Julball, Geständnisse und andere Überraschungen [19ter Langschnee 518]

  • Klare, kalte Nachtluft empfängt seine Lordschaft an den Stufen des Portals Taresnars bereits jetzt, zur Stunde des Vaters – so kalt, dass der Atem der Kutschpferde wie Dampf aus den Nüstern steigt. Es wird die längste und für seine Puh' die hoffentlich aufregendste Nacht dieses Zwölfmondes sein. Seine Hand tastet nach der Einladungskarte in der Innentasche seines Pelzmantels – nur zur Sicherheit, wenngleich völlig überflüssiges Procedere. Er wird diese Karte dem inzwischen nicht weniger die Jahre gekommen Pommeron, seines Zeichens oberster und dienstältester Lakai im Hause des Gastgebers, Lord Adalbert von Varstall, wortlos mit gezierter Attitüde aushändigen und mit möglichst gelangweiltem Ausdruck darauf warten, dass Pommeron, deren Inhalt zur Kenntnis nimmt, gleichwohl dieser natürlich weiß, wer aus welchem Grund vor ihm steht, während andere Dienstboten ihnen die Mäntel abnehmen, um dann mit Sigourny am Arm gemäßigten Schrittes Pommeron in den Ballsaal zu folgen, um sich in Begleitung ankündigen zu lassen, als ob nicht ohnehin jeder sehe, wer gerade ankommt, denn es wäre doch überaus unschicklich zu früh, zu spät oder gar uneingeladen zu erscheinen, so dass in der ersten halben Stunde ohnehin nichts anderes passiert, abgesehen von obligatorischen Empfangshäppchen und -weinen und nicht enden wollenden Begrüßungs- und Vorstellungsarien, garniert mit Schmeicheleien und festgefrorenen Lächeln. Nun, wie dem auch sei, er hat sie dabei, ganz wie es die Etikette verlangt.


    „Mylady hat es sich doch nicht anders überlegt“, fragt Xilian überrascht, Shalhor allein vor dem großen Eichenportal anzutreffen, als er gerade die Kohlenpfanne zur Kutsche bringen will, damit Sigourny keine kalten Füße bekommt. „Gewiss nicht“, lächelt seine Lordschaft. „Sie braucht nur noch einen Moment.“ Xilian lächelt wissend zurück und murmelt ein gedehntes „Frauen!“ in seinen nicht vorhandenen Bart. Dabei war es eben genau diese Frau, deren unwiderstehliche Überredungskunst Shalhor dazu veranlasst hatte, den Pferdeknecht wieder in seine Dienste zu nehmen. Wobei, wenn er es sich recht überlegt, es eben auch genau diese Frau war, wegen deren unwiderstehlichen Überredungskunst Xilian überhaupt erst in die Situation geraten war, entlassen zu werden. Also ja ... Frauen! Aber … was wären wir ohne sie?


    „Aber Du denkst daran, bis zum nächsten Glockenschlag an der Einfahrt zur nächsten Seitenstraße zu warten?“ Auch wenn Shalhor keineswegs überzeugt ist, dass es seiner Puh' zu viel sein könnte, dass sie auf dem Absatz wieder kehrt machen würde, will er sich doch diese kleine Option nur für den Notfall offenlassen. Sie ist nervös und aufgeregt. Das hat er deutlich gespürt, aber sie neigt weder zur Hysterie noch Ohnmachtsanfällen. Und sie haben reichlich geübt, nicht nur das Tanzen. Auch schickliche und unverfängliche Erwiderungen, auf was immer ihnen da während des Empfangsprocedere entgegen kommt, damit sie sich sicher fühlt. Im Zweifelsfall soll sie sich ihren Gegenüber nackt inmitten grunzender Schweine vorstellen, hat er ihr geraten. Darüber mussten sie beide lachen und so wird es ihr auch heute die Anspannung nehmen … ganz bestimmt.

  • Zum letzten, aber gefühlt 137sten Mal blickt Sigourny sich in den Carnossa Spiegel, der mittlerweile seinen Weg aus dem Pfirsich nach Taresnar gefunden hat. >Ihr seht wunderbar aus Madame!< Die junge Frau dreht sich um und sieht sich einer lächelnden Adele gegenüber. Die oberste Magd hat es sich nicht nehmen lassen, ihr höchstpersönlich beim Zurecht machen zu helfen. Sigourny atmet tief durch. Ja, sie freut sich unbändig auf diesen Abend, gleichzeitig ist sie aber auch unsagbar nervös und aufgeregt: Sie, ein Kind der Unterstadt wird heute am Arm ihres Seemannes einen der legendären Bälle des Seeviertels besuchen, sie, in Mitten der Oberschicht Talyras. Sie macht sich nichts vor, einem Teil der anwesenden Gäste wird sie durch ihre Tätigkeit im Pfirsich bekannt sein und manch vornehmes Näschen wird sich wohl über ihre Anwesenheit pikiert rümpfen. Aber sie würde den Dunklen tun, sich den Julball verderben zu lassen.


    Jorindel legt ihr eben noch das weiße Pelzcape um die Schultern, dann ist soweit. Ihr Kleid, selbst aus Einzelteilen von Kleidern Shalhors Frau und Tochter zusammengesetzt, schimmert in allen Blautönen des Ildoriel. Nicht protzig aber doch einen zweiten Blick wert, einfach weil es anders ist, als das, was wohl in der Regel beim Meister Dornenbeutel zu erstehen ist. Die blonden Locken sind kunstvoll hochgesteckt und selbst die schlichten Flussperlen wirken so nach „mehr“. Die Krönung ist aber jene Libellenbrosche, die ihr Seemann ihr geschenkt hat, wie ein echtes Wesen aus Licht sitzt diese an ihrer linken Schulter.


    Die kalte Abendluft nimmt ihr für einen Moment den Atem und sie ist froh um die Kohlenpfanne, die Xilian in weiser Voraussicht in der Kutsche deponiert hat. Lächelnd lässt sie sich von ihrem Seemann in das Wageninnere helfen, die Schlanken Finger in weiße Handschuhe gehüllt. Und doch kann sie ein leichtes Zittern nicht unterdrücken, Vorfreude gepaart mit Aufregung. Kurz nachdem sich der Schlag der Kutsche geschlossen hat, gibt es einen sanften Ruck und selbige setzt sich in Bewegung. Es ist nicht weit und doch kämme keiner auf den Gedanken zu Fuß zu einem solch wichtigen gesellschaftlichen Ereignis zu erscheinen. Noch einmal kommen ihr die grunzenden Schweine und die hüllenlosen Adeligen in den Sinn und unwillkürlich muss sie kichern, was ein klein wenig von der Spannung vertreibt. „Ich bin schon gespannt. Aber du hast mir gar nicht gesagt, bei wem dieses Fest gefeiert wird.“ Neugierig blickt sie aus dem Fenster, wohin sie denn fahren.

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