Bäckerei Gerdenwald

  • Eine der schönen Häuserecken in einer der zahlreichen, schmalen Straßen des Mühlenviertels und unweit einer der großen Hauptstraßen, die direkt zum großen Markt der Stadt führen, beherbergt seit 515 die kleine Bäckerei Gerdenwald. Einige Monde lang stand das Gebäude der im ganzen Viertel bekannten Bäckerei seit dem Tod seines ehemaligen Besitzers leer. Die Witwe des anerkannten Bäckers Gylsten verkaufte diese im Nebelmond 514 schließlich an den jungen Bäckermeister Aneirin Gerdenwald, der sich des Betriebes annahm und ihn wieder auf die Beine stellte, um an die einstmals erfolgreichen Zeiten der alten Bäckerei anzuknüpfen. Die Bäckerei Gerdenwald ist eine grobe Weiß- und Schwarzbäckerei, in der in erster Linie Brote und Brötchen gebacken werden. Nur ab und an findet man hier feine Hefebackwaren wie Hefezöpfe oder Stuten.



    Das Backhaus


    Bei dem Gebäude, das die kleine Bäckerei beherbergt, handelt es sich um ein altes, aber gut instand gehaltenes, zweigeschossiges Fachwerkhaus mit einem aus roten Schindeln gedeckten Spitzdach, von denen viele durch Wind, Wetter und Zeit bereits gezeichnet sind und eine deutlich dunklere Färbung und manchmal einige fast schwarze Flecken tragen. Dazwischen finden sich auch ab und an aber deutlich hellere, da neue Schindeln alte ersetzten, das Dach dicht und den Innenraum weiterhin trocken zu halten.

    Das oberste und kleinste Fenster des spärlichen Dachgeschosses, das zur Straße hin zeigt, weist an seinen Seiten keine Läden auf, mit denen man das wenige durch das blasige Glas schummrig ins niedrige Dachzimmer einfallende Licht abblenden könnte. Die Dachkammer selbst, zu der hinauf eine sehr steile Holztreppe von dem sich darunter befindenden Geschoss führt, ist überaus schlicht, aber sauber. Nur ganz oben unter dem Dachgebälk, hat sich eine Spinne eingenistet, von den dort arbeitenden Menschen liebevoll Johnny getauft, die unermüdlich ihre weggefegten Netze wieder und wieder neu gesponnen hat, bis man es schließlich aufgab und den kleinen Untermieter gewähren ließ. Bis auf eine mit Heu gefüllte Matratze samt Kissen und einer Decke, die ab und an für Ruhephasen genutzt werden, ist die winzige Dachkammer leer.

    Die drei Fenster des ersten Stockwerkes darunter, eines an der Frontseite und zwei weitere an der benachbarten Häuserseite, die an der zweiten schmal zulaufenden Straße des Häuserecks liegt, sind deutlich größer als das Dachgeschossfenster und werden auf beiden Seiten von Läden aus schönem, rötlichen Lärchenholz umrahmt. Das Geschoss dient in erster Linie als Vorratsraum für haltbare Zutaten, wie beispielsweise ganz und gemahlene Nüsse und Honigtiegel die in stabilen Holzregalen und verschieden großen Holzkisten ruhen, weswegen zumindest die beiden Fensterläden an der langen Häuserseite in der Regel geschlossen sind, um nicht allzu viel Licht und Wärme hineinzulassen. Außerdem dient der Raum als Abstellplatz für nicht regelmäßig genutztes Arbeitsmaterial, beispielsweise Ersatz-Brotschaufeln, Rattankörbe, Gärkörbe aus Stroh oder Holzschliff, Schüsseln und Krüge und stapelweise sauber gebleichte Leinentücher. Eine steile Holztreppe führt aus der Backstube im Erdgeschoss hier herauf und noch deutlich steilere Stufen hinauf in die Dachkammer.

