nicht sagen, warum ich nach Draingarad will. Es hat sich einfach nur bisher nicht ergeben, dich darüber zu informieren." Sie nimmt einen tiefen Schluck Wasser aus ihrem Fingerhut. "Wie ich schon sagte, ich muß eine Freundin in Draingarad besuchen. Sie heißt Yezebel, du wirst sie sicher mögen. Ich habe sie schon vor einigen Götterläufen kennengelernt, sie wohnt außerhalb Dornheims in den Bergen, ein gutes Stück von den nächsten Nachbarn entfernt." Sie zögert etwas und überspielt die Pause damit, dass sie noch ein weiteres Stück Trockenfleisch sorgsam kaut, bevor sie es schluckt. "Sie wohnt allein, sie hat weder Kinder noch einen Ehemann oder andere Verwandte. Sicherlich können wir ihr helfen, einige Dinge rund um ihr Haus in Ordnung zu bringen, sie kann sich selbst ja nicht mehr so gut bücken." Mehr sagt sie nicht, und sie meidet in der nächsten Zeit den Blick des Halbelben. Natürlich hatte Yezebel sich in ihren Briefen nie beklagt, aber die Fee weiß natürlich, dass Menschen im Alter sehr, sehr schnell abbauen. Und auch wenn Yezebel immer beteuerte, sie schaffe schon alles allein, hatte Rosentau herauslesen können, dass alles langsam immer schlechter ging. Sie hätte die Freundin eigentlich längst besuchen und ihr etwas zur Hand gehen sollen, und so plagt sie seit gestern ein ausgesprochen schlechtes Gewissen.

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Coben am 05. Jan. 2008, 19:18 Uhr
"Oh gut. Wir reisen also nach Draingarad um Hausmädchen und Handwerker für eine alte Frau zu spielen, ja?", lacht Coben während er die lederne Bauchflasche mit Uisge wieder in ihrem Proviantsack verstaut. Die Frage hätte schnippisch oder gar aufgebracht klingen können, würde nicht ein breites Grinsen das Gesicht das Halbelben zieren. "Bei Ealara, Rosentau! Euer kleines Volk sollte sich wirklich ein Beispiel an uns Großlingen nehmen und sich nicht ganz so aufopferungsbereit um die Armen und Schwachen kümmern. Oder bist du ein völliges Einzelexemplar, mit deiner schrecklichen Hilfsbereitschaft?" Zwinkernd knufft er die Fee mit dem Zeigefinger in die Seite. "Als ob es nicht reichen würde dass du im TianAnmen jedem Dahergelaufenen unentgeltlich deine Heilkünste zukommen lässt, nein - jetzt reist du schon durch die halben Herzlande um irgendwelchen Yezebels zur Hilfe zu eilen." Er seufzt übertrieben laut. "Mittlerweile solltest du doch wissen dass du dich hier in der bösen kalten Großlingswelt befindest und nicht in einem deiner rosaroten ... Feenglobbels. Ich wette du hast nicht einmal daran gedacht, ein wenig Geld für die Reise mitzunehmen sondern möchtest dich gerne von der Freigiebigkeit der Menschen und der Wiesen ernähren, hm? Und dir unterwegs ein Haus aus Wurzeln und Fliegenpilzen bauen falls es wieder regnet? Vielleicht können uns die Tiere des Waldes ja auch zu einem verwunschenen Feenschloss führen in dem wir rauschende Feste feiern und ..." Weiter kommt er nicht, denn Rosentau flattert von seiner Schulter zu seinem Gesicht um ihm einen ihrer Miniaturnasenstüber zu verpassen. Immer noch kichernd drückt Coben die Fee sanft wieder auf seine Schulter. Ihre Schläge mögen nicht weh tun, aber unangenehm sind sie allemal. Ein Libellenstich ist ja nun schließlich auch nicht wünschenswert. Keinen Wimpernschlag später hat Rosentau ihn davon unterrichtet, dass sie sehr wohl daran gedacht habe dass ein klobiger Großling wie er zu unpraktisch ist um irgendwo im Wald zu schlafen und vier Silberlinge mitgenommen habe. Sie versäumt natürlich nicht ihm irgendwo zwischen ihren aufgebrachten Ausführungen die Zunge herauszustrecken.
"Wirklich? Ich bin begeistert Rosentau. Dann kommen wir ja vielleicht bis nach Draingarad und zurück nach Talyra ohne dass ich Relaro verkaufen muss. Oder meinen Körper. Danke, du musst nichts sagen. Ich kann mir deinen Kommentar denken. Aber vielleicht sollten wir wirklich weiterziehen ... ich hätte zwar nichts gegen ein kurzes Mittagsnickerchen einzuwenden aber wie du schon sagtest - ich kann darauf verzichten zurückzukehren und zu erleben, dass Amy und Maria meinen Garten in ein überdimensionales Kräuter- und Rübenbeet verwandelt haben."

Der Rest des Tages verläuft einigermaßen unspektakulär, nur einmal halten sie noch an, da Relaro sich für etwas mehr als eine halbe Stunde schlichtweg weigert weiterzugehen und sich die wüsten Beschimpfungen seiner Besitzers demonstrativ ignorierend an dem spärlichen Gras am Rand des Verdweges gütlich tut. Rosentau nutzt diese unfreiwillige Pause um ihren Proviantsack zu durchstöbern und stößt schließlich mit einem kleinen Freudesschrei auf einen Beutel mit kandierten Kastanien, die zwar nicht mehr ganz frisch aussehen aber immer noch besser schmecken als das in Streifen geschnittene Trockenfleisch. "Wir sollten trotzdem sehen, dass wir vor Einbruch der Dunkelheit noch einen Gasthof erreichen der eine ordentliche Schankstube hat. Ich fürchte es kann nicht besonders gesund sein sich von getrockneten Rindern und Süßkram zu ernähren." Das Dorf, das sie wenig später erreichen stellt sich in dieser Hinsicht jedoch als ziemliche Enttäuschung heraus, denn der Ort mit einem Namen den Coben beim ersten Hören schon wieder vergessen hat, besitzt weder noch. Eine junge Magd die gerade dabei ist ein Huhn zu rupfen und sich dabei mit den Füßen Culú vom Leibe halten muss, versichert ihnen jedoch dass sich nicht einmal eine Wegstunde den Verdweg hinunter der Schwan befinde, ein etwas größeres Gasthaus in dem sicher auch sie willkommen wären. Rosentau bedankt sich höflich, dem Halbelben entlocken die Worte des Mädchens nur ein sanftes Stirnrunzeln. Nein, es war wirklich nicht der beste Einfall seines Lebens gewesen mit diesem bunten Trupp auf Wanderschaft zu gehen.
"Wie auch immer. Lass uns eben nachschauen ob wir dort wirklich willkommen sind oder ob die Dorfbewohner mit Fackeln und Mistgabeln kommen um uns zu verjagen. Und sowas im Umland von Talyra. Dieses Mädchen war jawohl total verblödet.", giftet Coben als sie außer Hörweite sind. "Aber sag mal, mein Röslein - was genau stand denn nun in dem Brief den du heute Morgen bekommen hast? Ich meine in den letzten paar Zwölfmonden bist du doch auch nicht auf die Idee gekommen diese Yezebel zu besuchen, oder?" Interessiert mustert Coben die Fee, die seine Frage allerdings schnell mit einer Beschreibung der Natur hier draußen, anderthalb Tagesreisen von Talyra entfernt, übergeht und dem Gärtner damit ein kurzes Lachen entlockt. "Ist ja gut. Du kannst ruhig deine kleinen Geheimnisse haben.", murmelt er um kurz darauf erleichtert auszurufen: "Danke deiner Shrix, das da vorne muss es sein. Und es sieht tatsächlich aus wie ein Gasthof!"
Wenige Augenblicke später erreichen sie den Schwan, ein großes reetgedecktes Steinhaus, das nicht annähernd so heruntergekommen aussieht wie Coben befürchtet hat. Auch von innen macht das Gebäude einen ordentlichen Eindruck, die Wände sind frisch getüncht und auch das platt getretene Stroh am Boden riecht weitaus weniger nach Urin und weiteren unangenehmen Körpferflüssigkeiten als in manch anderer Gaststube. Der Wirt, der mit seiner hageren Gestalt und der blassen Haut nicht ganz dem gängigen Klischee eines schmerbäuchig gutmütigen Schankmeisters entspricht, knöpft ihnen zwar für eine einfache Kammer, ein warmes Abendessen und einen Platz im Stall für Relaro den lächerlich hohen Preis von einem ganzen Silberling ab, aber Coben bezahlt ohne zu murren oder sich auf großartige Feilschereien einzulassen. Schließlich ist seine Geldkatze noch gut gefüllt und für Knausereien würde er noch genügend Zeit haben wenn seine Gelenke nicht mehr steif und sein Nacken nicht mehr völlig verspannt wären. Wohlig seufzend genehmigt er sich wenig später einen tiefen Schluck aus dem Tonbecher mit Met, den der Wirt vor ihn auf den Ecktisch gestellt hat und wirft Rosentau einen zufriedenen Blick zu. "Reisen kann doch sehr angenehm sein, hm?"

