Der Faêyristempel
Inmitten des Tempelhaines im Norden Talyras erheben sich zwischen mächtigen Schwarzkiefern und hohen Rosskastanien die weißen Mauern des Tempels der Mondgöttin. Schon vor der Gründung Talyras durch Cobrin den Priester muss an dieser Stelle bereits ein kleinerer Faêyristempel gestanden haben und Gelehrte vermuten, die Quelle, die noch heute vor dem Altar im Inneren sprudelt, sei schon in alter Vorzeit ein Heiligtum der Ersten Menschen gewesen. Bei der Schlacht im Larisgrün im Jahr 1433 des Vierten Zeitalters wurde dieser ältere Tempel jedoch von den Barbarenhorden Asgrims völlig zerstört und ein Neubau zu Ehren der Mondgöttin erst zehn Jahre nach Gründung Talyras durch den damaligen Stadthalter in Auftrag gegeben – mit einer Gesamtbauzeit von knapp 236 Jahren ist der heutige Faêyristempel zu Talyra jedoch in den ganzen Immerlanden geradezu berühmt für seine rasche Errichtung. In den Herzlanden kennt man den Faêyristempel wegen seines Reichtums an blau-weißen Fliesen, welche vor allem die Sockel der Außenwände, die Säulen und die Kuppel zieren, auch als "Blauen Tempel". Diese kostbaren Kacheln stammen aus Azurien und zeigen traditionelle Ranken, Kreis- und Mondphasenmotive, bei denen nachtblaue und indigofarbene Töne dominieren. Der Hauptraum des Tempels ist mit dreiundfünfzig Schritt Länge und einundfünfzig Schritt Breite fast quadratisch. Die Kuppel darüber hat einen Durchmesser von vierundzwanzig Schritt und ist vierundvierzig Schritt hoch. Sie wird von vier Spitzbögen und vier flachen Zwickeln getragen, die wiederum auf vier riesigen, vier Schritt dicken Säulen ruhen. Nicht weniger als hundertvierundvierzig Fenster "erhellen" den Innenraum, doch ist ihr Glas von so dunkelblauer Tönung, dass im Tempel stets nächtliches Dämmerlicht zu herrschen scheint. Zwölf breite, schneeweiße Stufen führen hinauf zu einem von Marmorsäulen gerahmten Hauptportal aus dunklem Lapislazuli, das kostbare Einlegearbeiten aus Wahrsilber, Mondstein und Perlmutt aufweist. Der Hauptraum ist im Inneren umrandet von Säulen und marmornen Archonenstatuen, und am Ende des immensen Raums erhebt sich Faêyris selbst, dargestellt als eine überirdisch schöne Elbin, deren steinernes Gesicht jedem Tempelbesucher gelassen entgegenblickt.
Zu ihren Füssen sprudelt eine Quelle aus dem Boden und füllt ein silbernes, halbmondförmiges Becken von sicherlich acht Schritt Länge und vier Schritt Breite. Vor dem Becken ist ein reichverzierter Altar aus nachtblauem Marmor und unmittelbar vor dem Altar wiederum ein rundes Bodenmosaik aus Lapislazuli und Yalaris, das einen Nachthimmel mit allen bekannten Sternbildern des Nordhimmels zeigt. Das Haus der Mondgöttin ist stets von silbrigem Dunst erfüllt, das Dämmerlicht blau und voller Sternenschimmer. Mitternachtsindigo ruht zwischen den mächtigen Säulen, die das Kuppeldach des Tempels tragen und den sehr viel schlankeren Pfeilern, welche die Schreine der Archonen ein wenig vom Hauptraum trennen. Silbernes Licht fällt durch die Fenster in Form von Neumonden, die als Oberlichter in die Seiten der Kuppeldecke eingelassen sind und aus zart geschliffenem Mondstein bestehen. Der schneeige Alabaster der Faêyrisstatue leuchtet silbrigweiß aus dem tiefen Mitternachtsblau und der Mondteich zu ihren Füßen schimmert klarer als die Luft an einem Wintermorgen. Links und rechts zwischen den mächtigen Säulen gehen Seitenkapellen für die Archonen der Mondgöttin ab: Sheilair, der Träumer, Anira, Herrin der Heilkunst und Ruhe, Xinaoha, Meisterin der Erkenntnis und Weisheit, Yen der Wächter, Gebieter über Geheimnisse und Mysterien und Narnara, Herrin der Sterne. Zwischen den Säulen wandeln Priesterinnen in dunklen Roben, die mit Monden und Sternen bestickt sind, und ab und an durchbricht das eilige Tappen der Füße von geschäftigen Novizen die Stille des Tempels. Zwischen zwei Säulennischen linkerhand - dem Schrein der Anira und dem des Sheilair -, ist eine Tür aus silbrigem Holz, die hinüber in die angrenzenden Gebäude führt, wo die Kammern der Priester, Templer und Tempeldiener untergebracht sind. Gegenüber zur Rechten zwischen den Kapellen Yens und Narnaras führt eine Tür aus nachtblauem Holz in den ummauerten Tempelgarten, wo zwischen marmornen Springbrunnen allerlei seltene Kräuter und Blumen wachsen.