    Oben an der Außenfassade zwischen dem Erdgeschoss und erstem Stockwerk, genau an der spitzen Häuserecke, ragt eine dunkle Eisenstange hinaus auf die Straße, die von weiterem dünnen, sich spiralig schnörkelig windendem Eisen verziert ist. An ihrem Ende prangt an zwei kurzen Eisenkettchen eine Brezel aus wetterfestem, starkem Holz, die von beiden aufeinander zulaufenden Straßen schon aus weiter Entfernung gesehen werden kann und den Vorbeigehenden den Standort der Bäckerei mitteilt.


    Der Eingang zur Bäckerei wird geschützt durch eine aus beständigen Eichenholz-Latten gezimmerte, ganz einfache Eingangstür in einem Rahmen aus dem gleichen Eichenholz. In den warmen Jahreszeiten steht diese stets einladend nach innen und zur rechten Seite hin offen, um für die intensive Wärme der Backstube raus und frische Frühlings- oder Sommerluft hinein zu lassen. In der kalten Jahreszeit geschlossen, hält sie die dann willkommene Wärme größtenteils im Inneren der Bäckerei.

    Tritt man durch die aus Eichenholz gezimmerte Eingangstür, findet man sich sogleich in dem einzigen Raum des Erdgeschosses, der Backstube, wieder. In der Wärme, die einem sofort beim Betreten der Bäckerei entgegen schlägt, wird stets der Geruch von frisch gebackenen Broten und Brötchen mitgetragen. Nur wenige Besucher, die eintreten, können dem widerstehen und nur die wenigsten verlassen die Backstube, ohne nicht zumindest ein Brötchen in der Hand zu halten. Neben Hefe riecht es außerdem von Tag zu Tag verschieden nach Nüssen, Rosinen, Honig, Zwiebeln und diversem Korn. Feine Nasen können auch ab und an den Geruch von aufgehendem Sauerteig und des geschürten Holzfeuers im Ofen ausmachen. Tritt man am Abend ein, duftet es wahrscheinlich schon nach Seifenlauge vom Wischen der Böden und Schrubben der Tische und Knettröge.

    Insgesamt drei Fenster aus schönem, klarem Glas, ein kleines direkt links neben der Eingangstür und zwei weitere an der Längsseite des Hauses, lassen das Sonnenlicht in die Backstube dringen. Der Boden der gesamten Stube ist mit fliesenartigen, aber in ihrer natürlichen Form belassenen Steinen bedeckt. Während der vordere Bereich stets sauber gefegt ist, findet man im hinteren Bereich, besonders an den Knetwannen immer wieder eine Staubschicht feinsten Mehles. Es wird sich aber darum bemüht, diese nach getaner Arbeit unverzüglich zusammen zu fegen.


    Nur einen guten Schritt von der Türe aus benötigt man, um an den Verkaufstresen der Bäckerei heranzutreten, dem einzigen Element, das zugleich auch der Raumaufteilung dient. Die schöne alte Holztheke ist mit einfachen, aber hübsch anzusehenden, geschwungenen Schnitzereien verziert, die an die Form von Brezeln erinnern. Linkerhand knickt die Theke nach etwa eineinhalb Schritt in einem rechten Winkel ab bis sie auf die Wand der Häuserfront trifft. Hinter diesem Stück Tresen ist bis zur Längswand ebenfalls ein guter Schritt Platz, um sich zu bewegen. An der Wand selbst sind Regalbretter angebracht, um Brote und andere Backwaren den Kunden zu präsentieren. Auf der Theke stehen in der Regel drei runde, aus Rattan geflochtene Körbe mit ofenfrischen Brötchen. Der Tresen lässt rechterhand einen etwa einen Schritt breiten Durchgang, durch den man in den dahinter gelegenen Bereich gelangt, in dem es mit seinen vielen Utensilien, Knettrog und Arbeitsflächen recht beengt wirkt. An der linken Wand, etwa einen Schritt von der Theke entfernt, steht ein kleiner Tisch umrahmt von vier schlichten Stühlen.