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Rosentau am 05. Feb. 2008, 18:45 Uhr
"Oh, diese kandierten Kastanien!" seufzt die Fee verzückt, und verdreht genießerisch die Augen. "Wie lange haben wir uns von Trockenfleisch ernähren müssen - doch sicher mindestens anderthalb Tage!" Als Koben darauf hinweist, dass die für diese Nacht besser ein Gasthaus suchen sollten, grinst Rosentau - für Feenverhältnisse- breit. "Ach, tatsächlich? Und es war doch so eine schöne, gemütliche Nacht, der sanft tröpfelnde Regen, so ganz in Mutter Naturs Schoß. Wildromantisch, genau das, was du später einmal deinen Kindern vorm Kamin erzählen kannst, wenn du mal alt und grau bist. Natürlich wirst du dann die entzückende kleine Fee durch eine feurige junge Maid ersetzen, deren Großvater du sein könntest. Wahrscheinlich wird sie wilde rote Locken haben, oder honigblonde weiche Wellen," erklärt sie.

Das nächste Dorf, dass sie erreichen, ist allerdings nicht genau das, was sie sich erhofft hatten, es gibt keinerlei Möglichkeit, irgendwo zu übernachten. "Wie wunderbar. Wir können uns tatsächlich wieder am Wegesrand zusammenkauern." Rosentau verzieht das Gesicht, dann allerdings läßt eine Magd sich entlocken, dass es ein Stück weiter ein Gasthaus gäbe, sicherlich versucht sie einfach nur, Culú loszuwerden. Koben scheint es dem jungen Ding übel zu nehmen, dass sie die bunte Gesellschaft ähnlich herablassend betrachtet wie die Gardisten, aber immerhin hat sie sich das Wörtchen "Wanderzirkus" verkniffen. Dennoch, sobald sie das Dorf hinter sich gelassen haben, beginnt der Gärtner zu zetern wie ein Rohrspatz, darüber, dass das Mädchen ohnehin gänzlich verblödet wäre. Die Fee grinst. "Aber, mein lieber Herr Halbelb, ab heute sollte ich dich Herr Waschweib nennen, so wie du zeterst!" Dann allerdings wendet ihr Begleiter das Gespräch dem Brief zu, der überhaupt erst Grund für den Aufbruch war, und Rosentau nuschelt etwas von "So dieses und jenes und was es da eben so gibt", und erklärt, wie seltsam sie es findet, dass so nah am Wegesrand wildes Mondkraut wächst, zwar nur ein einzelnes Büschel, aber wie man sonst danach suchen muß! Und kaum eine halbe Minute später ist auch schon das Gasthaus in Sichtweite, und Rosentau dankt tatsächlich im Stillen Shrix, laut sagt sie allerdings: "Ach, du, du tätest gut daran, dich einmal besser mit den Göttern zu stellen - sicher ist es nur deine Schuld, dass die letzte Nacht so kalt und nass war!"

Das Gasthaus stellt sich als einfach, aber sauber heraus, Kobens Blick zu urteilen nach allerdings nicht gerade preisgünstig. Aber er scheint zu erleichtert darüber, die Nacht im Trockenen verbringen zu können als dass er sich beschweren würde, und das warme Abendessen am Ecktisch ist wirklich nicht zu verachten, wenn man den Beginn der Reise zum Vergleich nimmt. Der Halbelb erklärt, Reisen könne ja doch ganz angenehm sein, und Rosentau nickt. "Aber das Essen im Anmen ist dennoch besser."
Sie gehen recht zeitig ins Bett, und stehen sogar noch zeitiger wieder auf. "Loslos, hoch mit dir, du Langschläfer!" Rosentau umflattert den Gärtner und zieht ihm an den braunen Locken. Draußen schickt sich die Sonne gerade an, aufzugehen, und Koben knurrt etwas davon, dass sie schon früh genug wieder in der Kälte wären. Aber es nützt alles nichts, und so sind sie keine zwanzig Minuten später erneut auf dem Verdweg. Es ist empfindlich kühl, und Relaro scheut mehrere Male, das Tier hat sich wohl in den Kopf gesetzt, Bodennebel plötzlich gruselig zu finden. Und dann kommt der Schnee. Angekündigt erst durch zwei, drei durchscheinende kleine Kristalle, die auf dem Umhang Kobens und auf Relaros Mähne landen, wie Späher für die dicken, dichten Flocken, die ihnen mit einer kleinen Weile Verzögerung folgen. Die erste Zeit noch haben sowohl Culú als auch Seidenfell große Freude daran, nach den Flocken zu schnappen und zu haschen, aber ihre Begeisterung legt sich bald. Seidenfell verkriecht sich wieder unter Kobens Mantel, Culú verfällt in einen schicksalsergebenen Trott.

