Beiträge von Erle

    Erle merkt deutlich, dass die Haltung der … ja, was ist sie nun eigentlich … ein Mensch? Aber egal was sie ist, ihre Haltung wirkt mit einem mal verschlossener. Nein, nicht wirklich feindselig, aber … Nein! Morgen, dass zu klären muss bis morgen warten!“ Die Bewegung, mit der sie den Becher leert, hat jedoch so etwas abschließendes, das Erle einen Moment lang erwartet, dass sie ihn vor die Tür nun setzt. Statt dessen aber, und der noch immer unterkühlt sich fühlende wie den Schock noch keineswegs verarbeitet habende Teil seiner selbst ist dankbar, nicht wieder in die Nachteskälte hinausgeschickt zu werden … er kann hier nächtigen, aber nicht in der Küche. Sehnsuchtsvoll wandert Erles Blick bei diesen Worten zu dem Herdfeuer zurück. „… Dort kann ich euch nicht helfen, falls es euch widererwarten schlechter gehen sollte.“ Erle legt den Kopf ob dieser Worte schief, die eins zu eins so hätten von ihm kommen können, wäre er gerade Heiler statt zu Heilender denn gewesen. „Ihr … seid auch Heilerin?“ Das Erstaunen, eine Heilerin eventuell auch vor sich zu haben, deutet Lyall allerdings offenbar solcherart, dass sie schmunzelnd ergänzte, dass er wohl alleine schlafen würde. Ja, was sollte eine Große wie sie mit einem Fírbergan wie ihm schon amouröses anstellen wollen? Erle lachte hell auf und tatsächlich ist dies der erste sowohl unverkrampfte, als auch vollends aufrichtige Laut, den er von sich gibt. Alle lebenslange Vorsicht scheint von ihm abzufallen. Oder ist es nur die unbeschreibliche Erschöpfung, die ihn schließlich alle Vorsicht vergessen lässt? Als Lyall endlich aus einem Vorratskeller wieder zurückkehrt, deren Kälte schon beim Öffnen der Tür bedrohlich zu Erle herüber geweht war, findet sie ihn neben dem niedergebrannten Kaminfeuer hockend, die, der letzten Glut beinahe gierig entgegen gestreckten Hände, dabei wärmesuchend aneinander reibend.


    Beinahe erinnert ihn das Arrangement, das Lyall da für ihn erstellt hat, an sein Heimstatt unter der Fensterbank in Emmets Haus. Als sie ihm dann noch hilfreich die Hand entgegenstreckt und dann aber respektvoll inne hält, wie um sein Einverständnis zu erfragen, fängt Erle mit einem mal an zu zittern, als läge er noch immer im eisigen Mäuseloch und und in den letzten Todeskrämpfen. Dankbar nickt Erle, tut einen ersten Schritt nach vorne und lächelt … als er feuchte Wärme an seinen Wangen herab rinnen spürt. Tränen? Ungläubig hebt er die Linke an sein Gesicht, wischt darüber und starrt, fast schon ungläubig, auf die tatsächlich tränenfeuchte Handfläche! Noch immer das Lächeln auf den Lippen blickt er zu Lyall hinauf. „Der Schock scheint vorüber. Ich…“ Den dritten schwankenden Schritt zu Lyall hin kann er nicht mehr auffangen. Einzig ihre schnelle Reaktion verhindert einen Sturz. „Alles gut! Nur schlafen! Und … Lyall? … Danke!“ Leise, beinahe sirrend kommen ihm die letzten Worte nur über die Lippen und nur ein ausgesprochen gutes Gehör mag den letzten Dank des erschöpften Fingerlings noch vernehmen. Der winzig kleine Rucksack, den Erle bisher zu keiner Zeit aus seinen Augen gelassen hatte, liegt nun allerdings auf halbem Weg zwischen der Feuerstelle und Lyall. Das einzige aber, was Erle noch in den Sinn kommt, ist es, nun nicht länger von der warmen Hand Lyalls umschlossen, so rasch als möglich unter die Decke seiner provisorischen Schlafstatt zu kriechen.


    Seine Augen bleiben jedoch geöffnet und das Zittern seiner Glieder lässt langsam wieder nach. Die winzig kleinen Reflektionen in Höhe seiner Augen zeigen indes, dass er nicht erneut von Schlaf oder Ohnmacht überwältigt ist. Aber nun, da der Schock, wenn sie seinen Worten Glauben schenken mag, abgeklungen ist und die letzten Reste Adrenalins verbrannt scheinen, sieht es so aus, als wenn er nun, die nächsten Stunden keinen einzigen Finger mehr rühren mag. Dankbar sieht er zu der in der Pfanne neben seiner Schlafstatt liegenden Glut hinüber und als Lyall, noch bevor sie das Tuch, wie angekündigt, über die Kiste breitet, ihm den kleinen Rucksack an das Kopfende seiner provisorischen Schlafstatt legt, vernimmt sie noch ein leises dankbares Seufzen, ehe sich das Tuch über die Kiste breitet. Von dem Weg in die Kammer Lyalls bekommt Erle nur das sanfte Schwanken der Kiste mit, die schließlich vorsichtig auf einer hölzernen Unterlage platziert wird. Unbemerkt von diesem übermannt der Schlaf Erle dann doch noch einmal. Durch ein geschlossenes Fenster heult fern und unbedrohlich der Nachtwind wütend um das Haus und begleitet den kleinen Fírbergan in Träume voller wütender Eulen, feiernder Elfen, wolfköpfiger Frauen und seinen ihn, ob seiner Leichtfertigkeit tadelnder Eltern …

    „„Seid unbesorgt, Herr Erle. Hier kennen und schätzen wir auch die kleinen Wesen. Ein Irrlicht nennt …“ Die Worte rollen wie eine leichte Brandung am Meeresstrand über ihn hinweg. Er vernimmt sie, nickt hier oder da, mit geschlossenen Augen sich an dem Fingerhut festhalten, oder einen nun kräftigeren Schluck des Tees sich gelegentlich gönnend, nachdem dieser nun nicht mehr brühend heiß ist. Und immer wieder hustet der kleine Mann sich gefühlt die Seele aus dem L-, nein! Über Seelenlosigkeit spottet man besser nicht! — »Male Dämonen lieber nicht an die Wand«, tadelt ihn seine Ma’ noch heute hastig, wenn sie ihn die Seelenlosen gar zu leichtfertig in seiner Rede anführen hört. »… auf das du sie nicht herbeirufst!« „… Lady Aurian ist magiebegabt und Avila weiß noch viel mehr über Heilkräuter, als ich. Daher könnte euch dies nur zum Vorteil sein.“ Wie? Was? Die Fragen stehen dem Fírbergan wie ins Gesicht geschrieben und vielleicht gönnt ihm seine Lebensretterin ja darum einige Momente, das soeben Gehörte, von seinen abgeschweift seienden Gedanken zu trennen, sich zu sortieren. Dankbar nimmt Erle diesen Moment an, beugt sich vor und über den noch immer dampfenden Tee. „Ich weiß, dass meine Worte noch nicht sehr viel Gewicht haben, da wir uns erst so kurz kennen. Aber ich bürge dafür, dass ihr hier in vollkommener Sicherheit seid.“ Erle blickt kurz auf und der Großen entgegen und nickt dann schließlich stumm. Wenn Ihr ihnen vertraut, will ich es auch so halten, bin ich doch nur ein, gar ungeladener, Gast hier … in Eurem Haus!


    „Verzeiht mir die allzu direkte Frage aber, welchem Volk gehört ihr an? Da ihr keine Flügel habt nehme ich an, dass ihr weder Fee noch Irrlich seid. Oder doch? Und Ealara hat euch einfach nur… anders gemacht?“ Erst jetzt begreift Erle, das die Ohren seines Gegenübers kein Zeichen seines Fieberwahns sind. Und dennoch: Vertraue den Langbeinen nicht, oder du landest früher oder später unter deren Sohlen. Als wäre sein Pa gerade neben ihm gestanden, so klar und deutlich vernimmt Erle dessen ruhige aber mahnende Stimme … im Geiste. — „Wenn ich sagte, als kleiner Junge sehr grausam zu den Tieren um mich her gewesen zu sein und zur Strafe dafür von einem das beobachtet habenden Kobold verzaubert worden zu sein, auf das ich der Tiere Sprache fortan verstünde und aber nicht mehr die Größ- ich meine Länge besäße, diese zu schikanieren … würdet ihr mir das glauben?“ Höflicher kann ich der Frage kaum noch ausweichen, ohne geradeheraus zu lügen, hm? „Aber“, fährt Erle daraufhin, den leeren Fingerhut beiseite legend, fort: „Ich lebe nicht bei den Mäusen, nein. Kam von einem Patientenbesuch, blieb etwas zu lange, da die Elbendame Clair von Harfen- und Flötenspiel begleitet, ihren Gesang zum Besten dort auch gab … was für eine Stimme! … Habe das Vergehen der Zeit darob verpasst und den Hunger der Nachtvögel unterschätzt. Das Mäuseloch war die einzige Deckung, nach langer Flucht, die ich finden konnte und … und beinahe wäre es zu meiner Ende dort gekommen. …


    Nein, ich wohne in keinem Mäuseloch … und muss so schnell hoffentlich auch keines wieder betreten.“ Schaudernd wickelt sich Erle fester in seine Decke, möchte am liebsten die Augen schließen und einfach einschlafen und kneift sich zugleich unter der Decke aber kräftig in den Arm, denn: Was wenn das alles hier ein Traum nur ist und ich immer noch im Mäuseloch im Fieberwahn gerade sterbe? „Au!“ Na gut, vielleicht doch kein Traum.