    Im hinteren linken Teil der Backstube führt eine steile Holztreppe ins darüber liegende Geschoss, das als Vorrats- und Lagerraum genutzt wird. Unter dieser Holztreppe ruhen ordentlich gestapelt die Buchenscheite, die als Feuerholz zum Beschicken und Nachfeuern des Holzofens dienen. Der Ofen an der kurzen Wandseite der Bäckerei ist aus Schamottensteinen gemauert. Da die Schamottenschicht gut durchgeheizt werden muss und auch über mehrere Tage nicht auskühlen darf, wird die Backstube recht schnell, stark und dauerhaft erwärmt, so dass die Arbeit in der Regel schweißtreibend ist. An der Raumdecke direkt vor dem Ofen sind horizontal zwei Eisenstangen angebracht, auf denen eine große und eine kleine Brotschaufel ruhen. Direkt neben dem Ofen führt eine ebenfalls aus Eichenholzlatten gezimmerte Hintertür hinaus auf den kleinen Hof.

    In der Mitte des Raumes steht ein großer, hölzerner Knettrog für die Teigherstellung, der ebenfalls zwei kleinere Knetwannen aus Holz dienen, die bei Bedarf an beliebiger Stelle aufgestellt werden können. Daneben befindet sich ein standfest aufgebockter, gespaltener Baumstamm, auf dem der fertige Teig geknetet, unter Umständen gerollt, und in Form gebracht oder portiert wird. Für ähnliche Arbeiten, die weniger Kraftanstrengung benötigen, steht eine lange Arbeitsplatte entlang der rechten Wand zur Verfügung. Auf dieser steht auch eine metallene Balkenwaage, zum Abwiegen der Zutaten. Über der langen Arbeitsfläche sind an der Wand einige Regale angebracht, auf denen eine Menge Gärkörbe aus Stroh oder Holzschliff in verschiedenen Größen und Formen stehen sowie Schüsseln, Becher, Krüge, Leinentücher und zwei Handmühlen. An einer an der Wand befestigten Latte hängen an Haken diverse Löffel, Schöpfkellen, Schaber und Pinsel.


    Durch die Eichenholztür neben dem Steinofen gelangt man auf den kleinen, etwa vier Schritt breiten Hinterhof, der sich in seiner Länge rechterhand auch bis hinter das Wohnhaus und daran entlang zieht. Umrahmt wird der Hof von dem kleinen Anbau des Wohnhauses, der früher als Gesindehaus diente und bei dem es sich nun um das Wohnhaus der Witwe Gylsten handelt. Seine Längsseite wird durch die weißen Häuserwände zweier Nachbargebäude getrennt und linkerhand zur Straße hin von einem schmiedeeisernen Tor zwischen den Gebäuden. Der Hof selbst ist mit ebenfalls von ihrer Form her naturbelassenen Steinen gepflastert, zwischen denen sich hartnäckig Gras und Moos festgesetzt haben, was dem Hof die Kühle nimmt und ansprechend anzuschauen ist. Auf dem Hofstück direkt hinter der Bäckerei, nur zwei Schritte von der Hintertür entfernt, findet sich ein kleiner, etwa zwei Schritt langer wie breiter Schuppen im Fachwerkstil samt Spitzdach, der beinahe aussieht wie eine Miniaturausgabe des Bäckereigebäudes. Darin finden sich Putzutensilien, Gartengeräte und Kram, der sonst nirgends wirklich gebraucht wird. Neben dem Schuppen steht ein länglicher Tisch mit einer Bank und zwei Stühlen aus wetterbeständigem Holz. Nur ein kleines Stück weiter zieht sich entlang der Hauswand des Nachbargebäudes ein Blumen- und Gemüsebeet, ehe der Anbau den Hof abschließt.



    Das Wohnhaus


    Gleich linkerhand an die Bäckerei schmiegt sich ein Fachwerkhaus, das bisher stets von dem Eigentümer der Bäckerei bewohnt wurde und wird. Über den Hof der Bäckerei sind die beiden Gebäude miteinander über Hintertüren verbunden.


    [Beschreibung folgt…]





    Anzutreffende Charaktere


    Spielercharaktere (SC):


    Aneirin Gerdenwald (geb. Grünglanz 487 FZ)

    Er ist etwa 1,85 Schritt groß und von inzwischen muskulöserer Statur. Seine Haut ist eher hell und die Augen sind von einem stechenden Smaragdgrün. Das blonde, gut schulterlange Haar trägt er während der Arbeit in der Bäckerei meist zu einem (geflochtenen) Zopf zusammengebunden.