Noch fünf Tage lang haben sie Schnee, dann bessert sich das Wetter langsam aber stetig. "Wie treffend, kaum dass wir den Frostweg erreicht haben, taut es," merkt die Fee einmal an, als die Sonne sich hinter der Wolkendecke hervortraut. So ganz hat sich noch keiner daran gewöhnt, auf den Luxus im Anmen zu verzichten und wieder unterwegs zu sein, aber irgendwie ist da doch ein lang nicht verspürtes Gefühl von Freiheit, und an einem Tag, als es gerade relativ schön ist und die ersten Frühlingsblumen sich zaghaft zeigen, äußert Rosentau übermütig, dass sie eigentlich nach Draingarad die kompletten Immerlande bereisen müßten, vom Immerfrost bis zur Rubinküste und zurück. Der Übermut legt sich allerdings genauso schnell wieder, wie er gekommen ist, wenn man nicht mehr daran gewöhnt ist, können Nächte im Freien auch ohne Regen eine recht heilsame Wirkung auf übersteigerte Reiselust haben.

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Coben am 25. Feb. 2008, 22:51 Uhr
"In Laigin sagen sie ... warte, ich erinnere mich nicht mehr. Aber es war passend." Nachdenklich zieht Coben den Umhang enger um die Schultern und die Kapuze weiter ins Gesicht. Als hätten Nebre und die Frostgötter Absprache gehalten haben sich der Schnee der vergangenen Woche und der Regen der letzten Tage zu einem diesigen Schneeregen verbunden, der das Unangenehme beider Niederschläge harmonisch miteinander vereint und den Frostweg mit kaltem Matsch überzieht. "Irgendetwas über Ealara. Aber die meisten unserer Sprichwörter haben wohl irgendwie mit ihr zu tun." Der Anblick eines mit hängenden Ohren und Rute dahintrottenden Culús, der wohl ob des verhassten Schneematsches unter den empfindlichen Hundepfoten alle Götter gleichzeitig verflucht hätte hätten diese ihm eine Stimme gegeben, war so herzerweichend dass sogar die eingefleischte Katzenfreundin Rosentau keinen Protest erhob als Coben ihn kurzerhand vor sich auf Relaro hievte - so sieht das Grüppchen mittlerweile noch etwas seltsamer aus und erinnert ein wenig an das alte Kinderlied von allerlei verwirrt aufeinander stehendem Viehzeug, das die alte Lairse den Tír'Mathan-Kindern vorgesungen hatte wenn es draußen gewitterte und Coben und seine Vettern sich nicht schnell genug auf dem Heuboden verstecken konnten.
Seit dem von Rosentau initiierten überstürzten Aufbruch in Talyra sind mittlerweile etwas mehr als drei Siebentage vergangen und der Halbelb muss sich eingestehen, dass er nicht einmal mehr den Hauch einer Ahnung hat wo oder wie weit von Dornheim entfernt sie sich befinden. Alles was er sicher weiß, ist dass sie auf dem Frostweg sind, in Richtung Caerenion. Nicht, dass ihn diese Ungewissheit oder der Umstand, dass Rosentau ihm den genauen Grund für die Reise immer noch nicht verraten hat, irgendwie beunruhigen würde, das sicher nicht. Wenn es etwas gibt, das er aus den Reisen in seiner Jugend gezogen hat, dann die naive Gewissheit dass sich schon alles in Wohlgefallen auflösen würde. Ganz gleich wie kalt der Schneeregen, wie leer der Proviantsack und wie bullig die Muskeln eines Wegelagerers sind, irgendwie kommt man aus allem hinaus. Schließlich haben sie auch Relaros bockigen Unmut überstanden, viel Schlimmeres kann ihnen also so oder so nicht mehr blühen. Vor ein paar Tagen scheint der Rapphengst nämlich tatsächlich einen kompletten Sinneswandel durchgemacht zu haben - auch wenn Coben sich später dazu entschließen musste die Hoffnungen auf das Attribut 'vollkommen' wieder über Bord zu werfen. Schien er am Abend noch wild dazu entschlossen, seinen Reiter auf den Boden hinunterzuschleudern um ihn später zu zertrampeln, verhielt er sich am nächsten Morgen beinahe wie ein ganz normales Pferd. Ob es nun an dem Gras lag, das so weit weg von Talyra anders schmeckte oder irgendein guter Geist in der Nacht einen Exorzismus betrieben hatte, bislang hat die Wirkung Bestand, zur Freude aller Reisender.
"Weißt du", beginnt Coben der den Versuch sich an alte Weisheiten zu erinnern längst als zu anstrengend abgetan hat, "du hast gar nicht so Unrecht. Die Jahre in Talyra haben mich beinahe vergessen lassen, wie gut es tut unterwegs zu sein. Nicht die Nächte im Schlamm oder der ewige Regen, wobei solches sicher zur Normadenromantik dazu gehört. Aber der Wind und ... das alles." Der Halbelb macht eine weit ausholende Geste, um zu überspielen dass ihm die richtigen Worte nicht einfallen wollen. "Wir sollten so etwas öfter machen. Nicht dauernd. Du hast dir wahrscheinlich keinen Gedanken darüber gemacht, aber dieser kleine Ausflug dürfte mein Erspartes fühlbarer belasten als dieser Gaul." Lachend pufft er die ungläubig grinsende Rosentau mit dem kleinen Finger in die Seite. "Jetzt guck nicht so. Ich habe ja nicht gesagt, dass das schlimm wäre. Dieses katastrophale Reittier hat mich weniger gekostet als ein Huhn auf dem Markt." Als Relaros Ohren beginnen bedrohlich zu zucken beschließt er sich nicht weiter auf seine stümperhaften biologischen Kenntnisse zu verlassen und schweigt das Thema lieber aus. "Aber irgendwann sollten wir die Kinder mitnehmen, egal wohin. Es kann ja nur schlechte Folgen haben, seine gesamte Kindheit in der Stadt zu verbringen. Vor allem für Core." Beschwichtigend winkt er mit der Rechten, als die Fee scharf die Luft einzieht um zu einem Protest anzuheben. "Schon gut, natürlich kommt unsere kleine Amazone auch mit. Aber Nearah ist sowieso schon ein rechter Wildfang, wenn sie noch jungenhafter wird findet sie nie einen Ehemann." Er gönnt sich ein verstohlenes Grinsen, als Rosentau einen minutenlangen Vortrag über antiquiertes Gedankengut herunterleiert. "... und außerdem ist sie erst Vier!" "Ach? Meine Basen waren im Alter von vier Jahren schon seit vier Jahren verlobt. Heutzutage muss man schnell sein, sonst verpasst man das Beste."
Seufzend reibt Coben sich den schmerzenden Oberarm. "Du hast wirklich keinen Humor, Rosentau. Aber sieh mal da vorn, das sieht mir doch ganz nach einem etwas größeren Dorf aus. Ich habe zwar keine Lust mir vom hinterhältigen Dorfschänk wieder die Münzen aus der Tasche ziehen zu lassen, aber vielleicht können wir ja irgendeiner Bauersfrau einen Laib Brot abschwatzen. Oder ein paar Heller die Überzeugungsarbeit für uns machen lassen - unsere Vorräte gehen nämlich langsam zur Neige und im Gegensatz zu dir habe ich keine Lust mich den Rest des Weges von kandierten Kastanien zu ernähren."
Wenige Augenblicke später verlassen sie den Ort mit dem klangvollen Namen Rahot wieder, die Proviantsäcke mit dunklem Brot und einem etwas ominös aussehenden Schinken gefüllt, die Geldkatze erleichtert und ganz ohne dumme Blicke oder Kommentare. Der Schneeregen hat die Sicht der Leute wohl zu sehr verschleiert als dass sie spitzen Ohren, fehlender Körpergröße und auf Pferden reitenden Hunden und Katzen besondere Beachtung geschenkt hätten.
"Die einzige Frau deren Schoß einen Jungen zum Mann macht ist Ealara!", ruft Coben plötzlich aus als sie schon einige Tausendschritt von dem Weiler fort sind. "Das war es!"