    „Natürlich könnt ihr hier bleiben, werter Herr. Solange, bis es euch besser geht. Ich werde auch versuchen eine bessere Bettstatt zu organisieren, als diese dort.“ Erle, der sich, als die Frau vor ihm erwachte, hastig erhoben hatte und ein paar Schritte zurück getaumelt war, hatte es doch einen Augenblick lang so ausgeschaut, als wollte sie Ihre Arme, wie eine erwachende Katze ihre Pfoten, wohlig von sich strecken, was ihn dann mit Sicherheit unschön von seinem Sitzplatz gefegt hätte, wischt den Verweis auf einen besseren Schlafplatz mit einem grinsenden „Ich mag den Geruch frischen Brotes!“ beiseite, doch auf die sich anschließenden Worte seiner Lebensretterin hin verdunkeln sich seine Züge: “Aber verkühlt euch nicht. Vielleicht solltet ihr doch wieder unter das Tuch kriechen, bis der Tee bereit ist? Ich werde uns einen Thymian-Salbei-Tee zubereiten. Schmeckt nicht besonders gut, aber hilft wie ihr ja wisst.“ Erle nickt, sind die Worte doch genau das, was er an einen Patienten auch herangetragen hätte. Mit einer Agilität, die – solche zumindest, denen die Fírbergan kein Begriff sind – reichlicherstaunen mag, springt Erle von der Tischplatte auf die Sitzfläche eines Schemels und von dort zu Boden. Ein Mensch, der im Vergleich zur eigenen Körpergröße ähnliches versuchen wollte, müsste dafür von einem mehrgeschossigen Haus wohl springen und würde sich dabei so manchen Knochen vermutlich brechen. Doch dem kleinen Fingerling scheint diese Fortbewegung so leicht von der Hand zu gehen, wie etwa einer, von der Größe her ja vergleichbaren, Maus, bei der solche Sprünge ja auch kaum wen groß verwundern würden. An der Seite der Frau, die sich erhebt, den Kessel für den verheißenen Tee vom Feuer zu nehmen, huscht Erle über den Boden zu dem beim Feuer stehenden Brotkorb, legt sich aber nicht wieder dort hinein, sondern greift sich die Decke, oder besser gesagt das trockene, als solche wohl fungiert habende Spültuch, wickelt sich darin ein um dann, wieder im Schneidersitz, an der rechten Seite des Kamins sich niederzulassen, dass das Feuer von der einen Seite, sowie die steinerne Begrenzung der Feuerstelle von der anderen Seite die Wärme auf ihn abstrahlen. Das Feuer direkt, die Steine, durch das Abstrahlen der zuvor darin gespeicherten Wärme.


    „Unter normalen Umständen wäre ich in meinem Zustand nicht aufgestanden. Unter normale Umständen aber … Erle blickt lange und ernst auf die sich dem Wasserkessel widmende Gestalt. „Ich zeige mich euch Großen eigentlich nicht. Darum wollte ich gehen, hoffend, das Ihr mich morgen früh für einen wirren Traum nur gehalten hättet. Aber normal … Ihr habt mir das Leben gerettet!“ Eine Hand vor die Brust legend, deutet Erle eine tiefe Verbeugung an, ohne sich indes aus seinem Schneidersitz zu erheben. Eine Geste, die man hierzulande vermutlich eher selten sieht, die er jedoch von seinen Eltern so übernommen hatte. „Aber es ist gefährlich, für jemanden wie mich, in einer Welt der Riesen zu leben. Nach Möglichkeit gar nicht erst gesehen zu werden ist da immer noch die beste Lebensversicherung. Doch mit der durch den Roten Tod verendeten Maus dort draußen und der zfwyrbickxihretten Eule dort draußen, dem Erfrierungstod, vor dem Ihr mich im letzten Moment bewahrt habt … ich bin übrigens der Erle … ich hatte mich angekleidet um wie ein vergessener Traum zu verschwinden, mich dann aber doch noch eines Besserenbesonnen. Aber-“, hier schüttelt den Kleinen dann doch wieder ein heftiger Husten durch, der sich anschließend mehrfach räuspern muss, seine Stimme wiederzufinden. „Dürfte ich Euch darum bitten, meine Anwesenheit niemand anderem in diesem Haushalt zu verraten? Oder würde Euch das Ärger einbringen, was ich natürlich auch nicht zulassen könnte?!“


    Dankbar nimmt Erle den Fingerhut fertigen Tees schließlich entgegen, den er, da der aus Metall gefertigt ist, vorsorglich mit behandschuhten Fingern ergreift, sich nicht daran zu verbrennen. Nur kurz den Duft und Geschmack prüfend, hätte dieses seltsame Wesen vor ihm böses im Sinne, säße er schon längst nicht mehr so unversehrt hier am Feuer, nimmt Erle vorsichtig mehrere kleine Schlucke, sich nicht an dem Getränk zu verbrühen. „Ah – danke!“ Müde lehnt er sich, noch immer in das zweckentfremdete Spültuch gewickelt, an den heißen Stein, schließt wohlig die Augen, nimmt einen weiteren vorsichtigen Schluck. „Das verdammte Drecksviech wollte mich wirklich mit Haut und Haaren verschlingen!“ Beinahe scheint es, als wenn Erle jetzt erst und langsam, Stück für Stück, zu realisieren beginnt, wie haarscharf er heute dem Tod von der Schippe gesprungen war. „Heute noch nicht, Kyrom, alter Freund … heute noch nicht!“ Und wie zu einem stummen Tost hebt Erle den, mit beiden Händen umfassten, Fingerhut empor, ehe er die Augen schließlich wieder öffnet und wieder zu seiner Lebensretterin blickt. „Danke!“

    Erles Hals brennt wie Feuer, als er die Augen aufschlägt und noch schlaftrunken zu der Karaffe neben seiner Schlafstatt greifen will um … schlagartig ist der Fírbergan hellwach! Der überhastete Aufbruch, die Untersuchung des kranken Alten, die alle beruhigende Nachricht, dass es nicht der rote Tod und auch sonst des Alten letztes Stündlein noch nicht geschlagen hatte, die Feier – dann der Auftritt der Langbeinsängerin, der ihn so sehr in seinen Bann geschlagen hatte. Das Flehen der Anderen die Nacht über zu bleiben und der weinselige Leichtmut Erles, die Eule, die Halluzinationen und jetzt, dem Geruch nach zu urteilen, ein Brotkorb, statt seines Bettes? Immer noch brennt ihm die Kehle wie Feuer und er ahnt, das der Alkohol ihn zum Schnarchen veranlasst und die Unterkühlung draußen ihren Teil dazu beigetragen hatte. Klamm liegen die Schichten seiner Kleidung, die der Anstand ihm auch noch abzunehmen wohl verboten hatte, ihm auf der Haut, doch der Rest liegt nahebei auf den warmen Steinen vor der Feuerstelle. Lass dich niemals mit Langbeinen ein, Junge! Hörst du? Sie bringen nur Unglück – immer! Klar klingt ihm die Stimme seines Vaters im Ohr. Manchmal, wenn sein alter Herr sich dem Rausch ergeben hatte, was dessen Frau nur allzu selten zuließ, hatte der alte Mann noch Andeutungen fallen lassen, wonach es den Langbeinen geschuldet war, das sie aus ihrer Heimat hatten fliehen müssen. Aber meine Heimat ist hier, Vater – und anders will ich es gar nicht haben! Mutter war nie so ablehnend den Großen gegenüber wie Vater, aber auch sie hatte ihn nur schweren Herzens in den Tempel gehen lassen, wo es Langbeinpriesterinnen gewesen waren, die ihn in die Heilkunst und den ganzen Rest unterwiesen hatten. Vertrau ihnen nicht zu sehr Junge, versprich mir dass. Denn auch wenn dein lieber Vater … nun ja, der Ärger den sie bringen können entspricht schon auch ihrer Größe, wenn du verstehst? Leise zieht sich Erle seine trockenen und warmen Kleidungsstücke wieder über, schlüpft in seine warmen Stiefel zurück. Ich kann nicht gehen Mutter! In Gedanken sieht er seine Ma’ den Kopf schief legen. Und warum kannst du nicht gehen, Sohn? Ja, seine Ma war immer die Vernunft in Person gewesen. Wenn er als Kind nicht hatte bei geschlossener Türe hatte schlafen können, weil sonst das Monster von unter dem Bett über ihn herfallen würde, dann legte sie ihm in aller Geduld dar, beziehungsweise lies es ihn vielmehr selbst erkennen, dass unter seinem Bett kein Monster sein konnte und das – Tür auf oder zu – seine Eltern niemals zulassen würden, dass irgendwer oder -was ihm jemals ein Haar krümmte. Und noch immer, Jahre später, begegnet sie ihrem kleinen Jungen mit der gleichen Besonnenheit, sodass diese Frage, die Erle sich zugegebenermaßen nur gerade selbst vorstellt, sicherlich genauso von ihr gekommen wäre, wäre sie gerade hier. Die Maus Mutter!