    Nichtspielercharaktere (NSC):


    Falk Bachental (geb. Eisfrost 498 FZ)

    Bäckergeselle der Bäckerei Gerdenwald. Falk ist etwa 1,82 Schritt groß, hat kurzes, hellbraunes Haar und perlgraue Augen.

  • Blätterfall 521



    Der Weg durch die Straßen der Stadt hat etwas Gespenstisches an sich. Selbst denjenigen, die das rege und bunte Treiben in den Straßen Talyras, das hier vor dem Einzug der Seuche herrschte, nicht kennen, muss einfach auffallen, dass auf den Straßen nur wenige Menschen und sonstige Völker unterwegs sind. Und von denen, die unterwegs sind, ist gefühlt jeder zweite entweder ein Blaumantel der Patrouillen, die noch immer in regelmäßigen Abständen durch die Straßen marschieren, um beispielsweise größere Menschenansammlungen aufzulösen und allgemein die Bevölkerung daran zu erinnern, Abstand zu halten und Mund wie Nasen mit Schals oder Seuchenmasken zu bedecken. Oder es sind viel zu oft erschöpft wirkende Heiler, Anirani und Priester jeden Ranges, die durch die Straßen ziehen, um Erkrankte zu versorgen oder Seelsorge denen zu schenken, die geliebte Menschen an die Rote Seuche verloren haben – neben all den anderen Krankheiten und Gründen, die der Roten Seuche ja nicht gewichen sind.


    Vor einer ehemaligen Töpferei im Handwerkerviertel verweilt er einen Augenblick und besieht sich die mit Brettern vernagelten Fenster und die versperrte Tür. Nur eines von vielen Geschäften, das aufgegeben werden musste, sei es aus finanziellen Gründen oder weil der oder die Eigentümer verstorben sind. Nicht selten hat die Seuche es geschafft ganze Familien auszulöschen. Aneirin kontrolliert schon fast routiniert den Sitz des Schals, der ihm Mund und Nase bedeckt, während er versucht das mulmige Gefühl zu verdrängen, das ihn überkommt, wenn er daran denkt, dass ohne Falk die Bäckerei vermutlich dasselbe Schicksal ereilt hätte. Und den Göttern sei Dank hat sein Lehrling die Seuche heil überstanden. Was wohl aus all den anderen geworden ist, von denen er in den letzten Monden und Jahren nichts gehört hat?


    Als Aneirin das Mühlenviertel erreicht sind seine Schritte schon recht träge und die Erschöpfung kriecht samt Kälte durch seine Knochen. Wäre er mit Arúen und ihren Kindern durch das Gewirr gegangen, hätte er sich die Hälfte des Weges sicher gespart. Doch die Erfahrung seiner ersten und bisher einzigen Reise durch das Gewirr möchte er freiwillig so schnell nicht noch einmal machen, auch wenn die Übelkeit und Orientierungslosigkeit womöglich mit seiner damaligen Schädelverletzung zu tun hatten. Unwillkürlich reibt er sich den Hinterkopf und zieht im nächsten Moment das Haarband etwas enger, das seine Haare zu einem Zopf zusammenhält. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, die vertrauten Wege zu gehen und sich doch nicht sicher zu sein, wie viel noch von dem ist, das mal gewesen ist.


    Kaum dass er um die letzte Häuserecke gebogen ist, atmet Aneirin erleichtert aus, als er die Bäckerei erblickt und sie auch tatsächlich noch so aussieht, wie er sie verlassen hat. Drinnen ist es zwar dunkel, doch schließlich hat Falk auch schon längst Feierabend gemacht. Ein müdes Lächeln umspielt seine Lippen wie er so vor dem Eingang der Bäckerei verharrt und seine Gedanken in vergangene Zeiten abschweifen. Er steht tief in Falks Schuld. Dass er ihm die Bäckerei erhalten hat, wird er ihm nie vergessen.