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Rosentau am 18. März 2008, 01:36 Uhr
Je länger die Reise andauert, desto mehr scheinen die Tage ineinander zu fließen. Fürchterlich nasskaltes Wetter wechselt sich mit vereinzelten sonnigen Stunden ab, ein Gasthaus scheint wie das andere und sogar Koben lassen die abwertenden Seitenblicke auf die seltsame Menagerie inzwischen kalt. Ein Dorf löst das andere ab, unterbrochen nur von den spärlich gesäten größeren Städten am Frostweg, wie Lormont oder Landeris. Trotz allem wird die Reise dadurch nicht etwa unangenehmer, viel mehr vermitteln die so ähnlichen Tage ein Gefühl von Freiheit. Was kümmert es schon, wie weit sie heute oder morgen kommen, und was kümmert es eigentlich überhaupt, wohin sie unterwegs sind und wie lange? Ein Dorf ist genauso gut wie das andere, und auch das Heimweh ist inzwischen mehr zu einer Freude auf die Rückkehr geworden, im Frühjahr, wenn alles blüht und die Sonne den Menschen ein fröhlicheres Gesicht entlockt als im dunklen Winter.

Wenn das Wetter es ganz besonders böse mit der kleinen Gruppe meint, wird auch Culú mit auf den Rücken des Pferdes gehoben. Soll die ganze Welt doch hämisch grinsen und ihren Spaß haben ob des so bunt beladenen Hengstes - wenn die Leute denn sonst nichts haben, worüber sie sich das Maul zerreißen können. Während der raren wärmeren und sonnigeren Momente verläßt Rosentau oftmals ihren Platz auf Kobens Schulter, um eine Weile ihre Flügel zu bewegen, um den Halbelben in Ruhe über Volksweisheiten grübeln zu lassen, und um einfach zu genießen, sie selbst zu sein und einfach nur unterwegs. Als Koben einmal seine eigenen Gefühle darüber, nach so langer Zeit wieder unterwegs zu sein, äußert, nickt sie nur. Auch ihr fehlen die Worte, um dieses Gefühl zu beschreiben, das einen packt, wenn man auf Reisen geht, dieser Durst, mehr zu sehen, obwohl die Menschen doch eigentlich alle gleich sind und noch dazu das Wetter schlecht. Der Gärtner sinniert noch ein wenig über seine finanzielle Lage, den lächerlichen Preis, für den er den Rapphengst erworben hatte, und offenbar darüber, ob der Gaul ihn wohl versteht, so bösartig, wie das Tier schon wieder mit den Ohren zuckt... Als er allerdings anfängt, darüber zu philosophieren, ob Neara wohl einen Ehemann finden würde, wenn sie sich "undamenhaft" verhält, hebt die Fee zu einem ausgewachsenen Vortrag an - immerhin ist, die seltsame Vorstellung mancher Menschen hin oder her, ja wohl keine Frau dazu gezwungen, sich so zu benehmen, wie sich irgendwelche vorgestrigen Männer das wünschen, jawohl! Und überhaupt, eine Vierjährige - nicht nur, dass das Mädchen ohnehin noch weit, weit davon entfernt ist, irgendwen zu heiraten, kann man ja wohl in dem Alter noch nicht voraussagen, wie das Kind einmal sein wird, wenn sie erst eine junge Frau geworden ist. Auch Kobens Hinweis auf seine bereits bei der Geburt verlobten Basen bringen die Fee nur noch mehr in Fahrt, und sehr wahrscheinlich war es genau das, was der Halbelb mit dem Ausspruch beabsichtigt hatte. Abgesehen von einer ausführlichen Belehrung über die freie Wahl des Ehepartners, die ganz eindeutig jedem Wesen zustehen sollte bekommt der Halbelb auch noch einen ordentlichen Stoß in die Seite, und beschwert sich über den mangelnden Feenhumor. "Na hör' mal, wer hat denn jemals von Feen mit Humor gehört?" grinst Rosentau frech.

Im nächsten Dorf füllen sie ihre Provianttasche auf, und ob des völlig die Sicht raubenden Schneeregens, kombiniert mit der Tatsache, dass Culú und Seidenfell sich - innig aneinander gekuschelt - unter Kobens Umhang verkrochen haben, ernten sie diesmal noch nicht einmal einen der üblichen schiefen Blicke. Es ist schwer zu sagen, wie spät es ist, da die Wolken und der Schnee nahezu sämtliches Licht schlucken, aber irgendwann sind Fee und Halbelb sich einig darüber, dass sie heute keinen Schritt mehr tun werden. Unter einer ausladenden Trauerweide finden sie einen geschützten Rastplatz, mit einem Bach in unmittelbarere Nähe. Und oben auf den Wurzeln des mächtigen Baumes ist es sogar relativ trocken, wenn es auch nicht gerade das bequemste ist, angenehmer als der zwischen aufgeweicht und gefroren schwankende Boden ist es allemal. Und unter der Zeltplane, mit einem kleinen Feuer, ist es fast heimelig. Man teilt sich wie üblich Kobens Mantel und Körperwärme, und es dauert nicht lang, bis man Culú schnarchen hört, kurz darauf auch die an ihn geschmiegte Seidenfell, wenn auch wesentlich leiser. Gelegentlich gibt sie einen Seufzer von sich, wenn der Hund im Traum zuckt. "Bist du noch wach?" flüstert Rosentau schließlich, und Koben antwortet mit einem Brummen, das so klingt, als wäre er dem Halbschlaf nicht einmal nahe gekommen. "Du hattest viel mehr mit den Großlingen zu tun als ich bisher," stellt sie das Offensichtliche fest. Einen Moment lang schweigt sie, bevor sie wieder ansetzt. "Wie ist das, wenn du sie altern siehst, während die Zeit dir nichts anhaben will? Ich meine, irgendwann wird Core aussehen, als wäre er älter als wir, und Nearah wird uns ihre Enkel anvertrauen... Wie erträgt man, dass die Großlinge so schnell welken? In einem Jahr sind sie noch rüstig und gesund, und wenn für uns kaum eine nennenswerte Zeit vorbeigegangen ist, dann werden sie alt und sterben..." Wieder schweigt sie eine kleine Weile, bevor sie nachdenklich und ungewohnt melanchonisch hinzufügt: "Was werden wir tun, wenn wir dereinst am Sterbebett unserer beiden Kleinen stehen? Denkst du, wir werden danach in Talyra bleiben, oder davor, um ihnen beim Verwelken zuzuschauen...? Werden wir weglaufen, um es uns zu ersparen? Vielleicht ist es gerade das, was uns das Reisen so lieb macht, weglaufen können an einen neuen Ort und verdrängen, dass die uns lieb geworden sind wegsterben, bevor wir uns richtig eingewöhnt haben..." Gedankenverloren krault sie der schlafenden Seidenfell das Ohr, und diese gibt ein  leises Geräusch von sich, das wie ein pfeifendes "Prrrrrrrrrrrr" klingt.