Die Krypta unter dem Faêyristemmpel ist die größte imperiale Säulenhalle der Herzlande. Zweiundvierzig Kreuzgratgewölbe ruhen auf Säulen mit einfachen Würfelkapitellen. Die abwechselnd gemauerten silbrig-grauen und bläulich gefärbten Sandsteinquader greifen selbst hier noch die Farbgebung von Nacht und Sternen auf. Die ersten acht imperialen Statthalter Talyras wurden hier mit ihren Gemahlinnen begraben, dazu einige berühmte Hohepriester und -priesterinnen der Faêyris aus alter Zeit, einige Adlige der Stadt, die sich auf besondere Weise mit der Mondgöttin verbunden fühlten und schließlich Peredur ap Erbin, erster Ritter der Faêyris und einer von Cobrins zwölf Getreuen. Sein Grabmal ist neben der heiligen Quelle im Tempel eine bedeutende Pilgerstätte.
Die wichtigsten Priester und Templer im Faêyristempel:
Gilraen von Sûrmera,
Erzpriesterin im Dienste der Faêyris und Vorsteherin des Tempels, eine Frau mit langem, schwarzen Haar und dunklen Augen, deren sinnliche, südländische Züge azurianische Vorfahren verraten. Sie ist für eine Frau mit fast sechs Fuß sehr groß und nennt eine üppige, weibliche Figur ihr Eigen.
Bittertrank,
Faêyrispriester im Rang eines Gesegneten und Kräutermeister. Sein rundes Gesicht ist voller Sommersprossen, seine grünen Augen scheinen ständig vom Nachgrübeln über dies und jenes Kräutlein verklärt und sein Haar lässt sich am besten mit "unordentliches Nest voller Kringellocken" beschreiben, die dringend irgendjemand schneiden oder wenigstens kämmen könnte (was aber nie geschieht).
Hájek Tallard,
einst ein talyrischer Adliger und entfernter Verwandter Lord Ellyn Tallards, nun Priester im Rang eines Gesegneten im Dienst der Faêyris. Er besitzt schwarzes Haar, schwarze Augen und ein recht aristokratisch wirkendes, gutaussehendes Gesicht.
Sálvadain,
der Novizenmeister, Gelehrter und Mystiker. Ein sehr alter, sehr weiser Erzpriester, von dem niemand weiß, wo er herkommt oder was ihn eigentlich nach Talyra verschlug. Salvádain erinnert von seinem Aussehen und Auftreten her an einen gütigen, alten Zauberer, hat schneeweißes, langes Haar und einen ebensolchen Bart, ein von tausend Falten gezeichnetes Gesicht mit scharfen, braunen Augen unter buschigen Brauen.
Sárka, Amsel, Dorea, Massram, Chen Leichtehand und Gryllen Cole - eine Auswahl wissbegieriger, arbeitsamer junger Novizen, stellvertretend für die vielen Zöglinge der Mondfrau im Faêyristempel. (Gryllen Cole ist im Übrigen der einzige Sohn von Grand Maester Cole, einem in den Tausendwinkelgassen ansässigen Gelehrten und eine zweite Ausgabe seines etwas sonderbaren und behäbigen Vaters, doch das nur am Rande.)
Sire Beremod von Brugia
Faêyristempler vom Orden der Silbersichel und Kommandant der Faêyristempler-Einheit in Talyra
Sire Béraud von Ildala, Sayid Bedr ed-Dīn, Sire Meical ap Dafyd, Sire Sawyl ap Rhys, Sire Wynfor von Caern, Sire Heylin ap Owain, Sire Gryffid ap Gwil, Sire Pedr von Samrais – Templer vom Orden der Silbersichel, stationiert im Faêyristempel zu Talyra