    Aneirin löst den Blick von dem Gebäude und geht noch ein paar Schritte rechterhand weiter zu seinem Wohnhaus gleich daneben. Er hatte seinem Lehrling angeboten, ihm das Haus zu überlassen, solange er fort ist, doch Falk hatte abgelehnt, ja, sich fast mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Ob er befürchtete, ich würde nicht zurückehren, wenn er es annehmen würde? Der Gedanke war Aneirin bisher gar nicht gekommen. Doch rückblickend macht es durchaus Sinn. Auch, dass er seine Meisterprüfung noch nicht ablegen wollte. So viel Vertrauen hast du in mich? Dabei war Aneirin sich eine ganze Zeit lang überhaupt nicht sicher, ob er überhaupt zurückkehren will. Es scheint, als würden einige hier ihn besser kennen als er sich selbst. Aneirin schmunzelt.


    Vor der Tür des benachbarten Fachwerkhauses kramen seine Finger einen Moment in einer seiner Gürteltaschen und ziehen schließlich einen schmiedeeisernen Schlüssel heraus. Eigentlich hatte er vorgehabt, den Schlüssel bei Eolora zu lassen, aber sie bestand darauf, dass er ihn mitnehme. Nachdenklich besieht Aneirin sich den Schlüssel und steckt ihn schließlich in das Türschloss.

  • Stille empfängt Aneirin als er vorsichtig das Haus betritt und die Tür hinter sich langsam zurück ins Schloss drückt. Einige Atemzüge lang steht er nur da und lauscht in das Gebäude und sich selbst hinein. Eine gewisse Aufregung, die in seinen Adern pulsiert kann er nicht leugnen, doch im Gegensatz zu ihm ist es im Haus völlig ruhig. Behutsam lässt er seinen Rucksack von seiner Schulter gleiten und stellt ihn an das schmale Schränkchen rechterhand. Er geht zwei, drei weitere Schritte zum Garderobenhaken dahinter und schält sich gemächlich aus Schal und Mantel. Seine Augen wandern dabei die Treppe hinauf und als er seinen Mantel aufgehängt hat ertappt er sich dabei, wie er noch einmal ganz angespannt horcht. Doch außer den leise knarzenden Holzdielen unter seinen Fußsohlen kann er nichts weiter vernehmen. Es wundert ihn nicht, denn eigentlich erwartet er niemandem in seinem Heim. Fürs Erste wendet er seine Aufmerksamkeit vom Obergeschoss ab und betritt den Wohnraum.

    Zurückhaltend schält sich das Licht der Dämmerung durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden, gerade genug, dass Aneirin sich mühelos im Raum zurechtfindet. Statt die Läden zu öffnen, entzündet er eines der Lichter und blickt sich um. Die großen Möbelstücke sind mit hellen Tüchern verhangen und alles steht genauso wie er es vor drei Jahren zurückgelassen hat. Doch wie sein Blick durch das Zimmer wandert, legt sich ein schmunzelndes Lächeln auf seine Lippen. Auf den ersten oder gar zweiten Blick fällt es zunächst nicht weiter auf und doch entgeht Aneirin nicht, dass es im gesamten Raum sauber ist. Viel zu sauber. Selbst auf den Tüchern liegt kaum ein Staubkorn. Eolora… Sie hat doch nicht allen Ernstes die vergangen drei Jahre damit verbracht, das Haus sauber zu halten als würde sie jeden Tag seine Rückkehr erwarten?

    Aneirin schüttelt lächelnd den Kopf und beginnt die Tücher abzuhängen und zusammenzufalten. Mit den Tüchern auf dem Arm macht er sich auf ins Obergeschoss, um sie wieder in der Kommode des Gästezimmers zu verstauen. Als er das Schlafzimmer betritt, um auch dort die Laken zu entfernen, staunt er über ein offenbar recht frisch gemachtes Bett. Mit einem dankbaren Lächeln entfernt er das Laken von der Kommode und geht dann hinüber zu dem abgedeckten Kinderbett seiner Tochter. Das Lächeln auf seinen Lippen ist jedoch längst verschwunden als er eine Hand auf das Laken legt. Aneirin zögert und ist sich nicht sicher, ob er das Laken nicht darauf lassen sollte. Erträglicher macht es das aber wohl auch nicht, muss er sich eingestehen, überwindet sich und zieht also rasch das Laken herunter. Das leere Bett selbst würdigt er allerdings nur eines kurzen Blickes.