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Coben am 09. Mai 2008, 02:05 Uhr
"Werden wir weglaufen um es uns zu ersparen? ..."
Anders als der Tag, der wolkenverhangen und grau war, ist diese Nacht klar und der Himmel wirkt beinahe unwirklich, so übersäht ist er von Sternen. Eine Weile betrachtet der Halbelb die leuchtenden Punkte am schwarzsamtenen Firmament und lässt sich Rosentaus Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Ja, was würden sie tun wenn Core dereinst ins TianAnmen kommen würde um den Krankheiten seines Verfalls entgegenzuwirken? Wenn Nearahs Kinder die ersten grauen Strähnen bekämen? Er schiebt die Hände unter den Kopf und räuspert sich.
"Ich weiß nicht. Ich schätze jeder geht ... anders damit um. Vermutlich kommt es darauf an wie wichtig ein Mensch einem wirklich geworden ist. Ich meine, ich habe drei Generationen meiner Familie sterben sehen und bin nicht weggelaufen. Natürlich, einige haben mir gefehlt, die Kinder mit denen ich Staudämme in den Prilen am Strand gebaut habe sind irgendwann Dorfälteste geworden und kurz danach unter Grabhügeln verschwunden. Aber man lernt damit umzugehen." In der Dunkelheit ist ein schwaches Lächeln zu erkennen. "Oder zumindest sich einzureden, dass sie in ihren Nachkommen weiterleben. Einen Freund zu verlieren ist nicht so schwer wenn man täglich seine Augen sehen kann, das ist eine schöne Lüge die tatsächlich helfen kann." Er schweigt eine Weile und lauscht dem rasselnden Atem Culús, dem Schnurren von Seidenfell. "Die Wahrheit ist, dass ich dir deine Frage nicht beantworten kann, Rosentau. Nicht einmal ansatzweise. Ich habe mein ganzes Leben mit den Sterblichen verbracht, mehr als zwei Jahrhunderte immerhin, aber es ist immer anders. Ich weiß nicht ob die Elben lernen mit dem Tod umzugehen, eine Methode zu haben, wenn sie sich zweitausend Jahre damit beschäftigt haben. Oder ob der Tod sie überhaupt interessiert. Ich habe ja nie unter ihnen gelebt, ich bin nicht mit dem Gedanken der Unsterblichkeit aufgewachsen. Man hat mir nie gesagt, dass ich die meisten meiner Mitmenschen überleben werde, es gab niemanden auf Athartha der mich über Halbelben aufgeklärt hätte. Und ich schätze ich fühle mich immer noch als Mensch. Der Tod kommt mir also irgendwie ... gewöhnlich vor. Keine großen Reden vonwegen der Tod gehört zum Leben oder irgendetwas in der Art. Die helfen nicht. Aber man findet sich damit ab, bei jedem Sterben neu. Und schließlich bin ich ja nur zur Hälfte unsterblich." Das Grinsen in der Dunkelheit ist nun deutlich zu erkennen. "Irgendwann wirst du also auch an meinem Grab stehen, selbst wenn es noch Jahretausende dauern mag. Manchmal ist diese Gewissheit beruhigend genug." Ein kühler Wind ist aufgekommen und lässt die Äste über ihnen leise knarren. "Ich kann nicht sagen ob ich weglaufen werde. Vielleicht werde ich weglaufen wenn nur Culú irgendwann nicht mehr aufwacht, vielleicht werde ich aber auch bleiben bis selbst Nearahs Urenkel unter der Erde des Sithech-Haines ruhen. Das wird man sehen."
Sie liegen noch eine Weile wach, schweigend und jeder den eigenen Gedanken nachgehend, während der Himmel wieder zuzieht und die Sterne langsam hinter einer dichten grauen Decke verschwinden. Ja, man wird sehen. Und die Vorstellung ein Ziehkind das man jahrelang kannte sterben zu sehen ist seltsamerweise weniger erschreckend als die Vorstellung das eigene niemals zu kennen.
... "Rosentau?" Aber das leise Atmen, das als Unterton zwischen dem Schnarchen Culús und dem sanften Brummen Seidenfells herauszuhören ist, verrät dass die Fee bereits die melancholischen Gedanken hinter sich gelassen und sich dem Schlaf hingegeben hat. Und so dreht Coben sich mit einem leisen Seufzen auf die Seite und versucht sich mit seinem Umhang vor dem neu einsetzenden Nieselregen zu schützen bis Sheilair auch ihn in sein Reich holt.

Die melancholische Stimmung des vorhergegangenen Abends verflüchtigt sich am nächsten Morgen schleunigst, als Culú sie weckt indem er nach einem Geschäft den Boden hinter sich so mit den Hinterpfoten aufkratzt dass es aussieht als würde er die empörte Rosentau frühzeitig beerdigen wollen. Die Fee vertreibt sich den weiteren Tag damit Staubpartikel aus ihrem blauen Haar zu kämmen und Coben zu treten, der selbst im Schlaf noch kichert. Die Tage verlaufen vollkommen ereignislos, bestehen nur aus schweigendem Reiten und unbequemen Schlafen unter Bäumen und vergleichweise luxuriösen Aufenthalten in käferverseuchten Winzhöhlen. Wider Erwarten ist es aber alles andere als langweilig, je weiter sie sich von Talyra entfernen, umso mehr genießt Coben die unzivilisierte Welt rund um den Frostweg und das Fehlen von drängelnden und stinkenden Menschen, gleitenden und hochmütigen Elben und Zwergen, die ... nun ja. Auch Rosentau scheint die Reise zu gefallen, offensichtlich ruht in Feen ein gewisser Freiheitswunsch, wenn sie sich nicht gerade in ihren Globbels aufhalten. Wenn sie sich eine Schlafstatt suchen bevor die Dunkelheit anbricht, nutzt sie das letzte Dämmerlicht um Blätter und Kräuter zu sammeln, die sie angeblich im Larisgrün nicht findet und Coben zu zwingen sie auf seiner Schulter von Lichtung zu Lichtung zu tragen. Glücklicherweise ist der Halbelb davon so entnervt, dass er es jedes Mal versäumt sich zu fragen, wo um aller Götter Willen die Fee um diese Jahreszeit so viel Vegetation findet.

