Kavell yr arth – Die Wiege des Bären
Die Wasserfälle des Sarthe, dort wo das gleichnamige Tal sich im Herzen des Fürstentums von Lyness zu bewaldeten Felsschluchten verengt und der Fluss die Berge verlässt, liegen etwa einen halben Tagesritt westlich von Talyra. Die Sarthefälle sind weder sonderlich hoch, noch tosend, doch sie ziehen sich auf einer Länge von gut einhundert Schritt in zahlreichen kleineren und größeren Kaskaden über viele felsige Vorsprünge, Simse und Felskanten, breite wie schmale, bis ins Flachland des Larisgrüns hinunter. Zwischen den einzelnen Wasserfällen bildet der blaugrüne Fluss immer wieder kleine Teiche und Seen von irisierend schimmerndem Türkis und Aquamarin, deren Wasser so klar wie Glas und so weich wie Seide erscheint. Am Fuß der Fälle und am Beginn der Sartheschluchten gedeihen vor allem Rotbuchen, Elsbeeren, Silberweiden, Eiben und mächtige, knorrige alte Roteichen, Hagedorne und Linden – hin und wieder findet man hier auch bleiche Herzbäume, die in ganz Lyness noch als heilig angesehen werden, auch wenn sie keine Gesichter tragen. Tiefer in der Schlucht und an den Hängen der felsigen Sartheberge rauscht der Wind hingegen eher in den dunkleren Wipfeln von Zedern und Indigotannen, von Sternkiefern und Bergahornen und in den Tälern sind die lichten Birken- und Wisperpappelhaine voll goldenen Lichts und grünen Smaragdgrases, lang und weich wie Frauenhaar, das im Herbst alljährlich zu Bronzegold verbleicht. Das Sarthetal in Lyness erscheint auf den ersten Blick nicht lieblich und wildromantisch, wie das übrige Umland Talyras, sondern ein wenig verwunschener, urtümlicher und rauer mit seinem schäumenden Fluss, den tiefen Schluchten und den dicht bewaldeten Hügeln, auf deren Rücken und Flanken sich steinerne Klippen schroff und blau in den Himmel hinauf türmen. Hier und dort liegen Felder voller Flachs und Korn oder Viehweiden auf Lichtungen mit hohem Gras und zahlreichen Kräutern; zwischen den Bäumen verbergen sich verstreute Orte und Siedlungen mit vom Alter silbrig gebleichten Blockhäusern, deren Balken nordisch anmutenden Schnitzereien tragen, oder einsame Waldhöfe, trutzig wie kleine, hölzerne Festungen, auf deren tief gezogenen Dächern das Gras üppig wächst.
Am Ende der Sartheschluchten, dort, wo die Wasserfälle ihren Anfang nehmen, steht auf einer größeren Lichtung zwischen den Felswänden zur Linken und dem Fluss zur Rechten eine mächtige, uralte Roteiche. Ihr gewaltiger Stamm, der sicherlich noch acht Schritt Durchmesser auf Brusthöhe hat, und die ausladenden Wurzeln, die sich in dichtem Geflecht durch den Boden ziehen, bilden gleichsam die Mitte des Westerkers eines Langhauses, und ihre Krone wölbt sich immergrün und dicht über nahezu die Hälfte von dessen breitem, zu allen Seiten tief herabgezogenen, weit überstehenden Satteldachs. Das Langhaus mit seinem rechteckigen Grundriss wird von einem Mittelschiff mit zwei aufeinander gesattelten, leicht erhöhten Dächern und hohen Sprossenfenstern an beiden Seitengiebeln gequert, während das Vordach