Im Süden der Stadt, zwischen dem Mogbarviertel im Westen, dem Handwerkerviertel im Norden, dem Fliegengrund im Westen und der südlichen Stadtmauer liegen die Begräbnisstätten Talyras, der Sithechhain.
Hier befinden sich inmitten eines weitläufigen Parks aus Nurmweiden, hoch aufragenden Eiben und dunklen Zypressen, die Begräbnisstätten Talyras. Das ausgedehnte Gelände ist bedeckt von kurzem, weichem Silbergras und die alten Bäume spenden tröstliche Schatten. Zwischen ihren mächtigen Wurzeln liegen einfache Gräber und uralte Grüfte aus Marmor und Granit, manche klein und unscheinbar, andere groß wie Schreine, verziert mit wundervollen Fresken und Ornamenten.
Viele sind leer und alt, überwuchert von Moosen und Flechten, ihre Inschriften verwaschen und unleserlich geworden - andere noch immer von den ansässigen Familien in Gebrauch. Totenlichter brennen in durchbrochenen Bronzelaternen und werfen ihren matten Schein über Steinfiguren - über marmorne Seharim, die ihre Flügel über Grabplatten und Wege breiten, über Heilige vergangener Jahrhunderte, aber auch über Drachen, Phönixe, Einhörner und Harpyien, die so manches uralte Grab schmücken, von Efeu überrankt und von zartem Graumoos bedeckt.
Auf und um viele Gräber wachsen Môrninaes in dichten Kissen, kleine Blumen mit zarten, silbergrünen Blättern. Nur auf Gräbern gedeihen diese 'Totenblumen', wie das gemeine Volk sie nennt, die im Sommer in allen Nuancen von zartem Purpur bis zu tiefem Violett blühen und süßen, betörend starken Duft verströmen. Aber auch Kletterrosen und goldweiße Waldreben ranken sich um die Sockel der Statuen und Grabsäulen, erobern sich leere Sarkophage und das Mauerwerk so manchen Mausoleums.
Der Sithechhain ist ein Ort der Trauer, aber auch ein Platz der Ruhe und Besinnung, wo die Stadt mit ihrem lauten, geschäftigen Treiben, den vielen Gassen und Menschen mit einem Mal tausendschrittweit fort erscheint. Der "Knochenacker" wird der Sithechhain im talyrischen Volksmund auch genannt, obwohl die Schönheit und tiefe Stille dieses heiligen Ortes den groben Namen Lügen straft. Der Narrenkönig, der kleine Petyr und Karmesin, ehemalige Blaumäntel und drei von Olyvars Sieben, liegen hier ebenso begraben wie Yohn Humperknie, der lange Jahre Wirt des Grünen Aals im Hafenviertel war, oder Orga von Roßstein, eine einstige Gönnerin der Stadt.
Berühmte Persönlichkeiten, die auf dem Sithechhain ihre letzte Ruhestätte fanden, sind der laignische Barde Séam Muirghesáin, dessen Grab so manchen Sommer als Pilgerstätte angesehen werden kann, so zahlreich wie es von fahrenden Sängern besucht wird, Abaelard und Éloisa, ein tragisches Liebespaar oder Argon der Eroberer, ein eher unrühmlicher imperialer Statthalter. Im Herzen des Sithechhains, am Ende einer langen Pappelallee, erheben sich die mattschwarzen Mauern des Sithechtempels.