Knapp acht Nächte nach ihrem Gespräch erreicht die kleine Gruppe Emlyn. Schon mehrere Tausendschritt vor den ersten Gebäuden ereilen sie die ersten Zeichen von Bevölkerung, zahlreiche Fuhrwerke brettern an ihnen vorbei, ein Händler mit um den Kopf gewickelten roten Tüchern bietet Coben sogar an ein wirklich geschmackvolles Samtkissen gegen Rosentau einzutauschen. Lange wägt der Laiginer die Vor- und Nachteile gegeneinander ab, aber als er endlich zu dem Schluss gekommen ist, dass ein Kissen auf der Schulter aller Wahrscheinlichkeit nach bequemer ist als eine Fee, ist der Händler schon verschwunden. Doch viel Zeit sich zu ärgern bleibt nicht, denn kaum haben sie die Stadtgrenze überschritten ist Culú auch schon in dem mit dem talyrischen in keinster Weise vergleichbaren Gewirr von Personen verschwunden und jagt irgendeiner abgewrackten Straßenkatze hinterher. Seidenfell kommentiert das Ganze mit einem Augenrollen, das außer Coben und Rosentau glücklicherweise niemandem auffällt.
Wenige Stunden später ist der fuchsartige Hund wieder aufgetaucht und man hat sich in einem eigentlich viel zu kostspieligen Gasthaus direkt am Aiterach einquartiert. Aber immerhin hatten sie die letzten Wochen unter Ästen und Ungeziefer verbracht - und wenn schon Stadt, dann richtig. Während der Halbelb sich an einem seltsamen Eintopf aus Rindfleisch, grobem Brot und Rüben gütlich tut der traurigerweise als eine der Spezialitäten der Stadt angepriesen wird, taucht das untergehende Auge Shenrahs das Wasser des Flusses und die nahen Gipfel der Sonnenhügel hinter dem klaren Butzenfenster in beinahe schmerzhaft romantisches Licht. Gut, dass Rosentau nur ein Vierzehntel von einer Frau ist.
"Ist es nicht schön hier? Als hätte man Talyra mit einem Dorf gepaart. Und die Nichtmenschen rausgeworfen." Coben spuckt einen Knorpel aus und sieht erwartungsvoll zu Culú, der sich aber offensichtlich für zu gut hält. Seufzend beobachtet er wie Rosentau sich das letzte nicht sehnenverseuchte Stückchen Fleisch von seinem Holzlöffel stibitzt. "Ich schätze wir haben nun ein wenig mehr als die Hälfte unseres Weges hinter uns gebracht. Vielleicht sollten wir ein Weilchen bleiben. Ich kann den Wirt fragen, ob es hier in der Umgebung irgendwelche sehenswerten Attraktionen gibt - Ruinen oder malerische Flussufer oder etwas in der Art. Amy würde sich sicher auch über ein Glas echtes emlynsches Birnenkompott freuen."
Missmutig schiebt er die Schale mit Knorpeleintopf von sich und stützt das Kinn auf die Faust. "Rosentau ... jetzt wo du quasi von mir abhängig bist - lach nicht, ohne mich würdest du weder nach Dornheim noch nach Talyra kommen ohne von irgendeinem Verrückten in ein Glas gesperrt zu werden - meinst du nicht es wäre an der Zeit mir zu sagen was es mit dieser seltsamen Freundin auf sich hat? Und wann und warum warst du überhaupt jemals in dieser Stadt?"

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Rosentau am 27. Aug. 2008, 13:51 Uhr
Rosentau schaut hinauf zu den Sternen, die durch die Baumkrone blinken und lauscht Kobens Worten. Ja, mit dem Sterben hat er deutlich mehr Erfahrung als die Fee. Kann man sich wirklich damit beruhigen, Freunde in ihren Kindern weiterleben zu sehen? Sie versucht, sich vorzustellen, wie wohl die ersten Jahre von Kobens Leben aussahen, was es wohl für ein Gefühl ist, wenn die gleichaltrigen Spielkameraden, mit denen man bis zu einem gewissen Zeitpunkt gemeinsam alterte einfach weiter verwelken, während man selbst in seiner körperlichen Entwicklung stehen bleibt. Mit was für Fragen quält man sich wohl herum, wenn nie jemand erklärte, dass man eben eine andere Lebensspanne hat als der Rest? Und was mag wohl der Blick der Sterblichen auf so jemanden in ihrer Mitte sein? Ob Koben eher so etwas wie ein fester, sich nie ändernder Bezugspunkt war, oder eher kritisch, vielleicht gar neidisch beäugt? Das war auch so etwas seltsames an den Sterblichen: Waren sie jung, so sehnten sie sich nach Unsterblichkeit, wurden sie aber alt, so sprachen sie zumeist vom Tod wie einem alten Freund, der sie abholen und in eine bessere Welt führen wird. Die Fee wird rasch aus ihren Gedanken gerissen, als Koben frech anmerkt, dass er ja ohnehin nur halb unsterblich ist und sich immerhin darauf freuen kann einst seine kleine Freundin an seinem Grab stehen zu haben. "Pah, ich werde tanzen, essen, trinken und meines Lebens froh sein, dein Geschwatze nicht mehr hören zu müssen!" entgegnet sie trotzig, und man kann deutlich heraushören, dass dieser Trotz daher rührt, dass ihr die Wahrheit in Kobens Worten über seinen eigenen Tod nicht gefällt. Schließlich holt der Schlaf die Fee ein, bevor sie noch tiefer in die unangenehmen Gedanken um Vergänglichkeit versinken kann.

Am nächsten Morgen wacht Rosentau auf, weil einge schwere Erdklumpen auf sie prasseln. "Bei allen Göttern!" flucht sie, während sie sich aufrappelt und den von Culú in die Luft geschleuderten Brocken ausweicht. Seidenfell wirft dem Hund einen kritischen Blick zu, bevor sie selbst ein morgendliches Geschäft erledigt, wie um zu zeigen, wie man das ordentlich vergräbt. Noch als sie wieder auf dem Rücken des eigenwilligen Hengstes sitzen klaubt die Fee Erdkrümel aus ihrem Haar. "Wieso hast du dir diese Plage von einem Tier überhaupt andrehen lassen?" empört sie sich gespielt.
Man merkt deutlich, dass es der kleinen Gruppe gut tut, der Enge der Stadt entflohen zu sein, selbst Relaro wird deutlich umgänglicher jetzt, da er nicht nur ein Leben bestehend aus kleinen Ausritten und luxuriösem Stall führt. Auch wenn sie alle die Bequemlichkeit des Anmen vermissen, so beweisen sie sich selbst doch, dass mehr in ihnen steckt als verzärtelte Stadtbewohner. Rosentau ist begeistert über die Kräuter, die sie hier finden kann - Koben teilt diese Begeisterung nicht - und eines Abends brechen Culú und die sonst so sanfte Seidenfell plötzlich aus und verschwinden unter Schimpfen und rufen ihrer zweibeinigen Begleiter im Wald. Als sie wenig später wiederkommen haben sie ein wildes Huhn erjagt, das Rosentau beim besten willen nicht zuordnen kann, das aber über dem Feuer geröstet wunderbar schmeckt. Und satt und vollgefressen liegen schließlich Hund und Katze aneinander gekuschelt an der Glut und blinzeln mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Stolz in die Welt.