hier von ganzen Baumstämmen getragen wird. Schnitzereien, die verschlungene Bärenmuster im nordischen Stil - vor allem Bären - zeigen, zieren die Balken, Dachtraufen und Fenstersimse dieses Hauses. Noch ist sein Lärchen- und Roteichenholz rötlich und waldhonigfarben, doch mit der Zeit und den Jahren wird es wohl zu silbrigem Graubraun verbleichen. Am Westende des Hauses verbreitert sich die überdachte Veranda zu einer weitläufigen Terrasse, auf der Platz für eine Sommerküche mit einer runden Feuerstelle und einem gemauerten Ofen sowie einem regengeschützten Freisitz ist. An nahezu allen Säulen und Stützpfeilern des Vordaches wurden Hopfen und Waldreben, wilder Wein, Kletterrosen und Rotbeeren gepflanzt, und die noch zarten Triebe ranken sich zwar schon emsig am Holz empor, so dass sie in den kommenden Jahren weite Flächen der Seiten Langhauses erobern werden, doch noch sind sie klein und ihr üppiges Grün ist vorerst nur zu erahnen. Zwischen dem Haus und der Felswand am Südende der Sartheschlucht, wo sich die Pferdeställe in hohen, natürlichen Steingewölben befinden, liegt eine weitläufige Lichtung und entlang des schmalen Pfades, der sich durch das Smaragdgras schlängelt, finden sich ein mit geflochtenen Zäunen umfriedeter Küchengarten - im Sommer 517 frisch umgegraben und noch recht spärlich bepflanzt - und eine solide gebaute Scheune mit einem schindelgedeckten Dach und einem luftigen Heuboden. Ein kleines Schlachthaus mit einem gemauerten Fundament aus Flussstein und einem gewaltigen Kessel darin auf der einen, und ein Hühnerhaus auf der anderen Seite schließen sich an.
Im Inneren des Langhauses wird der vordere Teil des Erdgeschosses von einem breiten Vorraum eingenommen, der sowohl als Windfang, als auch als Garderobe und Diele dient. Hier finden sich Haken für Mäntel und Umhänge, geschnitzte Bänke, Borde mit Schließkörben aus Weidengeflecht und eingebaute Kassettenschränke entlang der Wände, die Platz in Hülle und Fülle für Linnen, Wolle, Decken, Pelze, Jagd- und Reitkleidung, Stiefel und ähnliches bieten. Ein bogenförmiger Durchgang führt von hier aus weiter ins Mittelschiff des Langhauses. Dort finden sich gleich links und rechts dieses Durchgangs geschwungene Treppen hinauf ins Obergeschoss, während zur Linken, nach Süden hin, ein lichtdurchfluteter Wohnraum mit hohen Sprossenfenstern, welche auf die Lichtung hinausblicken, liegt. Gegenüber, zum Fluss und nach Norden hin, befinden sich hier zwei Räume: ein Bad mit einem Boden aus Naturstein, einer gewaltigen, kupfernen Wanne und einem ebensolchen Kessel, der von der Küche aus mit beheizt werden kann, sowie eine geräumige Küche mit zahlreichen Schränken, Borden und zwei Vorratskammern an den Wänden, die sich direkt anschließen. Ein gewaltiger Holzofen samt Wasserschiff, Backofen und gusseiserner Herdplatte, eine offene, gemauerte Feuerstelle gleich daneben und ein Spülstein samt Wasserpumpe liegen im hinteren Teil der Küche, während der vordere Teil fast vollständig von einem langen, breiten Esstisch eingenommen wird.