    Nachdem er die Tücher verstaut hat, wäscht er sich und kleidet sich um und beginnt erste Teile aus seinem Rucksack zu räumen, während er dabei die Reste seines Reiseproviants verspeist. Er kann die frischen Brötchen seiner Bäckerei am nächsten Morgen kaum erwarten. Als ihn seine erschöpften Glieder schließlich ins Bett nötigen streckt er mit einem erleichterten Seufzen alle Viere von sich. Es fühlt sich gut an, wieder zu Hause zu sein.

    >Ich bin so froh, dass Du heil wieder hier bist. Es gab in letzter Zeit viel zu wenig gute Neuigkeiten<, hallt Rialinns Stimme bald in seinen Gedanken wieder. Mit den Händen fährt er sich lange durch das Gesicht. Er hofft inständig, dass in den nächsten Tagen nicht allzu viele schlechte Nachrichten über ihn hereinbrechen. Arúen, Rialinn, Falk und Eolora geht es den Göttern sei Dank schon einmal gut. Er sollte Zuversicht daraus schöpfen. Diesen Gedanken festhaltend versucht er in erholsamen Schlaf zu finden.



    Gefühlte Stunden starrt Aneirin an den Baldachin seines Bettes. Obwohl er die Erschöpfung schwer in seinen Gliedern spürt, will sich einfach kein Schlaf einstellen. Unzählige Male dreht er sich herum, ehe er sich schließlich aufsetzt und das Kinderbett anstarrt. Der Anblick des leeren Kinderbettes reißt an alten Wunden, die längst nicht vollständig geschlossen sind und sich vermutlich auch nie vollkommen verheilen werden. Dass er immer wieder an seine Tochter wird denken müssen und auch immer wieder mal dabei Schmerz verspüren wird, das kann er nicht ändern und will es auch gar nicht. Aber gegen dieses Symbol der Leere dort an seinem Bettende, dagegen lässt sich etwas tun.

    Also schwingt er die Beine über die Bettkante und macht sich auf die Suche nach seinem Kasten mit Werkzeugen, um das Bettchen abzubauen. Vielleicht findet sich in den nächsten Tagen jemand, der es ihm abnehmen möchte oder er wird in einem der Waisenhäuser fragen, ob es dort gebraucht wird. Jetzt soll es ihm genügen, das Bett in seinen Einzelteilen nach unten in den Flur zu tragen und unter die Treppe zu stellen.

    Nachdem er auch noch gefegt hat, steht er an dem offenen Fenster unter dem das Kinderbett zuvor noch gestanden hat und starrt hinaus in die Nacht. Es fühlt sich nun etwas besser an, wenngleich ihm immer noch nicht nach Schlafen zumute ist. Dennoch legt er sich zurück in sein Bett. Er sollte nicht zu viel Grübeln und Spekulieren, sondern versuchen, sich noch etwas auszuruhen. Er wird nach Sonnenaufgang noch früh genug herausfinden, was alles geschehen ist. Also dreht er sich herum, vergräbt sich in seiner Decke und schließt die Augen.


    Als Aneirin die Augen wieder öffnet, braucht er einen kleinen Augenblick, um sich zu orientieren. Sein Schlaf ist tief und traumlos gewesen. Ein Blick zum Fenster verrät ihm, dass es allerdings nicht allzu lange gewesen sein kann. Vom heranbrechenden Morgen ist am Himmel noch nicht viel zu sehen. Aneirin seufzt und beschließt, dass es keinen Sinn macht, sich noch einmal herumzuwälzen. Also steht er auf, geht sich kurz durch das Haar, um es wieder zu einem Zopf zu binden und kleidet sich an. Als er gezielt eine kleine Schublade seiner Kommode öffnet, lächelt Aneirin. Der Schlüssel zur Bäckerei liegt noch dort, wo er ihn zurück gelassen hat. Freudig greift er danach und eilt die Stufen herunter. Wenn er schon nicht schlafen kann, dann kann er sich ja wenigstens nützlich machen.