    Schlagartig verschwindet ob dieser Worte die Gelassenheit aus den Zügen der von Erle doch nur imaginierten Fírbergan-Frau. Seine Mutter hätte nicht so schnell begriffen. Doch was ist das hier anderes als eine etwas seltsame innere Zwiesprache mit sich selbst? Die Maus! nickt das Abbild seiner Mutter in Erles Vorstellung, ehe sie verblasst. Vollständig angekleidet, den Rucksack auf der Schulter (und die Kehle noch immer wie Feuer brennend), drängt sich das Bild der Langbeinküche wieder in sein Bewusstsein. Die Maus in dem Loch, sie war unzweifelhaft dem Roten Tod anheim gefallen. Er, Erle, war in dem Loch gewesen, hatte die Lagerstatt, mit den Stiefeln nur, aber nichtsdestotrotz zerwühlt, ein Feuer damit entfacht… Ja, es ist wahr, er hat seinen gesamten Vorrat an reinem Alkohol über sich und alles dort ausgeschüttet und damit deine Auskühlung durch die Verdunstung mal eben verzehnfacht du Narr! aber … war das genug? Kann er sicher sein? Kann die dort am Tisch schlafende Frau sicher sein? Verdutzt blickt Erle nochmals zum Tisch, reibt sich die Augen, blickt nochmals, kneift sich … aber die Ohren, ihre Ohren !? Unsicher aber leise bewegt Erle sich zum Tisch, erklimmt ein Stuhlbein, dann die Lehne und springt auf den Tisch, was die Ohren seiner Lebensretterin mit einem Zucken quittieren. Im Schneidersitz lässt Erle sich auf der Tischplatte nieder, blickt noch einen Moment lang auf die mit dem Kopf auf der Tischplatte ruhende Frau und hebt dann, nach einem schweren Seufzer zu sprechen an. „Ich danke Euch, gute Frau, aber … ich fürchte, wir müssen reden! Das Loch, aus dem Ihr mich gerettet habt, das Mäuseloch … der rote Tod scheint, so steht zu fürchten, dort Einzug gehalten zu haben.“ Ein leises Husten unterbricht Erle, dessen Züge zwischenzeitlich durch eine Stoffmaske verdeckt werden. Aber nach der Nacht, wäre es ein Wunder, hätte er sich nicht erkältet. Das alleine muss noch nichts bedeuten. „Der Eid, den ich geleistet habe verbietet mir, ein Haus zu verlassen, in welches ich möglicherweise … ich … »In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen«. Darum, gute Frau“, Erle ist sich sicher, das sie ihn hört, scheinen ihre Ohren, doch bereits seinen Weg den Stuhl hinauf verfolgt zu haben und waren, als er etwas lauter und weniger elegant von der Lehne auf die Tischplatte gesprungen war, sich nicht mehr fort gewandt. „Bitte ich euch um Obdach in diesen Haus, bis ich Gewissheit habe, kein Unglück, welcherlei Art auch immer, über diese Schwelle getragen zu haben.“


    Rau ist Erles Stimme, krächzend und fiebrig heiß scheint ihm die Stirn zu glühen. Aber nach einer solchen Nacht, muss das ja nichts bedeuten, wäre alles Andere vielmehr ein Wunder. „Ich kann Euch aber garantieren, dass ich, was auch immer ich hier hereingetragen habe, auch wieder bannen kann, so wahr mir Anira aus dem hohen Haus Nacht helfe. Darum, gute Frau, bitte ich Euch um Obdach für drei Tage und drei Nächte, bis … ich den Roten Tod verbannt weiß und eine Lungenentzündung wegen dieser brsssithik-tak Nacht auch zurück gedrängt weiß.“ Und wieder schüttelt ihn ein kräftiger Husten durch – was aber ob seiner jüngsten Erlebnisse nichts zu bedeuten haben muss. „Und …“ Erle beißt sich auf die Zunge, verkneift sich die Frage, die so unziemlich wäre, wie wenn die Dame vor ihm, ihn mehr entkleidet hätte, als sie es getan hatte. Sie hatte sich zurück gehalten, also will auch Erle sich zurück halten. Und doch huscht sein Blick immer wieder zu den ungewöhnlichen Ohren dieser Langbeinfrau vor ihm. War es ein Fluch, eine Strafe der Götter vielleicht gar? Ich werde mich in meinen Heilerpflichten nicht beeinflussen lassen von Alter, Krankheit, Schwachsinn, Glaube, Herkunft, Stand oder Rasse. Ja, selbst wenn, so darf es doch keinen Unterschied für ihn bedeuten. Das Wohl der Leidenden, Kranken und Verwundeten in meiner Obhut soll das oberste Gebot meines Handelns sein. Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod hinaus wahren. Rein und nach den Geboten der Götter werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren. In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, ohne Gedanken an Unrecht und Übeltat.

    “A giver's purse can never be paused.”

    ― Michael Bassey Johnson


    Erle kommt nur langsam wieder zu sich und das Erste dessen er gewahr wird ist, dass ihn irgendetwas, oder -wer, berührte! „Nicht anfassen!“ kommt es ihm gellend schrill über die Lippen, derweil er sich entschlossen freikämpft, zurückweicht und mit einem zweiten, diesmal aus dem Schmerz geborenen Aufschrei wieder nach vorne und von dem Feuer in seinem Rücken fort springt. Dann erst, den Kopf schüttelnd und sich nur mühsam auf den Beinen halten könnend, gewahrt er seine Lage vollständig. Er ist in einer Langbein-Küche, die verfuchte Eule weit und breit nicht zu sehen und wenn jene Frau mit dem, ist ein verdutztes eher, ein erschrockenes oder ob seines Verhaltens erbostes Gesicht? Nun wie dem auch sei: Da er noch immer die Ohren eines Tieres auf ihrem Haupt erblickt – was ja wohl kaum sein kann – ist er offenkundig wohl eh noch außerstande, Mimiken irgend korrekt zuordnen zu können. Doch erkennt Erle nun, dass sie nur getan hat, was auch er getan hätte. Die unterkühlten Körpersäfte am Fließen halten, beziehungsweise zu erneutem Fließen anzuregen. „Verzeih!“, kommt es ihm deutlich leiser nun über die Lippen. „Ich lasse mich nur einfach nicht … oh!“


    Ein roter Tropfen von Haupt der Großen über sich herabgetropft, zerplatzt beinahe direkt neben ihm in einem feinen blutig roten Sprühregen. Vergessen ist das Ende seiner eben doch begonnenen Entschuldigung. Unsicheren Schrittes torkelt er der Großen wieder entgegen, hebt die Hand.


    „Du blutest!“ Seine Handfläche berührt die Wargin vor sich sanft und eine unbeschreibliche Wärme breitet sich von dort aus, derweil die Wargin ihn leise etwas murmeln hört, das entfernt wie „… Wohl der Lei… -unde … -einer Obhut … das oberste … -eines Han…“ klingt Doch was auch immer der kleine Mann da von sich geben will, erstirbt in einem Röcheln und ein Teil der Wärme, die sich eben noch in Richtung der Verletzung durch den Leib der Großen bewegt hat, strömt mit einem Male schlagartig wieder in die Hand, in den Körper des kleinen Mannes zurück … als würde sie dort gerade dringender gebraucht, denn irgendwo sonst auf Rohas Rund. Als Erle mit einem leisen Seufzen vor der Feuerstelle wieder zu Boden sinkt und nun aber eher den Eindruck eines vor Erschöpfung Schlafenden, denn eines Sterbenden dabei erweckt (vielleicht auch, weil er mit einem Male lauter zu schnarchen anhebt, als man es einer solch kleinen Gestalt hätte zutrauen mögen) mag der Wargin über ihm noch nicht bewusst sein, dass der Blutfluss nachgelassen hat und ihre Kopfwunde – zwar immer noch extrem schmerzempfindlich seiend, inzwischen aber eher den Zustand einer beinahe schon verheilt seienden und mehrere Tage alten Verletzung erweckt.

    „Ja, ja... gib Ruhe. Ich gehe ja schon wieder... such deine Maus…“ Hastig schiebt sich Erle aus der Deckung hervor. Die schweren Schritte das Langbeins hatten ihn erst reflexartig zurückweichen lassen. Niemals dich sehen lassen!, war das Credo, das ihm zeitlebens eingebläut worden war. Sich mit Langbeinen abzugeben, bringt nur Ärger mit sich! hatten ihn die Alten immer wieder gewarnt (und die Langbeinpriester, -priesterinnen und -anirani im Faêyris-Tempel aber gründlich oft widerlegt), nachdem wieder mal wer auf einem Fírbergantreffen von einer unverbrüchlichen Freundschaft mit diesen erzählt hatte. Aber: …such deine Maus, such deine Maus! Mit ungelenken Bewegungen, seine Füße schon nicht mehr spüren könnend, stolpert Erle dem Langbein weiter entgegen, nun wohl endgültig delirierend, tragen Langbeine doch wohl kaum die bepelzten Ohren von Tieren, Hunden vermutlich, oder eventuell auch Wölfen oder Schakalen, an den Seiten ihrer Häupter zur Schau?!


