Beiträge von Cassandra

    Die Dämmerung hat die Welt außerhalb des Hauses längst in ein trübes Licht getaucht und selbst das vergeht mit jedem Augenblick mehr und kündet vom Abend und der aufziehenden Nacht. Doch im Inneren des Hauses herrscht ein warmes Licht. Eine Angewohnheit, die sich in den vergangenen Zwölfmonden entwickelt hatte, als selbst der helle Tag nur Sorgen und trübe Gedanken mit sich brachte. Das warme Licht von duftenden Bienenwachskerzen und Laternen hinter milchigem Glas hatten sie wie einen Schutzkreis um die Bewohner Vinyamars und über Zimmer und Gänge gelegt. Und auch wenn Cassandra das erst nicht hatte glauben wollen und ihre Herrin fast der Verschwendung der teuren Bienenwachskerzen gescholten hatte, muss sie doch rückblickend zugeben, dass die Elbin damit recht getan hatte. Das Licht hatte ihren Seelen tatsächlich gut getan und ihnen geholfen, sich ein wenig Licht und Hoffnung in den Herzen zu bewahren. Auch wenn sie versucht, es von sich fern zu halten und es ihr mit Ullmars Beistand auch meist gelingt, so rufen doch die trüben Herbsttage nur zu oft die Erinnerungen an die endlosen Monde der Seuche und den Verlust ihrer Tochter zurück.


    Mit einer unwirschen Handbewegung verscheucht die Frau die trüben Gedanken und zwingt sie zurück in die Gegenwart und zu dem Klopfen an der Haustür von Vinyamar. Abendliche Besucher sind eher selten geworden. Die Freunde der Hausherrin haben alle kleine Kinder, genau wie Lady Arúen und kommen so eher tagsüber zu Besuch oder die Elbin ist mit den Kindern bei ihnen zu Besuch. Sie hat auch nichts gesagt, dass sie heute Besuch erwarten würde. Und ein Bote kann es kaum sein, selbst das kleinste Botenkind wüsste, dass es an der Küchenpforte immer jemanden antrifft um seine Nachricht zu übergeben und seinen Botenlohn zu erhalten - und dass dort immer auch das eine oder andere Stück Backwerk und im Winter auch etwas Warmes zu Trinken auf es wartet.


    Unbewusst und aus alter Gewohnheit heraus streicht Cassandra ihre Schürze glatt und legt die letzten Schritte bis zur Tür zurück. Das Metall des Riegels liegt kühl in ihrer Hand und während sie die Tür öffnet, geht ihr durch den Kopf, dass es bald Zeit ist, dass Ullmar das Tor des Anwesens zur Nacht schließt. Als sie dann in der offenen Tür steht, sieht sie sich einem jungen Mann gegenüber, den sie im ersten Moment für einen Fremden hält. "Die Götter zum Gru-" Nur um im nächsten erst die Augen und dann das Gesicht hinter dem Bart zu erkennen.


    Es kommt nicht oft vor, dass Cassandra die Fassung verliert, aber jetzt rauschen Entgeisterung, Staunen und Freude in schnellem Wechsel durch ihr Gesicht und sie braucht einige Herzschläge, bis sie ihre Sprache wiedergefunden hat. Dieser Besucher wird tatsächlich erwartet, und eigentlich weiß sie auch, dass der junge Bäckermeister wieder zurück in Talyra ist, Lady Arúen hat es gestern beim Abendessen erwähnt und auch gesagt, dass er in den nächsten Tagen kommen würde. Aber es hören und den Mann tatsächlich vor sich zu sehen, sind halt zwei verschiedene Paar Schuhe.


    "Meister Gerdenwald!" Sofort macht sie einen Schritt von der Tür zurück und macht eine einladende Handgeste. "Kommt doch bitte herein, Lady Arúen wird sich freuen euch zu sehen."