Der Perlenhafen
Östlich des Hafenviertels mit seinen verwinkelten Gässchen, den Hütten der Fischer, dem Grünen Aal, den verräucherten Tavernen und den hohen Speicherhäusern liegt der Hafen Talyras. Hier schmeckt die Luft nach Wasser und frischem Fisch, nach Tang, Algen, heißem Teer und den unergründlichen Tiefen des Ildorel. Warum die Schiffsländen Talyras einst Perlenhafen genannt wurden, hat mit Sicherheit einen Grund, doch bekannt ist er heute niemandem mehr... Perlen wurden hier jedenfalls noch nie aus dem See geholt. Vom Fischmarkt mit seinen bunten Ständen aus, führt eine breite Straße zu den Kais und Anlegestellen des großen Fischerei- und Handelshafens. Über fünfzig Piers reihen sich hier aneinander, und an ihnen drängen sich die Schiffe: zweimastige Brigantinen mit leicht erhöhtem Bug und Heck, dickbauchige Handelskoggen, große Karacken und kleinere, schnellere Karavellen, ebenso wie die mächtigen Kriegsgaleeren der Stadt. Reich verzierte Prunkbarken von Adligen schaukeln auf dem blaugrünen Wasser neben rammspornbewehrten Trieren, die Rümpfe schwarz von Teer. Der Fischereihafen liegt im Norden des gut ausgebauten und stark befestigten Hafenbeckens, an dessen Außenmauer sich der weithin sichtbare, fast dreißig Schritt hohe Leuchtturm, Madrons Wacht erhebt, der des Nachts mit seinem hellen Schein den Seefahrern den Weg weist. Hier kommen und gehen die Fischerboote in den frühen Morgenstunden, und Flößer staken über die Grünwasser zum Ildorel, um Waren aus dem Hinterland in Talyra zu verkaufen. Die Floßlände liegt direkt am ersten Pier des Fischereihafens, und die Flöße, die dort anlegen, bestehen zumeist einfach aus zusammengebundenen Fässern, die gleich an Ort und Stelle samt Inhalt an die Meistbietenden versteigert werden.
Im Schiffshafen entladen Handelsschiffe Waren und Güter aus Brioca, Sûrmera, Blurraent, Sorbon, Vînnar, Amarvirin und Ildala, nehmen neue Ladung an Bord oder bieten Reisewilligen Überfahrten in die anderen großen Städte am Ildorel an. Auf der Kaimauer selbst hängen auf langen Gestellen die Netze der Fischer zum Trocknen und Flicken, sind die langen Schiffstaue zu ordentlichen Bündeln gestapelt, rollen Schauerleute Fässer hin und her, beladen Schiffe oder transportieren ankommende Waren in die nahegelegenen Speicher- und Lagerhäuser der talyrischen Kaufleute und Reeder. Normalerweise sind für Beladung und Löschung von Schiffen zwar die zugehörigen Schiffsmannschaften zuständig, doch in einem so großen Handelshafen wie Talyra sind fast immer Schauerleute dabei, die mit anpacken. Diese Hafenarbeiter bestehen hauptsächlich aus ehemaligen Seeleuten, und sind in der Regel Tagelöhner, die je nach Bedarf vom Hafenmeister Wielang Landunter angestellt werden, wenn Arbeit anfällt oder die Ankunft einer großen Handelsgaleere bevorsteht - allerdings findet hier auch immer wieder der ein oder andere Vagabund oder kräftige Straßenjunge Arbeit, und kann sich so ein paar Kupferlinge und ein wenig Silber verdienen, denn im Hafen wird jede zupackende Hand gebraucht und in der Regel gut bezahlt. Die festgemauerte Hafenpromenade mit ihrer wuchtigen Kaimauer ist breit und stets voller Leben - zur Stadtseite hin reiht sich hier eine winzige Weinschänke an die andere, dazwischen die hölzernen Speicherhäuser und Lagerhallen der Kaufleute, verwinkelte kleine Läden oder winzige, schmale Gassen, zur Seeseite hin gehen hier die Piers ab, die weit ins Hafenbecken hineinreichen.
An den äußeren Kais liegt die kleine, aber gefährliche und kampfstarke Flotte der Stadt vor Anker, - sofern sie nicht auf dem See mit der Sicherung der talyrischen Gewässer betraut ist. Sie untersteht dem Nauarchen der Stadst, Lord Uliaris, der in Talyra auch Lord der Schiffe genannt wird. Die talyrische Flotte besteht aus sechs schlanken, schnellen Karavellen (Seeschwalbe, Nordstern, Sturmschwinge, Immerwacht, Schwarzwind und Einhorn), die vornehmlich dem Schutz der Bucht von Talyra, dem Aufspüren von Schmugglern in den seichten Ufergewässern des Umlandes und dem Begleitschutz der größeren Handelschiffe dienen; ferner aus vier schweren Kriegsgaleonen (Frombork, Faule Planke, Westwind, Vergeltung) und zwei mächtigen Triremen (Zorn und Schwertfisch), allesamt gut bemannt und bewaffnet. Die meiste Zeit allerdings kreuzt die Mehrzahl all dieser Schiffe - bis auf die beiden Triremen - in talyrischem Hoheitsgebiet auf dem Ildorel und begleitet Handelsschiffe mit kostbarer Fracht auf ihren Routen.
Bekannte Handelsschiffe, die mehr oder weniger regelmäßig im Perlenhafen anzutreffen sind:
Seehure
recht wendige Karavelle, befährt die Route Ildala -Talyra und zurück mit Waren und Passagieren unter Kapitän Maraes, einem untersetzten Südländer mittleren Alters mit blauem Gabelbart und weißem Turban.
Pelikan
eine schwerfällige und langsame, dafür jedoch geräumige Handelskogge, die sicher 200 Quader Ladung in ihrem Bauch verstaufen kann unter Kapitän Seosamh Seafraid Coll, befährt die Routen Talyra-Ildala und Talyra-Vînnar
Morgentanz
recht große Karacke, befährt die Routen Talyra-Sorbonn und Talyra-Blurraent unter dem Kommando Idris Tallards (ein Enkel des Alten Tallard, den der greise Stadtrat gern verleugnet)
Roter Bulle
große Handelskogge, die unter ihrem Kapitän Heddwyn Iago kreuz und quer auf dem Ildorel unterwegs ist und jeden größeren Hafen ansteuert