    „Nein, bitte nicht“, kommt ihm krächzend über seine vor Kälte blauen Lippen, als er seinen Blick flehentlich auf das Antlitz der, wohl durch seinen beginnenden Delir so tierhaft verfremdeten Gestalt über sich, richtet. Noch einen Schritt stapft er der Gestalt entgegen, nicht einmal realisierend, dass er dem lebensverheißende Feuer in seinem Rücken gerade viel zu früh den Rücken wieder kehrt. Und tatsächlich legt sich der eisige Hauch der Nacht, ihm wie ein warmer und einen wohligen Schlaf verheißender Mantel um den Leib. Die Kälte nicht mehr spürend und damit das Feuer auch nicht länger missend, tritt Erle ein, zwei, drei weitere Schritte staksend aus dem Loch und der Großen damit entgegen, die Hände dieser flehentlich entgegen gestreckt. Die Kälte des Schnees, in das er nun bis über die Knien einsinkt? Er bemerkt es nicht – oder bemerkt vielmehr nur eine wohlige Wärme, die von den Füßen beginnend in ihm emporzusteigen beginnt. Und dass er hier für die Eule wie auf dem Präsentierteller sich darbietet, derweil die Große vor ihm möglicherweise nichts weiter, denn eine Illusion bloß ist?


    „Lass sie mich nicht, nicht… “ Und mit diesen Worten knickt ihm das rechte Bein plötzlich weg, landet er sanft auf der Seite, in tiefem, weichen und wohlige Wärme ihm verheißenden Schnee, was er aber, sich im Schüttelfrost darin windend, nicht mehr mitbekommt. Wenn die Eule ihn jetzt nicht verschlingt, dann wird es die Kälte tun und das, ob seiner geringen Größe, weit, weit schneller, als bei jedem nochso klein gewachsenem Langbein. Illusion hin oder her, Wolfsohren oder nicht: Wenn er auch nur noch einen Moment mit diesem verfluchten Nachtvogel alleine bleibt… Ja, ja... gib Ruhe. Ich gehe ja schon wieder... such deine Maus… such deine Maus… such deine Maus… deine Maus… Maus… -aus… Aus!

    Klappernd schlagen Erles Zähne aufeinander, derweil die Kälte ihm mit jedem Atemzug tiefer in die Knochen fährt. „Verdammt, verdammt, verdammt!“ Er könnte sich sonst wohin treten, für seine vermaledeite Dummheit! Nur würde ihm das auch nicht weiterhelfen. Ist es das also? In einem verlassenen Mäuseloch erfroren, weil ich nicht auf die Warnungen hören wollte, zeitig zurückzukehren? Tot, weil ich unbedingt den Auftritt dieser Langbeinsängerin zu Ende hören musste? Zornig tritt Erle gegen das gefrorene Erdreich. Wie hatte es nur soweit kommen können? Nun, das war schnell erzählt: Ecco, ein Fírbergan, so altersgrau, dass manche mutmaßten, er könne der älteste noch lebende Vertreter seiner Art sein, hatte sich einen Husten zugezogen, gerade als alle dachte, es wäre vorüber und der Rote Tod zurückgedrängt. Also hatte man nach dem besten Fírberganheiler der Stadt geschickt und, als der nicht verfügbar gewesen war, hatte halt mit dem vorlieb genommen, was grad verfügbar war – Erle! Es war tatsächlich eines der wenigen Male gewesen, das Erle ein gebrochenes gezähmtes Reittier, eine Taube, bestiegen hatte, so schnell wie möglich zu seinem Patienten ins Seeviertel zu gelangen und tatsächlich konnte Erle schon nach einer kurzen Untersuchung Entwarnung geben. Der rote Tod war es nicht, sondern nur eine Verkühlung, die in solch fortgeschrittenem Alter aber auch schnell hätte zum Tode führen können. Wäre Erle dann sofort wieder aufgebrochen, er würde jetzt schon wieder daheim die Füße sich an einem gemütlichen Feuer wärmen, statt sie hier, schon gefühllos in seinen ledernen Stiefel steckend, auf den eisigen Boden zu stampfen, das Unausweichliche so doch nur hinauszuzögern. Aber da war diese Feier der Langbeine, denen die Villa gehörte, in der Ecco es sich mit seinen Kindern und Kindeskindern gut gehen ließ. Clair hieß die Hochelbin die zu Harfenmusik und Flötenspiel so herzerweichend im Raum unter ihnen gesungen hatte, das man dafür hätte sterben mögen, ihr weiter noch zuzuhören. …was ich ja nun wohl auch werde!, grollt Erle still vor sich hin…


    Die anderen Fírbergan hatten ihn erst gedrängt aufzubrechen, bevor es dunkelte und dann, zuletzt ihn gedrängt zu bleiben. Doch mit einem halben Dutzend anderer weinselig schnarchender Fírbergan in einer Kammer zu schlafen? „Nein!“ hatte er die Bitten Eccos selbst zuletzt gar ausgeschlagen, „Etwas frische Nachtluft ist genau das, was ich brauche!“ Die Warnungen vor den aggressiven Nachtvögeln hatte er leichtfertig abgetan und dabei an die satte Eule Ora im Dachstuhl über seiner Schlafstatt gedacht. Oh, welch einem Irrtum er damit doch erlegen war. Ora war satt von den Mäusen, die in den nahen Mogbargärten einen wohl gedeckten Tisch vorgefunden hatten und einige der Fírberganjäger hegten die Mausbestände beinahe so, wie die Langbeine ihr Rot- und Schwarzwild. Ora war also stets satt und zufrieden gewesen und hatte sich mit den Fírbergan darum leicht arrangiert, wohingegen hier, so nahe des Idorel die Ratten, vom Hafen kommend, den Roten Tod auch unter die Nagerpopulation der Stadt getragen hatten. Die Vierbeiner waren allgemein etwas resilienter der Seuche gegenüber gewesen, als die sprechenden Völker, dafür aber auch weit weniger medizinisch bewandert und so, unbemerkt von den Langbeinen, hatte auch unter diesen der Rote Tod reiche Beute gehalten, was wiederum die Eulen in diesem Teil der Stadt nahe an den Hungertod gebracht hatte. „Mit denen kannst du nicht Reden, Erle! Hör auf uns und bleib hier – bitte!“ Erle hatte nur gelacht und sich auf den Weg gemacht. Auf eine der Kutschen, der sich gleichfalls aufgemacht habenden Festgäste der Feierlichkeit aufgesprungen seiend, hatte Erle es sich nahe der hinteren Radachse gemütlich gemacht. Weinselig, hatten doch auch die Fírbergan ein Fest gefeiert, ob der frohen Nachricht, das Ecco doch noch nicht von ihnen gehen musste, summte Erle die Melodie von Claires letzten Stück, dem Vargsången, leise vor sich hin – „Wild heult der Wolf des Nachts im Wald, er heult vor Hunger und Klagen…“, als – WUSCH! – ein Schemen, wie aus dem Nirgendwo auftauchend, vor ihm Gestalt annahm und, wäre der Wagen nicht just in dem Moment über ein Schlagloch gefahren, das Erle ruppig zur Seite schnellte, die nadelscharfen vier Klauen hätten ihn wohl dort an Ort und Stelle aufgespießt! So aber hatte Erle den Stoß der Kutsche zum Überleben genutzt, und aber beim Versuch in das sichere Innere des Wagens zu gelangen – sollten die Langbeine ihn ruhig sehen – den Halt unglücklicherweise verloren.


    Wären die Straßen nicht tief verschneit gewesen, er hätte sich vermutlich sonst was bei dem Sturz gebrochen, so aber war er haken schlagend vor dem immer wieder aus der Dunkelheit herabstürzenden Schatten geflohen, direkt auf das nächste, ihm Schutz verheißende Haus zu, doch es war vergebens gewesen. Er hätte es niemals geschafft, hatte nur noch mit Müh und Not in einem Loch inmitten eines verwildert Gartens Zuflucht gefunden. „Schuhuh, Schuhuh!“ Erle hört den nagenden Hunger in jedem Ruf der Eule und begriff erst da, zu spät, dass das hier nicht die fette gutmütige Ora aus seinem Dachstuhl über Emmets Laboratorium war. „Verdammt, verdammt, verdammt!“ brüllt Erle. „Shuhuh – Shuhuh!“ antwortet es von einem nahen Baum: Hunger – Hunger! Erneut blickt Erle sich um, ohne hier drunten indes irgend etwas Neues zu sehen. Der steif gefrorene Mäusekadaver zeigt alle Anzeichen des Roten Todes, weswegen Erle sich diesem, wie dessen letzter Lagerstadt auch nicht weiter nähert. Zweimal hatte er einen Vorstoß in Richtung des Hauses gewagt und beide Male nur mit Mühe und Not wieder in das Mäuseloch zurück hechten können. „Schuhuh – Schuhuh!“ Wieder stampft Erle mit den Beinen auf, als ein Krampf mit einem Mal seinen linken Fuß erfasst, ihn zu Boden wirft, wo er nichts anderes tun kann, als die Zähne schmerzgepeinigt zusammenzupressen, bis der Krampf endlich vorüber ist. Schlechte Blutversorgung, mehr Nüsse und allgemein eine gesünder Ernährung! ein sardonisches Grinsen verzieht seine Züge. Erstklassig analysiert, aber… hilft mir jetzt das hier irgend weiter? Je tiefer ihm die Kälte in die Knochen fährt, desto heftiger werden diese Krämpfe voraussichtlich werde. …bis mir so warm wird, das ich meine Sachen abzulegen beginne und das Delier von mir Besitz ergreift!. Entweder würde er sich dann zu der toten Maus legen, bis er so steif gefroren wäre wie diese, oder aber nackt hinaus spazieren und mit etwas Glück die ihn aufspießenden Klauen der über ihm noch immer lauernden Eule nicht einmal mehr kommen sehen.