Der größte Teil des Erdgeschosses wird jedoch von der weitläufigen, rechteckigen Halle eingenommen, die sich vom hinteren Hauptgiebel mit dem Wurzelwerk und dem Stamm der Roteiche bis hinein in das Herz des querenden Mittelschiffs zieht, und - bis auf ein quadratisches Stück an jedem Ende - über die ganze Höhe des Hauses reicht, so dass ihr mit Schnitzereien versehenes Balkenwerk von unten gut zu sehen ist. In ihrer Mitte der Halle ist eine längliche Feuergrube aus grauem Flussstein einen Schritt tief in den Boden eingelassen, groß genug, um einen Ochsen am Spieß auf ihr zu rösten, sollte einem der Sinn danach stehen. Mit Holz eingefasste Erdbänke säumen diese Feuerstelle, ausgelegt mit weichen Lamm- und Büffelfellen und bestickten Kissen. Am hinteren Ende der Halle, zu Füßen des gewaltigen Eichenstammes und zwischen seinen ausladenden Wurzeln, die noch einen Schritt hoch den Giebel hinauf verschlungene Treppen, Simse und Ablageflächen bilden, findet sich eine weitere, kleinere Feuerstelle. Auch hier liegen weiche Pelze, Decken und Kissen einladend bereit, und an den Wänden finden sich hölzerne Truhen und Kassettenschränke aus waldhonigfarbenem Holz, reich verziert mit Schnitzwerk, Intarsien aus Horn und metallenen Beschlägen, während Wurzeln und Stamm kunstfertig in das Innere und die Einrichtung integriert wurden: hier und dort stehen hier Laternen aus geflochtenem Bronzedraht oder dicke Stumpenkerzen in flachen Steingutschalen. Zwischen bestickten herzländischen Wandteppichen zieren auch nordische Rundschilde, kunstvoll geschmiedete Äxte, azurianische Scimitars, bemalte Häute des Wolkenvolkes und kunstvoll geflochtene Grasmatten in seltsamen Mustern und bunten Farben der Resande die Wände und geben Behaglichkeit, verleihen der Halle durch ihre exotische Fremdartigkeit jedoch auch etwas Geheimnisvolles.
Im Obergeschoss liegen helle, großzügig geschnittene Räume mit hohen Sprossenfenstern, die zu beiden Seiten von der Galerie abgehen, jeweils vier auf jeder Längsseite des Hauses, sowie zwei weitere im Mittelschiff. Ganz am Ende der Halle, dort, wo die Roteiche halb im, halb außerhalb des Giebels steht, verbreitert sich die umlaufende Galerie zu einem offenen Freisitz über der Halle, der hauptsächlich als Bibliothek und Arbeitszimmer genutzt wird – hier finden sich Regale voller Bücher, ein breiter Schreibtisch und mehrere Darrgestelle, die bis zum Balkenwerk des Daches hinaufreichen, wo Calait ihre Kräuter trocknen kann. Auch im Mittelschiff liegt ein derartiger Freisitz am oberen Ende der Treppen, jedoch nicht ganz so groß wie der erste. Die Räume am vorderen Giebelende, über dem Vorraum des Langhauses, dienen den beiden alten Heckenrittern, Sire Mallifer dem Mittellosen und Osfryd Ohneland als Schlafgemächer. Das Schlafgemach Colevars und Calait Lorcains liegt im Mittelschiff des Hauses und geht nach Süden, die Kinderzimmer von Rún und Neirin liegen direkt gegenüber. In den übrigen Räumen des Obergeschosses befinden sich zwei Gästezimmer, von denen eines für die Dauer seiner Zeit in Lyness von Ninianes und Crons Sohn Leír bewohnt wird, und eine kleine Waffen- und Rüstkammer - oder sie stehen noch leer und harren der Dinge, die da kommen werden.