  • Er hatte schon fast vergessen, wie viel Freude ihm das Backhandwerk bereitet. Den Kopf ausschalten und die Hände das machen lassen, was sie lange gelernt haben. Aneirin hat währenddessen das Gefühl, nie fort gewesen zu sein. Er findet alles was er braucht an den Plätzen, von denen er es gewohnt ist. Das Lager ist trotz der schwierigen Zeit gut gefüllt, was sicherlich einiges mehr gekostet hat als noch vor der Seuche.

    Aneirin steht noch vor den Gewürzen im Lager als er von unten ein langgezogenes, metallenes Quietschen vernimmt, das er sogleich der Eingangstüre der Bäckerei zuordnet. Vor drei Jahren hätte er es vielleicht noch überhört. Doch obwohl ihm dies bisher noch immer wieder auffällt, hat er sich inzwischen weitestgehend daran gewöhnt und nimmt die vorsichtigen Schritte unter ihm mit einem Lächeln zur Kenntnis.

    Im Rhythmus der vorsichtigen Schritte unten schleicht er zur Stiege, geht in die Hocke, legt die Hände links und rechts der Öffnung und späht unauffällig herunter. Mit einem Grinsen macht er einen Satz und landet nur zwei Schritt hinter dem jungen Mann mit dem hellbraunen Haar.

    Aneirins Hand schnellt nach oben als dieser erschrocken herumwirbelt und der Schießer in dessen Händen auf Aneirin herunter saust. „Oi, willst du mich etwa DAMIT erschlagen?“ Mit einem amüsierten Funkeln in den Augen blickt er von der abgewehrten Schaufel zu dem völlig perplexen Falk.

    „A-Aneirin?“

    Sein Lehrling braucht noch einen Atemzug, um zu begreifen, ehe der Schießer unbeachtet zu Boden fällt und sich die Freunde lachend in den Armen liegen.

    „Du bist zurück!“, strahlt Falk und mustert ihn von oben bis unten. Im nächsten Augenblick jedoch werden dessen Züge plötzlich sehr ernst und ehe Aneirin sich versieht hat Falk ihm eine saftige Kopfnuss verpasst.

    „Au!“ Mit zusammengebissenen Zähnen reibt Aneirin sich die schmerzende Stelle. Er fragt gar nicht, womit er die verdient hat, denn er weiß es schließlich ganz genau. Gerade noch beginnt er in Gedanken eine Entschuldigung zu formulieren, da schlingen sich Falks Arme um ihn und drücken ihn fest. Mit einem Lächeln drückt Aneirin seinen Freund ebenfalls.

    Als Falk ihn aus der Umarmung entlässt ist keine Spur von Vorwurf in dessen Blick zu sehen. Viel mehr glaubt Aneirin, darin Erleichterung und Freude zu bemerken.

    „Seit wann bist du zurück? Was hast du getrieben? Warum hast du dich nicht mehr gemeldet? Bleibst du jetzt hier? Weiß Eolora schon, dass du zurück bist? Du trägst jetzt Bart?“

    Beschwichtigend hebt Aneirin die Hände und lacht etwas zurückhaltend.

    „Ich bin seit gestern Abend zurück und außer Lady Arúen, Rialinn und dir habe ich noch niemanden getroffen.“

    Eine Entschuldigung liegt in Aneirins Blick und das Versprechen, ihm Rede und Antwort zu stehen, zumindest bis zu einem gewissen Grad, als er auf das halbvolle Brett mit Brötchen deutet.

    „Wollen wir gemeinsam weiter machen und ich erzähle dir dabei, was du wissen willst?“

    Falk folgt seinem Fingerzeig mit seinem Blick, grinst dann und beginnt, seinen Mantel abzulegen.

    „Nichts lieber als das.“

  • Aneirin legt den Kopf in den Nacken, schließt die Augen und atmet tief durch. Die Arbeit hat gut getan und die Stunden sind wie im Nu verflogen. Es hat sich beinahe angefühlt als wäre er nie fort gewesen. Wären nicht die vielen bekannten Gesichter mit zumeist freudiger Überraschung ob seiner unerwarteten Rückkehr gewesen, die sich immer wieder wiederholende Fragen, wo er denn die letzten Jahre gewesen sei, was er gemacht habe; sogar die eine oder andere Beileidsbekundung hat er noch entgegen nehmen müssen. Der Bäckermeister hat freundlich gelächelt, sich bedankt und Antworten gegeben ohne die eigentlichen Fragen tatsächlich zu beantworten und selbst sein Beileid ausgesprochen, immer wenn er erfahren hat, dass jemand seiner Kunden einen oder mehrere Menschen an die Seuche verloren hat.