    „Nein, verdammt, nicht so!“ – „Schuhuh, Schuhuh!“ Erle nimmt seinen Rucksack ab, den er nicht zurückzulassen gewagt hatte, hätte das doch auch keinen Unterschied gemacht. Einer Eule läuft niemand davon; nicht in der Nacht, nicht in ihm unbekanntem Terrain! Die Stoffmaske ist schnell über Mund und Nase gezogen und die Unterarme mit etwas Alkohol aus einem Glaskolben benetzt! Die Verdunstungskälte spürt Erle nicht, sondern vielmehr einen angenehm warmen Schauer. Ein Teil seines Bewusstseins beginnt abzudriften, derweil der andere das herannahende Delier professionell analysiert, die ihm verbleibende Zeit abschätzt und ihn zwingt, sich dem Lager der toten Maus zu nähern. Trockenes Gras liegt unter dem Mäusekadaver und einige fetthaltige Samen liegen in einer vom Eingang nicht einsehbar gewesen seienden Ecke der Höhle. Rasch ist der Kadaver mit den Stiefeln beiseite gerollt und die Phiole mit dem Alkohol über dem Graslager entleert. Rasch schieben die schon tauben Füße in den sie schützenden Stiefel das Gras durcheinander, rollen die Nüsse dazu, bis die Luft alkoholschwanger und Heu und Nüsse allüberall mit der reinigenden Flüssigkeit benetzt sind. Die Hände, kaum mehr zum Greifen fähig, schlingen sich um eine aus der Decke hinab reichende verdorrte Wurzel, zerren verzweifelt daran. Sie mit dem Heu und den Samen zusammen zum Entzünden eines Feuers zu verwenden, war eigentlich der Plan gewesen. Das die halbe Höhle dabei über ihm zusammenstürzt und dabei den Mäusekadaver unter sich begräbt ist eher ein willkommener Nebeneffekt nur. Ebenso wie der warme „…nein – der kalte Luftzug!“, verbessert der noch immer analytische Teil seines Verstandes. „Warm ist Illusion, ist Delier, ist Tod!“ Aber der Luftzug ist da. „Also doch nicht ersticken!“Ein Haufen der alkoholgetränkten Gräser und Samen wandert vor die nach oben führende Öffnung der Höhle.


    Beinahe zwei Minuten vergehen, ehe die gefühllosen Finger Erles, mit Feuerstein und Stahl vollbringen, was ihn normalerweise nicht mehr, denn zwei, vielleich drei Herzschläge gekostet hätte: Feuer! Knisternd flammt das Stroh auf und ist nach wenigen Sekunden lichterloh am brennen. Diese Wärme ist endlich echt und keine Einbildung! Außer natürlich, ich liege bereits am Boden und träume das hier gerade nur vor mich hin. Aber dann wäre es wohl eh egal. Also heißt es weiter machen, immer wieder eine neue Fuhre des ehemaligen Totenlagers ins Feuer schieben. Die Schmerzen ob der plötzlichen Wärme, so nahe des Feuers ignorierend, bleibt Erle so dicht bei den Flammen stehen wie nur irgend möglich. Der Erstickungstod im Rauch des Feuers bleibt ihm dank der in Teilen eingestürzten Höhlendecke erspart, ziehen die Rauchschwaden doch nun durch den Eingang davon, kräuseln sich einen Moment in der kalten Nachtluft, ehe sie darin leise schließlich zerfasern. Das Feuer ab brennen halten! Alles, nur nicht erfrieren! „Schuhuh, Schuhuh, Schuhuh!“ Ärgerlich klingen die Rufe der Eule mit einem Male! „Schuhuh, Schuhuh!“ Zuerst nur um das ihm inzwischen verhasst seiende nächtliche Rufen zu überlagern, summt Erle erst nur wortlos vor sich hin, ehe, mit der Wärme auch der Trotz in seinen Körper zurückzukehren scheint und Erle laut und gar nicht einmal sooo schlecht die Stimme erhebt:


    „Wild ruft die Eul’ des Nachts im Baum,

    vor Hunger kann sie nicht schlafen.

    Und ihre Höhl’ ist bitterkalt,

    sie giert nach fetten Ratten.

    Du Eul’, du Eul’, komm nicht hierher.

    Mein Fleisch das frisst du nimmer mehr…“

    „Wir müssen das einfach! Wir…“ Nein, nein und nein! Erinnerst du dich nicht, wie er beim letzten Mal ausges…“ „Aber… Be’Dunja ge… mmer schlechter! Wenn wir nicht… dann… sie…“ „Ja und wenn er plötzlich umfällt und… ihm endgültig zu viel… wen… du dann…“ Leise und kaum vernehmlich dringen die Satzfragmente der zwei, offenbar nahe des oberen Einstiegslochs streitenden Fírbergan, bis zu Erles Schlafplatz hinunter, der sich in einem ersten Impuls sein Kissen über den Kopf ziehen will um dann aber doch nur leise in dieses hinein zu seufzen und sich in der Dunkelheit flink zu waschen und anzukleiden, derweil die beiden Streithähne auf der Fensterbank über ihm weiter miteinander zanken. Seit Stunden schon schlaflos in den Federn liegend, kann er schließlich auch genauso gut einfach aufstehen. Fjorrill und Bersa, wenn er die Stimmen richtig erkannt hat, sind schließlich sicher nicht vollkommen grundlos in seinen Teil des Hauses gekommen und da die Atemnot Be’Dunjas auch nach der eigentlichen Erkrankungsphase geblieben war… ‘Kommt sofort zu mir, wenn es ihr schlechter geht’, hatte er bei seinem letzten Krankenbesuch verlangt, wissend, das Esra Gal die alte Heilerin ihr Bestes geben würde und man ihn nur rufen würde, wenn einzig ein Aniran noch etwas retten konnte – oder ihr das Sterben wenigstens doch etwas leichter machen mochte. Aus den Satzfragmenten schließt Erle schnell, dass es wohl nun an dem Einen oder dem Anderen wohl ist. Den Gürtel festziehend, wie den Rucksack von dort aufklaubend, wo er ihn in der vergangene Nacht hatte fallen lassen, klettert Erle müde die Strickleiter nach oben und schiebt die – ebenfalls als Astloch getarnte Deckenluke auf. „Und ICH sage di-, DA, DA SIEHST DU WAS DU – oh, entschuldige Erle – was du angerichtet hast, Bersa!“ Ob der erhobenen Stimme und seines formidablen Katers, dank der gestrigen Benebelung durch den umgeworfenen Glaskolben, hatte Erle nicht anders gekonnt, als sich mit schmerzverzerrter Mine die Ohren zuzuhalten. „Im Haus oder draußen?“, fragt er so leise, das die beiden Streitenden ihn gerade noch vernehmen können. „Dunja, ihr geht’s wieder schlechter. Aber das kann war-“ Erle macht eine wegwerfende Geste und ignoriert die weiteren Worte Fjorills, der es offensichtlich nur gut mit dem Aniran meint, dessen Augen von der Berührung mit dem Alkohol gestern noch dermaßen rot, geschwollen und empfindlich aussehen, als pfiffe Erle selbst schon auf dem letzten Loch. „Lass uns gehen.“ Bersa, nicht minder erschrocken auf Erles Erscheinen reagierend, denn Fjorill, gibt sich indes gefasster, als ihr Bruder, der – wie sie – wie eine Miniaturversion der in diesem Haushalt lebenden Mogbar ausschaut. Erle wissend, das man nicht nach ihm geschickt hätte, wenn es nicht ernst wäre, vergeudet keine weitere Zeit, ignoriert die Ratte mit dem Sattel, die man offenkundig für ihn mitgebracht hatte und springt so behende vom Mauervorsprung zu Mauervorsprung, bis zum Boden hinab, dass wohl selbst ein altersgrauer Buketin anerkennend darob sein Haupt schief gelegt hätte. „Ich reite keine gebrochenen Seelen, das wisst ihr genau – nicht für ungut, Wiskers!“ kommt er dem Einwand der Zwillinge zuvor. Ja, von Zeit zu Zeit sieht man auch ihn auf einem Tier reiten, doch sind dies immer frei lebende Geschöpfe, die ihn aus Gefälligkeit, Eigeninteresse oder aber auch einer alten Schuld wegen auf ihren Rücken tragen. Jene Geschöpfe, die die anderen Fírbergan zu Reittieren sich gemacht und – wie auch immer sie es selbst nennen mochten – auf die eine oder andere Weise dabei gebrochen hatten… Erle begegnet ihnen mit dem gleichen Respekt wie allen anderen auch, steigt aber nie auf deren Rücken, wenn er nicht der festen Überzeugung ist, dass sie selbst es so wollen und Wiskers hatte diesen Eindruck offenbar nicht in ihm geweckt. Schnell holen die Anderen, Wiskers sattellos neben ihnen her trabend, Erle ein, noch ehe er den kleinen Mauerspalt direkt neben die Treppe erreicht hat. Erle ist deutlich langsamer als die Anderen, obgleich er merklich Tempo zu machen versucht, während es durch die Zwischenböden unter der Decke, über altersdunkle Balken und an einer Stelle gar über eine Brücke aus Spinnenfäden geht. Das einer der Fírbergan es tatsächlich geschafft hat, eine große Radnetzspinne… aber er darf sich jetzt nicht ablenken lassen!