Es dauert nur ein paar Tage, da erreichen sie wieder etwas kosmopolitischere Gefilde. Und sofort versucht ein seltsamer Händler, die Fee bei Koben gegen irgendetwas einzutauschen, allerdings bekommt die Fee vor lauter Schimpfen nicht mit, was. Lange und breit beschwert sie sich über die unmögliche Annahme, dass sie, nur weil sie eben kleiner ist als die plumpen Großlinge, irgendjemandes Besitz sein sollte, und überhaupt, wieso müssen denn die Großlinge immer alles besitzen? Sogar den Wald teilen sie auf und die Tiere darin, die ja wohl niemandem gehören als sich selbst! Koben hat allem Anschein nach schon nach den ersten paar Worten seiner winzigen Begleiterin beschlossen, sich in seine eigenen Gedanken zurückzuziehen, und so erreichen sie denn endlich Emlyn. Culú hat nichts besseres zu tun, als der nächstbesten Straßenkatze nachzujagen, und bequemt sich erst Stunden später, zurückzukehren. Schließlich quartieren sie sich in einem Gasthaus ein, das zu malerisch ist, um wahr zu sein, und teuer genug, um sogar der ahnungslosen Fee hochgezogene Augenbrauen ob des Preises zu entlocken. Der Halbelb tut sich an einer seltsamen lokalen Spezialität gütlich, Rosentau entscheidet sich aber nach einem Bissen davon dafür, lieber auf die am Vortag gesammelten Beeren zurückzugreifen, und auch Culú läßt sich nur wenig für den Eintopf begeistern. Und während der Tag langsam zur Neige geht, auf eine kitschig-romantische Art, die sich eigentlich nur der Autor schmalztriefender Liebesgedichte ausdenken könnte, schlägt Koben vor, ein paar Tage hier zu verbringen. Und der Gedanke, ein Weilchen nicht mitten in Wald und Regen zu sitzen ist eigentlich auch nicht der allerschlechteste...

Dann aber stellt Koben erneut die Frage nach dem Grund für die Reise, und Rosentau weiß, dass sie sich dieses Mal nicht um eine Antwort drücken können wird. Sie schimpft noch ein wenig über die Unterstellung, jemand könne sie in ein Glas sperren, aber auch das bringt ihr kaum mehr als ein bißchen Aufschub. "Yezebel habe ich während meiner ersten Jahre in der Welt der Menschen kennengelernt... Eine ganz reizende ältere Dame, die mir viel über die Großlinge erklärt hat. Eigentlich hätte ich viel länger dort bleiben sollen, aber der Drang, mehr zu sehen, eh...?" Sie nimmt einen Schluck aus Kobens Becher und verzieht das Gesicht. "Wenn emlynisches Birnenkompott etwas mit emlynischem Birnensaft gemein hat, dann weiß ich nicht, ob Amy es nicht eher als Geste der Abneigung sehen wird, wenn wir ihr etwas davon mitbringen! Na jedenfalls, Yezebel und ich sind in brieflichem Kontakt gewesen wann immer ich an einem Ort lange genug war, damit Briefe den Weg zu mir finden können. Sie lebt alleine, weder Kinder noch Gatte noch andere Verwandte." Wieder unterbricht sie sich, und schaut auf dem Tisch umher, als suche sie etwas, das sie davor bewahren könnte, weiterzusprechen. Schließlich seufzt sie. "Ihr letzter Brief hat mich stutzig gemacht. Sie hat nicht direkt irgendetwas dahingehend geschrieben, aber... hm. Man merkt den Menschen einfach an, wenn sie spüren, dass es zuende geht, nicht? Wir sind auf dem Weg zu ihr, damit sie nicht alleine ist." Etwas unbehaglich schaut sie aus dem Butzenfenster über den Fluß und die Sonnenhügel, und das schlechte Gewissen darüber, damals nicht bei Yezebel geblieben zu sein, steht ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Coben am 06. März 2009, 02:44 Uhr
Etwas entgeistert starrt Coben die Fee an, nachdem sie ihm endlich die Beweggründe für ihre Reise nach Draingarad dargelegt hat. "Du meinst ... eine Freundin von dir stirbt vermutlich einsam in Dornheim und wir sitzen in einem Gasthaus und sehen uns romantische Sonnenuntergänge an?" Ihm ist der Appetit endgültig vergangen – was bei der Qualität der Speisen nicht weiter tragisch ist – und seufzend schiebt er die Schale mit den Resten des Eintopfs noch etwas weiter von sich weg. Missmutig betrachtet er das träge Wasser, das sich durchs Flussbett schiebt. "Ich will dir wirklich kein schlechtes Gewissen machen, nein. Aber du hättest es mir sagen sollen. Oder wenigstens dass es deiner Freundin schlecht geht. Für mich war dies alles bis jetzt eine Vergnügungsreise. Eine lustige Abwechslung, bei der man möglichst viel Zeit vertrödelt. Und jetzt das!"
Betreten sinkt Coben auf der gepolsterten Holzbank in sich zusammen und streichelt Culú über den Kopf. Wenn er ehrlich mit sich ist, so ist er nicht sicher ob er sich tatsächlich auf die Reise eingelassen hätte wenn Rosentau ihm die Wahrheit über ihre Motive schon früher mitgeteilt hätte. Der Halbelb weiß dass er nicht besonders gut mit dem Tod von Menschen umgehen kann – schon gar nicht wenn es keine Familie gibt, die sich um den Sterbenden kümmert und es sich offenbar um eine nette alte Dame handelt, die sich einer jungen Fee angenommen hat und es sich alles so ... falsch anfühlt.
"Nun gut. Ich würde sagen wir beziehen unsere vollkommen überteuerte Kammer, damit wir morgen früh aufbrechen können. Die Attraktionen Emlyns müssen wohl noch auf uns warten." Seine schlechte Laune scheint verflogen, aber Coben fühlt sich immer noch unwohl in seiner Haut. Was würde die Reise bringen? Entweder sie würden jemandem beim Sterben zusehen müssen oder sie würden zu spät kommen und einem Grabstein Respekt zollen. Beißende Schuldgefühle werden in ihm geweckt, als er sich insgeheim eingestehen muss dass die zweite Option ihm beinahe lieber wäre.
Coben und Rosentau schlafen trotz des Kraches, den Seidenfell und Culú, das erste Mal seit Langem in ein enges Zimmer mit verschlossener Tür gesperrt, veranstalten, praktisch in dem Moment in dem ihre Rücken die halbwegs weiche Matratze berühren ein. Nun, Rosentaus Rücken berührt eher einen Zipfel des mit Stroh ausgestopften Kopfkissens. So können sie tatsächlich kurz nach Sonnenaufgang wieder aufbrechen, die Taschen vollgestopft mit nur wenige Tage altem Brot und einer seltsamen Wurst, über deren Zusammensetzung Coben gedenk des Eintopfs vom Vorabend nichts Näheres wissen möchte.
Die gedrückte Stimmung des Halbelben verflüchtigt sich erst nach langen Tagen, als sie Argentin erreichen und der Anblick der so nahen Strauchberge ihn plötzlich schmerzhaft an den Wolkenthron erinnert. Man könnte meinen dass das Heimweh nach Laigin seine Laune nur noch verschlimmert, aber das Gegenteil ist der Fall. Eine seltsame Euphorie überkommt ihn, und in den langen Stunden des Schweigens die eine Wanderung mit sich bringt, schmiedet er viele Pläne zur baldigen Rückkehr nach Tombelaine, die er nicht wirklich vorhat zu verwirklichen.
Da sie mittlerweile deutlich zügiger marschieren als zu Beginn der Reise und Relaro – wider Willen – weite Strecken im Galopp und mit seltsamer halb humanoider, halb tierischer Reitbesetzung hinter sich bringt, legen sie den Rest des Weges in etwas mehr als der Hälfte der Zeit zurück, die sie bis Emlyn gebraucht hatten. So erreichen sie schließlich an einem sonnigen aber kalten Tag im Taumond die Tore von Dornheim.