Die zweibeinigen Bewohner Kavell yr arths:
Calait Lorcain
manchmal auch die Singdrossel genannt; Zaubersängerin und kräuterkundige Beinahe-Heilfrau, Gemahlin Colevars von Lyness und Herrin von Kavell yr arth, eine Resande-Wolkenkind Mischlingsfrau und ehemalige Abenteurerin
Sire Colevar Lorcain von Lyness
ehemaliger Hauptmann der Lanzergarde der Steinfaust, nunmehr Späher und Grenzwächter im Dienst der Steinfaust, Erbe von Lyness, ein Sithechritter, Gemahl Calaits und Herr von Kavell yr arth
RúnCalaits und Colevars Sohn, geboren am 15. Sturmwind 516 FZ, ein – für sein Alter ziemlich großes – und recht unerschütterliches Kleinkind mit blauen Augen und dunkelbraunem Haar
Neirin
Calaits und Colevars Tochter, geboren am 22. Beerenreif 519 FZ, ein fröhliches, sommersprossiges Mädchen mit den dunkelblauen Augen und dem blonden Haar ihres Vaters, aber Calaits wilden Locken
Sire Mallifer der Mittellose
ein etwas großspuriger, in die Jahre gekommener zaundürrer Heckenritter mit dem Herz am rechten Fleck, Mädchen für alles auf Kavell yr arth
Sire Osfryd Ohneland
ein stämmiger, breitschultriger und stiernackiger, ebenso in die Jahre gekommener Heckenritter mit großem Herzen und noch größerer Klappe, Mädchen für alles auf Kavell yr arth
Die vierbeinigen oder sonstigen tierischen Bewohner Kavell yr arths:
Filidh,
ein Schneeschimmel und Rimmerhengst, Colevars ehemaliges Schlachtross, nun nur noch Zuchthengst auf Kavell Yr Arth
Snerra,
eine grauweiße cardosser Stute mit viel Temperament, Calaits ehemaliges Reisepferd, nun Zuchtstute auf Kavell Yr Arth
Rimma,
Rimmer-Cardosser-Mischlingsstute, Schneeschimmel, geboren 512, vielversprechende Nachzucht von Filidh und Snerra
Ak'kul,
'helle Asche', Rimmer-Cardosser-Mischlingshengst, Rauchschimmel, geboren 517, ebenfalls Nachzucht von Filidh und Snerra
Zabhiz,
eine schon alte, aber noch rüstige schwarzweiße Reninkerstute, Zugpferd
Adnaan,
ein schon alter, aber noch recht rüstiger schwarzweißer Reninkerwallach, Erziehungsonkel der kavell'schen Fohlen, Zugpferd
Stoffel,
äußerst freundlicher und recht kommunikativer braunweiß gefleckter Hausesel, Maskottchen und 'ich schleppe brav die Kräuterkörbe meiner Herrin' – Lastesel, sehr trittsicher und klug, und daher Aushilfs-Blindenesel für Calait, wenn Reykir gerade nicht zur Hand ist
Reykir,
sehr großer, vernarbter, stummelohriger Schatten- oder Silberwolf-Hunde-Mischling aus den Kampfgruben Brugias, Calaits "Blindenhund" und Colevars treuer Jagdgefährte, äußerst wachsam und beschützend was die Seinen angeht, besitzt eine extreme Abneigung gegen Bären jedweder Art (vermutlich, weil man ihn einst gegen welche antreten ließ), inzwischen in die Jahre gekommen
Mistress Grau,
waschechte Rotatkissa aus Dunkelschein mit einem vernarbten Gesicht und grau-schildpattfarbenem Fell, inzwischen sehr in die Jahre gekommen
Brenin,
ein Sohn von Mistress Grau und irgendeinem Kater auf Burg Lyness, der mutig genug war, der Rotatkissa den Hof zu machen, beinahe ebenso groß wie seine Mutter, jedoch von dunklerer Farbe und rauchig-schwarzem Anthrazit mit leuchtend grünen Augen
Skar,
ein Schellenfalke und ehemaliger Schützling Calaits, der sich gelegentlich auf Kavell yr arth blicken lässt
Vivi,
ein Käuzchen, das von Calait und ihrer Schwester einst von Hand aufgezogen wurde und nun samt gefiederten Göttergatten und ewig hungriger Brut in einen hohlen Baum am Rand der Lichtung von Kavell yr arth eingezogen ist, (jedenfalls behauptet Calait steif und fest, es wäre tatsächlich Vivi)
sowie
Pickfleck, Mims, Bommel, Nesta, Ceri, Dilys, Grug, Fussel, Gwenfrewy und Goldfeder
Ihres Zeichens allesamt ruhige, zutrauliche Orpinhühner, dazu ein prachtvoller Gockel namens Trottel - was er nicht ist - in schwarz, goldbeige, schwarzweiß gescheckt und porzellanfarben, die fleißig Eier legen (und das freundlicherweise auch meist in ihren Legenestern tun, anstatt sie in den Brennnesseln am Rand der Lichtung zu verstreuen) sowie Calaits Garten weitgehend schneckenfrei halten