    Die verlockenden Düfte aus der Mogbar-Küche unter Ihnen schließlich verraten, das sie beinahe am Ziel sind. Denn die Fírbergan-Behausung direkt unter dem Dach, sowie im Mauergefüge mittig über dem Kamin der unter ihnen befindlichen Langbein-Küche , ist ein stets warmer und zugleich doch auch luftiger und ausgesprochen anheimelnd eingerichteter Ort in den, früher oder später, alle schwerkranken oder alten Fírbergan dieses Hauses einkehren, wenn sie das Nahen Kyroms in ihren Knochen spüren. Die alte Heilerin, Esra Gal zuckt, wie auch die Zwillinge vor ihr, ob des beängstigenden Bildes zurück, welches Erle in seiner momentanen Verfasstheit abgibt, fängt sich dann aber rasch wieder. „Es geht zu Ende fürchte ich!“ Also keine letzte Rettungsaktion. Erles Mimik ist unbewegt, als er auf das bläulich verfärbte Gesicht der Sterbenden hernieder schaut. Er hat zu viele Tode in den letzten Monden erlebt, hier noch erwartbar emotional zu reagieren. Die angehörigen der alten Frau, ihre vielen Söhne, Töchter Enkel- und Urenkelkinder betrachten ihn hoffnungsvoll und die Sterbende indes voller Sorgen. Die junge Mika trägt gar, die Augen voller Tränen stolz die gestern geborene Ururenkelin Be’Dunjas an ihrer Brust. „Be’Dunja“ schluchzt sie, „Darf ich dir meine Tochter vorstellen Eba’Dunja haben wir sie – nach dir – benannt! Die Augen der Alten klären sich als Erle neben ihr niederkniet und ein leises Gebet an Anira und Nurm richtet, die Kraft ersterer in den Leib der Alten dabei leitend, dass ihr der letzte Gang nicht allzu schwer fallen möge. Und tatsächlich kehrt eine letzte Frische in ihre Züge zurück und vertreibt den zuvor darüber gelegen habenden dunklen Schatten. Danke! lächeln ihr Augen stumm an Erle gewandt, indes so tränenlos wie auch er! Sie wissen beide das dies nur das »wie« ihres Sterbens beeinflusst, nicht aber das »wann«. Und wo Erle schlicht unfähig ist, sich von der Trauer der anderen mittragen zu lassen, hat die alte Be’Dunja einfach schon all ihre Tränen vergossen und außerdem auch ein solch stolzes Alter inzwischen doch erreicht, da viele Kyroms Kommen nicht länger fürchten, sondern in freudiger Erwartung vielmehr sind, selbst nun endlich vor Sithech auch zu treten und – so die Zwölf es denn erlauben – all jene wiedertreffen zu dürfen, die vor ihnen schon die purpurnen Flüsse überquert hatten. „Es – freut mich – dich noch kennen-… lernen zu dürfen, kleine Eba’Dunja! Mö-… möge das Licht Shenrahs immer – über dir – leuch…“ Be’Dunjas Augen fallen schließlich zu und ein plötzliches tiefes Luftholen aus aberdutzenden Kehlen erschallt, während, von vielfachem Schluchzen begleitet, neue Tränen fließen. „Sie schläft nur.“ erklärt da die ruhige Stimme Erles und ein erleichtertes Seufzen weht darauf durch den Raum. „Aber ihr habt mich keinen Augenblick zu früh gerufen.“ Sonst hätte sie vermutlich nicht einmal mehr diese Worte noch von sich geben können. Erst drei Stunden später, in denen die alte Be’Dunja viel und tief, aber ruhig, schläft und sich in den ihr verbleibenden wachen Momenten von allen Angehörigen und Freunden noch zu verabschieden vermag, schließt sie schließlich endgültig ihre Augen. Das hoffentlich letzte – indirekte – Opfer der Roten Seuche, welches sie zu geschwächt zum Weiterleben zurückgelassen hatte. Als die Verwandten sich schließlich weinend in die Arme fallen und auch den Aniran in diesen Trost spendenden Reigen einzubeziehen versuchen, schlägt der indes regelrecht harsch die ihm in Trauer, wie Dankbarkeit entgegengestreckten Arme beiseite. „Er hat viel gegeben, beinahe zu viel. Er braucht Ruhe – jetzt!“, mischt sich da die gestrenge Stimme der, ihn die vergangenen Stunden mit kräftigenden Tees mitversorgt habende Esra Gal ein, ehe die Verstörung der Hinterbliebenen, ob seines Verhaltens, noch in echten Ärger umschlägt und tatsächlich umweht ihn dann ein vielfaches „Ja natürlich, ruh' dich aus, wir können dir auch noch später in Ruhe dafür danken, dass, dass du…“ Erle hört nicht weiter hin und stützt sich vielmehr dankbar auf die Schultern der alten Heilerin.


    „Jungelchen“, tadelt indes auch diese ihn leise, während sie ihn über einen Dachbalken in die – zumindest in Fírbergan Maßstäben gerechnet – große Halle über der Mogbarspeisekammer führt. „An deinem Umgang mit Angehörigen musst du wirklich noch arbeiten.“ Auch ihre Augen funkeln zornig, ob seines harschen Verhaltens, denn auch sie hatte ihm danken wollen, dass er ihrer alten Freundin aus Kindheitstagen, das Sterben so leicht gemacht hatte. Doch kennt sie seine diesbezügliche Schwäche bereits zu gut – das Leid derer um ihn herum scheint ihn niemals auch nur im Mindesten zu berühren, obgleich er zugleich doch alles gibt, dieses zu lindern. Und zum Anderen ist die alte Esra selbst zu sehr Heilerin, einem Patienten anders als mit professioneller Gelassenheit zu begegnen und ein Patient ist er nun, das wissen sie beide. „Wenn du so weitermachst, erlischt der Funke noch in dir, Junge! Hat man dir im Faêyris-Tempel denn gar nichts beigebracht, du Hohlkopf?“ schimpft sie mit ihm und hatte ihn doch zuvor nicht aufgehalten. Freundinnen seit Kindheitstagen. Erle ist, als wenn sie diesen seinen Gedanken ihm von der Stirn abliest, denn augenblicklich senkt sie die Augen, setzt ihn an den der Größe der Halle angemessenen, sprich 5*5 Sekhel großen offenen Kamin. Sein „Ich kann auch genauso gut zuhau-“ wischt sie mit einem unwirschen „Sprich keinen Unsinn!“ beiseite und Erle schweigt daraufhin tatsächlich, wissend das er in der Tat fast zu viel gegeben hatte, sich – insbesondere anbetrachts der vergangenen Jahre im Schatten der Roten Seuche, die ihn über lange Wegstrecken den Sterbenden näher gebracht hatte, als den Lebenden– in unverantwortlicher Weise verausgabt hatte. „Du musst wirklich lernen deine Kräfte einzuschätzen und…“ Hier schießen der alten Esra dann doch wieder die Tränen in die Augen und einen Moment lang fürchtet Erle, das nun auch sie ihm weinend um die Schultern zu fallen beabsichtigt. Doch mit einem Ruck wendet sich die Alte ab und dem Kamin wieder zu, wo sie ihm einen Becher heiße Milch mit Honig und eine Reihe von Kräutern zur Stärkung bereitet, diese beim Hinzufügen laut benennend, dass er – wenn auch noch grün hinter den Ohren – als Kollege ihr fallweise widersprechen kann, doch als sie sich schließlich umdreht ihm den Becher in die Hand zu drücken, findet sie ihn im weichen Ledersofa zusammengesunken schlummernd vor. „Und ich hab mich schon gewundert, warum du mir bei meinem Rezept nicht dazwischen faselst.“ Dankbar drückt sie dem ja nun Wehrlosen einen fetten Kuss auf die Stirn „Mögen Sheilair und Anira schützen über deinen Schlaf wachen und Larnis dir deine Güte entlohnen. Nun, alleine mit dem Schlafendem, dem sie eine wärmende Decke von über dem Kaminsims überwirft, lässt auch sie ihren Tränen schließlich unbekümmert ihren Lauf. „Be’Dunja, warum lässt du mich allein? Wer bleibt denn von uns Alten noch, nun da auch du von mir gerissen wurdest?!“ Dass später in der Nacht, die Angehörigen der Verstorbenen feiern ein gleichermaßen von Traurigkeit wie aber auch freudigen Erinnerungen erfülltes Totenfest, nur durch einen, in den ersten Stunden eisern von der alten Heilerin verteidigten, Paravent vom Kamin nebst Erle getrennt, dieser erwacht und die auf einer Faltpritsche neben ihm schlafenden Esra erblickt, schmunzelnd seinerseits eine der Decken vom Kaminsims greift, sie ihr überzuwerfen, dabei die auf dem Kaminsims stehende, noch immer warme Milch entdeckt, die dicke Hautschicht darauf mit dem Finger wieder einrührt und den Becher langsam austrinkt, Esra bekommt es in ihrem gleichfalls der Erschöpfung geschuldeten Schlaf nicht mit und als sie endlich erwacht liegt Erle wider, tief schlummernd, in einem ihm seine Kräfte, so die Götter gnädig sind, zurückgeben mögenden erneuten Schlummer. Und doch müssen noch drei weitere geschlagene Tage ins Land ziehen, in denen Erle nicht mehr zu heben erlaubt ist, als eine Tasse mit weiteren ihn stärken sollenden Getränken und Mahlzeiten, er nicht weiter gehen darf als zwischen seiner Liegestatt am Kamin im großen Saal, dem Zuber in der daneben gelegenen Waschkammer oder dem Abort direkt gegenüber, ehe die alte Esra – noch immer höchst widerstrebend – ihn schließlich doch noch gehen lässt. Am vierten Tag also erst ist die alte Esra Gal gewillt ihn wieder in seinen Teil des Hauses zu entlassen, jedoch erst nachdem er – gezwungenermaßen – die unzähligen zwischenzeitlichen Dankesbekundungen all der Hinterbliebenen der nun toten Be’Dunja hat über sich ergehen lassen müssen – zähneknirschend aber tapfer dabei lächelnd, wie er es in unzähligen Stunden vor einem Spiegel bereits, für genau solche Ereignisse, oft geprobt hatte.