    Eolora hat sich am Morgen riesig über die frisch gebackenen Brötchen gefreut. Gut, es war vermutlich viel mehr die Tatsache, dass er selbst sie ihr gebracht hat. Kurz hatte er Angst, dass die alte Dame ihm aus den Schlappen kippt. Sie hat sich den Göttern sei Dank aber schnell wieder gefasst, die Brötchen dankend entgegen genommen und hätte ihn vermutlich am liebsten gleich ins Haus gezerrt, um sich von ihm alles erzählen zu lassen. Aneirin hat sie fürs Erste vertröstet, doch musste er ihr versprechen, sich bald für sie Zeit zu nehmen. Eolora hat es sich allerdings nicht nehmen lassen wohl stündlich zu schauen, ob die beiden Bäcker irgendetwas brauchen oder sie sich sonst irgendwie nützlich machen könnte.


    Amüsiert schnaubt Aneirin. Er schaut auf als Falk sich zu ihm setzt und ihm einen Becher Apfelmost reicht. Sein Lehrling schaut zufrieden aus, findet Aneirin. Der junge Mann gönnt sich einen kräftigen Schluck und lehnt sich behaglich zurück.

    „Ich kann es immer noch kaum glauben“, blickt Falk seinen Meister an und Aneirin legt mit fragendem Blick die Stirn in Falten. „Einfach so bist du wieder da.“ Aneirin beäugt den jungen Mann weiter und ist sich nicht ganz sicher, ob er in dessen Worten den Hauch eines Vorwurfs heraushören sollte. So lässt er Falks Feststellung unkommentiert und widmet sich weiter dem Apfelmost.

    „Und?“ Fragend blickt Aneirin seinen jungen Lehrling an, der ihn erwartungsvoll ansieht, als müsse er selbst ganz genau wissen, auf was er mit dieser kurzen Frage abziele. „Was hast du jetzt vor? Bleibst du?“

    Aneirin runzelt nachdenklich die Stirn und nippt ein weiteres Mal am mostgefüllten Becher. Wie kommt es, dass er sich ein klein wenig ertappt fühlt? Vermutlich liegt es daran, dass er sich bei seiner Rückreise noch nicht endgültig festgelegt hatte, wusste er ja nicht, was ihn zurück in der Heimat erwarten würde. Doch seine Bäckerei steht noch, Falk und Eolora sind wohl auf, ebenso wie Arúen und Rialinn. Es spricht also bisher nichts dagegen zu bleiben.

    „Ja. Ich möchte bleiben.“ Aneirin sucht Falks Blick. Er ist lange fortgewesen und hat Falk die volle Verantwortung für die Bäckerei überlassen. Wie er wohl reagieren wird? „Und wieder hier arbeiten.“ Sein Lehrling schaut ihn an, doch Aneirin vermag nicht zu sagen, was er wohl darüber denken mag.

    Falk hebt die Augenbrauen.

    „Fragst du mich gerade um Erlaubnis?“

    „Ich war lange fort“, erwidert Aneirin.

    Falk blinzelt etwas perplex. Dann lacht er laut.

    „Aneirin, es ist und bleibt deine Bäckerei. Ich habe nie daran gezweifelt, dass du zurückkommst.“

    Aneirin lächelt und muss sich eingestehen, dass er sehr erleichtert ist.

    „Ich danke dir. Ich weiß nicht, wie ich dir das jemals vergelten soll.“

    Falk prostet ihm zu.

    Nachdem sie beide einen kräftigen Schluck genommen haben, schweigen sie eine Weile. Es ist kein unangenehmes Schweigen, viel mehr genießen sie die traute Zweisamkeit nach einem arbeitsreichen Tag.

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