Titel: Re: Reise nach Draingarad
Beitrag von Rosentau am 04. März 2010, 23:22 Uhr
Rosentau schüttelt heftig den Kopf, als Coben vermutet, Yezebel würde bereits einsam auf dem Sterbebett dahinsiechen. "Nein, soweit ist es ganz sicher noch nicht! Es ist einfach... Hm. Jedenfalls bin ich sicher, daß sie noch einige Monde vor sich hat, vielleicht vier, vielleicht sechs, vielleicht acht." Sie schaut ziemlich betreten drein, daß sie ihrem halbelbischen Begleiter so plötzlich und drastisch die Stimmung verdorben hat. "Ich wollte dich und Relaro nicht unnötig hetzen, und ich wollte unsere Reise nicht von Anfang an unter so ein trübes Vorzeichen stellen." Die Fee schaut eine Weile auf die Eintopfschale und kaut auf ihrer Unterlippe, bevor sie seufzt. "Und ich hatte gehofft, wenn ich es nicht ausspreche, dann passiert es auch nicht und wir statten ihr einfach nur einen netten Besuch ab und reisen danach glücklich, zufrieden und satt wieder nach Hause."
Coben unterbricht die allgemeine Niedergeschlagenheit schließlich und schlägt vor, die von seinem Geld teuer bezahlte Kammer nun auch zu nutzen und morgen zeitig weiterzureisen. Seidenfell und Culú scheinen das Dach über dem Kopf nicht so sehr zu schätzen wie Coben und Rosentau, aber die Erschöpfung übermannt alle vier trotzdem schnell - natürlich erst, nachdem Coben noch etwas davon murmelte, daß er von dem Geld auch ein ganzes Haus hätte kaufen können. In Talyra. An der Prachtstraße. Die Fee träumt in dieser Nacht seltsam und schläft unruhig, mehrmals wacht sie sogar auf. Mal, um Relaro zu suchen, bis ihr einfällt, daß er im Stall steht, mal, um zu schauen, ob Seidenfell noch da ist.
Am nächsten Morgen ist die kleine Gruppe trotzdem früh auf den Beinen und macht sich auf den Weg. Relaro wirkt auf Rosentau etwas beleidigt, fast so, als würde es ihm nicht passen, daß seine sonst so unliebsamen Mitreisenden nicht bei ihm im Stroh geschlafen haben. Eine ganze Weile hält diese allgemeine gedrückte Stimmung an, und Rosentau schilt sich fast dafür, mit dem Grund der Reise herausgerückt zu haben. Andererseits - viel länger hätte sie den Halbelben auch nicht im Unklaren lassen können.

Schließlich hellt sich Cobens Stimmung aus einem wohl nur ihm bekannten Grund wieder auf, vielleicht tut ihm auch einfach nur die viele Bewegung und die frische Luft gut. Waren die ersten Nächte unterwegs noch eine wahre Tortur, so ist die seltsame Gruppe inzwischen gut eingespielt und vermutlich auch etwas abgehärtet. Selbst kühleres oder regnerisches Wetter macht ihnen nicht mehr so viel aus, sie sind geübter darin, gute Lagerplätze zu erkennen und haben inzwischen eine gute Routine. Der Rest der Wanderung erscheint viel kürzer zu sein, aber das hängt wohl auch damit zusammen, daß sie einfach schneller reisen als vorher, und so erreichen sie Dornheim.
Fremde würden der kleinen Fee wohl ihre angespannte Nervosität nicht anmerken, aber vor Coben kann sie sie wohl nicht verbergen. "Sie wohnt etwas außerhalb, vielleicht eine halbe Stunde Wegstrecke. Vermutlich wollen wir uns die sehenswerten Sehenswürdigkeiten Dornheims für später aufheben... Solcher Glanz verlangt vollständige, wache Aufmerksamkeit," bemerkt sie trocken und versucht, ihre Unruhe zu überspielen.
Es braucht weniger Zeit als vermutet, bis sie vor dem kleinen Häuschen Jezebels stehen. Zwar hat es schon bessere Tage gesehen - insbesondere einige handwerkliche Arbeiten müssten dringend getan werden - aber es bietet doch einen heimeligen Anblick. Das Unkraut im Vorgarten, ganz im Kontrast stehend mit den gepflegten Blumenkästen vor den Fenstern, läßt erahnen, daß es der Bewohnerin inzwischen ziemlich schwer fällt, sich zu bücken. Ein kleiner Stall schmiegt sich an das Haus, dank eines Loches im Dach ist das Stroh darin allerdings klamm, außer einer Ziege wohnt hier auch schon lang kein Tier mehr. Relaro wird sich wohl für die Zeit des Aufenthaltes an diese Mitbewohnerin gewöhnen müssen.
Als Coben an die Tür klopft, dauert es eine ganze Weile, bis sie geöffnet wird. Eine kleine, alte Frau steht im Türrahmen, das graue Haar etwas unordentlich zurückgebunden und mit gichtigen Fingern schwer auf einen Gehstock gestützt. Aus ihren klaren, klugen Augen spricht Schalk, der ihr runzeliges Gesicht Lügen straft - das spitzbübische Funkeln würde zu einer Zwanzigjährigen eher passen als zu einer Achtzigjährigen. Etwas irritiert schaut sie den Halbelben an, bevor sie die Fee entdeckt. "Rosentau!" Die Stimme der alten Frau klingt brüchig, aber ihre Miene hellt sich augenblicklich auf. "Kinder, ihr seid doch nicht etwa den ganzen Weg von Talyra gekommen, nur um die alte Yezebel zu besuchen! Kommt doch herein!" Sie macht eine einladende Geste ins Innere des Hauses, dann fällt ihr Blick auf Relaro. "Ihn könnt ihr im Stall unterbringen, aber vorsicht, Arlata ist etwas herrisch. Ist auf ihre alten Tage stur geworden, so wie ich." Yezebel lacht etwas dünn. Zwar wirkt sie munter - aber Rosentaus Einschätzung scheint trotzdem richtig gewesen zu sein. Ihre letzte Reise wird sie wohl antreten, bevor der Taumond das nächste Mal beginnen wird.



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