    Da es einen solchen Thread füher oder später sicher eh mal braucht, mache ich ihn hiermit einfach mal selber eben auf — in diesem Fall in eigener Sache auch.


    Wer sich vorstellen könnte, mit mir kleinem Happen das eine oder andere Abenteuer durchzustehen oder mich in aktive Stränge ev. auch mit einzubeziehen mag (natürlich nur, wenn und wo's grad passt)... Meine PNs/Konversationen stehen weit offen! :uglyhuepf:

    Erle rennt, wie noch nie zuvor in seinem Leben, als er einen Schrei von voraus hört! „Ducken!“ Erle wirft sich aus vollem Laufe mit einem kühnen Sprung zu Boden, rollt nach rechts ab, springt wieder auf und hetzt weiter. Das Fauchen der Luft an seinem linken Ohr kündet von der krallenbewehrten Pranke, die keine Handbreit über seinen Kopf hinweg rauscht und – sollte er das hier denn überleben – er wird Stein und Bein schwören, dass die rasiermesserscharfen Krallen Funken dabei schlugen, als sie genau dort über den Boden fuhren, wo er ohne die Warnung in letzter Sekunde jetzt wohl gestanden hätte! Soris sei dank, hatte er den Faden noch nicht wieder eingeholt, mit dem er vorhin die Arzeneymittelreste vorsichtig vom Labortisch des Langbeins Jarl herabgelassen hatte, die seinen Vorrat für die nächsten Wochen auffrischen würden. In großem Bogen hetzt er, das rachsüchtige Katzenviech direkt in seinem Nacken, auf den Faden zu. Ihr Götter, macht, dass der Glaskolben nicht zu voll ist, oder ich bin des Todes! Ein weiterer Spurt, der Griff um den, ihm als Seil gedient habenden Bindfaden, das Fauchen Tigers in seinem Rücken, dann zieht ihm der Schwung auch schon den Boden unter seinen Beinen fort. Lasst den Kolben leicht genug sein, Ihr Götter, lasst... Der Schwung zieh ihn zur Seite und um das Tischbein herum. Einem gewaltigen Schatten gleich jagt Tiger links an ihm vorbei – ohne einen seinen Schwung umlenkenden Halt durch ein Seil – der geraden Richtung seiner Flugbahn folgen müssend. Dann der Ruck, als der Faden sich um das Tischbein zu wickeln beginnt, darauf das plötzliche Absacken, welches seinen Steiß eine schmerzliche Begegnung mit einer der Bodenfliesen machen lässt. Das Nachgeben des Seiles kann nur eines heißen und Triumph breitet sich in ihm aus. „Liiiiinks!“ Deins oder meins, verdammt noch mal! Doch es bleibt keine Zeit, groß nachzufragen. Piff ist eher simpel gestrickt, also wohl sein Links. Auf die Füße also und, noch aus der Hocke heraus mit aller ihm verbliebenen Kraft nach rechts gehechtet! Das Klirren des mindestens dreimal größeren Glaskolbens verrät, das es heute noch nicht an ihm ist, Kyron seine Bezahlung für die Überfahrt zu überreichen.


    Dafür Piff, schulde ich dir was! „Nicht schon wieder, du Bastard, dafür töte ich dich!“ der wütende Schrei des sich halb herumgeworfenen habenden Tigers, mischt sich unter das Klirren des Kolbens. „Renn!“ Diesen Ruf Piffs indes hätte es nicht gebraucht. Den Faden nicht loslassend, stürmt Erle dem Rufer entgegen, geblendet ob des in alle Richtungen spritzenden Alkohols aus dem Kolben. Das Einzig gute an letztgenanntem Unglück: Tiger scheint es offensichtlich nicht viel anders zu ergehen. Denn warum sonst sollte er, dem Gehörten nach in vollem Lauf gegen den Arbeitsschemel Jarls springen, diesen polternd umzuwerfen? „Ich töte dich, ich mach dich alle! Ich zerreiß dich in Fetzen und piss auf deine Überreste, du Bastard!“ Ja, Tiger war schon immer von der eher primitiven Sorte und außerdem: War das nicht eh von Anfang an sein Plan gewesen? „Hierher, schneller – laaaauuuuuuuf!“ Doch wie sollte er noch schneller laufen, die Lungen leergepumpt, die Augen wie vor Feuer brennend und der Geist von den Dämpfen um ihn her zusätzlich mit jedem Atemzug mehr und mehr vernebelt. „Iiiiiiau verdammt! Au, au, ahhhhhhhhhh!“ Der Aufschrei Tigers, der dem, dem Gejaule vorangegangen seiendem leisen Knirschen nach zu urteilen, eine der versprengten Glasscherben mit einer seiner Pfoten getroffen zu haben schien, befeuert letzte Reserven, von denen Erle nicht geglaubt hätte, sie noch zu haben. „Spriiiiing!“ Erle wirft sich direkt auf die Quelle des Rufes zu, prallt gegen einen weichen felligen Leib, dann ein Ruck an seiner linken Hand! Verdammt, das Seil! Erle öffnet die zur Faust geschlossene Linke, doch nicht rechtzeitig genug, eine blutig rote Strieme in der Handfläche zu verhindern, als Tiger, das andere Ende des Fadens mit einer Kralle erwischt habend, ruckartig daran zerrt. Piff zieht ihn weiter ins Dunkel, ehe Augenblicke später die Pranke Tigers – zu weit hinter ihnen – durch die Luft und auf den Boden hernieder fährt, unwillig zu akzeptieren, das er verloren hatte – schon wieder! Erle stößt die kleine Rötelmaus grob von sich, streift den Rucksack von seinem Rücken und tastet, noch immer blind, nach der Feldflasche an deren Seite, sich den kompletten Inhalt ins Gesicht und über die weit geöffneten Augen zu schütten und mit einem wohligen Seufzen zu Boden und in die weiche Umarmung einer Ohnmacht zu gleiten.


    „Wirklich Tiger, schon wieder?“ Ich dachte, das letzten Mal draußen im Regen hätte dir gereicht?“ „Das war ich nicht, ehrlich! Das war dieser kleine Happen, der sich einfach nicht von mir fressen lassen will! Ihr habt mich doch nur angeschafft, damit ich euch von dieser vermaledeiten Plage befreie, also!“ „Nun hör auf zu fauchen du dummes Katzenviech! Du weißt genau, dass du im Anbau – und ganz besonders im Labor nichts verloren hast. Also“, das Knirschen eines Fensters überlagert das Gekreische Tigers, von wegen „Das war ich nicht, das war ich nicht! Das war der Happen, das war der Happen!“ „wer nicht hören will…“ Dafür töte ich dich, Happen, hast du gehört? Ich töte di- ah Wasser, ich hasse Wasser! Wieso immer, wenn es regnet! Ich bring dich um, Happen, ich mach dich alle, ich mach dich kalt und…“ Der Rest der Tiraden, die Erle wieder zurück in die Wachheit begleiten, erstirbt, als sich das Fenster im Stockwerk über ihnen mit einem Rums schließt und nurmehr das Trommeln des Regens an die Fenster leise bis zu Erle und Piff herunter dringt. „Was ein Glück, Tiger, das die Langbeine dich nicht verstehen können, meinst du nicht auch?“ Ein belustigtes Schnauben lässt Erle erkennen, das er nicht alleine ist. Vorsichtig öffnet er die Augen und erhebt sich aus dem Nest aus alten Mullbindenresten, in welches Piff ihn offensichtlich während seiner Ohnmacht gezerrt hatte. Noch immer umfängt ihn eine Wolke aus Alkoholdämpfen – die ihn, neben seiner Verausgabung, wohl kurzzeitig hatten wegtreten lassen. „Dafür schulde ich dir was, Piff – wirklich!“ „Iwo! Hast mir das Leben gerettet, als ich keine Luft mehr kriegte. Sind quitt!“ Erle kann kaum aufrecht stehen, so benebelt fühlt er sich noch. „Kein Käse?“ fragt er und sieht, auch wenn seine Augen noch immer wie Feuer brennen, Piffs Augen sich weiten. „Käse? Guter Käse? Alt und stinkend?“ „Käse ist das Mindeste!“ murmelt Erle, als er sich torkelnd zum Mäuseloch in der Wand zum Labor bewegt. „Aber jetzt muss ich erstma’ heim, mein Rausch ausschlafn. Macht echt mehr Spaß, wenn man’s trinkt, statts einzuatmn.“ „Aber nicht vergessen, hm? Alten Käse, hm?“ Erle winkt verstehend und macht sich dann wieder auf den Weg, die Treppe rauf.


    Verdammt, warummussichauchdirektuntermdachwohn?Wird nochn verdam- oh…! Mucksmäuschenstill verharrt er, als der alte Apotheker, auf das räudige Katzenviech fluchend, mit Feger und Kehrblech bewehrt, die Überreste des Glaskolbens, wie dessen Inhalt zu beseitigen, die Treppe zum Labor hinunter steigt. Dann, die letzten Stufen hochgesprungen, den Packen mit der Medizin aus der Ecke des Verkaufsraums wieder aufgeklaubt, wo er ihn vor Schreck hatte fallen lassen, als er Tigers Eindringen das erste Mal bemerkt hatte und weiter bis zum Dachboden über dem Lager der Apotheke. Wirklich, ichsollteinserdgeschosszielen, äh – ziehen. Dieser Aufstieg ist ja die reinste Höhl- äh neh, Hölle! Die Mauer zum obersten Fenstersims der Stirnseite des Anbaus noch hoch, eigentlich ein Selbstgänger, braucht heute indes zwei Anläufe. „Na klasse, jetzt also auch noch blaue Flecken zum morgigen Kater!“ „Soll ich dich vielleicht erlösen, Kleiner?“, shuht es spöttisch aus dem Dunkel direkt unter dem Dachfirst zu ihm herab. „Ein Bissen und aus ist’s mit dir und du wirst auch fast nichts spüren, versprochen!“ „Shuhu dich selber, Ora!“ Erle blickt nicht einmal zu der Eule auf, wissend, das sie – anders als der verfluchte im Regen draußen heulende Kater – keinen Streit mit ihm hat und die Fírbergan gemeinhin in Ruhe auch lässt, bringen die doch weit mehr Ärger mit sich, als Fleisch in die Suppe, wie seine Ma’ stets zu sagen pflegt. Also anders – weiser, als der nimmersatte dumme Hauskater, der das nun, ein weiteres Mal, auf die harte Tour wohl zu lernen hat. Durch das Astloch in sein geheimes Sanktuarium unter dem Festerbrett kletternd und das Loch mit dem daraus heraus gesägten Aststück wieder verschließend, schafft es Erle gerade noch sich zu entkleiden, ehe er in das gemachte Bett fällt und die Decke sich über den Kopf zieht, um beinahe augenblicklich in einen unruhigen Schlummer voller Träume von ihn jagenden Katzen zu fallen, ehe Sheilair endlich ein Einsehen mit ihm hat und Erle zu Beginn der Stunde der Gefangenen in einen tiefen, ruhigen, und damit auch erholsamen Schlummer doch noch fallen lässt.

    Emmets Haus:


    Am westlichen Rand der Gärten des Mogbarviertels erhebt sich ein Haus, welches man so vielleicht weit draußen auf dem Land, idealerweise am Ufer eines schilfbestandenen großen Sees, nicht aber inmitten einer brodelnden Stadt, wie Talyra erwarten würde. Aus Natur- und Bruchstein erbaut und außen wie innen mit weißem Kalk verputzt, sowie mit einem dicken Reetdach gedeckt, erweckt das zweigeschossige Haus mit seinen ausnahmslos runden Fenstern einen beinahe vollkommen idyllischen Eindruck, aus dem tagein, tagaus fröhliches Lachen von Kindern, wie Alten schalt und nicht selten finden sich zwei verliebte Bewohner des Hauses etwa bei der Regentonne in trauter Eintracht. Nur beinahe vollkommen idyllisch, ist das Haus vor allem Anderen deshalb, weil schräg, dem abstehenden Daumen einer flach auf ebenem Untergrund liegenden Hand vergleichbar, ein neuerer Anbau aus dem älteren Gebäudeteil heraus ragt Ein Anbau, dessen schindelgedecktes Dach den speziellen Anforderungen an diesen Gebäudeteil zwar vollkommen zugute kommt, den Gesamteindruck aber ein wenig… nun ja, schmälert. Der Erbauer dieses Teils des Hauses nämlich ist der alte Mogbar Jarl Emmet, seines Zeichens Apotheker. Tatsächlich sind fast alle Mitglieder dieses Hauses dem Heilerberuf in der einen oder anderen Art zugetan. Jarls Frau Arja etwa, ist eine hochangesehene Hebamme und von ihren vielen Kinder sind nicht wenige bei ihren Eltern in die Ausbildung gegangen, oder haben bereits ausgelernt und eigene Wege gar beschritten. So etwa Lira Emmet, die älteste Tochter Jarls und Arjas, die unter den Mogbar dieser Stadt als herausragende Naturheilerin gilt und die Herrschaft über den, dem Haus zugehörigen, Garten mit all den darin befindlichen Arzeneymittelpflanzen ausübt, oder auch Ogen Emmet, der als Drittgeborener auf einem guten Weg ist, sich als Geistheiler über die Grenzen der Familie hinaus einen Namen zu machen. Doch Jarl ist seines Zeichens nun einmal ein Apotheker und ein guter wohl. Doch auch dem fähigsten Heilkundigen mag sein Laboratorium einmal um die Ohren fliegen und auch die nachsichtigste aller Mütter, Hebamme ihres Zeichens, und liebevollste aller Ehefrauen Rohas, könnte dann schon einmal fordern, dass in einem Haus voller Kinder und Alter auch… die wirklich gefährlichen Sachen eher nichts doch verloren haben!


    Also, um wieder auf diesen winzig kleinen Kratzer am ansonsten so vollkommen wohl gewesen währenden Idyll zurückzukommen, entstand darum schließlich »der Anbau«!


    Der Anbau:


    Während nun also im allgemein zugänglichen Teil des Hauses stets das Leben tobt, herrscht im Anbau, in dessen Erdgeschoss die Apothekenräume, in dessen Keller das Laboratorium und in dessen Obergeschoss das Arzeneymittellager der Emmets sich findet, des Tags meist geschäftige Ruhe (wenn nicht doch mal eines oder mehrere der Kinder sich hereinzuschleichen vermögen) und des Nacht aber beinahe schon vollkommene Stille. Selbst die anderen, verborgen in diesem Hause lebenden, Fírbergan finden wenig Gefallen an diesem eher funktionalen, explosions- wie brandsicher errichtetem Gebäudeteil, sodass sich von diesen niemand daran störte, als der damals noch in der Ausbildung sich befindende Erle dort niederließ und für die kleinen Leute das wurde, was die Emmets für die Mogbargemeinde und die anderen Großen waren: Die erste Anlaufstelle bei allen größeren oder kleineren Wehwehchen. Dass Erle ab dessen, die meiste Zeit zurückgezogen auf dem Dachboden über dem Arzeneymittellager lebte, wohl tauschte was er brauchte, aber ansonsten eher für sich blieb – es mochte die anderen Fírbergan erstaunen, ja verwundern gar. Doch insgeheim waren sie es ganz froh so, hatte er doch nie den Hauch derer abgelegt, die im nahen Sitechtempell lebten, einen Hauch den selbst die dortigen Fírbergan nicht verbergen konnten und Erle… Nun ja – Erle: Auf eine nicht wirklich bedrohliche, wohl aber bisweilen beunruhigende Art und Weise, schien er wie ein von Sarurnir Berührter – wenngleich ihm wohlgesonnenere Stimmen eher eine Nähe zu Sheilair, dem Träumer doch beschieden. Fest stand auf jeden Fall, dass er… seltsam war und dass man ihn darum besser in Frieden ließ, wenn man denn nichts von ihm wollte und ihn aber aufsuchte, wenn es angeraten denn war. Schließlich hielt er es, also Erle jetzt, genauso doch mit den Anderen auch. So war der Anbau, soweit es die Fírbergan betraf, sein Reich drum, wie es Jarls Refugium etwa war, wenn man die Langbeine denn dazu befragt hätte.

    Dar ist tot :sad:, es lebe Erle! :flirt:


    Hallo alle, da Dar, der Fro'gar aus dem Pfirsich, vor dem Forenabsturz drauf und dran war Novize im Sithech-Tempel zu werden und da zwischenzeitlich laut Todesliste alle Novizen u. A. des Sithechtempels von der roten Seuche aber dahingerafft sind, sehe ich mich in der traurigen Pflicht... *betreten auf die neue Statue im Sithechhain deutet*.


    Seufz! :( Aber nun ist ja Erle bald da (brauche noch etwas, wollte aber schon mal artig hallo doch sagen). Drum: Hallo! :uglyhuepf: